Ein Stadtmagazin #4 - Reizend
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VoN DER RoLLE<br />
gastkommentar von georg Prack.<br />
Haben Sie sich schon einmal überlegt, was<br />
Ihre Ernährung mit Ihrem Geschlecht zu tun<br />
hat? Auf den ersten Blick nicht viel, was<br />
biologisch gesehen auch tatsächlich zutrifft.<br />
Mit Ihrer Sozialisation als Mann oder Frau hat<br />
Ihre Ernährung wiederum viel zu tun. Ob Sie<br />
„typisch weiblich“ oder „typisch männlich“<br />
sozialisiert wurden, darin liegen die eigentlichen<br />
Tücken. Denn die Geschlechterforschung<br />
sieht die Geschlechterrollen als Abbild der<br />
gesellschaftlichen Verhältnisse und damit als<br />
veränderbar.<br />
Aber von vorne: Um sich bewusst zu machen,<br />
wie sehr gesellschaftlich geprägte Frauen-<br />
und Männerrollen unser Leben beeinflussen<br />
können, ist die Ernährung ein anschauliches<br />
Beispiel.<br />
Die geschlechtsspezifischen Zuordnungen<br />
im Ernährungskontext sind für die meisten<br />
Menschen so alltäglich, dass sie sich deren<br />
gar nicht bewusst sind. Machen Sie einen<br />
Selbsttest: Ordnen sie Biskuitroulade und<br />
Rindsroulade im Allgemeinen eher Frauen<br />
oder eher Männern zu? Denken Sie eher an<br />
„weiblich“ oder eher an „männlich“, wenn Sie<br />
„grillen“ bzw. „backen“ hören?<br />
Ernährungsverhalten ist nicht einfach geschlechtsneutral,<br />
im Ernährungsverhalten sind<br />
viele Rollenklischees manifestiert.<br />
Das „typisch männliche“ und „typisch<br />
weibliche“ Ernährungsverhalten hat vor allem<br />
Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Weder<br />
der übermäßige Konsum von Alkohol und<br />
fetten Speisen noch eine durch das vorherrschende<br />
Schönheitsideal geprägte Essstörung<br />
sind gesund. Alkoholismus, Herzinfarktrisiko,<br />
Magersucht oder Bulimie sind kein reines<br />
Männer- bzw. Frauenproblem. Aber diese<br />
Erkrankungen treten bei Männern bzw. Frauen<br />
signifikant häufiger auf, weil das dahinter<br />
liegende problematische Ernährungsverhalten<br />
in den jeweiligen Geschlechterrollen gesellschaftlich<br />
verankert ist. Aber: Muss es uns<br />
nicht ein Anliegen sein, dass sich Männer<br />
12<br />
Für jedes Mädchen,<br />
das ihr PuPPenhaus rausschMeisst,<br />
gibt es einen jungen,<br />
der sich wünscht, eins zu Finden.<br />
genauso gesundheitsbewusst ernähren wie<br />
Frauen und dass Frauen genauso viel Lust am<br />
Essen haben wie Männer?<br />
Wer sich die vielen versteckten Rollenklischees<br />
im Ernährungsverhalten der Menschen<br />
bewusst macht, hat den ersten Schritt getan,<br />
um sich von eben diesen Rollenklischees zu<br />
emanzipieren. Wer darauf achtet, welche<br />
versteckten und offensichtlichen Rollenzuweisungen<br />
an Mädchen und Buben gemacht<br />
werden, kann damit aufhören, Kinder in<br />
Geschlechterklischees zu drängen – im Ernährungskontext<br />
und insgesamt. Und auch einem<br />
Staat, der Probleme hat, das Gesundheitssystem<br />
zu finanzieren, muss es ein Anliegen sein,<br />
gesundheitsschädliche Geschlechterklischees<br />
abzubauen und gesundes Ernährungsverhalten<br />
allen Menschen schmackhaft zu machen.<br />
GEORG PRACK<br />
28, Sozialbetreuer in einer Notschlafstelle<br />
für Männer in Wien.