Die Verfolgung und Ermordung jüdischer Lehrerinnen und Lehrer in ...

Der Bayerische Lehrerverein im Nationalsozialismus
Der Vertretertag des DLV in Magdeburg bildete den Rahmen
für die von Hans Schemm betriebene Gründung der Deutschen
Erziehergemeinschaft als Dachorganisation aller Lehrer-
und Erzieher im deutschen Reich. Der Gründungsakt erfolgte
durch die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung
folgenden Wortlauts:
„Die unterzeichnenden Lehrerverbände erklären … folgendes:
1. Die durch Unterschrift und Stempel ihrer Vorstände ausgewiesenen
Verbände treten als rechtsfähige Körperschaften
der deutschen Gesamterzieher-Organisation korporativ bei.
2. Sie sind bereit an allen Gliederungen der deutschen Erziehergemeinschaft
freudig mitzuarbeiten.
3. Sie sind ferner bereit der Reichsleitung dieser Gemeinschaft
für ihre sämtlichen beitragspflichtigen Mitglieder monatlich im
voraus, ab 1.7.1933, einen Kopfbeitrag von noch festzusetzender
Höhe zu überweisen.
4. Die Vorstände dieser Verbände treten dem NS-Lehrerbund
als Einzelmitglieder bei.
5. Die genaueren organisatorischen und wirtschaftlichen Maßnahmen
sollen späterer Regelung vorbehalten bleiben.“ 8
(BLZ 1933 S. 362 ff)
Diese Erklärung wurde von 48 Reichsverbänden und 111 Unterverbänden,
darunter dem BLV vertreten durch Josef Bauer,
unterzeichnet. Auch der NSLB wurde Mitgliedsorganisation
der Deutschen Erziehergemeinschaft (DEG). Sie hatte zu diesem
Zeitpunkt noch keine verbindliche Rechtsform.
Damit hatte der NSLB zumindest vorübergehend seinen Anspruch
auf eine Führungsfunktion für alle Erzieher, Pädagogen
und Lehrer in Deutschland an die DEG abgegeben. Ein
entscheidender Grund hierfür könnte gewesen sein, dass der
112
NSLB zu diesem Zeitpunkt selbst nicht in der Lage war, die
Führung und Koordination der zahlreichen sehr unterschiedlichen
Lehrergruppen und Lehrerorganisationen zu übernehmen.
Beim NSLB handelte es sich um einen Kampfverband
von Lehrern innerhalb der NSDAP ohne tiefere schulpolitische
Programmatik und ohne Sozialeinrichtungen. Der NSLB war
ausführendes Organ für die Parteiführung der NSDAP. Er war
ausdrücklich nur für NSDAP-Mitglieder eingerichtet. Seine
Fortbildungen bestanden in weltanschaulichen Kaderschulungen.
Die Lehrervereine mit ihren Fortbildungs- und Selbsthilfeeinrichtungen
hingegen standen teilweise im Widerspruch zur
Struktur und zum Selbstverständnis des NSLB. Insofern war
die Einrichtung der DEG als Gesamtverband aller Erzieher und
Lehrer in Deutschland ein Zwischenschritt auf dem Weg zur
„totalen Gleichschaltung“, der sich auch aus der unübersichtlichen
politischen Situation erklärt.
Die zahlreichen, oft widersprüchlichen Ereignisse im Zusammenhang
mit der sog. „Gleichschaltung“ der Lehrervereine in den
turbulenten Monaten zwischen März und September 1933 sind
in der historischen Rückschau nur teilweise fassbar und nachvollziehbar.
Dies hängt u. a. mit der außerordentlich komplexen
Struktur der in der Weimarer Republik existierenden Lehrerverbände
zusammen. Durch das Auftreten des NSLB und anderer
politischer Kräfte, die Einfluss auf die Lehrerschaft zu gewinnen
versuchten, komplizierte sich das Interessen- und Einflussgeflecht
weiter. Hierbei ist nicht aus den Augen zu verlieren, dass
die handelnden Personen natürlich immer auch machtpolitische,
ideologische und finanzielle Eigeninteressen verfolgten und ihr
Handeln nicht nur an äußeren politischen Kriterien ausrichteten.
Diese unübersichtliche, sich überschlagende Situation führte
dazu, dass viele Entscheidungen unkoordiniert und hastig gefällt
wurden, so dass viele von ihnen revidiert werden mussten
8 Erstaunlich ist die begriffliche Unklarheit dieser Erklärung. Es ist die Rede von der „deutschen Gesamterzieher-Organisation“, von den „Gliederungen der deutschen Erziehergemeinschaft“ und schließlich vom
„NS-Lehrerbund“. Kompliziert wird das ganz noch dadurch, dass es sich um eine Vertretertagung des „Deutschen Lehrervereins“ handelte, der wiederum nur Volks-, Mittel- und Sonderschullehrer vertrat.