Besuchen Sie uns auf Der Bau 2011 Halle C3 Stand 503 - Mikado
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SIMON SCHLEICHEr<br />
Es ist ein altbekannter Grundsatz,<br />
dass die Tragfähigkeit einer Konstruktion<br />
nicht nur vom Material an<br />
sich, sondern vor allem auch von<br />
dessen Formgebung abhängt. Den<br />
modernen Beweis dafür lieferten die<br />
Wissenschaftler und Studenten des<br />
Instituts für Computerbasiertes Entwerfen<br />
(ICD) und des Instituts für<br />
Tragkonstruktionen und Konstruktives<br />
Entwerfen (ITKE) der Universität<br />
Stuttgart mit der Planung und dem<br />
<strong>Bau</strong> eines Forschungspavillons.<br />
Wie ein überdimensionaler Lampenschirm<br />
aus geflochtenem Korb<br />
wirkt die komplexe Tragstruktur aus<br />
gebogenen Sperrholzstreifen, die sich<br />
über der Rundung einer Betonbank<br />
wölbt. <strong>Der</strong> Strukturleichtbau zeigt,<br />
welche Formen sich heute mit computerbasierten<br />
Entwurfs-, Simulations-<br />
und Produktionsprozessen<br />
entwickeln lassen.<br />
Biegeaktive Tragstruktur aus in<br />
sich stabilen Bogenpaaren<br />
Die Tragstruktur mit 10 m Außendurchmesser<br />
und einer Spannweite<br />
von 3,50 m ergibt sich aus der An-<br />
einanderreihung von 40 Bogenpaaren<br />
aus Sperrholzstreifen. Die sind<br />
miteinander gekoppelt und zwischen<br />
einen inneren und einen äußeren<br />
Ring aus senkrechten Spanten,<br />
die in mit Kies gefüllten Holzwannen<br />
als Widerlager stecken, eingespannt.<br />
Jedes Bogenpaar besteht aus einem<br />
Thema des Monats Ingenieurholzbau<br />
Zug- und einem Biegeelement. Dabei<br />
hält das Zugelement das Biegeelement<br />
elastisch in Form, sodass ein in<br />
sich stabiler Bogen entsteht.<br />
Die Biegevorspannung der <strong>auf</strong>gewölbten<br />
Bögen erhöht die Tragfähigkeit<br />
des sich selbst stabilisierenden<br />
Gesamtsystems erheblich und<br />
ermöglichte die Fertigung des Pavillons<br />
aus 80 einzelnen 10 m langen<br />
und nur 6,5 mm dünnen Holzstreifen.<br />
Solche unter Eigenspannung gesetzte<br />
<strong>Bau</strong>teile erlauben extrem leichte und<br />
gleichzeitig sehr steife Tragwerke, die<br />
als „biegeaktiv“ bezeichnet werden.<br />
<strong>Sie</strong> stellen eine neue Form des sog.<br />
„Strukturleichtbaus“ dar. Sein Ziel<br />
ist, Material und damit Gewicht einzusparen.<br />
So können komplex gekrümmte<br />
Formen aus geraden <strong>Bau</strong>teilen<br />
entstehen.<br />
Formfindung mit Experimenten<br />
und moderner Software<br />
Die genaue Form der Biegelinien<br />
der Bogenpaare und deren Abhängigkeiten<br />
untereinander wurden<br />
sowohl experimentell als auch anhand<br />
von parametrischen digitalen<br />
Modellen ermittelt. „Zuerst ging es<br />
darum, das elastische Biegeverhalten<br />
von Birkensperrholz zu ermitteln.<br />
Wir mussten an <strong>uns</strong>eren Versuchsständen<br />
durch Messungen die<br />
relevanten Materialkennwerte herausfinden,<br />
d.h. mit welchen Radien<br />
sich die Sperrholzplatten biegen las-<br />
◂ Zusammenbau:<br />
Die Studenten<br />
spannen die<br />
ebenen Streifen<br />
innen und<br />
außen ein und<br />
formen sie<br />
dabei zu Bögen<br />
▾ Außenansicht<br />
des fertigen<br />
Pavillons: Die<br />
unterschiedlich<br />
gebogenen<br />
Streifen sind<br />
an exakt berechneten<br />
Punkten<br />
miteinander<br />
verbunden und<br />
stabilisieren<br />
sich gegenseitig<br />
sen und welche Spannungen dabei<br />
<strong>auf</strong>treten“, erklärt Architekturstudent<br />
Manuel Vollrath stellvertretend für<br />
sein Entwurfsteam. „Dann ging es<br />
darum, eine Geometrie zu finden, die<br />
einerseits die Potenziale des Materials<br />
optimal ausnutzt und andererseits<br />
gestalterisch überzeugt.“<br />
Auf Grundlage dieser Ermittlungen<br />
wurde eine Methode zur numerischen<br />
Formfindung in einem Finite-<br />
Elemente-Methode-Programm (FEM)<br />
entwickelt und aus den gewonnenen<br />
Daten ein computerbasiertes Informationsmodell<br />
generiert. In ihm sind<br />
alle relevanten, materialspezifischen<br />
Eigenschaften der Tragstruktur und<br />
viele andere formbestimmende Parameter<br />
eingebettet.<br />
Die FEM-Simulation des tatsächlichen<br />
Materialverhaltens unter allen<br />
vorgegebenen geometrischen und<br />
physikalischen Randbedingungen ermöglichte<br />
die genaue Berechnung<br />
des Biege- und Tragverhaltens. Mit<br />
dem dar<strong>auf</strong> basierenden statischen<br />
Modell, das die Biegespannungen berücksichtigt,<br />
konnte die Bemessung<br />
unter Windlasten erfolgen.<br />
Ändert sich ein Code, ändert sich<br />
automatisch alles<br />
Anders als bei herkömmlichen digitalen<br />
Entwurfsprozessen bildete das<br />
Informationsmodell nicht die Geometrie<br />
der angestrebten Form des Pavillons<br />
ab, sondern stellte ein speziell<br />
www.mikado-online.de 27<br />
JULIAN LIENHArD