Ein Stadtmagazin #4 - Reizend
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„IcH wÜNscHtE, DIE gEscHLEcHtERFRAgE wÜRDE KEINE RoLLE sPIELEN“<br />
Die Bühne als feministisches Forum. Musikerinnen in einer öffentlichkeit, die von Rollenbildern geprägt ist.<br />
Im Mai bringt der Kulturverein Waschaecht<br />
im Rahmen der Veranstaltungsreihe Take Over<br />
Künstlerinnen und Bands, die mehrheitlich<br />
aus Musikerinnen bestehen, auf die Bühne.<br />
Was es damit auf sich hat und warum so eine<br />
Reihe nicht selbstverständlich, vielmehr aber<br />
notwendig ist, lesen Sie hier!<br />
„es wird fad, wenn‘s immer<br />
das gleiche bild ist.“<br />
Wenn sich gesellschaftliche Hierarchien im<br />
Veranstaltungsprogramm eines Vereins niederschlagen,<br />
muss man gegensteuern. Margarete<br />
Niedermayr – Mitglied im KV Waschaecht<br />
– erzählt, dass intern reflektiert wird, wer<br />
auftritt und wie man unterrepräsentierten<br />
Gruppen eine Bühne geben kann. Unterrepräsentiert<br />
sind oft auch Frauen. 2001 fand ein<br />
Women in Jazz-Abend statt, 2003 zum ersten<br />
Mal die Reihe Take Over1 . Niedermayr kennt<br />
andere VeranstalterInnen und das Argument<br />
oder besser die Ausrede „Ich kenne keine<br />
Musikerinnen, die gut genug sind!“ Deswegen<br />
sieht sie die Notwendigkeit, „dass man<br />
sie bekannt macht und dass sie dann auch<br />
andere Auftritte bekommen.“ Darüber hinaus<br />
empfindet sie die Stimmung als „anders“,<br />
wenn bei Festivals ausschließlich Männer<br />
auftreten: „Manchmal ist es so, dass ich mir<br />
denke, da mag ich gar nicht hinfahren. Die<br />
Musik ist gut, aber es wird dann fad, wenn‘s<br />
immer das gleiche Bild ist.“ Auch abseits der<br />
Take Over-Reihe finden sich überdurchschnittlich<br />
viele Frauen im Jahresprogramm des KV<br />
Waschaecht, eine 50-Prozent-Quote wurde bis<br />
dato jedoch noch nicht erreicht.<br />
1 Entnommen aus einem Songtext von Ivor Cutler:<br />
Women of the World, Take Over,<br />
‘cause if you don‘t the World will come to an End,<br />
and it won‘t take long.<br />
8<br />
„Frauen sollten gesehen, nicht<br />
gehört werden – und sich freimachen,<br />
nicht sich befreien“ 2<br />
In den 1950ern gab sich die amerikanische<br />
Saxofonistin Billy Tipton als Mann aus, u.a.<br />
um überhaupt engagiert zu werden. Zu dieser<br />
Zeit war beispielsweise Rockmusik getragen<br />
von einem Sexismus, der Frauen in streng<br />
definierte Rollen zwang. Die Identifikationsmöglichkeit<br />
für Zuhörerinnen war gering.<br />
Girl-Groups der 1960er-Jahre, wie die Shirells<br />
oder die Shangri-Las, stellten zwar Frauen<br />
in den Mittelpunkt, ihre Texte drehten sich<br />
jedoch fast gänzlich um partnerschaftliche<br />
2 Cillie Rentmeister (1974 Gründungsmitglied der<br />
Band Flying Lesbians, seit 1994 Professorin für<br />
Gender Studies an der FH Erfurt), Frauenfeste als<br />
Initiationsritual. The Flying Lesbians spielten zum<br />
Tanz der freien Verhältnisse, 1999, online unter:<br />
www.flying-lesbians.de/index.php?id=4,4<br />
TANJA FEICHTMAIR<br />
Saxofonistin, war schon beim Women in Jazz Abend 2001 zu Gast im<br />
Alten Schl8hof Wels. (Foto: Iztok Zupan)<br />
REIZEND! hat nachgefragt:<br />
Setzt du dich mit Geschlechterrollen in deiner Arbeit als Künstlerin<br />
auseinander?<br />
Die Geschlechterrolle interessiert mich nur insofern, als dass mir gewisse<br />
Verhaltensweisen seitens Künstler/in, Veranstalter/in, Zuhörer/in<br />
auffallen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich mache ganz einfach meine<br />
Sache. Mein Geschlecht spielt dabei für mich beim Spielen/Komponieren<br />
keine Rolle. Aber es kann sein, dass mein Geschlecht durchaus<br />
eine Rolle spielt, was die Art und Weise des „Managements“, des<br />
„Business“ anbelangt.<br />
Wie geht’s dir damit im Rahmen einer Musikerinnen-Reihe aufzutreten?<br />
Früher hätte ich sicher viel lieber auf einem „ganz normalen“ Festival,<br />
wo eben fast nur MusikER vertreten sind, gespielt, als in einer extra<br />
<strong>Ein</strong>richtung, einer sogenannten Frauenreihe. Als zweitklassig wär ich<br />
mir vorgekommen. Habe mich aus demselben Grund auch nie extrafraulich<br />
für die Bühne angezogen. Heute sehe ich das ein bisschen<br />
anders. Frauen, und ich pauschaliere jetzt ungeniert, Frauen haben eine<br />
völlig andere Art, ihr eigenes Tun an den Mann zu bringen. Sie sind<br />
zurückhaltender, weniger gewillt, das anscheinend zugehörige Drumherum<br />
wie Management, Business, „Socialising“ mit Veranstalter, Publikum,<br />
etc. in Kauf zu nehmen, nur um einen Gig zu bekommen. Ich kann<br />
nur sagen, wie das bei mir ist: Ich übe. Das reicht. Ich mag meine Zeit<br />
nicht auf Bahnhöfen/Flughäfen und mit Emails-Checken verbringen.<br />
Und ja, mittlerweile glaube ich auch, dass eine andauernde Männerdomäne<br />
auf der Bühne ziemlich langweilig ist. Nicht nur für das Auge!<br />
Frauenreihen sind eine Gratwanderung zwischen Ins-Licht-Rücken und<br />
In-ein-eigenes-Abteil-stellen. Aber ich finde es zumindest bemerkenswert,<br />
wenn den Leuten Musikerinnen abgehen. <strong>Ein</strong>e gesunde Mischung<br />
ist mir persönlich immer noch das liebste.