PDF 36 - Deutsche Sprachwelt
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AUSGABE <strong>36</strong><br />
Sommer 2009<br />
10. Jahrgang – 2<br />
ISSN1439-8834<br />
(Ausgabe für Deutschland)<br />
Aufgrund der großen Nachfrage<br />
haben wir Aufkleber nachgedruckt!<br />
Seite 5<br />
Sprachfeminismus<br />
Der Schweizer Pädagoge Arthur<br />
Brühlmeier nennt gute Gründe<br />
für eine Abkehr von der Überbetonung<br />
des biologischen Geschlechts.<br />
Seite 3<br />
Zweisprachigkeit<br />
Die Sprachtherapeutin Irmela<br />
van Thiel klärt über Möglichkeiten<br />
und Grenzen mehrsprachiger<br />
Erziehung auf.<br />
Seite 6<br />
Sprachenpolitik<br />
FDP-MdB Christoph Waitz<br />
schreibt über das Mauerblümchendasein<br />
der deutschen<br />
Sprache in der EU.<br />
Seite 7<br />
In die Binsen<br />
Thomas Paulwitz fragt sich, warum<br />
die Volkswagenstiftung ihr<br />
Geld nicht lieber in die Förderung<br />
der deutschen Sprache steckt.<br />
Seite 12<br />
Abwrackprämie?<br />
Wir wollen keine Abwrackprämie für<br />
die deutsche Sprache. Mit Ihrer Spende<br />
sichern Sie die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT und Aktionen für<br />
die Besserstellung der deutschen<br />
Sprache. Leider sind die Spenden in<br />
den vergangenen Monaten etwas zurückgegangen.<br />
Bitte bedenken Sie:<br />
5 oder 10 Euro tun den meisten von<br />
Ihnen nicht weh, helfen uns aber<br />
dabei, weiterzumachen. Jede Spende<br />
hilft! Vielen Dank!<br />
Ihr Verein für Sprachpflege<br />
Rede zur Sprache<br />
Am 12. September 2009 hält in Köthen<br />
Prof. Dr. Dr. Kurt Reinschke die diesjährige<br />
Rede zur deutschen Sprache.<br />
Die Festveranstaltung zum Tag der<br />
deutschen Sprache beginnt um 17 Uhr<br />
im Spiegelsaal des Köthener Schlosses.<br />
Reinschke ist Vorstand des „Bundes<br />
Freiheit der Wissenschaft“.<br />
Stammeldeutsch als Errungenschaft?<br />
Sprachwissenschaftler bewundern eine Fehlentwicklung unserer Sprache<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
ie deutsche Sprache franst im-<br />
D mer weiter aus: Denglisch genüge<br />
leider nicht mehr, um sich unter<br />
Gleichaltrigen verständigen zu können,<br />
klagte vor kurzem ein Jugendlicher in<br />
seinem Netztagebuch („Blog“). Aus<br />
Denglisch werde Dengtürkisch. – Das<br />
ist kein Einzelfall. Vor ein paar Jahren<br />
glaubte man noch, die Sprachen<br />
der Einwanderer hätten aufgrund ihres<br />
niedrigen gesellschaftlichen Ansehens<br />
kaum Einfluß auf das <strong>Deutsche</strong>. Mit<br />
dem wachsenden Ausländeranteil gerade<br />
in der jüngeren Bevölkerung hat sich<br />
das geändert. Komiker wie Erkan und<br />
Stefan oder Kaya Yanar (siehe Bild),<br />
welche die sogenannte „Kanaksprak“<br />
gesellschaftsfähig gemacht haben, förderten<br />
diese Entwicklung.<br />
Kanaksprak ist zunächst einmal eine<br />
Pidginsprache der ungebildeten Unterschicht.<br />
Pidgin zeichnet sich durch einen<br />
verringerten Wortschatz und eine<br />
verarmte Grammatik aus, nach dem<br />
Muster: „Ich Tarzan. – Du Jane!“ Wer<br />
nur Pidgin spricht, hat die Möglichkeit,<br />
über Bildung und Anpassung die Stufe<br />
der hochdeutschen Standardsprache zu<br />
erklimmen. Das gelingt aber nur, wenn<br />
die Anziehungskraft des Hochdeutschen<br />
groß genug ist.<br />
Die Geringschätzung der Standardsprache<br />
durch die Eliten kann jedoch eine<br />
ganz andere Entwicklung begünstigen.<br />
Aus einer Pidginsprache kann nämlich<br />
auch eine Kreolsprache erwachsen, in<br />
der sich Aussprache, Wortschatz und<br />
Grammatik von zwei und mehr Sprachen<br />
miteinander vermischen und im<br />
Laufe der Zeit eine neue Sprache bilden.<br />
In deutschen Großstadtvierteln, in denen<br />
die Einwanderer im wahrsten Sinne des<br />
Wortes das Sagen haben, ist die Kreolisierung<br />
der deutschen Sprache offenbar<br />
in vollem Gange. Es mag für Sprachwissenschaftler<br />
durchaus spannend sein, die<br />
Geburt einer solchen Sprache zu beobachten.<br />
Aus sprachpolitischer Sicht hingegen<br />
ist diese Zersplitterung der deutschen<br />
Sprache mehr als bedenklich.<br />
Der Traum der Gutmenschen von der<br />
Mehrsprachigkeit junger Einwanderer<br />
Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />
Tag der deutschen Sprache:<br />
Schirmherrschaft<br />
übernommen<br />
Am 14. August veranstaltet der Bund<br />
für deutsche Schrift und Sprache auf<br />
der Ostbayernschau in Straubing einen<br />
„Tag der deutschen Sprache“ (Halle 16,<br />
13 bis 16 Uhr). Die Schirmherrschaft<br />
hat Thomas Paulwitz übernommen,<br />
der Schriftleiter der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT. Er wird auf der Festveranstaltung<br />
die Hauptrede unter dem<br />
Titel „Rettet die deutsche Sprache!“ halten.<br />
Zur Verbraucherausstellung werden<br />
rund 400 000 Besucher erwartet.<br />
www.bfds.de<br />
ist geplatzt. Jetzt droht er zu einem Alptraum<br />
zu werden. Junge Türken zum<br />
Beispiel sind häufig nicht zweisprachig,<br />
sondern doppelt halbsprachig. Sie sprechen<br />
weder richtig Deutsch noch richtig<br />
Türkisch. Damit verbauen sie sich den<br />
Weg zur Bildung und zur Eingliederung<br />
in das deutsche Volk. Sie sind soziale<br />
Verlierer, bleiben unter sich, bilden eine<br />
eigene Welt mit einer eigenen Sprache.<br />
Ein starkes Gefühl von Zusammengehörigkeit<br />
und Ehre schweißt sie zusammen<br />
und gibt ihnen Halt. Sie treffen<br />
auf deutsche Jugendliche, denen es an<br />
Selbstgewißheit mangelt, die die Scham<br />
für das eigene Volk belastet, denen<br />
wirkliche Vorbilder fehlen. Und so ist es<br />
kein Wunder, daß diese richtungslosen<br />
deutschen Jugendlichen nun beginnen,<br />
nun selbst die Kanaksprak zu sprechen,<br />
weil sie einer starken Gruppe angehören<br />
wollen. Eine Fehlentwicklung entsteht:<br />
Nicht die Einwanderer passen sich der<br />
deutschen Sprache an, sondern die<br />
<strong>Deutsche</strong>n der Einwanderersprache.<br />
Europäische Union:<br />
Sprachprüfsteine<br />
verbreitet<br />
Kurz vor den Europawahlen am 7.<br />
Juni veröffentlichte die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT Sprachprüfsteine.<br />
Wir hatten die Europawahlprogramme<br />
von Parteien untersucht und waren<br />
zu überraschenden Ergebnissen<br />
gekommen. Die Nachrichtenagentur<br />
ddp verbreitete eine Meldung. Auf<br />
dem Köthener Sprachtag erläuterte<br />
Thomas Paulwitz am 20. Juni die<br />
Untersuchungsergebnisse. Auch dies<br />
fand Niederschlag in der Presse.<br />
Siehe Seite 7.<br />
Finanzkrise:<br />
Bild: obs/Sat.1<br />
„Wenn eine Sprache zerfällt, glauben<br />
ihre Sprecher, sie verjünge sich.“ Dieses<br />
Wort wird dem Philosophen Nicolás<br />
Gómez Dávila zugeschrieben. Die<br />
Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese<br />
bestätigt diese Erkenntnis auf traurige<br />
Weise. Sie ist am Institut für Germanistik<br />
der Universität Potsdam Professorin<br />
für die deutsche Sprache der<br />
Gegenwart, wohnt in Berlin-Kreuzberg<br />
und hat sich der Untersuchung der Kanaksprak<br />
verschrieben. Das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung<br />
stellt dafür Gelder bereit. Wiese kann<br />
ihre Begeisterung nicht verhehlen. Sie<br />
schwärmt: „Da gibt es dann auf einmal<br />
überhaupt keine Artikel mehr, keine<br />
Pronomen, und jedes Verb steht nur<br />
noch im Infinitiv.“ Auf den Einwand<br />
eines Journalisten des Bayerischen<br />
Rundfunks, daß das „trotzdem eine<br />
Vergröberung, eine Verkürzung, eine<br />
Vereinfachung unserer Sprache“ sei,<br />
antwortet sie: „Nein, das ist eine Weiterentwicklung.“<br />
Bank eingedeutscht<br />
Die „Hypo Real Estate“ heißt seit<br />
dem 29. Juni „<strong>Deutsche</strong> Pfandbriefbank“.<br />
Wir hatten diesen Namen vorgeschlagen.<br />
Vergleiche DSW 35, Seite 6.<br />
Sprachsünder:<br />
Zur Reue gebracht<br />
Dr. Ulrich Krötsch, der Präsident<br />
der Bundesapothekerkammer, wurde<br />
vom Saulus zum Paulus. Wir entlassen<br />
ihn aus der Sprachsünderecke.<br />
Siehe Seite 10.<br />
Wie sieht diese vermeintliche Weiterentwicklung<br />
gemäß der Untersuchung von<br />
Wiese aus? Erstens sickern neue Fremdwörter<br />
ein, vor allem aus dem Türkischen<br />
oder Arabischen, zum Beispiel<br />
„Komm mal her, Lan“ für „Komm mal<br />
her, Freundchen“ oder „Wallah, der kann<br />
das“ für „Der kann das bestimmt“. Weil<br />
der Wortschatz nur sehr wenige Tätigkeitswörter<br />
umfaßt („machen“, „haben“,<br />
„sein“) , entstehen zweitens sogenannte<br />
Funktionsverbgefüge, wie man sie aus<br />
der stilistischen Unsitte der Hauptwörterei<br />
kennt: „Mußtu Pärchen-Date mit<br />
Sascha machen“ statt „Du mußt dich mit<br />
Sascha verabreden.“ Drittens gehen Geschlechts-<br />
und Verhältniswörter (Artikel<br />
und Präpositionen) verloren, und viertens<br />
wird die Wortstellung verdreht: „Geh’<br />
ich nachher [in das] Kino“. Fünftens verschmelzen<br />
Wörter: „gibs“ statt „es gibt“,<br />
„Mußtu“ statt „du mußt“, „laßma“ statt<br />
„laßt uns“. Wieses Lieblingswort („Was<br />
man mit zwei Buchstaben doch so alles<br />
anstellen kann“) lautet „so“, das anstelle<br />
einer Betonung Wichtiges unterstreicht:<br />
„Die is so blond so“ oder „Zu Hause<br />
sprech’ ich mehr so deutsch so“.<br />
Für Heike Wiese handelt es sich nicht<br />
mehr um ein Pidgin, um „Kanaksprak“,<br />
sondern bereits um einen „modernen<br />
Dialekt.“ Daher hat sie dafür auch einen<br />
neuen Namen erfunden: „Kiezdeutsch“.<br />
Mit dieser Wortschöpfung schlägt sie<br />
zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens<br />
erweckt sie den Anschein, daß es sich<br />
um etwas völlig Neues handele. Aufgrund<br />
einer weitangelegten Pressearbeit<br />
gilt sie derzeit als nahezu einzige<br />
Fachfrau für „Kiezdeutsch“. Das alles<br />
ist wichtig, um weitere staatliche und<br />
private Fördermittel zur Erforschung<br />
dieser neuen „Sprache“ beantragen zu<br />
können. Zweitens bedient sie sich des<br />
mittlerweile positiv besetzten Wortes<br />
„Kiez“ (Stadtteil) und schafft damit<br />
eine angenehme Grundstimmung, die<br />
mit dem Wort „Kanaksprak“ kaum<br />
möglich ist.<br />
Bereits Franz-Josef Strauß meinte: „Der<br />
Kampf um die Sprache ist eine der wesentlichsten<br />
Voraussetzungen für die<br />
geistige Selbstbehauptung.“ In dieser<br />
Hinsicht ist das Wort „Kiezdeutsch“ eine<br />
unzulässige Beschönigung. Gegen Kritik<br />
schützt sich Wiese zudem vorsorglich,<br />
indem sie die Verteidiger des Hochdeutschen<br />
als Menschenfeinde verunglimpft.<br />
Kiezdeutsch als verstümmelte Sprache<br />
zu bezeichnen, die von Jugendlichen<br />
gesprochen werde, die weder richtig<br />
Deutsch noch Türkisch könnten, sei<br />
„blanker Rassismus“. Die Kritik komme<br />
„aus der rechtsradikalen Ecke“.<br />
„Bestimmte Merkmale von Kiez-Sprache<br />
könnten sich auf die Majoritätssprache<br />
ausbreiten und zu einem urbanen<br />
Dialekt führen, wie das zum Beispiel<br />
für New York beobachtet wurde“, kündigt<br />
Heike Wiese bereits an. <strong>Deutsche</strong><br />
Führungskräfte radebrechen in „BSE“<br />
(Bad Simple English), halbgebildete<br />
Großstadtjugendliche stammeln „Kiezdeutsch“.<br />
Wie sehr muß einer die deutsche<br />
Sprache verachten, um dies als Bereicherung<br />
zu empfinden?
Seite 2 Leserbriefe<br />
Ü<br />
Schneller zur<br />
einheitlichen Rechtschreibung<br />
Zum Beitrag „Wo bleibt die <strong>Deutsche</strong> Orthographische Konferenz?“<br />
von Rudolf Wachter in DSW 35, Seite 3<br />
ber diesen Artikel habe ich mich<br />
als eine ehemalige Lehrerin sehr<br />
gefreut. Seit der Einführung der reformierten<br />
Rechtschreibung im Schulbetrieb<br />
hatten meine Kollegen damit<br />
Schwierigkeiten; abgesehen von den<br />
vielen Weiterbildungen, den Gesprächen<br />
untereinander und den unzähligen Witzen,<br />
die über Schreibweisen die Runde<br />
machten. Es zählte sogar der Standpunkt:<br />
„Ich schreibe, wie es immer war,<br />
ausgenommen natürlich ss für ß“. Ein<br />
bißchen modern wollte man schon sein!<br />
Ich frage Sie, liebe Leser, hatten diese<br />
Kollegen so völlig unrecht? Inzwischen<br />
ist stets geändert worden. Nun wird im<br />
Brief die Anrede mit dem „Du“ auch<br />
wieder großgeschrieben. Wir bedienen<br />
uns weiterhin des „Sündenfall-Dudens<br />
von 1996“ und sollen aber auch auf dem<br />
amtlichen Regelwerk von 2006 aufbauen.<br />
Herrgöttliches Durcheinander! Die<br />
Lehrer sind wirklich verunsichert. Nicht<br />
jeder wird es so ungeschminkt zugeben.<br />
– Aber was bedeutet dieser Zustand für<br />
unsere Schulkinder, die bis zur 4. Klasse<br />
mit den Grundbegriffen der Rechtschreibung<br />
vertraut sein müssen! Später festigt<br />
sich alles durch die Erweiterung des<br />
Wortschatzes und der laufenden Kom-<br />
munikation im gesellschaftlichen Leben.<br />
Ich glaube, es gibt durch dieses ewige<br />
„Heute so und morgen anders“ für einige<br />
Schülergenerationen ein Chaos. Folgende<br />
Aussage beflügelt den regelleeren<br />
Raum: „Bei Varianten dürften Lehrer<br />
einfach die herkömmliche Schreibweise<br />
nutzen und sich an den seriösen Leitmedien<br />
orientieren.“ Wir wissen, daß unsere<br />
Sprache einem starken Wandel unterzogen<br />
wird; Medien und Umwelteinflüsse,<br />
die Wissenschaft, die Arbeit des Menschen<br />
hinterlassen Spuren. Warum dauert<br />
es also mit unserer grundhaften Regelung<br />
der Rechtschreibreform so lange?<br />
„Wer rastet, der rostet!“ Dieses Gefühl<br />
beschleicht mich bei den dafür zuständigen<br />
Gremien. Ganz dick möchte ich<br />
folgende Aussage unterstreichen: „Wenn<br />
ich lese, möchte ich möglichst nichts von<br />
der Orthographie merken, sondern mich<br />
ganz auf den Textinhalt konzentrieren …<br />
und nicht, daß mich die Auffälligkeiten<br />
der Rechtschreibung andauernd anspringen!“<br />
Ich würde mich sehr freuen, wenn<br />
wir zeitiger als in zehn Jahren wieder zu<br />
einer einigermaßen einheitlichen und<br />
sprachrichtigen deutschen Rechtschreibung<br />
kämen.<br />
Reingard Böhmer, Bautzen<br />
SALE<br />
Zum Beitrag „SALE? Nicht mit uns!“ von Thomas Paulwitz in DSW 35, Seite 4<br />
I<br />
n verschiedenen Geschäften habe<br />
ich das jeweilige Verkaufspersonal<br />
in Schuh- oder Bekleidungsläden<br />
berechnenderweise gefragt, ob SALE<br />
etwa eine neue Marke sei, die mit diesen<br />
Schildern beworben werde. Nein,<br />
so die vielfach stereotype Antwort,<br />
SALE sei Englisch und heiße „reduziert“.<br />
Auf meinen Einwand hin, dieses<br />
hieße „reduced“, kam dann meist stotternd<br />
„oder billiger“, worauf ich dann<br />
wieder entgegnete, das sei auf englisch<br />
„cheaper“. Nach mehreren Fehlversuchen<br />
gibt das Verkaufspersonal meist<br />
entnervt auf, worauf ich dann tröstend<br />
sage: „Sehen Sie, wenn Sie schon nicht<br />
wissen, daß SALE einfach nur „Verkauf“<br />
heißt, wie sollen Ihre Kunden,<br />
selbst jene. die des Englischen mächtig<br />
sind, wissen, daß Ausverkauf gemeint<br />
ist?“ Meist bekomme ich dann Zustimmung.<br />
Dieser neue Aufkleber kommt<br />
mir daher sehr gelegen.<br />
Jörg Ulrich Stange, Rajensdorf<br />
Liebe Leser!<br />
Was hat Ihnen gefallen? Was hätten wir<br />
besser machen können? Worauf sollten<br />
wir stärker eingehen? Schreiben Sie uns,<br />
wir freuen uns auf Ihre Meinung! Auch<br />
wenn wir nicht jeden Brief beantworten<br />
und veröffentlichen können, so werten<br />
wir doch alle Zuschriften sorgfältig aus.<br />
Bei einer Veröffentlichung behält sich<br />
die Redaktion das Recht vor, sinnwahrend<br />
zu kürzen. Auf diese Weise wollen<br />
wir möglichst viele Leser zu Wort kommen<br />
lassen. Schreiben Sie bitte an:<br />
DEUTSCHE SPRACHWELT<br />
Leserbriefe<br />
Postfach 1449, D-91004 Erlangen<br />
schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de<br />
AbWrack-Prämien<br />
Alte sind meist Trümmer-Haufen –<br />
Zu faul zum Fressen oder Saufen –,<br />
Die als Wrack spazieren laufen,<br />
Sofern die Füße sie noch tragen;<br />
Sie nicht in Betten Wurzeln schlagen,<br />
Oder sich im RollStuhl plagen.<br />
Jetzt denkt der Staat – ganz ohne<br />
Häme –<br />
Nach. Man will die AbWrack-Prämie<br />
Installieren für die Alten;<br />
Den Menschen-Schrott in Grenzen<br />
halten<br />
Und die NachZucht fördern, denn<br />
Man fragt sich ernsthaft: Was wär’,<br />
wenn<br />
Nur noch die Türken Kinder kriegen<br />
Und höchst lustlos die Germanen –<br />
Im GegenSatz zu ihren Ahnen –<br />
Tatenlos beim Partner liegen?<br />
Günter B. Merkel, Wilhelmsfeld<br />
Einstieg in die dichterische Merkelwelt:<br />
Günter B. Merkel: Große<br />
Sprüche vom gnadenlosen Dichter,<br />
SWP-Buch-Verlag, Wilhelmsfeld<br />
2007, 128 Seiten, fester Einband,<br />
9,50 Euro. Bestellung unter<br />
Telefon 06220/6310. www.merkelgedichte.de<br />
A<br />
uf der Dresdner Südhöhe ließ die<br />
Sächsische Landeszentrale für<br />
politische Bildung an der Verkaufshalle<br />
des Konsums, Bulgakowstraße 7, ein<br />
riesengroßes (etwa 2,20 mal 3,00 Meter)<br />
schwarzes Plakat anbringen. Links<br />
oben ein gelbes Computersymbol?<br />
Dann vier Medaillons mit den Fahnen<br />
der dieses Jahr hier zur Wahl stehenden<br />
Institutionen. Alle vier schön weiß<br />
gekreuzt durchgestrichen. Dann stand<br />
darunter: LEVEL 2009 GET READY 4<br />
VOTE. Ich schüttelte nur mein weißes<br />
Haupt und befragte 22 zufällig vorbeikommende<br />
Bürger erstens, ob sie dies<br />
Plakat verstehen, und zweitens, was sie<br />
von dieser Art Plakatierung halten. Nur<br />
zwei junge Leute, ein Mann und eine<br />
Frau, wußten sofort, daß es um die vier<br />
Wahlen geht. Der junge Mann sagte<br />
aber dann sofort, daß sich seine Großeltern<br />
sehr ärgern, daß so viel Englisch<br />
bei uns üblich geworden ist, weil sie es<br />
nicht verstehen. Also, von 22 Leuten<br />
verstanden zwanzig dieses Plakat nicht!<br />
Die beiden jüngeren Leute meinten zur<br />
zweiten Frage, das sei halt heute moderne<br />
Werbung. Ein Mann sagte, nachdem<br />
er den Schriftzug der Sächsischen<br />
Landeszentrale für politische Bildung<br />
gelesen hatte: „Ach, da wird zu irgendeinem<br />
komischen Vortrag eingeladen,<br />
da geh’ ich sowieso nicht hin“. Eine<br />
ältere Dame erkannte, daß es sich um<br />
englische Schriftzüge handelt, weil sie<br />
nämlich in der Volkshochschule einen<br />
Englischkurs belegt hat. „Man muß ja<br />
heute Englisch können!“ war ihre Rede.<br />
Sie fing an zu buchstabieren: „‚Get‘ bedeutet<br />
‚bekommen‘, ‚ready‘ ‚fertig‘.“<br />
Dann war sie am Ende mit ihren Kenntnissen,<br />
die Arme. Eine andere Dame,<br />
der auffiel, daß die Symbole durchgestrichen<br />
waren, meinte unvermittelt<br />
nach meiner Erklärung, daß es um die<br />
vier Wahlen geht: „Da sollen wir wahrscheinlich<br />
nicht hingehen.“ Zur zweiten<br />
Frage, was von der Plakatierung<br />
Aus der Mundart ist schwieriger zu übersetzen als aus dem Englischen<br />
Zum Beitrag „Eine schwer zu übersetzende Sprache“ von Oliver Höher in DSW 35, Seite 9<br />
E<br />
nglisch und Deutsch sind nah verwandt. Dennoch ist es sehr schwer, aus<br />
dem Englischen ins <strong>Deutsche</strong> zu übersetzen. Da ich sowohl aus der englischen<br />
(Richard Burton, The Kasidah, Tübingen 2007) als auch aus der uns<br />
viel ferner stehenden russischen Sprache (Puschkin – Rußland und sein erster<br />
Dichter, Tübingen 2000) übersetze, glaube ich zu wissen, wovon ich spreche.<br />
Das hängt mit den kurzen englischen Wörtern zusammen und mit der Grammatik.<br />
Im Innersten beruht diese besondere Schwierigkeit aber wohl auf dem<br />
Phänomen der Nächstenferne. Wir verlangen, daß Fernes sich in Unterschieden<br />
erweise. Was aber nahe ist, sollte auch gleich sein, sonst wirkt das Trennende<br />
um so stärker. Das scheint Hölderlin in Patmos zu meinen: wo „die Liebsten<br />
nah wohnen, ermattend auf getrenntesten Bergen“.<br />
Die englische Sprache ist im Grunde ein um lateinisches Wortgut erweiterter<br />
deutscher Dialekt; erst diese Nähe macht das Trennende so spürbar. Noch viel<br />
schwieriger als aus dem Englischen zu übersetzen, ist es, aus einer deutschen<br />
Mundart in die deutsche Hochsprache zu übersetzen. Das geht eigentlich gar<br />
nicht! Ein Gedicht des alemannischen Dichters Johann Peter Hebel in hochdeutscher<br />
Übersetzung verliert eigentlich alles. Dasselbe gilt für den geographisch<br />
entgegengesetzten Dialekt, die niederdeutsche Sprache.<br />
Ick wull, wi weern noch kleen, Jehann,<br />
Dor weer de Welt so groot<br />
Wi seeten op den Steen, Jehann,<br />
Weest noch, bi Naver’s Soot?<br />
Mit Ausnahme der Worte „Soot“ (=Brunnen), Naver (=Nachbar) erschließt<br />
sich der Wortsinn sofort. Aber gerade das zeigt uns, daß es auf diesen (fast)<br />
nicht ankommt. Sofort tritt die niederdeutsche Landschaft, die weite Ebene<br />
vor uns auf, und die Enge der niederdeutschen <strong>Sprachwelt</strong> macht deutlicher<br />
als irgend etwas, wie unendlich groß für die beiden Knaben damals die „Welt<br />
jenseits der Kastanien“ (Paul Celan) war. Wie will man das auf hochdeutsch<br />
wiedergeben? Wenn das Trennende so sehr empfunden wird, dürfen wir also<br />
annehmen, der Sache selbst ganz nahe zu sein. Wir werden mutiger – gar so<br />
schwer ist es nun auch wieder nicht, Gedichte aus dem Englischen zu übersetzen.<br />
Eigentlich ist es sogar leichter als aus anderen Sprachen. Landschaft,<br />
Lebensgefühl und das Naturerleben in England sind ähnlich bis gleich wie bei<br />
uns. Auch wenn wir Worte wie „eglantine“ oder „broom-flowre“ nachschlagen<br />
müssen, erkennen wir doch sofort, worum es geht.<br />
Wenn Wörter in der fremden Sprache bei uns dieselben Bilder berufen, so müssen<br />
wir, aus Treue zum Dichter, auch die entsprechenden deutschen Wörter benutzen.<br />
Aber nicht auf Wörter, sondern auf die berufenen Bilder kommt es an. Wenn daher<br />
das Originalwort nicht mehr stimmt, dann muß der Übersetzer das stimmige<br />
suchen. Spenser nennt Rose, Wacholder und so weiter „sweet“. „Süß“ ist aber<br />
verbraucht; ein Ginsterstrauch ist nicht ,,süß“, wohl aber schön. Für die Übersetzung<br />
ziehe ich also „schön“ vor. In der vorletzten Zeile steht nichts von einem<br />
,,leuchtenden“ Ginster, auch nicht, daß er uns „narrt“. Aber der blühende Ginster<br />
leuchtet. Das ist uns an diesem Busch wichtig, nicht der Sud, den der Dichter vor<br />
der Zeit des indischen Tees daraus zog und zu sauer fand. Aber was der Dichter<br />
sagen will, bleibt ausgedrückt, und es reimt sich zwanglos auf „hart“. Man darf<br />
das Gedicht nicht schöner machen, als es ist. Spensers Gedicht ist kantig und eher<br />
unmelodisch. Es ist nicht eigentlich schön, und will es nicht sein. Es will etwas<br />
Ernstes sagen. Wenn man so an die Sache herangeht, gelingt es auch, die ersten<br />
beiden so sperrigen Quartette aus Edmund Spensers 26. Sonett zu übersetzen:<br />
Sweet is the Rose, but growes upon a brere;<br />
Sweet is the Junipere, but sharpe his bough;<br />
sweet is the Eglantine, but pricketh nere;<br />
sweet is the firbloome, but his braunches rough<br />
Sweet is the Cypresse, but his rynd is tough,<br />
sweet is the nut, but bitter is his pill;<br />
sweet is the broome-flowre, but yet sowre enough;<br />
and sweet is Moly,* but his root is ill.<br />
Schön ist die Rose, doch nie ohne Dorn,<br />
Schön der Wacholder, doch spitzig sein Ast;<br />
Schön auch der Rotdorn, doch weh, wer ihn faßt;<br />
Schön ist die Fichte, doch rauher als Horn;<br />
Schön die Zypresse, doch außen noch hart;<br />
Schön ist die Nuß, darin Bitteres wächst;<br />
Schön ist der Ginster, der leuchtend uns narrt,<br />
und schön ist auch Moly* – doch gründlich verhext.<br />
*Moly ist das mythische Kraut, mit dem sich Odysseus gegen die Künste der<br />
Kirke schützt.<br />
Prof. Dr. iur. Menno Aden, Essen<br />
Vorstandsmitglied im Verein <strong>Deutsche</strong> Sprache<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009<br />
GET READY 4 VOTE<br />
Zum Beitrag „Laßt euch nicht auffressen!“ von Thomas Paulwitz<br />
in DSW 35, Seite 1<br />
zu halten sei, kamen die folgenden<br />
Antworten: Kopfschütteln, „Blödsinn“,<br />
„Mist“, „Sch…“ (dreimal); also totales<br />
Unverständnis. Ein älteres Ehepaar und<br />
ein Mann meinten dann noch, naja, es<br />
habe keinen Zweck, sich aufzuregen,<br />
„die“ machten sowieso, was sie wollen.<br />
Als ich dann noch sagte, daß die Landeszentrale<br />
für politische Bildung vom<br />
Innenministerium aus unseren Steuergeldern<br />
finanziert wird, gab es durchgehende<br />
und einhellige Empörung. Meine<br />
Überzeugung: Wenn ein Blumenhändler<br />
seinen Laden auf eigene Kosten<br />
„Flower Shop“ nennt, so ist das seine<br />
Sache, er ist ein freier Bürger in einem<br />
freien Staat. Jeder blamiert sich so gut,<br />
wie er kann. Wenn jedoch eine staatliche<br />
Einrichtung die deutsche Sprache<br />
verleugnet und damit Zeug produziert,<br />
was nur ein Bruchteil der Bevölkerung<br />
versteht, im Gegenteil Leute zum Kopfschütteln<br />
bringt und zur Resignation,<br />
also das angestrebte Ergebnis kaum<br />
erreicht wird, so ist das Verschleudern<br />
von Geld, das der Gesellschaft gehört.<br />
Vielleicht kann man sogar behaupten,<br />
daß schließlich diese Spezialisten auf<br />
Dauer die demokratische Gesellschaft<br />
ruinieren.<br />
Johannes Hummel, Dresden<br />
Gegründet im Jahr 2000<br />
Erscheint viermal im Jahr<br />
Auflage: 25.000<br />
Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro.<br />
Für Nicht- und Geringverdiener ist der Bezug<br />
kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind sehr<br />
willkommen.<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Verein für Sprachpflege e. V.<br />
Stadt- und Kreissparkasse Erlangen<br />
Bankleitzahl 763 500 00<br />
Kontonummer 400 1957<br />
BIC: BYLADEM1ERH<br />
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Namentlich gekennzeichnete Artikel geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der<br />
Redaktion wieder. Das gilt besonders für<br />
Leserbriefe.<br />
Die 37. Ausgabe erscheint im Herbst<br />
2009. Redaktions- und Anzeigenschluß<br />
sind am 22. August 2009.
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009 Hintergrund<br />
Seite 3<br />
Von Arthur Brühlmeier<br />
Z<br />
ahlreiche Journalisten, Autoren,<br />
Gesetzgeber und Werbetexter<br />
haben sich angewöhnt, menschliche<br />
Funktionsträger stets doppelt zu erwähnen.<br />
Und so liest und – soweit es<br />
auszusprechen ist – hört man denn<br />
allenthalben von „Athleten und Athletinnen“,<br />
„EidgenossInnen“ und<br />
„Bürger/innen“. In diesen Sprachgebräuchen<br />
spiegelt sich einerseits die<br />
vorauseilende Haltung der Schreiber<br />
gegenüber dem Gleichstellungsanliegen<br />
der Frauen wider; andererseits<br />
aber wird dadurch so schwerwiegend<br />
in die Sprache eingegriffen, daß die<br />
Lektüre nicht bloß ermüdend wirkt,<br />
sondern das laute Lesen teilweise<br />
sogar unmöglich wird und der Inhalt<br />
kaum mehr verständlich ist. Ein Auszug<br />
aus einem Protokoll des Basler<br />
Gesundheitsdepartements möge dies<br />
belegen:<br />
„Bereits die mildeste und häufigste<br />
Form der Trennung einer ‚Rolle des<br />
Verantwortungstragens‘ (Arzt/Ärztin)<br />
von einer ‚Rolle des Sich-Anvertrauens<br />
und Sich-Unterordnens‘<br />
(Patient/in) reduziert die Eigenverantwortlichkeit,<br />
mit der der/die Patient/in<br />
Entscheidungen in bezug auf<br />
seine/ihre Gesundheit trifft. Damit<br />
wird der/die ‚beratende Arzt/Ärztin‘<br />
zum/zur ‚entscheidenden Arzt/<br />
Ärztin‘. In bestimmten Situationen<br />
haben Patient/in und Arzt/Ärztin<br />
natürlich keine andere Wahl (zum<br />
Beispiel bei einer Notfallbehandlung<br />
eines Bewusstlosen). Doch<br />
bereits die Entscheidung, ob ein<br />
vom Arzt/Ärztin empfohlener Wahleingriff<br />
durchgeführt werden soll,<br />
will der/die mündige Patient/in in<br />
Eigenverantwortlichkeit selbst treffen.<br />
Demgegenüber nimmt der/die<br />
unmündige Patient/in seine/ihre<br />
Eigenverantwortlichkeit nicht wahr,<br />
ohne dass er/sie durch zwingende<br />
Gründe daran gehindert würde.“<br />
Es ist kaum anzunehmen, daß jemand<br />
mit besonderer Freude solcherart<br />
geschriebene Bücher lesen möchte.<br />
Angesichts dieses Ergebnisses verwundert<br />
es denn auch nicht, wenn<br />
zunehmend auch Frauen die neuen<br />
Sprachgebräuche als lästig, ja sogar<br />
als lächerlich empfinden. Sie vermögen<br />
keinen echten Gewinn darin zu<br />
sehen, beim Lesen immer wieder bestätigt<br />
zu bekommen, daß dem Schreiber<br />
die Zweigeschlechtlichkeit des<br />
Menschen bewußt war. Meist macht<br />
sich die Verärgerung in sarkastischen<br />
Leserbriefen oder Glossen Luft. Dies<br />
ist aber der Tragweite des Problems<br />
nicht angemessen, weshalb hier eine<br />
sachliche, auf sprachwissenschaftlichen<br />
Überlegungen fußende Analyse<br />
vorgelegt werden soll.<br />
Der grundlegende sprachwissenschaftliche<br />
Irrtum<br />
Tatsächlich beruht die Forderung<br />
nach einer konsequenten Doppelnennung<br />
menschlicher Funktionsträger<br />
auf einem grundlegenden sprachwissenschaftlichen<br />
Irrtum. Die Fehlüberlegung<br />
besteht in der Gleichsetzung<br />
von biologischem Geschlecht<br />
und grammatischem Genus. Diese<br />
Gleichsetzung ist aber unstatthaft,<br />
denn es gibt ja drei Genera (Maskulinum,<br />
Femininum, Neutrum), aber<br />
bloß zwei Geschlechter. Auch wird<br />
allem Ungeschlechtlichen (der Ofen,<br />
die Wolke, das Faß) ein Genus beigeordnet,<br />
was wiederum zeigt, daß wir<br />
biologisches Geschlecht und grammatisches<br />
Genus keinesfalls gleichsetzen<br />
dürfen.<br />
Das Genus wird aber nicht bloß geschlechtlich<br />
oder ungeschlechtlich,<br />
sondern auch übergeschlechtlich verwendet:<br />
Der Mensch, der Gast, der<br />
Flüchtling – die Person, die Persön-<br />
Sprachfeminismus in der Sackgasse<br />
Die fortwährende Betonung des biologischen Geschlechts ist lästig und entbehrlich<br />
lichkeit, die Waise – das Kind, das<br />
Individuum, das Geschwister – sie<br />
alle können männlich oder weiblich<br />
sein. So sind besonders sämtliche<br />
Funktionsträger, die nahezu von allen<br />
Verben abgeleitet werden können<br />
und auf „-er“ enden, trotz des maskulinen<br />
Genus nicht biologisch männlich,<br />
sondern übergeschlechtlich zu<br />
verstehen. Ein Mensch, der liest, ist<br />
ein Leser, einer,<br />
der singt, ein<br />
Sänger und einer,<br />
der arbeitet,<br />
ein Arbeiter. Die<br />
Forderung nach<br />
k o n s e q u e n t e r<br />
Doppelnennung<br />
m e n s c h l i c h e r<br />
Funktionsträger<br />
wird gegenstandslos,<br />
wenn man die<br />
zusätzliche übergeschlechtliche<br />
Funktion aller<br />
drei Genera erkennt.<br />
Wenn<br />
somit heute einzelne<br />
Frauen<br />
behaupten, sie<br />
möchten bei der<br />
Erwähnung menschlicher Funktionsträger<br />
(Sänger, Bewohner) nicht<br />
„bloß mitgemeint“ sein, so ist entgegenzuhalten,<br />
daß auch die Männer<br />
„bloß mitgemeint“ sind. Für die<br />
Nichtübereinstimmung von Genus<br />
und Geschlecht ist „das Geschwister“<br />
ein besonders anschaulicher<br />
Fall: grammatisch ein Neutrum, vom<br />
Wortstamm her weiblich und in der<br />
Bedeutung übergeschlechtlich.<br />
Auf dem sprachwissenschaftlichen<br />
Fehlschluß beruht ein weiterer Irrtum:<br />
nämlich die angebliche Benachteiligung<br />
der Frauen durch die<br />
Sprache. Vielmehr bevorzugt das<br />
<strong>Deutsche</strong> das weibliche Geschlecht:<br />
Das meiste wirklich Männliche unterscheidet<br />
sich ja nicht von der<br />
übergeschlechtlichen Form. „Der<br />
Fußgänger“ kann Mann oder Frau<br />
sein, und wenn auf sein männliches<br />
Geschlecht Gewicht gelegt wird,<br />
muß dies zusätzlich ausgedrückt<br />
werden. Aber das wirklich Weibliche<br />
kennzeichnet die Sprache eindeutig:<br />
einerseits mit dem geschlechtsspezifisch<br />
gemeinten Wechsel des Artikels<br />
(„der“ zu „die“) und andererseits mit<br />
der kennzeichnenden Endung „-in“.<br />
Der Verlust des allgemeinen<br />
Menschen<br />
Die Folgen der neuen Sprachgebräuche<br />
sind schwerwiegend: Durch die<br />
gewohnheitsmäßige Doppelnennung<br />
menschlicher Funktionsträger (Bürgerinnen<br />
und Bürger, Schülerinnen<br />
und Schüler) geht nämlich die übergeschlechtliche<br />
Bedeutung des maskulinen<br />
Genus allmählich verloren,<br />
und dann wird alles Maskuline als<br />
wirklich männlich und alles Feminine<br />
als wirklich weiblich empfunden.<br />
Damit fällt zuerst einmal alles grammatisch<br />
Neutrale unter den Tisch,<br />
und das Kind, das Mädchen, das<br />
Weib und das Individuum, aber auch<br />
alle Diminutive (Verkleinerungswörter<br />
wie „das Knäblein“, „das tapfere<br />
Schneiderlein“ und so weiter) müssen<br />
sich als biologisch geschlechtslose<br />
Wesen empfinden.<br />
Darüber hinaus – und dies wiegt<br />
schwerer – führt diese Umdeutung<br />
des Übergeschlechtlichen in biologisch<br />
Geschlechtliches zum Verlust<br />
des wichtigsten Oberbegriffs der<br />
deutschen Sprache, nämlich des allgemeinen,<br />
nicht unter geschlechtlichem<br />
Blickwinkel betrachteten Menschen.<br />
Ehedem konnte man von Einwohnern,<br />
Wanderern, Musikliebhabern,<br />
Studenten, Fußgängern, Autofahrern,<br />
Christen, Experten, Anfängern,<br />
Ausländern und so fort sprechen,<br />
ohne vorentschieden zu haben, ob es<br />
sich dabei um Männer oder Frauen<br />
handelt, weil dies im jeweiligen Zusammenhang<br />
vollkommen unbedeutend<br />
war. Heute jedoch tritt mit der<br />
üblich gewordenen Doppelnennung<br />
die Betonung des Verbindenden, des<br />
Übergeordneten,<br />
der Funktion<br />
zurück<br />
und macht der<br />
Betonung der<br />
Geschlechtlichkeit<br />
irgendeines<br />
Funktionsträgers<br />
Platz.<br />
Damit wird der<br />
Sexismus nicht<br />
etwa aus der<br />
Sprache entfernt,<br />
sondern<br />
erst in diese<br />
e i n g e f ü h r t .<br />
Mit der Beseitigung<br />
jener<br />
sprachlichen<br />
Instrumente,<br />
Bild: Stockxpert<br />
die niemals sexistisch<br />
gemeint waren und stets der<br />
Darstellung des Allgemeinen, Übergeschlechtlichem<br />
dienten, nimmt<br />
man dem Menschen jene Oberbegriffe,<br />
die er benötigt, um sich genau<br />
über einen Sachverhalt zu äußern, in<br />
dem es nicht um das Nebeneinander<br />
oder die Summe von Männlichem<br />
und Weiblichem, sondern um das<br />
geschlechtlich nicht bedeutende allgemein<br />
Menschliche geht. Wer nun<br />
über den Menschen in seinen Funktionen<br />
und Rollen – unabhängig vom<br />
Geschlecht – zu schreiben hat, steht<br />
dadurch vor unnötigen und teils unüberwindbaren<br />
Schwierigkeiten: Er<br />
muß sich zum Ärger sprachlich empfindsamer<br />
Leser dauernd unnötig<br />
wiederholen und kann gewisse logisch<br />
erkannte Zusammenhänge gar<br />
nicht mehr sprachlich angemessen<br />
ausdrücken.<br />
Ermüdende Wiederholungen<br />
Die „Abschaffung des allgemeinen<br />
Menschen“ führt zu Folgen in der<br />
Sprachpraxis, welche die Urheber<br />
der hier kritisierten Sprachreform<br />
gewiß weder voraussahen noch beabsichtigten:<br />
Ausgesprochen lästig sind<br />
die ermüdenden Wiederholungen: In<br />
Lehrplänen kann man heute Dutzende,<br />
ja Hunderte von Malen lesen „Die<br />
Schülerinnen und Schüler sollen …“<br />
Eine gewisse Hilfe scheint dann das<br />
Wort „beziehungsweise“ zu sein, das<br />
aber – auch als Abkürzung – schwer<br />
lesbare Texte erzeugt. So lesen wir<br />
beispielsweise in einer Verordnung<br />
über das Fleischhygienerecht folgende<br />
Bestimmung:<br />
„Der Kantonstierarzt beziehungsweise<br />
die Kantonstierärztin und der<br />
leitende Tierarzt beziehungsweise<br />
die leitende Tierärztin können auch<br />
die Funktion eines Fleischinspektors<br />
beziehungsweise einer Fleischinspektorin<br />
ausüben, der Kantonstierarzt<br />
beziehungsweise die<br />
Kantonstierärztin, der leitende Tierarzt<br />
beziehungsweise die leitende<br />
Tierärztin und der Fleischinspektor<br />
beziehungsweise die Fleischinspektorin<br />
die eines Fleischkontrolleurs<br />
beziehungsweise die einer<br />
Fleischkontrolleurin.“<br />
Um diesen Ungeheuerlichkeiten aus<br />
dem Wege zu gehen, greifen einzelne<br />
Schreiber zur Klammer. So ist in einer<br />
kürzlich erschienenen Dissertation<br />
wörtlich zu lesen: „So wird ein(e)<br />
Lernende(r) zu einer(m) LernbegleiterIn<br />
und umgekehrt.“ Man lese die-<br />
sen Satz, der eher einer mathematischen<br />
Formel als einem sprachlichen<br />
Gebilde gleicht, doch einmal laut! Er<br />
mißachtet eine elementare sprachliche<br />
Forderung: daß Geschriebenes<br />
auch gesprochen werden kann. Sobald<br />
Eigenschaftswörter und abhängige<br />
Fürwörter verwendet werden,<br />
wird die Sprache außerordentlich<br />
umständlich:<br />
„Der interessierte Leser bzw. die<br />
interessierte Leserin kümmert sich<br />
immer auch um die Person des unbekannten<br />
Autors bzw. der unbekannten<br />
Autorin. – Wie künftig ein<br />
Deutschlehrer bzw. eine Deutschlehrerin<br />
mit den aufgeworfenen<br />
Problemen umgeht und ob dann<br />
auch sein/ihr Inspektor bzw. seine/<br />
ihre Inspektorin damit einverstanden<br />
ist, daß er seinen bzw. sie<br />
ihren Schülern und Schülerinnen<br />
so etwas beibringt, kann heute<br />
wohl noch keiner, der bzw. keine,<br />
welche die Abschaffung des nichtgeschlechtlich<br />
ins Auge gefaßten<br />
Menschen betreibt, voraussagen.“<br />
Eine weitere Schwierigkeit ergibt<br />
sich aus der Möglichkeit, Hauptwörter<br />
zusammenzusetzen: Geläufig ist<br />
bereits die „Lehrerinnen- und Lehrerzeitung“.<br />
Logischerweise werden<br />
wir künftig wohl bei der Fahrprüfung<br />
den „Führerinnen- und Führerausweis“<br />
erwerben und müssen dann<br />
aufpassen, niemanden auf einem<br />
„Fußgängerinnen- und Fußgängerstreifen“<br />
anzufahren. Kaum mehr<br />
lösbare Probleme ergeben sich bei<br />
Koppelung zweier Funktionen: Der<br />
Satz „Ein guter Lehrerberater sollte<br />
zuvor auch ein bewährter Schülerbetreuer<br />
gewesen sein“ lautet neu „Ein<br />
künftiger Lehrer- bzw. Lehrerinnenbetreuer<br />
bzw. eine künftige Lehrer-<br />
bzw. Lehrerinnenbetreuerin sollte<br />
zuvor auch ein guter Schüler- bzw.<br />
Schülerinnenberater bzw. auch eine<br />
gute Schüler- bzw. Schülerinnenberaterin<br />
gewesen sein.“<br />
Zu diesen ideologisch erzeugten<br />
Umständlichkeiten gesellt sich die<br />
Unmöglichkeit, gewisse Zusammenhänge<br />
logisch richtig auszudrücken.<br />
Der Verlust der Oberbegriffe verhindert<br />
grundsätzlich Aussagen, in denen<br />
Frauen und Männer als Einheit<br />
zusammengefaßt oder miteinander<br />
verglichen werden. Der Satz „Müllers<br />
sind Schweizer“ lautet nun: „Müllers<br />
sind Schweizer und Schweizerin“.<br />
Haben sie aber noch eine Tochter,<br />
heißt es dann „Müllers sind Schweizer<br />
und Schweizerinnen“.<br />
Hinzu kommt die Ächtung von übergeschlechtlichen,<br />
grammatisch maskulinen<br />
Vokabeln wie etwa „man,<br />
jeder, jedermann, niemand, jemand“.<br />
Ein Satz wie „Verletze niemanden in<br />
seinen Gefühlen“ lautet sprachfeministisch<br />
„Verletze keinenmann und<br />
keinefrau in seinen bzw. ihren Gefühlen“.<br />
Steht irgendwo „Jedermann<br />
ist eingeladen“ folgt umgehend die<br />
Frage: „Und die Frauen?“ Einfachste<br />
Wahrheiten wie „Liebe deinen Nächsten“<br />
werden zu sprachlichen Seifenblasen:<br />
„Liebe deinen Nächsten<br />
und deine Nächste“. Bedenklich ist<br />
aber auch die geistige Abkoppelung<br />
von allem, was vor 1990 geschrieben<br />
wurde. Hätte sich Goethe dem<br />
Sprachsexismus unterzogen, lautete<br />
der zweite Absatz des 7. Buches von<br />
„Dichtung und Wahrheit“:<br />
„In ruhigen Zeiten will jeder/jede<br />
nach seiner/ihrer Weise leben, der<br />
Bürger/die Bürgerin sein/ihr Gewerb,<br />
sein/ihr Geschäft treiben und<br />
sich nachher vergnügen; so mag<br />
auch der Schriftsteller/die Schriftstellerin<br />
gern etwas verfassen, seine/ihre<br />
Arbeiten bekanntmachen<br />
und, wo nicht Lohn, doch Lob dafür<br />
hoffen, weil er/sie glaubt, etwas Gutes<br />
und Nützliches getan zu haben.<br />
In dieser Ruhe wird der Bürger/die<br />
Bürgerin durch den Satiriker/die Satirikerin,<br />
der Autor/die Autorin durch<br />
den Kritiker/die Kritikerin und so die<br />
friedliche Gesellschaft in eine unangenehme<br />
Bewegung gesetzt.“<br />
Die bereits erwähnte und bedauerte<br />
Abschaffung des allgemeinen, nicht<br />
unter geschlechtlichem Blickwinkel<br />
betrachteten Menschen zeigt sich –<br />
zum Beispiel in pädagogischen Fachzeitschriften<br />
– auch noch in einer<br />
immer abstrakter werdenden Sprache,<br />
und zwar ganz einfach darum,<br />
weil natürlich auch die heutigen angepaßten<br />
Schreiber merken, daß die<br />
dauernden Wiederholungen mühsam<br />
zu lesen sind, und sie sich dann damit<br />
behelfen, menschliche Funktionsträger<br />
einfach nicht mehr zu erwähnen.<br />
So läßt sich etwa der einfache Satz<br />
„Die Lehrer sollten wieder vermehrt<br />
mit den Schülern üben“ umformen<br />
zur Aussage „Aufgabe der Schule ist<br />
es, durch gezielte Wiederholungen<br />
die Kulturtechniken wieder vermehrt<br />
zu festigen“. Ganz allgemein sind<br />
Lehrer heute „Lehrkräfte“, „Lehrpersonen“.<br />
Oder statt von Studenten und<br />
Sängern ist von „Studierenden“ und<br />
„Singenden“ die Rede, ohne alles<br />
Verständnis dafür, daß dies nicht dasselbe<br />
ist. Auf diese Weise bringen es<br />
heutzutage einschlägige Zeitschriften<br />
fertig, kaum mehr von den Menschen,<br />
die eigentlich im Zentrum stehen<br />
sollten, zu sprechen: von Schülern,<br />
Lehrern, Erziehern, Psychologen,<br />
Therapeuten, Beamten.<br />
Mut zur Umkehr<br />
Man kann es drehen und wenden,<br />
wie man will: Auf der Gewinnseite<br />
liegt lediglich die Genugtuung jener<br />
Männer und Frauen, denen die Doppelnennung<br />
menschlicher Funktionsträger<br />
ein Anliegen ist und die es<br />
offensichtlich verstanden haben, sich<br />
durchzusetzen. Die damit verbundene<br />
Komplizierung der Sprache und<br />
der Verlust an Sprachästhetik und<br />
logischen Ausdrucksmöglichkeiten<br />
schafft nicht eine einzige zusätzliche<br />
Information, dafür aber einen nicht<br />
geringen Ärger bei vielen Schreibern<br />
und Lesern. Es ist gewiß richtig<br />
und angezeigt, zum Beispiel auf<br />
Einladungen oder in Anreden beide<br />
Geschlechter anzusprechen, da man<br />
dann ja offensichtlich konkrete Menschen<br />
als Männer und Frauen vor sich<br />
sieht. In diesen Fällen sollte man sich<br />
denn auch die Mühe nehmen, beide<br />
Formen ganz auszuschreiben.<br />
Darüber hinaus sollten die Sprachfeministen<br />
jedoch den Mut aufbringen,<br />
in der Sackgasse, in die sie sich verrannt<br />
haben, wieder umzukehren. Die<br />
Sprache ist ein geistiger Organismus,<br />
in den man nicht derart gewaltsam<br />
eingreifen darf, daß wichtigste Ausdrucksmöglichkeiten<br />
verlorengehen<br />
und Umständlichkeit die Klarheit<br />
verdrängt. Es ist daher zu wünschen,<br />
daß alle feinfühligen Menschen ihren<br />
Sinn für sprachliche Ästhetik und<br />
auch für das natürlich Gewachsene<br />
beim Schreiben bewahren, auch<br />
wenn die derzeit gängige Ideologie<br />
anderes verlangt. Sprache darf nicht<br />
zur unaussprechbaren Schreibe verkommen.<br />
Wer immer durch sein politisches<br />
Amt oder seine berufliche Tätigkeit<br />
Einfluß auf die Entwicklung<br />
der deutschen Sprache haben oder<br />
nehmen kann, möge den Mut zur<br />
Umkehr aufbringen.<br />
Der Pädagoge und Psychologe Dr.<br />
Arthur Brühlmeier ist Schweizer und<br />
Pestalozzi-Kenner.<br />
www.bruehlmeier.info
Seite 4 Sprachpolitik<br />
Von Alexander Kissler<br />
J<br />
edes Volk habe die Regierung, die<br />
es verdient. So heißt es. Hat aber<br />
auch jede Zeit die Sprache, die sie verdient?<br />
Können wir an der Sprache ablesen,<br />
wie frei oder unfrei, wie demokratisch<br />
oder monarchisch, wie knechtend<br />
oder liberal eine Gegenwart ist? Für die<br />
meisten Epochen läßt sich der Beweis<br />
antreten, und für das beginnende 21.<br />
Jahrhundert verheißt er nichts Gutes.<br />
Denn das Deutsch der Kanzlerin ist das<br />
schlechteste Deutsch,<br />
das ein bundesrepublikanischer<br />
Kanzler<br />
je sprach.<br />
Heerscharen von Kabarettisten<br />
sind Merkel<br />
dankbar für ihre<br />
Lieblingsfloskel „Ich<br />
sage aber auch“. Ein<br />
Kontrast wird da inszeniert,<br />
ein Gegensatz<br />
vorgegaukelt, der<br />
nur an der Oberfläche<br />
besteht. Sowohl vor als<br />
auch nach der Scharnierfloskel<br />
ergeht sich<br />
die Kanzlerin in Platitüden,<br />
die eine persönliche<br />
Färbung gerade<br />
vermissen lassen. Das<br />
Einerseits-Andererseits<br />
ist ihr Metier, die<br />
Synthese, die immer schon geleistet ist,<br />
ohne daß die Positionen trennscharf erfaßt<br />
worden wären.<br />
Bei der Sicherheitskonferenz in München<br />
sagte sie einmal: Deutschland<br />
verdanke den USA viel, „ich sage aber<br />
auch, daß die deutsch-amerikanische<br />
Partnerschaft zu lange allein mit Dankbarkeit<br />
begründet wurde.“ Ende Januar<br />
verteidigte sie das Konjunkturpaket II<br />
Deutsch für Bundespräsidenten<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
ie Bundesversammlung wähl-<br />
D te Horst Köhler am 23. Mai<br />
wieder zum Bundespräsidenten.<br />
Köhler ist Schirmherr der „Initiative<br />
<strong>Deutsche</strong> Sprache“. Als ehemaliger<br />
Sparkassendirektor sieht er die<br />
Sprache jedoch offenbar eher vom<br />
bürokratischen Blickwinkel aus. Auf<br />
die Frage der „Bild am Sonntag“ im<br />
Dezember des vergangenen Jahres,<br />
ob es so bleiben könne, daß die EU-<br />
Bürokratie offizielle Dokumente auf<br />
deutsch immer noch verspätet oder<br />
gar nicht vorlegt, „obwohl wir den<br />
größten Beitrag zahlen“, antwortete<br />
Köhler: „Nein. Der deutschen Sprache<br />
als Amtssprache in multinationalen<br />
Einrichtungen sollte entsprechend<br />
der Bedeutung des Landes Rechnung<br />
getragen sein.“ Allerdings sprach sich<br />
Köhler im selben Atemzug gegen die<br />
Verankerung der deutschen Sprache<br />
im Grundgesetz aus: „Die deutsche<br />
Sprache ist etwas sehr Wichtiges für<br />
die Nation. Sie liegt uns allen am Herzen.<br />
Und doch sage ich: Manchmal<br />
liegt mehr Stärke im Unterlassen als<br />
im Handeln.“ Liegt tatsächlich Stärke<br />
darin, etwas zu unterlassen, was nach<br />
allen repräsentativen Umfragen rund<br />
70 Prozent der <strong>Deutsche</strong>n fordern?<br />
Deutlicher wurde Köhlers Mitbewerberin<br />
Gesine Schwan. Sie sieht in der<br />
Forderung, daß die deutsche Sprache<br />
Verfassungsrang erhalten müsse,<br />
„die Fortsetzung einer aversiven Politik<br />
gegen Einwanderer“. Und „ein<br />
Bild von Deutschland, in dem das<br />
<strong>Deutsche</strong> alleinverbindlich ist und<br />
alles andere sich in eine homogene<br />
Mehrheitsgesellschaft einpassen<br />
muß“, lehnt sie ab. Schwan will statt<br />
dessen die Mehrsprachigkeit fördern.<br />
Die bisherigen christdemokratischen<br />
Merkel:<br />
Es wimmelt<br />
von Anglizismen<br />
„In Bahnhöfen, im Internet und<br />
in Einkaufszentren wimmelt<br />
es von Anglizismen und Wortschöpfungen,<br />
die nicht nur<br />
älteren Menschen das Leben<br />
unnötig schwer machen. Deshalb<br />
sind die Anbieter gefordert,<br />
ihre Informationen klar,<br />
eindeutig, verständlich und in<br />
einer leserlichen Schriftgröße<br />
zu formulieren. Das sind eigentlich<br />
ganz einfache Dinge.<br />
Man wundert sich, warum unsere<br />
deutsche Sprache so selten<br />
benutzt wird, um einfache<br />
Sachverhalte darzustellen.“<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
am 12. Mai 2009 auf dem<br />
2. <strong>Deutsche</strong>n Verbrauchertag<br />
in Berlin<br />
„Ich sage aber auch …“<br />
Die Kanzlerin, die DDR und das Merkeldeutsch<br />
und den Plan einer Schuldenbremse:<br />
„Ich sage aber auch: Das ist dringend<br />
erforderlich und nur verantwortbar,<br />
wenn damit Tilgungsregelungen verbunden<br />
sind.“ Den Opelanern in Rüsselsheim<br />
rief sie Ende März zu, man<br />
brauche General Motors, „ich sage<br />
aber auch selbstbewußt:<br />
General Motors<br />
braucht auch Opel.“<br />
Ist das nicht eine pure<br />
Selbstverständlichkeit?<br />
Machen nicht<br />
immer mindestens<br />
zwei Partner eine Beziehung<br />
aus? Sollten<br />
nicht alle Schulden irgendwann<br />
einmal getilgt<br />
sein? Hat jemand<br />
wirklich behauptet,<br />
das Verhältnis von<br />
Deutschland und USA<br />
habe eine ausreichende<br />
Basis, wenn es allein<br />
auf Dankbarkeit<br />
beruhe?<br />
Die Merkelsche Meisterschaft<br />
im fortgeschrittenen<br />
Floskeltum zeitigt geradezu<br />
sinnwidrige Folgen, wenn sie auf<br />
historischem Feld agiert. Bei ihrer Videobotschaft<br />
Anfang Mai dieses Jahres<br />
wäre es schon plump genug gewesen,<br />
hätte sie nur der Neigung nachgegeben,<br />
Verben brachial zu substantivieren. Im<br />
Rückblick auf die gefälschten Kommunalwahlen<br />
in der DDR vom Mai 1989<br />
urteilte sie historisch korrekt, aber stilistisch<br />
ungenügend: „Das Bekannt-<br />
<strong>Sprachwelt</strong>-Mitarbeiter Wolfgang Hildebrandt sprach auf der diesjährigen<br />
Leipziger Buchmesse mit der Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine<br />
Schwan und mit Altbundespräsident Roman Herzog über die deutsche Sprache.<br />
Die DEUTSCHE SPRACHWELT nahmen sie gerne entgegen. Bilder: pau<br />
Bundespräsidenten spitzten weniger<br />
zu als die sozialdemokratischen,<br />
verkannten aber nicht die Bedeutung<br />
einer gepflegten Sprache, etwa Roman<br />
Herzog 1996 in der Paulskirche:<br />
„Genauen und reflektierten Umgang<br />
mit der Sprache zu lernen, heißt immer<br />
noch: genau denken zu lernen.<br />
Deswegen ist auch die behutsame<br />
Pflege der Sprache, die Vermeidung<br />
von überflüssigen und unsinnigen<br />
Neuprägungen, gerade in der Medien-<br />
und Wirtschaftswelt, von so großer<br />
Bedeutung.“<br />
Bei Äußerungen zur Rechtschreibreform,<br />
die nach Allensbach-Umfragen<br />
von zwei Dritteln der <strong>Deutsche</strong>n<br />
abgelehnt wird, war Herzog weniger<br />
mutig. Zwar sagte er einmal, die Reform<br />
sei „überflüssig wie ein Kropf“,<br />
ließ aber 1997 auf Nachfrage antworten:<br />
„Hier hatte er allerdings nicht<br />
nur gesagt, die Rechtschreibreform<br />
sei ‚überflüssig wie ein Kropf‘, sondern<br />
im gleichen Atemzug auch ausgeführt,<br />
er halte die Aufregung über<br />
die Rechtschreibreform für genauso<br />
überflüssig.“ Völlige Ahnungslo-<br />
werden und Sich-Herumsprechen des<br />
Wahlbetruges gab der Bürgerrechtsbewegung<br />
massiven Auftrieb.“<br />
Wie soll einem PISA-gebeutelten<br />
Schüler vermittelt werden, er müsse<br />
seinen schriftlichen wie mündlichen<br />
Ausdruck verbessern, wenn die erste<br />
Frau im Staate derart schlampig formuliert?<br />
Wenn Verben – abgesehen<br />
von „tun“ und „machen“ – zu Auslaufmodellen<br />
erklärt und primär mit Substantiven<br />
und Hilfsverben gearbeitet<br />
wird? Die falsche Moral kann doch nur<br />
lauten: Hauptsache, man versteht dich<br />
irgendwie. Daß Arbeit am Ausdruck<br />
immer Arbeit am Gedanken ist und<br />
wir deshalb in oft so gedankenlosen<br />
Zeiten leben, will der Kanzlerin nicht<br />
einleuchten.<br />
Schlimmer aber ist die historisch wie stilistisch<br />
falsche Rede von der „ehemaligen<br />
DDR“. Die „ehemalige DDR“ ist nichts<br />
anderes als der östliche Teil der heutigen<br />
Bundesrepublik. Solange die DDR noch<br />
existierte, kann sie nicht ehemalig gewesen<br />
sein. Deshalb ist es dreifach falsch,<br />
wenn Merkel im Video räsoniert: In Berlin-Hohenschönhausen<br />
„war in der ehemaligen<br />
DDR die Untersuchungshaftanstalt<br />
des Staatssicherheitsdienstes.“ Die<br />
Kommunalwahlen bedeuteten den ersten<br />
großen Erfolg der Bürgerrechtler „in der<br />
ehemaligen DDR“, ja seien geradezu<br />
„der Anfang vom Ende der ehemaligen<br />
DDR“ gewesen.<br />
Zwischen Dadaismus und hermetischer<br />
Lyrik schwanken diese Aussagen. Wie<br />
soll etwas Ehemaliges untergehen,<br />
sigkeit offenbarte 2006 ein Sprecher<br />
Horst Köhlers in einem Antwortbrief:<br />
„Es ist jetzt wichtig, daß<br />
nunmehr Sicherheit hinsichtlich der<br />
Rechtschreibregelungen herrscht.“<br />
Wer glaubt, daß die Schüler die reformierte<br />
Rechtschreibung sicher<br />
beherrschen, glaubt wahrscheinlich<br />
auch, daß die Rente sicher ist.<br />
Unsere Sprache hält unser Volk zusammen.<br />
Als Staatsoberhaupt trägt<br />
der Bundespräsident somit eine besondere<br />
Verantwortung gerade für<br />
die deutsche Sprache. Auch wenn er<br />
mit geringen Machtmitteln ausgestattet<br />
ist, kann er auf Fehlentwicklungen<br />
hinweisen und sich für die<br />
Landessprache einsetzen. Die Staatsoberhäupter<br />
sind zu großen Worten<br />
bereit, solange sie sich damit nicht<br />
ins politische Tagesgeschäft begeben,<br />
wie bei der Frage der Rechtschreibreform.<br />
Für uns bedeutet das,<br />
daß wir in einem sprachbewußten<br />
Bundespräsidenten zwar keinen Mitstreiter<br />
haben, der mit uns auf die<br />
Barrikaden geht, aber einen moralischen<br />
Rückhalt.<br />
etwas Totes also sterben? Wie sollen<br />
Bürgerrechtler gegen einen Staat protestieren,<br />
der zum Zeitpunkt des Protestes<br />
bereits nicht mehr bestand? Und<br />
gab es tatsächlich in der „ehemaligen<br />
DDR“, also doch wohl in der Bundesrepublik<br />
Deutschland, einen „Staatssicherheitsdienst“?<br />
Absurd sind diese Fragen, weil die<br />
Merkelschen Formulierungen absurd<br />
sind. Vermutlich werden Sätze so geformt,<br />
wenn man zur Sprache ein rein<br />
technisches Verhältnis hat. Das offensichtlich<br />
Widersinnige möge der<br />
Zuhörer abziehen, um zum Kern des<br />
Gemeinten vorzudringen: Mit dieser<br />
Anmutung treten die Sätze in eine Öffentlichkeit,<br />
der man jenes Sprachgefühl<br />
nicht mehr zutraut, das nötig ist,<br />
um die Fehler zu erkennen und stillschweigend<br />
zu beheben.<br />
Daß Merkel unter den führenden deutschen<br />
Politikern kein Einzelfall ist,<br />
macht die Sache nicht besser. Laut<br />
dem Werbetexter Reinhard Siemes<br />
bestehen fünfzig Prozent der heutigen<br />
Politikerreden aus „verbaler Spachtelmasse.“<br />
Ich sage aber auch: Das ist erst<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009<br />
Der Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat<br />
Frank-Walter Steinmeier<br />
freut sich über die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT, während ihm sein<br />
Leibwächter mißtrauisch über die<br />
Schulter blickt. Die DSW sprach mit<br />
Steinmeier am 12. März auf der Leipziger<br />
Buchmesse. Bild: pau<br />
der Anfang. Erst wenn der letzte Sinn<br />
zusammengestaucht worden ist auf<br />
SMS-Länge, werden die Abwracker<br />
der Sprache Ruhe geben.<br />
Aus dem Netz-Tagebuch „Frisch am<br />
Stück“ des Kulturjournalisten Alexander<br />
Kissler, siehe www.alexanderkissler.de.<br />
Im Juli erscheint vom Autor<br />
im Gütersloher Verlagshaus das<br />
Sachbuch „Dummgeglotzt. Wie das<br />
Fernsehen uns verblödet.“<br />
„Wie gruselig ist<br />
dieses Europa“<br />
Köthen spricht über die deutsche Sprache in der EU<br />
A<br />
uf dem 3. Köthener Sprachtag<br />
hat sich der sachsen-anhaltische<br />
Europaminister Rainer Robra<br />
am 20. Juni dieses Jahres für eine stärkere<br />
Berücksichtigung der deutschen<br />
Sprache innerhalb der Europäischen<br />
Union (EU) ausgesprochen: „Die<br />
Förderung der deutschen Sprache ist<br />
ein zentraler Baustein, um in der Europäischen<br />
Union mehr Bürgernähe<br />
zu schaffen, um die Akzeptanz der<br />
EU zu erhöhen und Wettbewerbsnachteile<br />
für die deutsche Wirtschaft<br />
zu beseitigen.“ Unternehmen dürften<br />
nicht benachteiligt werden, weil Ausschreibungen<br />
nicht in ihrer Sprache<br />
vorlägen. Auch für Bürger sei grundlegende<br />
Voraussetzung einer aktiven<br />
Teilnahme am europäischen Leben,<br />
daß Informationen in ihrer Sprache<br />
zur Verfügung stünden, betonte<br />
Robra.<br />
Der Europaminister verwies darauf,<br />
daß die europäischen Institutionen in<br />
den vergangenen Jahren die deutsche<br />
Sprache immer weniger verwendeten.<br />
Weit über 90 Millionen Bürger<br />
in der EU hätten Deutsch als Muttersprache.<br />
Das werde bislang jedoch<br />
zu wenig geachtet. Sachsen-Anhalt<br />
habe deshalb gemeinsam mit fünf<br />
weiteren Bundesländern eine Erklärung<br />
von 18 europäischen Regionen<br />
und vierzig Abgeordneten des Europaparlaments<br />
unterzeichnet, in der<br />
eine stärkere Verwendung der deutschen<br />
Sprache innerhalb der europäischen<br />
Institutionen gefordert wird.<br />
In einer Zeit, in der Mitteilungen oft<br />
auf SMS-Format verknappt würden,<br />
sei Sprachpflege auch im eigenen<br />
Land unabdingbar. „Ein sicherer<br />
Umgang mit der Muttersprache ist<br />
die Voraussetzung dafür, sich eine<br />
umfassende Bildung anzueignen.“<br />
Der Europaminister würdigte die<br />
Bemühungen der Neuen Fruchtbringenden<br />
Gesellschaft um die Pflege<br />
der deutschen Sprache. Die 2007 gegründete<br />
Gesellschaft lädt jedes Jahr<br />
Sprachfreunde und Sprachvereine<br />
zum Köthener Sprachtag ein.<br />
Bereits das Köthener Gespräch<br />
am 15. Mai dieses Jahres hatte die<br />
Sprachenvielfalt in der EU zum Gegenstand.<br />
Anwesend waren Werner<br />
Grünewald, der Referatsleiter der<br />
deutschen Übersetzungsabteilung in<br />
der EU-Kommission, die Europaabgeordneten<br />
Horst Schnellhardt (CDU)<br />
und Ulrich Stockmann (SPD), Jochen<br />
Dreetz als Bewerber der Grünen und<br />
Johann-Michael Möller, Hörfunkdirektor<br />
des Mitteldeutschen Rundfunks.<br />
Die Gesprächsleitung hatte<br />
Dietrich Voslamber übernommen, ein<br />
pensionierter Beamter der EU-Kommission<br />
und einer der besten Kenner<br />
der europäischen Sprachenfrage.<br />
Die Abgeordneten zeigten sich einerseits<br />
sehr zufrieden. „Wir haben das<br />
Glück, daß alles übersetzt wird“, sagte<br />
Stockmann. Andererseits sprächen die<br />
Abgeordneten untereinander Englisch.<br />
Schnellhardt berichtete, es gelinge nicht<br />
einmal, die Hinweisschilder im Parlament<br />
mehrsprachig zu beschriften.<br />
Dreetz erklärte, man müsse sich irgendwann<br />
auf eine EU-Amtssprache einigen,<br />
seinetwegen könne man auch würfeln,<br />
ob es Englisch, Russisch oder Türkisch<br />
werde. Grünewald hingegen war darauf<br />
bedacht, die Schwierigkeiten herunterzuspielen.<br />
Zwar gab er zu, daß 85 Prozent<br />
aller Rechtstexte auf „eine Art“ Englisch<br />
vorgelegt würden. Er sei aber mit der<br />
jetzigen Regelung sehr zufrieden und<br />
müsse im übrigen als EU-Beamter die<br />
Meinung seines Chefs vertreten.<br />
Die besten Worte fand Johann-Michael<br />
Möller: „Wie gruselig ist doch<br />
dieses Europa, das würfelt, zählt und<br />
abstrakte Verordnungen erläßt. Wenn<br />
ich mir meine Sprache nehmen lasse,<br />
dann lasse ich mir meine Geschichte<br />
nehmen. Wenn wir unseren Komplex<br />
nicht überwinden, wird unsere<br />
Sprache bald aussterben. Wir müssen<br />
versuchen, diesem Europa wieder ein<br />
menschliches Gesicht zu geben. Wir<br />
brauchen eine Idee dieses Kontinents,<br />
wie sie unsere Vorfahren bereits hatten,<br />
ohne Kommissionen.“ (dsw)
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009 Leserdienst<br />
Seite 5<br />
U<br />
Sommer 2009<br />
Frühling 2009<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz:<br />
Laßt euch nicht auffressen! Wahlen<br />
2009 / Rudolf Wachter: Wo bleibt die<br />
<strong>Deutsche</strong> Orthographische Konferenz?<br />
/ Thomas Paulwitz: SALE? Nicht mit<br />
uns! / Gesucht: Die besten deutschen<br />
Werbesprüche / Geert Teunis: Vortrag<br />
vor der Hauptversammlung der Siemens<br />
AG / Einzigartiges Eurofon / Werner<br />
Pfannhauser: Werden unsere Universitäten<br />
englisch? / Sprachenvielfalt vor<br />
der Rettung? Fragen an Klaus Däßler<br />
/ Buchbesprechungen / Thomas Paulwitz:<br />
Goethe ungeschminkt / Oliver<br />
Höher: Schwer zu übersetzende Sprache<br />
/ Sprachwahrer 2008: Mahnung<br />
an die <strong>Deutsche</strong> Welle / Sprachsünder-<br />
Ecke: Apothekerverbände / Günter<br />
Körner: Georg Philipp Harsdörffer /<br />
Diethold Tietz: Fremdwörter in der<br />
Presse / Klemens Weilandt: Scheinbares<br />
Denken / Wolfgang Hildebrandt:<br />
Bad Bank – Kurort oder Schrottplatz?<br />
(Anglizismenmuffel)<br />
Winter 2008/09<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Kein<br />
Europa ohne Deutsch / Wolfgang Reinhart:<br />
Stärkt Deutsch in Europa! / Karin<br />
Pfeiffer: Wie Kinder heute das Schreiben<br />
lernen müssen / Thomas Paulwitz: Zum<br />
gegenwärtigen Stand der Rechtschreibreform<br />
/ Hermann H. Dieter: Was Sprachbilder<br />
vermögen (Teil 2) / Gespräch mit<br />
Richard G. Kerschhofer, dem Verfasser<br />
eines angeblichen Tucholsky-Gedichts /<br />
Buchbesprechungen / Beiträge der Schülerinnen<br />
Diana V. Behr, Undine Schenke<br />
und Anna-Maria Weigelt aus dem<br />
Schreibwettbewerb „Schöne deutsche<br />
Sprache“ 2008 / Sprachsünder-Ecke:<br />
<strong>Deutsche</strong> Welle / Thomas Paulwitz:<br />
Kommt Deutsch ins Grundgesetz? / Ausstellungen<br />
zur deutschen Sprache / Angelika<br />
Davey: Über den Abbau des Fremdsprachenunterrichts<br />
in England / Klemens<br />
Weilandt: Ein genialer Ski / Altweibersommer<br />
frauenfeindlich? / Wolfgang<br />
Hildebrandt: Swinging Christmas auf<br />
der Wartburg (Anglizismenmuffel)<br />
Herbst 2008<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Eine<br />
Leitkultur zerfällt / Josef Kraus: Wider<br />
die Selbstvergessenheit einer Sprachnation<br />
(Rede zur deutschen Sprache) / Hermann<br />
H. Dieter: Was Sprachbilder vermögen<br />
(Teil 1) / Ferdinand Urbanek:<br />
Sportler-Deutsch: Das gesprochene Wort<br />
(Teil 2) / Thomas Paulwitz: Sinkt Sicks<br />
Stern? / Wolfgang Hildebrandt: Einspruch,<br />
Herr Sick! / Heinz Böhme: Happy<br />
oder Aua? / Albrecht Balzer: Rettet<br />
die Fälle, bevor sie uns davonschwimmen<br />
/ Hartmut Koschyk: Deutsch gehört ins<br />
Grundgesetz! / Georg Ochsner: Wird<br />
es bald Netzanschriften mit „ß“ geben?<br />
/ Sprachsünder-Ecke: „Hall of Fame des<br />
deutschen Sports“ / Astrid Vockert:<br />
Freude an der Muttersprache wecken<br />
/ Dieter Althaus: Verteidigen wir die<br />
deutsche Sprache! / Petra Wust: Bitterfeld-Wolfen<br />
kämpft gegen englische<br />
Straßennamen / Klemens Weilandt: Der<br />
Nachruf – eine üble Nachrede? / Heinz-<br />
Peter Haustein: Deutsch nicht in die<br />
Mottenkiste / Wolfgang Hildebrandt:<br />
Sprachbankrott (Anglizismenmuffel)<br />
Sommer 2008<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Ein<br />
Haus für die deutsche Sprache / Jürgen<br />
Trabant: Globalesisch ist ein Sprachenkiller<br />
/ Rominte van Thiel: Die<br />
große Büchervernichtung / Dagmar<br />
Rosenstock: Zur Geschichte des Wortes<br />
„deutsch“ (Teil 3) / Hartmut Heuermann:<br />
Zehn Thesen zu Sprachkultur<br />
und Sprachverfall / Ferdinand Urbanek:<br />
Sportler-Deutsch: Das geschriebene<br />
Wort (Teil 1) / Thomas Paulwitz: Gebt<br />
der deutschen Sprache eine Zukunft!<br />
Stellungnahmen im „Lesesaal“ der<br />
F.A.Z. / Oliver Höher bespricht Jutta<br />
Limbachs „Hat Deutsch eine Zukunft?“<br />
/ Rominte van Thiel bespricht Eike<br />
Christian Hirschs „Deutsch kommt<br />
gut“ / Heinz Böhme: Immer noch mit<br />
der gleichen Frau verheiratet? / Hellmut<br />
Seiler: Sprachschmuddelei / Sprachsünder<br />
BASF antwortet auf Kritik / Sprachsünder-Ecke:<br />
Peterstaler Mineralquellen<br />
(„Black forest“) / Diethold Tietz: Zehn<br />
Jahre Sprachrettungsklub Bautzen/<br />
Oberlausitz e. V. / Urkundenübergabe<br />
an Initiative „Sprachlicher Verbraucherschutz“<br />
/ Wolfgang Hildebrandt: Waterboarding<br />
(Anglizismenmuffel)<br />
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Die zehn sprachpolitischen Forderungen<br />
1. Deutsch muß im öffentlichen Raum die vorrangige Sprache sein.<br />
2. Die Unterrichtssprache in Schulen und Hochschulen ist Deutsch.<br />
Deutsch muß nationale Wissenschaftssprache sein.<br />
3. Die deutsche Rechtschreibung muß einheitlich geregelt sein.<br />
4. Deutsch muß in der Europäischen Union Arbeits- und Veröffentlichungssprache<br />
sein.<br />
5. Die deutschen Mundarten und die deutsche Schrift sind besonders<br />
zu schützen.<br />
6. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Voraussetzung für<br />
Einbürgerung und langfristigen Aufenthalt.<br />
7. Bildung und Familie müssen gefördert werden, um die deutsche<br />
Sprache zu stärken.<br />
8. Die deutsche Sprache muß auch im Ausland gefördert werden.<br />
9. Die deutsche Sprache ist vor politischem Mißbrauch zu schützen.<br />
10. Ein neuer <strong>Deutsche</strong>r Sprachrat betreut die Erfüllung dieser<br />
Forderungen.<br />
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oder noch besser elektronisch über<br />
bestellung@deutsche-sprachwelt.de.
Seite 6 Bildung<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009<br />
Einfach zweisprachig oder doppelt halbsprachig?<br />
Ist 1+1=2? Möglichkeiten und Grenzen mehrsprachiger Erziehung<br />
Von Irmela van Thiel<br />
D<br />
as Aufwachsen eines Kindes<br />
mit mehreren Sprachen ist<br />
die eine Sache – Mehrsprachigkeit<br />
in Verbindung mit einer Sprachentwicklungsstörung<br />
die andere. Durch<br />
die zunehmende Ein- und Auswanderung<br />
gibt es zahlreiche Kinder, die<br />
als Fremdsprachler in Deutschland<br />
aufwachsen oder Eltern mit verschiedenen<br />
Muttersprachen haben.<br />
Für die mehrsprachige Erziehung eines<br />
Kindes innerhalb der Familie ist<br />
bedeutsam, daß das Kind von Geburt<br />
an beide Sprachen dargeboten bekommt.<br />
Dabei spielt Sprachtrennung<br />
eine Rolle. Das bedeutet, daß jeder<br />
Elternteil in seiner eigenen Muttersprache<br />
bleibt, wenn er mit dem<br />
Kind spricht. Zusätzlich muß es in<br />
einer solchen Familie eine sogenannte<br />
Tischsprache geben. Hier müssen<br />
sich die Eltern entscheiden, welcher<br />
Elternteil besser die Sprache des anderen<br />
sprechen kann, so daß diese<br />
während der gemeinsamen Familienzeiten<br />
gesprochen wird.<br />
Es zeigt sich immer wieder, wie<br />
wichtig eine solch klare Sprachtrennung<br />
ist, damit das Kind die Systeme<br />
beider Sprachen zu unterscheiden<br />
lernt. Kleinere Kinder neigen noch<br />
zu Sprachmischungen, während<br />
Kinder ab dem 8. Lebensjahr meist<br />
sehr schnell zwischen den Sprachen<br />
wechseln können. Beim Spracherwerb<br />
auftretende Sprachmischungen<br />
sind in der Regel unbedenklich, außer<br />
wenn der Wortschatz der einen Sprache<br />
mit der Grammatik der anderen<br />
gebraucht wird (Interferenzen).<br />
Wenn die Eltern untereinander die<br />
gleiche Sprache sprechen, aber in einem<br />
anderen Land leben, ist die Pflege<br />
der Muttersprache das entscheidende<br />
Kriterium für eine ausreichende<br />
Sprachentwicklung des Kindes.<br />
Wächst beispielsweise das Kind einer<br />
Familie, die aus Griechenland<br />
stammt, in Deutschland auf, so sollten<br />
die Eltern bei der Erziehung des Kindes<br />
in ihrer Muttersprache bleiben.<br />
Säuglinge können bereits die Muttersprache<br />
von einer anderen Sprache<br />
unterscheiden und reagieren bevor-<br />
zugt auf sie, wie auch auf die Stimme<br />
der Mutter. Während in der ersten<br />
Lebenszeit alle Säuglinge der Welt<br />
ähnliche Laute äußern, ahmen sie bereits<br />
ab dem sechsten Lebensmonat<br />
Laute und Satzmelodie der Muttersprache<br />
nach und verstehen mit neun<br />
bis zehn Monaten Wörter und erste<br />
Sätze. Dies zeigt zum einen, wie entscheidend<br />
bereits das erste Lebensjahr<br />
die Entwicklung der Muttersprache<br />
prägt. Zum anderen läßt es auch<br />
verstehen, warum es nicht gelingen<br />
kann, wenn die Eltern (!) dem Kind<br />
später plötzlich durchgehend eine<br />
andere Sprache als die eigene(n)<br />
Muttersprache(n) anbieten.<br />
Gefahr der doppelten<br />
Halbsprachigkeit<br />
Dem Kind genügen bei einer regulär<br />
verlaufenden Sprachentwicklung wenige<br />
Monate in einem deutschen Kindergarten,<br />
um die deutsche Sprachentwicklung<br />
anzustoßen. Sprechen<br />
die Eltern jedoch mit ihren Kindern<br />
gebrochenes Deutsch statt der eigenen<br />
Muttersprache, so entsteht die<br />
Gefahr der doppelten Halbsprachigkeit.<br />
Das Kind lernt dann womöglich<br />
das System der Muttersprache nicht<br />
und kann auch nicht darauf aufbauend<br />
eine zweite Sprache erlernen,<br />
also zum Beispiel das <strong>Deutsche</strong> der<br />
Alltagsumgebung. Dieses Phänomen<br />
können wir leider bei vielen jungen<br />
Erwachsenen beobachten, die bereits<br />
in zweiter Generation in Deutschland<br />
leben. Denn hier haben die Eltern oft<br />
nicht mehr ausreichende Kenntnisse<br />
in der eigenen Muttersprache, so daß<br />
zuweilen die gesamte Familie in einer<br />
doppelten Halbsprachigkeit lebt.<br />
Erlernt das Kind in den ersten drei<br />
Lebensjahren zum Beispiel Griechisch<br />
als Muttersprache und kommt<br />
dann in den deutschen Kindergarten,<br />
so wird die deutsche Sprachentwicklung<br />
angestoßen. Trotzdem können<br />
auch jetzt psychische Probleme für<br />
das Kind auftreten, wenn es zunächst<br />
in der neuen Umgebung kein Wort<br />
versteht. Deshalb können Eltern<br />
hier durchaus vorsorgen, ohne daß<br />
sie selbst versuchen, mit dem Kind<br />
durchgehend eine fremde Sprache<br />
Grundschulenglisch gescheitert<br />
„Englisch wird die Arbeitssprache … Deswegen haben<br />
wir in Baden-Württemberg, ab der Grundschule,<br />
1. Klasse, Englisch eingeführt.“ (Günther Oettinger)<br />
E<br />
nglischunterricht ab der 1. oder 3. Klasse gibt es mittlerweile in allen<br />
deutschen Bundesländern. Unter dem Eindruck des PISA-Schocks<br />
hatten die Kultusminister das durchgesetzt, sehr schnell und ohne viel<br />
nachzudenken. Denn Schüler ohne Grundschulenglisch holen den vermeintlichen<br />
Rückstand in der fünften Klasse binnen eines halben Jahres<br />
auf. Das ergaben psycholinguistische Studien des Sprachwissenschaftlers<br />
Manfred Pienemann von der Universität Paderborn. Heiner Böttger,<br />
Professor für Englischdidaktik an der Katholischen Universität Eichstätt,<br />
forschte im Sommer 2008 an bayerischen Realschulen und Gymnasien.<br />
Dabei fand er heraus, daß 95 Prozent der befragten Englischlehrer am<br />
Ende der 5. Klasse keinen signifikanten Leistungsunterschied erkennen<br />
können zwischen Schülern, die Grundschulenglisch hatten, und Schülern,<br />
die kein Grundschulenglisch hatten. Zwei Drittel der Lehrer halten den<br />
Englischunterricht vor der 5. Klasse für überflüssig. Untersuchungen in<br />
der Schweiz zeigten, daß der frühere Beginn des Fremdsprachenunterrichts<br />
keineswegs für einen größeren Erfolg bürgt, da sich ältere Schüler Sprachen<br />
effizienter aneignen. Professor Rudolf Wachter von der Universität<br />
Basel nannte das frühe Fremdsprachenlernen nach dem Grundsatz „Versuch<br />
und Irrtum“ „reine Zeitverschwendung“. Wolfgang Klein, Direktor<br />
des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nimwegen, urteilt: „Der<br />
Effekt des Grundschulenglischs ist gleich null.“ Englischunterricht in der<br />
Grundschule geht nur auf Kosten des muttersprachlichen Unterrichts. Die<br />
Muttersprache ist jedoch die Bildungsgrundlage für alles andere. (pau)<br />
zu sprechen. Sprachinseln wie eine<br />
deutsche Spielgruppe oder Freundschaften<br />
mit deutschen Nachbarskindern<br />
können in diesem Fall helfen,<br />
das deutsche Sprachverständnis<br />
bereits vor dem Kindergarten anzubahnen.<br />
Hier spielt auch eine Rolle,<br />
daß das Kind lernen muß, daß unterschiedliche<br />
Lebensräume (Familie,<br />
Kindergarten, Freunde) verschiedene<br />
Sprachen erfordern (funktionale<br />
Sprachtrennung).<br />
Unterschieden wird zwischen simultanem<br />
(natürlichem) und sukzessivem<br />
(kulturellem) Bilingualismus<br />
(Zweisprachigkeit). Simultaner<br />
Spracherwerb bedeutet, daß jeder<br />
Elternteil eine andere Sprache (seine<br />
Muttersprache!) spricht und das<br />
Kind so mit zwei Sprachen von Geburt<br />
an aufwächst. Dies erfordert den<br />
Grundsatz „eine Person – eine Sprache“,<br />
sowie ein hohes Sprachangebot<br />
in beiden Sprachen. Der sukzessive<br />
Erwerb zweier Sprachen bedeutet,<br />
daß das Kind mit dem Eintritt in den<br />
Kindergarten eine zweite Sprache,<br />
also die Umgebungssprache erlernt.<br />
Bespaßung mit Englisch<br />
gelingt nicht<br />
Künstlich Mehrsprachigkeit zu erzeugen,<br />
indem ein Kind mit deutschen<br />
Eltern, das in Deutschland aufwächst,<br />
bereits im Kindergarten oder<br />
im Kleinkindalter mit einer Stunde<br />
Englisch pro Woche bespaßt wird,<br />
gelingt nicht. Das Kind wird Englisch<br />
immer als eine Fremdsprache<br />
empfinden. Einem sich völlig regulär<br />
entwickelnden Kind wird diese Englischstunde<br />
freilich auch nichts anhaben,<br />
denn der Spracherwerb ist da<br />
sehr unempfindlich. Das Kind wird<br />
möglicherweise seinen Spaß daran<br />
haben, aber sicherlich nicht Englisch<br />
als zweite „Mutter“sprache empfinden.<br />
Fängt nun aber die deutsche<br />
Mutter auf einmal an, Englisch mit<br />
dem Kind zu sprechen, dann leuchtet<br />
ein, daß dem Kind die Grundlage zur<br />
Ausbildung von Regeln und Strukturen<br />
in der eigentlichen Muttersprache<br />
entzogen wird. Dies wäre eine<br />
Rahmenbedingung, die zu Sprachentwicklungsproblemen<br />
führen kann.<br />
Unsinnig ist auch, wenn die Erzieherin<br />
in der Krippe unter der Woche<br />
die Hauptbezugsperson ist und nun<br />
plötzlich Englisch (ohne daß es ihre<br />
Muttersprache ist!) mit dem Kind,<br />
das als deutsches in Deutschland<br />
lebt, spricht.<br />
Problematisch wird es, wenn Mehrsprachigkeit<br />
und Sprachentwicklungsstörung<br />
zusammentreffen. Hier<br />
stellt sich die Frage, ob Mehrspra-<br />
Bild: Stockxpert<br />
chigkeit ein Auslöser und Verstärker<br />
von Sprachstörungen sein kann. Die<br />
Ursache der Sprachentwicklungsstörung<br />
kann nicht genau auf einen<br />
Faktor eingegrenzt werden. Es können<br />
biologische oder genetische Ursachen<br />
eine Rolle spielen, aber auch<br />
zum Beispiel das Sprachverhalten<br />
der Eltern. Ist ein Kind nun in seiner<br />
Sprachentwicklung gefährdet –<br />
sieben bis zehn Prozent der Kinder<br />
sind davon betroffen –, ist auch eine<br />
Überprüfung des elterlichen Sprechens<br />
wichtig: Liegt Sprachtrennung<br />
vor? Sind die elterlichen Äußerungen<br />
dem Altersniveau des Kindes angepaßt?<br />
Wird modellierende Sprache<br />
eingesetzt? (Das heißt, die Äußerungen<br />
des Kindes werden aufgegriffen<br />
und dann ausmodelliert noch einmal<br />
zurück gegeben: „Auto da“ – „Ja, genau,<br />
da fährt ein Auto“.)<br />
Mehrsprachigkeit kann zu sprachlichen<br />
Entwicklungsstörungen führen,<br />
wenn von innen her kommende,<br />
„intrinsische Faktoren“ (Gesamtentwicklung,<br />
genetische Faktoren, Hörentwicklung)<br />
oder von außen her<br />
kommende, „extrinsische Faktoren“<br />
(Sprachvorbild, Menge an sprachlichem<br />
Angebot, Sprachlehrstrategien,<br />
Sprachtrennung) problematisch sind<br />
oder unzureichend zueinander passen.<br />
Sprachstörungen bei<br />
Einwandererkindern<br />
Untersuchungen zeigen, daß besonders<br />
Einwandererkinder von<br />
Sprachstörungen betroffen sind.<br />
Untersucht wurden beispielsweise<br />
1.014 deutschsprachige Kinder und<br />
347 nicht-deutschsprachige Kinder.<br />
9,7 Prozent der deutschen Kinder<br />
waren bezüglich der Sprachentwicklung<br />
auffällig, ein Prozentsatz, der<br />
sich ähnlich auch in anderen internationalen<br />
Studien mit einsprachigen<br />
Kindern zeigt. Bei den nichtdeutschsprachigen<br />
Kindern hatten<br />
34,5 Prozent massive Störungen.<br />
Zusammengefaßt zeigen Untersuchungen<br />
aber sowohl eine positive<br />
als auch eine negative Auswirkung<br />
mehrsprachiger Erziehung. Man<br />
spricht von „additivem versus subtraktiven<br />
Bilingualismus“, also von<br />
einer stärkenden gegenüber einer<br />
schwächenden Zweisprachigkeit. So<br />
zeigten Studien über die Entwicklung<br />
von Mutter- und Zweitsprache<br />
einerseits, daß mehrsprachig erzogene<br />
Kinder im Vergleich zu einsprachigen<br />
Kindern höhere Werte im<br />
Bereich der Intelligenz, der Schulleistungen<br />
und der emotionalen Entwicklung<br />
erreichten (additiver Bilingualismus).<br />
Genauso gab es aber<br />
auch Kinder, bei denen genau das<br />
Gegenteil eintrat (subtraktiver Bilingualismus).<br />
Die Schlußfolgerung ist,<br />
daß es keine zu verallgemeinernde<br />
positive oder negative Auswirkung<br />
von Mehrsprachigkeit gibt, sondern<br />
daß im Kind liegende (intrinsische)<br />
Faktoren sowie die Rahmenbedingungen<br />
(extrinsische Faktoren) eine<br />
entscheidende Rolle spielen.<br />
Die entscheidende veränderliche<br />
Größe bei mehrsprachiger Erziehung<br />
ist wohl das Niveau, das ein Kind<br />
in beiden Sprachen erreicht und das<br />
über die weitere Entwicklung von<br />
Gefühl und Verstand entscheidet.<br />
Eine erste Kompetenzstufe muß das<br />
Kind erreichen, damit kein negativer<br />
(„subtraktiver“) Bilingualismus entsteht,<br />
eine weitere, damit die positiven<br />
(„additiven“) Wirkungen eintreten<br />
können. Es bildet sich dann eine<br />
Sprachfähigkeit, die für die gesamte<br />
Entwicklung des Kindes zuträglich<br />
ist (Intelligenz, geistige Gewandtheit,<br />
Kreativität, Sozialverhalten). Dieser<br />
„additive Bilingualismus“ betrifft<br />
meist Kinder der Mehrheitsgesellschaft<br />
mit gut ausgebildeter Muttersprache<br />
und sozialer Anerkennung.<br />
Mehrsprachigkeit als Chance<br />
Das Gegenteil stellt sich eher bei<br />
Kindern einer Minderheit mit einem<br />
geringen sozialen und sprachlichen<br />
Ansehen ein: Sie erreichen<br />
in der Erstsprache nicht die erste<br />
Kompetenzstufe. Damit kann sich<br />
die Zweitsprache nicht ausreichend<br />
entwickeln. Es zeigt sich die oben<br />
genannte Erscheinung der doppelten<br />
Halbsprachigkeit (Semilingualismus).<br />
Die Muttersprache gibt also<br />
die Struktur und den weiteren Verlauf<br />
vor. Die Entwicklung der Zweitsprache<br />
ist abhängig vom Niveau der<br />
Erstsprache (Interdependenz), was<br />
vor allem bei sukzessivem (kulturellem)<br />
Spracherwerb entscheidend ist.<br />
Bei einem altersgemäßen Gesamtentwicklungsstand,<br />
entsprechendem<br />
Sprachverhalten der Eltern und günstigen<br />
Rahmenbedingungen kann<br />
Mehrsprachigkeit eine große Chance<br />
sein, da ein Kind ohne Schwierigkeiten<br />
zwei oder mehr Sprachen erlernen<br />
kann. Sollte ein Kind in seiner<br />
sprachlichen Entwicklung jedoch<br />
zurückfallen, so ist es für Sprachtherapeuten<br />
ein wichtiges Anliegen,<br />
Eltern zu ermutigen, möglichst früh<br />
bei einem Logopäden oder einem<br />
Sprachtherapeuten nachzufragen<br />
und Rat einzuholen. Gerade bei<br />
Mehrsprachigkeit handelt es sich<br />
eben nicht nur um fremdsprachliche<br />
Schwierigkeiten, wenn ein Kind nach<br />
einem Jahr im deutschen Kindergarten<br />
immer noch nicht oder nicht altersgemäß<br />
spricht. Hier können auch<br />
Erzieherinnen aufmerksam werden<br />
und den Eltern zu einer Sprachtherapie<br />
raten, gerade wenn der Einblick<br />
in die Familiensprache durch Verständigungsprobleme<br />
gar nicht möglich<br />
ist. Grundsätzlich sollten Eltern<br />
aufmerksam werden und sich sprachtherapeutisch<br />
beraten lassen, wenn<br />
ein Kind mit 22 bis 24 Monaten noch<br />
keine fünfzig Wörter spricht.<br />
Irmela van Thiel ist Akademische<br />
Sprachtherapeutin M. A.<br />
Literaturhinweis:<br />
Vassilia Triarchi-Herrmann, Mehrsprachige<br />
Erziehung. Wie Sie Ihr<br />
Kind fördern, Reinhardt Verlag,<br />
München 2006.
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009 Europa<br />
Seite 7<br />
Deutsch: Mauerblümchen der EU<br />
Der kulturpolitische Sprecher der FDP zur europäischen Sprachenfrage<br />
Von Christoph Waitz MdB<br />
eutsch ist die am weitesten ver-<br />
D breitete Sprache in der Europäischen<br />
Union (EU). Von den 450<br />
Millionen EU-Bürgern sprechen 18<br />
Prozent Deutsch als Muttersprache.<br />
Der deutsche Sprachraum in Mitteleuropa<br />
umfaßt vor allem Deutschland,<br />
Österreich, die deutschsprachige<br />
Schweiz und Liechtenstein. Darüber<br />
hinaus wird Deutsch in Luxemburg,<br />
Ostbelgien, Südtirol, Elsaß und (Nordost-)Lothringen<br />
gesprochen. Kleinere<br />
Sprachinseln finden sich in heute<br />
fremden Sprachräumen wie Siebenbürgen,<br />
Westungarn, Oberschlesien.<br />
Auf dem zweiten Platz folgen Englisch<br />
und Italienisch gleichauf mit 13<br />
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Prozent. Danach kommt Französisch<br />
mit zwölf Prozent. Dennoch führt<br />
Deutsch in den Institutionen der EU<br />
eher ein Mauerblümchendasein. Hier<br />
dominiert ganz eindeutig Englisch,<br />
gefolgt von Französisch.<br />
Die Entwicklung und Benutzung internationaler<br />
Verkehrssprachen ist so<br />
alt wie die Menschheit. War dies in<br />
früheren Jahrhunderten Griechisch,<br />
dann Latein und später Französisch,<br />
so hat sich seit Ende des vergangenen<br />
Jahrhunderts Englisch als Lingua<br />
franca durchgesetzt. Die Existenz einer<br />
internationalen Verkehrssprache<br />
wird oft mit politischer Vorherrschaft<br />
Die DSW in der Presse<br />
Über die Sprachprüfsteine zur Europawahl berichteten am 5. Juni 2009 die<br />
Nachrichtenagentur ddp und am 22. Juni die Mitteldeutsche Zeitung:<br />
Deutsch, Englisch oder Sprachenvielfalt<br />
– Parteien setzen sich in Europawahlprogrammen<br />
unterschiedlich für<br />
die deutsche Sprache ein<br />
Von ddp-Korrespondentin Yasmin Schulten<br />
rlangen (ddp) – Die CSU kämpft darum, am Sonntag bei der Europawahl<br />
bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, in einem<br />
Punkt hat sie aber schon jetzt die Nase vorn. Mehr als die anderen großen<br />
Parteien setzen sich die Christsozialen für die deutsche Sprache auf europäischer<br />
Ebene ein. Die Zeitschrift DEUTSCHE SPRACHWELT hat die<br />
Wahlprogramme der großen Parteien unter die Lupe genommen und am<br />
Freitag in Erlangen „Sprachprüfsteine“ zur Europawahl publikgemacht.<br />
Ziel dieser Analyse war es, eine Entscheidungshilfe für unentschlossene,<br />
aber sprachbewußte Wähler zu geben, hieß es.<br />
So widmet sich die CSU in ihrem Programm ausführlich der Bedeutung<br />
der deutschen Sprache in der EU. Europa lebe aus dem Reichtum seiner<br />
Regionen, Völker und Kulturen und aus dem gegenseitigen geistigen und<br />
kulturellen Austausch, hieß es im CSU-Europawahlprogramm. <strong>Deutsche</strong><br />
Sprache und bayerische Kultur hätten dabei aber eine „ganz besondere<br />
Bedeutung“. Als „meistgesprochene Muttersprache in Europa“ müsse<br />
Deutsch gleichberechtigte Arbeitssprache neben Englisch und Französisch<br />
sein, fordert die CSU. Auch sollen alle Antragsformulare auf EU-Fördergelder<br />
auf deutsch verfügbar sein und auch ausgefüllt werden können. Nur<br />
die CSU trete zu 100 Prozent für die deutsche Sprache ein, schlußfolgerten<br />
die Sprachexperten.<br />
Ähnlich sieht das auch die Schwesterpartei CDU, die die deutsche Sprache<br />
in Institutionen der EU „angemessen berücksichtigt“ und „stärker<br />
verwendet“ sehen möchte. Zugleich spricht sich die Partei auch für einen<br />
frühen Erwerb einer Fremdsprache aus. Die SPD fordert „dringend auch<br />
die Gleichberechtigung der deutschen Sprache auf Ebene der Europäischen<br />
Union“. Gleichzeitig weisen die Sozialdemokraten in ihrem Programm<br />
darauf hin, daß allgemeiner „sprachlicher Bildung“ ein „noch größeres Gewicht“<br />
gegeben werden müsse.<br />
Gänzlich anders sehen das die Grünen. In ihrem Wahlprogramm machen sie<br />
sich den Untersuchungen zufolge zu einhundert Prozent für eine Sprachenvielfalt<br />
stark. Basis und Ausdruck der kulturellen Vielfalt seien die Sprachen<br />
Europas, hieß es. Ähnlich tritt auch die FDP für eine Sprachenvielfalt<br />
in Europa ein. Der Mehrsprachigkeit und Anhebung der Sprachkompetenz<br />
müßten ihrem Programm zufolge „besondere Aufmerksamkeit“ geschenkt<br />
werden. Für die Linken spielt die Gewichtung von Sprache offenbar keine<br />
Rolle, in ihrem Programm gibt es dazu keine Stellungnahme.<br />
Forderung aus Köthen an die EU<br />
Von Thomas Rinke und Claus Blumstengel (Mitteldeutsche Zeitung)<br />
… Allgemein beklagt und mit zahlreichen Beispielen nachgewiesen wurde<br />
auf dem 3. Sprachtag die stiefmütterliche Behandlung der deutschen Sprache<br />
in den Institutionen der Europäischen Union. … Die Ursache für die<br />
geringe Rolle der deutschen Sprache in der Europäischen Union war bald<br />
ausgemacht: Die <strong>Deutsche</strong>n selbst, so das Fazit des Vortrags vom Mitglied<br />
der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft, Thomas Paulwitz, widmen ihrer<br />
Sprache nicht die nötige Aufmerksamkeit. So habe die Muttersprache in<br />
den EU-Wahlprogrammen der Linken, von Bündnis 90 / Die Grünen und<br />
der FDP überhaupt keine Rolle gespielt und das Programm der SPD sei<br />
zum Teil in schwer verdaulichen Schachtelsätzen abgefaßt, die der Referent<br />
augenzwinkernd in verständliches Deutsch übertrug. Demgegenüber<br />
lobte Paulwitz aus sprachlicher Sicht das EU-Programm der CSU …<br />
Band 1<br />
Ein Leitfaden durch<br />
die lateinischen Regeln<br />
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Lateinische Regeln<br />
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Das Beherrschen der lateinischen<br />
Sprache und ihrer Denkweise kann<br />
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ihres Stammlandes gleichgesetzt,<br />
meist zu Recht. Auf Athen und den<br />
Attischen Seebund folgte das Römische<br />
Reich. Frankreich war unter<br />
Ludwig XIV. die Hegemonialmacht<br />
Europas. Seit ihrem Eintritt in den<br />
Ersten Weltkrieg, mehr noch seit<br />
1945 und dem Zusammenbruch der<br />
Sowjetunion 1991, sind die USA politisch<br />
das wichtigste Land der Welt.<br />
Englisch: zwanglose Beeinflussung<br />
Genau so oft wie die Vermutung<br />
politischer Hegemonie wird Angst<br />
vor kultureller Vorherrschaft formuliert.<br />
Diese Vermutung ist jedoch<br />
immer dann unbegründet, wenn die<br />
Verkehrssprache nicht zum Zweck<br />
politisch-kultureller Vorherrschaft<br />
mißbraucht wird, wie das beim Russischen<br />
in der ehemaligen Sowjetunion,<br />
beim Kastilischen unter Franco<br />
oder beim Türkischen gegenüber den<br />
Kurden der Fall war. Auf das Englische<br />
unserer Tage trifft dies nicht zu,<br />
genauso wenig wie es für das Französisch<br />
der frühen Neuzeit galt. Als<br />
Friedrich und Voltaire auf französisch<br />
korrespondierten, schuf Bach seine<br />
Kantaten auf deutsch. Mozart schrieb<br />
seine Opern erst auf italienisch, einer<br />
Art Verkehrssprache für diese Musiksparte,<br />
dann aber auch auf deutsch.<br />
Die Zauberflöte entstand, als man an<br />
allen Höfen nach wie vor selbstverständlich<br />
nur Französisch sprach und<br />
schrieb. Auch in der Neuzeit hat sich<br />
daran nichts geändert. Die Schriftsteller<br />
Heinrich Böll und Günter Grass<br />
erhielten ihre Literaturnobelpreise<br />
zu einer Zeit, als Englisch längst etablierte<br />
Verkehrssprache war.<br />
Das Englische als internationale Verkehrssprache<br />
unserer Tage beeinflußt<br />
zwar andere Kulturen, aber nicht durch<br />
Zwang, sondern durch Verbreitung<br />
und läßt nationalen Kulturen jeden<br />
gewünschten Entfaltungsraum. Englisch<br />
hat auch nach dem 2. Weltkrieg<br />
eine immer beherrschendere Rolle in<br />
der Welt eingenommen. War dies zunächst<br />
auf die westliche Hemisphäre<br />
beschränkt, so eroberte sich Englisch<br />
Sprachprüfsteine zur Europawahl<br />
K<br />
urz vor den Europawahlen veröffentlichte<br />
die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT Sprachprüfsteine<br />
zur Europawahl. Wir werteten die<br />
Europawahlprogramme der sechs im<br />
Europaparlament vertretenen bundesdeutschen<br />
Parteien aus, zunächst, um<br />
sprachbewußten Wählern eine Entscheidungshilfe<br />
zu bieten; dann aber<br />
auch, um festzustellen, was wir in den<br />
nächsten fünf Jahren von den deutschen<br />
Abgeordneten erwarten können.<br />
Wir stellten erstens die programmatischen<br />
Aussagen über Sprache zusammen,<br />
damit sich jeder schnell einen<br />
Überblick verschaffen kann. Über eine<br />
Wörterzählung ermittelten wir zweitens<br />
den Anteil des Themas am Gesamtprogramm,<br />
um festzustellen, wie wichtig es<br />
eine Partei nimmt. Dann untersuchten<br />
wir die Gewichtung innerhalb des Themas<br />
Sprache. Dazu unterschieden wir<br />
zwischen dem Eintreten für Deutsch,<br />
für Fremdsprachen und für Sprachenvielfalt.<br />
Als Anhaltspunkt für Verständlichkeit<br />
errechneten wir schließlich die<br />
Länge der Sätze zur Sprache.<br />
neu!<br />
Band 2<br />
Ein Leitfaden durch<br />
die lateinische Grammatik<br />
ist neu erschienen<br />
(ca. 96 Seiten, 10,- Euro,<br />
ISBN 3-00-00XXXX-X)<br />
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs<br />
auch in Osteuropa eine unangefochtene<br />
Position als Lingua franca.<br />
Vielsprachigkeit ist unerläßlich<br />
In der EU sind Vertragstexte grundsätzlich<br />
in allen derzeit 23 Vertragssprachen<br />
gleich verbindlich. Alle<br />
offiziellen Dokumente (Rechtstexte,<br />
amtlicher Außenverkehr der EU-Institutionen<br />
und das Amtsblatt) müssen in<br />
alle 23 Sprachen übersetzt werden, da<br />
den EU-Bürgern das sie betreffende<br />
Recht in ihrer jeweiligen Sprache zugänglich<br />
sein muß. Die Mitgliedstaaten<br />
oder einzelne EU-Bürger können<br />
im Schriftverkehr mit den Organen<br />
der EU eine der Amtssprachen wählen<br />
und die Institution muß in derselben<br />
Sprache antworten. Die Institutionen<br />
der EU halten sich an diese Vorschriften.<br />
Im Europäischen Parlament wird<br />
zum Beispiel nur dann über einen Text<br />
abgestimmt, wenn dieser in allen Arbeitssprachen<br />
verfügbar ist. Davon zu<br />
unterscheiden ist der Umgang mit den<br />
verschiedenen Sprachen im internen<br />
Geschäftsablauf oder beim Abfassen<br />
der Arbeitsdokumente. In der Kommission<br />
sind die Arbeitssprachen Englisch,<br />
Französisch und Deutsch. Im Rat<br />
wird entschieden, in welche Sprachen<br />
aktiv oder passiv gedolmetscht wird.<br />
Im Europäischen Parlament wird in<br />
informellen Besprechungen zumeist<br />
Englisch, seltener Französisch oder<br />
Deutsch gesprochen.<br />
Die Vielsprachigkeit ist – trotz eines<br />
erheblichen personellen und finanziellen<br />
Aufwands – unerläßlich in<br />
einem Europa, dessen kulturelle Vielfalt<br />
durch die Einheit nicht beseitigt<br />
werden soll und das die Eigenständigkeit<br />
auch kleiner Mitgliedstaaten anerkennt.<br />
In der EU hat sich die Lage<br />
seit der Osterweiterung in den letzten<br />
Jahren auf geradezu paradoxe Weise<br />
geändert. Lagen vor zehn Jahren noch<br />
Englisch und Französisch ungefähr<br />
gleichauf, so ist heute das Englische<br />
weit enteilt. Für viele Beamte aus den<br />
Beitrittsstaaten Mittel- und Osteuropas<br />
ist Englisch zwar die erste Fremdsprache,<br />
Deutsch aber die zweite.<br />
Französisch rangiert auf Rang drei.<br />
Damit hat Deutsch gegenüber Französisch<br />
erheblich an Rang gewonnen,<br />
beide gemeinsam aber gegenüber dem<br />
Englischen weiter verloren.<br />
Zusammenfassung<br />
der wichtigsten Ergebnisse<br />
1. Die Partei „Die Linke“ weiß in<br />
ihrem Europawahlprogramm zum<br />
Thema Sprache überhaupt nichts<br />
zu sagen.<br />
2. Bündnis 90 / Die Grünen gewichten<br />
das Thema Sprache sehr<br />
gering. Sie erwähnen zwar ausdrücklich<br />
Esperanto, „vergessen“<br />
aber die deutsche Sprache.<br />
3. Die CDU tritt für einen „möglichst<br />
frühzeitigen Fremdsprachenunterricht“<br />
ein. Die FDP vertritt eine<br />
ähnliche Position. (Zu Frühenglisch<br />
siehe auch Seite 6!)<br />
4. Drei Viertel des Textes der FDP<br />
befassen sich nicht mit der Stärkung<br />
der deutschen Sprache,<br />
sondern mit der Förderung von<br />
Fremdsprachen, besonders von<br />
Englisch.<br />
5. Die SPD bringt das Thema Sprache<br />
in lediglich drei Sätzen unter<br />
und erreicht mit 31,3 Wörtern je<br />
Satz einen einsamen Spitzenwert.<br />
6. Die CSU gewichtet das Thema<br />
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Besserstellung der deutschen Sprache<br />
Englisch herrscht als Arbeitssprache<br />
in allen Organen vor, gefolgt von<br />
Französisch und Deutsch. Das hat historische<br />
Gründe, spiegelt aber nicht<br />
mehr die heutige Wirklichkeit einer<br />
größer gewordenen EU wider. Aus<br />
dieser „sprachlichen“ Fortentwicklung<br />
gilt es nun die notwendigen Konsequenzen<br />
zu ziehen. Problematisch aus<br />
deutscher Sicht ist, daß nur sehr wenige<br />
EU-Dokumente auf deutsch verfaßt<br />
werden. Wichtige Dokumente liegen<br />
zwar zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung<br />
in allen Sprachen vor, nicht aber<br />
in der Entstehungsphase, wo sie oft nur<br />
auf englisch und französisch verfügbar<br />
sind. Dadurch wird eine frühzeitige<br />
Reaktion, besonders was Handlungen<br />
der Kommission und des Ministerrats<br />
anbelangt, erheblich erschwert. Durch<br />
die bevorzugte Verwendung des Sprachenpaares<br />
Englisch-Französisch, zum<br />
Beispiel bei der Erstellung von Wirtschaftsdatenbanken,<br />
bei Ausschreibungen<br />
und in den Netzauftritten der<br />
EU ist grundsätzlich die deutsche<br />
Wirtschaft – und besonders der Mittelstand<br />
– benachteiligt.<br />
Die FDP-Bundestagsfraktion sieht in<br />
der Sprachenpolitik einen wichtigen<br />
Aspekt der Kulturpolitik. Sie setzt<br />
sich aktiv dafür ein, daß die Stellung<br />
der deutschen Sprache in den Institutionen<br />
der Europäischen Union besser<br />
berücksichtigt wird und fordert<br />
die verstärkte Berücksichtigung des<br />
<strong>Deutsche</strong>n in den Internetauftritten<br />
der EU-Institutionen. Letzteres gilt<br />
insbesondere bei den ins Netz gestellten<br />
Ausschreibungen für die Wirtschaft.<br />
Alle entscheidungsrelevanten<br />
Texte, die dem <strong>Deutsche</strong>n Bundestag<br />
zur Beratung oder zur Entscheidung<br />
zugeleitet werden, müssen auf<br />
deutsch übermittelt werden.<br />
Christoph Waitz MdB ist Sprecher der<br />
FDP-Bundestagsfraktion für Kultur-<br />
und Medienpolitik. Er bezweifelt,<br />
daß es einen Sinn hat, die deutsche<br />
Sprache im Grundgesetz zu verankern.<br />
Außerdem setzt er sich mit dem<br />
Wahlspruch „Sächsisch ist säxy“ für<br />
einen besseren Ruf des Dialektes seines<br />
Bundeslandes ein.<br />
www.christoph-waitz.de<br />
Sprache in ihrem Programm von<br />
allen Parteien am höchsten. Die<br />
Partei konzentriert sich dabei ausschließlich<br />
auf die deutsche Sprache.<br />
Sie wählt dabei klare, einfache,<br />
schnörkellose, verständliche<br />
Formulierungen.<br />
Die Wahlprüfsteine beflügelten möglicherweise<br />
Peter Ramsauer, den<br />
Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe<br />
im <strong>Deutsche</strong>n Bundestag, bei der<br />
Erarbeitung des gemeinsamen Bundestagswahlprogramms<br />
von CDU<br />
und CSU. Die Passauer Neue Presse<br />
meldete am 27. Juni, daß Ramsauer<br />
viele Anglizismen aus den Entwürfen<br />
herausstreichen ließ. Bei Widerspruch<br />
sagte er: „Wie will man in<br />
Deutschland etwas politisch umsetzen,<br />
wenn man es nicht einmal auf<br />
deutsch sagen kann?“<br />
Die vollständige Untersuchung können<br />
Sie sich aus dem Netz herunterladen:<br />
www.deutsche-sprachwelt.de/archiv/<br />
Europawahl_2009.pdf<br />
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25.04.2008<br />
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Seite 8 Besprechungen<br />
E<br />
Deutsch als „heilige Sprache“<br />
Sprachbegeisterte Mönche schufen eine neue Psalmenübersetzung<br />
Von Norbert Pietsch<br />
ngewöhnlichen Besuch erhielt<br />
U die Neue Fruchtbringende Gesellschaft<br />
zu Köthen/Anhalt Ende<br />
Februar dieses Jahres: Vier Mönche<br />
des deutschen orthodoxen Klosters<br />
Buchhagen im Weserbergland suchten<br />
die Gesellschaft auf und brachten<br />
Geschenke in Form einer neuen<br />
Psalmenübersetzung und weiterer<br />
Buchausgaben zu liturgischen und<br />
biblischen Texten in deutscher Sprache<br />
mit.<br />
Mit dem Begriff „Orthodoxie in<br />
Deutschland“ können wohl nur wenige<br />
Zeitgenossen etwas anfangen.<br />
Orthodoxe Kirchengemeinden und<br />
ihre Einrichtungen hierzulande ver-<br />
stehen sich zumeist als Auslandsgemeinden<br />
unterschiedlicher Nationen<br />
und Länder. Sie sind den meisten<br />
<strong>Deutsche</strong>n schon wegen der Liturgiesprachen<br />
fremd und damit fast<br />
verschlossen. Dennoch erfreuen<br />
sich zum Beispiel die gelegentlichen<br />
Konzerte russisch-orthodoxer Kammerchöre<br />
schon sehr lange großer<br />
Beliebtheit. Die dargebotenen Texte<br />
bleiben dem deutschen Zuhörer dennoch<br />
in der Regel unverständlich, es<br />
sei denn, daß er ihren Inhalt aus dem<br />
interkonfessionellen Zusammenhang<br />
ableiten kann.<br />
Die kleine Mönchsgemeinschaft des<br />
Heiligen Dreifaltigkeitsklosters in<br />
Buchhagen mit ihrem Vorsteher, Abt<br />
Johannes, besteht aus <strong>Deutsche</strong>n. Sie<br />
betrachten es als ihre Aufgabe, den<br />
<strong>Deutsche</strong>n die orthodoxe Kirche mit<br />
ihrer Lehre, dem liturgischen Geschehen<br />
und den Schriften – letztere<br />
Umfrage des Tausendschön-Verlages in Zusammenarbeit mit der<br />
DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />
s war einmal Deutschland – das<br />
Land der Dichter und Denker.<br />
Die Träger jener fruchtbaren Schaffenszeiten<br />
waren unsere Vorfahren –<br />
und was schaffen wir heute?<br />
Was lebt noch in uns fort, was wird<br />
noch von uns gelebt von dem, was<br />
den Großen von damals als Ideal<br />
galt? Leben sie weiter in uns – oder<br />
scheint der Strang gerissen wie bei<br />
längst vergangenen Hochkulturen?<br />
Etwas Licht in diese Frage zu bringen,<br />
darum bemüht sich dieser kleine<br />
Fragebogen. Wollen Sie sich ein<br />
wenig Zeit nehmen, ihn zu beantworten?<br />
So greifen Sie doch bitte zur Feder<br />
und lassen Ihren Gedanken freien<br />
Lauf! Wir sind gespannt auf die<br />
Worte, die Sie uns – und sich selber<br />
– schenken.<br />
Und wenn sie nicht gestorben sind,<br />
dann leben sie noch heute …?<br />
1) Welche Gedanken und Gefühle<br />
überkamen mich beim erstmaligen<br />
Lesen des Titels?<br />
in deutscher Übersetzung – näherzubringen.<br />
So erarbeiteten die Mönche eine Neuübersetzung<br />
der Psalmen, „Die Psalmen<br />
– deutsch“, die im vergangenen<br />
Jahr erschienen ist. Der Übersetzung<br />
legten die Mönche die Septuaginta zugrunde,<br />
das ist die altgriechische Übersetzung<br />
der Bibel und die älteste durchgehende<br />
Bibelübersetzung überhaupt.<br />
Die ursprüngliche sprachliche Form ist<br />
heute noch die übliche Liturgiesprache<br />
der byzantinischen Kirche Konstantinopels<br />
(Istanbuls), der griechischen<br />
oder melchitischen Nationalkirche und<br />
der Klöster der Insel Athos.<br />
Übersetzungen der hebräischen,<br />
griechischen und slawischen Bibeltexte<br />
des Alten und Neuen Testaments<br />
ins <strong>Deutsche</strong> sind von Martin<br />
Luther an bis in die Neuzeit häufig.<br />
Gottesdienstliche Texte wie Gebete<br />
und Psalmen orientieren sich in der<br />
Regel nach den Gesangstraditionen<br />
der unterschiedlichen „nationalen“<br />
orthodoxen Kirchen, die dann auch<br />
im Ausland bindend sind.<br />
In der alltäglichen Gebetspraxis des<br />
Klosters nehmen die Psalmen einen<br />
großen Rahmen ein. Die Besonderheit<br />
der Buchhäger Psalmenübersetzung<br />
besteht darin, daß die Übersetzer,<br />
die orthodoxen Mönche selbst,<br />
einen überzeugenden Text schufen,<br />
der „ein Leben lang jeden Tag mit<br />
Freude und geistigem Gewinn gelesen,<br />
rezitiert und gesungen werden<br />
kann“ – so im Nachwort der Ausgabe.<br />
Weiter erfährt der Leser: „…<br />
hierfür (war) eine Sprachgestalt zu<br />
finden, welche aus dem Ureigensten<br />
der deutschen Sprache schöpft und<br />
ihre verdrängte Eigenschaft als heilige<br />
Sprache neu zum Tragen kommen<br />
läßt“ (Seite 252). Die Mönche<br />
erarbeiteten und erprobten die Übersetzung<br />
24 Jahre hindurch in Gebet,<br />
Studium und Gottesdienst.<br />
2) „Dichter und Denker“ – was verstehe<br />
ich unter diesen Begriffen?<br />
3) Woraus beziehe ich mein Wertegerüst?<br />
Welche Rolle spielt das Gedankengut<br />
der Dichter-und-Denker-Zeit<br />
gegebenenfalls in diesem?<br />
4) Was sind meine Wünsche, wenn<br />
ich über unsere Dichter und Denker<br />
nachsinne?<br />
Verschiedene Übersetzungen von<br />
Psalm 42<br />
Gleich wie ein Hirsch mit schneller<br />
Flucht<br />
Ein frisches Quell im Walde sucht<br />
Und embsig läufft nach kühlen Bächen;<br />
So ist auch meine Seel’, o Gott,<br />
Sie dürstet nach dir in der Noth<br />
Und sehnet sich, dich anzusprechen.<br />
Martin Opitz 1626<br />
Wie der Hirsch schreit nach frischem<br />
Wasser,<br />
so schreit meine Seele, Gott, zu<br />
dir.<br />
Meine Seele dürstet nach Gott,<br />
nach dem lebendigen Gott.<br />
Wann werde ich dahin kommen,<br />
daß ich Gottes Angesicht schaue?<br />
Lutherbibel 1912<br />
Wie der Hirsch lechzt nach frischem<br />
Wasser,<br />
So lechzt meine Seele, Gott, nach<br />
dir.<br />
Meine Seele dürstet nach Gott,<br />
nach dem lebendigen Gott.<br />
Wann darf ich kommen und Gottes<br />
Antlitz schauen?<br />
Einheitsübersetzung 1980<br />
Wie der Hirsch nach Wasserquellen<br />
lechzet,<br />
Also lechzet meine Seele, o Gott,<br />
nach dir.<br />
Es dürstet meine Seele nach dem<br />
Herrn, dem lebendigen Gott:<br />
Wann werde ich kommen und erscheinen<br />
vor dem Angesicht Gottes?<br />
Die Psalmen, Übersetzung nach<br />
Leopold Zunz, Tel Aviv 1985<br />
Wie der Hirsch zu den Quellen der<br />
Wasser strebt /<br />
so strebt meine Seele zu Dir, meinem<br />
Gott +<br />
Meine Seele,<br />
sie dürstet nach dem lebendigen<br />
Gott /<br />
wann komme ich dahin,<br />
daß mich Sein Angesicht schaut? +<br />
Buchhäger Psalter 2008<br />
5) Steckt vielleicht auch in mir ein<br />
Dichter, ein Denker? Habe ich<br />
schon einmal solch ein Gefühl<br />
gespürt? Was habe ich gespürt,<br />
wie habe ich es gespürt?<br />
6) Ein kleines Gedankenspiel: Durch<br />
einen tragischen Schlag erwachen<br />
eines Morgens die <strong>Deutsche</strong>n und<br />
haben alle ihr Gedächtnis verloren:<br />
keiner erinnert sich mehr an<br />
seine Gewohnheiten, seine Bücher.<br />
Kurz: alle Geisteskultur ist ausgelöscht.<br />
Ich als einziger bin diesem<br />
Schicksale nicht erlegen und hätte,<br />
wenn ich möchte, die Gelegenheit,<br />
das Vermächtnis den andern wieder<br />
nahezubringen. Was wäre mir<br />
dabei am wichtigsten?<br />
7) Das Kultur-Erbe der <strong>Deutsche</strong>n:<br />
Geschenk oder Bürde? Warum?<br />
Die im Rahmen des Programms<br />
„Leipzig liest“ der diesjährigen Leipziger<br />
Buchmesse gebotene Darbietung<br />
geistlicher Gesänge in der Petrikirche<br />
durch die Buchhäger Mönche<br />
und sechs Thomaner ließen ebenfalls<br />
die hohen Ansprüche an die melodische<br />
Umsetzung auf der Grundlage<br />
des deutschen Chorals erkennen. Sie<br />
stellen gegenüber der herkömmlichen<br />
Praxis eine Neuerung dar.<br />
Neben dem missionarischen Auftrag<br />
der deutschen orthodoxen Mönche,<br />
„Orthodoxie“, das heißt das „rechte<br />
Lehren und Loben“, unter den<br />
<strong>Deutsche</strong>n bekanntzumachen, leistet<br />
die Gemeinschaft durch ihre Über-<br />
Haben Sie weitere Gedanken zu<br />
diesem Thema? – Dann lassen Sie<br />
uns daran teilhaben! Wenn Sie uns<br />
Ihre Antworten zusenden möchten,<br />
dann bitte an:<br />
Carolin Schulz<br />
beim Tausendschön-Verlag<br />
Dorfstraße 39<br />
17509 Lodmannshagen/Pommern<br />
Netzpost: CaroS1987@Aol.Com<br />
Aus dem Fragebogen soll ein<br />
Buch entstehen. Die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT wird Sie auf dem<br />
laufenden halten. Alle Ihre Angaben<br />
bleiben völlig vertraulich: sie<br />
werden namenlos behandelt und<br />
ausgewertet.<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009<br />
Fibel der<br />
Völker Europas<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
ie Nüchternheit und der Hang<br />
D zur Vereinheitlichung, die<br />
sich im vergangenen Jahrhundert<br />
durchgesetzt haben, spiegeln sich<br />
bekanntlich auch in den Büchern wider.<br />
Das gilt nicht nur für Gestaltung<br />
und Inhalt, sondern auch für die zur<br />
Herstellung benutzten Werkstoffe.<br />
Und so kann ein Buch, vor fünfzehn<br />
Jahren wegen seiner Schönheit gekauft,<br />
bereits vom Gilb bedroht sein<br />
und erste Anzeichen des Verfalls erkennen<br />
lassen. Dauerhaftigkeit und<br />
gutes Handwerk sind bei der Bücherherstellung<br />
immer weiter in den Hintergrund<br />
geraten.<br />
Einem jungen Verleger ist dies ein<br />
Graus. Bereits in seiner Kindheit beschlich<br />
Thorwald Poschenrieder das<br />
Gefühl, „uns würde in unsern Schulbüchern<br />
Schönheit vorenthalten“. Er<br />
ist der Meinung, daß wieder „mehr<br />
Gewicht auf zeitloser Gediegenheit,<br />
Gestaltung und Ausstattung“ liegen<br />
sollte. Als Antwort auf die Mißachtung<br />
der Buchkunst gründete er im<br />
Herbst 2007 einen Verlag und taufte<br />
ihn auf den für sich selbst sprechenden<br />
Namen „Tausendschön-Verlag“.<br />
8) Meinem Kinde, dem Menschen,<br />
den ich am liebsten auf<br />
der Welt habe – welche Wünsche,<br />
welche Worte würde ich<br />
ihm in meiner letzten Stunde<br />
mitgeben?<br />
9) Wenn ich in eine längst vergangene<br />
Zeit meiner Wahl, ja<br />
wenn ich zu einem geschichtlichen<br />
Ereignis meiner Wahl<br />
reisen könnte, welches wäre<br />
dies – und warum?<br />
10) Was bewegt mich derzeit in<br />
meinem Innersten?<br />
setzungen einen wichtigen Beitrag<br />
zur Pflege der deutschen Sprache.<br />
Die sprachbegeisterten Mönche sind<br />
der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />
nach ihrem Besuch des<br />
Köthener Fürst-Ludwig-Hauses der<br />
deutschen Sprache als korporatives<br />
Mitglied beigetreten.<br />
Die Psalmen – deutsch aus der<br />
Septuaginta. Buchhäger Psalter,<br />
<strong>Deutsche</strong>s orthodoxes Dreifaltigkeitskloster,<br />
37619 Bodenwerder, Verlag<br />
des Klosters Buchhagen, 2008,<br />
zweifarbig, feste Bindung, Leder mit<br />
Blind- und Goldprägung, 288 Seiten,<br />
24,00 Euro.<br />
www.orthodox.de<br />
Vorbild sind ihm Bücher aus der<br />
Zeit des zweiten <strong>Deutsche</strong>n Kaiserreichs.<br />
Poschenrieder rühmt die hohe<br />
Druckkunst und gediegene Verarbeitung<br />
der damaligen Zeit, die „später<br />
kaum wieder erreicht“ worden seien.<br />
Diesem Ideal nähert er sich nun mit<br />
seiner „Fibel der Völker Europas“,<br />
deren erster Band zur Leipziger<br />
Buchmesse erschienen ist. Dabei hat<br />
Poschenrieder in der Tat nicht etwa<br />
„etwas Bestehendes abgekupfert,<br />
sondern etwas gänzlich Neues geschaffen“.<br />
Mit diesem verdienstvollen Buch ermöglicht<br />
Poschenrieder als Verleger<br />
und Herausgeber einen Blick auf die<br />
Vielfalt der europäischen Schriftkultur.<br />
Er will der „lebendigen Fortpflege<br />
dieses unermeßlichen Erbschatzes“<br />
dienen. Zahlreiche Fachleute<br />
wirkten mit. Das Werk behandelt in<br />
Fibelform alle abendländischen Alphabete.<br />
Im ersten Band stellt es die<br />
deutsche Schrift auf deutsch, die irische<br />
Schrift auf irisch und die Lateinschrift<br />
auf ladinisch (Südtirol) vor.<br />
Die Mecklenburger Künstlerin Gunn-<br />
Heide Fröhlich bebilderte liebevoll<br />
jeden Buchstaben in jeder Schrift.<br />
Alle sind in ihren unterschiedlichen<br />
Druck- und Schreibschriftformen<br />
dargestellt. Beigefügt sind außerdem<br />
Anleitungen, wie die Buchstaben zu<br />
schreiben sind, sowie jeweils zehn<br />
Sprichwörter. Die fremdsprachigen<br />
Texte sind ins <strong>Deutsche</strong> übersetzt, die<br />
deutschen Texte in Fraktur gesetzt.<br />
Sonder-Abeces aus der Blindenschrift<br />
und der Gebärdensprache<br />
und auch das Winker-, das Morse-<br />
und das Flaggen-Abece runden das<br />
Buch ab. Auf den zweiten Band dürfen<br />
sich Auge und Herz jetzt schon<br />
freuen. Er wird das kyrillische Abece<br />
auf russisch, das griechische auf<br />
neugriechisch und das hebräische<br />
auf jiddisch vorstellen – jeweils mit<br />
deutscher Übersetzung. So leistet<br />
der kleine Tausendschön-Verlag in<br />
wunderbar gepflegter Sprache einen<br />
wertvollen Beitrag zur Bewahrung<br />
kultureller Vielfalt.<br />
Thorwald Poschenrieder (Herausgeber):<br />
Fibel der Völker Europas, Ein<br />
Abece-Buch für groß und klein.<br />
Unser Erbschatz ist die Vielfalt!<br />
Band 1, Tausendschön-Verlag,<br />
Lodmannshagen in Pommern 2009,<br />
152 Seiten, gebunden, 34,50 Euro.<br />
www.tausendschoen-verlag.de<br />
Bitte nehmen Sie auch an der Umfrage<br />
des Verlages teil, die Sie nebenstehend<br />
auf dieser Seite finden.
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009 Literatur<br />
Seite 9<br />
SOK fordert<br />
Rechtschreibmoratorium<br />
D<br />
ie Schweizer Orthographische<br />
Konferenz (SOK) ruft die<br />
politisch Verantwortlichen in Bund<br />
und Kantonen auf, die Rechtschreibreform<br />
am 1. August 2009 in den<br />
Schulen nicht notenwirksam werden<br />
zu lassen. Am 31. Juli 2009 geht die<br />
dreijährige Übergangsfrist, während<br />
der die herkömmlichen Schreibungen<br />
noch toleriert wurden, zu Ende.<br />
In der Bundesrepublik Deutschland<br />
endete die Übergangsregelung bereits<br />
vor zwei Jahren.<br />
In einer an der Frühlingstagung vom<br />
4. Juni 2009 in Zürich einstimmig<br />
gutgeheißenen Resolution fordert<br />
die SOK ein Moratorium für Schule<br />
und Verwaltung. Das amtliche Regelwerk<br />
von 2006 und die Lehrmittel<br />
seien widersprüchlich und mit Fehlern<br />
behaftet. Alle herkömmlichen<br />
Schreibungen müßten wieder anerkannt<br />
und auf die Bevorzugung von<br />
Reformschreibungen müsse verzichtet<br />
werden.<br />
Die Unzufriedenheit mit dem mittlerweile<br />
dritten amtlichen Regelwerk<br />
sei in den vergangenen Jahren stetig<br />
gewachsen. Der Rat für deutsche<br />
Rechtschreibung packe die anstehenden<br />
Verbesserungen nicht zügig<br />
genug an. Zeitungen, Verlage und<br />
Verwaltungen gäben sich Hausorthographien<br />
mit ganz unterschiedlichen<br />
Schreibweisen. 2008 haben die<br />
Chefredaktorenkonferenz und der<br />
Verband Schweizer Presse beschlossen,<br />
sich die Empfehlungen der SOK<br />
zu eigen zu machen. Die SOK sei<br />
bereit, bei einer Überarbeitung des<br />
Regelwerks 2006 für schweizerische<br />
Bedürfnisse mitzuwirken.<br />
An der Tagung nahmen neben<br />
Sprachwissenschaftern unter anderem<br />
Chefredaktoren und Chefkorrektoren,<br />
Verleger, Lektoren und<br />
Schriftsteller, National-, Kantons-<br />
und Gemeinderäte, Mitglieder des<br />
Rats für deutsche Rechtschreibung<br />
sowie Gäste aus Deutschland und<br />
Österreich teil. In der SOK sind Vertreter<br />
der Presse, der Literatur und<br />
der Sprachwissenschaft vereinigt.<br />
Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die<br />
Sprachrichtigkeit und Einheitlichkeit<br />
der Rechtschreibung in Presse und<br />
Literatur zu fördern. (dsw/sok)<br />
www.sok.ch<br />
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T. S. Eliots „The Waste Land“ erscheint in neuer Übersetzung<br />
Von Oliver Höher<br />
D<br />
as Ding geht jetzt ohne Unterbrechung<br />
von ‚April …‘ bis<br />
‚shantih‘. Das sind 19 Seiten und,<br />
sagen wir mal, das längste Gedicht<br />
in englischer Sprache“, schrieb am<br />
24. Dezember 1921 Ezra Pound an<br />
T. S. (Thomas Stearns) Eliot. Knapp<br />
ein Jahr später erschien im Oktober<br />
1922 jenes „Ding“ in der von Eliot<br />
herausgegebenen Zeitschrift „The<br />
Criterion“. Der Herausgeber war<br />
zugleich der Autor des besagten Gedichts<br />
„The Waste Land“. Zuvor hatte<br />
Pound den Text noch um ungefähr die<br />
Hälfte, auf immerhin noch 433 Verse<br />
zusammengeschmiedet. Auch wenn<br />
es keineswegs „das längste Gedicht in<br />
englischer Sprache“ ist, gilt für diese<br />
Tat dem „besseren Schmied“ nun<br />
die gedruckte Widmung: „For Ezra<br />
Pound / il miglior fabbro“.<br />
Die vorliegende Neuübersetzung wird<br />
vom Suhrkamp-Verlag als „Jahrhundertgedicht“<br />
bezeichnet. Das ist keinesfalls<br />
übertrieben, obwohl in deutscher<br />
Sprache neben einer Handvoll<br />
Teilübersetzungen bisher lediglich<br />
zwei vollständige Übertragungen erschienen<br />
sind. Die des Romanisten<br />
Ernst Robert Curtius stammt aus dem<br />
Jahr 1927. Nach einer Überarbeitung<br />
fand sie 1957 in der Insel-Bücherei<br />
weite Verbreitung. Die der Pound-<br />
Spezialistin Eva Hesse erschien zuerst<br />
1972 in einer deutschen Eliot-<br />
Werkausgabe. <strong>36</strong> Jahre später liegt<br />
nun die dritte deutsche Übertragung<br />
vor, zugleich die erste von einem<br />
Dichter. Norbert Hummelt ist bereits<br />
als Übersetzer englischer Lyrik hervorgetreten.<br />
Neben Gedichten von<br />
William Wordsworth hat er von Eliot<br />
die „Four Quartets“ übersetzt sowie<br />
Gedichte von William Butler Yeats<br />
herausgegeben.<br />
Dergestalt im Umgang mit englischer<br />
Lyrik vertraut, beschreitet Hummelt<br />
unbequeme Wege und ändert bereits<br />
im Titel seiner Übertragung den etablierten<br />
deutschen Text. Mag auch<br />
das Adjektiv „öde“ im Bedeutungsspektrum<br />
des englischen „waste“ liegen,<br />
so nimmt doch die Rezeptionsgeschichte<br />
auf Texttreue selten genug<br />
Rücksicht. Daher bleibt fraglich, ob<br />
Hummelts „ödes Land“ sich gegen<br />
das seit 1927 rezipierte „wüste Land“<br />
von Curtius durchsetzen wird.<br />
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Thomas Stearns Eliot (1888 bis 1965)<br />
Fremdsprachige Zeilen auf deutsch<br />
oder französisch stehen so neben<br />
Umgangssprache, Gesprächs- und<br />
Musikfetzen sowie fachsprachlichen<br />
Wendungen.<br />
Zu dieser Vielstimmigkeit, die wie<br />
auch die nachdrückliche Beschäftigung<br />
mit Geschichte ein Merkmal<br />
des Modernismus ist, bemerkte Eliot<br />
1919: „Kein Dichter – und überhaupt<br />
kein Künstler – ist in seiner vollen<br />
Bedeutung für sich allein zu erfassen.<br />
Seine Bedeutung, die Würdigung<br />
seines Wesens, setzt die Erfassung<br />
seines Verhältnisses zu den früheren<br />
Dichtern und Künstlern voraus.“ Curtius<br />
war der erste Übersetzer, der sich<br />
in diesem Sinne bemühte, das Wesen<br />
des Dichters zu würdigen. Hummelt<br />
geht diesen Weg weiter. Er horcht in<br />
das Stimmengewirr der 1920er Jahre<br />
und mythischer Zeiten und überführt<br />
Zitate, Musik- und Gesprächsfetzen<br />
in die Sprache seiner Gegenwart, seinen<br />
„Sprachstandpunkt“, wie er in der<br />
Notiz zu seiner Übersetzung schreibt<br />
(Seite 59). Hummelt versteht seine<br />
Übertragung als „stimmbildend“, die<br />
zunächst „eine Art von Stimmenhören“<br />
voraussetzt (ebenda).<br />
„Kein Blatt vorm Mund, aber Dreck am Stecken“ ist ein<br />
Buch über Redewendungen. Es befasst sich mit solchen Redewendungen,<br />
deren Herkunft wenig bekannt ist – und Unterhaltungswert<br />
besitzt. Um das Buch lesbarer zu machen, hat<br />
es der Verfasser nach Herkunftsbereichen der Redewendungen<br />
(Militär, Handwerk, Juristerei, Medizin etc.) strukturiert. Und<br />
er hat die Redewendungen, wo möglich, chronologisch geordnet,<br />
um sie in logischen Zusammenhängen präsentieren zu<br />
können. Die meisten Kapitel gerieten so zu unterhaltsamen<br />
Geschichten, die auch das Verständnis der Herkunft und der<br />
heutigen Bedeutung der Redewendungen erleichtern. Es ist ein<br />
vergnügliches Buch geworden – und ein Novum in seiner Art.<br />
Hans-Gert Braun legt hiermit – nach „Wenn die Wörter wandern“<br />
– ein zweites Buch auf dem Gebiet der Etymologie vor.<br />
Dabei betreibt er diesen Zweig der Sprachwissenschaft ausschließlich<br />
als Hobby. Denn eigentlich ist er Wirtschaftswissenschaftler.<br />
Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der<br />
Universität Stuttgart und lehrt insbesondere Internationale<br />
Wirtschaftspolitik und Entwicklungspolitik. Über 20 Jahre war<br />
er Direktor und Chefvolkswirt einer internationalen Finanzinstitution<br />
in Köln, die in Entwicklungsländern operiert. Über<br />
20 Jahre war er auch Mitherausgeber und Chefredakteur der<br />
Zeitschrift „Internationales Afrikaforum“. Er war als Berater für<br />
nationale Regierungen und Organisationen der internationalen<br />
Entwicklungszusammenarbeit tätig. Er hat eine Reihe wirtschaftswissenschaftlicher<br />
Bücher verfasst und zahlreiche wirtschafts-<br />
und entwicklungspolitische Artikel in Fachzeitschriften<br />
und in der überregionalen Presse (FAZ, NZZ etc.) publiziert.<br />
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nichts und bleibt direkt wie Eliot (Seite<br />
9): „April ist der übelste Monat von allen,<br />
treibt / Flieder aus der toten Erde,<br />
mischt / Erinnerung mit Lust, schreckt<br />
/ Spröde Wurzeln auf mit Frühlingsregen.“<br />
Zu Curtius’ Zeiten war der Lenz<br />
noch durchaus geläufig, wohingegen er<br />
heute eher gesucht klingt. Dafür hat im<br />
21. Jahrhundert die Lust das Begehren<br />
eingeholt. Bleibt somit „übel“ als Modewort,<br />
über das man streiten könnte.<br />
Edmund Wilson bezeichnete in einer<br />
zeitgenössischen Rezension die<br />
Nachtigall-Passage im zweiten Teil<br />
als „einen der einzigen erfolgreichen<br />
Teile zeitgenössischer Blankverse“ –<br />
ein großes Lob.<br />
„Above the antique mantel was displayed<br />
/ As though a window gave<br />
upon the sylvan scene / The change<br />
of Philomel, by the barbarous king /<br />
So rudely forced; yet there the nightingale<br />
/ Filled all the desert with inviolable<br />
voice / And still she cried, and<br />
still the world pursues, / ‚Jug Jug‘ to<br />
dirty ears.“ (Seite 14)<br />
Bei Hummelt heißt das:<br />
„Über dem altertümlichen Kaminsims<br />
stellte, / Ganz so, als ob ein Fenster<br />
nach dem Wald hin aufging, / Ein Bild<br />
die Wandlung Philomelas dar, die der<br />
Barbarenfürst / So rüde zwang; aber<br />
die Nachtigall / Ließ in der Wüste<br />
überall ihr heiles Lied ertönen, / Noch<br />
geht ihr Ruf, noch stellt die Welt ihr<br />
nach, / Dreckigen Ohren ein ‚tak tak‘.“<br />
(Seite 15)<br />
Eingangsverse von<br />
„The Waste Land“<br />
April is the cruellest month, breeding<br />
/ Lilacs out of the dead land,<br />
mixing / Memory and desire, stirring<br />
/ Dull roots with spring rain.<br />
T. S. Eliot (1922)<br />
Und so geht er an die berühmten Eingangsverse<br />
heran (Seite 8): „April is<br />
Übersetzungen:<br />
the cruellest month, breeding / Lilacs April ist der grausamste Monat, er<br />
out of the dead land, mixing / Memo- treibt / Flieder aus toter Erde, er<br />
ry and desire, stirring / Dull roots with mischt / Erinnern und Begehren,<br />
spring rain.“ Geradezu schnörkellos<br />
glückte Curtius dieser abrupte Auftakt:<br />
„April ist der grausamste Mo-<br />
er weckt / Dumpfe Wurzeln mit<br />
Lenzregen.<br />
Ernst Robert Curtius (1927)<br />
Dabei hat Hummelt durchaus den<br />
Mut, das Gedicht in seinen verschienat,<br />
er treibt / Flieder aus toter Erde,<br />
er mischt / Erinnern und Begehren, er<br />
weckt / Dumpfe Wurzeln mit Lenzregen.“<br />
Bei Eva Hesse klang Eliot dann<br />
wie ein zeitlich verirrter Anakreonti-<br />
April benimmt das Herz, er heckt /<br />
Flieder mit der toten Flur, verquickt<br />
/ Erinnern und Verlangen, langt /<br />
Taube Wurzeln an mit Lenzregen.<br />
Eva Hesse (1972)<br />
denen Sprachschichten zu erfassen ker (Anakreontik ist ein Dichtungsstil<br />
und nicht etwa wie Eva Hesse mit aus der Zeit des Rokokos, Anmerkung April ist der übelste Monat von al-<br />
einem einheitlichen Zuckerguß zu der Schriftleitung): „April benimmt len, treibt / Flieder aus der toten<br />
überziehen. In Eliots Text finden sich das Herz, er heckt / Flieder mit der Erde, mischt / Erinnerung mit Lust,<br />
direkte Zitate – in Anmerkungen ei-<br />
schreckt / Spröde Wurzeln auf mit<br />
toten Flur, verquickt / Erinnern und<br />
Frühlingsregen.<br />
gens nachgewiesen –, die teilweise Verlangen, langt / Taube Wurzeln an<br />
Norbert Hummelt (2008)<br />
mit eigenen Versen verschmelzen. mit Lenzregen.“ Hummelt schönt nun<br />
Anzeige Viol Aktiv+Viabol.qxp:Anzeige Viol Aktiv+Viabol.qxd<br />
Hans-Gert Braun Kein Blatt vorm Mund aber Dreck am Stecken<br />
Hans-Gert Braun<br />
Kein Blatt<br />
vorm Mund<br />
aber<br />
Dreck am<br />
Stecken<br />
Ausgewählte Redewendungen<br />
und ihre kuriose Herkunft<br />
Der Rhythmus gerät zwar gelegentlich<br />
aus dem Takt, aber dafür macht<br />
Hummelt den „barbarous king“, von<br />
Curtius als „der wilde König“ und<br />
Eva Hesse als „der entmenschte König“<br />
umschrieben, ganz direkt zum<br />
„Barbarenfürst“. Und direkter als<br />
seine beiden Vorgänger zeigt er die<br />
Vergewaltigung Philomelas, deren<br />
Ruf weder schmutzigen (Curtius)<br />
noch unzarten Ohren (Hesse) tönt,<br />
sondern schlicht dreckigen. Auch<br />
Hummelts „tak tak“ kommt nah an<br />
die elisabethanische Lautmalerei des<br />
Geschlechtsaktes heran, ohne allzu<br />
obszön zu klingen.<br />
Ein Prüfstein für jeden Übersetzer<br />
ist der Schlager „That Shakespearian<br />
Rag“ von Gene Buck und Herman<br />
Ruby aus dem Jahr 1912, den Eliot<br />
mit dem Refrain „That Shakespearian<br />
Rag, / Most intelligent, very elegant“<br />
in den Text integriert hat: „O O<br />
O O that Shakespearian Rag – / It’s<br />
so elegant / So intelligent“ (Seite<br />
16 und 18). „O o o o dieser Fetzen<br />
Shakespeare – / Ist so elegant, / So<br />
intelligent“, steht bei Curtius. Natürlich<br />
war Ragtime 1922 schon altmodische<br />
Musik, was Curtius wohl<br />
bewußt war – anders als Hummelt<br />
behauptet (Seite 47). Eva Hesse<br />
scheint sich 1972 dann eher an den<br />
Texten Friedrich Hollaenders und<br />
der Comedian Harmonists orientiert<br />
zu haben: „O O O O der Shakespeher’sche<br />
Rag – / Der ist so elegant<br />
/ So überaus rasant“. Bei Hummelt<br />
wird Shakespeare schließlich zum<br />
Diskjockey: „No No No No Shakespeare<br />
hat den Groove – / So elegant<br />
/ So interessant“ (S. 17 und 19). Das<br />
ist dann auch schon die einzige Stelle,<br />
die dem Rezensenten wirklich<br />
nicht gefallen mag.<br />
Sonst kann man Norbert Hummelt<br />
für seine einfühlsame und kluge<br />
Übertragung nicht genug danken,<br />
ihr so viele Leser wünschen, wie das<br />
bei Lyrik nur möglich ist, und einen<br />
Verlag, der bei einer hoffentlich bald<br />
notwendigen Neuauflage den scheußlichen<br />
Fehler „die zersteute Schrift“<br />
auf Seite 59 korrigiert. Auch wäre ein<br />
Hinweis auf die Textvorlage der 435<br />
Verse (der Erstdruck hat nur 433) zu<br />
begrüßen, ohne zum Abschluß beckmesserisch<br />
sein zu wollen.<br />
Thomas Stearns Eliot, Das öde Land.<br />
Englisch und deutsch, übertragen<br />
und mit einem Nachwort versehen<br />
von Norbert Hummelt, Suhrkamp<br />
Verlag, Frankfurt am Main 2008, 71<br />
Seiten, 16,80 Euro (in herkömmlicher<br />
Rechtschreibung).<br />
Hans-Gert Braun<br />
Kein Blatt vorm Mund,<br />
aber<br />
Dreck am Stecken<br />
Ausgewählte Redewendungen und ihre kuriose Herkunft<br />
Dieses Buch befaßt sich mit etwa 400 gängigen<br />
Redewendungen, deren Herkunft wenig bekannt<br />
ist, aber besonderen Unterhaltungswert besitzt. Der<br />
Verfasser zeigt dabei, daß die Redewendungen in<br />
ihrem ursprünglichen Milieu einmal wörtlich Sinn<br />
machten. Das Buch ist nach Herkunftsbereichen ge-<br />
ordnet. Wo möglich, werden die Redewendungen in logischen Zusammenhängen<br />
präsentiert. Die meisten Kapitel gerieten so zu amüsanten Geschichten, die auch<br />
das Verständnis der Herkunft und der heutigen Bedeutung der Redewendungen<br />
erleichtern. Es ist ein vergnügliches Buch geworden.<br />
Taschenbuch, 172 Seiten, 12,50 € - ISBN-13: 978-3-8334-5490-5, BoD Verlag, Norderstedt<br />
Einem Teil unserer Ausgabe (nur Deutschland) liegt ein<br />
Prospekt des Atlas Verlages, Weil am Rhein, bei. Wir<br />
bitten um freundliche Beachtung. Vielen Dank.
Seite 10 Werkstatt<br />
Der Sprachschützer als Massenmörder?<br />
Das Ergebnis der Sprachwahrerabstimmung schlägt hohe, sehr „<strong>Deutsche</strong>“ Wellen<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
it der Wahl der Mitarbeiterinitiative<br />
„Pro <strong>Deutsche</strong> Welle“ zum<br />
Sprachwahrer des Jahres haben die Leser<br />
der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />
(DSW) offensichtlich in ein Wespennest<br />
gestochen. Anders lassen sich die<br />
zum Teil haßerfüllten Antworten kaum<br />
erklären. Sie stammen von Feuilletonjournalisten,<br />
die den Kurs der Amerikanisierung<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Welle (DW)<br />
unterstützen, und von der Intendanz der<br />
„<strong>Deutsche</strong>n Welle“ selbst.<br />
Die Bekanntgabe des Ergebnisses der<br />
Leserabstimmung hatte die DEUT-<br />
SCHE SPRACHWELT mit Kritik an<br />
der Führung der <strong>Deutsche</strong>n Welle verbunden.<br />
Intendant Erik Bettermann<br />
(SPD) will den steuerfinanzierten<br />
Auslandssender nicht nur verstärkt<br />
auf englisch senden lassen; die DW<br />
soll sich künftig auch als „Sachwalter<br />
der Menschenrechte“ aufspielen und<br />
„Weltpolitik“ treiben. Das bedeutet<br />
nichts anderes, als sich in innere Angelegenheiten<br />
souveräner Staaten einzumischen.<br />
Das kann zum Beispiel so<br />
vor sich gehen, daß die DW die Opposition<br />
in Staaten stärkt, die Regierungen<br />
haben, die dem Westen mißfallen.<br />
So erhielt die stellvertretende Leiterin<br />
der DW-China-Redaktion, Zhang Danhong,<br />
bereits Sprechverbot, weil sie<br />
sich zu wenig chinakritisch äußerte.<br />
Statt jedoch der Großmannssucht zu<br />
erliegen und Weltpolizist zu spielen,<br />
sollte sich der Auslandssender wieder<br />
auf die Vermittlung deutscher Sprache<br />
und Kultur konzentrieren. Das forderten<br />
wir in einer Aussendung. (Vergleiche<br />
auch „Mahnung an die <strong>Deutsche</strong><br />
Welle“, DSW 35, Seite 10.)<br />
Gewählte und „selbsternannte“<br />
Sprachwahrer<br />
Während wir für diese Stellungnahme<br />
von Sprachfreunden sehr viel Zustimmung<br />
erhielten und die meisten Medien<br />
unbefangen berichteten, war unser<br />
Einspruch für einige Journalisten wohl<br />
zuviel des Guten. Das Feuilleton der<br />
„Thüringer Allgemeinen“ (TA) wetterte<br />
am 11. März in einem Kommentar<br />
gegen „die selbsternannten Sprachwahrer<br />
von der Zeitung DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT“. – Das Wort „selbsternannt“<br />
tritt ja immer dann auf, wenn<br />
die Argumente fehlen: Man stellt dann<br />
einfach die Fähigkeiten des anderen<br />
in Frage. – Die TA brachte außerdem<br />
etwas durcheinander: Nicht wir hatten<br />
uns zu Sprachwahrern ernannt, sondern<br />
die Leser der DSW hatten andere<br />
zu Sprachwahrern des Jahres gewählt.<br />
Die TA schrieb weiter: „Sie kanzeln<br />
den Chef der <strong>Deutsche</strong>n Welle, Erik<br />
Bettermann, ab – in ihrem Altertümeldeutsch<br />
heißt das: sie verpassen ihm<br />
eine ‚peinliche Maulschelle‘ –, weil er<br />
den Sender verstärkt auf englisch senden<br />
lassen will; in derjenigen Sprache<br />
also, die ‚<strong>Sprachwelt</strong>‘-Chef Thomas<br />
Paulwitz als Quelle aller Deutschverhunzung<br />
ausgemacht hat.“ Es lebe das<br />
Vorurteil. Wer mir beweisen kann, daß<br />
ich irgendwo geäußert habe, daß Englisch<br />
die „Quelle aller Deutschverhunzung“<br />
ist, dem gebe ich ein Fäßlein<br />
besten fränkischen Bieres aus.<br />
„Fremdwörter wurden wie<br />
Menschen ausgemerzt“<br />
Noch eine Schublade tiefer griff der<br />
Feuilletonchef des Bremer Weser-Kuriers,<br />
Arnulf Marzluf. Er schrieb am<br />
12. März 2009 in seinem Blatt:<br />
Die DEUTSCHE SPRACHWELT gibt<br />
bekannt: „Die <strong>Deutsche</strong> Welle darf nicht<br />
amerikanisch werden.“ So pointiert<br />
kann sich Sprache ausdrücken, wenn<br />
sie die „<strong>Sprachwelt</strong>“ in den Mund nimmt.<br />
Wellen-Intendant Erik Bettermann hatte<br />
ja nur angekündigt, man wolle verstärkt<br />
auf englisch senden. Da Deutsch unter<br />
anderem vermutlich deshalb nicht Weltsprache<br />
geworden ist, weil deutsche<br />
Funktionäre dann doch zuviel Deutschtum<br />
im Blut hatten und die Völker andere<br />
Zungen vorzogen, liegt undeutsches<br />
Sprechen als Verständigungsmittel<br />
heute näher. Und der Fall hat uns die<br />
DEUTSCHE SPRACHWELT beschert,<br />
die trotz ihrer sprachlichen Beschränkung<br />
den feinen Unterschied zwischen<br />
dem Englischen und dem Amerikanischen<br />
kennt; und daß der Unterschied<br />
gar nicht immer nur in der Sprache liegt,<br />
sondern im Denken allgemein. Das weiß<br />
man aus der deutschen Vergangenheit,<br />
in der Fremdwörter ausgemerzt wurden<br />
wie Menschen. Die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT beklagt nun, daß die<br />
<strong>Deutsche</strong> Welle zu allem Überfluß auch<br />
noch „Sachwalter der Menschenrechte“<br />
sein wolle und nennt den ganzen Vorgang<br />
Amerikanisierung der Welle. 1945<br />
nicht verwunden? Das nennt man nachhaltiges<br />
Denken.<br />
und rufen unsere Leser zum Protest auf<br />
Watch your Deutsch!<br />
Die Bundesregierung läßt auf Jugendliche den „Webman“ los<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
s geht auch anders. „Starker Wille statt Promille“<br />
E heißt seit Mai die Aufklärungskampagne des Bayerischen<br />
Gesundheitsministeriums gegen Alkoholmißbrauch<br />
bei Jugendlichen. Zehn Jahre lang war sie unter<br />
englischen Vorzeichen gelaufen. Daher hieß es bislang<br />
an den bayerischen Schulen: „Be hard, drink soft“. Nun<br />
war Bürgerprotest aus zwei Gründen erfolgreich: Der<br />
Münchner Merkur, eine regionale Tageszeitung, gab<br />
ihm eine Stimme, und er traf auf einen aufgeschlossenen<br />
Minister.<br />
Sprachsünder Ecke An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind,<br />
Der Merkur rief seine Leser dazu auf, Vorschläge für einen<br />
verständlichen deutschen Spruch einzusenden. Über<br />
sechzig Vorschläge kamen zusammen, darunter recht<br />
geistreiche wie „Sei schlau, nicht blau“. Der bayerische<br />
Gesundheitsminister Markus Söder entschied sich als<br />
Ein-Mann-Preisgericht für „Starker Wille statt Promille“.<br />
Die neue Namensfindung kostete das Ministerium im<br />
Gegensatz zur vorherigen nur einen Blumenstrauß. Der<br />
neue Spruch soll so bald wie möglich den alten ersetzen.<br />
Söder setzt damit lediglich einen Beschluß des Bayerischen<br />
Landtages aus dem Jahr 2004 um (Drucksache<br />
15/1046), der lautet: „Die Staatsregierung wird aufgefordert,<br />
… den Gebrauch von fremdsprachlichen Begriffen<br />
auf ein Mindestmaß zu beschränken.“ Daran hält sich die<br />
Regierung leider nicht immer. Das Sozialministerium hat<br />
zum Beispiel das Programm „Fit for Work“ aufgelegt,<br />
das Landwirtschaftsministerium gibt eine Broschüre<br />
„Cross Compliance 2009“ heraus, und das Kultusministerium<br />
unterstützt den Wettbewerb „EarSinn – Ohren<br />
auf und durch!“ – Der Irrsinn kennt keine Grenzen.<br />
Natürlich ist Fremdwörtersucht keine bayerische Besonderheit.<br />
Auch die Bundesregierung flüchtet zuweilen<br />
aus der deutschen Sprache. Jüngstes Beispiel ist<br />
die Kampagne „watch your web“ (etwa: „Paß auf dein<br />
Netz auf“). Die Initiative geht vom Familien- und vom<br />
Verbraucherschutzministerium aus und richtet sich an<br />
Da war sie endlich, die beliebte Nazikeule.<br />
Ein Leser aus Bremen schrieb<br />
mir: „Tja, lieber Herr Paulwitz, da<br />
stehen Sie – der potentielle Massenmörder<br />
– also mit rauchender Maschinenpistole<br />
am Massengrab.“ Unser Leser<br />
schrieb dem Feuilletonchef einen<br />
Leserbrief, der freilich nie erschien.<br />
Marzluf rechtfertigte sich ihm gegenüber<br />
mit Hilfe eines Adorno-Zitats:<br />
„Fremdwörter sind die Juden der Sprache“.<br />
Ob Marzluf weiß, daß Eduard<br />
Engel, der Verfasser des Werkes<br />
„<strong>Deutsche</strong> Stilkunst“ (1911) und des<br />
Verdeutschungswörterbuchs „Entwelschung“<br />
(1917), der die Fremdwörter<br />
mit großer Leidenschaft bekämpfte,<br />
ein Jude war?<br />
Kritik ohne Absender?<br />
Aber auch die <strong>Deutsche</strong> Welle selbst<br />
meldete sich. Ansgar Burghof (SPD),<br />
der Leiter der Intendanz, der in der<br />
Hierarchie gleich nach dem Intendanten<br />
Bettermann (SPD) kommt, schrieb mir<br />
am 11. März einen bösen Brief. Dieser<br />
ging auch an den Evangelischen Pressedienst<br />
(epd), eine Nachrichtenagentur,<br />
die offenbar nachgefragt hatte.<br />
Der Presse entnehmen wir, dass Sie<br />
eine Mitarbeiterinitiative der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Welle zum „Sprachwahrer des Jahres“<br />
gewählt haben. Ich möchte darauf hinweisen,<br />
dass es eine solche Mitarbeiterinitiative<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Welle nicht<br />
gibt. Sie berufen sich offensichtlich auf<br />
ein Papier, das unter dem Absender<br />
„Pro <strong>Deutsche</strong> Welle“ anonym verbreitet<br />
wurde. Dass sie [!] anonyme Papiere<br />
auszeichnen, verwundert. Insofern geht<br />
auch Ihre Kritik der „Amerikanisierung“<br />
ins Leere. Nicht nur, dass sie nicht<br />
stimmt – sie hat auch keinen Absender.<br />
Wer sich mit den Planungen der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Welle befasst, wird zu der Auffassung<br />
gelangen, dass solch ungeprüfte<br />
Vorwürfe vollkommen ungerechtfertigt<br />
sind. In dem Zusammenhang auch noch<br />
von „Großmannssucht“ zu schwadronieren,<br />
zielt an der Wirklichkeit vollends<br />
vorbei. Dass die DEUTSCHE SPRACH-<br />
WELT auf derart windiger Grundlage<br />
eine Wahl vornimmt, fällt nun doch auf<br />
den Auslober zurück.<br />
Hier lernen wir eine weitere Möglichkeit<br />
kennen, wie man sich vor der<br />
Auseinandersetzung mit Argumenten<br />
drücken kann: Man leugnet einfach,<br />
Jugendliche. Sie will vor den Gefahren warnen, die eine<br />
unbedachte Preisgabe persönlicher Daten birgt. So läßt<br />
die Bundesregierung einen in Lila gekleideten „Webman“<br />
gegen den orangen „Data Devil“ antreten. Die<br />
Regierenden wollen sich bei den Jugendlichen anbiedern<br />
und machen sich dabei mit einer bemüht jugendlichen<br />
Sprache lächerlich. Dazu ahmen sie die anglisierte<br />
Werbesprache nach, deren erstes Ziel bekanntlich nicht<br />
die Verständlichkeit ist, sondern die Vernebelung des<br />
Denkens, um Konsumgefühle zu wecken. Wir lesen von<br />
„Tutorials“ (Anleitungen), von „adden“ (hinzufügen)<br />
und so weiter. Ein Testergebnis fängt so an: „Uh-oh!<br />
Danger!“ (Achtung, Gefahr!). Kein Wunder, daß die<br />
Seitenbetreiber auch mit deutscher Rechtschreibung<br />
und Grammatik auf Kriegsfuß stehen: „zum warm machen“,<br />
„hoch geladene Inhalte“.<br />
Lassen wir den bayerischen Gesundheitsminister Markus<br />
Söder zu Wort kommen: „Es herrscht offenbar der<br />
Gedanke vor, daß man junge Menschen besonders dann<br />
anspricht, wenn man das alles in Englisch formuliert.<br />
… Ich glaube aber, das Gegenteil ist der Fall, denn am<br />
Schluß versteht keiner mehr etwas.“<br />
Fragen Sie Ilse Aigner, als Verbraucherschutzministerin<br />
mitverantwortlich für „watch your web“, ob<br />
sie es nötig hat, sich mit einer scheinbar jugendlichen<br />
Sprache anzubiedern. Fragen Sie Ilse Aigner,<br />
ob sie es nicht ihrem Parteifreund Markus Söder<br />
gleichtun und den fremdsprachigen Spruch durch<br />
einen deutschen austauschen möchte. Lassen Sie uns<br />
bitte ein Doppel zukommen:<br />
Sprachsünderin Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Wiesseer<br />
Straße 16, D-83703 Gmund am Tegernsee, Telefon:<br />
+49-(0)30-18529-0, Telefax: +49-(0)30-18529-3179,<br />
poststelle@bmelv.bund.de, www.bmelv.de<br />
daß es einen Kritiker gibt. Und wieder<br />
einmal spricht man dem anderen dünkelhaft<br />
das notwendige Fachwissen<br />
ab. Wenn man sieht, wie die Intendanz<br />
unliebsame Mitarbeiter innerhalb der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Welle maßregelt, kann man<br />
verstehen, warum die Initiative die Namen<br />
ihrer Mitglieder nicht preisgibt.<br />
Gleichwohl gibt es sie.<br />
Wir erinnern uns: Seit dem Winter<br />
2008/09 (DSW 34) steht der Intendant<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Welle in der<br />
Sprachsünder-Ecke der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT. Möglicherweise hatten<br />
die zahlreichen Protestschreiben<br />
unserer Leser die Genossen zermürbt.<br />
Schließlich geht es bei der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Welle um viel Macht und Geld – unser<br />
Geld. Auf beides will die DW-Sozi-<br />
Riege mit Sicherheit nicht verzichten.<br />
Daher rühren die harschen Worte.<br />
Selbstverständlich haben wir selbst<br />
nicht „ungeprüft“ Vorwürfe erhoben,<br />
sondern uns ausgiebig mit den Planungen<br />
befaßt. Was Bettermann und<br />
Burghof vorhaben, kann jeder Bürger<br />
in der „Unterrichtung des Bundestages<br />
zur Aufgabenplanung 2010 bis 2013“<br />
nachlesen (Drucksache 16/118<strong>36</strong>). So<br />
kommt man nicht aus der Sprachsünderecke,<br />
liebe Genossen. Lieber sollte<br />
der Steuerzahler die Mittel für die<br />
<strong>Deutsche</strong> Welle kürzen, als Geld für<br />
eine Politik bereitzustellen, die gegen<br />
die deutsche Sprache und Kultur gerichtet<br />
ist.<br />
Sprachsünder Erik Bettermann, Intendant,<br />
oder Dr. Ansgar Burghof, Leiter<br />
der Intendanz, <strong>Deutsche</strong> Welle – Anstalt<br />
des öffentlichen Rechts, D-53110<br />
Bonn, Telefon: +49-(0)228-429-2009,<br />
Telefax: +49-(0)228-429-2080, info@<br />
dw-world.de, Ansgar.Burghof@dwworld.de,<br />
www.dw-world.de<br />
Bravo, Herr<br />
Dr. Krötsch!<br />
L<br />
iebe Leser, heute erleben Sie<br />
eine Erstaufführung: Wir stellen<br />
Ihnen den ersten Sprachsünder vor,<br />
den wir feierlich aus der Sprachsünder-Ecke<br />
entlassen. In der vergangenen<br />
Ausgabe hatten wir Dr. Ulrich<br />
Krötsch, den Präsidenten der Bundesapothekerkammer<br />
und der Bayerischen<br />
Landesapothekerkammer,<br />
in die Sprachsünder-Ecke gestellt.<br />
Krötsch kennt jedoch die Arznei, mit<br />
der er dieses Mal entfernen kann. Am<br />
24. April dieses Jahres schrieb er an<br />
die DEUTSCHE SPRACHWELT:<br />
Bild: ABDA – Bundesvereinigung<br />
<strong>Deutsche</strong>r<br />
Apothekerverbände<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009<br />
Auf Ihren Artikel in<br />
der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT<br />
darf ich Ihnen<br />
antworten, daß<br />
ich zukünftig darauf<br />
achten werde,<br />
englische Abkürzungen<br />
tunlichst<br />
zu vermeiden.<br />
Ohne Vorbehalt<br />
unterstütze ich<br />
Ihr Anliegen, die deutsche Sprache<br />
hochzuhalten. Leider kam dieses<br />
unglückliche Zitat durch eine Vermengung<br />
mündlicher Aussagen und<br />
schriftlicher Bezugnahme auf einen<br />
englischsprachigen Artikel zustande,<br />
ohne daß ich noch einmal Korrektur<br />
lesen konnte.<br />
Mit freundlichen Grüße<br />
Dr. Ulrich Krötsch<br />
Wie selten erleben wir die menschliche<br />
Größe, einen Fehler einzugestehen.<br />
Allein dies verdient bereits Anerkennung.<br />
Ich danke herzlich allen<br />
Lesern, die mit ihren Briefen mitgeholfen<br />
haben, das Sprachbewußtsein<br />
zu schärfen. Machen Sie bitter weiter<br />
so und freuen Sie sich bitte mit mir<br />
über diesen Erfolg!<br />
Ihr Thomas Paulwitz<br />
<strong>Deutsche</strong><br />
Wortwelt<br />
Das entbehrliche Fremdwort<br />
Sale<br />
Schluß mit dem Ausverkauf<br />
der deutschen Sprache! Nein,<br />
„Sale“ ist kein Fluß, sondern<br />
das Schämwort für den<br />
Schlußverkauf.<br />
Das richtig geschriebene Wort<br />
hanebüchen<br />
Gerne gönnt man dem Wort<br />
ein „h“, so daß es zu „hahnebüchen“<br />
wird. Es hat aber ursprünglich<br />
nichts mit Hähnen<br />
zu tun, sondern mit der Hainbuche.<br />
Richtig ist also „hanebüchen“.<br />
Das treffende Wort<br />
mehrfach / mehrmals<br />
Die Wörter „mehrfach“ und<br />
„mehrmals“ bedeuten keineswegs<br />
dasselbe, denn Mehrfaches<br />
findet gleichzeitig statt,<br />
Mehrmaliges jedoch einzeln<br />
nacheinander.<br />
Das richtig gebeugte Wort<br />
gehangen/gehängt<br />
Ich habe die Wäsche „aufgehängt“,<br />
aber nicht „aufgehangen“.<br />
Das Bild hat dort „gehangen“,<br />
aber nicht „gehängt“:<br />
er hängt, hängte, hat etwas<br />
gehängt – er hängt, hing, hat<br />
selbst gehangen.<br />
Das wiederentdeckte Wort<br />
Volk<br />
Die Ersatzwörter „Bevölkerung“<br />
und „Gesellschaft“ haben<br />
das Wort „Volk“ aus dem<br />
Sprachgebrauch verdrängt.<br />
Beinahe haftet ihm schon etwas<br />
Anrüchiges an. Es ist aber<br />
deutsch und deutlich und völlig<br />
verfassungsgemäß!<br />
Welche weiteren Wörter sollten<br />
in dieser Wortwelt stehen?<br />
Schreiben Sie uns!<br />
Anzeigen
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009 Anstöße<br />
Seite 11<br />
Bald wird der Bundestag Verständlichkeit fordern<br />
Abgeordnete Gitta Connemann bei der Aktion <strong>Deutsche</strong> Sprache<br />
Von Rolf Zick<br />
D<br />
ie korrekte Benennung, Bezeichnung<br />
und damit auch<br />
das Verständnis dessen, über das wir<br />
reden, ist unentbehrlich. Ein entsprechender<br />
Antrag wird noch vor Ende<br />
der Legislaturperiode eingebracht<br />
werden können und von allen Abgeordneten<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages<br />
unterstützt werden.“ Das kündigte<br />
die CDU-Bundestagsabgeordnete<br />
Gitta Connemann Ende Mai vor der<br />
Aktion <strong>Deutsche</strong> Sprache in Hannover<br />
an.<br />
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung<br />
in Deutschland ist des Englischen<br />
nicht mächtig. Die zunehmende<br />
Verwendung von Englisch, besonders<br />
aber von Anglizismen und der<br />
Mischmasch mit der deutschen Sprache<br />
bringen für sie große Verständigungs-<br />
und Verständnisprobleme im<br />
Alltag. Sie werden verunsichert und,<br />
noch schlimmer, zunehmend ausgegrenzt.<br />
Darauf wies Connemann hin.<br />
Die Vorsitzende der Enquête-Kommission<br />
„Kultur in Deutschland“<br />
und Mitbegründerin der Initiative<br />
Sprachlicher Verbraucherschutz, zu<br />
deren Initiatoren noch die CDU-Bundestagsabgeordneten<br />
Julia Klöckner,<br />
Peter Bleser, Laurenz Meyer und Erika<br />
Steinbach gehören, stellte beim<br />
Sprachtreff der Aktion <strong>Deutsche</strong><br />
Sprache das Leitbild des mündigen,<br />
selbständigen Verbrauchers vor. Sie<br />
betonte, für eine moderne Verbraucherpolitik<br />
und einen effektiven Verbraucherschutz<br />
sei eine verständliche<br />
Sprache die Voraussetzung. „Es muß<br />
im Alltag wieder selbstverständlich<br />
werden, daß man sich als Verbraucher<br />
in Deutschland mit der Beherrschung<br />
ausschließlich der deutschen<br />
Nachruf auf Annedore Zschiedrich<br />
Die wohl älteste DSW-Leserin ist kurz nach ihrem 100. Geburtstag gestorben<br />
Von Sieghard Kosel<br />
m März, am 13. Tag des Frühling<br />
I verheißenden Monats, feierten wir<br />
in Bautzen den 100. Geburtstag von Annedore<br />
Zschiedrich, Ehrenmitglied des<br />
Sprachrettungsklubs Bautzen/Oberlausitz.<br />
Drei Monate später mußten wir<br />
sie voller Trauer zu Grabe tragen. Annedore<br />
Zschiedrich war das, was man<br />
belesen zu nennen pflegt, doch stellte<br />
sie ihre literarische Bildung nicht –<br />
was so mancher gerne zu tun trachtet –<br />
zur Schau. Vor Jahren fesselte sie eine<br />
Krankheit, die sich mit dem fortschreitenden,<br />
hohen Alter einstellte, ans Bett.<br />
„In dieser Zeit habe ich zwanzig Bücher<br />
gelesen“, sagte sie.<br />
Was auf der Welt, was im engeren<br />
Umfeld sich so tat, das wollte sie wissen.<br />
Und so war sie, ungeachtet spürbarer<br />
körperlicher Anstrengungen,<br />
bei den regelmäßigen, monatlichen<br />
Begegnungen des Bautzener Sprachklubs<br />
dabei, lauschte den thematisch<br />
weit angelegten Vorträgen, folgte interessiert<br />
den Gesprächen und bedauerte<br />
es immer wieder, daß sie selbst<br />
nicht mehr allzu viel beizutragen<br />
vermochte zur sprichwörtlichen fami-<br />
Der Bautzener Theater-Intendant Lutz<br />
Hillmann beglückwünschte Annedore<br />
Zschiedrich wenige Monate vor ihrem<br />
Tod zu ihrem 100. Geburtstag Bild: privat<br />
liären, sprachfamiliären Atmosphäre<br />
der Klubbegegnungen. Indes war allein<br />
ihre Teilnahme an sich schon eine<br />
Bereicherung: Da strahlte Lebenserfahrung,<br />
ein in Kultur gelebtes, der<br />
Sprache gewidmetes Leben aus.<br />
83jährig spielte sie noch im Stück<br />
„Acht Frauen“ und gab in den 1980er<br />
Jahren am Bautzener Theater, wohin es<br />
sie zuletzt verschlug, die Großmutter<br />
im damals im Osten weit verbreiteten<br />
Stück nach Maxi Wanders Erfolgsbuch<br />
Sprache zurechtfindet“, sagte die Politikerin.<br />
In Flughäfen und Bahnhöfen sei<br />
Deutsch inzwischen zur Randsprache<br />
verkommen. Ähnlich gehe es<br />
bei der <strong>Deutsche</strong>n Bahn zu. Täglich<br />
würden Millionen von Menschen,<br />
die nur der deutschen Sprache mächtig<br />
sind, ausgegrenzt. Das betreffe<br />
besonders Menschen mit geringerer<br />
Bildungsqualifikation, ältere Menschen,<br />
ebenso ehemalige DDR-Bürger<br />
oder Menschen mit sogenanntem<br />
„Migrationshintergrund“. Hilflosigkeit,<br />
Unkenntnis und Angst vor<br />
Bloßstellungen seien die Folgen für<br />
die Betroffenen, sagte Gitta Connemann.<br />
Und dann erzählte sie, wie sie<br />
als Mitglied des Kreistages in Leer<br />
in Ostfriesland kürzlich erlebte, daß<br />
der Landrat eine gemeinsame Er-<br />
„Guten Morgen Du Schöne“. Ein reiches<br />
Schauspielerleben liegt hinter ihr,<br />
gefüllt mit Engagements an verschiedenen<br />
Theatern, immer bestimmt vom<br />
übergreifenden Engagement für die<br />
deutsche Sprache. Annedore Zschiedrich<br />
nannte das zehnjährige Bestehen<br />
des Sprachrettungsklubs Bautzen /<br />
Oberlausitz „einen Höhepunkt“, gehörte<br />
sie doch mit zu den Gründern<br />
dieses spontan aus der Not, aus der um<br />
sich greifenden Sprachverschluderung<br />
entstandenen Klubs.<br />
Annedore Zschiedrich, aus einer<br />
Schauspielerdynastie stammend, hatte<br />
drei Kinder, die sich alle ebenfalls<br />
dem Theater verschrieben haben oder<br />
hatten. Ihr 100. Geburtstag vereinte<br />
darum neben den Kindern auch Theaterleute<br />
aus Bautzen. Und die „Sprachretter“<br />
waren mittendrin. Es ging der<br />
Jubilarin, geistig hellwach, wenn auch<br />
körperlich von Krankheit gezeichnet,<br />
ums gesprochene, ums geschriebene<br />
Wort, um gepflegte Sprache. So war<br />
das Leben der nun verstorbenen Annedore<br />
Zschiedrich auch ein Leben<br />
für die deutsche Sprache.<br />
klärung mit dem niedersächsischen<br />
Wirtschaftsministerium als „Letter<br />
of Intent“ bezeichnete. Die Mehrheit<br />
des Kreistages wußte nicht, wovon<br />
er redete. „Ein Vorwurf ist diesen<br />
Kollegen nicht zu machen, denn die<br />
Amtssprache in Deutschland ist nach<br />
wie vor Deutsch – und deswegen<br />
sollten wir es auch pflegen“, betonte<br />
die Politikerin.<br />
Vor diesem Hintergrund habe die<br />
CDU/CSU-Bundestagsfraktion gefordert,<br />
die Rahmenbedingungen<br />
des Alltags für alle so zu gestalten,<br />
daß sie nicht von Informationen<br />
ausgegrenzt werden. Hier habe die<br />
Bundesregierung Vorbildcharakter.<br />
Gesetzestexte, Verlautbarungen,<br />
Werbekampagnen der Regierungen,<br />
Veröffentlichungen aller Art sowie<br />
auch weitergehende Verständigung<br />
Tschechische<br />
Sprachpflege<br />
Von Rudolf Erler<br />
M<br />
an könnt’ sich ja auch manchmal<br />
aufregen über heutigen<br />
Sprachunfug, bis der Kreislauf zusammenbricht;<br />
oder sich totlachen.<br />
Dem vorgebeugt hat der Sprachrettungsklub<br />
Bautzen/Oberlausitz durch<br />
seine Arbeitsmethode der „fröhlichen<br />
Aggressivität“. Und gelegentlich ist<br />
ein Blick über den Tellerrand, sprich<br />
über die Ländergrenzen, ganz hilfreich.<br />
So luden wir zu einem Vortrag<br />
über „Tschechische Sprachpflege vom<br />
Mittelalter bis heute“ Prof. Dr. Ludger<br />
Udolph vom Institut für Slawistik der<br />
Technischen Universität Dresden ein.<br />
Der in der Nähe von Bautzen wohnende,<br />
seit 1992 in Dresden lehrende<br />
Westfale mit sächsisch-schlesischen<br />
Wurzeln zog schon nach wenigen<br />
Sätzen die Zuhörer in seinen Bann.<br />
So wurde uns unter anderem bewußt,<br />
daß das doch recht kleine Sprachvolk<br />
der Tschechen über Jahrhunderte einen<br />
immerwährenden Kampf um die Erhaltung<br />
seiner Sprache führen mußte.<br />
Wir zittern und zetern heute, wenn wissenschaftliche<br />
Vorträge auf deutscher<br />
Bühne auf englisch gehalten werden.<br />
Anzeigen<br />
mit den Bürgern sollen in verständlicher<br />
und deutscher Sprache abgefaßt<br />
sein. Die Bundesregierung müsse<br />
als Anteilseigner, Genehmigungsbehörde<br />
oder Geldgeber Einfluß<br />
auf eine durchgehende Verwendung<br />
der deutschen Sprache etwa in Beschilderungen,<br />
Leitsystemen nehmen,<br />
beispielsweise in öffentlichen<br />
Gebäuden, Flughäfen, Bahnhöfen.<br />
Schließlich appelliert die Enquête-<br />
Kommission an die Spitzenverbände<br />
der deutschen Wirtschaft, daß Gebrauchs-<br />
und Betriebsanleitungen,<br />
Bedienelemente sowie die Garantievoraussetzungen<br />
eines Erzeugnisses<br />
auch in deutscher, verständlicher<br />
Sprache zu finden sind. Gerade die<br />
jetzige Finanzkrise zeige, welche<br />
verheerenden Folgen die Verwendung<br />
unverständlicher Bezeichnungen<br />
haben kann.<br />
In Böhmen sprach man bis zum 13.<br />
Jahrhundert Tschechisch nur auf dem<br />
Lande, sonst herrschten Latein und<br />
Deutsch vor. Wußten Sie, daß König<br />
Wenzel eigentlich kein Tschechisch<br />
konnte? Seine persönliche Bibel war in<br />
Deutsch geschrieben. Trotzdem kamen<br />
immer wieder einflußreiche Personen<br />
oder Vereinigungen zum Zuge, die<br />
die Übermacht des <strong>Deutsche</strong>n zurückdrängten.<br />
Eine Schlüsselrolle nahm die<br />
Kirche ein, die von den Geistlichen die<br />
Abhaltung der Gottesdienste auf tschechisch<br />
forderte.<br />
Rudolf Erler gehört dem Sprachrettungsklub<br />
Bautzen/Oberlausitz an.<br />
Anmerkung der Schriftleitung:<br />
Heute ist in der Tschechischen Republik<br />
Deutsch hinter Englisch zurückgefallen.<br />
Zwischen 2000 und 2005<br />
ging laut der „Ständigen Arbeitsgruppe<br />
Deutsch als Fremdsprache“ die<br />
Zahl von Deutschlernern signifikant<br />
zurück: an den Schulen von 624.000<br />
auf 497.000, an den Universitäten von<br />
125.000 auf 35.000. Neuere Zahlen<br />
gibt es nicht. (dsw)<br />
Weltweite Verständigung<br />
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Seite 12 Bunte Seite<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
ie <strong>Deutsche</strong>n lieben ihre Spra-<br />
D che. Mit dieser „bahnbrechenden“<br />
Erkenntnis ging das Institut für<br />
deutsche Sprache in Mannheim (IDS)<br />
am 17. Juni dieses Jahres an die Öffentlichkeit.<br />
IDS-Direktor Ludwig M.<br />
Eichinger erklärte, daß er überrascht<br />
sei von dem „unglaublich positiven<br />
Urteil“ über die eigene Sprache. Warum<br />
hat er nicht vorher mit uns gesprochen?<br />
Wir Sprachschützer hätten es<br />
ihm kostenlos bestätigt. Schließlich<br />
veranlaßt die Liebe zur Muttersprache<br />
seit ungefähr zehn Jahren immer<br />
mehr Menschen dazu, sich für die<br />
deutsche Sprache einzusetzen.<br />
Das IDS überging außerdem eine<br />
Untersuchung des Instituts für Demoskopie<br />
(IfD) in Allensbach, veröffentlicht<br />
am 13. Juni 2008 von<br />
der – ebenfalls steuerfinanzierten<br />
– Gesellschaft für deutsche Sprache<br />
(GfdS). „Wie denken die <strong>Deutsche</strong>n<br />
über ihre Muttersprache und über<br />
Fremdsprachen?“ hatte die Leitfrage<br />
dieser repräsentativen IfD-Umfrage<br />
gelautet. Dessen ungeachtet kündigte<br />
das IDS nur einen Monat später,<br />
am 15. Juli 2008, seine eigene Untersuchung<br />
an, deren Ergebnisse jetzt<br />
vorliegen. Das Aufwärmen derselben<br />
Fragestellung beschrieb das IDS folgendermaßen:<br />
„Damit betritt das<br />
Projekt Neuland, denn eine umfassende<br />
Erhebung und Analyse aktuel-<br />
S<br />
Ein Turm<br />
der deutschen<br />
Sprache<br />
Von Dagmar Schmauks<br />
DSW-Silbenrätsel<br />
1. umkippende Hebevorrichtung – 2. blökende Krawatte – 3. vier schalkhafte<br />
Musiker – 4. Zeitpunkt, ab dem die Hühner keine Eier mehr produzieren – 5.<br />
unbehaart und gierig essen – 6. Gruppe eng verwandter Gauner – 7. wenn das<br />
Geld wegläuft – 8. Festnahme von Landwirten – 9. Vorrichtung zum Anhalten von<br />
Nutztieren – 10. Zimmer für absonderliche Menschen – 11. Fuß eines weiblichen<br />
Hausschweins – 12. Erholungsaufenthalt für Beerenfrüchte – 13. Sehorgane säubern<br />
– 14. Kleidungsstück für Personen, die auf Pferde setzen – 15. magischer<br />
Beleuchtungskörper – 16. laut platzender Lurch – 17. Behälter für allerfeinste<br />
Teilchen – 18. leise gehender Nachkomme – 19. Stellmöbel für ein lateinisches<br />
S<br />
hopping, Shipping,<br />
Photoshooting, Routing,<br />
Ranking, Screening,<br />
Marketing, Walking, Stalking,<br />
Watching, Mindmapping,<br />
Controlling – die Liste<br />
der „-ing-Wörter“, die aus<br />
dem Englischen entliehen sind, aber<br />
alle eine deutsche Entsprechung haben,<br />
ließe sich unendlich fortführen.<br />
Doch allein diese wenigen Beispiele<br />
sollten uns bewußtmachen, wie wir<br />
uns langsam von unserer Sprache<br />
abseilen.<br />
Abseilen? Moment mal, gibt es dafür<br />
nicht längst ein englisches Wort?<br />
Richtig, wer seinen Urlaub in Österreich<br />
oder Süddeutschland verbracht<br />
hat, wird den Rückimport dieses alten<br />
deutschen Wortes aus dem Englischen,<br />
wenn auch mit einer winzigen<br />
Veränderung, bestätigen können: Ein<br />
angeblich neuer Sport, der aber uralt<br />
ist, heißt seit geraumer Zeit Abseiling!<br />
Wer also den mühsamen Aufstieg<br />
zum Gipfel der Bildung scheut<br />
– zum Beispiel dadurch, daß er korrektes<br />
Deutsch oder Englisch lernt –<br />
kann nun wenigstens das Abseilen auf<br />
Zeugnis – 20. Lockruf für den ersten Buchstaben des Alphabets – 21. nicht sehr<br />
warmer Brustkorbknochen – 22. jemand, der in Zwischenräumen bereut – 23.<br />
nach Edelmetall ausspähen – 24. gereimte Hochzeiten – 25. hochprozentiger Einfall<br />
– 26. zur Musik sich drehende Denker – 27. Häuschen für Kopflauseier – 28.<br />
klebriges Zahlungsmittel – 29. Kampf auf sumpfigem Boden – 30. Nasen von<br />
Betrügern (umgangssprachlich)<br />
au – aus – ban – bau – be – ben – ber – bin – blick – brem – bü – cher – de –<br />
de – de – dee – der – der – di – e – en – erb – ern – fa – fall – fän – fäß – flucht<br />
– fraß – frosch – gau – ge – ge – geld – gen – gen – hen – hüt – i – ka – kahl<br />
– ken – ken – klau – knall – kom – kühl – kur – lam – le – li – lük – ma – ma<br />
– mäh – man – mi – ner – nis – pe – pe – pi – plo – quar – rei – rei – rip – sau<br />
– sche – schlacht – schlamm – schlei – schmier – schnaps – se – se – se – sen –<br />
sil – spinn – staub – streich – stu – ßer – tal – tanz – te – tel – ter – tett – tisch<br />
– trau – ver – vieh – wei – wet – wi – win – wun – zin<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>36</strong>_Sommer 2009<br />
Binsenweisheiten von Sprachbürokraten<br />
Eine teure Untersuchung des Instituts für <strong>Deutsche</strong> Sprache bringt wenig Neues<br />
Bild: pau<br />
eit kurzem kann der Pegnesische<br />
Blumenorden, die 1644 gegründete<br />
Nürnberger Sprachgesellschaft,<br />
einen Turm in der Nürnberger Stadtmauer<br />
mitnutzen. Es handelt sich um<br />
den sogenannten Bürgermeisterturm,<br />
der bereits mehrere hundert Jahre alt<br />
ist. Er befindet sich in der Nähe des<br />
Dürerhauses. Das gemütliche, mit<br />
dunklem Holz verkleidete Turmzim-<br />
ler Spracheinstellungen in Deutschland<br />
gibt es bisher nicht.“<br />
275 000 Euro kostet die<br />
Meinungsumfrage<br />
Doch das IDS hatte es ja gar nicht<br />
nötig, uns zu fragen oder andere<br />
Untersuchungen heranzuziehen.<br />
Schließlich kann sich das Institut aus<br />
einem prallen Förderfaß mit 275 000<br />
Euro bedienen, großzügig befüllt von<br />
der Volkswagen-Stiftung. Über eine<br />
Viertelmillion Euro kann das IDS<br />
zusammen mit dem Institut für Sozialpsychologie<br />
der Universität Mannheim<br />
verbraten: für die „Erkundung<br />
und Analyse aktueller Spracheinstellungen<br />
in Deutschland“!<br />
Dem ehrenamtlichen Sprachschützer,<br />
der sich für Gotteslohn bei Wind<br />
und Wetter auf die Straße stellt und<br />
unermüdlich für die deutsche Sprache<br />
trommelt, können bei einer solchen<br />
Summe nur die Tränen kommen.<br />
Weiß er doch wesentlich besser<br />
über die „Einstellungen zur Sprache“<br />
Bescheid als die Sprachbürokraten in<br />
ihren Elfenbeintürmen! Warum hat<br />
man ihn nicht gefragt? Er hätte aus<br />
seiner Erfahrung heraus die folgenden<br />
Ergebnisse nur bestätigen können:<br />
87 Prozent der Befragten gefällt<br />
die deutsche Sprache gut bis sehr<br />
gut. 56 Prozent empfinden Stolz, 47<br />
mer hat Bürgermeister Georg von<br />
Schuh (1846 bis 1918) einrichten lassen.<br />
Nun entsteht hier gewissermaßen<br />
ein Turm der deutschen Sprache.<br />
Donnerstags veranstaltet Reingard<br />
Fuchs Märchenstunden. Mittwochs<br />
kann der Blumenorden den Turm behausen.<br />
So finden dort künftig auch<br />
die Sitzungen des Sprachausschusses<br />
statt. Wer eine solche Sitzung<br />
mit seiner Anwesenheit bereichern<br />
möchte, möge sich bitte bei Thomas<br />
Paulwitz, dem Ausschußvorsitzenden<br />
und Ordensrat für Sprachpflege, melden.<br />
(dsw)<br />
Thomas.Paulwitz@<br />
deutsche-sprachwelt.de<br />
A<br />
Edda Moser<br />
geehrt<br />
m 29. Juni dieses Jahres gab<br />
es im <strong>Deutsche</strong>n Bundestag in<br />
Berlin die Gelegenheit, der Kammersängerin<br />
Edda Moser die Sprachwahrer-Urkunde<br />
zu überreichen. Die<br />
Leser der DEUTSCHEN SPRACH-<br />
WELT hatten sie zur „Sprachwahrerin<br />
des Jahres“ gewählt, weil sie<br />
2006 das Festspiel der deutschen<br />
Sprache begründete und seither lei-<br />
Auch in diesem Jahr strömten wieder zahlreiche Besucher an den Stand,<br />
den die DEUTSCHE SPRACHWELT auf der Leipziger Buchmesse hatte.<br />
Dort hätten die Sprachbürokraten viel über „Einstellungen zur Sprache“ erfahren<br />
können. Bild: pau<br />
Prozent Liebe für ihre Sprache. 78<br />
Prozent der <strong>Deutsche</strong>n finden, daß<br />
mehr für die deutsche Sprache getan<br />
werden sollte. Ein Gesetz zum<br />
Schutz der deutschen Sprache lehnen<br />
die meisten ab (58 Prozent).<br />
Immer mehr interessieren<br />
sich für Sprachpflege<br />
Die Befragten beschreiben Deutsch<br />
als schön, anziehend, logisch, aber<br />
auch schwierig. Dreißig Prozent<br />
tet. In diesem Jahr findet es am 11.<br />
September wieder in Bad Lauchstädt<br />
statt. <strong>Sprachwelt</strong>-Mitarbeiter Diethold<br />
Tietz übergab Edda Moser die Urkunde<br />
anläßlich des Expertengesprächs<br />
„Sprache schafft Identität“. Die CDU/<br />
CSU-Bundestagsfraktion hatte dazu<br />
eingeladen. Ein wesentliches Ergebnis<br />
des Gesprächs war die gemeinsame<br />
Forderung, die deutsche<br />
Sprache in der kommenden Legislaturperiode<br />
ins Grundgesetz aufzunehmen.<br />
Hinter Edda Moser ist Hans<br />
Zehetmair zu sehen, der Vorsitzende<br />
des Rechtschreibrats. (dsw)<br />
Bild: Tietz/Schleyer<br />
sind der Ansicht, die Entwicklung<br />
der deutschen Sprache sei „eher besorgniserregend“<br />
oder „sehr besorgniserregend“.<br />
Nur 16 Prozent finden<br />
die Veränderungen „eher erfreulich“<br />
oder „sehr erfreulich“. Das alles sind<br />
für jeden Sprachkämpfer Binsenweisheiten,<br />
tausendfach erfahren an<br />
zahllosen Informationsständen und<br />
-veranstaltungen.<br />
Der Sprachschützer, der nicht gefragt<br />
wurde, kann sich wenigstens<br />
bestätigt fühlen. Außerdem kann er<br />
sich über offensichtliche Erfolge seiner<br />
Arbeit freuen: Während 1997/98<br />
nur 13 Prozent der <strong>Deutsche</strong>n großes<br />
Interesse an der Pflege der deutschen<br />
Sprache bekundeten, sind es heute<br />
35 Prozent. Fielen damals noch 53<br />
Prozent der <strong>Deutsche</strong>n Veränderungen<br />
in der deutschen Sprache auf, so<br />
sind es heute 84.<br />
Das ist beileibe nicht das Verdienst<br />
des IDS, das mit dem Verbrechen<br />
der Rechtschreibreform große<br />
Schuld auf sich geladen hat, sondern<br />
das der Sprachschützer, die immer<br />
wieder den Finger in die Wunde<br />
legen und für ein stärkeres Sprachbewußtsein<br />
kämpfen. Mehr als ein<br />
Dutzend Sprachvereine gründeten<br />
sich seit 1997, auch weil die steuerfinanzierten<br />
Einrichtungen auf dem<br />
Gebiet der Sprachpflege kläglich<br />
versagten.<br />
Untersuchungen zu „Meinungen und<br />
Einstellungen“ sind zwar schön und<br />
unterhaltsam, bringen uns aber nicht<br />
wesentlich weiter, weil sie lediglich<br />
Bekanntes bestätigen und Kräfte binden.<br />
Was wir benötigen, sind handfeste<br />
sprachpolitische Maßnahmen,<br />
um die deutsche Sprache zu stärken.<br />
Alles andere ist hinausgeworfenes<br />
Geld und Beschäftigungstherapie für<br />
zahnlose Sprachbürokraten.<br />
Abseiling zum Abwracking<br />
denglisch betreiben. Wohin<br />
aber dieses Abseiling von<br />
unserer Muttersprache<br />
führt, ist auch klar: zum<br />
Abwracken – oder heißt es<br />
schon Abwracking? – eben<br />
dieser Sprache.<br />
Verkehrte Welt! Im Gegensatz zum<br />
jetzigen Abwracken alter Autos im<br />
Tausch gegen neue wird hier eine<br />
Kultursprache gegen eine Schrottsprache<br />
getauscht. Wer dafür aber<br />
eine Prämie erwartet, hat nichts verstanden,<br />
denn die Zeche bezahlen<br />
wir …<br />
Ihr Anglizismenmuffel<br />
Wolfgang Hildebrandt<br />
Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz<br />
ehrlich – Gedanken eines Anglizismenmuffels<br />
über Überflüssiges im<br />
Überfluß, ISBN 978-3-929744-33-0,<br />
6,00 Euro (einschließlich Portokosten<br />
innerhalb Deutschlands). Bestellungen:<br />
Wolfgang Hildebrandt, Am<br />
Steingrab 20a, D-27628 Lehnstedt,<br />
Telefon +49-(0)4746-1069, Telefax<br />
+49-(0)4746-931432, hillesimm@tonline.de<br />
Lösungen: 1. Fallwinde – 2. Mähbinder –<br />
3. Streichquartett – 4. Legende – 5. Kahlfraß<br />
– 6. Familienbande – 7. Kapitalflucht<br />
– 8. Bauernfängerei – 9. Viehbremse – 10.<br />
Spinnstube – 11. Sauklaue – 12. Traubenkur<br />
– 13. Augenauswischerei – 14. Wettermantel<br />
– 15. Wunderlampe – 16. Knallfrosch<br />
– 17. Staubgefäß – 18. Erbschleicher – 19.<br />
diplomatisch – 20. Komma – 21. Kühlrippe<br />
– 22. Lückenbüßer – 23. Silberblick – 24.<br />
Versehen – 25. Schnapsidee – 26. Tanzweise<br />
– 27. Nissenhütte – 28. Schmiergeld – 29.<br />
Schlammschlacht – 30. Gaunerzinken<br />
Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle<br />
für Semiotik an der Technischen Universität<br />
Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft<br />
von den Zeichen.