Der Architekt Wilhelm Haller – Jüdische Moderne in Leipzig und ...

Historisches Erbe der Stadt Leipzig – Baumeister im 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts – Wilhelm Haller
Abb. 15 Türrahmen Eingang Kuppelhalle
Feierhalle in Leipzig
„besonderen Schönheit im
Korn als auch in der Bearbeitung“
(4) verwendet worden.
Der eben erwähnte naturfarbene
Spritzbeton gab einen
guten farblichen Kontrast zum
weißlich bis gelblichen Travertin.
Die gebliebenen Unregelmäßigkeiten,
„wie er aus
der Kelle kam“ (5) , beleben die
Flächen. Für den Fußboden in
der Kuppelhalle und dem
kleinen Saal ist ein neuartiges
Material, ein doppellagiger
Gummi der Runge-Werke,
zum Einsatz gekommen. Dieser
wirkte warm, weich und
schalldämpfend in den beiden
Räumen.
Haller hatte mit der Feierhalle
auf dem Neuen Israelitischen
Friedhof an der Delitzscher
Straße ein Baudenkmal mit
ernster Monumentalität und
wohltuender rhythmischer
Gliederung für die Religionsgemeinde
geschaffen. Die
architektonische Reinheit der
Baumassen fügte sich in das
Stadtbild sehr gut ein und
bereichert es zudem.
Aufgrund der politischen und
sozialen Veränderungen unter
dem zunehmenden Einfluss
der Nationalsozialisten nach
der Machtergreifung Hitlers
1933, wurde das Wirken der
Religionsgemeinde immer
stärker eingeschränkt und
fand in der Reichskristallnacht
vom 09.11.1938 einen unfassbaren
Höhepunkt. In deren
Verlauf wurden in vielen
jüdischen Geschäftshäusern
und Betstuben sowie in den
Synagogen und auch in der
Feierhalle Brandsätze gelegt.
Das Verhalten der Feuerlöschpolizei
und der Gestapo
vor Ort lässt sich anhand des
folgenden Berichts nachvollziehen:
„Bericht der Feuerlöschpolizei
vom 11.11.1938: Am Donnerstag
11.07 Uhr wurde ein
Löschzug nach dem Israelitischen
Friedhof nach der Delitzscher
Straße gerufen, wo
die dortigen Gebäude ebenfalls
in voller Ausdehnung
brannten. Mit drei Leitungen
wurde der Brand lokalisiert. Die
Feuerlöschpolizei hatte, um
allen Anforderungen entsprechen
zu können, Verstärkung
von anderen Formationen
angefordert, die zur Zeit am
Augustusplatz wertvolle Unterstützung
brachten. Die Technische
Nothilfe ist seit dem
Nachmittag damit beschäftigt,
lose Mauerteile, nicht
mehr standhafte Giebel und
Pfeiler an den einzelnen
Brandstellen abzustützen bzw.
abzubrechen.“ (6)
„In Sonderheit war sie [die
Feuerlöschpolizei] den gesteigerten
Anforderungen, die die
Abb. 16 Maßnetzwerk Chor Kuppelhalle
Feierhalle in Leipzig
HTWK Leipzig, Studiengang Architektur, Seminar, Prof. Harald Stricker, Prof. Dr. Rüdiger Schmittlutz
Judenaktion am 10. November
an sie stellte, gewachsen,
indem sie je nach Lage an
sämtlichen Brandstellen erfolgreich
[!] war …“ (7)
Die Aktionen der Reichskristallnacht
waren bereits im vorhinein
geplant gewesen. Kurz
vor den verheerenden Zerstörungen
durch die Brandstiftungen
erschien die Gestapo
immer rechtzeitig, um Archivgut
der Israelitischen Religionsgemeinde„sicherzustellen“,
um damit in den Besitz
entscheidender Dokumente,
wie Mitgliederlisten zu kommen.
Nach den Zerstörungen
machte die Gestapo eine
scheinbare Bestandsaufnahme
und versiegelte die beschädigten
Räume. Was versiegelt
worden war, wurde
später nicht mehr freigegeben.
Nach der Zerstörung der
Einrichtungen der Israelitischen
Religionsgemeinde wurden
Auflagen an die Gemeinde
gestellt, die Ruinen und andere
Anzeichen der Zerstörung zu
beseitigen. Auch die Feierhalle
auf dem Neuen Israelitischen
Friedhof sollte trotz geringer
Brandschäden abgebrochen
werden. Die Kuppelhalle
war äußerlich kaum
beschädigt. (Abb. 17). Auf
Anordnung der Gestapo und