27.02.2013 Aufrufe

ARTHAUS Gesamtkatalog 2010

ARTHAUS Gesamtkatalog 2010

ARTHAUS Gesamtkatalog 2010

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

E U R O P Ä I S C H E R F I L M / J e a n - L u c G o d a r d<br />

Vielseitige Ikone der Nouvelle Vague<br />

Ausgezeichnet mit vier Berlinale-Bären, zwei Goldenen<br />

Löwen in Venedig und einer Goldenen Palme in Cannes<br />

gehört das Oeuvre von Jean Luc-Godard zu einem festen<br />

Bestandteil des europäischen Filmkanons und dem Kino<br />

der Nouvelle Vague. Gleich sein Debüt „Außer Atem“<br />

wurde zum Aushängeschild dieser Filmbewegung und<br />

revolutionierte die Filmsprache.<br />

Am 3. Dezember 1930 wird Jean-Luc Godard als Sohn eines Arztes und<br />

einer Bankierstochter in Paris geboren. Er wächst in der Schweiz auf<br />

und besucht später das Lycée Buffon in Paris. Ende der 1940er-Jahre<br />

beginnt er ein Ethnologie-Studium und ist ein häufiger Besucher der<br />

Cinémathèque Française und der Filmklubs im Quartier Latin, wo er<br />

sich mit jungen Cineasten wie François Truffaut anfreundet. Im Mai<br />

1950 gründet er zusammen mit Eric Rohmer und Jacques Rivette die<br />

Zeitschrift „Gazette du Cinéma“, in deren fünf Ausgaben seine ersten<br />

Texte über das Kino erscheinen. Gemeinsam mit seinen jungen Kollegen<br />

greift Godard das traditionelle Filmschaffen an und verlangt nach<br />

neuen filmischen Erzählformen.<br />

Als seine Mutter 1954 bei einem Autounfall ums Leben kommt, kehrt<br />

Godard in die Schweiz zurück, wo er sich bei der Errichtung eines Staudamms<br />

als Bauarbeiter anstellen lässt. Mit seinem Verdienst kauft<br />

er eine 35-mm-Kamera und dreht noch im selben Jahr seinen ersten<br />

Film „Opération Béton“. Die Dokumentation wird von den Kritikern<br />

im Gegensatz zu seinen journalistischen Arbeiten als uninspiriert und<br />

oberflächlich bezeichnet. In den folgenden Jahren realisiert Godard etliche<br />

weitere Kurzfilme. Gleichzeitig arbeitet er als Cutter für Dokumentationen<br />

wie etwa „Eine Geschichte des Wassers“.<br />

Mit seinem ersten Spielfilm „Außer Atem“ gelingt Godard 1959 bereits<br />

der große Durchbruch bei Kritik und Publikum. Nur in Deutschland ist<br />

die vor allem klerikale Filmkritik wenig begeistert. Der katholische „filmdienst“<br />

bewertet Godards Erstling mit dem Prädikat „abzulehnen“ mit<br />

der Begründung, der Film sei ein zynisches, schlecht umgesetztes<br />

Machwerk. „Außer Atem“ ist gleichermaßen eine Hommage an den<br />

Gangsterfilm wie eine parodistische, filmkritische Reflexion über das<br />

Kino. Godards Gangster Jean-Paul Belmondo, der durch seine Rolle<br />

des gehetzten, atemlosen Kleinganoven zum internationalen Star<br />

wurde, ist ein verspielter Held, der alles will. Er hetzt durch Paris,<br />

sucht nach Geld, Unterkünften und Liebe und versucht dabei, das<br />

Gefühl zu vermitteln, zielstrebig vorzugehen. Michel ist zwar ein<br />

Gangster aber auch die Personifizierung eines zeitgenössischen Lebensgefühls<br />

einer jungen Generation.<br />

Ein Jahr später folgt Godards Film „Der kleine Soldat“, in dem er seine<br />

zukünftige Frau Anna Karina inszeniert und sich thematisch mit dem<br />

französischen Kolonialismus in Algerien auseinandersetzt, weshalb<br />

der Film bis 1963 nicht aufgeführt werden darf. Auch in zahlreichen<br />

seiner späteren Filme besetzt er Anna Karina, so in „Die Geschichte<br />

der Nana S.“ (1962), „Eine Frau ist eine Frau“ (1963), „Die Außenseiterbande“<br />

(1964) und „Elf Uhr nachts“ (1965). Sind Godards Filme<br />

bis dato zwar unkonventionell erzählt und verlangen ganz im Sinne<br />

der Verfremdung nach Brecht die aktive Teilhabe des Zuschauers am<br />

Geschehen, so haben die Geschichten dennoch eine innere narrative<br />

Logik. Das ändert sich Mitte der 1960er-Jahre mit Godards essayisticher<br />

Phase, in der vor allem sein Film „Masculin – féminin“ (1965)<br />

durch die Vermischung verschiedener filmischer Mittel besticht (Interviews,<br />

Comics, Texttafeln, fiktive Szenen). Ende des Jahrzehnts wendet<br />

sich Godard von der Fiktion ab. In Zusammenarbeit mit Chris Marker<br />

und Alain Resnais realisiert er die kleinen politischen Kurzfilme „Cinétracts“<br />

(„Flugblattfilme“) und gründet die Gruppe „Dsiga Wertow“ (programmatisch<br />

benannt nach dem sowjetischen Dokumentarfilmer) mit<br />

dem Ziel, „auf politische Art politische Filme“ zu machen.<br />

Erst Ende der 1970er-Jahre und nach mehrjährigem Experimentieren<br />

mit dem Medium Video kehrt Godard mit „Rette sich wer kann (... das<br />

Leben)“ in die Welt des Kinos zurück. Seine moderne Bibelverfilmung<br />

„Maria und Joseph“ verstimmt 1985 vor allem Kirchenkreise. Mit<br />

„King Lear“ inszeniert Godard 1987 erstmals einen englischsprachigen<br />

Film, der aber wegen Rechtsproblemen in den Archiven verschwindet,<br />

und 1991 liefert er mit der Studie „Deutschland Neu(n) Null“ seinen<br />

ganz persönlichen Kommentar zur deutschen Einheit ab. 2007 erhält er<br />

bei dem Filmfestival von Locarno den Ehrenpreis für sein Lebenswerk.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!