02-167 Funktion und Aufgaben von Bildung und Erziehung in der ...
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� Gerhard de Haan / Andreas Poltermann. Forschungsgruppe Umweltbildung. Paper <strong>02</strong>-<strong>167</strong>: Wissensgesellschaft Seite 27<br />
lich <strong>der</strong> Lebensstile <strong>und</strong> Lebensgestaltung. Damit aber wächst auch die Fragmentarisierung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft. Das den Individuen geme<strong>in</strong>same Wissen nimmt ab, die Orientierungen<br />
<strong>der</strong> Individuen differieren mehr <strong>und</strong> mehr. Die Individuen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissensgesellschaft<br />
<strong>in</strong> ihren differenten Handlungsmöglichkeiten <strong>und</strong> -absichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Prozess<br />
immer weitergehen<strong>der</strong> Ausdifferenzierung gefangen. Die Ausdifferenzierung <strong>der</strong> Lebensstile<br />
<strong>in</strong> den letzten 20 Jahren, jüngst noch e<strong>in</strong>mal für die Jugendlichen mit <strong>der</strong> 13. Shell<br />
Studie belegt, ist e<strong>in</strong> guter Indikator für diesen Diversifizierungsprozess (vgl. Deutsche<br />
Shell 2000; Vester 2001; Opaschowski 20<strong>02</strong>, S. 168ff.).<br />
Die E<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Gesellschaft auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es geteilten Sachwissens ist <strong>in</strong> diesem Kontext<br />
nicht zu erwarten. H<strong>in</strong>sichtlich geme<strong>in</strong>sam geteilter Orientierungen ist allerd<strong>in</strong>gs auch<br />
ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>in</strong> Aussicht, wenn sie nicht gezielt angestrebt wird. Dies kann durch<br />
e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sam geteiltes Basiswissen <strong>und</strong> geteiltes Orientierungswissen <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> „Narrationen“<br />
geschehen (etwa: Das Wissen um die Syndrome globalen Wandels; die Vision<br />
e<strong>in</strong>er Welt <strong>der</strong> Gerechtigkeit), aber auch durch Kenntnisse über prozedurale Wege möglich<br />
se<strong>in</strong>, wie man sich verständigt.<br />
3. Das Anwachsen des Wissens geht nicht alle<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>er Fragmentierung e<strong>in</strong>her. Zugleich<br />
werden die zu lösenden Probleme, die Interpretationen <strong>von</strong> Welt <strong>und</strong> das Orientierungswissen<br />
immer komplexer – <strong>und</strong> die Lösungsvorschläge s<strong>in</strong>d oftmals disparat.<br />
Daher werden auch komplexe Lösungen, differenzierte <strong>und</strong> plurale Antworten auf Zukunftsfragen,<br />
auf den Umgang mit technischer Innovation <strong>und</strong> sozialen Fragen immer<br />
dr<strong>in</strong>glicher. Dem kann das Fachpr<strong>in</strong>zip des Unterrichts <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hochschulausbildung<br />
nicht gerecht werden. Überall dort, wo komplexe Themen bearbeitet, Innovationen vorangebracht,<br />
Problemlösungen <strong>in</strong> vernetzten Zusammenhängen gesucht werden, wird <strong>in</strong>ter<strong>und</strong><br />
transdiszipl<strong>in</strong>är gearbeitet werden müssen. Dieses muss sich im <strong>Bildung</strong>ssystem durch<br />
e<strong>in</strong>e entsprechende Reduktion des Fachpr<strong>in</strong>zips zugunsten des fachübergreifenden Bearbeitens<br />
komplexer <strong>Aufgaben</strong> <strong>und</strong> Probleme wi<strong>der</strong>spiegeln. Da Orientierungen <strong>und</strong> Handlungen<br />
vom Wissen abhängen (nicht mehr <strong>von</strong> <strong>der</strong> Übernahme <strong>von</strong> Traditionen), ist es zudem<br />
wichtig, Bedeutungs- <strong>und</strong> Regelwissen zu erwerben. Dieses löst das für die Industriegesellschaft<br />
f<strong>und</strong>amentale Tatsachenwissen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bedeutung ab.<br />
4. Expertokratie <strong>und</strong> differente Wissensformen führen zur Notwendigkeit des Aushandelns<br />
<strong>von</strong> Auffassungen <strong>und</strong> Orientierungen <strong>und</strong> dem Zwang zum Vertrauen<br />
Immer weniger Menschen vermögen sich noch <strong>in</strong> ihrem Umfeld zu orientieren <strong>und</strong> empf<strong>in</strong>den<br />
sich potentiell als Opfer e<strong>in</strong>er „Expertokratie“, die sich selbst je<strong>der</strong> Kontrolle entzieht.<br />
Dies gilt sogar für die „Experten“ selbst, die sich außerhalb ihres eigentlichen Spezialgebiets<br />
<strong>in</strong> eben <strong>der</strong>selben Unsicherheit <strong>und</strong> Abhängigkeit bef<strong>in</strong>den wie alle an<strong>der</strong>en<br />
Mitbürger auch.<br />
Als Individuum gerät man immer weiter <strong>in</strong> die Notwendigkeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, sich Experten anzu-