Wie gefährlich ist eine tiefe Beinvenenthrombose? - ORTHOpress
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RatGeBeR<br />
Unter <strong>eine</strong>r Thrombose versteht<br />
man den örtlich begrenzten Verschluss<br />
<strong>eine</strong>s Blutgefäßes durch<br />
<strong>eine</strong>n Thrombus, das <strong>ist</strong> ein Gerinnsel aus<br />
Blutbestandteilen, zume<strong>ist</strong> Blutplättchen<br />
(Thrombozyten). So <strong>eine</strong> Thrombose kann<br />
prinzipiell in jedem Blutgefäß – sowohl<br />
venös als auch arteriell – auftreten. Me<strong>ist</strong>ens<br />
treten Thrombosen allerdings in den<br />
<strong>tiefe</strong>n Beinvenen auf, sodass im allgem<strong>eine</strong>n<br />
Sprachgebrauch mit Thrombose <strong>eine</strong><br />
<strong>tiefe</strong> <strong>Beinvenenthrombose</strong> gemeint <strong>ist</strong>.<br />
Damit sich <strong>eine</strong> Thrombose entwickelt,<br />
müssen drei Faktoren zusammenkommen,<br />
die schon von Robert Virchow Mitte<br />
des 19. Jahrhunderts beschrieben wurden<br />
und als Virchow-Trias bekannt sind:<br />
1. Veränderungen der Blutgefäße<br />
Nur wenn die Innenwand der Blutgefäße<br />
(Intima) verletzt, entzündet oder z. B.<br />
durch Fett- oder Kalkablagerungen verändert<br />
<strong>ist</strong>, können sich die gerinnungsaktiven<br />
Blutbestandteile dort festsetzen.<br />
2. Verlangsamung der Blutströmungsgeschwindigkeit<br />
Eine verlangsamte Zirkulation in den<br />
Blutgefäßen kann vielfältige Ursachen<br />
haben. Vor allem Bewegungsmangel,<br />
z. B. durch Bettlägerigkeit, lange<br />
Reisen im Flugzeug oder im Auto<br />
oder bei eingegipsten Gliedmaßen,<br />
beeinträchtigt die Fließgeschwindigkeit.<br />
Aber auch bei <strong>eine</strong>r Varikosis<br />
mit Krampfaderbildung oder bei <strong>eine</strong>r<br />
Herzschwäche fließt das Blut langsamer<br />
durch die Adern.<br />
58 <strong>ORTHOpress</strong> 4 /2009<br />
<strong>Wie</strong> <strong>gefährlich</strong> <strong>ist</strong> <strong>eine</strong><br />
<strong>tiefe</strong> <strong>Beinvenenthrombose</strong>?<br />
Immer wieder liest man in Illustrierten und Zeitschriften<br />
Überschriften wie: „Fliegen <strong>ist</strong> lebens<strong>gefährlich</strong>“. Diese<br />
Kampagnen führen dazu, dass der Begriff Thrombose in aller<br />
Munde <strong>ist</strong>. Aber was steckt wirklich dahinter?<br />
3. Veränderungen der Blutzusammensetzung<br />
Nur wenn die normalerweise ausgewogene<br />
Balance zwischen gerinnungsfördernden<br />
und gerinnungshemmenden<br />
Stoffen gestört <strong>ist</strong>, kann es zu <strong>eine</strong>r<br />
verstärkten Gerinnselbildung kommen.<br />
Solche Störungen gibt es sowohl bei erblich<br />
bedingten Erkrankungen als auch<br />
unter der Einnahme bestimmter Medikamente.<br />
So können z. B. Hormone (die<br />
sogenannte Antibabypille oder Präparate<br />
gegen Wechseljahresbeschwerden<br />
vor allem in Kombination mit Rauchen)<br />
zu <strong>eine</strong>r Veränderung der Blutzusammensetzung<br />
führen. Aber auch <strong>eine</strong> Dehydratation,<br />
also <strong>eine</strong> „Austrocknung“<br />
mit Eindickung des Blutes durch zu geringe<br />
Flüssigkeitsaufnahme, begünstigt<br />
die Entwicklung <strong>eine</strong>r Thrombose. So<br />
<strong>eine</strong> Situation kommt häufig bei älteren<br />
Menschen oder langen Reisen vor.<br />
Symptome oft nur diskret<br />
Die Beschwerden, die <strong>eine</strong> <strong>Beinvenenthrombose</strong><br />
verursacht, können je<br />
nach Ausmaß und Lokalisation sehr<br />
unterschiedlich sein. Die klassischen<br />
Symptome Schwellung, Schmerzen und<br />
bläuliche Verfärbung der Haut treten nur<br />
in etwa 10 % der Fälle auf. Die Hälfte<br />
der Betroffenen spürt k<strong>eine</strong>rlei körperliche<br />
Veränderungen. Ein Schwere- oder<br />
Spannungsgefühl, muskelkaterähnliche<br />
Schmerzen oder <strong>eine</strong> leichte Wärme- und<br />
Umfangsdifferenz gegenüber der anderen<br />
Seite sind Hinweiszeichen, die ernst genommen<br />
und abgeklärt werden sollten.<br />
Zur Diagnosesicherung spielt heute die<br />
Untersuchung des Venensystems mittels<br />
Ultraschall (Farbdoppler-Sonografie) die<br />
wichtigste Rolle. Bei Verdacht auf <strong>eine</strong><br />
Beckenvenenthrombose können auch<br />
CT oder MRT erforderlich werden. Die früher<br />
übliche Phlebografie (Röntgendarstellung<br />
der Venen mit Kontrastmittel)<br />
wird heute nur noch sehr selten – vor<br />
allem bei unklaren Fällen – angewendet.<br />
Laboruntersuchungen, wie z. B. die Bestimmung<br />
der D-Dimere, haben zurzeit<br />
nur <strong>eine</strong> untergeordnete Bedeutung.<br />
Kompression und<br />
Gerinnungshemmung<br />
Die Behandlung <strong>eine</strong>r Thrombose sollte<br />
so früh wie möglich einsetzen, möglichst<br />
bevor es zu <strong>eine</strong>r Embolie oder <strong>eine</strong>m irreparablen<br />
Schaden am Klappensystem<br />
der Venen gekommen <strong>ist</strong>. Wichtigste<br />
Maßnahmen sind dabei die Kompression<br />
des B<strong>eine</strong>s mit speziellen Strümpfen<br />
bzw. Verbänden und die Hemmung der<br />
Blutgerinnung mit Medikamenten. In der<br />
Regel werden dazu Heparinpräparate gespritzt.<br />
Die medikamentöse Auflösung<br />
des Thrombus (Lyse) bzw. die operative<br />
Entfernung werden heute bei venösen<br />
Thrombosen nur selten durchgeführt.<br />
Inwieweit ein neues Verfahren, die Auflösung<br />
des Thrombus mittels Ultraschall,<br />
<strong>eine</strong> sinnvolle Bereicherung des Therapieangebots<br />
darstellt, wird sich wohl erst in<br />
den kommenden Jahren herausstellen.<br />
Erste Erfahrungen sind aber positiv. Im<br />
Anschluss an die Akutphase <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> langfr<strong>ist</strong>ige<br />
Nachbehandlung mit Kompressi-
1<br />
2<br />
3 4<br />
1 Vene 2 Wirbel 3 Venenklappe 4 Blutgerinnsel<br />
onsstrümpfen und der Einnahme von gerinnungshemmenden<br />
Medikamenten sehr wichtig, um die möglichen Folgen der<br />
Thrombose bzw. ein erneutes Auftreten zu verhindern.<br />
Leiden Patienten öfters unter <strong>eine</strong>r Thrombose und kommt es<br />
bei ihnen zu wiederholten Embolien, kann das Einsetzen <strong>eine</strong>s<br />
sogenannten Kava-Schirmes in Erwägung gezogen werden.<br />
Dabei handelt es sich um <strong>eine</strong> Art Filtersieb, das in die untere<br />
Hohlvene eingesetzt wird. Blut kann ungehindert weiterfließen,<br />
aber die <strong>gefährlich</strong>en Gerinnselbröckchen werden abgefangen.<br />
Folgen können <strong>gefährlich</strong> sein<br />
Gefürchtet bei <strong>eine</strong>r Thrombose sind im Wesentlichen zwei<br />
Komplikationen: die bereits erwähnte Embolie und das postthrombotisches<br />
Syndrom. Von <strong>eine</strong>r Embolie spricht man, wenn<br />
sich Teile des Thrombus ablösen, mit dem Blutstrom in andere<br />
Organe gelangen und dort dann Blutgefäße verstopfen. Bei <strong>eine</strong>r<br />
<strong>tiefe</strong>n <strong>Beinvenenthrombose</strong> passiert dies am häufigsten in<br />
der Lunge. Dort kann es, wenn der Embolus ein entsprechend<br />
großes Gefäß verlegt, zu <strong>eine</strong>m Funktionsausfall von Teilen<br />
der Lunge kommen mit nachfolgender Herzüberlastung. Wenn<br />
diese bedrohliche Situation nicht sofort erkannt und behoben<br />
wird, endet so <strong>eine</strong> Lungenembolie nicht selten auch tödlich.<br />
Das Tückische <strong>ist</strong>, dass die Gefahr, dass sich ein Embolus vom<br />
als typische Zeichen bei <strong>eine</strong>r<br />
<strong>tiefe</strong>n <strong>Beinvenenthrombose</strong> gelten<br />
RatGeBeR<br />
•Beim Husten treten Schmerzen im Bein auf<br />
(Louvel-Zeichen).<br />
•Der Druck auf die Wade <strong>ist</strong> schmerzhaft<br />
(Meyer-Zeichen).<br />
•Druck auf die Innenseite der Fußsohle löst Schmerzen<br />
in der Wade aus (Payr-Zeichen).<br />
•Beugung des Fußes in Richtung des Fußrückens<br />
löst Schmerzen<br />
in der Wade aus<br />
(Homan-Zeichen).<br />
•Hochlegen des<br />
B<strong>eine</strong>s lindert die<br />
Beschwerden.<br />
bitte umblättern<br />
<strong>ORTHOpress</strong> 4 /2009 59
RatGeBeR<br />
Thrombus löst, in den ersten Tagen am<br />
größten <strong>ist</strong>, wenn der Thrombus noch<br />
beweglich <strong>ist</strong>, aber me<strong>ist</strong>ens noch k<strong>eine</strong><br />
Beschwerden bestehen.<br />
Ein postthrombotisches Syndrom tritt<br />
auf, wenn es durch die Thrombose zu<br />
<strong>eine</strong>r Insuffizienz von Venenklappen gekommen<br />
<strong>ist</strong> und der Blutrückfluss nachhaltig<br />
gestört bleibt. Ohne konsequente<br />
Unterstützung des Blutflusses in Form<br />
von Stützstrümpfen und viel Bewegung<br />
mit Betätigung der Wadenmuskelpumpe<br />
nimmt die Veneninsuffizienz immer weiter<br />
zu und damit auch die Gefahr, ein sogenanntes<br />
offenes Bein zu entwickeln.<br />
Daher werden in der Regel auch über<br />
<strong>eine</strong> längere Zeit gerinnungshemmende<br />
Medikamente verordnet, die entweder<br />
als tägliche Spritzen (Heparine) oder in<br />
Tablettenform (me<strong>ist</strong> Cumarine wie z. B.<br />
Marcumar) verabreicht werden. Acetylsalicylsäure<br />
ASS, das vielfach auch zur Gerinnungshemmung<br />
eingenommen wird,<br />
wirkt besser bei arteriellen Thrombosen<br />
und weniger bei venösen Thrombosen.<br />
Viele Patienten empfinden aber die täglichen<br />
Spritzen als sehr lästig und bei<br />
Marcumar <strong>ist</strong> der Spielraum zwischen zu<br />
niedriger und zu hoher Dosierung sehr<br />
eng und nicht immer sind die Patienten<br />
damit gut einzustellen. Außerdem müssen<br />
die Tabletten z. B. vor <strong>eine</strong>r Operation<br />
oder <strong>eine</strong>r Zahnextraktion abgesetzt<br />
werden, weil es sonst zu verstärkten Blutungen<br />
kommen würde.<br />
Prophylaxe ganz wichtig<br />
Wichtig <strong>ist</strong> es, die Entstehung <strong>eine</strong>r Thrombose<br />
von vornherein zu verhindern. Dazu<br />
werden – z. B. bei <strong>eine</strong>r längeren Immobilisation<br />
nach Operationen oder bei sonstiger<br />
längerer Bettruhe – prophylaktisch<br />
Kompressionsstrümpfe verordnet und regelmäßig<br />
gerinnungshemmende Medikamente<br />
gegeben. Dies erfolgt in der Regel<br />
in Form von Heparin-Spritzen. Mittlerweile<br />
wurden auch gerinnungshemmende Medikamente,<br />
die man in Tablettenform einnehmen<br />
kann, entwickelt. Sie sind bisher<br />
Verlauf <strong>eine</strong>r<br />
Venenthrombose<br />
1. – 3. /5. Tag<br />
Thrombosebeginn, höchste Beweglichkeit<br />
des Thrombus, Stadium<br />
der größten Emboliegefahr.<br />
3. /5. – 14. Tag<br />
Erste Symptome treten auf, Beweglichkeit<br />
des Thrombus herabgesetzt,<br />
Emboliegefahr geringer.<br />
ab 14. Tag<br />
Thrombus <strong>ist</strong> organisiert und sitzt<br />
fest, k<strong>eine</strong> Emboliegefahr mehr.<br />
allerdings nur bei Prothesenoperationen<br />
an Hüften und Knien zugelassen. Ob sie<br />
in Zukunft Heparine ganz ablösen werden,<br />
bleibt abzuwarten. Jedenfalls sollte jeder,<br />
der beruflich oder auf Reisen stundenlang<br />
ruhig sitzen muss, möglichst jede Bewegungsmöglichkeit<br />
zwischendurch nutzen,<br />
viel trinken und bei höherem Risiko auch<br />
Stützstrümpfe tragen.<br />
von Sigrid Eberle