00 - Perspektive
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alla sera evelyn schalk<br />
MediaMessAge<br />
A l l a s e r a<br />
Kunstelite – Massenkultur. Zwei Phänomene,<br />
die sich ähneln und gleichzeitig bedingen. Das eine<br />
produziert das andere. Opium fürs Volk. Besser:<br />
Weihrauch. Die oberflächenmatten Scheinversuche<br />
der Entelitarisierung von Kunst laufen sich<br />
seit Jahren unter konzeptionellen Phrasen wie<br />
„alle wirken mit“, „jeder ist Künstler“, „jeder ist<br />
gleich präsent“ selbst tot. Leichten Herzens und<br />
voller Brieftasche kann intern darauf verwiesen<br />
werden, wie interessant bei derlei Projekten zwar<br />
das Konzept an sich sei – die Reaktionen der<br />
Angesprochenen, instinktgesteuert, womit sie<br />
erwartungsgemäß dort bleiben wo sie gefälligst<br />
bleiben sollen: beim tierischen Konsum, fressen,<br />
schlafen, vögeln, egal ob das Objekt der zielsicher<br />
erzeugten Begierde Kunst oder Coca Cola ist. Im<br />
Statuieren des Exempels, der „Universum“-mäßigen<br />
Beobachtung und Dokumentation, hat sich die<br />
ganze Sache wieder einmal in der Kalkulierbarkeit<br />
des Objekts „Mensch“ bzw. „Masse“ erschöpft,<br />
auf zu neuen alten überheblichen Ufern. Der<br />
Trick „Wir lassen jede/n teilhaben“ funkt ein paar<br />
mal, auch ein paar mal öfter, aber dann wird er<br />
endgültig zum postmodernen Kalauer der kunstsinnigen<br />
Schenkelklopfer verkommen sein und hat<br />
sich damit rasch und bequem von selbst erledigt.<br />
Dem Anspruch „Alle Menschen sind Intellektuelle“<br />
wurde damit wohl folgenlos genüge getan und<br />
man kann kritiklos auf Antonio Gramscis Satzende<br />
weiterverweisen „aber nicht alle Menschen haben<br />
in der Gesellschaft die Funktion von Intellektuellen“<br />
und setzt noch wortlos hinzu: „und das ist auch<br />
gut so, quod erat demonstrandum“. Pflichtkapitel<br />
abgeschlossen, Rechnung aufgegangen, nächster<br />
Akt in der unendlichen Geschichte der munteren<br />
Selbstbespiegelung.<br />
Gleichzeitig hat man aber eine Alibi-Lösung für<br />
Unliebsameres gefunden, nämlich (Schein-)Ersatz<br />
für die Notwendigkeit, tatsächlich Gelder und<br />
Infrastruktur jenseits der besagten Eliten zur<br />
Verfügung zu stellen. Was schon aufgrund der daraus<br />
resultierenden Reduktion der Mittel für selbige (ob<br />
nun als Kunstgroßbetrieb oder „„unabhängige““<br />
Szene definiert) einerseits und andererseits der<br />
dann zu erwartenden Kritik an beiden tunlichst<br />
zu verhindern ist. Denn diese durch Umverteilung<br />
und andere Zugänge ermöglichte Kritik könnte in<br />
der Folge mediale Verbreitung finden, und so (weil<br />
erstmals allgemeiner nachvollziehbar) bei den bis<br />
dato ruhiggestellten Rezipienten tatsächlich Wirkung<br />
zeitigen…<br />
Doch verhindert wird erfolg- und folgenreich<br />
– sitzen doch die selben Leute in Vergabegremien<br />
und Jurys, die das Geld seit Jahren einsacken,<br />
entscheiden doch genau jene über infrastrukturelle<br />
Zuteilungen, die selbst davon profitieren. Darüber<br />
hinaus ist man – in beiden Fällen – mit zuständigen<br />
Politikern gut verhabert, bei der Weinverkostung<br />
in der Südsteiermark oder am Golfplatz bei Wien<br />
werden, natürlich rein persönliche, Freundschaften<br />
gehegt und gepflegt. Die Behandlung brisanter<br />
Themen wird im übrigen gern an Arrivierte<br />
delegiert, bei jenen weiß man sie gut aufgehoben<br />
und schmeichelweich (weil be-rechenbar) behandelt.<br />
Trotzdem lässt sich das mediale Gesicht vom<br />
kritischen Kunst- und Kulturbetrieb wahren und das<br />
System scheint im Lot.<br />
Nach dem selben Prinzip agieren Sponsoren aus der<br />
Wirtschaft. Ihre Betriebe, und im Einzelfall sogar<br />
Methoden, werden im Kunst-Werk scheinkritisiert,<br />
dessen Urheber empören sich öffentlich über<br />
Arbeitsbedingungen im Kapitalismusuniversum.<br />
Doch alles im Rahmen, Schluss ist, wo’s beginnt weh<br />
zu tun – denn ab da leidet die eigene Brieftasche mit.<br />
Diese hochbezahlte Alibi-Kritik verhindert einmal<br />
mehr tatsächliche – wie auch die Kunstelite mit<br />
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