Zu jung für die Diskothek - geb-konstanz
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SÜDKURIER Januar 2006<br />
Jugendschutzkontrollen: Polizei lässt sich Ausweise zeigen<br />
<strong>Zu</strong> <strong>jung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Diskothek</strong><br />
Einige Gäste kicherten, andere wollten sich am liebsten verdrücken. In der Nacht auf<br />
Samstag ließen sich Polizeibeamte in Zivil in Konstanzer <strong>Diskothek</strong>en von besonders<br />
<strong>jung</strong> aussehenden Besuchern <strong>die</strong> Ausweise zeigen. In einem einzigen Tanztempel<br />
griffen sie drei 16-Jährige auf, <strong>die</strong> nach dem Jugendschutzgesetz schon längst<br />
zuhause sein sollten.<br />
VON<br />
CLAUDIA RINDT<br />
Konstanz - Als Beobachter beim Nachteinsatz war der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas<br />
Hoffmann dabei. <strong>Zu</strong>nehmende Probleme mit Gewaltdelikten und Trunkenheit bei Jugendlichen<br />
hatten ihn auf den Plan gerufen.<br />
In den vergangenen 15 Jahren seien <strong>die</strong> Kriminaldelikte bei Kindern- und Jugendlichen<br />
dramatisch gestiegen, sagt Axel Drexler vom Führungsstab der Konstanzer Polizei. „Die Zahlen<br />
haben sich fast jedes Jahr erhöht." Vor allem <strong>die</strong> Gewaltbereitschaft wachse. In vielen Fällen<br />
spiele Alkohol eine zentrale Rolle. Jugendliche trinken nicht mehr aus Vergnügen,<br />
sondern des Rausches wegen", stellt Drexler fest. Manchmal sind <strong>die</strong> Alkoholwerte<br />
schockierend.<br />
Die Polizei habe schon 14-Jährige mit 1,7 Promille aufgegriffen. Nach einer Erhebung des<br />
statistischen Landesamts stieg <strong>die</strong> Zahl der <strong>jung</strong>en Menschen, <strong>die</strong> im Alter zwischen 11 und<br />
17 Jahren mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus kamen, in den Jahren 2000 bis 2003 um<br />
fast 54 Prozent.<br />
Jetzt verschärft <strong>die</strong> Polizei ihre Kontrollen, auch um den Druck auf <strong>die</strong> Diskobetreiber zu<br />
erhöhen, den Jugendschutz zu achten. Türsteher haben alle Betriebe, und doch manchmal<br />
lassen sie sich austricksen. Bei den Kontrollen in der Nacht auf Samstag entdeckten <strong>die</strong><br />
Beamten einen sturzbetrunkenen 16-Jährigen, der nicht mehr in der Lage war, ins<br />
Alkoholtestgerät zu pusten. Er hatte sich mit einem falschen Ausweis <strong>Zu</strong>tritt zur <strong>Diskothek</strong><br />
verschafft. Ob er sich dort betrank oder davor, ist offen.<br />
Das Warmtrinken auf dem Parkplatz vor der Disko ist bei vielen heute üblich. Die Minibar<br />
im Freien ist das Lager im Kofferraum. „Wir sammeln jeden Abend 300 bis 500 Flaschen ein",<br />
sagt er Dietmar Gaa, Eigentümer des Dance Palace über <strong>die</strong> Situation auf dem Parkplatz. Dort<br />
postiert sich <strong>die</strong> Polizei in den frühen Morgenstunden der Wochenenden inzwischen schon<br />
vorsorglich, um Konflikten vorzubeugen.<br />
Angesichts der Masse der Besucher, rund 40.000 im Monat, würden sehr wenige<br />
Menschen in <strong>die</strong> Disko gelangen, <strong>die</strong> noch zu <strong>jung</strong> da<strong>für</strong> sind, sagt Dietmar Gaa. Der<br />
Landtagsabgeordnete Andreas Hoffmann dagegen fragt, ob <strong>die</strong> Kontrollsysteme in den<br />
Diskos wirklich ausgereift sind, und er kritisiert <strong>die</strong> vor allem an <strong>jung</strong>e Menschen gerichteten<br />
Lockvogelan<strong>geb</strong>ote. <strong>Zu</strong> bestimmten Zeiten schenken <strong>Diskothek</strong>en Alkoholika zu<br />
Dumpingpreisen aus. Hoffmann will <strong>die</strong> Betreiber der Region bewegen, auf solche Preishämmer<br />
zu verzichten. Dietmar Gaa hält <strong>die</strong>s <strong>für</strong> möglich, wenn <strong>die</strong> Konkurrenz mitmacht,<br />
also das benachbarte B1 und das Top Ten in Singen. Der Landtagsabgeordnete will nun alle<br />
drei Betreiber an einen Tisch holen.<br />
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Die Polizei hat noch größere Bündnisse im Blick. „Jugendschutz ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe", stellen Axel Drexler vom Führungsstab und Jürgen Harder von der<br />
Kriminalpräverition fest.<br />
Sie brauchen als Partner Eltern, <strong>die</strong> Jugendschutzgesetze kennen und achten, aber auch<br />
aufmerksame Vereine, <strong>die</strong> auch bei eigenen Festen, den Hahn abdrehen, wenn zu <strong>jung</strong>e<br />
Menschen Alkohol verlangen. Sie benötigen auch aufmerksame Wirte und Verkäufer, <strong>die</strong><br />
ihnen keine harten Alkoholika ab<strong>geb</strong>en. In den kommenden zwei Jahren will <strong>die</strong> Polizei <strong>die</strong>se<br />
Bündnisse schmieden.<br />
Die Zivilstreifen wollen auch in den nächsten Monaten häufig in <strong>die</strong> Disko gehen.<br />
Üblicherweise berechnen sie 96 Euro, wenn sie Jugendliche vom unerlaubten Disko- oder<br />
Gaststättenbesuch zu den Eltern nach Hause fahren.<br />
Jugendschutz<br />
Jugendliche zwichen 16 und 18 Jahren dürfen ohne Eltern, Vormund oder erziehungsbeauftragter<br />
Person nicht länger als bis Mitternacht in <strong>die</strong> Disko. Unter 14-Jährige dürfen<br />
Veranstaltungen von anerkannten Trägern der Jugendhilfe oder der Brauchtumspflege bis 22<br />
Uhr besuchen und unter 16-Jährige bis 24 Uhr. Der Konsum von Bier, Wein und Sekt ist ohne<br />
Begleitung einer sor<strong>geb</strong>erechtigten Person erst ab 16 Jahren erlaubt. (rin)<br />
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