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kuLTur<br />

zWIscHen TrADITIOn unD emAnzIpATIOn<br />

Frauen im Königreich Saudi-Arabien<br />

saudi-Arabien – ein mysteriöses königreich und<br />

gera<strong>de</strong>zu ein symbol für die für <strong>de</strong>n Westen schwer<br />

durchschaubaren Begriffe: naher Osten, Islam, öl und<br />

Terrorismus. Für jahrhun<strong>de</strong>rte galt das Land <strong>de</strong>m<br />

ausländischen nicht-muslim als verschlossen. Bis heute<br />

existiert saudi-Arabien für die meisten menschen nur in<br />

<strong>de</strong>n gefil<strong>de</strong>n ihrer phantasie und immer noch umranken<br />

es viele mythen und sensationelle geschichten. zögerlich<br />

öffnet sich die nation jedoch und diejenigen, die gewillt<br />

sind, ihre phantasievorstellungen einem realitätscheck<br />

zu unterziehen, können sich auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Überraschung gefasst machen.<br />

Der Status <strong>de</strong>r Frau in <strong>de</strong>r islamischen Gemeinschaft im Allgemeinen<br />

und in Saudi-Arabien im Beson<strong>de</strong>ren ist ein höchst komplexes und<br />

häufig missverstan<strong>de</strong>nes Thema. Es ist sicherlich nicht abzustreiten,<br />

dass die muslimische und die westliche Sichtweise bezüglich <strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>r Frau kulturell bedingt in vielen Bereichen weit auseinan<strong>de</strong>r<br />

klaffen. Dennoch ist die Vorstellung von <strong>de</strong>r muslimischen Frau als<br />

ungebil<strong>de</strong>tes, rechts- und chancenloses Wesen eine von Ignoranz und<br />

oftmals Missgunst geprägte Verzerrung. Der Heilige Koran gab Frauen<br />

eine Reihe ökonomischer und sozialer Rechte – und das lange Zeit,<br />

gesellschaftlicher rahmen, geprägt durch religion<br />

und Tradition<br />

Das auffälligste Merkmal <strong>de</strong>r saudischen Gesellschaft ist wohl die<br />

strenge Segregation außerhalb <strong>de</strong>s privaten Bereichs. Islam und<br />

Familie gelten unangefochten als die wichtigsten Stützpfeiler <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft. Für Saudis ist auch heute noch die Stammeszugehörigkeit<br />

Hauptquelle kultureller I<strong>de</strong>ntität und Loyalität. Von <strong>de</strong>r Regierung<br />

internalisierte Stammesstrukturen bieten Frauen in gewissem Rahmen<br />

Schutz und Partizipationsmöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben.<br />

Will man <strong>de</strong>n Status <strong>de</strong>r Frau im Saudi-Arabien unserer Zeit verstehen,<br />

lässt sich ein Blick auf die Eckpfeiler <strong>de</strong>s sozialen Gefüges nicht umgehen.<br />

Die Stellung und das Selbstverständnis <strong>de</strong>r Frau in Saudi-Arabien<br />

wer<strong>de</strong>n auch heute noch maßgeblich von Tradition und Religion bestimmt.<br />

Ihre Haupttätigkeiten bleiben auf die Führung <strong>de</strong>s Haushalts<br />

und die Kin<strong>de</strong>rerziehung beschränkt. Die Ungleichbehandlung von<br />

Frauen ist auf kulturelle und gesellschaftliche Bräuche zurückzuführen,<br />

die ihnen schon in frühester Kindheit vermittelt wer<strong>de</strong>n und nicht<br />

notwendigerweise negativ zu verstehen sind. In <strong>de</strong>r Familie wird we<strong>de</strong>r<br />

Söhnen <strong>de</strong>r Umgang mit Frauen beigebracht, noch wer<strong>de</strong>n Töchter<br />

an <strong>de</strong>n Umgang mit Männern gewöhnt. Dies ist schlicht und einfach<br />

nicht Teil <strong>de</strong>s erwarteten Verhaltens. Darüber hinaus sind Themen wie<br />

islamische Klei<strong>de</strong>rordnung und Geschlechtertrennung, beispielsweise<br />

in Schulen, nicht ausschließlich frauenbezogen. Sie reflektieren soziale<br />

Normen, <strong>de</strong>nen zufolge sowohl von Frauen als auch von Männern ein<br />

beschei<strong>de</strong>nes, zurückhalten<strong>de</strong>s Verhalten gefor<strong>de</strong>rt wird.<br />

Foto: fotolia, Hai<strong>de</strong>r Yousuf<br />

Die auf <strong>de</strong>r islamischen Gesellschaftsordnung basieren<strong>de</strong> Trennung<br />

von Männern und Frauen trifft man auch heute noch in vielen<br />

Lebensbereichen an. Öffentliche Plätze und die Außenwelt allgemein<br />

gelten traditionell als Domäne <strong>de</strong>r Männer. Als Folge steigen<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierung<br />

sind Frauen heute jedoch sowohl im Alltag als auch im<br />

Berufsleben zunehmend präsent. Unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r Segregation<br />

ist ihnen nur eine begrenzte Anzahl von Berufsfel<strong>de</strong>rn zugängig,<br />

hauptsächlich im Erziehungs- und Gesundheitswesen. Auch wenn <strong>de</strong>r<br />

Islam Frauen grundsätzlich das Recht auf Ausübung eines Berufes<br />

zugesteht, so zeigt doch die Realität, dass das Königreich von einer beruflichen<br />

Chancengleichheit noch weit entfernt ist. Dennoch beginnen<br />

sich traditionelle Rollenbil<strong>de</strong>r und daran geknüpfte Verhaltensweisen<br />

langsam zu än<strong>de</strong>rn. Dieser Entwicklung wird religionskonform mit <strong>de</strong>r<br />

Schaffung spezieller Einrichtungen für Frauen begegnet.<br />

politisches system und rechtsordnung fußen<br />

auf Islam und stammesverband<br />

Der Islam ist in Saudi-Arabien allumfassend. Genaugenommen stellt<br />

<strong>de</strong>r Wahhabismus, eine ultra-konservative Auslegungsweise <strong>de</strong>s<br />

sunnitischen Islam, für die regieren<strong>de</strong> Al Saud-Familie, neben <strong>de</strong>r politischen<br />

und moralischen Unterstützung ihrer Kleriker, <strong>de</strong>n Eckpfeiler<br />

ihrer Legitimität dar. Obwohl das Land seit <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Öls<br />

einen drastischen wirtschaftlichen Transformationsprozess durchlief,<br />

blieb die politische Gesellschaft doch extrem konservativ. Auf <strong>de</strong>m<br />

Papier – und unbestrittenermaßen auch zu sehr in <strong>de</strong>r Realität – ist<br />

Saudi-Arabien eines <strong>de</strong>r un<strong>de</strong>mokratischsten Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt. Als eine<br />

<strong>de</strong>r wenigen noch bestehen<strong>de</strong>n absolutistischen Monarchien hat es<br />

we<strong>de</strong>r ein vollständig gewähltes Parlament noch politische Parteien.<br />

Der König steht an <strong>de</strong>r Spitze eines Ministerrates, <strong>de</strong>r eine beraten<strong>de</strong><br />

Funktion in exekutiven und legislativen Angelegenheiten ausübt. Einer<br />

Reform folgend wird inzwischen nur noch die Hälfte <strong>de</strong>r Minister im<br />

Ministerrat vom König direkt ernannt. Die an<strong>de</strong>re Hälfte wur<strong>de</strong> 2005<br />

erstmals von <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

gewählt – allerdings waren nur<br />

Männer ab <strong>de</strong>m 21. Lebensjahr<br />

wahlberechtigt. Bei <strong>de</strong>n<br />

darauffolgen<strong>de</strong>n Wahlen 2009<br />

erhielten auch Frauen das aktive<br />

Wahlrecht. Zeitgleich wur<strong>de</strong><br />

zum ersten Mal eine Frau<br />

in <strong>de</strong>n Ministerrat berufen.<br />

norah al fayez erhielt das<br />

Ministeramt für Bildung – das<br />

war ein Meilenstein in <strong>de</strong>r<br />

politischen Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

Königreichs.<br />

Saudi-Arabiens Rechtssystem basiert auf <strong>de</strong>m islamischen Recht,<br />

<strong>de</strong>r Shari’a. In <strong>de</strong>n vergangenen Jahren wur<strong>de</strong>n einige sekuläre<br />

Rechtsquellen eingeführt, die unter an<strong>de</strong>rem das Han<strong>de</strong>lsrecht, Verkehrsrecht,<br />

Berufsrecht und Teile <strong>de</strong>s Strafrechts umfassen. Diese sind<br />

damit nicht an <strong>de</strong>n Islam und die Shari’a gebun<strong>de</strong>n und haben eigene<br />

nichtreligiöse Institutionen <strong>de</strong>r Rechtssprechung. Im zivilrechtlichen<br />

Bereich, beispielsweise beim Ehe-, Scheidungs- und Erbrecht, gilt die<br />

Shari’a weiterhin vollständig. Die Ungleichbehandlung von Frauen<br />

in <strong>de</strong>n aktuellen Gesetzgebungen vieler arabischer Län<strong>de</strong>r hat jedoch<br />

nicht zwingend mit <strong>de</strong>m Islam zu tun. Vielmehr übernahmen einzelne<br />

Staaten bei ihrer Gründung in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

europäische Gesetze, die <strong>de</strong>m damaligen abendländischen Zeitgeist<br />

entsprechend diskriminierend waren – oftmals noch mehr als das<br />

islamische Recht. Im Falle von Saudi-Arabien hingegen machte es die<br />

Entstehung <strong>de</strong>s Nationalstaates notwendig, das traditionell <strong>de</strong>zentral<br />

organisierte islamische Recht zu kodifizieren. Individuelle Gestaltungsspielräume<br />

wur<strong>de</strong>n dadurch oft reduziert.<br />

Eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung ist nur möglich,<br />

wenn die <strong>gesamte</strong> Bevölkerung daran gleichberechtigt teilnehmen<br />

kann. Diese Erkenntnis ist auch in <strong>de</strong>r arabischen Welt nicht neu. Die<br />

formale gesetzliche Gleichstellung reicht jedoch nicht aus, um die<br />

Lebenssituation von Frauen und Mädchen nachhaltig zu verbessern.<br />

Rechtsreformen sind nur sinnvoll, wenn die Frauen ihre Rechte auch<br />

durchsetzen können. Eines <strong>de</strong>r bekanntesten Beispiele ist die Tatsache,<br />

dass Frauen das Führen von Kraftfahrzeugen in Saudi-Arabien per<br />

Gesetz untersagt ist. König Abdallah selbst befürwortet zwar angeblich<br />

eine Aufhebung <strong>de</strong>s Fahrverbots, nach eigenen Angaben macht er dies<br />

aber von <strong>de</strong>r Zustimmung <strong>de</strong>r Allgemeinheit abhängig.<br />

Bildung und Beruf als offensichtliche<br />

Transformationsfel<strong>de</strong>r<br />

Da die Rolle <strong>de</strong>r Frau innerhalb <strong>de</strong>r saudischen Gesellschaft über<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rte hinweg traditionell als die <strong>de</strong>r Ehefrau und Mutter<br />

gesehen wur<strong>de</strong>, wird <strong>de</strong>r eigenständigen ökonomischen Teilnahme von<br />

Frauen am gesellschaftlichen Leben oftmals mit Skepsis, Unwille o<strong>de</strong>r<br />

sogar Feindseligkeit gegenüber getreten. Selbst wo Rechte auf <strong>de</strong>m<br />

Papier bestehen – was für einen konservativ ausgerichteten Staat wie<br />

Saudi-Arabien teilweise schon ein erhebliches Zugeständnis darstellt –<br />

wer<strong>de</strong>n diese jedoch in <strong>de</strong>r Realität weitgehend noch nicht umgesetzt.<br />

So hat Saudi-Arabien zwar die Konvention <strong>de</strong>r Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO), welche die geschlechtsbedingte Diskriminierung in<br />

Beschäftigung und Beruf untersagt, unterzeichnet, befolgt wird diese<br />

Konvention aber <strong>de</strong>swegen noch nicht notwendigerweise. Noch immer<br />

hin<strong>de</strong>rn legislative, soziale, bildungsbezogene und berufliche Einschränkungen<br />

Frauen vielerorts an <strong>de</strong>r gleichberechtigten Teilnahme<br />

am saudischen Arbeitsmarkt.<br />

Mädchen und Jungen haben prinzipiell das gleiche Recht auf Schulbildung.<br />

Sowohl Primär- als auch Sekundärbildung sind für saudische<br />

Staatsangehörige kostenlos und fin<strong>de</strong>n getrennt nach Geschlechtern<br />

statt. Dies führt in <strong>de</strong>r Realität so weit, dass männliche Universitätsprofessoren<br />

Vorlesungen für weibliche Studieren<strong>de</strong> über Vi<strong>de</strong>o<br />

halten. In <strong>de</strong>r Arbeitswelt sind heute durchaus auch saudische Frauen<br />

anzutreffen, das bleibt aber bisher sehr stark auf bestimmte Bereiche<br />

wie Bildung, Gesundheit und Soziales konzentriert. Über 90 Prozent<br />

<strong>de</strong>r weiblichen Universitätsabgängerinnen spezialisieren sich in <strong>de</strong>n<br />

Bereichen Bildung und Geisteswissenschaften. Ursache und Wirkung<br />

sind hier eng miteinan<strong>de</strong>r verknüpft: Diese Berufsfel<strong>de</strong>r gelten in <strong>de</strong>r<br />

saudischen Gesellschaft als feminin und stehen Berufseinsteigerinnen<br />

daher offen. Dies führt wie<strong>de</strong>rum dazu, dass mehr und mehr junge<br />

Frauen ein Studium dieser Richtung wählen.<br />

Obwohl sich die weibliche Beteiligungsrate auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt<br />

seit 1992 schon beinahe verdreifacht hat, sind noch immer weniger<br />

als 15 Prozent <strong>de</strong>r nationalen erwerbstätigen Bevölkerung Frauen.<br />

Damit weist Saudi-Arabien nicht nur eine <strong>de</strong>r niedrigsten Raten<br />

bevor solche Rechte <strong>de</strong>n Frauen im Westen zugestan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n. →<br />

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