00 - Perspektive
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alla sera evelyn schalk<br />
MediaMessAge<br />
A l l a s e r a<br />
Vielleicht sollte an dieser Stelle der Kontext erwähnt<br />
werden, in dem die Plastik im Revoltella gezeigt<br />
wird. Sie ist eine jener Arbeiten, die, gewissermaßen<br />
repräsentativ, für Strömungen und <strong>Perspektive</strong>n<br />
stehen, die auf einen anderen Künstler eingewirkt<br />
haben: den Triestiner Marcello Mascherini (1906<br />
– 1983), dessen Skulpturen einem Querschnitt<br />
von europäischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts<br />
gegenübergestellt werden. Vielleicht sollte man<br />
weiters erwähnen, dass es um eine öffentlich<br />
installierte Bronzefigur Mascherinis vor einiger<br />
Zeit eine Kontroverse innerhalb der Stadtregierung<br />
Triests gab, jene mit dem Titel „Cantico dei<br />
Cantici“ („Hohelied“) auf der Piazza Oberdan,<br />
die ein ineinander verschlungenes Liebespaar<br />
darstellt. Vertreter der Rechtsparteien brachten<br />
den Vorschlag ein, die Skulptur durch eine in den<br />
1930ern entstandene des regimetreuen Bildhauers<br />
Attilio Selva zu ersetzen. Denn warum, so der<br />
nationalistische Tenor, solle ausgerechnet auf der<br />
Piazza Oberdan, benannt nach jenem Irredentisten,<br />
der 1882 einen erfolglosen Anschlag auf Kaiser<br />
Franz Josef verübt hatte, ein Werk diesen Titels und<br />
Inhalts (die eindeutigen Assoziationen mit Frieden,<br />
Vereinigung, Toleranz usw. waren wohl Dornen in<br />
den Adleraugen) öffentlich zu sehen sein?<br />
Der Autor und Journalist Mauro Covacich<br />
verbindet in „Trieste sottosopra“ noch eine weitere<br />
Geschichte mit der Skulptur: Jene von der durch<br />
Internierung und Mord durch die Faschisten<br />
auseinandergerissenen Liebe eines Studenten und<br />
seiner jungen Verlobten Laura. Er wird im März<br />
1945 verhaftet während er auf der Piazza Oberdan<br />
auf sie wartet; in den zwanzig Tagen des Arrests,<br />
die seiner Ermordung in der Risiera di San Sabba<br />
vorausgehen, wird er zum überzeugten Partisanen.<br />
Die Geschichte ist eine wahre, von Pino Robusti,<br />
so der Name, ist eine Zahl von Briefen erhalten,<br />
die zu den wichtigsten Dokumenten zählen, welche<br />
die Bedingungen im Lager San Sabba detailreich<br />
schildern.<br />
Die Bedeutung von Cancianis „Lavoratorio stanco“<br />
resultiert in erster Linie aus dem Umstand, dass sie<br />
in den über 115 Jahren, die seit seiner Entstehung<br />
vergangen sind, nicht an Aktualität verloren<br />
hat, denn Canciani zeigt einen Menschen ohne<br />
Netzwerk und macht auch gleichzeitig die Folgen<br />
dieses Fehlens deutlich. Das Kunstwerk spiegelt<br />
Ursache und Resultat der Ausschließung von<br />
Entscheidungsprozessen wider, die sich nach wie<br />
vor in den Händen einiger weniger Privilegierter<br />
befinden. Die „Beteiligung“ des Betrachters erfolgt<br />
im Gegenzug dazu nicht nur über das Sehen,<br />
sondern über das Verstehen, die Reflexion des<br />
Gezeigten.<br />
„Un/Fair Trade provoziert Lust, sich spielerisch dem<br />
Thema einer anderen Konstruktion wirtschaftlicher<br />
Zukunft anzunähern“ folgert Mittringer in Hinblick<br />
auf die interaktiven Dekoeffekte jener Schau. Wir<br />
wollen doch alle nur spielen, wird damit suggeriert<br />
und vermutlich stimmt es sogar. Game over alla sera?<br />
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