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P r obleme im Zusammenhang mit dem Baugr<strong>und</strong> Immer wieder kommt es vor, dass die Bauvertragsparteien darüber in Streit geraten, wer von ihnen die Verantwortung für die Bodenbeschaffenheit, insbesondere für die Boden- <strong>und</strong> Wasserverhältnisse eines zu bebauenden Gr<strong>und</strong>stücks tragen soll. Obwohl zumindest der fachlich durch einen Architekten beratene private Bauherr über den von ihm beauftragten Architekten dieses Problem kennen müsste, jedenfalls aber der erfahrene Bauunternehmer, finden sich in den vertraglichen Vereinbarungen häufig nur unzureichende Regelungen hierzu wieder. Oft fehlt es überhaupt an einer Regelung. Das kann dann unter Umständen fatale Folgen haben, denn entgegen weit verbreiteter Auffassung muss der Bauherr für den Baugr<strong>und</strong> nicht schon deshalb einstehen, weil er ihn als „Stoff“ im Sinne des § 645 BGB stellt! Der Satz: "Der Bauherr trägt das Baugr<strong>und</strong>risiko" kann richtig sein, er muss es aber nicht zwingend. Nur dann, wenn der Baugr<strong>und</strong> von dem abweicht, was die Parteien des Bauvertrages bei Vertragsabschluss vorausgesetzt haben <strong>und</strong> wenn dadurch (unvermutet) Erschwernisse entstehen, liegt eine Verwirklichung des Baugr<strong>und</strong>risikos vor. OLG Stuttgart BauR 1994, 631. Wer sich klar macht, dass es keinen für sich selbst "mangelhaften" oder "mangelfreien" Baugr<strong>und</strong> gibt, sondern eine im Gr<strong>und</strong>e unbeschränkte Anzahl von möglichen Bodenbeschaffenheiten, wird die Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichthofs im Zusammenhang mit Problemen des Baugr<strong>und</strong>es daher auch richtig zu würdigen wissen. Vielmehr muss der Inhalt der Leistungsbeschreibung ermittelt werden. Dabei darf jedoch nach der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichtshofes nicht schematisch vorgegangen werden, so dass der obige Lehrsatz untauglich ist, auch wenn er unausrottbar erscheint. Vielmehr ist die Leistungsbeschreibung auszulegen. Der B<strong>und</strong>esgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung vom 22.12.2011 – VII ZR 67/11 – verdeutlicht, welche Bedeutung die Auslegung des Vertrages für die Abwicklung von Problemen mit dem Baugr<strong>und</strong> hat. Der B<strong>und</strong>esgerichtshof führt hierzu folgendes aus: " ..... Welche Leistungen von der Vergütungsabrede in einem Bauvertrag erfasst sind, ist durch Auslegung des Vertrages nach allgemeinen Auslegungsgr<strong>und</strong>sätzen, §§ 133, 157 BGB, zu ermitteln. a) Dabei ist das gesamte Vertragswerk zugr<strong>und</strong>e zu legen, wozu bei einer öffentlichen Ausschreibung auch die VOB/B gehört. Danach werden durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen <strong>und</strong> der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Nr. 1 VOB/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 9. Januar 1997 - VII ZR 259/95, BGHZ 134, 245, 248). Wie diese zu verstehen ist, hängt vom Empfängerhorizont ab. Maßgeblich ist insoweit bei Ausschreibungen nach VOB/A der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter (BGH, Urteil vom 22. April 1993 - VII ZR 118/92, BauR 1993, 595, 596 = ZfBR 1993, 219; Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64, 67). Seite 5 von 81