Ausgabe 2/2011 - VdU
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wirtsChaFt UnD gesellsChaFt<br />
boot, die als Prokuristin heute den Einkauf leitet. Sogar die Ent- persönliche Stärke sieht sie vor allem darin, die Möglichkeiten für<br />
scheidung, welche Mitarbeiter eingestellt werden, trifft sie nicht ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst groß und offen zu<br />
alleine: „Schließlich müssen die Neuen zu uns passen.“ Ein gutes halten. Auch in schwierigen Zeiten.<br />
betriebsklima sei ihr ungemein wichtig, aber nicht um jeden Preis: Gleich nach ihrem Einstieg als alleinige Geschäftsführerin geriet<br />
„Harmoniesüchtig bin ich nicht“, urteilt Claudia Gläser über sich sie nämlich von einem Extrem ins andere: War 2008 noch eines<br />
selbst, „ich kann schon sehr konkret sagen, was ich will.“ Dafür der umsatzstärksten Jahre, folgte 2009 das schlechteste Ergebnis<br />
wurden Visionen bis 2020 entwickelt. Wohlwissend, dass man da- der Firmengeschichte. Mittlerweile ist die Gläser GmbH mit ihren<br />
mit an Grenzen stoßen kann. Aus<br />
eigener Erfahrung weiß sie, dass „Ich darf nicht<br />
drei Standorten wieder deutlich<br />
auf Wachstumskurs und auch<br />
es eine Herausforderung ist, als<br />
Frau Familie und beruf unter ei- nur die Frau und<br />
international bestens aufgestellt.<br />
Nicht zuletzt auch deshalb, weil<br />
nen Hut zu bringen. Zwar ist<br />
Claudia Gläser in der glücklichen<br />
Position, dass ihr Mann seine be-<br />
ihre Arbeit sehen,<br />
ich muss auch an deren<br />
Claudia Gläser durch Innovationen<br />
neue Geschäftsfelder erschlossen<br />
und sich das einstige<br />
rufliche Selbstständigkeit reduzieren<br />
konnte, um sich stärker Familie denken.“<br />
Hydraulikunternehmen zusätzlich<br />
zum Anbieter von Dienst-<br />
der Erziehung der beiden Kinder<br />
leistungen und als Anlagenbau-<br />
zu widmen, doch weiß sie auch,<br />
er weiterentwickelt hat. Unter<br />
dass das nicht der Normalfall ist.<br />
ihrer Leitung wurde ein zusätz-<br />
Für sich persönlich hat sie Grenliches<br />
Labor im US-Staat Alabazen<br />
gezogen: „Ich muss nicht 16<br />
ma eröffnet. Anlagen werden bis<br />
Stunden im Unternehmen absit-<br />
in den Fernen Osten und nach<br />
zen, sondern schaffe mir auch<br />
private Freiräume“, betont die<br />
42-Jährige. Und „ich muss nicht<br />
jede Einladung annehmen“. Das<br />
Südamerika geliefert.<br />
Delegieren von Aufgaben macht<br />
es ihr möglich, dass der Abend<br />
und das Wochenende der Fami-<br />
Mehrere<br />
Standbeine<br />
lie gehören.<br />
Auf mehrere Standbeine setzt<br />
Ihre weiblichen Mitarbeiter un-<br />
die Gläser GmbH in Horb, die<br />
terstützt die Diplom-Ingenieurin<br />
nach Kräften: „Ich darf nicht nur<br />
sitzend: Christiane gläser (eK-leitung), Von links nach rechts:<br />
Victor lopez (Produktionsleitung), Claudia gläser<br />
in <strong>2011</strong> ihren 35. Geburtstag<br />
feierte. Das Familienunterneh-<br />
die Frau und ihre Arbeit sehen,<br />
sondern muss auch an deren Fa-<br />
(geschäftsführung), elke Baitinger (laborleitung), rainer<br />
Fauck (technische leitung), Peter hascher (Verkaufsleitung).<br />
men, das 19 6 von Fritz-Jörg<br />
Gläser gegründet worden ist,<br />
milie denken“, gibt sie sich soli-<br />
wird heute von Tochter Claudia<br />
darisch. Das fängt bei der Teilzeitarbeit für die Technikerin an, die Gläser geführt. Spezialisiert ist das Unternehmen auf die Entwick-<br />
jederzeit wieder voll einsteigen kann, und hört bei der Finanzielung und Montage hydraulischer Steuerblöcke sowie den Handel<br />
rung von Tagesmüttern oder Kindergartenplätzen in Firmennähe mit hydraulischen bauteilen, Filtration und Laborbedarf, den bau<br />
auf. Die Vereinbarkeit von Familie und beruf hat sie deshalb für von Spül- und Prüfanlagen für Technische Sauberkeit sowie Dosierihre<br />
Arbeit im <strong>VdU</strong> zu ihrem Thema gemacht. Damit ist sie ange- und Abfüllanlagen. Außerdem gehört ein eigenes Labor zur Analysichts<br />
der demografischen Entwicklung und dem daraus resultiese für Technische Sauberkeit zum Portfolio. Mit 50 Mitarbeiterenden<br />
Facharbeitermangel sicher auf dem richtigen Weg. rinnen und Mitarbeitern rechnet die Firma Gläser an ihren drei<br />
„Es gibt so viele, gut ausgebildete Frauen, da wäre es doch schade, Standorten in <strong>2011</strong> mit ,5 Millionen Euro Umsatz. Weitere Infos<br />
wenn sie sich nicht entfalten könnten“, urteilt Claudia Gläser. Ihre im Internet: www.glaeser-gmbh.de.<br />
20 Die Unternehmerin 02 i <strong>2011</strong><br />
Die Unternehmerin: Herr Dr.<br />
Schween, Sie haben für Ihre Studie<br />
148 Inhaberinnen und Inhaber<br />
von Familienunternehmen zum Thema<br />
„Familienverfassung” befragt. Was genau bedeutet<br />
ein solcher Kodex und wer nutzt ihn?<br />
Karsten Schween: Eine „Familienverfassung”<br />
regelt alle wichtigen Fragen einer Inhaberfamilie<br />
in bezug auf ihr Familienunternehmen:<br />
Dazu gehören die Formulierung eines gemeinsamen<br />
Selbstverständnisses, die Frage,<br />
wer in welchem Umfang Gesellschafter werden<br />
kann, die Etablierung von Führungsund<br />
Kontrollmechanismen, die Regelung<br />
von Ausschüttungen und Vergütungen sowie<br />
die Sicherstellung des notwendigen Familienzusammenhaltes.<br />
Außerdem muss<br />
geregelt werden, welche Rollen von welchen<br />
Familienmitgliedern besetzt werden sollen<br />
und wer darüber entscheidet.<br />
Warum ist die „Familienverfassung” gerade<br />
in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftssituation<br />
attraktiv?<br />
Die Wahrscheinlichkeit, den nächsten Generationswechsel<br />
zu überleben, liegt für<br />
Familienunternehmen im Schnitt bei 50<br />
Prozent. Die meisten sterben von innen.<br />
Eine „Familienverfassung” vermeidet Streit,<br />
erhöht das Commitment der Gesellschafter<br />
gegenüber ihrer Firma und hilft der Geschäftsführung,<br />
einen möglichst hohen Inhaberbonus<br />
zu kapitalisieren. All dies ist<br />
gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
wichtig, um auch mal eine Durststrecke gemeinsam<br />
überwinden zu können.<br />
Plädoyer für die<br />
„Familienverfassung“<br />
Jedes zweite Familienunternehmen überlebt den nächsten generationswechsel nicht,<br />
weiß intes-geschäftsführer Dr. Karsten Schween. eine „Familienverfassung“ kann<br />
maßgeblich zur Zukunftssicherung beitragen. warum, erklärt der experte im interview<br />
Ihre Studie hat ergeben, dass Unternehmen<br />
mit „Familienverfassung” den Mehrwert des<br />
Kodex schätzen. Was sind die wichtigsten<br />
Vorteile?<br />
Familien mit Verfassung sind zufriedener<br />
als diejenigen ohne ein solches Regelwerk.<br />
Dieser Unterschied zeigt sich besonders<br />
hinsichtlich Zusammenhalt und Identifikation,<br />
Führung und Kontrolle sowie in bezug<br />
auf Frieden und Stabilität im Gesellschafterkreis.<br />
Gemeinsam erarbeitete Regelwerke<br />
werden in viel höherem Maße<br />
eingehalten werden als solche, die von Patriarchen<br />
oder Juristen verordnet wurden.<br />
Die Untersuchung ist die erste umfassende<br />
Studie zu diesem Thema. Was war für Sie<br />
das überraschendste Ergebnis?<br />
Dass Familienunternehmen, die eine Verfassung<br />
erarbeitet haben, nicht nur zufriedener<br />
und weniger streitanfällig sind, sondern<br />
auch ökonomisch klar erfolgreicher. Der<br />
Anteil der Unternehmen mit einer Umsatzrendite<br />
von über fünf Prozent lag bei Fami-<br />
Dr. Karsten Schween ist Geschäftsführender<br />
Gesellschafter der Inhaberberatung<br />
INTES. Seine Arbeitsschwerpunkte:<br />
Die Bearbeitung strategischer und<br />
operativer Fragestellungen von Familienunternehmen.<br />
Dr. Schween war mehrere<br />
Jahre als Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
eines großen Familienunternehmens<br />
tätig. Zuvor beriet er für McKinsey &<br />
Company, Inc. Familienunternehmen und<br />
Konzerne in Europa und Asien. Er<br />
absolvierte eine kaufmännische Ausbildung<br />
und studierte BWL an der WHU –<br />
Otto Beisheim School of Management.<br />
lienunternehmen mit einer „Familienverfassung”<br />
bei 58 Prozent, während es bei denen<br />
ohne eine „Familienverfassung” nur 46 Prozent<br />
waren. Offenbar zeichnen sich die besten<br />
Unternehmer dadurch aus, dass sie sowohl<br />
das Unternehmen als auch die Familie<br />
mit gleicher Professionalität führen.<br />
Was raten Sie Inhaberinnen und Inhabern<br />
familiengeführter Unternehmen, die ihre<br />
Nachfolge regeln möchten?<br />
Das Wichtigste ist, sich ausreichend Zeit für<br />
den Nachfolgeprozess zu nehmen: acht bis<br />
zehn Jahre. Zunächst sollte im Rahmen einer<br />
„Familienverfassung” Klarheit und Konsens<br />
geschaffen werden, wie die nächste Generation<br />
das Unternehmen weiterentwickeln will.<br />
Auf dieser basis muss dann das jeweils passende<br />
Nachfolgekonzept erarbeitet und umgesetzt<br />
werden. Es sollte auch eine Planung<br />
für den Vorgänger beinhalten. Ein guter beirat<br />
kann dabei für beide sehr hilfreich sein.<br />
Hier können Sie die gesamte Studie anfordern:<br />
www.intes-akademie.de.<br />
Die Unternehmerin 02 i <strong>2011</strong> 21