PDF-Version - Bayerischer Journalisten Verband
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Fanpost für<br />
Ermano Geuer<br />
Passauer Jurist klagt<br />
gegen die<br />
pauschale Rundfunkgebühr<br />
ab 1. Januar<br />
Von Simone Kuhnt<br />
Ermano Geuer (28) hat in seinem Büro an der<br />
Uni Passau mittlerweile eine gelbe Plastikbox<br />
der Post neben dem Schreibtisch stehen.<br />
„Jeden Tag werden die Briefe mehr, von den<br />
E-Mails ganz zu schweigen“, sagt er. Menschen<br />
aus allen sozialen Schichten schreiben<br />
ihm – vom Verfassungsrechtler bis zur dankbaren<br />
Bewohnerin eines Seniorenheims.<br />
Ermano Geuer, wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Lehrstuhl für Öffentliches Recht,<br />
Sicherheitsrecht und Internet, hat als Privatmann<br />
Ende Mai vor dem Bayerischen Verfassungsgericht<br />
eine Popularklage gegen die<br />
Neuregelung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags<br />
erhoben. Dieser zufolge sollen ab 1.<br />
Januar 2013 alle Haushalte und Betriebe den<br />
pauschalen Beitrag von monatlich 17,98 Euro<br />
bezahlen – egal, ob sie Fernsehgeräte, Radios,<br />
internetfähige Computer oder Smartphones<br />
besitzen oder nicht. Bisher ist die Abgabe für<br />
ARD und ZDF gerätebezogen. Und wer nur<br />
Radio oder Internetanschluss nutzt, zahlt lediglich<br />
5,76 Euro.<br />
„Für eine alte Dame mit einer kleinen<br />
Rente bedeutet die Erhöhung enorm viel<br />
Geld, und auch viele Studenten und Unternehmen<br />
trifft es hart“, erklärt Geuer, „in<br />
meinem Freundeskreis und unter Kollegen<br />
haben wir das diskutiert. Ich fand die Neuregelung<br />
aus dem gesunden Menschenverstand<br />
heraus ungerecht und hab sie mir mal juristisch<br />
angeschaut.“<br />
In Bayern kann jeder, der eine Vorschrift<br />
des Landesrechts für unvereinbar mit der<br />
Bayerischen Verfassung hält, eine Popularklage<br />
erheben, ungeachtet dessen, ob er<br />
betroffen ist oder nicht. Das Verfahren ist<br />
kostenfrei. Diese bayerische Besonderheit<br />
machte sich Geuer, geboren in Hessen, aufgewachsen<br />
in Nordrhein-Westfalen und seit<br />
BJVreport 5/2012<br />
2004 in Passau, zunutze: „Aus allgemeinem<br />
Rechtsempfinden heraus und aus dem juristischen<br />
Reiz, das auszuprobieren.“ Die<br />
Verfassungsklage und die Erfahrung daraus<br />
könne zudem gut für seine berufliche Laufbahn<br />
sein. Er hat sich auf Medien- und IT-<br />
Recht spezialisiert, betreut am Lehrstuhl ein<br />
EU-Projekt zu den Themen Datenschutz und<br />
Sicherung von Informationsflüssen, „das null<br />
mit der Klage zu tun hat“, und möchte später<br />
als Anwalt tätig sein.<br />
Im August ging er mit seiner Popularklage<br />
durch die Presse. Der Juristenkollege<br />
Heribert Prantl bescheinigte ihm in der Süddeutschen<br />
gute Chancen, dpa berichtete, die<br />
FAZ, das Handelsblatt, der Focus und viele<br />
Regionalzeitungen. „Der Medienrummel ist<br />
schon ungewohnt. Anfangs waren die Telefonate<br />
mit den <strong>Journalisten</strong>, meist juristische<br />
Laien, mühselig für mich. Erst mit der Zeit<br />
fand ich heraus, dass ich ihnen immer Beispiele<br />
nennen muss, um die Ungerechtigkeit<br />
zu verdeutlichen“, erzählt Geuer.<br />
Auf die Berichterstattung folgten Anrufe,<br />
E-Mails, Briefe. „Viele bedanken sich bei mir,<br />
einige sind frustriert und schickten mir ihren<br />
Schriftverkehr mit der GEZ. Auch Professor<br />
Ingo von Münch hat mir geschrieben, ein<br />
Hamburger Verfassungsrechtler, der meine<br />
Klage begrüßt“, erzählt Geuer. Anfangs habe<br />
er auf E-Mails noch persönlich geantwortet,<br />
dann einen Musterbrief verwendet, dann gar<br />
nicht mehr zurückgeschrieben, weil sich der<br />
Aufwand mit seiner Arbeit am Lehrstuhl<br />
nicht mehr vereinen ließ.<br />
In seiner Klage argumentiert Geuer, dass<br />
die geplante Pauschale gegen den Gleichheitsgrundsatz<br />
verstoße, dass also diejenigen,<br />
die Rundfunkgeräte haben, und dieje-<br />
Medienszene<br />
Wir im BJV<br />
nigen, die keine besitzen, gleichermaßen zur<br />
Kasse gebeten würden. Im privaten Bereich<br />
möge es zutreffen, dass 97 Prozent der Menschen<br />
einen Fernseher haben, räumt Geuer<br />
ein. Deren Anzahl nähme aber ab, weil immer<br />
mehr Menschen Angebote wie iTunes<br />
und Video on demand nutzten, „und deshalb<br />
wollte man sich beim Rundfunk die Finanzierung<br />
sichern“. Ebenfalls benachteiligt seien<br />
viele Behinderte, die bislang befreit waren<br />
und jetzt auch Beiträge zahlen müssen. Noch<br />
stärker als für Privatpersonen wirke sich die<br />
Ungleichbehandlung auf den gewerblichen<br />
Im August, als seine<br />
Klage durch die Medien<br />
ging, erhielt Ermano<br />
Geuer im Schnitt täglich<br />
fünf Briefe<br />
und 30 E-Mails.<br />
Mittlerweile flaut<br />
der Ansturm wieder<br />
etwas ab.<br />
Foto: Simone Kuhnt<br />
Bereich aus: Auf Unternehmen mit vielen<br />
Werken und Speditionen mit einem großen<br />
Fuhrpark kämen durch die Beitragspflicht<br />
pro Betriebsstätte und Fahrzeug höhere finanzielle<br />
Belastungen zu. Weitere Leidtragende<br />
seien etwa Betreiber von Hostels, die<br />
pro Zimmer einen Beitrag zahlen müssten,<br />
obwohl sich in der Regel gar kein Fernseher<br />
darin befindet.<br />
„Dadurch, dass man für etwas bezahlen<br />
muss, ohne dafür eine konkrete Gegenleistung<br />
zu bekommen, kommt der Rundfunkbeitrag<br />
einer Steuer gleich. Die Bundesländer<br />
haben aber gar keine Kompetenz, eine Steuer<br />
zu erheben“, stellt Geuer klar. Außerdem<br />
sieht er Mängel beim Datenschutz: Weil der<br />
Gebühreneinzugszentrale alle Meldedaten<br />
aller Gemeinden überlassen werden sollen,<br />
entstehe ein zweites und sogar noch „zentraleres“<br />
Melderegister. Nach den Stellungnahmen<br />
von Landtag, Staatsregierung und<br />
Bayerischem Rundfunk beim Verfassungsgerichtshof<br />
hat Ermano Geuer das Recht, sich<br />
noch einmal zu äußern. Eine Entscheidung<br />
wird erst 2013 erwartet.<br />
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