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NATURFREUNDiN - NaturFreunde Deutschlands

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oxid. Mehr als 25 Millionen Rosen werden jedes<br />

Jahr aus Kenia und Ecuador nach Deutschland<br />

geflogen, nicht nur von Fairflowers.<br />

Die Blume – ein Symbol für Zuneigung, für<br />

Schönheit, für Liebe – zeigt, wie schwierig Schenken<br />

in der heutigen Zeit sein kann. Und wie<br />

Schenken zum Politikum wird. Klimapolitikern<br />

in den Reihen der SPD sind die Blumenflugzeuge<br />

nämlich schon lange ein Dorn im Auge. Sie<br />

versuchten deshalb bei der letzten Steuerreform,<br />

die steuerlichen Privilegien wenigstens etwas zu<br />

beschneiden. Für Schnittblumen liegt nämlich<br />

der Mehrwertsteuersatz nur bei sieben Prozent,<br />

sie werden genauso behandelt wie Grundnahrungsmittel.<br />

„Wegen ihrer Klimaschädlichkeit<br />

sind eingeflogene Blumen aber alles andere als<br />

eine Sicherung der Lebensgrundlagen“, meint<br />

ein beteiligter SPD-Parlamentarier. Blumen<br />

müssten als Luxus gelten und gehörten auch so<br />

besteuert, schließlich käme auch niemand auf<br />

die Idee, einen Porsche mit nur sieben Prozent<br />

zu besteuern. Doch die Klimapolitiker der SPD<br />

scheiterten an den Entwicklungspolitikern in der<br />

eigenen Fraktion. Die fürchteten Einkommenseinbußen<br />

für die BlumenarbeiterInnen in Afrika<br />

oder Lateinamerika, weil bei höheren Steuern<br />

weniger Blumen gekauft würden.<br />

Allerdings – und jetzt wird es richtig kompliziert<br />

– sind Rosen aus niederländischen Gewächshäusern<br />

noch sechsmal klimaschädlicher<br />

als Rosen aus Kenia. Bei ihnen ist nicht der<br />

Transport das Problem, sondern die Unmengen<br />

von Energie, die für künstliches Licht, Heizung,<br />

Dünger und Pestizide aufgewendet werden, damit<br />

im kühlen Holland das ganze Jahr über Rosen<br />

blühen. Überschlägt man grob, wie viel Kohlendioxid<br />

die eine Milliarde Rosen verursachen,<br />

die pro Jahr nach Deutschland importiert werden,<br />

kommt man auf etwa 2,2 Millionen Tonnen<br />

Kohlendioxid. Bedeutet: Würden in Deutschland<br />

keine importierten Rosen mehr verkauft, käme<br />

die Bundesrepublik dem Kyoto-Ziel um 0,3 Prozent<br />

näher. Wohlgemerkt: Nur durch die Rosen!<br />

Rosen aus Kenia nachhaltig schenken?<br />

Nachhaltigkeit ist auch für die <strong>NaturFreunde</strong> ein<br />

großes Thema. Kann eine Rose aus Kenia – die<br />

nach drei Tagen zu welken beginnt, aber zuvor<br />

das Klima versaut hat – nachhaltig verschenkt<br />

werden? Natürlich, kaum ein Verliebter wird<br />

sich durch Sozialstandards bei bolivianischen<br />

Blumenpflückern oder durch die Kohlendioxid-<br />

Bilanz von holländischen Rosen davon abbringen<br />

lassen, seiner Angebeteten auch im Winter<br />

eine Rose zu schenken. Aber wer für sich Nachhaltigkeit<br />

in Anspruch nimmt, sollte sich über<br />

die Folgen Gedanken machen.<br />

Bei Fairflowers jedenfalls macht man sich<br />

derzeit Gedanken. Es wird eine Art Klimapfennig<br />

diskutiert: Pro Blume soll ein bestimmter Geldbetrag<br />

an ein Klimaschutzprojekt gehen, um so das<br />

verursachte Kohlendioxid zu neutralisieren. Die<br />

Berliner Klima-Ausgleich-Agentur Atmosfair sieht<br />

Silke Peters dafür als kompetentesten Partner.<br />

Atmosfair bietet Fliegen ohne schlechtes Gewissen<br />

an – eigentlich für Menschen. Auf ihrer<br />

Internetseite findet sich ein einfach zu bedienender<br />

Emissionsrechner. Man gibt dort Abflug-<br />

und Zielflughafen ein, Berlin-Malaga zum Beispiel,<br />

und nach wenigen Sekunden erscheint als<br />

Ergebnis: 570 Kilogramm Kohlendioxid. Die Seite<br />

verrät auch, wie die Sache wieder gutzumachen<br />

wäre: mit 23 Euro. „Diese Summe investieren<br />

wir in Klimaschutzprojekte“, sagt Atmosfair-<br />

Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. „Sie sorgt<br />

dafür, dass genau die Menge Kohlendioxid, die<br />

der Flugpassagier durch seine Reise zu verantworten<br />

hat, an anderer Stelle wieder eingespart<br />

wird.“ Von den 23 Euro behält die gemeinnützige<br />

GmbH etwa zwanzig Prozent für Verwaltung,<br />

Werbung und auch für die Kontrolle der Klimaschutzprojekte.<br />

80 Prozent gehen in die Schuldtilgung.<br />

Eines der Atmosfair-Projekte steht in Sringeri<br />

Mutt an der indischen Westküste. Tausende Pilger<br />

kommen jeden Tag in diesen hinduistischen<br />

Wallfahrtsort. „Die Mahlzeiten für die Menschen<br />

wurden bisher mit Hilfe von Dieselbrennern zubereitet“,<br />

erklärt Brockhagen. Atmosfair hilft<br />

nun bei der Finanzierung neuer Solarkocher. Im<br />

Sommer wird der TÜV anreisen und ganz genau<br />

ermitteln, wie viel Kohlendioxid durch den Verzicht<br />

auf Diesel gespart wurde. Pro Tonne des<br />

Treibhausgases wird das indische Projekt 15 Eu-<br />

4-2007 <strong>NATURFREUNDiN</strong> SEITE 5<br />

TITEL<br />

ro erhalten. Das Überzeugende daran ist: Atmosfair<br />

gibt nicht einfach Geld für irgendein Windrad<br />

oder irgendeine Solarzelle, sondern zahlt<br />

für eingesparte Tonnen des Klimagiftes. „Erstens<br />

können wir so Korruption ausschließen. Zweitens<br />

garantieren wir hohe Effizienz“, sagt Brockhagen.<br />

Schließlich bringt ein Windrad an der<br />

falschen Stelle dem Klima weniger ein. Die Projektpartner<br />

von Atmosfair haben jedoch ein In-<br />

I Rosen aus dem Garten sind zwar klimafreundlich, im Winter aber nicht zu haben.<br />

teresse, den besten Standort zu finden, weil das<br />

mehr Geld bedeutet. Die indischen Solarküchen<br />

sollen bis 2012 insgesamt 4.000 Tonnen Kohlendioxid<br />

sparen. Das entspricht etwa acht Millionen<br />

Flugkilometern – oder knapp 4.000 Flügen<br />

Berlin-Malaga.<br />

Klimaschuld lässt sich nicht tilgen<br />

Wenn sich so die Klimaschuld von Passagieren<br />

tilgen läßt, warum sollte man nicht derat auch<br />

die Klimaschuld von etwas so schönem wie einer<br />

Rose tilgen können? Weil sich solche Schuld<br />

nicht einfach tilgen läßt. Kritiker werfen Projekten<br />

wie Atmosfair vor, es betreibe nur eine Art<br />

Ablasshandel, wo man sich von Sünden freikaufen<br />

kann. Daran ist sicherlich richtig, dass der<br />

größte Klimaschützer jemand ist, der Projekte<br />

wie in Sringeri Mutt unterstützt und trotzdem<br />

auf kenianische Rosen verzichtet. Klimafreundliche<br />

Rosen sind nur jene, die im eigenen Garten<br />

wachsen. Aber erstens haben die wenigsten einen<br />

eigenen Garten. Und zweitens ist das verliebte<br />

Herz manchmal auch im Winter rosengroß.<br />

Der Liebsten zehn weiße Rosen mitten im<br />

Dezember? Ein Dilemma.c NICK REIMER

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