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Grösste Privatbank Europas - Perspectives Pictet

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Sonderdruck aus der NZZ am Sonntag vom 27. November 2011<br />

Falkenstrasse 11 • 8001 Zürich • 044 258 11 11<br />

<strong>Grösste</strong> <strong>Privatbank</strong> <strong>Europas</strong><br />

Als die Bank <strong>Pictet</strong> 1805 gegründet wird, gehört Genf noch zu Frankreich.<br />

Seither ist <strong>Pictet</strong> zu <strong>Europas</strong> grösster <strong>Privatbank</strong> aufgestiegen.<br />

Ihr Erfolg fusst auf drei calvinistischen Tugenden: persönliche Verantwortlichkeit,<br />

Mässigung und Weitsicht. Von Markus Städeli<br />

Die Zeit derTabus ist vorbei:Credit Suisse beendet<br />

eine bis ins Jahr 1755 zurückreichende Firmengeschichte<br />

und eliminiert ihre Tochtergesellschaft<br />

Clariden Leu. Bei der Bank Sarasin kommt es nun<br />

zwar nicht zum befürchteten «Blutbad», aber der<br />

Untergang weiterer Traditionsbanken ist nicht ausgeschlossen.<br />

Schweizer Bankhäuser und ihre Angestellten<br />

sind plötzlich gefährdete Spezies. Bis vor<br />

kurzem hat die Möglichkeit, von einem Golfball<br />

getroffen zu werden, noch als grösstes Risiko<br />

im Geschäft mit reichen Privatkunden gegolten.<br />

Im Gegensatz zu vielen Berufskollegen 1<br />

können die 3000 Mitarbeiter von <strong>Pictet</strong><br />

& Cie. der Zukunft gelassen entgegensehen.<br />

Die Bank wird niemanden übernehmen<br />

und von niemandem übernommen<br />

werden. Das ist in der Firmenpolitik ebenso<br />

wenig vorgesehen wie kurzfristige Kostenmanöver,<br />

um Ergebnisse zu schönen. Vielmehr scheint<br />

die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die seit 1805<br />

aktiven <strong>Privatbank</strong>iers auch noch in 200 Jahren<br />

wirken werden.<br />

Wieso? Mit derzeit 364 Mrd. Fr. Kundenvermögen<br />

hat <strong>Pictet</strong> mehr als nur eine kritische Grösse<br />

erreicht. Sie ist zur bedeutendsten Vermögensverwalterin<br />

der Schweiz hinter den beiden Grossbanken<br />

aufgestiegen. Für ein langes Leben spricht<br />

vor allem auch, dass sich <strong>Pictet</strong> aller Hochrisikogeschäfte,<br />

namentlich Firmenkredite und Investment<br />

Banking, und selbst der Vergabe von Hypotheken<br />

enthalten will. Es gibt nämlich eine unselige Tradition<br />

von Bankhäusern, sich bei solchen Aktivitäten<br />

das Genick zu brechen: 2008 musste sich<br />

Sal. Oppenheim, die damals grösste unabhängige<br />

Bankgruppe <strong>Europas</strong>, in die Arme der Deutschen<br />

Bank flüchten - weil sich ihre Besitzer mit Firmenkrediten<br />

verspekuliert hatten. Seither heisst die<br />

grösste privat gehaltene Bank <strong>Pictet</strong>.<br />

Wirtschaftsdynastien<br />

Ein weiterer Überlebensvorteil der Genfer<br />

ist, dass sie ein ausgeklügeltes Rezept gegen das<br />

Buddenbrook-Syndrom gefunden haben. Thomas<br />

Manns Roman über die Geschichte der Kaufmannsfamilie<br />

Buddenbrook aus Lübeck zeigt<br />

exemplarisch das Schicksal vieler Familienunternehmen<br />

auf: ein unaufhaltbarer Abstieg über vier<br />

Generationen, weil der Familie die vitalen und unternehmerisch<br />

begabten Mitglieder ausgehen.<br />

Ivan <strong>Pictet</strong>, der Seniorpartner, der letztes Jahr<br />

in Pension ging, beschrieb dieses Rezept<br />

<strong>Pictet</strong>s einmal kurz und bündig wie folgt:<br />

SERIE<br />

Schweizer<br />

«Wir sind kein reines Familienunternehmen,<br />

vielmehr ein familiengeführtes Unternehmen.»<br />

Man könnte es auch so formulieren:<br />

Um Teilhaber der Bank zu werden,<br />

ist es ein Vorteil, aber keine Bedingung, <strong>Pictet</strong><br />

zu heissen.<br />

«Das radikalste uns bekannte Verfahren, um das<br />

Überleben des Unternehmens zu sichern, hat die<br />

Genfer <strong>Privatbank</strong> <strong>Pictet</strong> entwickelt», lautet denn<br />

auch das Fazit des Buches «Mehr-Generationen-<br />

Familienunternehmen», das von Mitarbeitern des<br />

Instituts für Familienunternehmen der Universität<br />

Witten/Herdecke verfasst wurde.«Hätte man allein<br />

von theoretischen Erwägungen ein Ideal konstruieren<br />

müssen, hätte man vielleicht ebenfalls solch<br />

ein Modell entwickelt», so die Forscher. Das Faszinierendste<br />

an <strong>Pictet</strong> ist vielleicht, dass sich ihre Organisationsform<br />

ungeplant herausgebildet hat. Sie<br />

ist ein Produkt der langen Firmengeschichte. Seit<br />

wann genau die heute geltenden Prinzipien gelten,<br />

weiss auch der geschichtsbewusste Seniorpartner<br />

Jacques de Saussure nicht (siehe Interview).<br />

Doch wie fing alles an? An der heutigen Adresse<br />

an der Route de Acacias in einem Genfer Industriequartier<br />

gibt es auf den ersten Blick keine Hinweise<br />

auf die lange Geschichte der Firma. Das ist<br />

nicht weiter verwunderlich, denn die Bank, die seit


1805 neunmal ihren Namen geändert hat, ist auch<br />

siebenmal umgezogen.<br />

Zwei Jungbanker<br />

Erst wer den 2006 fertiggestellten Bau betritt, der<br />

damals punkto Umwelttechnik neue Massstäbe<br />

setzte, findet Hinweise auf die Vergangenheit. Neben<br />

dem augenfälligen Oldtimer der Marke Pic-<br />

Pic – er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von<br />

der Schwesterfirma Piccard-<strong>Pictet</strong> entworfen – ist<br />

auch die handgeschriebene Gründungsurkunde<br />

der Bank ausgestellt.<br />

Als Jacob-Michel-François de Candolle und<br />

Jacques-Henry Mallet, beide noch keine 30 Jahre<br />

alt, dieses Schriftstück unterzeichnen, schreibt<br />

man den 5. Thermidor XIII. Es gilt noch der Revolutionskalender,<br />

denn das stolze Genf ist 1798<br />

von Frankreich annektiert worden.Auch die Bankgründer<br />

Mallet und Candolle werden auf wundersame<br />

Weise «gebürtige Franzosen».<br />

Die Bankgeschäfte von damals sind nur bedingt<br />

mit jenen von heute vergleichbar: Neben den tra-<br />

wirtschaft Sonntag, 27. November 2011<br />

Bietet mehr als 3000 Mitarbeitern Platz: der heutige Sitz der Bank im Genfer Industriequartier.<br />

ditionellen Tätigkeiten wie Geldwechsel, Goldhandel<br />

oder Zinsinkasso entwickeln die jungen Bankiers<br />

jedoch eine Vorliebe für die Vermögensverwaltung.<br />

Sie kaufen ihren Kunden zum Beispiel Lotterieanleihen<br />

von Wien und Neapel oder Aktien<br />

des niederländischen Dampfschiffes «Rotterdam».<br />

1841, Genf ist längst befreit und Teil der Eidgenossenschaft,<br />

wird erstmals ein Mitglied der Familie<br />

<strong>Pictet</strong> Teilhaber der Bank. Co-Gründer Candolle<br />

hat keinen Sohn, der seine Nachfolge antreten<br />

könnte, und wendet sich kurz vor seinem Tod an<br />

den Neffen seiner Frau: Edouard <strong>Pictet</strong>. Dieser<br />

wird Teilhaber, und seither bleibt der Name <strong>Pictet</strong><br />

mit der Bank verbunden.<br />

Doch die Bereitschaft, Partner mit anderen Familiennamen<br />

zu ernennen, bleibt bestehen. Mit<br />

dieser Offenheit bildet sich auch der Grundsatz heraus,<br />

dass die Eigentümerschaft nicht an die Kinder<br />

vererbt werden kann. Eigentümer zu sein, ist ein<br />

vorübergehender Status, der mit dem Ausscheiden<br />

aus der Firma endet. Er ist an Personen und nicht<br />

an eine Familie gebunden – auch wenn heute die


Regel gilt,dass zwei der (gegenwärtig acht) Partner<br />

den Namen <strong>Pictet</strong> tragen sollten.<br />

Wer Teilhaber werden will, muss auch nicht<br />

reich sein. Neueinsteiger erhalten von den anderen<br />

Teilhabern eine Art Darlehen, das sie aus ihren<br />

Gewinnanteilen abzahlen können. Der Senior-<br />

Teilhaber Jacques de Saussure sieht drei wichtige<br />

Weichenstellungen in der Firmengeschichte: «die<br />

Offenheit, auch Personen von ausserhalb der Familie<br />

zu Teilhabern zu machen. Dann die internationale<br />

Expansion, ein Schritt, den nur die wenigsten<br />

<strong>Privatbank</strong>en gewagt haben. Und schliesslich der<br />

Entschluss, nicht nur im Private Banking tätig zu<br />

sein, sondern auch ins Asset Management einzusteigen.»<br />

Die Internationalisierung geschieht in Etappen.<br />

Doch sie beginnt früh, und ihr Vorreiter heisst<br />

Guillaume <strong>Pictet</strong>, der von 1889 bis 1926 die Geschicke<br />

der Bank bestimmt. Unter ihm erlebt das<br />

Geschäft einen enormen Aufschwung. Der vielseitige<br />

Guillaume <strong>Pictet</strong>, der auch Mitglied des Direktoriums<br />

der Schweizerischen Nationalbank ist,<br />

will ein umfassendes Beziehungsnetz in den USA<br />

und in Lateinamerika aufbauen. Zu diesem Zweck<br />

begibt er sich im Jahr 1895 nach New York, San<br />

Francisco und Los Angeles. 1905 unternimmt er<br />

eine weitere, damals noch beschwerliche Reise in<br />

die USA und nach Mexiko.<br />

Als Guillaume <strong>Pictet</strong> 1926 abtritt, wird die Bank<br />

in ihren heutigen Namen umfirmiert: <strong>Pictet</strong> & Cie.<br />

Kurz danach kommt der Börsenkrach an der Wall<br />

Street, und die Weltwirtschaft stürzt in ein Chaos,<br />

das den Weg für den Zweiten Weltkrieg bereitet –<br />

eine existenzbedrohende Krise auch für die Genfer.<br />

Während des Krieges werden die im Ausland<br />

investierten Gelder blockiert und Kontakte zu vielen<br />

Kunden unterbrochen. Auch nach Kriegsende<br />

bleibt die Lage schwierig. Um den Folgen der Krise<br />

entgegenzuwirken, suchen die Teilhaber nach Diversifikationsmöglichkeiten.<br />

<strong>Pictet</strong> übernimmt und<br />

wirtschaft Sonntag, 27. November 2011<br />

saniert eine Genfer Immobiliengesellschaft, steigt<br />

ins Geschäft mit Kleinkrediten ein und lässt sogar<br />

eine Erdölraffinerie in Antwerpen bauen. Zudem<br />

wird sie Eigentümerin einer Seefrachtgesellschaft,<br />

die drei Frachtdampfer besitzt und vier Handelsschiffe<br />

betreibt. Alle diese Aktivitäten stösst die<br />

Bank später wieder ab.<br />

Angst vor der Roten Armee<br />

«Nach dem Zweiten fürchtete sich Europa vor<br />

einem dritten Weltkrieg. 1948 gab es überall in<br />

Osteuropa totalitäre Revolutionen, und die Rote<br />

Armee blieb bis 1955 in Österreich.Auch bei <strong>Pictet</strong><br />

hatten wir damals grosse Angst», sagt de Saussure.<br />

In den siebziger Jahren gründet die Bank sogar<br />

einen Ableger in Amerika, aus Furcht vor der<br />

Roten Armee. «Es gab das Risiko, dass die Sowjetarmee<br />

einmarschieren könnte. Deshalb haben wir<br />

ein Büro in Montevideo eröffnet, mit der Idee, die<br />

amerikanischen Guthaben unserer Kunden von<br />

den europäischen zu trennen.» Als in Lateinamerika<br />

eine Abwärtsspirale einsetzt, verlegt die Bank<br />

ihre amerikanische Dépendance nach Montreal.<br />

Trotz der Bedrohungslage kommt es ab den<br />

fünfziger Jahren zu einem Boom im Vermögensverwaltungsgeschäft.<br />

Und die Bank gewinnt eine<br />

neue Kundschaft: Pensionskassen und andere institutionelle<br />

Anleger. Jacques de Saussure ist in<br />

den Aufbau des sogenannten Asset Management<br />

direkt involviert – den er als die dritte wichtige<br />

Weichenstellung der Firmengeschichte einstuft.<br />

«Als ich ein paar Jahre vor meiner Ernennung zum<br />

Partner (1987) dort begonnen hatte, gab mir mein<br />

Chef das Ziel vor, 1 Mrd. Fr. zu erreichen. Heute ist<br />

dieses Geschäft mehr als 100 Mrd. Fr. gross.» Verschiedene<br />

Partner sind damals der Ansicht, <strong>Pictet</strong><br />

werde in diesem Geschäft Geld verlieren. «Dennoch<br />

bestand die Offenheit, es zu versuchen und<br />

nicht einfach den Weg des geringsten Widerstands<br />

zu gehen», so de Saussure.<br />

Was ist wohl die nächste Weichenstellung?<br />

Zur Schau gestellte Tradition. Die Räumlichkeiten waren gediegen, aber der Platz wurde knapp:<br />

der frühere Hauptsitz von 1975 bis 2006.


Jacques de Saussure, Seniorpartner<br />

«Niemand würde heute nochmals eine Bank<br />

nach diesen Regeln aufsetzen»<br />

NZZ am Sonntag: Wie muss man sich Ihre Rolle als<br />

Seniorpartner von <strong>Pictet</strong> vorstellen? Als ein Primus<br />

inter Pares wie der Bundespräsident?<br />

Jacques de Saussure: Das ist ein gutes Bild. In<br />

unserer Partnerschaft haben alle acht Teilhaber<br />

eine solidarische Verantwortung. Nicht nur finanziell,<br />

sondern auch, was die Unternehmensführung<br />

angeht. Meine Aufgabe ist, das gute Funktionieren<br />

dieser Mannschaft zu gewährleisten, und ich bin<br />

eine Art Sprecher innerhalb und ausserhalb der<br />

Bank. Es gibt aber Unterschiede zum Bundesrat.<br />

Welche?<br />

Im Bundesrat gibt es eine jährliche Rotation, was<br />

dem Bundespräsidenten nicht viel Zeit gibt, etwas<br />

zu bewirken. Bei uns gibt es eine Rotation gemäss<br />

dem Senioritätsprinzip. Der Älteste von uns wird<br />

Seniorpartner und bleibt dies bis zum Ausscheiden<br />

aus der Firma. Man kann also vier, fünf, sechs Jahre<br />

lang wirken.<br />

Wie treffen Sie als Gremium Entscheidungen?<br />

Die Regel ist, dass wichtige Entscheidungen, wie<br />

übrigens bei jeder Personen- oder Kommandit-<br />

wirtschaft Sonntag, 27. November 2011<br />

gesellschaft in der Schweiz,<br />

einstimmig beschlossen werden.<br />

Zum Beispiel, wenn<br />

wir unsere Struktur ändern<br />

wollen oder wenn wir einen<br />

neuen Partner ernennen.<br />

Obwohl wir alle den Hang<br />

haben, uns in Kleinigkeiten<br />

einzumischen, haben wir dennoch<br />

eine Organisationsform,<br />

welche der heutigen Grösse<br />

der Bank gerecht wird. Es<br />

machen nicht alle alles.<br />

Wie haben Sie sich konkret<br />

organisiert?<br />

Geschäftsaktivitäten und<br />

wichtige Funktionen wie Personalwesen,<br />

Risikokontrolle,<br />

Rechtliches und so weiter<br />

unterstehen jeweils verschiedenen<br />

Teilhabern. Wir treffen<br />

uns jeden Morgen und<br />

besprechen die laufenden<br />

Aktivitäten. Das ist sehr<br />

wichtig. Wir sind ein Team,<br />

das einander ergänzt.<br />

Abgesehen vom Senioritätsprinzip:<br />

Was unterscheidet die<br />

Führung von einer Konzernleitung<br />

anderer Banken?<br />

Dort stehen die Mitglieder<br />

der Geschäftsleitung oft in<br />

einem Konkurrenzverhältnis<br />

zueinander, weil sie alle<br />

hoffen, eines Tages CEO zu werden. Wir hingegen<br />

ziehen am selben Strick. Jeder Einzelne von uns ist<br />

vielleicht nicht so gut wie der Chef einer anderen<br />

Bank. Aber als Gremium sind wir ziemlich sicher<br />

besser.<br />

Gibt es die Gefahr von schlechter Corporate Governance?<br />

Grundsätzlich ja. Bei unseren morgendlichen<br />

Treffen sind wir gleichzeitig Versammlung der<br />

Aktionäre, Verwaltungsrat und Generaldirektion.<br />

Das ist logisch, weil uns die Bank gehört und es keine<br />

Eigentümer ausserhalb der Firma gibt. Aber es handelt<br />

sich um eine sehr grosse Machtkonzentration.<br />

Wie gehen Sie damit um?<br />

Um Risiken zu vermeiden, haben wir für die einzelnen<br />

Unternehmensaktivitäten kleine Überwachungs-Komitees<br />

gebildet, damit nicht einer allein<br />

einen Bereich beaufsichtigt. Zudem läuft alles, was<br />

mit Rechnungsprüfung, Risiko und Compliance zu<br />

tun hat, beim Seniorpartner zusammen. Dieser hat<br />

keine direkten operativen Verantwortlichkeiten. So<br />

entsteht eine Art Gewaltentrennung.


Es gibt eine Vielzahl von Prinzipien in Ihrer Bank.<br />

Etwa, dass immer gleichzeitig Partner aus drei Generationen<br />

am Ruder sein müssen und dass zwei davon<br />

aus der Familie <strong>Pictet</strong> stammen sollten. Wann wurden<br />

diese Prinzipien eingeführt?<br />

Das ist schwierig zu sagen. Diese Prinzipien sind<br />

ein Resultat unserer Erfahrung, die von Generation<br />

zu Generation weitergegeben worden ist. Die<br />

Regeln – die wir übrigens ändern können, wann<br />

immer wir wollen – sind erstmals vor ein paar Jahren<br />

schriftlich festgehalten worden, als mein Vorgänger<br />

Ivan <strong>Pictet</strong> sie den Forschern des Instituts<br />

für Familienunternehmen der Universität Witten/<br />

Herdecke erklärt hat.<br />

Sie wollen uns sagen, dass es <strong>Pictet</strong>-intern vorher<br />

keine schriftliche Fassung der eigenen Prinzipien<br />

gegeben hat?<br />

Nein, und es waren die deutschen Forscher, nicht<br />

wir, die unsere Prinzipien schliesslich niedergeschrieben<br />

haben (lacht).<br />

Könnte man heute nochmals eine Bank wie <strong>Pictet</strong><br />

aufsetzen?<br />

Nein, ich glaube nicht. Der einzige Grund für unsere<br />

jetzige Struktur ist,dass sie schon immer so gewesen<br />

ist. Ein Unternehmer, der ein Geschäft aufbaut<br />

und dieses während zwanzig, dreissig Jahren voranbringt,<br />

will es am Schluss mit Gewinn verkaufen<br />

können.Wir hingegen geben unsere Anteile bei der<br />

Pension zum Buchwert an die nächste Generation<br />

weiter.<br />

Das Gremium der Teilhaber kann jederzeit die<br />

Regeln ändern. Wieso sind Sie dennoch bereit, Ihre<br />

Anteile zum Buchwert abzugeben?<br />

Natürlich, wir könnten uns jederzeit in eine Aktiengesellschaft<br />

umwandeln und die Firma verkaufen.<br />

Wir tun es nicht, weil auch wir damals die Chancen<br />

hatten, zum Buchwert Teilhaber zu werden. Dass<br />

niemand heute nochmals eine Bank nach diesen<br />

Prinzipien aufsetzen würde, macht uns umso einzigartiger.<br />

Zum Partner gewählt zu werden, ist wohl einer der<br />

wichtigsten Augenblicke im Leben. Wie war es für<br />

Sie, als Sie 1987 Teilhaber wurden?<br />

Ich trat 1980 in die Bank ein, nachdem ich dort 1975<br />

bereits einen Stage absolviert hatte. Man kannte<br />

mich also bereits. Damals war das Unternehmen<br />

noch viel kleiner, es arbeiteten vielleicht 300 bis<br />

wirtschaft Sonntag, 27. November 2011<br />

600 Personen bei <strong>Pictet</strong>.Alles war informeller. Dass<br />

mein Vater auch schon Partner der Bank war, hat<br />

mir die Dinge natürlich wesentlich vereinfacht.<br />

Kann man Sie als den Nachfolger Ihres Vaters<br />

bezeichnen?<br />

Mein Vater hat sich zwar im gleichen Jahr zurückgezogen,<br />

in dem ich ernannt worden bin. Dennoch<br />

würde ich das nicht als Nachfolge bezeichnen.<br />

Wenn man mit 35 Jahren Partner wird, hat man<br />

nicht annähernd die Erfahrung wie jemand, der<br />

30 Jahre älter ist. Das ist eine der Stärken unseres<br />

Systems. In einem klassischen Familienunternehmen<br />

ist die Stabsübergabe aufgrund des Altersunterschieds<br />

zwischen Vater und Kindern und wegen<br />

psychologischer Aspekte schwierig. Bei uns erfolgt<br />

die Weitergabe der Macht in Tranchen alle fünf bis<br />

zehn Jahre. So können wir Generationenprobleme<br />

vermeiden.<br />

Ivan <strong>Pictet</strong> hat uns einmal gesagt, <strong>Pictet</strong> sei eine calvinistische<br />

Bank. Sehen Sie das auch so?<br />

Die Reformation hat Genf stark geprägt. Es sind<br />

viele protestantische Immigranten aus der Toskana<br />

und aus Paris nach Genf geflohen und haben<br />

oft Kompetenzen im Finanzbereich mitgebracht.<br />

Mit der Reformation hat sich auch ein Geist der<br />

Freiheit, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit<br />

herausgebildet, der für unser Geschäft wichtig ist.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Die Idee, dass jeder Einzelne sein Tun direkt Gott<br />

gegenüber verantworten muss, hat zur Herausbildung<br />

einer puritanischen Kultur geführt. In dieser<br />

ist Geld nicht per se verpönt. Schlecht ist es vielmehr,<br />

sein Geld nicht sinnvoll einzusetzen. Dazu<br />

kommt, dass das Leben der Protestanten in all diesen<br />

Jahren nicht einfach war: Wir haben gelernt,<br />

ökonomisch zu denken und hart zu arbeiten.<br />

Ist dieser Geist bei <strong>Pictet</strong> erhalten geblieben?<br />

Wir wertschätzen die Arbeit. In unserem Unternehmen<br />

kann man kein passiver Teilhaber sein und die<br />

Früchte des Vermögens ernten. Wer ausscheidet,<br />

profitiert nicht länger vom Erfolg der Bank. Unsere<br />

Mission als Teilhaber ist, das Unternehmen in einer<br />

besseren Verfassung weiterzugeben, als wir es bei<br />

unserem Eintritt angetroffen haben. Ein weiterer<br />

Aspekt ist, dass wir unsere ökologische Verantwortung<br />

ernst nehmen.<br />

Interview: Markus Städeli<br />

«Das Partnergremium<br />

ist zugleich Versammlung der Aktionäre,<br />

Verwaltungsrat und Generaldirektion.»


wirtschaft Sonntag, 27. November 2011<br />

Eckpunkte einer langen Firmengeschichte<br />

J.-M.-F. de Candolle Charles Turrettini<br />

1805 bis 1840<br />

Jacob-Michel-François de Candolle und Jacques-<br />

Henry Mallet, zwei noch nicht dreissigjährige Bankiers,<br />

gründen zusammen eine Gesellschaft im französischen<br />

Genf. Als Mallet zwei Jahre später verstirbt,<br />

rückt ein Freund Candolles als Teilhaber nach: Charles<br />

Turrettini. Die Bank ist hauptsächlich im Kommissionsgeschäft<br />

tätig. Der Untergang des französischen<br />

Kaiserreiches ermöglicht es Genf, im Jahr 1815 als<br />

zweiundzwanzigster Kanton der Schweiz beizutreten.<br />

1841 bis 1877<br />

Im Jahr 1841 wird erstmals ein Mitglied der Familie<br />

<strong>Pictet</strong> Teilhaber der Bank. Candolle, der keinen Sohn<br />

als Nachfolger hat, zieht den Neffen seiner Frau nach:<br />

Edouard <strong>Pictet</strong>, der 37 Jahre im Dienste der Bank<br />

steht. Danach bleibt der Name <strong>Pictet</strong> mit der Bank<br />

verbunden. Diese bietet ihren Kunden schweizerische,<br />

europäische und nordamerikanische Wertpapiere an,<br />

etwa der Schweizerischen Eisenbahngesellschaft<br />

oder der Lausanner Versicherung La Suisse. Im Jahr<br />

1857 interessiert sich die Bank erstmals für maritime<br />

Geschäfte und beteiligt sich am Handelsschiff «Formosa»,<br />

das Waren wie Mais und Kohle transportiert.<br />

1878 bis 1908<br />

Am Ende des 19. Jahrhunderts erlebt Genf dank<br />

hoher politischer Stabilität eine Blütezeit und eine<br />

kleine industrielle Revolution. Der starke Mann der<br />

Automobil von Piccard-<strong>Pictet</strong>, bekannt als<br />

Pic-Pic.<br />

Bank in dieser Epoche heisst Ernest <strong>Pictet</strong>. Er gilt<br />

als Verfechter des angelsächsischen Liberalismus.<br />

Ein anderes Familienmitglied, Lucien <strong>Pictet</strong>, begründet<br />

1895 zusammen mit einem Partner die Schweizer<br />

Automarke Pic-Pic, kurz für Piccard-<strong>Pictet</strong>.<br />

1909 bis 1938<br />

Guillaume <strong>Pictet</strong>, der Sohn von Ernest, folgt der Fami-<br />

lientradition und wird Bankier. Unter seiner Führung<br />

erlebt die Bank einen Aufschwung - am Ende seiner<br />

Karriere beschäftigt sie 60 Personen. Guillaume reist<br />

zweimal nach Amerika und baut ein Beziehungsnetz<br />

in den USA und Lateinamerika auf. Der Vielbeschäftigte<br />

ist unter anderem Mitglied des Direktoriums der<br />

Schweizerischen Nationalbank und Genfer Finanzvorsteher.<br />

Seit 1929 firmiert die Bank unter ihrem heutigen<br />

Namen: <strong>Pictet</strong> & Cie.<br />

1939 bis 1949<br />

Um den Folgen des Kriegs entgegenzuwirken, diversifiziert<br />

die Bank mit ihren 70 Mitarbeitern ins Rohstoff-<br />

und Immobiliengeschäft. Die Bank wird unter<br />

anderem Eigentümerin einer Seefrachtgesellschaft,<br />

die drei Frachtdampfer besitzt und vier Handelsschiffe<br />

<strong>Pictet</strong> kauft Frachtschiffe.<br />

betreibt. Die Bank lässt sogar eine Erdölraffinerie in<br />

Antwerpen bauen und gründet eine auf Kleinkredite<br />

spezialisierte Gesellschaft namens Orca.<br />

1950 bis 1979<br />

Ab 1950 konzentriert sich die Bank wieder voll auf<br />

die Vermögensverwaltung. Der Finanzplatz Schweiz<br />

erlebt eine Blüte. Ab den sechziger Jahren bietet <strong>Pictet</strong><br />

ihre Dienstleistungen auch institutionellen Investoren<br />

wie Pensionskassen an. Aus den 70 Mitarbeitern von<br />

1945 werden 300 im Jahr 1980. Die Bank siedelt<br />

sich auch ausserhalb von Europa an. Zuerst wird eine<br />

Geschäftsstelle in Tanger und anschliessend eine in<br />

Montevideo eröffnet. Diese wird dann zugunsten des<br />

Standorts Montreal wieder geschlossen: <strong>Pictet</strong> will im<br />

Kalten Krieg einen strategischen Standort in Amerika<br />

haben, um den Schutz der Kundenvermögen im Falle<br />

einer Krise in Europa zu gewährleisten.<br />

1980 bis 2011<br />

Die Zahl der Mitarbeiter steigt von 300 im Jahr 1980<br />

auf über 3000 an. Insbesondere die institutionelle Vermögensverwaltung<br />

und das Anlagefonds-Geschäft<br />

wachsen stark. <strong>Pictet</strong> bearbeitet den Markt mit Büros<br />

auf der ganzen Welt, von Tokio über Singapur bis<br />

Paris. Per Ende September verwaltet und verwahrt die<br />

Bank 364 Mrd. Fr. Kundenvermögen. Seit die Bank<br />

Julius Bär ihr Asset-Management-Geschäft abgespalten<br />

hat, ist <strong>Pictet</strong> der grösste Vermögensverwalter<br />

hinter den beiden Grossbanken. 1998 errichtet<br />

<strong>Pictet</strong> als eine der ersten europäischen Banken ein<br />

Family-Office, das wohlhabenden Familien spezielle<br />

Vermögensverwaltungsdienstleistungen anbietet. Die<br />

Bank richtet auch eine Plattform zur Betreuung unabhängiger<br />

Vermögensverwalter ein.


200 Jahre Tradition<br />

Name der Bank und Teilhaber seit der Gründung<br />

De Candolle, Mallet & Cie, 1805–1807<br />

De Candolle, Turrettini & Cie, 1807–1812<br />

J. de Candolle & Cie, 1812–1819<br />

De Candolle, Turrettini & Cie, 1819–1841<br />

Turrettini, <strong>Pictet</strong> & Cie, 1841–1848<br />

Edouard <strong>Pictet</strong>, 1848–1856<br />

Edouard <strong>Pictet</strong> & Cie, 1856–1878<br />

Ernest <strong>Pictet</strong> & Cie, 1878–1909<br />

Guillaume <strong>Pictet</strong> & Cie, 1909–1926<br />

<strong>Pictet</strong> & Cie, seit 1926<br />

Heutige Teilhaber<br />

J. de Saussure<br />

Nicolas <strong>Pictet</strong> Ph. Bertherat<br />

J.-F. Demole R. de Planta Rémy Best<br />

Marc <strong>Pictet</strong> B. Demole<br />

wirtschaft Sonntag, 27. November 2011<br />

1805<br />

1810<br />

1820<br />

1830<br />

1840<br />

1850<br />

1860<br />

1870<br />

1880<br />

1890<br />

1900<br />

1910<br />

1920<br />

1930<br />

1940<br />

1950<br />

1960<br />

1970<br />

1980<br />

1990<br />

2000<br />

2010<br />

Jacques-Henry Mallet, 1805–1807<br />

Jacob-M.-F. de Candolle, 1805–1841<br />

Charles Turrettini-Necker, 1819–1848<br />

François Girard, 1821–1843<br />

Alphonse Turrettini, 1841–1843<br />

Edouard <strong>Pictet</strong>-Prévost, 1841–1878<br />

Ernest <strong>Pictet</strong>, 1856–1909<br />

Emile <strong>Pictet</strong>, 1875–1909<br />

Guillaume <strong>Pictet</strong>, 1889–1926<br />

Jaques Marion, 1909–1930<br />

Gustáve Dunant, 1914–1933<br />

Aymon <strong>Pictet</strong>, 1919–1928<br />

Charles Gautier, 1919–1948<br />

Pierre Lombard, 1927–1954<br />

Albert <strong>Pictet</strong>, 1928–1955<br />

Alexandre van Berchem, 1930–1965<br />

François de Candolle, 1937–1942<br />

Jean-Pierre Demole, 1945–1975<br />

Victor Gautier, 1948–1960<br />

Edouard <strong>Pictet</strong>, 1950–1975<br />

Jean-Jacques Gautier, 1955–1973<br />

Michel <strong>Pictet</strong>, 1955–1980<br />

Edmond Boissonnas, 1956–1965<br />

Claude de Saussure, 1959–1986<br />

Denis de Marignac, 1963–1987<br />

Pierre <strong>Pictet</strong>, 1963–1988<br />

Guy Demole, 1967–1996<br />

Pierre Lardy, 1975–1995<br />

Charles <strong>Pictet</strong>, 1979–2005<br />

Ivan <strong>Pictet</strong>, 1982–2010<br />

Claude Demole, 1982–2010<br />

Jacques de Saussure, seit 1987<br />

Nicolas <strong>Pictet</strong>, seit 1991<br />

Philippe Bertherat, seit 1995<br />

Fabien <strong>Pictet</strong>, 1996–1997<br />

Jean-François Demole, seit 1998<br />

Renaud de Planta, seit 1998<br />

Rémy Best, seit 2003<br />

Marc <strong>Pictet</strong>, seit 2010<br />

Bertrand Demole, seit 2010


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Schweizer Wirtschaftsdynastien –diesen Sonntag: <strong>Pictet</strong> &Cie., seit 1805<br />

Als <strong>Pictet</strong> &Cie. vor über 200 Jahren in Genf gegründet wurde, gehörte die Rhonestadt noch zu Frankreich. Heute ist <strong>Pictet</strong> die grösste<br />

<strong>Privatbank</strong> <strong>Europas</strong>. Wasist das Erfolgsgeheimnis der Unternehmerfamilie, die noch heute mit ihrem Privatvermögen für die Geschäfte<br />

der Bank haftet? Erfahren Sie es diesen Sonntag in der «NZZ am Sonntag», inder Sie alle drei Wochen eine Schweizer Wirtschafts-<br />

dynastie und ihre Geschichte kennenlernen. Jetzt die «NZZ am Sonntag» 10 Wochen für 20 Franken Probe lesen: SMS mit Keyword<br />

ABO47 sowie Namen und Adresse an Nr. 959 senden (20 Rp./SMS) oder www.nzz.ch/dynastien.<br />

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