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Auslandssemester Studieren in Australien The next Uri ... - CAMPUS X

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Berichte Berichte<br />

Hasst PowerPo<strong>in</strong>t!<br />

E<strong>in</strong> Artikel von Prof. Mario Schmidt, Quantitative Methoden<br />

Kürzlich fiel auf e<strong>in</strong>er Tagung, die ich besuchte,<br />

e<strong>in</strong> angekündigter Referent aus.<br />

Das wäre eigentlich ke<strong>in</strong> Problem gewesen.<br />

Über se<strong>in</strong> <strong>The</strong>ma hätten auch Kollegen<br />

vom gleichen Institut reden können,<br />

es waren genug da. Was sich aber nicht<br />

auff<strong>in</strong>den ließ, das war die zugehörige PowerPo<strong>in</strong>t-Präsentation.<br />

Der Vortrag musste<br />

doch ausfallen.<br />

Diese Episode stimmte mich nachdenklich.<br />

Wir s<strong>in</strong>d also schon so weit, dass Referenten<br />

austauschbar s<strong>in</strong>d, PowerPo<strong>in</strong>t-<br />

Präsentationen dagegen nicht. Mehr<br />

noch: Hätte der Referent se<strong>in</strong>e Powerpo<strong>in</strong>t-Präsentation<br />

den Veranstaltern zugemailt<br />

und die e<strong>in</strong>zelnen Bilder mit e<strong>in</strong>er<br />

Stimme unterlegt, es wäre möglicherweise<br />

gar nicht aufgefallen, dass der Referent<br />

fehlt. Denn die Referenten stehen sowieso<br />

oft genug im Halbdunkeln neben der<br />

Le<strong>in</strong>wand.<br />

Dieses Phänomen ist <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de der<br />

PowerPo<strong>in</strong>t-Kritiker wohlbekannt. Die Fokussierung<br />

auf die visuelle Präsentation entzieht<br />

dem Referenten und se<strong>in</strong>er verbalen<br />

Ansprache, Gestik und Mimik die ganze Aufmerksamkeit<br />

und vor allem die emotionalen<br />

Bande zum Auditorium. Stattdessen sitzt<br />

das Publikum wie im K<strong>in</strong>o und konsumiert.<br />

Die Referenten begegnen dieser Entwicklung,<br />

<strong>in</strong>dem die visuelle Präsentation immer<br />

perfekter wird. Ohne Animationen<br />

und Anmutungen mit Bildchen und Symbolen<br />

– und den berühmten screen beans<br />

(ich gestehe: ich habe sie mir jüngst auch<br />

beschafft) – outet man sich <strong>in</strong>zwischen<br />

als Präsentationslegastheniker. Es gibt<br />

Kreise, <strong>in</strong> denen man ohne entsprechende<br />

PP-Präsentationen gar nicht mehr wahrgenommen<br />

wird. Erst als der Psychologe<br />

Robert Ciald<strong>in</strong>i se<strong>in</strong>e Kritik am E<strong>in</strong>satz von<br />

PP selbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e PP-Präsentation packte,<br />

so erzählt er, wurde er von den PP-Junkies<br />

aus dem Bus<strong>in</strong>essbereich registriert.<br />

Was schlimmer ist, das Denken und Kommunizieren<br />

wird durch das PP-Format bee<strong>in</strong>flusst<br />

– leider meistens negativ. Besonders<br />

kritisch werden die vorgefertigten<br />

Präsentationsschablonen gesehen, die<br />

auch die Gedanken und Inhalte kanalisieren.<br />

Kaum e<strong>in</strong>e Präsentationsanleitung<br />

versäumt den H<strong>in</strong>weis auf die berühmte<br />

6 x 6-Regel: maximal 6 Wörter <strong>in</strong> 6 Zeilen<br />

pro Folie, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sequenziellen Abfolge<br />

von Knödel (Bullet-Po<strong>in</strong>ts). Wer viel damit<br />

arbeitet, fängt an, <strong>in</strong> Knödel-Phrasen<br />

zu denken. Von e<strong>in</strong>em Manager wird berichtet,<br />

dass er sich frühmorgens dabei<br />

ertappt hat, im Geiste e<strong>in</strong>e PP-Präsentati-<br />

on zu ers<strong>in</strong>nen, wie er abends se<strong>in</strong>er Frau<br />

erklärt, warum sie nicht <strong>in</strong> Urlaub fahren<br />

können.<br />

Fe<strong>in</strong>s<strong>in</strong>nige Argumentationen, komplexe<br />

Sachverhalte lassen sich mit der 6x6-Regel<br />

aber nicht darstellen. Wer hat den<br />

„Professor aus Heidelberg“ Paul Kirchhoff<br />

schon e<strong>in</strong>mal erlebt? In Pforzheim hat er<br />

zweimal vorgetragen und es war jedesmal<br />

e<strong>in</strong>e Lehrstunde <strong>in</strong> Rhetorik. Ungeachtet<br />

se<strong>in</strong>er politischen Inhalte – wie hätte man<br />

solche Ausführungen auf Folien packen<br />

sollen? Der ganze Zauber wäre dah<strong>in</strong> gewesen!<br />

Vielleicht ist das auch die Begründung<br />

dafür, weshalb Kirchhoff als Politiker<br />

nicht getaugt hat – er hätte dann se<strong>in</strong>e<br />

Nachricht <strong>in</strong> maximal 6x6 Wörter für die<br />

TV-Gesellschaft verpacken müssen.<br />

Es wäre ihm auch nicht mit den diversen<br />

Charts, die Microsoft anbietet, gelungen.<br />

Die meisten Anwender produzieren damit<br />

sowieso nur Chartjunk – bunt und nutzlos.<br />

Der berühmte Grafiker Edward Tufte<br />

schnaubte deshalb unlängst „PowerPo<strong>in</strong>t<br />

is evil“ – weil niemand mehr richtig darüber<br />

nachdenkt, was die Grafiken eigentlich<br />

aussagen sollen und be<strong>in</strong>halten. E<strong>in</strong>e<br />

gute Grafik ist „Kunst“ und wenn sie hervorragend<br />

ist, dann kann sie auch jene<br />

Komplexität vermitteln, die sich <strong>in</strong> Worten<br />

nur schwer fassen lässt. So, wie jene<br />

Grafik von Charles M<strong>in</strong>ard aus dem 19.<br />

Jahrhundert, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Bild die<br />

gesamte Tragödie des Russlandfeldzuges<br />

Napoleons schildert – e<strong>in</strong> Meisterwerk an<br />

grafischer Umsetzung!<br />

Genau so etwas lässt sich durch e<strong>in</strong>e Software<br />

kaum automatisch, also auf Knopfdruck,<br />

erzeugen. Es fehlt der kreative Prozess<br />

des Menschen, der zwar e<strong>in</strong>e Software<br />

als „Werkzeug“ zu Hilfe ziehen kann,<br />

aber eben nicht als Automaten. E<strong>in</strong> gutes<br />

Beispiel ist der Sozialwissenschaftler Lothar<br />

Krempel vom Max-Planck-Institut für<br />

Gesellschaftsforschung <strong>in</strong> Köln, der mit<br />

zwei Bildern die grundlegenden Umstrukturierungs-<br />

und Entflechtungsprozesse<br />

der deutschen Wirtschaft, der so genannten<br />

Deutschland AG, gezeigt hat.<br />

Aber stimmt es nicht, werden E<strong>in</strong>ige fragen,<br />

dass Sachverhalte besser kommuniziert<br />

werden, wenn verbale und visuelle<br />

E<strong>in</strong>drücke sich gegenseitig unterstützen?<br />

Ja, aber es gibt Untersuchungen, die belegen,<br />

dass dann ke<strong>in</strong>e Redundanzen <strong>in</strong> der<br />

Information auftreten sollten. Ideal s<strong>in</strong>d<br />

z.B. e<strong>in</strong> Bild oder e<strong>in</strong> Diagramm mit e<strong>in</strong>em<br />

komplexen Sachverhalt und dazu die ver-<br />

bale Erläuterung des Referenten. Wenn<br />

der Referent dagegen nur den Text, den<br />

er sowieso spricht, auf den Folien abbildet,<br />

so führt das sogar zur Ermüdung und<br />

Langeweile des Publikums. E<strong>in</strong> Chart für<br />

jede banale Zahl, die man auch hätte niederschreiben<br />

oder nennen können, weckt<br />

oft falsche Assoziationen oder gibt ihr e<strong>in</strong><br />

falsches Gewicht.<br />

Die Mischung macht es also, und wenn<br />

der Referent Herr se<strong>in</strong>es Vortrags bleiben<br />

will, dann schadet es nicht, den Bildschirm<br />

auch mal für 5 M<strong>in</strong>uten schwarz zu schalten,<br />

um sich se<strong>in</strong>er – verbalen – Argumentation<br />

zu widmen.<br />

„I have a dream“, sagte Mart<strong>in</strong> Luther<br />

K<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>st und veränderte damit die Welt.<br />

Würde man sich an se<strong>in</strong>e berühmte Rede<br />

heute noch er<strong>in</strong>nern, hätte er sie mit Powerpo<strong>in</strong>t<br />

untermalt? Das waren andere<br />

Zeiten, höre ich den E<strong>in</strong>wand im Kopf des<br />

Lesers. Aber hätte Obama e<strong>in</strong>e Chance gehabt,<br />

wenn er langweilige Präsentationen<br />

gezeigt hätte, statt <strong>in</strong> Youtube trotzig<br />

„Yes we can“ zu sprechen? E<strong>in</strong>zig Al Gore<br />

hat sich mit e<strong>in</strong>er Präsentation e<strong>in</strong>en Nobelpreis<br />

erkämpft – aber die war zugegebenermaßen<br />

genial.<br />

Als ich mit Studenten kürzlich über den<br />

s<strong>in</strong>nvollen E<strong>in</strong>satz von Präsentationssoftware<br />

diskutierte, erzählten sie mir, dass<br />

ihr Professor ihnen empfiehlt, e<strong>in</strong>e Inhaltsübersicht<br />

mit ständiger Anzeige, wo man<br />

sich gerade bef<strong>in</strong>det, e<strong>in</strong>zublenden. E<strong>in</strong>e<br />

gute Idee, pflichtete ich bei, denn bei den<br />

meisten PowerPo<strong>in</strong>t-Präsentationen <strong>in</strong>teressiert<br />

es mich als Zuschauer auch, wann<br />

sie endlich vorbei s<strong>in</strong>d. Das ist das M<strong>in</strong>deste,<br />

was man von e<strong>in</strong>em schlechten Vortrag<br />

erwarten kann. Ist er h<strong>in</strong>gegen gut,<br />

brauche ich als Zuhörer weder am Anfang<br />

noch während des Vortrags e<strong>in</strong>e Navigationshilfe.<br />

Bei den sehr guten Vorträgen<br />

nicht e<strong>in</strong>mal PowerPo<strong>in</strong>t…<br />

„Was sollen wir jetzt aber tun, etwa ganz<br />

auf PowerPo<strong>in</strong>t verzichten?“, werde ich<br />

von Studenten gefragt. Me<strong>in</strong> Antwort:<br />

„Hasst PowerPo<strong>in</strong>t – wenigstens e<strong>in</strong> bisschen,<br />

um damit gute PowerPo<strong>in</strong>t-Präsentationen<br />

erstellen zu können. Und überlegt<br />

Euch, wie und was Ihr vortragt, wenn<br />

plötzlich der Beamer ausfallen sollte.“<br />

Napoleons Russlandfeldzug<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grafik: Die Breite der<br />

Balken zeigt die Anzahl se<strong>in</strong>er<br />

Soldaten. Mit 422.000 Mann ist<br />

er gestartet, 10.000 kehrten zurück.<br />

Am Fluss Bjares<strong>in</strong>a gab es<br />

auf dem Rückzug im November<br />

1812 bei M<strong>in</strong>usgraden (unteres<br />

Diagramm) e<strong>in</strong>en richtigen „E<strong>in</strong>bruch“<br />

34 X-PRESS | SS 08<br />

35

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