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PDF 46 - Deutsche Sprachwelt

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AUSGABE <strong>46</strong><br />

Winter 2011/12<br />

12. Jahrgang – 4<br />

ISSN1439-8834<br />

(Ausgabe für Deutschland)<br />

E<br />

Kostenloser Aufkleber<br />

Bestellen Sie auf Seite 5!<br />

Demokratie<br />

Der Vizepräsident des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundestags, Eduard Oswald,<br />

betont die Verantwortung<br />

der Politik für die Sprache.<br />

Seite 5<br />

Bildung<br />

Wolfgang Hildebrandt schreibt<br />

über die bildungspolitischen<br />

Hintergründe der fehlenden<br />

Sprachtreue.<br />

Seite 7<br />

Gesichtserker<br />

Thomas Paulwitz entlarvt ein<br />

uraltes Märchen, das aus<br />

den Reihen der Verharmloser<br />

stammt.<br />

Seite 9<br />

Masuren<br />

Rominte van Thiel erklärt, warum<br />

man nicht „in die Masuren“<br />

fahren kann.<br />

Seite 12<br />

Rettungsschirm?<br />

inen staatlichen „Rettungsschirm“<br />

wie für Banken und überschuldete<br />

Staaten gibt es für die deutsche<br />

Sprache nicht. Daher danken wir<br />

sehr für Ihre Spende! Sie ermöglichen<br />

damit, daß die DEUTSCHE SPRACH-<br />

WELT trotz zunehmender Teuerung<br />

weiterhin viermal im Jahr erscheinen<br />

kann. Wir begrüßen außerdem mehr<br />

als zweitausend neue Leser, die in diesem<br />

Jahr zu uns gestoßen sind. Herzlich<br />

willkommen!<br />

Ihre Stimme zählt!<br />

x<br />

x<br />

Wer wird<br />

Sprachwahrer?<br />

Kleine<br />

Leserbefragung<br />

Seite 10<br />

Die Rechtschreibkrüppel kommen<br />

Von Thomas Paulwitz<br />

A<br />

uf dieses Wiedersehen mit „Opa<br />

Günta“ hätte ich gern verzichtet:<br />

Die erste Fibel für meinen Sohn wurde<br />

verfaßt „unter wissenschaftlicher Beratung<br />

von Günther Schweisthal“. Mit<br />

Grausen lese ich diesen Hinweis, als<br />

ich das Buch das erste Mal in die Hand<br />

nehme. Jener Mann ist für mich kein<br />

Unbekannter. Ich lernte ihn auf der<br />

Leipziger Buchmesse 2007 kennen. Er<br />

war Akademischer Direktor am Institut<br />

für Phonetik der Universität München<br />

und ist mitverantwortlich dafür, daß<br />

bayerische Grundschulen seit dem<br />

Schuljahr 2001/2002 das lauttreue, das<br />

sogenannte „Phonetische Schreiben“<br />

unterrichten.<br />

Dabei handelt es sich um den bayerischen<br />

Ableger der in ganz Deutschland<br />

verbreiteten Methode „Lesen durch<br />

Schreiben“ (LdS). Schweisthal befindet<br />

sich zwar seit Jahren im Ruhestand, seit<br />

2007 jedoch zieht er als „Opa Günta“<br />

durch die Lande (siehe „Schraip widu<br />

schprichsd?“ in DSW 28, Seite 1). Er<br />

verkauft Übungsmaterial, in dem zum<br />

Beispiel solche Sätze zu lesen sind: „Di<br />

Buchstabentafel dea Erwaksenen haist<br />

Alfabet du brauchst si späta in dea Schule<br />

bai dea Ortografi oda Rächtschraibung.“<br />

Damals forderte ich: „Schickt<br />

Opa Günta bitte aufs Altenteil.“ Leider<br />

spukt Opas Ungeist jedoch weiter,<br />

eben auch in der Fibel meines Sohnes,<br />

Gott sei Dank lediglich beratend. Nicht<br />

auszudenken, wenn „Opa Günta“ auch<br />

die Texte geschrieben hätte. Trotzdem<br />

reicht das Werk bei weitem nicht an<br />

die didaktische Qualität der Fibel von<br />

Anni Leißl und Ali Mitgutsch heran,<br />

die wir vor dreißig Jahren in der Schule<br />

verwenden durften. Neu ist eben nicht<br />

immer auch besser.<br />

„Lesen durch Schreiben“ bedeutet, daß<br />

während der ersten beiden Schuljahre<br />

statt der traditionellen Fibel und eher<br />

als lästig erachteten Rechtschreibregeln<br />

eine sogenannte „Anlauttabelle“<br />

im Mittelpunkt des Unterrichts<br />

steht. Schulanfänger sollen zunächst<br />

so schreiben, wie sie sprechen. Das<br />

lateinische Abece kann jedoch für die<br />

Wie lautgetreues Schreiben die Schreibsicherheit zerstört<br />

Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />

Schreibschrift:<br />

Erste Unterschriften<br />

übergeben<br />

Unsere Aktion „Rettet die Schreibschrift“<br />

feierte einen ersten Zwischenerfolg.<br />

Gemeinsam mit der<br />

„Aktion <strong>Deutsche</strong> Sprache“ übergab<br />

die DEUTSCHE SPRACHWELT<br />

die ersten Unterschriften an die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK). Am 9.<br />

Dezember überreichten wir 2.108 Unterschriften<br />

an KMK-Präsident Bernd<br />

Althusmann. Wir sammeln weiter!<br />

Fordern Sie bitte Unterschriftenlisten<br />

bei uns an. Danke für Ihre Mithilfe!<br />

Siehe Seite 6.<br />

deutsche Sprache keine Lautschrift<br />

sein, weil die Buchstaben nicht für die<br />

deutsche, sondern eben für die lateinische<br />

Sprache entwickelt wurden. Dehnungs-h<br />

oder Dehnungs-e, Buchstabenverdoppelungen<br />

und so weiter hört<br />

man nicht; auch nicht, ob zum Beispiel<br />

ein gehörtes „F“ als „V“ oder tatsächlich<br />

als „F“ zu schreiben ist. Daher gelingt<br />

das Schreiben nach Gehör nur bei<br />

einzelnen Wörtern. Schreibfehler sind<br />

unvermeidlich. Besondere Schwierigkeiten<br />

haben überdies diejenigen, die<br />

nicht genau nach der Schrift sprechen,<br />

sondern eine von der Mundart geprägte<br />

Sprache oder gebrochenes Deutsch.<br />

Die Kinder bekommen mit LdS zwar<br />

einen schnelleren Zugang zur Schrift,<br />

machen jedoch mehr Fehler. In Verbindung<br />

mit dem sogenannten „Freien<br />

Schreiben“ entfaltet LdS eine geradezu<br />

zerstörerische Wirkung auf die<br />

Rechtschreibsicherheit. Lehrer und<br />

Eltern dürfen nach der reinen LdS-<br />

Lehre Falschschreibungen nicht verbessern,<br />

um die Schreibbegeisterung<br />

der Schüler nicht zu beeinträchtigen.<br />

Statt dessen prägen sich die Fehler ein.<br />

Jedes Kind entwickelt seine eigene<br />

Rechtschreibung, die logischerweise<br />

meistens leider nicht mit der normierten<br />

übereinstimmt. Ab der dritten<br />

Klasse, spätestens jedoch am Ende der<br />

Grundschulzeit, kommt dann das böse<br />

Sprachstraße:<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

erweitert<br />

Das dritte Arbeitstreffen der Arbeitsgemeinschaft<br />

(AG) „Straße der<br />

deutschen Sprache“ fand am 17.<br />

November in der Goethestadt Bad<br />

Lauchstädt statt. Mittlerweile arbeiten<br />

ein Dutzend Orte in der AG an<br />

der Planung der neuen Ferienstraße,<br />

deren Kern in Mitteldeutschland entsteht.<br />

Ein Dutzend weiterer Orte ist<br />

interessiert. Die AG tauschte sich unter<br />

anderem über ein Vermarktungskonzept<br />

aus.<br />

Siehe Seite 4.<br />

Karikatur von Bernd Zeller<br />

Erwachen, wenn Lehrer plötzlich das<br />

Einhalten von Regeln verlangen.<br />

Auf diese Weise verlagert sich ein Teil<br />

des Rechtschreibunterrichts ins Elternhaus.<br />

Die Eltern müssen berichtigend<br />

eingreifen. Erfahrungsgemäß sind<br />

Kinder eher dankbar, wenn man ihnen<br />

behutsam, aber deutlich, die richtige<br />

Schreibweise zeigt und Sicherheit gibt.<br />

Etwas richtig geschrieben zu haben, ist<br />

ein Erfolgserlebnis, das man nicht vorenthalten<br />

darf. Kinder von Bildungsfernen,<br />

Einwanderern oder ohne Elternbetreuung<br />

(aufgrund der Ganztagsschule)<br />

haben also ein größeres Risiko, zum<br />

Rechtschreibkrüppel zu werden.<br />

Glück haben Eltern, wenn sie es mit<br />

einem Lehrer zu tun haben, der kein<br />

Anhänger der reinen LdS-Lehre ist. Von<br />

Bundesland zu Bundesland und von<br />

Schule zu Schule schwankt die LdS-<br />

Gläubigkeit. Ein Berliner Vater etwa<br />

klagt: „Meine Tochter hatte diesen LdS-<br />

Quatsch die ersten beiden Schuljahre.<br />

Nach dem zweiten Schuljahr bekam<br />

sie eine neue Lehrerin. Auf dem ersten<br />

Elternabend teilte diese mit, daß ein Arbeiten<br />

im Deutschunterricht nicht möglich<br />

sei, die Kinder hätten allesamt zu<br />

viele Defizite in der Rechtschreibung.“<br />

In ganz Deutschland hat sich mit Hilfe<br />

der Kultusministerien eine Idee<br />

Schlecker-Brief:<br />

Entrüstungssturm<br />

entfacht<br />

Am 22. Oktober veröffentlichten wir<br />

im Facebook-Auftritt der DEUT-<br />

SCHEN SPRACHWELT ein Antwortschreiben<br />

der Drogeriekette „Schlekker“,<br />

das seinen Spruch „For You. Vor<br />

Ort“ mit dem vermeintlich „niedrigen<br />

Bildungsniveau“ der Schlecker-Kunden<br />

rechtfertigte. Daraufhin brach<br />

ein Sturm der Entrüstung aus, der das<br />

Unternehmen zu mehreren Stellungnahmen<br />

zwang – ein herber Schlag<br />

für alle Dengländer.<br />

Siehe Seite 3.<br />

durchgesetzt, die auf den Schweizer<br />

Reformpädagogen Jürgen Reichen<br />

(1939 bis 2009) zurückgeht. Dieser<br />

warb für LdS mit Hilfe des „Hamburger<br />

Instituts für Lehrerfortbildung“.<br />

Reichen fand gelehrige Schüler, die<br />

sein radikales Werk in zum Teil etwas<br />

abgeschwächter Form durchsetzten.<br />

Einer davon ist Hans Brügelmann. In<br />

einem Nachruf auf Reichen jubelte er,<br />

daß es gelang, „500 Jahre Fibeltradition“<br />

zu überwinden. Brügelmann nennt<br />

seine Weiterentwicklung „Spracherfahrungsansatz“.<br />

Weitere LdS-Ableger<br />

sind „Tinto“ von Rüdiger Urbanek und<br />

die „Rechtschreibwerkstatt“ von Norbert<br />

Sommer-Stumpenhorst.<br />

Die Mängel von LdS sind wissenschaftlich<br />

längst erwiesen. So gab<br />

das Hessische Kultusministerium eine<br />

Untersuchung in Auftrag, die die Vorzüge<br />

der „Rechtschreibwerkstatt“ von<br />

Sommer-Stumpenhorst beweisen sollte.<br />

Doch die Untersuchung „Schriftsprach-Moderatoren“<br />

– auch als „Marburger<br />

Studie“ bekannt – lieferte nicht<br />

das gewünschte Ergebnis. Unabhängigen<br />

Lehrern gelang es nämlich, in die<br />

Untersuchung eine Vergleichsgruppe<br />

aufnehmen zu lassen, die traditionell<br />

mit einer Fibel (mit dem Namen „Lollipop“)<br />

unterrichtet wurde. Ende 2004<br />

lagen die Ergebnisse vor: Der Anteil<br />

der rechtschreibschwachen Kinder<br />

lag in der LdS-Gruppe am Ende der<br />

1. Klasse bei 16 Prozent, am Ende der<br />

2. Klasse bei 23 Prozent. In der Fibel-<br />

Gruppe hingegen waren nach dem<br />

ersten Schuljahr sechs Prozent, nach<br />

dem zweiten sogar nur noch fünf Prozent<br />

der Schüler rechtschreibschwach.<br />

Das waren eindeutige Ergebnisse, die<br />

das Hessische Kultusministerium jedoch<br />

zurückhielt. Statt dessen gab es<br />

eine neue Untersuchung in Auftrag.<br />

Eine Arbeitsgruppe an der Universität<br />

Gießen um Ulrich Glowalla sollte prüfen,<br />

wie gut sich Lese-Rechtschreib-<br />

Schwierigkeiten durch Sommer-<br />

Stumpenhorsts Methode verhindern<br />

lassen. Diese Studie konnte endlich<br />

das gewünschte Ergebnis bereitstellen,<br />

denn: „Professor Glowallas Ehefrau<br />

ist Geschäftsführerin der Lerndesign<br />

GmbH, die Material für die ‚Rechtschreibwerkstatt‘<br />

herstellt und dieses<br />

über den Collishop von Diplom-Psychologe<br />

Norbert-Stumpenhorst im Internet<br />

vertreibt“, wie die „Frankfurter<br />

Rundschau“ herausfand.<br />

Bayern hat soeben damit begonnen, seinen<br />

Grundschullehrplan bis zum Schuljahr<br />

2014/15 zu überarbeiten. Dazu hat<br />

das Kultusministerium in einem ersten<br />

Schritt 3.500 Grundschullehrer befragt.<br />

Nur 17,9 Prozent der Befragten stimmten<br />

dabei nicht der Aussage zu, daß<br />

lautgetreues Schreiben „eine nachlässige<br />

Haltung bezüglich einer korrekten<br />

Rechtschreibung“ fördert. Ob dieses<br />

klare Ergebnis sich im neuen Lehrplan<br />

widerspiegeln wird? Es ist zu wünschen,<br />

aber nicht sicher. „Lesen durch<br />

Schreiben“ ist ein Irrweg, der zurückgegangen<br />

werden muß.


Seite 2 Leserbriefe<br />

N<br />

Glanzlichter der deutschen Sprache<br />

Zum Buch ,,Sternstunden der deutschen Sprache“<br />

ach zwei Tagen Autofahrt<br />

kommen wir von Berlin tief<br />

in den Süden Italiens, an den Knick<br />

der Stiefelspitze, dort wo Odysseus<br />

der Sage nach ans Ufer gespült wurde.<br />

Aus dem Stapel der in den letzten<br />

Augenblicken vor der Abfahrt zusammengesuchten<br />

Bücher ergreife ich<br />

eins. Das hatte ich schon einmal in<br />

der Hand, allerdings in der Geschäftigkeit<br />

des Berufsalltags nur kurz:<br />

„Sternstunden der deutschen Sprache“,<br />

herausgegeben von Walter Krämer<br />

und Reiner Pogarell (IFB-Verlag,<br />

Paderborn 2003, 431 Seiten, 24,90<br />

Euro). Nun, im Urlaub, zieht es mich<br />

in seinen Bann. Ich vertiefe mich<br />

D<br />

D<br />

darin. In feinsinnig formulierten und<br />

gestalteten Beiträgen werde ich an<br />

einem farbenfreudigen Faden durch<br />

das Geflecht deutscher Geschichte geführt.<br />

Die ausgesuchten und kommentierten<br />

Glanzlichter deutscher Sprache<br />

sind außerordentlich lehrreich<br />

und anregend. Viele von ihnen werden<br />

der Dunkelheit und Vergessenheit<br />

entrissen und dürfen wieder im Sternenhimmel<br />

unserer Sprache und Geschichte<br />

leuchten! Ich fühle mich von<br />

den Autoren mannigfaltig bereichert,<br />

belehrt und beschenkt. Möge diese<br />

Sammlung zu einem Standardwerk<br />

deutscher Geschichte werden!<br />

Erhard Bohr, Berlin<br />

Analphabetismus wird gefördert<br />

Zur geplanten Abschaffung der Schreibschrift<br />

ie Abschaffung der Schreibschrift<br />

wirft auch in Naturwissenschaft<br />

und Technik Probleme auf.<br />

Bei (kleinbuchstabigen) Abkürzungen<br />

für physikalische Größen werden<br />

die im Druck vorgeschriebenen Kursivbuchstaben<br />

auf Schultafeln oder<br />

Projektionsfolien durch Schreibschriftbuchstaben<br />

ersetzt, während<br />

die Einheitenabkürzungen in Grundschrift<br />

gesetzt oder mit Druckbuch-<br />

Liebe Leser!<br />

Was hat Ihnen gefallen? Was hätten wir<br />

besser machen können? Worauf sollten<br />

wir stärker eingehen? Schreiben Sie uns,<br />

wir freuen uns auf Ihre Meinung! Auch<br />

wenn wir nicht jeden Brief beantworten<br />

und veröffentlichen können, so werten<br />

wir doch alle Zuschriften sorgfältig aus.<br />

Bei einer Veröffentlichung behält sich<br />

die Redaktion das Recht vor, sinnwah-<br />

rend zu kürzen. Auf diese Weise wollen<br />

wir möglichst viele Leser zu Wort kommen<br />

lassen. Schreiben Sie bitte an:<br />

DEUTSCHE SPRACHWELT<br />

Leserbriefe<br />

Postfach 1449, D-91004 Erlangen<br />

schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de<br />

Wiener Chinesen brauchen kein „SALE“<br />

Zum Beitrag „Deutschland schafft seine Sprache ab“ (Teil 1) von Wolfgang Hildebrandt in DSW 44, Seite 3<br />

as einzige Auslagenfenster<br />

(auf binnendeutsch würde<br />

man wohl eher Schaufenster sagen)<br />

in Wien, wo ich während der letzten<br />

Monate eine Ankündigung AUS-<br />

VERKAUF gelesen habe – nicht<br />

das auch in Österreich allgegenwär-<br />

CSU-Landesleitung<br />

Franz-Josef-Strauß-Haus<br />

Nymphenburger Straße 64<br />

80335 München<br />

10. Oktober 2011<br />

Sehr geehrter Herr H.,<br />

staben geschrieben werden. Auf diese<br />

Weise werden etwa „Masse“ von<br />

„Meter“ oder „Millisekunde“ von<br />

„Masse mal Strecke“ und anderes<br />

mehr auseinandergehalten. Die angedachte<br />

„Schriftreform“ wird also auch<br />

den Analphabetismus der künftigen<br />

Ingenieure und Physiker befördern,<br />

aber die benötigt man hierzulande ja<br />

ohnehin nur für Lippenbekenntnise.<br />

Dr. E. Schmidt, Bad Schönborn<br />

tige SALE, noch den da und dort<br />

manchmal angekündigten ABVER-<br />

KAUF – befindet sich im „Hongkong<br />

Haus“ im siebenten Stadtbezirk,<br />

wo eine chinesische Familie,<br />

ohne Mitwirkung irgendeiner einheimischen<br />

„Kraft“, tausenderlei<br />

Einfach lächerlich!<br />

Zum Beitrag „Schreiben wie in<br />

Holzpantoffeln“ von Karin Pfeiffer-<br />

Stolz in DSW 45, Seite 3<br />

arin Pfeiffer-Stolz’ Artikel<br />

K fand ich ganz ausgezeichnet.<br />

Es ist ja wirklich absurd, daß nach<br />

der für die deutschen Schulkinder so<br />

problematisch verlaufenen Rechtschreibreform<br />

jetzt auch noch diese<br />

neue Marotte zur Diskussion steht.<br />

Einfach lächerlich! Allerdings ist<br />

in den USA etwas ganz Ähnliches<br />

geplant.<br />

James Werner Fuchs,<br />

Buenos Aires<br />

Dazwischen<br />

Es gibt Menschen, die verweilen –<br />

Aus guten Gründen – zwischen den Zeilen.<br />

Und jeder, der dies ausprobiert,<br />

Ist plötzlich besser informiert!<br />

Günter B. Merkel, Wilhelmsfeld<br />

Einstieg in die dichterische Merkelwelt:<br />

Günter B. Merkel: Große Sprüche vom<br />

gnadenlosen Dichter, SWP-Buch-Verlag,<br />

Wilhelmsfeld 2007, 128 Seiten, fester Einband,<br />

9,50 Euro. Bestellung unter Telefon<br />

06220/6310. www.merkel-gedichte.de<br />

Briefe an uns und unsere Leser<br />

(Rechtschreibung im Original)<br />

„Ladies After Work Party ‚Lounge in the City‘ powered by CSU“<br />

vielen Dank für Ihre E-Mail vom<br />

1. August 2011, in dem Sie insbesondere<br />

den Titel der CSU-Veranstaltungsreihe<br />

„Lounge in the City“<br />

ansprechen. 2011 ist das „Jahr der<br />

Frau“ in unserer Partei. Unser Ziel<br />

ist es hier, mehr Mitsprache und<br />

mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für<br />

Frauen in der CSU zu schaffen. Mit<br />

neuen Veranstaltungsformen, wie der<br />

Ladies After-Work Veranstaltungsreihe,<br />

wollen wir insbesondere neue<br />

weibliche Zielgruppen ansprechen,<br />

um eine stärkere Repräsentanz von<br />

Frauen in der CSU zu erreichen und<br />

die Attraktivität der Partei für weibliche<br />

Wähler zu erhöhen.<br />

Wir haben für die Einladung zu unserer<br />

ersten Frauenveranstaltung den<br />

bereits eingeführten Begriff „Ladies<br />

After Work“ verwendet, um gerade die<br />

großstädtischen Frauen anzusprechen.<br />

Mit großem Erfolg – Wir haben mit<br />

genau dieser Art der Einladung bei unserer<br />

ersten Veranstaltung in München<br />

rund 600 Gäste, darunter auch zahlreiche<br />

Nicht-CSU-Mitglieder, erreichen<br />

können. Die Veranstaltung, ebenso<br />

wie die Folgeveranstaltungen in Nürnberg,<br />

Regensburg, Augsburg und Rosenheim,<br />

Neu-Ulm und Erlangen hat<br />

auch in den Medien und im Internet<br />

eine breite und für die CSU sehr positive<br />

Berichterstattung gefunden. Darüber<br />

hinaus konnten wir bereits auf der<br />

Veranstaltung neue Mitglieder für die<br />

CSU und für die Frauen-Union gewinnen.<br />

Unsere Frauenveranstaltung war<br />

zudem so erfolgreich, weil Veranstaltungsort<br />

und Ziel der Veranstaltung ein<br />

stimmiges Gesamtbild ergaben.<br />

Ich kann sehr gut nachvollziehen,<br />

dass die Bezeichnung „Lounge in the<br />

City“ neu und ungewohnt erscheinen<br />

mag. Unser Erfolgsrezept als Partei<br />

war es jedoch stets, offen zu sein für<br />

Neues, wo es nötig und erfolgreich<br />

ist. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen<br />

weitergeholfen zu haben<br />

und wünsche Ihnen alles Gute.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Julia Gschrey<br />

Leiterin Referat Bildung, Kultur,<br />

Senioren<br />

Landesgeschäftsführerin SEN,<br />

AKH, AKS<br />

Volkswagen: Anglizismen sind „unumgaenglich und sogar Zielfuehrend“<br />

Dialogcenter@volkswagen.de<br />

30. August 2011<br />

Sehr geehrter Herr B.,<br />

vielen Dank fuer Ihre Anmerkungen<br />

und Fragen zum zunehmenden<br />

Gebrauch englischer Ausdruecke<br />

im Rahmen der Namensgebung von<br />

Volkswagen. Grundsaetzlich sind wir<br />

bestrebt, fuer unsere Produkte Namen<br />

zu entwickeln, die der Produktpositionierung,<br />

der Zielsetzung des Produktes<br />

und der „Kundenerwartung“<br />

beziehungsweise dem Kundenverstaendnis<br />

gerecht werden. In diesem<br />

Zusammenhang entwickeln wir Namen<br />

und Bezeichnungen fuer Fahrzeugprojekte,<br />

Fahrzeugfunktionen<br />

und Aktionen, die mit den entsprechenden<br />

Schnittstellen im Unternehmen<br />

abgestimmt werden. Ziel ist<br />

eine korrekte und einheitliche Kommunikation<br />

dieser abgestimmten<br />

Namen und Bezeichnungen, um eine<br />

moeglichst erfolgreiche<br />

Bekanntmachung der<br />

Produkte im Markt zu<br />

erreichen, um Vertrauen<br />

aufzubauen und die<br />

Kaufentscheidung positiv<br />

beeinflussen zu koennen.<br />

Wir als global agierender<br />

Konzern moechten bei den besonders<br />

wichtigen Produktbestandteilen international<br />

einheitlich auftreten. Die<br />

Internationalisierung von Produkten<br />

und Technologien fuehrt dazu, dass<br />

Produkte und Technologien weltweit<br />

gleich benannt werden, um eine einheitliche<br />

Marktdurchdringung, Bekanntheit<br />

zu erreichen. Eine Zielsetzung<br />

der neuen Namensstrategie ist<br />

es, die Produktmarken und -bestandteile<br />

weltweit durch gleiche Namen<br />

fuer gleiche Produkte nachhaltig zu<br />

staerken. Daher wurde beispielsweise<br />

bei den Antriebsarten oder Motoren<br />

versucht, Namen zu kreieren, die als<br />

Marke schuetzenswert sind und international<br />

eingesetzt werden koennen.<br />

im Reich der Mitte hergestellte Erzeugnisse<br />

feilbietet, vom Fingerhut<br />

bis zur meterhohen Porzellanvase.<br />

Dr. Franz Rader, Obmann<br />

(Vorsitzer) des Vereins<br />

„Muttersprache“, Wien<br />

Beispiele sind „4Motion“, „Blue-<br />

Motion“, „TSI“ und „TDI“ und ganz<br />

aktuell „Think Blue.“. „BlueMotionTechnologies“<br />

ist die Dachmarke<br />

fuer alle Produkte und Technologien,<br />

die unsere Fahrzeuge schon heute effizienter<br />

machen. Sie steht fuer das<br />

Zusammenspiel vieler Innovationen<br />

wie zum Beispiel „BlueMotion“,<br />

„BlueTDI“ und „TSI EcoFuel“.<br />

„BlueMotion“ heisst nicht nur „blaue<br />

Bewegung“ – „BlueMotion“ ist eine<br />

Konzeptmarke, die sowohl fuer „nachhaltige<br />

Mobilitaet“ steht, aber auch als<br />

das Guetesiegel fuer Umweltorientierung<br />

und Nachhaltigkeit der Marke<br />

Volkswagen PKW verstanden wird.<br />

Zukuenftig wird diese im Sinne der<br />

Nachhaltigkeitsstrategie der Marke<br />

Volkswagen PKW verstaerkt ihren<br />

Einsatz finden. Economy wird in Ihrem<br />

geschilderten Zusammenhang als<br />

Oekonomie, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit<br />

als Eigenschaften unserer<br />

zukunftsorientierten Innovationen,<br />

Von Dagmar Schmauks<br />

F<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

Heilkraft aus<br />

dem Baumarkt?<br />

ehlgriffe bei Fremdwörtern sind<br />

bekanntlich eine unerschöpfliche<br />

Quelle des Frohsinns – natürlich nur<br />

für Linsenzähler, ergänzen die eher unbekümmerten<br />

Sprachbenutzer diesen<br />

Satz. Neulich wurde in einem Nachruf<br />

jemand als „Mensch hoher PRÄZES-<br />

SION“ beschrieben – er trudelte also<br />

zu Lebzeiten wie ein Kreisel? Hoffentlich<br />

nicht ausgerechnet während der<br />

Fronleichnams-Präzession! Die abgebildete<br />

Fundsache zeigt sehr schön,<br />

wie leicht man Wörter gleicher Aussprache<br />

verwechselt, wie also sachlich<br />

nicht Zusammengehöriges sich trotzdem<br />

lianenartig umeinander wickelt.<br />

„Akupunktur“ – ein Kunstwort aus<br />

lateinisch „acus“ (Nadel) und „pungere“<br />

(stechen) – heißt das traditionelle<br />

chinesische Verfahren, den gestörten<br />

Fluß der Lebensenergie durch<br />

Nadelstiche zu behandeln. Bei der<br />

„Akupressur“ massiert man die entsprechenden<br />

Stellen mit den Fingerspitzen.<br />

Moderne „Power-Patienten“<br />

verschmähen aber offenbar diese<br />

sanften Maßnahmen, bei ihnen wirkt<br />

die allen zugaenglich gemacht werden<br />

sollen, verstanden. Nachhaltigkeit ist<br />

bei Volkswagen mehr als nur eine edle<br />

Absicht: es ist ein Unternehmensziel!<br />

Fahrzeuge zu bauen, die wenig CO2<br />

ausstossen, ist hierbei nur der Anfang.<br />

Im Zuge der Internationalisierung<br />

und der verstaerkten Ansprache internationaler<br />

Kunden sind Anglizismen<br />

unumgaenglich und sogar Zielfuehrend.<br />

Diese Namen und Bezeichnungen<br />

sollten allerdings leicht verstaendlich<br />

und international einsetzbar<br />

sein. Wir hoffen, dass wir auf Ihre<br />

Anmerkungen in vollem Umfang<br />

eingegangen sind und dass wir Ihre<br />

Fragen vollstaendig und zufriedenstellend<br />

beantworten konnten. Fuer<br />

weitere Fragen und Anregungen stehen<br />

wir Ihnen gerne zur Verfuegung.<br />

Mit freundlichen Gruessen<br />

Ihr Volkswagen Dialog Center<br />

VOLKSWAGEN AG<br />

Gegründet im Jahr 2000<br />

Erscheint viermal im Jahr<br />

Auflage: 25.000<br />

Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro.<br />

Für Nicht- und Geringverdiener ist der Bezug<br />

kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind sehr<br />

willkommen.<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

Verein für Sprachpflege e. V.<br />

Stadt- und Kreissparkasse Erlangen<br />

Bankleitzahl 763 500 00<br />

Kontonummer 400 1957<br />

BIC: BYLADEM1ERH<br />

IBAN: DE63763500000004001957<br />

Republik Österreich<br />

Verein für Sprachpflege e. V.<br />

Volksbank Salzburg<br />

Bankleitzahl 45010<br />

Kontonummer 000 150 623<br />

Bitte bei der Überweisung vollständige<br />

Anschrift mit Postleitzahl angeben!<br />

ISSN 1439-8834<br />

(Ausgabe für Deutschland)<br />

ISSN 1606-0008<br />

(Ausgabe für Österreich)<br />

Herausgeber<br />

Verein für Sprachpflege e. V.<br />

Sammelanschrift<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong><br />

Postfach 1449, D-91004 Erlangen<br />

Fernruf 0049-(0)91 31-48 06 61<br />

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Bild: Schmauks<br />

nur noch geballte Energie (lat. „accumulare“<br />

= anhäufen). Jeder Heimwerker<br />

kennt Akku-Schrauber, -Schleifer<br />

und -Sägen sowie die durchdringende<br />

Kraft und Lärmentwicklung dieser<br />

Geräte. Vor unserem beklommenen<br />

geistigen Auge wirft eine stämmige<br />

Masseurin mit Gehörschutz ein klobiges<br />

Gerät an, der Hochleistungsmotor<br />

heult auf, und der tausendmal in der<br />

Minute rotierende Aufsatz nähert sich<br />

unaufhaltsam unseren Fußsohlen …<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der<br />

Redaktion wieder. Das gilt besonders für<br />

Leserbriefe.<br />

Die 47. Ausgabe erscheint im Frühling<br />

2012. Redaktions- und Anzeigenschluß<br />

sind am 31. Januar 2012.


<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Hintergrund<br />

Seite 3<br />

Von Thomas Paulwitz<br />

weimal brachte die DEUT-<br />

Z SCHE SPRACHWELT (DSW)<br />

im Jahr 2011 Personen des öffentlichen<br />

Lebens auf die Titelseite der<br />

BILD-Zeitung, Deutschlands größter<br />

Tageszeitung. Am 10. März war es<br />

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer,<br />

am 27. Oktober erwischte es<br />

Florian Baum, den Pressesprecher<br />

der Drogeriekette „Schlecker“. Während<br />

sich der erste darüber sicher<br />

gefreut haben dürfte, hat sich der<br />

zweite vermutlich eher geärgert. Beide<br />

fanden nämlich Erwähnung in der<br />

Rubrik „Gewinner/Verlierer“, allerdings<br />

in unterschiedlichen Spalten –<br />

Ramsauer auf der Gewinner-, Baum<br />

auf der Verliererseite.<br />

Was war geschehen? Ramsauer hatte<br />

sich als „Sprachwahrer des Jahres“ einen<br />

Namen gemacht, weil er in seinem<br />

Ministerium systematisch entbehrliche<br />

Anglizismen vermeidet. So machte er<br />

unter anderem das „Travel Management“<br />

wieder zur „Reisestelle“. Außerdem<br />

setzte er durch, daß die <strong>Deutsche</strong><br />

Bahn nach und nach an allen Bahnhöfen<br />

den „Service Point“ in „DB Information“<br />

umbenennt: „BILD meint:<br />

<strong>Deutsche</strong> Sprache, klare Sprache!“<br />

„Im Ton vergriffen!“<br />

Das Unternehmen „Schlecker“ hingegen<br />

hatte einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen,<br />

nachdem es seine Vorliebe<br />

für Denglisch begründet hatte. Florian<br />

Baum, „Leiter der Unternehmenskommunikation“,<br />

hatte in einem Brief an<br />

einen DSW-Leser mit ungeschickten,<br />

aber entlarvenden Worten den Spruch<br />

„For You. Vor Ort“ verteidigt. Er rechtfertigte<br />

ihn gar mit dem „niedrigen Bildungsniveau“<br />

seiner Kunden: „BILD<br />

meint: Im Ton vergriffen!“<br />

Der Fall verursachte einen beträchtlichen<br />

Ansehensschaden nicht nur für<br />

„Schlecker“, sondern auch allgemein<br />

für denglische Werbesprüche, denn er<br />

bestätigte die Vorbehalte gegenüber<br />

deutsch-englischen Sprachmischungen.<br />

„Jetzt ist es amtlich: Denglisch<br />

ist für Doofe“, jubelte daher Walter<br />

Krämer in den „Sprachnachrichten“.<br />

Doch betrachten wir den Fall<br />

von vorn. Mitte Mai 2011 gab sich<br />

die Drogeriekette „Schlecker“ im<br />

Rahmen ihres Programms „Fit for<br />

Future“ ein neues Erscheinungsbild.<br />

Infolgedessen führte das Unternehmen<br />

den neuen Leitspruch ein: „For<br />

You. Vor Ort“. Schon bald erreichten<br />

die DEUTSCHE SPRACHWELT<br />

Zuschriften entsetzter Bürger. Einer<br />

schrieb entgeistert: „Ich dachte, so etwas<br />

wäre heute nicht mehr möglich“.<br />

„Das schleckert nicht“<br />

Erfunden hat den Spruch die bekannte<br />

Düsseldorfer Werbeagentur Grey,<br />

die schon des öfteren mit den von ihr<br />

entwickelten Werbesprüchen kräftig<br />

danebengelangt hat. Es erstaunt,<br />

welchen Flurschaden ein einziges<br />

Unternehmen in der Werbesprache<br />

in Deutschland hinterlassen kann. So<br />

ist Grey unter anderem verantwortlich<br />

für „Ruhrn TeamworkCapital“<br />

als Marke für das Ruhrgebiet, für den<br />

Karstadt-Spruch „Schöner shoppen<br />

in der Stadt“ und für die Aufforderung<br />

„Love Odol“, die das bisherige<br />

„Küß mit“ des Mundwasserherstellers<br />

ersetzte. Und nun schuf Grey<br />

„For You. Vor Ort“.<br />

Denglisch ist für Dumme<br />

Der Fall „Schlecker“ – ein Lehrstück für den Widerstand gegen die Sprachverhunzung<br />

„Das schleckert nicht“, warnte frühzeitig<br />

Bernd M. Samland in seinem<br />

Netztagebuch www.markenecho.de.<br />

Der Geschäftsführer der Markenagentur<br />

„Endmark“ spottete: „Besonders<br />

interessant ist der Sprachmix<br />

Englisch-Deutsch; wahrscheinlich<br />

für die anglophil-angehauchte typische<br />

Schlecker-Kundin – oder für<br />

die Internationalität ‚vor Ort‘?“ Außerdem<br />

gebe es bereits 285 „For<br />

you“-Marken, dazu kommen 82mal<br />

das noch blödere „4U“ und 56 „Vor<br />

Ort“-Marken, so Samland weiter.<br />

Es gab also sehr gute Gründe,<br />

„Schlecker“ in der Sommer-Ausgabe<br />

der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />

in die Sprachsünder-Ecke zu stellen<br />

(vergleiche DSW 44, Seiten 1 und<br />

10). „Schlecker geht uns auf den<br />

Wecker“, meinten wir. Wie immer<br />

forderten wir zu Beschwerdebriefen<br />

auf. Unser Leser Dr. Paul W. ließ sich<br />

das nicht zweimal sagen und schrieb<br />

am 23. Juli einen geharnischten Brief<br />

ins „Schleckerland“ nach Ehingen:<br />

„Was soll dieser englisch-deutsche<br />

Sprachmischmasch?“ fragte er und<br />

rief zu mehr Verständlichkeit und<br />

Selbstbewußtsein im Gebrauch der<br />

Muttersprache auf. Um dem Schreiben<br />

Nachdruck zu verleihen, ließ<br />

es Dr. W. von rund zwei Dutzend<br />

Sprachfreunden unterzeichnen: „Wir<br />

protestieren gegen diese sprachliche<br />

Selbstverleugnung und bitten Sie<br />

dringend, in Zukunft deutsche Formulierungen<br />

zu verwenden.“<br />

„Der Stiltugend der<br />

Latinitas verpflichtet“<br />

Am 1. September antwortete „Schlekker“<br />

mit einem Schreiben, das Baum<br />

verfaßt hatte. Der Unternehmenssprecher<br />

hatte sich Zeit genommen<br />

und erfreulicherweise nicht – wie<br />

sonst leider häufig üblich – eine aus<br />

Textbausteinen zusammengesetzte,<br />

mit leeren Worthülsen zusammengestückelte<br />

Blabla-Antwort geschrieben.<br />

Statt dessen schlug er einen<br />

überraschend anbiedernden Ton an<br />

und versuchte angestrengt, mit seiner<br />

eigenen Bildung zu beeindrucken.<br />

Er selbst, so Baum, fühle sich ja<br />

„im privaten Sprachgebrauch der<br />

Stiltugend der Latinitas verpflichtet“,<br />

prahlte er. Daher sehe er „die<br />

Bestrebungen des Vereins <strong>Deutsche</strong><br />

Sprache mit großem Wohlwollen“.<br />

Den Protest nehme er also „mit<br />

Sympathie zur Kenntnis“. Das neue<br />

Unternehmensmotto sollte jedoch<br />

„die durchschnittlichen Schlecker-<br />

Kunden, die niederen bis mittleren<br />

Bildungsniveaus zuzuordnen sind,<br />

ansprechen.“ Zielgruppe seien also<br />

„nicht die vielleicht 5 % der Bevölkerung,<br />

zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner<br />

gehören (nämlich promovierte<br />

Akademiker, Philologen und<br />

andere reflektierte Sprachverwender)<br />

– sondern die übrigen 95 %.“<br />

So offen und ehrlich hatte bislang<br />

noch kein Unternehmen zugegeben,<br />

wie hochmütig es über seine Kunden<br />

denkt. 95 Prozent der Bevölkerung<br />

denken also nicht über die Sprache<br />

nach, belehrt uns „Schlecker“ – was<br />

nicht stimmt, wie Umfragen zeigen.<br />

Sprachmischungen sind, wenn wir<br />

„Schlecker“ folgen, am besten dazu<br />

geeignet, um Ungebildete zu beeindrucken.<br />

Baum selbst spricht privat<br />

freilich nicht so, denn er zählt sich<br />

offenbar zu den erlesenen fünf Prozent<br />

der Bevölkerung. Daher versäumte<br />

er auch nicht, neben seine<br />

Unterschrift die Abkürzung „M.A.“<br />

– Magister Artium – zu setzen.<br />

Dieses Schreiben fanden wir so<br />

bemerkenswert, daß wir es in der<br />

Herbst-Ausgabe der DEUTSCHEN<br />

SPRACHWELT veröffentlichten<br />

(DSW 45, Seite 2). Darüber hinaus<br />

luden wir am 22. Oktober auf Bitten<br />

eines Lesers eine Ablichtung des<br />

Schreibens auf unsere Facebook-Seite<br />

hoch und kommentierten: „Schlecker<br />

verteidigt seinen Spruch ‚For You. Vor<br />

Ort‘ mit dem ‚niedrigen Bildungsniveau‘<br />

seiner Kunden.“ Außerdem verbreiteten<br />

wir einen Hinweis über den<br />

Kurzmitteilungsdienst „Twitter“.<br />

„Ideal für Doofe“<br />

Mit dem Einspeisen in die elektronischen<br />

Medien lösen wir ein Lauffeuer<br />

aus, das wir so nicht für möglich<br />

gehalten hatten und „Schlecker“<br />

in höchste Erklärungsnöte bringt.<br />

Rund 1.000 Facebook-Nutzer setzen<br />

den Brief auf ihre Facebook-Seite,<br />

wo er wiederum von vielen anderen<br />

gelesen werden kann. Über 400<br />

Kommentare erscheinen unter dem<br />

Brief. Binnen kurzem steigt die Zahl<br />

der <strong>Sprachwelt</strong>-Leser auf Facebook<br />

von 7.000 auf über 8.000. Schnell<br />

werden Twitter-Nutzer aus der Werbebranche<br />

aufmerksam und geben<br />

den Brief an ihre zahlreichen Leser<br />

(„Follower“) weiter.<br />

Eine Lawine entsteht. Die einschlägigen<br />

Fachzeitschriften für Werbung<br />

bemerken dies als erste und berichten.<br />

Das Magazin „Meedia“ titelt<br />

am 25. Oktober: „Neuer Schlecker-<br />

Claim: ideal für Doofe“. Am selben<br />

Tag berichtet „W&V“ („Werben und<br />

Verkaufen“). „Schlecker“ sieht sich<br />

zu einer ersten öffentlichen Stellungnahme<br />

gezwungen, bleibt jedoch<br />

uneinsichtig, vergreift sich dabei<br />

im Ton und beschimpft Kritiker sogar<br />

als „unverschämt und arrogant“:<br />

„Ansonsten stellen wir uns gerne einer<br />

echten Diskussion, ob ein kreatives<br />

Unternehmensmotto mit einer<br />

Kombination aus deutschen wie englischen<br />

Begriffen Sprache allgemein<br />

weiter entwickelt oder degeneriert.“<br />

Unterdessen erreicht der Fall „Schlekker“<br />

die wichtigsten deutschen Zeitungen<br />

und Zeitschriften. Bei der DEUT-<br />

SCHEN SPRACHWELT melden sich<br />

unter anderem BILD, „Frankfurter<br />

Allgemeine“ und „Spiegel Online“.<br />

Am 26. Oktober berichten „Süddeutsche“<br />

(„For You. Vorsicht“), „Handelsblatt“<br />

(„Schlecker nennt Kunden<br />

ungebildet“), „Financial Times<br />

Deutschland“ („Schlecker hält eigene<br />

Kunden für blöd“) und viele andere.<br />

„Schlecker-Claim löst<br />

Shitstorm aus“<br />

Besondere Wirkung entfaltet ein<br />

Beitrag in „Spiegel Online“, in dem<br />

Jochen Brenner spöttisch feststellt:<br />

„Jeder Schlecker-Kunde, der die<br />

Prozentrechnung beherrscht, hat<br />

nun schwarz auf weiß, daß belesene<br />

Schöngeister ihr Klopapier bei Drogerie<br />

Müller einkaufen.“ Am Tag darauf<br />

zieht „Welt Online“ mit einem eigenen<br />

Artikel nach, der den Titel trägt:<br />

„Schlecker ist die FDP im Einzelhandel.<br />

Nur peinlich“. Beide Medien<br />

sprechen von einem „PR-Desaster“,<br />

also von einer katastrophalen Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Drogeriekette.<br />

Zahllose Kommentare werden an den<br />

verschiedensten Orten im Netz geschrieben.<br />

Überall ist das mißlungene<br />

Motto im Gespräch. Die Zeitschrift<br />

„Meedia“ betitelt daher einen Beitrag:<br />

„Schlecker-Claim löst Shitstorm aus“.<br />

Auf unserer Facebook-Seite übersetzen<br />

wir: „Schlecker-Spruch entfacht<br />

Sturm der Entrüstung.“ „Meedia“<br />

ändert später die Überschrift in „Eiertanz<br />

um ‚doofe‘ Kunden“. Sogar Werbeleute<br />

versuchen nun offenbar, nicht<br />

allzu sehr mit Denglisch um sich zu<br />

werfen, um nicht in die Schlecker-<br />

Ecke zu geraten.<br />

Als dann die BILD-Zeitung am 27.<br />

Oktober den „Schlecker“-Sprecher<br />

zum „Verlierer“ des Tages kürt, veröffentlicht<br />

„Schlecker“ die zweite<br />

Stellungnahme: „Brief führte zu Mißverständnissen“.<br />

Diesmal spart sich<br />

„Schlecker“, Kritiker zu beschimpfen.<br />

Der Brief des Pressesprechers<br />

sei „unglücklich formuliert“ gewesen:<br />

„Jede Art von Mißverständnis<br />

bedauern wir sehr.“<br />

Nun geschieht etwas, was es in der<br />

Pressearbeit der DEUTSCHEN<br />

SPRACHWELT bisher noch nicht<br />

gab. Meist berichten Zeitungen<br />

nämlich erst dann über Aktionen,<br />

wenn eine Nachrichtenagentur etwas<br />

gemeldet hat. Diesmal ist es umgekehrt.<br />

Aufgrund der zahlreichen<br />

Presseveröffentlichungen, die bereits<br />

erschienen sind, sieht sich die <strong>Deutsche</strong><br />

Presseagentur (dpa) verpflichtet<br />

zu berichten (siehe Kasten).<br />

„Schlecker“ setzt auf Türkisch<br />

Was bleibt? Nahezu eine Woche<br />

lang war der Fall „Schlecker“ im<br />

Gespräch. Er wird aber auch über<br />

diese Aufregung hinaus nachwirken.<br />

Wer künftig einen denglischen<br />

Werbespruch einsetzt, muß mit dem<br />

Vorwurf rechnen, er halte wohl seine<br />

Kunden für dumm. „Finger weg von<br />

denglischen oder englischen Claims!<br />

[Werbesprüchen]“, empfiehlt daher<br />

ein Berater für Rufpflege.<br />

Für die tatkräftigen Sprachschützer<br />

bleibt die Genugtuung, daß auch<br />

ein kleiner Beschwerdebrief wirken<br />

kann. Beschweren lohnt sich also! Indem<br />

wir den Einsatz gedruckter und<br />

elektronischer Medien verknüpften,<br />

kamen wir zum Erfolg. Diese Erkenntnis<br />

ist wegweisend für unsere<br />

Spracharbeit.<br />

Bei „Schlecker“ indes scheinen Hopfen<br />

und Malz verloren. Das Unternehmen<br />

will trotz dieser Erfahrung<br />

vorerst an seinem mißlungenen<br />

Spruch festhalten. Es arbeite jedoch<br />

daran, so „Schlecker“-Sprecher Patrick<br />

Hacker am 4. November zur<br />

„Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“,<br />

seine Kunden in einer Sprache<br />

anzusprechen, die sie verstehen.<br />

Daher verbreitet „Schlecker“ seit<br />

November in Duisburg Prospekte für<br />

Kunden „in ihrer Landessprache“ –<br />

nämlich Türkisch. Im Erfolgsfall will<br />

„Schlecker“ Türken deutschlandweit<br />

gezielt auf türkisch ansprechen. Etwas<br />

Deutschklingendes findet sich<br />

dann zumindest noch im Werbespruch:<br />

„For You. Vor Ort“.<br />

Die DSW in der Presse<br />

Die Nachrichtenagentur dpa meldete am 27. Oktober 2011:<br />

Schlecker tappt in<br />

Kommunikations-Fettnapf<br />

Von Johannes Wagemann<br />

hingen (dpa) – Die Zeiten der Negativschlagzeilen schienen doch eigentlich<br />

vorbei zu sein. Vor rund einem Jahr übernahm die jüngere<br />

Generation das Ruder bei der Drogeriekette Schlecker – und vor allem die<br />

Verantwortung für die Außendarstellung. Seitdem krempelten Meike und<br />

Lars Schlecker den Konzern ihres Vaters Anton ordentlich um. Neben der<br />

Umgestaltung hunderter Filialen gab es einen neuen Werbespruch. „For<br />

You. Vor Ort“, entwickelt von der renommierten Werbeagentur Grey, soll<br />

den Aufbruch verdeutlichen. … Diskussionen über den neuen Slogan gab<br />

es bereits seit dessen Einführung im Frühjahr. Doch dann veröffentlichte<br />

der „Verein für Sprachpflege“ einen kritischen Artikel über den Werbespruch<br />

in seiner Zeitschrift „<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>“. Ein Sprachkritiker<br />

wandte sich ob des „Denglisch“ direkt an die Drogeriekette. Ein seit Jahren<br />

für das Unternehmen tätiger Sprecher antwortete – und das so, daß Schlekker<br />

nun ein echtes Kommunikationsproblem hat. Der Wortlaut des im<br />

Internet veröffentlichten Schreibens hat es in sich. Zum einen distanziert<br />

sich der Sprecher vom Werbespruch und verweist darauf, er fühle sich „der<br />

Latinitas verpflichtet“ – und sehe die Aktivitäten der Sprachschützer „mit<br />

Wohlwollen“. Was aber für hämische bis wütende Kommentare in etlichen<br />

Internetforen führt, ist die Argumentation für den Slogan der Ehinger. Das<br />

Motto solle durchschnittliche Schleckerkunden ansprechen, die „niederen<br />

bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen“ seien, so der Sprecher. Und das<br />

ist nicht alles: Diese Massenzielgruppe zähle eben nicht zu den „reflektierten<br />

Sprachverwendern“, zu denen sich der Sprecher selbst genauso wie die<br />

Sprachschützer zählt. …


Seite 4 Sprachpolitik<br />

Schwarze Woche im Bundestag<br />

Die deutsche Sprache soll nicht ins Grundgesetz,<br />

aber raus aus dem Gericht<br />

Von Thomas Paulwitz<br />

D<br />

er <strong>Deutsche</strong> Bundestag beschäftigte<br />

sich Anfang November<br />

in einer Woche gleich zweimal<br />

mit der politischen Stellung der<br />

deutschen Sprache. Am 7. November<br />

beriet der Petitionsausschuß über die<br />

Verankerung der deutschen Sprache<br />

im Grundgesetz. Am 9. November<br />

sprach der Rechtsausschuß über den<br />

Gesetzentwurf des Bundesrats zur<br />

Einführung von Englisch als weiterer<br />

Gerichtssprache in Deutschland.<br />

Zumindest das Zustandekommen der<br />

ersten der beiden Sitzungen schien<br />

zunächst ein Erfolg zu sein: Obwohl<br />

die Petition für „Deutsch ins Grundgesetz“<br />

mit 5.165 Mitzeichnern das<br />

für eine Anhörung erforderliche<br />

Quorum von 50.000 bei weitem verfehlt<br />

hatte, lud der Petitionsausschuß<br />

des Bundestags die Petenten ein –<br />

den Verein für <strong>Deutsche</strong> Kulturbeziehungen<br />

im Ausland (VDA) und<br />

den Verein <strong>Deutsche</strong> Sprache (VDS).<br />

Doch schon die zusätzliche Einladung<br />

eines Gegenpetenten, der noch<br />

weniger Unterstützer hinter sich<br />

scharen konnte, machte stutzig. Der<br />

Hamburger Sprachwissenschaftler<br />

Anatol Stefanowitsch hatte in einer<br />

Gegenpetition „Keine Aufnahme der<br />

deutschen Sprache ins Grundgesetz“<br />

3.189 Stimmen gesammelt und durfte<br />

ebenfalls zur Anhörung erscheinen<br />

und seinen Standpunkt darlegen.<br />

So nahm eine der lächerlichsten und<br />

unwürdigsten Veranstaltungen zur<br />

deutschen Sprache ihren Lauf. Die<br />

Ausschußmitglieder nahmen den<br />

Petenten Walter Krämer (VDS) sogleich<br />

ins Kreuzverhör. Die wichtigste<br />

Frage des Grünen Memet Kilic<br />

war, wie man denn das Wort „Marketing“<br />

auf deutsch ausdrücken könne.<br />

Dabei kam sich der Abgeordnete<br />

offenbar sehr schlau vor. Die Linke<br />

Agnes Alpers schwadronierte von<br />

Das dritte Treffen der Arbeitsgemeinschaft „Straße der deutschen Sprache“<br />

(AG SddS) fand am 17. November 2011 in Bad Lauchstädt statt. Die Mitteldeutsche<br />

Zeitung schrieb darüber am 19. November:<br />

Richtiges Deutsch statt „Denglisch“<br />

„Straße der deutschen Sprache“ geplant<br />

Von Elke Jäger<br />

I<br />

der multikulturellen Gesellschaft, für<br />

die wohl jeder sein müsse, und holte<br />

den Allgemeinplatz von der „Sprache<br />

im Wandel“ aus dem Keller der gesammelten<br />

Totschlagargumente. Peter<br />

Röhlinger von der FDP begleitete<br />

sie auf diesem Weg hinunter, kramte<br />

das Blendwort „Globalisierung“ aus<br />

einer verstaubten Schublade und verlieh<br />

seiner Befürchtung Ausdruck,<br />

die Betonung der deutschen Sprache<br />

in Deutschland könne ausländische<br />

Fachkräfte abschrecken. Stefanowitsch<br />

hingegen hatte es leicht; er<br />

rannte offene Türen ein.<br />

Kein Wohlwollen im<br />

Petitionsausschuß<br />

Krämer war darauf nicht vorbereitet. Er<br />

wiederholte zwar die bekannten Argumente,<br />

begab sich jedoch aufs Glatteis<br />

der Ausländerpolitik und griff dann sogar<br />

den Gegenpetenten an, weswegen<br />

ihn die Ausschußvorsitzende ermahnen<br />

mußte. Dadurch verschlechterte er seine<br />

ohnehin schwache Stellung. Krämer<br />

hätte wissen können, daß er im Ausschuß<br />

kaum mit Wohlwollen zu rechnen<br />

hat. Bereits im Mai 2009 – also in<br />

der vergangenen Gesetzgebungsperiode<br />

– hatte sich der Petitionsausschuß<br />

der Haltung des Bundesinnenministeriums<br />

angeschlossen: „Eine Ergänzung<br />

des Grundgesetzes um den Passus ‚Die<br />

Sprache der Bundesrepublik Deutschland<br />

ist Deutsch‘ bzw. die Schaffung<br />

sonstiger Vorschriften zum Schutze der<br />

deutschen Sprache werden […] nicht<br />

für erforderlich gehalten.“ Der Bundestag<br />

folgte damals der Empfehlung<br />

des Ausschusses und beschloß am 14.<br />

Mai 2009, die Petitionen dem Bundesministerium<br />

des Innern und dem<br />

Beauftragten der Bundesregierung für<br />

Kultur und Medien zu überweisen,<br />

sowie den Fraktionen des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundestages lediglich zur Kenntnis zu<br />

geben. So wird es auch diesmal gehen.<br />

Die Straße in der Presse<br />

mmer mehr Menschen ärgert der oft nachlässige Umgang mit der deutschen<br />

Sprache. Da wird von shoppen gesprochen statt von einkaufen,<br />

heißt es performance statt Vorstellung, und der gute alte Hausmeister trägt<br />

gar die Bezeichnung facility manager. „Denglisch“ nennt man inzwischen<br />

solcherart Sprachgemisch. Das muß nicht sein, meinen Sprachpfleger und<br />

suchen nach Möglichkeiten, gutes Deutsch wieder stärker ins Bewußtsein<br />

zu rücken. Zum Beispiel mit einer „Straße der deutschen Sprache“, die<br />

durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führen soll. Im März gründete<br />

sich in Köthen eine Arbeitsgruppe, die inzwischen zum dritten Mal<br />

tagte, und zwar in Bad Lauchstädt. „Mit unserer Tradition stehen wir regelrecht<br />

in der Pflicht, uns an einem derartigen Vorhaben zu beteiligen“,<br />

erklärt Bürgermeisterin Ilse Niewiadoma (FDP). Altmeister Goethe läßt<br />

grüßen … Bisher haben rund ein Dutzend Orte ihre Bereitschaft erklärt,<br />

an dem Projekt mitzuarbeiten. Noch einmal so viele hätten Interesse bekundet,<br />

sagte Thomas Paulwitz, Sprecher der Arbeitsgruppe, gegenüber<br />

der MZ. Zu den aktiven Mitgliedern zählten unter anderem Merseburg,<br />

Köthen, Bad Lauchstädt, Meißen oder Schleiz. Die Arbeitsgruppe agiert<br />

unter dem Dach der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Köthen. Die<br />

Gesellschaft sieht sich in der sprachpflegerischen Tradition der Fruchtbringenden<br />

Gesellschaft des 17. Jahrhunderts und will in der Öffentlichkeit<br />

ein Bewußtsein für den Wert der deutschen Sprache schaffen. „Wir denken<br />

an eine Ferienstraße, die Sprachpflege und Tourismus verbindet“, beschreibt<br />

Paulwitz die bisherigen Vorstellungen. Die einzelnen Orte müßten<br />

entsprechende Stätten benennen, die man – das sei Voraussetzung – auch<br />

besichtigen könne. Das wären für Merseburg die Zaubersprüche, für Bad<br />

Lauchstädt das Goethe-Theater und das Schillerhaus, aber auch das Festspiel<br />

der deutschen Sprache im Goethe-Theater. Man wolle nichts Neues<br />

erfinden, sondern bestehende Angebote vernetzen. Darauf sollte mit geeigneten<br />

Mitteln hingewiesen werden. Während der Zusammenkunft in Bad<br />

Lauchstädt beschäftigte sich die Arbeitsgruppe unter anderem mit einem<br />

Marketingkonzept und einem einheitlichen Logo.<br />

Nun ist ein politischer Vorstoß für die<br />

Verankerung der deutschen Sprache im<br />

Grundgesetz erst wieder nach der nächsten<br />

Bundestagswahl 2013 möglich.<br />

Doch eine Frage wurde damals wie<br />

heute nicht gestellt: Wie kann es sein,<br />

daß nach repräsentativen Umfragen<br />

über zwei Drittel der <strong>Deutsche</strong>n hinter<br />

dem Anliegen der Petition stehen,<br />

von diesen <strong>Deutsche</strong>n aber keiner im<br />

Petitionsausschuß des <strong>Deutsche</strong>n Bundestags<br />

zu finden ist? Volkswille und<br />

Abgeordnetenwille klafften wieder<br />

einmal meilenweit auseinander. Warum<br />

darf der deutschen Sprache kein<br />

Verfassungsrang zugestanden werden?<br />

Eine mögliche Erklärung gab es zwei<br />

Tage nach der Sitzung des Petitionsausschusses,<br />

als der Rechtsausschuß<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Bundestags über den<br />

Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung<br />

von Englisch als weiterer Gerichtssprache<br />

beriet.<br />

Übergewicht von<br />

Englischbefürwortern<br />

im Rechtsausschuß<br />

Diesem Vorhaben, die Stellung der<br />

deutschen Sprache weiter zu untergraben,<br />

stände eine Ergänzung des<br />

Grundgesetzes entgegen. Vorab hatte<br />

der Rechtsausschuß Gutachten von<br />

sechs Befürwortern und Lobbyisten,<br />

aber nur von einem Gegner eingeholt –<br />

von Wolfgang Ball, dem Vorsitzenden<br />

Richter am Bundesgerichtshof. Dieser<br />

kommt in seiner Ausarbeitung unter<br />

anderem zu den folgenden Ergebnissen:<br />

„Englisch als Gerichtssprache<br />

bringt einer englischsprachigen Partei<br />

in einem Zivilprozeß vor einem deutschen<br />

Gericht keinen nennenswerten<br />

Vorteil. Der ‚Sprachbruch‘, den der<br />

Entwurf zu vermeiden sucht, ist nicht<br />

zu vermeiden. Er besteht in jedem Fall<br />

zwischen der englischen Vertrags- und<br />

der deutschen Gesetzessprache, gleichviel,<br />

ob in der Vertrags- oder in der<br />

Gesetzessprache mündlich verhandelt<br />

wird. … Die gerade bei der Auslegung<br />

des fremdsprachigen Vertragstextes<br />

virulente Gefahr von Fehldeutungen<br />

wird nicht beseitigt, sondern im Gegenteil<br />

verstärkt, wenn Auslegungsfragen<br />

nicht in deutscher Sprache geklärt<br />

werden, sondern darüber in englischer<br />

Sprache verhandelt wird.“<br />

Ein weiterer Kenner konnte nur als<br />

Zaungast erscheinen. Der emeritierte<br />

Rechtsprofessor Axel Flessner hat den<br />

Gesetzentwurf des Bundesrats in einem<br />

Beitrag für die „Neue Juristische<br />

Online-Zeitschrift“ unter die Lupe<br />

genommen (NJOZ 47/2011, 17. November<br />

2011, Seite 1913 bis 1953). Er<br />

kommt zu dem Schluß: „Der staatliche<br />

Zivilprozeß auf englisch in Deutschland<br />

verstößt gegen Verfassungsrecht<br />

und Europarecht und ist rechtsstaatlich<br />

praktisch undurchführbar.“ Flessner<br />

wertet den Gesetzentwurf als „deutlichen<br />

Zwischenerfolg für die Englischpolitik“,<br />

gibt aber, auch mit Hinweis<br />

auf den Verein <strong>Deutsche</strong> Sprache und<br />

die DEUTSCHE SPRACHWELT, einen<br />

zuversichtlichen Ausblick: „Es ist<br />

zu erwarten, daß der soziale Widerstand<br />

gegen diese Sprachpolitik nicht<br />

nachlassen und das vom Bundesrat<br />

begehrte Gesetz als fatales Signal<br />

werten wird.“<br />

Die Empfehlung des Rechtsausschusses<br />

stand jedoch bei dem ungleichen<br />

Verhältnis von Befürwortern<br />

und Gegner (Einzahl!) unter den<br />

Sachverständigen bereits vorher fest.<br />

So meldete der <strong>Deutsche</strong> Bundestag<br />

nach der Sitzung ein „Ja zu englischsprachigen<br />

Gerichtsverhandlungen“.<br />

Diese Novemberwoche mit diesen<br />

beiden Ausschußsitzungen im Bundestag<br />

war wirklich eine schwarze<br />

Woche für die deutsche Sprache.<br />

D<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

Rechtschreibrat schiebt<br />

Lehrern die Schuld zu<br />

er Rat für deutsche Rechtschreibung<br />

hat nun entdeckt,<br />

wer für den allgemeinen Niedergang<br />

der Rechtschreibleistungen verantwortlich<br />

ist: Lehrer und Schulbuchverlage.<br />

Ihnen gelinge es nicht, die<br />

reformierten Rechtschreibregeln verständlich<br />

zu vermitteln. Am 29. November<br />

ließ der Rat über eine Pressemitteilung<br />

verlauten: „Der Rat weiß<br />

um die Schwierigkeiten, die bereits<br />

in der Vermittlung von Rechtschreibung<br />

liegen: Didaktisch an die jeweiligen<br />

Jahrgangsstufen angepaßte<br />

Konzepte sind rar, oftmals wird der<br />

betreffende Sachverhalt eins zu eins<br />

aus dem amtlichen Regelwerk in die<br />

Schulbücher kopiert. Das ist nicht im<br />

Sinne der Ersteller des amtlichen Regelwerks:<br />

Das amtliche Regelwerk<br />

ist von seiner Anlage her mit einem<br />

Gesetzestext vergleichbar, der für die<br />

einzelnen Benutzergruppen adäquat<br />

aufbereitet werden muß.“<br />

Mit anderen Worten: Die Rechtschreibreform<br />

ist großartig, doch<br />

Schulbuchverlage und Lehrer sind<br />

leider zu dumm, sie zu verstehen und<br />

zu erklären. Daß dies möglicherweise<br />

an der mißlungenen Reform selbst<br />

liegen könnte, auf diesen Gedanken<br />

kommt der Rat nicht. Zu Recht empörte<br />

sich daher tags darauf Dankwart<br />

Guratzsch in der „Welt“ über<br />

Hans Zehetmair, den Vorsitzenden<br />

des Rechtschreibrats: „Wenn er jetzt<br />

erklärt, daß mit der Orthographie<br />

‚nachlässig‘ umgegangen werde und<br />

daß dies eine Ursache dafür sei, ‚daß<br />

ungefähr zwanzig Prozent eines Jahrgangs<br />

der 15jährigen als Analphabeten<br />

gelten müssen‘, kommt dies einer<br />

Bankrotterklärung gleich. … Ein Regelwerk,<br />

das nicht vermittelbar ist,<br />

kann … zu einer Erleichterung niemals<br />

beitragen.“<br />

Auch die Lehrer beschwerten sich<br />

über Zehetmairs Watsch’n. Gerhard<br />

Brand, der baden-württembergische<br />

Landesvorsitzende des Verbands<br />

Bildung und Erziehung (VBE), wies<br />

den Tadel zurück: „Lehrer halten<br />

sich an die Vorgaben der Bildungspläne“.<br />

Wenn der Rat etwas ändern<br />

wolle, müsse er bei den Lehrplänen<br />

ansetzen. Außerdem sei noch viel zu<br />

tun, damit richtiges Schreiben wieder<br />

als wertvoll angesehen werde. Derzeit<br />

sei die Rechtschreibung „nicht<br />

Anzeigen<br />

Kleinanzeige<br />

einmal zweitrangig, sondern völlige<br />

Nebensache“.<br />

Schuld daran sei zum Beispiel, so<br />

der VBE, daß die bundesdeutsche<br />

Schulpolitik in den 1970er Jahren<br />

den Thesen des englischen Soziologen<br />

Basil Bernstein verfiel. Dieser<br />

sprach von schichtspezifischen Ebenen<br />

der Sprache: dem „elaborierten<br />

Code“ der Ober- und Mittelschicht<br />

und dem „restringierten Code“ der<br />

Unterschicht. Infolgedessen sei der<br />

Wert von Rechtschreibung immer<br />

mehr in Frage gestellt, das Mündliche<br />

gegenüber dem Schriftlichen bevorzugt<br />

worden.<br />

In den „Hessischen Rahmenrichtlinien“<br />

von 1972 ging es den Urhebern<br />

bekanntlich darum, Sprache und<br />

Rechtschreibung als „Ausübung von<br />

Herrschaft“ zu begreifen, weswegen<br />

die „Unterwerfung der Schule unter<br />

herrschende Normen“ überwunden<br />

werden müsse. Schriftliche Diktate<br />

wurden als Teufelszeug angesehen.<br />

Diese Einstellung wirkt bis heute<br />

fort. In Hamburg zum Beispiel dürfen<br />

Lehrer Diktate derzeit nicht benoten.<br />

Es gibt viele weitere Gründe dafür,<br />

warum es mit den orthographischen<br />

Fähigkeiten bergab geht. Dazu zählen<br />

auch die zahlreichen Reformen,<br />

die den Deutschunterricht in den<br />

Grundschulen erschüttert haben:<br />

vom phonetischen Schreiben bis zur<br />

Rechtschreibreform. Diese Reformen<br />

haben nicht die Lehrer, sondern<br />

die Kultusminister auf den Weg gebracht.<br />

Als bayerischer Kultusminister<br />

(1986 bis 1998), als Präsident<br />

der Kultusministerkonferenz und als<br />

Vorsitzender des Rechtschreibrats<br />

(2004 bis heute) ist Zehetmair einer<br />

der Hauptverantwortlichen für die<br />

mißlungene Rechtschreibreform. Er<br />

ist auch mitverantwortlich dafür, daß<br />

Beliebigkeit einzog und viele Menschen<br />

Rechtschreibung nicht mehr<br />

als wichtig erachten. Im Jahr 2004,<br />

als die Rechtschreibreform kurz vor<br />

dem endgültigen Aus stand, war es<br />

Zehetmair, der die Aufgabe übernahm,<br />

die Neuregelung durch eine<br />

erneute Reform zu retten. Es wirkt<br />

daher besonders unverfroren, wenn<br />

ein ehemaliger Kultusminister nun<br />

den Lehrern den Schwarzen Peter<br />

unterzujubeln versucht. (pau)<br />

900 Jahre Zisterzienser – 900 Jahre literarisches Schaffen<br />

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denn unser bewährtes Verlags-Management wird Ihr Werk bekannt<br />

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<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Hintergrund<br />

Seite 5<br />

„Jugendwörter“<br />

Kommentar der<br />

Neuen Osnabrücker Zeitung<br />

S<br />

ie checken nicht, was „Swag“<br />

bedeutet? Dann sind Sie leider<br />

ziemlich out und sollten das<br />

Jugendwort des Jahres schnell googeln.<br />

„Swag“ ist eine lässig-coole<br />

Ausstrahlung, und die hat nun mal<br />

nicht jeder. Fast hätte es der Begriff<br />

„Fail“ auf Platz eins geschafft. Das<br />

englische Wort für „Versagen“ als<br />

deutsches Jugendwort 2011? Das<br />

ist nicht voll krass, sondern echt<br />

schlimm.<br />

Denn wenn das so weitergeht, bleibt<br />

von der deutschen Sprache nicht viel<br />

übrig. Ob Johann Wolfgang Goethe<br />

angesichts der Anglizismen-Flut immer<br />

noch reimen würde: „Ich hör es<br />

gern, wenn auch die Jugend plappert<br />

/ Das Neue klingt, das Alte klappert“?<br />

Dabei ist auch ohne Englisch Potential<br />

vorhanden: Das Verb „guttenbergen“<br />

(abschreiben) wählte die<br />

Langenscheidt-Jury auf Platz drei.<br />

Der Begriff ist witzig, ein bißchen<br />

politisch, und ihn versteht nur, wer<br />

die Nachrichten verfolgt. Ist doch<br />

schön, daß die swagge Jugend clever<br />

ist. Bitte mehr davon, und weniger<br />

linguistischer Fail! (ots)<br />

Die Langenscheidt-Verlagsgruppe<br />

hat Anfang Dezember 2011 die „Jugendwörter<br />

des Jahres“ festgelegt:<br />

1. Swag (lässige Ausstrahlung), 2.<br />

Fail/Epic Fail (grober Fehler, Versagen),<br />

3. guttenbergen (abschreiben),<br />

4. Körperklaus (Tolpatsch), 5. googeln<br />

(suchen, nachschlagen).<br />

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möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V.<br />

regelmäßig unterstützen. Darum ermächtige ich<br />

diesen Verein,<br />

einmalig - vierteljährlich - halbjährlich - jährlich<br />

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einen Betrag von Euro<br />

von meinem Konto abzubuchen.<br />

Diese Einzugsermächtigung kann ich jederzeit<br />

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Meine Anschrift Postfach 1449, D-91004 Erlangen, bestellung@deutsche-sprachwelt.de<br />

Name, Vorname<br />

Straße<br />

Dauerauftrag<br />

Bitte deutlich schreiben!<br />

Von Eduard Oswald, MdB<br />

S<br />

Demokratie lebt von der Sprache<br />

prache ist nicht nur das Fundament<br />

der individuellen Freiheit<br />

jedes einzelnen, Sprache ist Voraussetzung,<br />

um an gesellschaftlichen, politischen<br />

und kulturellen Entwicklungen<br />

teilhaben zu können. So lebt gerade<br />

die Demokratie von der Sprache. Der<br />

deutsche Sprachraum bildet geographisch<br />

gesehen das Zentrum der Europäischen<br />

Union und ist das prägende<br />

wie auch verbindende Element der<br />

Identität und Kultur der dort lebenden<br />

Menschen. Die Vielfalt und Schönheit<br />

der deutschen Sprache zeigt sich nicht<br />

zuletzt in den großartigen Werken der<br />

deutschsprachigen Literatur.<br />

Dabei hat das <strong>Deutsche</strong> eine wechselvolle<br />

Geschichte hinter sich und mußte<br />

sich stets behaupten. Während der<br />

Zeit der Aufklärung ging es darum,<br />

die deutsche Sprache allen Bevölkerungsschichten<br />

als Verständigungsmittel<br />

verfügbar zu machen. Niemand<br />

sollte mehr wegen seines mangelnden<br />

sprachlichen Verständnisses von öffentlichen<br />

Angelegenheiten ausgeschlossen<br />

werden. Man trat für ein<br />

klares und verständliches Deutsch ein,<br />

da ein hoher Anteil an Elementen des<br />

Französischen für nicht zu unterschätzende<br />

Verständnisprobleme bei einem<br />

Großteil der Bevölkerung sorgte.<br />

Heute entsteht ein ähnliches Problem<br />

durch ein Übermaß an englischen<br />

Begriffen. So besteht die Gefahr, daß<br />

in Bezug auf die deutsche Sprache<br />

ganze Handlungszusammenhänge<br />

verlorengehen. Denken Sie beispielsweise<br />

an Begrifflichkeiten rund um<br />

moderne Techniken oder neue Kommunikationsformen.<br />

Deswegen gilt<br />

es, für die kulturelle und sprachliche<br />

Selbstachtung sowie für einen entsprechend<br />

selbstbewußten Umgang<br />

Bezug – kostenlos!<br />

Einfacher Bezug: Bitte senden Sie mir regelmäßig<br />

kostenlos und unverbindlich die DEUTSCHE<br />

SPRACHWELT. Ich verpflichte mich zu nichts. Bei Gefallen<br />

werde ich spenden. Ich kann sie jederzeit abbestellen.<br />

Mehrfachbezug: Ich habe die Gelegenheit, die<br />

DEUTSCHE SPRACHWELT auszulegen, um für<br />

die deutsche Sprache zu werben (z. B. Arztpraxis, Friseursalon,<br />

Museum). Bitte schicken Sie mir daher von jeder<br />

neuen Ausgabe _____ Stück.<br />

Frühere Ausgaben – kostenlos!<br />

______ x DSW-Nummer ______<br />

______ x DSW-Nummer ______<br />

______ x DSW-Nummer ______<br />

Werbematerial – kostenlos!<br />

______ x Faltblatt „Rettet die deutsche Sprache“<br />

______ x Aufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf“<br />

gegen SALE (9,5 x 14,5 cm)<br />

______ x Aufkleber „Freie Fahrt“ gegen Denglisch<br />

(5,2 x 7,4 cm)<br />

______ x Aufkleber „Schreibschrift ist schön!“<br />

(5,2 x 7,4 cm)<br />

Die Aufkleber sind witterungsbeständig (Abbildungen umseitig)<br />

Geburtsdatum<br />

Postleitzahl und Ort<br />

Auch die Politik muß sich für die deutsche Sprache einsetzen<br />

mit der deutschen<br />

Sprache in unserer<br />

weltoffenen und<br />

europäisch orientiertenGesellschaft<br />

einzutreten.<br />

Deutsch ist eine<br />

schöne Sprache.<br />

Auch im Zeitalter<br />

der weltweiten Vernetzung<br />

müssen im<br />

Alltag nicht immer<br />

englische Wörter<br />

verwendet werden.<br />

Eduard Oswald<br />

Wir gehen zu einem „Event“ und meinen<br />

Ereignis. Wir kaufen Fahrkarten<br />

und sagen „Tickets“. Wir könnten Stellungnahme<br />

sagen statt „Statement“.<br />

Oder Salatsoße statt „Dressing“. Die<br />

Liste ließe sich wohl endlos erweitern.<br />

Anglizismen werden immer häufiger<br />

verwendet, ohne den Gewinn zusätzlicher<br />

Ausdrucksmöglichkeiten oder<br />

einer gesteigerten Verständlichkeit.<br />

Warum gehen wir in unserem täglichen<br />

Leben nicht sorgfältiger mit unserer<br />

Sprache um?<br />

In einer Erhebung des Institutes Allensbach<br />

aus dem Jahr 2008 gaben<br />

65 Prozent der Befragten an, sie befürchteten,<br />

daß die deutsche Sprache<br />

immer mehr „verkomme“. Als Gründe<br />

nannten die Befragten unter anderem,<br />

daß heute weniger als früher<br />

gelesen werde, daß der Einfluß anderer<br />

Sprachen auf die deutsche stark<br />

zunehme und daß bei der Korrespondenz<br />

mit modernen Kommunikationsformen<br />

wie elektronischer Post<br />

zu wenig auf eine gute Ausdrucksweise<br />

geachtet werde. Hinzu kommt<br />

die Dominanz des Englischen im<br />

Bereich der Unterhaltungsmusik, die<br />

vor allem junge Menschen anspricht.<br />

Bitte senden Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT auch an:<br />

Bitte deutlich schreiben!<br />

1<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

2<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

3<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

4<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

5<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

6<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

Dabei gibt es eine<br />

Vielzahl an deutschen<br />

Künstlern,<br />

die ihre Stücke<br />

auch in deutscher<br />

Sprache veröffentlichen.<br />

Hier<br />

gilt es, sich darauf<br />

auch einzulassen<br />

und diese Künstler<br />

in der öffentlichen<br />

Wa h r n e h m u n g<br />

stärker zu honorieren.<br />

Aber das Beherrschen der deutschen<br />

Sprache spielt auch im Zusammenhang<br />

mit dem Erlernen einer Fremdsprache<br />

eine herausragende Rolle. Ich<br />

fordere gerade junge Menschen immer<br />

wieder auf, mehrere Fremdsprachen<br />

zu lernen. Durch Fremdsprachenkenntnisse<br />

findet eine Förderung des<br />

Verständnisses anderer Kulturen statt.<br />

Doch die Voraussetzung dafür ist das<br />

Beherrschen der Muttersprache.<br />

Das Ersetzen der deutschen Sprache<br />

durch die englische in Forschung,<br />

Wissenschaft und Technik sowie in der<br />

Wirtschaft führt leider zu einem kulturellen<br />

Verlust und einem nicht zu unterschätzenden<br />

Wettbewerbsnachteil.<br />

Zahlreiche europäische Ausschreibungen<br />

etwa werden nicht mehr ins <strong>Deutsche</strong><br />

übersetzt. Daneben muß Deutsch<br />

auch als Fremdsprache attraktiver gemacht<br />

werden, was im Hinblick auf<br />

unseren Wirtschaftsstandort und den<br />

Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte<br />

von großer Bedeutung ist.<br />

Insgesamt kann jeder einzelne seinen<br />

Beitrag für den richtigen Umgang mit<br />

der deutschen Sprache leisten. Aber<br />

natürlich bedarf es auch des politi-<br />

schen Einsatzes dafür, daß Deutsch<br />

als Amts- und Arbeitssprache in der<br />

Europäischen Union die angemessene<br />

Anwendung findet. Schließlich<br />

ist Deutsch die meistgesprochene<br />

Muttersprache in der EU. Es sollte<br />

ein Nebeneinander der Weltsprache<br />

Englisch und der jeweiligen Muttersprache<br />

praktiziert werden, da die beschriebenen<br />

Entwicklungen ja nicht<br />

nur auf die deutsche Sprache zutreffen.<br />

Deshalb sollten die europäischen<br />

Institutionen mit gutem Beispiel vorangehen<br />

und die gleichberechtigte<br />

Verwendung der deutschen Sprache<br />

als Arbeitssprache akzeptieren und<br />

auch in die Praxis umsetzen. Weiterhin<br />

müssen wissenschaftliche Publikationen<br />

in deutscher Sprache noch<br />

stärker gefördert werden, um den Bedeutungsverlust<br />

der Wissenschaftssprache<br />

Deutsch aufzuhalten.<br />

Eduard Oswald ist Vizepräsident des<br />

<strong>Deutsche</strong>n Bundestages und war im<br />

Kabinett Kohl Bundesbauminister.<br />

Anzeige<br />

Das einzige<br />

Lehrbuch


Seite 6<br />

Von Thomas Paulwitz<br />

I<br />

hr wißt doch ganz genau, was<br />

das für faule Säcke sind.“ Dieser<br />

Spruch Gerhard Schröders über die<br />

Arbeitseinstellung der Lehrer, den er<br />

1995 als niedersächsischer Ministerpräsident<br />

gegenüber einer Zevener<br />

Schülerzeitung losließ, sorgte seinerzeit<br />

für große Aufregung und Empörung.<br />

Vielen beherzten Pädagogen tat<br />

Schröder damals gewiß unrecht. Doch<br />

einige Lehrer in Baden-Württemberg,<br />

Bremen und Bayern schicken sich<br />

derzeit an, dem Vorurteil des faulen<br />

Lehrers gerecht zu werden. Sie wollen<br />

keine Schreibschrift mehr unterrichten,<br />

weil sie daran gescheitert seien,<br />

wie viele von ihnen zugeben.<br />

Freimütig gesteht Lehrerin Nicole<br />

Fink von der Häusel-Grundschule in<br />

Zuzenhausen gegenüber dem Mannheimer<br />

Morgen das Scheitern ihrer<br />

pädagogischen Bemühungen: „Viele<br />

sind frustriert, wenn sie Schreibschrift<br />

lernen müssen.“ Oft könnten die Kinder<br />

ihre geschwungenen Buchstaben<br />

selbst nicht richtig lesen, verzweifelt<br />

sie. Auch die Konrektorin der Härtenschule<br />

in Mähringen, Viviane Glora,<br />

ist augenscheinlich überfordert: Das<br />

Ergebnis ihrer Versuche, den Kindern<br />

die Schreibschrift beizubringen,<br />

← Bestellschein umseitig!<br />

Aufkleber<br />

Kleben Sie den<br />

Sprachverderbern eine!<br />

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Auflage: 35 500<br />

Freie-Fahrt-Aufkleber<br />

Auflage: 20 000<br />

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Unsere Arbeit ist<br />

abhängig von<br />

Ihrer Spende!<br />

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Bundesrepublik Deutschland<br />

Stadt- und Kreissparkasse<br />

Erlangen<br />

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Kontonummer 400 1957<br />

BIC: BYLADEM1ERH<br />

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DE63763500000004001957<br />

Republik Österreich<br />

Volksbank Salzburg<br />

Bankleitzahl 45010<br />

Kontonummer 000 150 623<br />

Faltblatt<br />

Hintergrund<br />

Retten wir die Schreibschrift – jetzt!<br />

In einem Jahr könnte es vielleicht schon zu spät sein<br />

sei mitunter „katastrophal“, klagt sie<br />

gegenüber dem Reutlinger General-<br />

Anzeiger. Die Rektorin der Esslinger<br />

Herderschule, Margarete Teuscher,<br />

wirft sich sogar eine Form von Kindesmißhandlung<br />

vor. Mit den Worten<br />

„Schreibschrift macht unglücklich“<br />

räumt sie gegenüber den Stuttgarter<br />

Nachrichten ihr Scheitern ein.<br />

Wir können es nicht,<br />

also lassen wir es<br />

Wie sieht der Schluß aus, den all diese<br />

Lehrer ziehen? Schämen sie sich?<br />

Hängen sie ihren Lehrberuf an den<br />

Nagel? Legen sie vermehrten Fleiß<br />

an den Tag, um die Scharte wieder<br />

auszuwetzen? Versuchen sie wenigstens,<br />

sich besser zu qualifizieren?<br />

Nichts von alledem! Ihre Lösung<br />

heißt: Die Schreibschrift muß weg!<br />

Sind diese Lehrer also tatsächlich zu<br />

faul zum Unterrichten?<br />

Nein, diese Lehrer sind nicht faul. Vielmehr<br />

verbirgt sich dahinter die Ideologie<br />

der „Erleichterungspädagogik“<br />

Auflage: 27 500<br />

(Josef Kraus), die vieles abschafft und<br />

durch hanebüchenen Unsinn ersetzt. In<br />

diesem Fall ist der Grundschulverband<br />

schuld. Dieser bereitet den größten Anschlag<br />

auf den Deutschunterricht seit<br />

der Rechtschreibreform vor. Er treibt<br />

die Abschaffung der Schreibschrift<br />

voran und hat sogar bereits erste Kultusministerien<br />

überzeugt, dies zu prüfen.<br />

In Baden-Württemberg sind es 16,<br />

in Bayern fünf und in Bremen „einige<br />

wenige“ Grundschulen, die statt der<br />

Schreibschrift eine Druckschrift erproben,<br />

die sogenannte „Grundschrift“<br />

des Grundschulverbands. In Hamburg<br />

steht es den Schulen seit diesem Schuljahr<br />

sogar schon frei, ob sie ihren Schülern<br />

noch die Schreibschrift beibringen<br />

wollen. Eltern, die die Abschaffung der<br />

Schreibschrift nicht wollen, müssen<br />

die Schule wechseln.<br />

Lieferbare Ausgaben<br />

<strong>46</strong><br />

45<br />

Die Erfinder begutachten ihre<br />

eigene Erfindung<br />

Die Kinder werden als Versuchskaninchen<br />

mißbraucht, weil noch keine<br />

Untersuchung den Nutzen der Grund-<br />

Umstrittene Grundschrift wird nicht verordnet<br />

KMK-Präsident Bernd Althusmann nimmt Protest-Unterschriften entgegen<br />

Von Rolf Zick<br />

M<br />

it der Übergabe von 2.108<br />

Unterschriften an den Präsidenten<br />

der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK), Bernd Althusmann, erreichte<br />

die Aktion „Rettet die Schreibschrift“<br />

am 9. Dezember 2011 einen wichtigen<br />

Zwischenerfolg. Die DEUT-<br />

SCHE SPRACHWELT (DSW) und<br />

die Aktion <strong>Deutsche</strong> Sprache (ADS)<br />

hatten die Unterschriften seit dem<br />

Tag der deutschen Sprache 2011<br />

gesammelt. Bei der Übergabe im<br />

niedersächsischen Landtag in Hannover<br />

sprach der ADS-Vorsitzende<br />

Hermann Neemann die Bitte aus,<br />

diesen in den Unterschriften manifestierten<br />

Bürgerprotest gegen die<br />

Einführung der Grundschrift in der<br />

nächsten Sitzung der KMK auf die<br />

Tagesordnung zu setzen und die Kultusminister<br />

der anderen deutschen<br />

Bundesländer aufzufordern, nach der<br />

verunglückten Rechtschreibreform<br />

die Schulen anzuhalten, die Schreib-<br />

2 108 Unterschriften für die Rettung der Schreibschrift nahm Bernd Althusmann<br />

(links), Präsident der Kultusministerkonferenz, am 9. Dezember 2011 im<br />

Niedersächsischen Landtag entgegen. An der Übergabe in Hannover nahmen<br />

der ADS-Vorsitzende Hermann Neemann (rechts), DSW-Mitarbeiter Wolfgang<br />

Hildebrandt (2. von rechts) und ADS-Schriftführer und -Pressesprecher Rolf<br />

Zick (2. von links) teil. Die Unterschriftenaktion geht weiter.<br />

Winter 2011/12<br />

Herbst 2011<br />

Unter anderem: Thomas Paulwitz: Rettet<br />

die Schreibschrift! / Briefe an uns<br />

und unsere Leser / Karin Pfeiffer-Stolz:<br />

Schreiben wie in Holzpantoffeln / Frank-<br />

Michael Kirsch: Das Schwedische<br />

verteidigen / Wolfgang Hildebrandt:<br />

Deutschland schafft seine Sprache ab (2)<br />

– Psychologische Hintergründe der fehlenden<br />

Sprachtreue / Ota Filip: Glanz,<br />

Gloria und Elend des Exils (Rede zur deutschen<br />

Sprache) / Rolf Kamradek: Kafka<br />

vertritt die deutsche Position / Dietrich<br />

Scholze: Die Sorben – gering an Zahl,<br />

doch sprachbewußt / Neues zur Straße der<br />

deutschen Sprache / Thomas Paulwitz:<br />

Sprachpolitik in Baden-Württemberg /<br />

Sprachsünder-Ecke: VW up! / Lienhard<br />

Hinz: Bericht aus Berlin / Richard Albrecht:<br />

„Executive Summary“ als Bumerang<br />

/ Günter Körner: Überhaupt<br />

– Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />

Sicht (8) / Karin Pfeiffer-Stolz:<br />

Zum Teufel mit dem Teufel / Modehaus<br />

Nikolaus greift die Anti-SALE-Aktion<br />

der DSW auf / Wolfgang Hildebrandt:<br />

„Neudeutsch“ (Anglizismenmuffel)<br />

Sommer 2011<br />

44<br />

Unter anderem: Thomas Paulwitz: Werber,<br />

Werber, Sprachverderber / Briefe an<br />

uns und unsere Leser / Wolfgang Hildebrandt:<br />

Deutschland schafft seine Sprache<br />

ab (1) – Wissenschaftler und Politiker<br />

als Sprachverräter / Straße der deutschen<br />

Sprache: Die Bauarbeiten haben begonnen<br />

/ Gespräch mit Michael Olbrich:<br />

schrift bewiesen hat. Eine wissenschaftliche<br />

Begleitung sei auch nicht<br />

geplant, so das baden-württembergische<br />

Kultusministerium. Das Bayerische<br />

Kultusministerium hingegen hat<br />

ein Gutachten über die „Grundschrift“<br />

in Auftrag gegeben. Gutachterin ist<br />

Prof. Dr. Angelika Speck-Hamdan,<br />

Professorin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität<br />

am<br />

Lehrstuhl für Grundschulpädagogik<br />

und -didaktik. Speck-Hamdan ist<br />

allerdings gleichzeitig „Fachreferentin<br />

für Bildungsgerechtigkeit“ des<br />

Grundschulverbandes, der die Einführung<br />

der Grundschrift fordert.<br />

Das Ergebnis des Gutachtens dürfte<br />

somit von vorneherein feststehen.<br />

Vom Bayerischen Rundfunk darauf<br />

angesprochen, antwortete Kultusminister<br />

Ludwig Spaenle rundheraus:<br />

„Daß derselbe Verband an<br />

verschiedenen Stellen eines solchen<br />

Prozesses mitwirkt, halte ich für vertretbar.“<br />

Mit derselben Einstellung<br />

könnte Spaenle verordnen, daß sich<br />

Schüler künftig ihre Noten selbst<br />

schrift beizubehalten und nicht durch<br />

eine Druckschrift, die sogenannte<br />

„Grundschrift“, zu ersetzen.<br />

Der niedersächsische Kultusminister<br />

Althusmann erklärte dazu, in Niedersachsen<br />

gebe es diesen Streit nicht.<br />

Die Schulen behielten die Schreibschrift<br />

bei: „Es gibt keine Vorgabe<br />

des Kultusministeriums, die umstrittene<br />

Grundschrift einzuführen.<br />

Das werden wir auch nicht tun. Wir<br />

lassen den Schulen zwar freie Hand,<br />

aber ich persönlich halte die Schreibschrift<br />

für durchaus sinnvoll, nicht<br />

nur zur Erhaltung unserer Schreibkultur,<br />

sondern auch, weil sie die<br />

Motorik unserer Kinder beim Schreibenlernen<br />

stark beeinflußt.“ In Niedersachsen<br />

gebe es keinen zwingenden<br />

Handlungsbedarf. Der Minister<br />

setze aber auch stark auf das Fachwissen<br />

der Lehrkräfte: „Im Moment<br />

ist das für uns kein Politikum.“<br />

Aktiengesellschaften verklagen? / Dirk<br />

Herrmann: Zur Sprachkritik von Christian<br />

Weise / Franz Neugebauer, Harald<br />

Süß: 60 Jahre Bund für deutsche<br />

Schrift und Sprache / Wieland Kurzka:<br />

Vermeintliche Sprachkultur der ERGO-<br />

Versicherung / Rolf Stolz: Franz Kafka,<br />

ein tschechischer Klassiker? / Margund<br />

Hinz: Die Abschaffung der Schreibschrift<br />

droht / Sprachsünder-Ecke: Schlecker<br />

/ Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin /<br />

Rolf Zick: Preise für gute deutsche Marken-<br />

und Produktnamen / Günter Körner:<br />

„Wegbrechen“ bis zum Erbrechen –<br />

Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />

Sicht (7) / Ehrung für Peter Ramsauer /<br />

Dagmar Schmauks: Der Mütos lebt /<br />

Jürgen K. Klimpke: Schleizer Bücherwurm<br />

/ Wolfgang Hildebrandt: Sprachliche<br />

Kernschmelze (Anglizismenmuffel)<br />

Frühling 2011<br />

43<br />

Unter anderem: Thomas Paulwitz: Bundesverkehrsminister<br />

und <strong>Deutsche</strong> Bahn<br />

wollen wieder mehr Deutsch / Briefe an<br />

uns und unsere Leser / Lienhard Hinz:<br />

Anliegen und Arbeit eines Sprecherziehers<br />

/ Straße der deutschen Sprache: Merseburg<br />

/ Leserbefragung: 97 Prozent sind<br />

für die Straße / Horst Meyer: Berlinisch<br />

/ Lienhard Hinz: Berliner Kongreß zu<br />

Regional- und Minderheitensprachen /<br />

Johannes Heinrichs: Sprachpolitische<br />

Thesen (Teil 2) / Elmar Tannert: Fehlerhafte<br />

Wörter ziehen fehlerhafte Dinge<br />

nach sich / Thomas Paulwitz: Einzelheiten<br />

zur winzigen Rechtschreibreform<br />

2011 / Sprachsünder-Ecke: Niedersächsisches<br />

Kultusministerium / Sprachwahrer<br />

des Jahres 2010 / Hartmut Heuermann:<br />

Steckt hinter Denglisch eine Ideologie? /<br />

Günter Körner: Den Fokus an den Hör-<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

geben. Nachdem sich allerdings die<br />

Beschwerden häufen, äußert sich das<br />

Ministerium nun zurückhaltender.<br />

Sein Sprecher Ludwig Unger erklärt:<br />

„Sicher werden wir eine zweite wissenschaftliche<br />

Position berücksichtigen.<br />

Für eine Entscheidung wird<br />

Bayern auch die Entwicklung in den<br />

anderen Bundesländern beobachten,<br />

die derzeit höchst uneinheitlich ist.“<br />

Halten wir die Abschaffung der<br />

Schreibschrift auf!<br />

Es besteht folglich noch Hoffnung,<br />

die Schreibschrift in Bayern zu retten,<br />

bevor der neue Lehrplan beschlossen<br />

wird, der ab dem Schuljahr 2014/15<br />

gelten soll. Dazu sind viele Aktionen<br />

in ganz Deutschland notwendig.<br />

In Bremen zum Beispiel hat sich die<br />

CDU-Fraktion eindeutig zur Schreibschrift<br />

bekannt. In einer Kleinen Anfrage<br />

stellt sie fest: „Die Aufgabe des<br />

Erlernens der Schreibschrift in der<br />

Grundschule als einer der wichtigsten<br />

Kulturtechniken überhaupt ist<br />

verantwortungslos und wird zu einer<br />

modernen Form des funktionalen Analphabetismus<br />

führen.“<br />

An einer Schule in Schleswig-Holstein<br />

haben Eltern jetzt erfolgreich die Einführung<br />

der Grundschrift verhindert.<br />

Eine betroffene Mutter schrieb der<br />

DEUTSCHEN SPRACHWELT: „Der<br />

Druck, den wir Eltern aufgebaut hatten,<br />

reichte aus, um die Schulleitung<br />

zu einem Rückzieher zu bewegen. Nun<br />

wird in den zweiten Klassen weiterhin<br />

die Schulausgangsschrift gelehrt. Immerhin!<br />

Trotzdem wäre mir die Lateinische<br />

Ausgangsschrift lieber …“<br />

Wir haben es also in der Hand, ob wir<br />

dieser Entwicklung tatenlos zusehen<br />

wollen oder nicht. Wer den Irrsinn<br />

nicht mitmachen will, sollte sich an der<br />

Aktion „Rettet die Schreibschrift“ beteiligen<br />

und sich schleunigst in die Unterschriftenliste<br />

eintragen. Oder wollen<br />

Sie etwa als „fauler Sack“ gelten?<br />

Helfen Sie mit! Sammeln Sie Unterschriften,<br />

bekennen Sie Farbe! Versorgen Sie<br />

sich dazu mit unseren kostenlosen Aufklebern<br />

(Seite 5). Fordern Sie bei uns Unterschriftenlisten<br />

an. Mit Ihrer Unterschrift<br />

fordern Sie die Kultusminister dazu auf,<br />

dafür zu sorgen, daß an den Schulen weiterhin<br />

Schreibschrift unterrichtet wird.<br />

Verhindern wir gemeinsam die Abschaffung<br />

der Schreibschrift!<br />

Unsere Aktionsseite: www.facebook.de/<br />

Schreibschrift<br />

nern gepackt! – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />

Sicht (6) / Reingard<br />

Böhmer und Diethold Tietz: „Sprache<br />

ist Heimat“ – Kongreß der Unionsfraktion<br />

im Bundestag / Thomas Paulwitz:<br />

Ali schlägt Mohammed / Rominte van<br />

Thiel: Wir <strong>Deutsche</strong> oder wir <strong>Deutsche</strong>n?<br />

/ Lienhard Hinz: Bericht aus<br />

Berlin / Wolfgang Hildebrandt: Die<br />

Weichen stellen? (Anglizismenmuffel)<br />

42 Winter 2010/11<br />

Unter anderem: Thomas Paulwitz:<br />

Englisch darf in Deutschland nicht zur<br />

Gerichtssprache werden / Leserdiskussion<br />

(2): E-Mail oder E-Post? / Helmut<br />

Delbanco: Paul Gerhardt – der größte<br />

deutsche Sprachmeister nach Martin<br />

Luther / Straße der deutschen Sprache:<br />

Gräfenhainichen / Andreas Raffeiner:<br />

Südtirol spricht immer noch Deutsch<br />

(2) / Johannes Heinrichs: Das wichtigste<br />

nationale Kulturprojekt: die Sprache<br />

(Sprachpolitische Thesen, Teil1) / Ursula<br />

Bomba: Hildebrandts zweiter Glossen-Band<br />

„Mal ganz ehrlich“ / Robert<br />

Mokry: Der Löwenzahn und sein Traum<br />

(Ausgewählter Beitrag aus dem Schülerwettbewerb<br />

„Schöne deutsche Sprache“<br />

2010) / Sprachsünder-Ecke: ZDF / Lienhard<br />

Hinz: Schlagabtausch zwischen<br />

GfdS und VDS in Berlin / Gespräch mit<br />

Werner Kieser: „Die Sprache eines Unternehmens<br />

ist ein Qualitätsmerkmal“<br />

/ Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin /<br />

Günter Körner: Flüssig oder fließend?<br />

– Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />

Sicht (5) / Wolfgang Hildebrandt:<br />

Staatssprache Deutsch: Wohin geht die<br />

Reise? (Anglizismenmuffel)<br />

Lieferbar sind auch noch alle früheren Ausgaben. Die Inhaltsverzeichnisse<br />

sämtlicher Ausgaben finden Sie unter<br />

www.deutsche-sprachwelt.de/archiv/papier/index.shtml


<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Hintergrund<br />

Seite 7<br />

Von Wolfgang Hildebrandt<br />

K<br />

ritischen Fachleuten war längst<br />

bekannt, was die PISA-Studien<br />

an die Öffentlichkeit brachten: Eine<br />

beängstigende Anzahl von Schülern<br />

in Deutschland kann keine Texte<br />

mehr verstehen und erkennt Sachzusammenhänge<br />

nicht mehr – um es<br />

grob zusammenzufassen. Wie konnte<br />

es zu solch einem, wenn auch schleichenden,<br />

Sprachverlust kommen?<br />

Seit Jahren untersuchen Schulpsychologen,<br />

Kinderärzte, Erzieherinnen<br />

und Grundschullehrer die sprachliche<br />

Bildung von Kindern. Immer<br />

wieder lesen wir in den Zeitungen<br />

erschreckende Nachrichten. So stieg<br />

in Bielefeld der Anteil der Schulanfänger,<br />

deren Sprache gefördert werden<br />

müsse, in den vergangenen drei<br />

Jahren um ein Viertel, meldete die<br />

„Neue Westfälische“ am 9. Juli 2011.<br />

Jedes dritte Kind bedürfe der Förderung,<br />

hieß es. Radio Bremen meldete<br />

am 11.August: „Mehr als jedes zehnte<br />

Kind im Landkreis Cuxhaven ist<br />

zu dick. Das haben die diesjährigen<br />

Schuleingangs-Untersuchungen ergeben.“<br />

Etwa ein Drittel der Kinder<br />

zeige Sprachstörungen.<br />

Dabei wird die Sprachentwicklung<br />

unserer Kinder genau überwacht.<br />

Sprachstandserhebungen, Schuleingangsuntersuchungen<br />

und das<br />

kinderärztliche Früherkennungsprogramm<br />

(U1 bis U9) prüfen die<br />

sprachliche Bildung der Jüngsten.<br />

Am besten dokumentiert sind die<br />

Sprachstandserhebungen für Kindergartenkinder.<br />

Diese unterscheiden<br />

sich von Bundesland zu Bundesland,<br />

da verschiedene Prüfverfahren angewendet<br />

werden. Dementsprechend<br />

schwanken die Ergebnisse.<br />

Bayern etwa prüft nur Kinder, bei denen<br />

beide Elternteile nicht deutschsprachiger<br />

Herkunft sind. 75,7 Prozent<br />

dieser Kinder im Alter zwischen<br />

4 und 6 Jahren wiesen 2008/2009<br />

sprachliche Entwicklungsrückstände<br />

auf. In anderen Bundesländern<br />

nehmen alle Vorschulkinder an der<br />

Sprachstandserhebung teil. Da es<br />

keine einheitliche Prüfmethode gibt,<br />

sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich.<br />

Außerdem finden die Untersuchungen<br />

teils ein Jahr, teils sogar<br />

zwei Jahre vor der Einschulung statt,<br />

so daß Kinder in unterschiedlichen<br />

Entwicklungsphasen teilnehmen.<br />

Als sprachförderungsbedürftig wurden<br />

in diesen Ländern 2008/2009<br />

eingestuft: in Baden-Württemberg<br />

13,4 Prozent, in Berlin 16,5 Prozent,<br />

in Brandenburg 19,7 Prozent,<br />

in Hamburg 26,8 Prozent, in Nordrhein-Westfalen<br />

23,3 Prozent und im<br />

Saarland 12,6 Prozent der Vorschulkinder.<br />

Auffällig hohe Werte gibt es<br />

für Bremen (52,6 Prozent) und Bremerhaven<br />

(44,6 Prozent), während in<br />

Niedersachsen die Kleinen scheinbar<br />

besser sprechen (12,9 Prozent).<br />

Aufschlußreich war für mich allerdings<br />

ein Gespräch mit der Konrektorin<br />

einer Grundschule im Kreis<br />

Cuxhaven, der unmittelbar an Bremen<br />

grenzt. Sie führte in ihrer Schule die<br />

Sprachstandserhebung durch. Ich bat<br />

sie, mir die aktuellen Zahlen der Schüler<br />

zu nennen, die über große sprachliche<br />

Defizite verfügten. Das seien etwa<br />

zwölf Prozent, antwortete sie, doch<br />

fügte sie hinzu, daß die Werte ihrer<br />

Ansicht nach um ein Vielfaches höher<br />

lägen, hätte Niedersachsen das Niveau<br />

der Tests nicht so niedrig angesetzt.<br />

Diese Mängel werden in der Primarstufe<br />

in vielen Bundesländern durch<br />

das phonetische Schreiben noch wei-<br />

Deutschland schafft seine Sprache ab<br />

Teil 3: Bildungspolitische Hintergründe der fehlenden Sprachtreue<br />

Briefwechsel zweier Schüler, die sich während des Unterrichts über ihren Lehrer<br />

austauschten. Bild: Hildebrandt<br />

ter verstärkt. Dabei sollen die Schüler<br />

die Wörter so schreiben, wie man sie<br />

hört. Dadurch wird nicht nur die Rechtschreibung<br />

unzulänglich gelernt, sondern<br />

auch das Lesen – und damit die<br />

gesamte Sprachkompetenz minimiert.<br />

In der FAZ vom 1. September dieses<br />

Jahres berichtete Heike Schmoll, mit<br />

welchen Defiziten die Schüler am<br />

Ende der vierten Klassen zu kämpfen<br />

haben. In zwei vierten Klassen aus<br />

Bremen habe es nicht einen einzigen<br />

Schüler gegeben, der fehlerlos schreiben<br />

konnte. Daß die weiterführenden<br />

Schulen diese Sprachdefizite kaum<br />

mehr ausgleichen können, liegt wohl<br />

auf der Hand.<br />

Dieser Ansicht ist auch Josef Kraus,<br />

der Vorsitzende des <strong>Deutsche</strong>n Lehrerverbandes.<br />

Gegenüber der Nachrichtenagentur<br />

ddp beklagte er im<br />

Februar 2007, daß immer mehr Kinder<br />

mit erheblichen Sprachdefiziten<br />

in die Schule kämen. Sie könnten<br />

keine vollständigen Sätze bilden und<br />

hätten Probleme mit der Ausdrucksfähigkeit.<br />

Statt jedoch diesen Schwächen<br />

entgegenzuwirken, passe sich<br />

die Schulpolitik in ihrem Leistungsanspruch<br />

an: „Wurde den Kindern<br />

vor zehn Jahren noch am Ende der<br />

vierten Klasse ein Grundwortschatz<br />

von 1100 Wörtern abverlangt, so sind<br />

es heute nur noch 700 Wörter.“<br />

Eine Besserung ist angesichts der Einschnitte<br />

im Deutschunterricht nicht in<br />

Sicht. In seinem Buch „Der PISA-<br />

Schwindel“ schreibt Kraus auf Seite<br />

208, daß die <strong>Deutsche</strong>n „ihrer Muttersprache<br />

als Schulfach zwischen der 1.<br />

und 10. Klasse nur ganze 16 Prozent<br />

der Wochenstunden“ gönnen, „dagegen<br />

die Polen 22, die Schweden 24,<br />

die Franzosen 26 und die Chinesen 26<br />

Prozent.“ Es ist logisch, daß im Vergleich<br />

dazu bei uns mehr Schulabgänger<br />

die Schule mit erheblichen Mängeln<br />

in der Muttersprache verlassen.<br />

Schüler aus anderen Nationen haben<br />

bis zum Ende ihrer Schulzeit nämlich<br />

bis zu einem Jahr mehr muttersprachlichen<br />

Unterricht.<br />

Wie aber kann sich in dieser schwierigen<br />

schulischen Lage ein gesundes<br />

Verhältnis zur deutschen Sprache entwickeln?<br />

Wie kann bei diesen widrigen<br />

Zuständen eine Identifizierung<br />

mit der Muttersprache entstehen?<br />

Das wäre nämlich unter anderem<br />

auch eine Voraussetzung dafür, sich<br />

der ständigen Übernahme von Angloamerikanismen<br />

für banalste Begrifflichkeiten<br />

zu erwehren? Woraus soll<br />

jemals die Fähigkeit erwachsen, neue<br />

(deutsche) Wörter mit Hilfe des deutschen<br />

Wortschatzes zu schaffen?<br />

Bei diesen Voraussetzungen verwundert<br />

es nicht, daß es auch um die fachlichen<br />

Fähigkeiten vieler Deutschlehrer<br />

nicht gut bestellt ist. Auf einer<br />

Podiumsdiskussion der Wirtschaftsjunioren<br />

in Frankfurt am Main zum Thema<br />

„Ich habe fertig mit Goethe – Ist<br />

unsere Sprachausbildung noch zeit-<br />

gemäß?“ im Herbst 2003 berichtete<br />

Professor Horst-Dieter Schlosser: „Ich<br />

habe es an der Universität mit angehenden<br />

Deutschlehrern zu tun, die reihenweise<br />

Rechtschreibfehler machen<br />

und beispielsweise noch nie etwas von<br />

Vorvergangenheit, dem Plusquamperfekt,<br />

gehört haben.“ Zu seinen geplanten<br />

Objekten gehöre ein Buch mit dem<br />

Titel „Deutsch für Deutschlehrer“.<br />

Dieses notwendige Buch ist bis heute<br />

nicht erschienen. Der mittlerweile<br />

emeritierte Professor hat das Projekt<br />

leider inzwischen aufgegeben, wie er<br />

mir persönlich mitteilte.<br />

Im Wintersemester 2006/2007 wurden<br />

an allen bayerischen Universitäten<br />

mehr als 1.000 Studienanfänger<br />

im Fach Germanistik über die<br />

Grundlagen der Schulgrammatik<br />

befragt. Der Test brachte katastrophale<br />

Ergebnisse zutage. Die Befragung<br />

ergab ein schulgrammatisches<br />

Grundlagenwissen, das dem Stand<br />

von Fünft- und Sechstkläßlern entspricht.<br />

Mehr als ein Drittel der<br />

Studenten schloß den Kurztest mit<br />

„mangelhaft“ oder „ungenügend“<br />

ab, weniger als zehn Prozent erhielten<br />

„befriedigend“ oder besser. So<br />

erkannten beispielsweise 77 Prozent<br />

der Teilnehmer „käme“ nicht als<br />

Form des Konjunktivs Imperfekt, 88<br />

Prozent bestimmten „manche“ nicht<br />

als Fürwort (Pronomen), 87 Prozent<br />

„dort“ nicht als Umstandswort (Adverb).<br />

Dabei spielte es bei den Ergebnissen<br />

keine Rolle, aus welchem<br />

Bundesland die Teilnehmer stammten.<br />

Lediglich Studenten aus Österreich<br />

schnitten deutlich besser ab.<br />

Professor Mechthild Habermann von<br />

der Universität Erlangen-Nürnberg<br />

schrieb dem bayerischen Kultusminister<br />

daraufhin: „Der Anteil des<br />

Grammatikunterrichts in der Schule<br />

muß unbedingt erhöht, der Umfang<br />

der Grammatikausbildung für die<br />

Lehramtsstudierenden aller Schularten<br />

ausgeweitet werden.“<br />

Aus Jugendlichen werden Erwachsene:<br />

Eine Studie des „Aktionsbündnisses<br />

für Alphabetisierung“ vom März<br />

2011 ergab, daß in Deutschland 2,3<br />

Millionen Menschen keine ganzen<br />

Sätze verstehen und schreiben können.<br />

Sie sind Analphabeten im engeren<br />

Sinn. Etwa 7,5 Millionen gehören<br />

zu den funktionalen Analphabeten,<br />

also zu den Menschen, die einzelne<br />

Sätze lesen oder schreiben können,<br />

aber keinen zusammenhängenden<br />

Text, zum Beispiel eine schriftliche<br />

Arbeitsanweisung, verstehen. 58<br />

Prozent der Analphabeten sind deutsche<br />

Muttersprachler! Zusätzlich haben<br />

21 Millionen Menschen Schwierigkeiten<br />

mit der Rechtschreibung.<br />

Hier liegt nun die Hauptursache des<br />

Niedergangs unserer Muttersprache:<br />

Wenn Kinder, Jugendliche, Erwachsene<br />

nur über geringe grammatische<br />

Kenntnisse und einen kleinen Wortschatz<br />

verfügen, der für eine umfassende<br />

Verständigung nicht ausreicht,<br />

dann bleibt ihnen die Reichhaltigkeit<br />

der deutschen Sprache verschlossen.<br />

Es kann also nur eine logische<br />

Folgerung geben: Man bedient sich<br />

fremder Wörter – eben Fertigwörter<br />

aus der englischen und amerikanischen<br />

Leitsprache. Das gleiche gilt<br />

für Grammatik und Redewendungen,<br />

die immer öfter importiert werden –<br />

ein ständiger Prozeß der Verkümmerung<br />

unserer Muttersprache und der<br />

Entfremdung von ihr!<br />

Wie reagiert nun die Schule, auf die in<br />

dieser Situation alle Augen hoffnungsvoll<br />

gerichtet sind? Nun, so erschütternd<br />

es auch klingen mag – so gut<br />

wie gar nicht! Wer wie ich jahrelang<br />

in der Schule versuchte, Lehrer zu<br />

mobilisieren, sich aktiv für die Erhaltung<br />

der deutschen Sprache und damit<br />

gegen den inflationären Gebrauch von<br />

vollkommen überflüssigen Angloamerikanismen<br />

einzusetzen, wird wissen,<br />

daß dies ein fast aussichtsloser Kampf<br />

ist. Wer ist schon bereit, seine eigenen<br />

Sprachgewohnheiten zu überdenken<br />

und dann auch noch zu verändern!<br />

Um Mißverständnisse nicht aufkommen<br />

zu lassen – ich spreche von den<br />

Lehrern, nicht von den Schülern!<br />

(Vergleiche den Beitrag „Sprachnotstand<br />

in der Schule“ in DSW 18, Seite<br />

10 – noch lieferbar!)<br />

Haben Sie, liebe Leser, schon einmal<br />

einen Aufschrei gehört, sei es<br />

der Hochschulrektorenkonferenz,<br />

der Kultusministerkonferenz oder<br />

der Gewerkschaft Erziehung und<br />

Wissenschaft (GEW)? Wo ist der<br />

Widerstand der rund 800.000 Lehrer<br />

in Deutschland? Und sollten davon<br />

nur zehn Prozent Germanisten sein –<br />

wo ist der schon aus berufsethischen<br />

Gründen zu verlangende Aufstand<br />

der 80.000 Anständigen? Wo sind<br />

deren Vorschläge für entsprechende<br />

Lehrplanänderungen oder Lernin-<br />

„Be smart, don’t start“: Aushang in einer Schule Bild: Hildebrandt<br />

halte? Wo findet sich ein Schulleiter,<br />

der die Erlaubnis verweigert, Plakate<br />

aufzuhängen, die sich mit englischsprachigen<br />

Aufrufen an Schüler richten?<br />

Man denke an Zumutungen wie<br />

„Be smart, don’t start“ und „Take<br />

care of your ears“ und viele andere<br />

mehr. Dagegen fällt mir der Spruch<br />

eines Deutschlehrers ein: „Ich glaube<br />

nicht, daß die deutsche Sprache<br />

etwas so Bedeutendes darstellt, daß<br />

man sie unbedingt erhalten müßte.“<br />

(Siehe DSW 21, Seite 1.)<br />

Ich höre schon die Proteste aus der<br />

Lehrerschaft, doch bin ich sicher,<br />

daß sich eine ganz kleine Gruppe<br />

daran nicht beteiligen wird. Es handelt<br />

sich um die wenigen Lehrer,<br />

die sich für die Erhaltung unserer<br />

Sprache innerhalb und außerhalb der<br />

Schule einsetzen. Jene wissen genau,<br />

daß sie zu einer Minderheit gehören,<br />

und leiden daran, „einsamer Fels in<br />

der Brandung“ zu sein.<br />

Im Rahmen einer Lehrerfortbildung<br />

bot ich ein Seminar sowohl im Lehrerfortbildungsinstitut<br />

der Stadt Bremerhaven<br />

als auch in einem solchen<br />

in Bad Bederkesa (Niedersachsen)<br />

an. Das Thema hieß „Denglisch in<br />

der Schule“. Beide Kurse mußten<br />

aufgrund mangelnder Beteiligung<br />

ausfallen. Da solch ein Kursus noch<br />

nie – auch nicht von mir – angeboten<br />

worden war, konnte es nicht am Referenten<br />

liegen …<br />

Womit erklären nun die im Sprachkampf<br />

untätigen Deutschlehrer – meiner<br />

Schätzung nach gut 95 Prozent –<br />

ihr Nichtstun? Die meisten benutzen<br />

das Standardargument, Sprache habe<br />

sich (!) immer schon verändert. Das<br />

beruhigt, zumindest die Sprecher solcher<br />

Ausreden, wollen sie doch damit<br />

sagen, nichts daran ändern zu können,<br />

weil dieser Vorgang eben aus sich heraus<br />

(vielleicht sogar vom lieben Gott<br />

geführt?) abläuft. Tatsächlich aber geben<br />

sie damit nur zu erkennen, daß sie<br />

gar nichts unternehmen wollen. Ein<br />

kleiner Teil derer, die nach ihrer Aktivität<br />

für die Spracherhaltung gefragt<br />

werden, gibt an, im Deutschunterricht<br />

schließlich gutes Deutsch zu vermitteln.<br />

Das reiche doch wohl!<br />

Tatsächlich? Reicht es wirklich aus,<br />

lediglich seiner dienstlichen Pflicht<br />

nachzukommen, einer Pflicht, die<br />

zudem bezahlt wird? Stellen Sie sich<br />

vor, ein Polizist würde beim Bankraub<br />

zuschauen und auf Befragen<br />

antworten, er habe jetzt Feierabend,<br />

aber in seiner heutigen Schicht schon<br />

genug gegen das Verbrechen getan.<br />

– Kann eine Antwort noch skurriler<br />

und abstruser ausfallen?<br />

Der langen Rede kurzer Sinn: Die<br />

Schule hat sich leider in die Reihe<br />

der Totengräber unserer Muttersprache<br />

begeben, Rettung ist von ihr derzeit<br />

nicht zu erwarten! Und die Reaktion<br />

der Politiker? Die haben – wie<br />

sollte es anders sein – die Lösung des<br />

Problems gefunden, quasi das Ei des<br />

Kolumbus, und schnell gehandelt:<br />

Sie fordern den Englischunterricht in<br />

der Grundschule, am besten jedoch<br />

schon im Kindergarten! Damit jedoch<br />

– ob gewollt oder nicht– wird<br />

den Kindern zwar eine Fremdsprache<br />

nähergebracht, die eigene Muttersprache<br />

aber entfremdet – ein weiterer<br />

Schritt zu ihrer Abschaffung.<br />

Fortsetzung folgt.<br />

Wolfgang Hildebrandt war Lehrer<br />

für Englisch und Technisches Werken<br />

(Sekundarstufe I) in Bremerhaven.


Seite 8 Besprechungen<br />

Anzeigen<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

„Ein besonders lebensnahes Zeitdokument“<br />

Peter Fischer legt den zweiten Band seiner Nachkriegstrilogie vor<br />

Von Eberhard Grünert<br />

Z<br />

um 21. Jahrestag des Mauerfalls<br />

ist unter dem Titel „Der<br />

Fall“ Peter Fischers neuer Roman erschienen.<br />

Er ist als zweiter Teil einer<br />

als Trilogie angelegten Nachkriegschronik<br />

über eine Jugend im geteilten<br />

Deutschland anzusehen. Der erste<br />

Teil der Chronik, der Roman „Der<br />

Schein“, verfolgte exemplarisch den<br />

Lebensgang der Hauptfigur Michael<br />

Sahlok in der DDR über Schule und<br />

Studium (siehe DSW 21, Seite 8). Er<br />

endete mit der Verhaftung Sahloks<br />

durch die Staatssicherheit und seinem<br />

Freikauf durch die Bundesregierung.<br />

Daran anschließend scheint im<br />

Roman „Der Fall“ in der Biographie<br />

Michael Sahloks eine entscheidende<br />

Hürde genommen zu sein: Er lebt<br />

nach einer kurzen Zwischenstation,<br />

die er im Notaufnahmelager Gießen<br />

verbringt, im Westteil Berlins und arbeitet<br />

als Redakteur.<br />

Doch bald muß er erkennen, daß Vergangenheit<br />

sich nicht einfach löst,<br />

sich nicht abstreifen läßt wie eine<br />

Von Jürgen Honig<br />

D<br />

as Englische dringt immer<br />

schneller in die Nationalsprachen<br />

ein. Das Unbehagen dagegen schwillt<br />

an; nicht nur in Deutschland, sondern<br />

auch in Schweden, das auch sonst dem<br />

„Neumodischen“ so sehr zugewandt<br />

ist. Vor knapp zehn Jahren fanden sich<br />

zahlreiche Schweden zusammen, von<br />

der Liebe zu ihrer Sprache angetrieben.<br />

Sie gründeten das Netzportal „Språkförsvaret“<br />

– www.sprakforsvaret.se<br />

– auf deutsch am besten mit „Sprachwehr“<br />

übersetzt. Im Laufe weniger Jahre<br />

hat sich daraus ein Netzwerk entwikkelt,<br />

eine Art Lobbyisten-Plattform, die<br />

sich wortgewaltig für die Eindämmung<br />

des im Muttersprachgebiet wild wuchernden<br />

Englischen einsetzt. Vorrangiges<br />

Anliegen der Sprachfreunde war<br />

bislang das Zustandekommen eines<br />

schwedischen Sprachgesetzes, das am<br />

1. Juli 2009 in Kraft trat.<br />

Professor Frank-Michael Kirsch hat<br />

in der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />

(„Das Schwedische verteidigen“, DSW<br />

45, Seite 4) Beweggründe und Auftreten<br />

der Sprachwehr-Aktivisten eingehend<br />

und anschaulich dargestellt. Jetzt<br />

hat „Språkförsvaret“ unter Federführung<br />

des Vorsitzenden Per-Åke Lindblom<br />

und seines Stellvertreters Arne<br />

Rubensson die aussagestärksten netzwerkeigenen<br />

Schriften zu einer Anthologie<br />

zusammengestellt: „Svenskan<br />

– ett språk att äga, älska och ärva“, also<br />

„Schwedisch haben, lieben, erben“<br />

oder in Alliteration wie im Original:<br />

„… schätzen, schützen, schenken“.<br />

In zehn Hauptkapiteln und 33 Einzelbeiträgen<br />

sowie einem Manifest arbei-<br />

übergestülpte Haut. Sie bleibt haften,<br />

sie prägt Lebenszeit, formt Gefühle,<br />

fixiert Denkgewohnheiten: sie gerät<br />

zudem zum Maßstab für Vergleiche<br />

mit der neuen Lebenswirklichkeit. Die<br />

Bedrängnisse der Haftzeit wirken auf<br />

immer neue Weise nach, sie stehen gegen<br />

neu gewonnene Eindrücke: Breit<br />

gestreuter Wohlstand<br />

muß nicht unbedingt<br />

zu größerer Solidarität<br />

führen, Phantasie<br />

und Empfindsamkeit<br />

steigern. Vorurteile<br />

und Desinformation<br />

sind auch hier keineswegs<br />

fremd. Was<br />

treibt schließlich Westdeutsche um,<br />

was wissen sie über den sogenannten<br />

Arbeiter- und Bauernstaat, der immer<br />

stärker durch die vielfältigsten Widersprüche<br />

in seinem Fortbestehen<br />

erschüttert wird, und seine Bewohner?<br />

Die Ära kurz vor 1989 ist voller<br />

Widersprüche, Spannungen, Hoffnungen.<br />

Doch die Kräfte der Vergangenheit<br />

bleiben noch wirkmächtig.<br />

Berühmte Zeitgenossen kreuzen Michael<br />

Sahloks Lebensweg und prägen<br />

seine Ansichten neu: Reiner Kunze, der<br />

Dichter, Willy Brandt, der vormalige<br />

Kanzler, auf den er über einen obskuren<br />

politischen Zirkel trifft, namhafte Journalisten<br />

und ein Künstler, ein Maler,<br />

der nicht nur gehörig klugen Abstand<br />

zu den Mächtigen der<br />

Epoche wahrt, sondern<br />

Sahloks Blicke auf die<br />

Dinge der Welt zu weiten<br />

weiß.<br />

Plötzlich taucht eine<br />

Jugendfreundin aus<br />

Thüringen auf. Sie<br />

bittet um Fluchthilfe für ihren Mann.<br />

Lange vor den spektakulären Fluchten<br />

vom Sommer 1989 taucht der Fluchtwillige<br />

auf einen Rat Michael Sahloks<br />

hin in der westdeutschen Botschaft in<br />

Warschau auf. Doch es gibt ungeahnte<br />

Schwierigkeiten. Günter Gaus, der<br />

Ständige Vertreter der Bundesrepublik<br />

bei der DDR, wird eingeschaltet, der<br />

sucht die Gunst Erich Honeckers …<br />

Dem Autor gelingt es, durch die Vielzahl<br />

der exemplarisch handelnden Personen<br />

Zeitgeschichte so zu verdichten,<br />

daß daraus ein Bild jener Epoche vor<br />

1989 entsteht, in deren Gefolge sich<br />

das Gesicht Europas entscheidend<br />

veränderte. Dabei beschränkt sich der<br />

Schriftsteller nicht so sehr auf die äußerlich<br />

offensichtlichen Geschehnisse<br />

jener Ära, sondern spürt in äußerst einfühlsamer<br />

Weise den Inneneinsichten<br />

jener Menschen nach. Er verfolgt ihre<br />

widersprüchlichen, oft gegenläufigen<br />

Gefühle und Regungen an scheinbar<br />

nebensächlichen Objekten, die er<br />

schließlich so zu weiten versteht, daß<br />

daraus ein nuancenreiches und farbiges<br />

Bild jener Epoche entsteht, das<br />

Schatten keineswegs ausspart.<br />

Peter Fischer, geboren in Suhl, Jahrgang<br />

1943, erfolgreich auch als Lyriker<br />

(„Ananke“), Lyrikpreisträger der<br />

Zeitschrift „Dulzinea“, ist mit seinem<br />

Roman ein großer belletristischer Wurf<br />

gelungen. Der Dichter Reiner Kunze urteilte<br />

nach der Lektüre des Romans, daß<br />

Schwedisch schätzen, schützen, schenken<br />

„Språkförsvaret“ hat einen anspruchsvollen Sammelband herausgegeben<br />

ten die Sprachwehr-Autoren so gut wie<br />

lückenlos alles ab, was derzeit ihrem<br />

Urteil nach die eigene Muttersprache<br />

gefährdet; und was die Folgen sein<br />

könnten, wenn – wehret den Anfängen<br />

– dem nicht Einhalt geboten wird. Den<br />

Gegner verorten sie auf vielen Gebieten<br />

des täglichen Lebens. Beharrlich<br />

ist er auf dem Vormarsch: in der Wirtschaft,<br />

allen voran deren willige Helfer,<br />

die Werbe-Fuzzis; in den Druck-,<br />

Ton- und Bildmedien, wo das Angelsächsische<br />

geradezu grassiert; in den<br />

Behörden aller Ebenen, wo man sich<br />

ohne Not des Englischen befleißigt;<br />

in der Bildung, die ebenfalls gern die<br />

angelsächsische Karte spielt. Das sind<br />

ausnahmslos Entwicklungen, wie sie<br />

auch im deutschen Sprachraum nur<br />

allzu bekannt sind.<br />

Die Autoren versichern wiederholt –<br />

und durchaus glaubhaft –, nicht auf<br />

einer fremdenfeindlichen Welle zu<br />

schwimmen. Überdies verkennen sie<br />

keineswegs, daß das Englische meist<br />

gar nicht als Angreifer daherkommt,<br />

sondern ihm wie einem Trojanischen<br />

Pferd geflissentlich Einlaß gewährt<br />

wird. Warum? fragen wir. Aus Einfalt?<br />

Bequemlichkeit? Hochstapelei?<br />

Aus Angst, im mörderischen globalen<br />

Wettbewerb nicht mithalten zu<br />

können? Aus Neigung, dem jeweils<br />

stärksten Häuptling nachzueifern?<br />

Beredtes Beispiel sind Hörfunk und<br />

Fernsehen in Schweden. Zugegeben,<br />

bei knapp neun Millionen Einwohnern<br />

können die öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />

nicht aus Mitteln schöpfen, wie<br />

sie ARD, ZDF, ORF, SR und anderen<br />

Peter Fischer<br />

zur Verfügung stehen. Dementsprechend<br />

mager ist die Schar der Berichterstatter,<br />

die zudem fast nur des Englischen<br />

mächtig sind. Die fatale Folge:<br />

Pidgin A fragt, Pidgin B antwortet.<br />

An groben Unfug grenzt es dabei, daß<br />

erst die englische Aussage kommt und<br />

danach das Ganze noch einmal auf<br />

schwedisch. Und im Fernsehen sind<br />

vor allem die privaten Sender reine<br />

Abspielstationen für durchgehend<br />

nicht-synchronisierte US-Filme.<br />

Das klingt übertrieben und böswillig.<br />

In Wirklichkeit haben wir es aber mit<br />

einem höchst bedenklichen Phänomen<br />

zu tun: Es bleibt immer etwas hängen.<br />

So sickern denn fast unmerklich die für<br />

Schweden kulturfremde Sprache und<br />

Denkweise ein und breiten sich aus. Die<br />

Leute hören nichts anderes, und dann<br />

wollen sie auch nichts anderes, denn<br />

dann kennen sie auch nichts anderes.<br />

Solche Mißstände prangert das Buch<br />

an und wird so zu einer vorbildlichen<br />

ideegebenden Mustersammlung für<br />

all jene, die mit einem ähnlichen<br />

Anliegen am Werke sind. Besonders<br />

fesselnd sind die Bemühungen der<br />

Sprachwehr, die entscheidend zum<br />

Zustandekommen des schwedischen<br />

Sprachgesetzes beigetragen haben.<br />

Einige vermeidbare Schwachpunkte<br />

sollen hier nicht verschwiegen werden:<br />

Es mindert die Aktualität, daß die abgedruckten<br />

Texte meist älteren Datums<br />

sind. Außerdem druckt die Sprachwehr<br />

zwar den von ihr erarbeiteten Entwurf<br />

eines schwedischen Sprachgesetzes im<br />

Wortlaut ab. Das letztlich am 1. Juli<br />

2009 ausgefertigte Gesetz suchen wir<br />

jedoch vergeblich. Verwunderlich ist<br />

auch, daß das Sprachwehr-Manifest<br />

etwas versteckt erst am Ende der Anthologie<br />

steht. Wünschenswert wären<br />

auch mehr Hinweise auf konkrete Erfolge<br />

der Sprachwehr-Arbeit.<br />

Das Buch bietet des weiteren zwar<br />

hervorragende Zustandsdiagnosen,<br />

doch deren Ursachen werden zu wenig<br />

erörtert. Warum hat es das Englische<br />

so leicht, andere Sprachen zu<br />

infizieren? Das Schwedische ist keine<br />

Sprache der Technik, keine der<br />

philosophischen Erörterung, keine<br />

der Bankleute. Schwedisch, in dem<br />

sich noch eine Menge Altgermanisches<br />

erahnen läßt, ist die Sprache<br />

der Lyrik, die der wild lodernden<br />

Gefühle. Zu Recht ist Tomas Tranströmer<br />

2011 mit dem Nobelpreis<br />

belohnt worden, verschlingen die<br />

Leute die Bücher Henning Mankells<br />

und Stieg Larssons. In einer solchen<br />

<strong>Sprachwelt</strong> findet das auf einzelnen<br />

Gebieten kolossal praktische Englisch<br />

einen guten Resonanzboden.<br />

Auch solche Überlegungen hätten in<br />

das Buch hineingehört.<br />

So ist dieses anspruchsvolle Werk<br />

trotz seines schönen Titels für ausländische<br />

Beobachter, die immer wieder<br />

auf das „große Vorbild“ Schweden<br />

verweisen, nur bedingt empfehlenswert.<br />

Die Zustandsanalysen sind für<br />

ausländische Leser eher traurig. Dennoch<br />

sind die Artikel, Denkschriften<br />

und so weiter durchaus geeignet,<br />

Sprachwahrern außerhalb Schwedens<br />

brauchbare Anregungen zu geben.<br />

Egal ob auf Deutsch, Englisch oder Denglisch:<br />

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Klaus Miehling:<br />

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Populäre Musik und Werteverfall<br />

epubli, Berlin / 352 S., € 27,10<br />

ISBN: 978-3-86931-605-5<br />

Populäre Musik erweist sich als der<br />

eigentliche Urheber und Motor des<br />

Werteverfalls. Die Sozialisation unserer<br />

Jugend mit dieser Musik muss aufhören,<br />

wenn wir eine ehrlichere und<br />

friedlichere Gesellschaft wollen.<br />

Klaus Miehling:<br />

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>wangsbeschallung contra<br />

akustische Selbstbestimmung<br />

epubli, Berlin / 248 S., € 22,43<br />

ISBN: 978-3-86931-606-2<br />

Dieses Buch verleiht den Opfern der<br />

Spaßgesellschaft eine Stimme, enthüllt<br />

skandalöse Behördenpraktiken und dokumentiert<br />

die verstreuten Paragraphen<br />

zum Schutz vor (Musik-)Lärm sowie über<br />

200 Gerichtsentscheide.<br />

bei www.epubli.de und im Buchhandel<br />

es sich um ein „besonders lebensnahes<br />

Zeitdokument“ handelt, und lobte, „so<br />

detailgenau … wird bald niemand mehr<br />

über jene Zeit berichten können“.<br />

Peter Fischer: Der Schein. Roman,<br />

Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde<br />

2004, 179 Seiten, 22,00 Euro.<br />

Peter Fischer: Der Fall. Roman, Ludwigsfelder<br />

Verlagshaus, Ludwigsfelde<br />

2011, 174 Seiten, 22,00 Euro.<br />

Das Buch ist vor allen Dingen von<br />

dem guten Willen getragen, der schleichenden<br />

Durchdringung der schönen<br />

hochkulturellen Sprache Schwedisch<br />

mit Angelsächsischem entgegenzutreten.<br />

Dieses Unterfangen ist aller<br />

Ehren wert, und die Netzwerker des<br />

Språkförsvaret werden diesem Vorsatz<br />

meisterlich gerecht. So bleibt zu wünschen,<br />

daß das Buch zahlreiche schwedische<br />

Leser wachrüttelt, so daß diese<br />

ihre Sprache schätzen, schützen und<br />

ihren Nachfahren schenken können.<br />

Jürgen Honig ist Übersetzer und<br />

lebt in Schweden.<br />

Språkförsvaret, Per-Åke Lindblom<br />

und Arne Rubensson (Herausgeber):<br />

Svenskan – ett språk att äga, älska<br />

och ärva. En antologi från Språkförsvaret<br />

(Schwedisch schätzen,<br />

schützen, schenken), Stockholm<br />

2011, 153 Seiten, ISBN 978-91-633-<br />

9292-4. Bezug über den Netzbuchhandel<br />

oder unmittelbar beim Herausgeber<br />

(sprakforsvaret@yahoo.<br />

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Depressionen, Rücken- und Kopfschmerzen,<br />

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<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Literatur<br />

Seite 9<br />

Der „Gesichtserker“ – eine „Propagandalüge“<br />

Am Ende drehen die Sprachschützer den Ahnungslosen eine Nase<br />

Von Thomas Paulwitz<br />

E<br />

s sei „die genialste Propagandalüge<br />

aller Zeiten“, sagte ein<br />

Sprachpfleger einmal. Seit 300 Jahren<br />

wird den Sprachschützern der<br />

„Gesichtserker“ als mißlungener Verdeutschungsversuch<br />

unter die Nase<br />

gerieben. Ausgerechnet am „Tag der<br />

Muttersprache“ 2011 wiederholte<br />

der Literaturkritiker Hellmuth Karasek<br />

das anscheinend unausrottbare<br />

Märchen. Dabei sah er sich wohl in<br />

der Rolle des Beschwichtigenden,<br />

des Besonnenen, des Belesenen. In<br />

Wirklichkeit war Karasek allerdings<br />

ein Märchenonkel, denn weit her<br />

ist es mit seiner Belesenheit – auf<br />

schlecht denglisch „Literacy“ – offensichtlich<br />

nicht.<br />

Karasek schwadronierte naseweis:<br />

„Ich denke [glaube], daß die deutsche<br />

Sprache eine wunderbare Sprache<br />

ist, die keine Beschützer braucht.<br />

[…] Die deutschen Sprachgesellschaften<br />

im Mittelalter versuchten,<br />

das Lateinische auszuschließen. Sie<br />

übersetzten das Wort Nase, das wir<br />

als Fremdwort noch in dem Wort<br />

‚nasal‘ erkennen, durch ‚Gesichtserker‘.<br />

Diese Eindeutschung hat sich<br />

[…] Gott sei Dank nicht durchgesetzt.<br />

Man kann aber im <strong>Deutsche</strong>n<br />

immer noch allen Sprachverbesserern<br />

gerne eine lange Nase drehen.“<br />

Das tat Karasek zum Beispiel am<br />

Stand der DEUTSCHEN SPRACH-<br />

WELT auf der Leipziger Buchmesse<br />

2011: „Englisch wird von selbst verschwinden“,<br />

beschied er uns.<br />

Keine Sprachgesellschaft forderte<br />

jemals den „Gesichtserker“<br />

An Karaseks Behauptungen ist eine<br />

ganze Menge falsch. Fangen wir von<br />

vorne an: Erstens gab es im Mittelalter<br />

keine Sprachgesellschaften. Sie<br />

sind eine Erfindung der Neuzeit. Die<br />

erste Sprachgesellschaft, die „Fruchtbringende<br />

Gesellschaft“ entstand<br />

1617. Zweitens gibt es keinen einzigen<br />

Beleg dafür, daß jemals eine solche<br />

Gesellschaft gefordert hätte, das<br />

Wort „Nase“ durch „Gesichtserker“<br />

zu ersetzen. Drittens ist „Nase“ kein<br />

Fremdwort, sondern ein Erbwort,<br />

und hat mit dem lateinischen „nasus“<br />

lediglich eine gemeinsame Wurzel.<br />

Das Wort „Erker“ hingegen ist aus<br />

dem nordfranzösischen „arquiere“<br />

(Schießscharte) entlehnt, das von<br />

dem lateinischen „arcus“ („Bogen“)<br />

stammt.<br />

Stecken wir die Nase in die Bücher!<br />

Die Wortherkunft von „Erker“ und<br />

„Gesichtserker“ ist im „Kluge“, einem<br />

etymologischen Wörterbuch,<br />

nachzulesen. Hätte Karasek doch<br />

einen Blick hineingeworfen! Dort<br />

steht, daß der „Gesichtserker“ nicht,<br />

wie oftmals behauptet, von dem<br />

Sprachreiniger Philipp von Zesen<br />

(1619 bis 1689) vorgeschlagen wurde.<br />

Der erste Beleg ist laut Kluge erst<br />

im Jahre 1795 bei dem Schriftsteller<br />

Friedrich von Matthisson zu finden.<br />

„Risum teneas, carissime!“<br />

Wir begeben uns auf Spurensuche.<br />

Matthisson veröffentlichte seine Erinnerungen<br />

als Reisebegleiter der<br />

Fürstin Luise von Anhalt-Dessau.<br />

(Zufälligerweise entstammt mit<br />

Fürst Ludwig das erste Oberhaupt<br />

der „Fruchtbringenden Gesellschaft“<br />

der Nebenlinie Anhalt-Köthen.) Matthisson<br />

hatte 1812 den dritten Band<br />

seiner Erinnerungen herausgegeben<br />

„… auch Steine<br />

können sprechen“<br />

Aufruf zum sechsten Schülerwettbewerb der<br />

Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />

Z<br />

um sechsten Mal rufen die<br />

Neue Fruchtbringende Gesellschaft<br />

zu Köthen/Anhalt (NFG) und<br />

die Theo-Münch-Stiftung für die<br />

<strong>Deutsche</strong> Sprache (TMS) zum Schülerwettbewerb<br />

„Schöne deutsche<br />

Sprache“ auf. Ziel des Schreibwettbewerbs<br />

ist es diesmal, einen literarischen<br />

Text zum Thema „… auch<br />

Steine können sprechen“ zu verfassen.<br />

Die literarische Form ist frei<br />

wählbar, so können beispielsweise<br />

Gedichte, Geschichten, Satiren, Essays<br />

und dialogische Umsetzungen<br />

verfaßt werden. Das Thema bietet<br />

zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten:<br />

So können Beispiele der Baukunst,<br />

Denkmäler oder auch historische<br />

und sprachliche „Stolpersteine“<br />

in den Mittelpunkt gerückt werden.<br />

Ebenso sind aber auch Phantasiegeschichten<br />

und Märchen zu „sprechenden<br />

Steinen“ möglich..<br />

Die NFG will Schüler dafür begeistern,<br />

ihre Sprache schöpferisch<br />

einzusetzen und kleine literarische<br />

Werke zu verfassen. Der Phantasie<br />

sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt<br />

wieder vier Teilnahmekategorien:<br />

Schüler der Klassen 3 und 4, 5 und<br />

6, 7 bis 9 und 10 bis 13. Schüler der<br />

Klassen 3 bis 6 können sowohl Einzel-<br />

als auch Zweierarbeiten einreichen,<br />

Schüler der Klassen 7 bis 13<br />

werden gebeten, nur Einzelarbeiten<br />

abzugeben. Die Texte sollten höchstens<br />

zwei DIN-A4-Seiten lang und<br />

möglichst maschinengeschrieben<br />

sein. Außerdem sollten sie folgende<br />

Angaben enthalten: Name, Alter,<br />

Schule, Schulform, Klassenstufe,<br />

Anschrift und Rufnummer.<br />

Die zwölf Gewinner des Schreibwettbewerbs<br />

(die besten drei Arbeiten je<br />

Altersstufe) werden anläßlich des Tags<br />

der deutschen Sprache am 15. September<br />

2012 im Rahmen einer Festveranstaltung<br />

mit Urkunden und Geldpreisen<br />

ausgezeichnet und dürfen ihre Werke<br />

vortragen. Außerdem ist wieder eine<br />

Sprechwerkstatt geplant. Die „Neue<br />

Fruchtbringende Gesellschaft zu<br />

Köthen/Anhalt e. V. – Vereinigung zur<br />

Pflege der deutschen Sprache“ wurde<br />

am 18. Januar 2007 als Sammelbecken<br />

für Sprachfreunde und Sprachvereine<br />

gegründet und zählt mehr als 250 Mitglieder<br />

in ganz Deutschland. Am letzten<br />

Schreibwettbewerb der NFG und<br />

der TMS beteiligten sich rund 1.000<br />

Schüler. (dsw/nfg)<br />

Einsendeschluß ist der 31. März 2012.<br />

Weitere Auskünfte unter www.fruchtbringende-gesellschaft.de.Einsendungen<br />

für den Schreibwettbewerb sind zu<br />

richten an:<br />

Neue Fruchtbringende Gesellschaft<br />

„Schreibwettbewerb“<br />

Schloßplatz 5<br />

D-06366 Köthen/Anhalt<br />

schreibwettbewerb@<br />

fruchtbringende-gesellschaft.de<br />

und darin einen auf 1795 datierten<br />

Brief an einen anderen Schriftsteller<br />

veröffentlicht. In diesem Schreiben,<br />

in dem es mehr auf Anekdoten als<br />

auf Wissenschaftlichkeit ankommt,<br />

berichtet Matthisson von einem nicht<br />

namentlich genannten Puristen: „Dieser<br />

wollte nämlich das ehrliche, in<br />

jedem Familienkreise, besonders wo<br />

viele Kinder sind, täglich vielleicht<br />

mehr als zwanzigmal erschallende<br />

Nennwort Nase, der hochverpönten<br />

römischen Abstammung wegen,<br />

nicht als reindeutsch anerkennen,<br />

und brachte dagegen, risum teneas,<br />

carissime! das ganz unerhörte: Gesichtserker,<br />

in Vorschlag.“ Matthissons<br />

Erinnerungen erschienen in<br />

mehreren Auflagen. Möglicherweise<br />

begünstigten sie die unkritische<br />

Wiedergabe dieser Geschichte in den<br />

Nachschlagewerken und Enzyklopädien<br />

des 19. Jahrhunderts.<br />

Ein unausrottbares Märchen<br />

Auf diese Weise pflanzte sich das<br />

Märchen bis in die heutigen Tage<br />

weiter fort. Das ist auch die Erklärung<br />

dafür, daß Karasek, wie Unzählige<br />

vor ihm, das Märchen einfach<br />

ungeprüft übernommen hat, weil es<br />

ihm eben in den Kram paßte. So ist<br />

das Wort „Gesichtserker“ ein schönes<br />

Beispiel dafür, wie immer wieder<br />

der eine vom anderen abschreibt,<br />

ohne nach der Quelle zu fragen. Ironischerweise<br />

taucht der Irrtum sogar<br />

in einem 2009 erschienenen Buch<br />

auf, das den Titel trägt: „1.000 Irrtümer<br />

der Allgemeinbildung – aufgedeckt<br />

und richtig gestellt“. Der Verfasser<br />

hat den Irrtum als beflissener<br />

Untertan der Reformschreibung womöglich<br />

„richtig gestellt“, aber leider<br />

nicht „richtiggestellt“.<br />

Selbst Professoren und Doktoren tragen<br />

das Märchen von Generation zu<br />

Generation weiter, ohne freilich dabei<br />

um ihren akademischen Grad fürchten<br />

zu müssen; etwa Frau Prof. Dr.<br />

Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin<br />

des Goethe-Instituts. Sie stellt<br />

in ihrem Buch „Hat Deutsch eine Zukunft?“<br />

erfreut fest, daß das „gut eingebürgerte<br />

Fremdwort“ „Nase“ im<br />

Fremdwörterlexikon gar nicht mehr<br />

auftauche. Welches Wunder!<br />

So dient der „Gesichtserker“ schon seit<br />

Jahrhunderten so unaufgeregten wie<br />

ahnungslosen Zeitgenossen dazu, von<br />

hoher Warte einen beschwichtigenden,<br />

besonnenen, belesenen Eindruck<br />

zu vermitteln. Wahre Kenner Zesens<br />

jedoch wie etwa der Literaturhistoriker<br />

Otto Leixner von Grünberg (1847<br />

bis 1907) werden wohl weiterhin mit<br />

Mißachtung gestraft. Dieser meinte<br />

in seiner „Geschichte der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Literatur“ über das Märchen vom Gesichtserker:<br />

„Es wäre Zeit, daß man<br />

nach zweihundert Jahren wenigstens<br />

diesen Fleck von dem Bilde des Mannes<br />

entfernte, der viel gearbeitet, ernst<br />

gestrebt, wenn auch oft geirrt hat.“<br />

Der „Gesichtserker“<br />

als Bereicherung<br />

Dabei ist der „Gesichtserker“ älter<br />

als von 1795. So schreibt der Sprachpfleger<br />

Heinrich Braun 1772 in der<br />

Einführung zu seiner „Anleitung zur<br />

deutschen Dicht- und Versekunst“: „Es<br />

könnte gar wohl wiederum einige Mißgönner<br />

geben, welche die Haarkrebsen,<br />

Gesichtserker, Dachnasen, u. d. gl.<br />

in diesem Werkchen suchen werden“.<br />

Braun wollte „wenigstens im Schreiben<br />

und Drucke eine Gleichförmigkeit<br />

mit den meisten übrigen deutschen<br />

Provinzen“ herbeiführen, wie er in seiner<br />

„Sprachkunst“ von 1761 schrieb.<br />

Damals wie heute ist so ein Anliegen<br />

in gewissen Kreisen verdächtig.<br />

Wahrscheinlich hat es den „Gesichtserker“<br />

sogar schon zu Lebzeiten<br />

Zesens gegeben. Unterdessen<br />

hat dieses Wort, das ursprünglich<br />

dazu ausersehen war, die Arbeit der<br />

Sprachschützer lächerlich zu machen,<br />

eine Lücke geschlossen und<br />

unseren Wortschatz bereichert. Häufig<br />

finden wir es nämlich nicht mehr<br />

im Einsatz als „Propagandalüge“,<br />

sondern einfach nur als scherzhafte<br />

Bezeichnung für einen eben besonders<br />

eindrucksvollen Zinken. Am<br />

Ende sind es doch die Sprachschützer,<br />

die den ach so Besonnenen eine<br />

Nase drehen können.<br />

Neue Fruchtbringende<br />

Gesellschaft<br />

Bitte schicken Sie mir kostenlos und unverbindlich:<br />

Unterlagen für eine Mitgliedschaft in der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />

Terminhinweise für Veranstaltungen der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />

Ich bestelle gegen Rechnung, zuzüglich Versandkosten:<br />

die Broschüren zum Schülerwettbewerb „Schöne deutsche Sprache“<br />

2007 (4 Euro) 2008 2009 2010 2011 (je 5 Euro)<br />

„Unsere Sprache – Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der deutschen Sprache“<br />

Band 1 (2008) „Im Anfang war das Wort“ ist zur Zeit vergriffen.<br />

Band 2 (2009) „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“: Beiträge von Thomas Paulwitz, Gabriele<br />

Ball, Michael Mühlenhort, Josef Kraus, Hartmut Heuermann und Rudolf Wachter. Themen: Rede zur<br />

deutschen Sprache 2008, die Fruchtbringer Diederich von dem Werder und Christian Gueintz, Denglisch,<br />

Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz für eine einheitliche Rechtschreibung<br />

(100 Seiten, 6 Euro)<br />

Band 3 (2010) „Allen zu Nutzen!“: Beiträge von Uta Seewald-Heeg, Andreas Herz, Thomas Paulwitz,<br />

Werner Pfannhauser, Kurt Reinschke und Monika Plath. Themen: Rede zur deutschen Sprache<br />

2009, Spracharbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft, 400 Jahre organisierte Sprachpflege, Deutsch<br />

als Wissenschaftssprache, Wege zur Lesemotivation von Kindern (82 Seiten, 6 Euro)<br />

Band 4 (2011) „Verstand zeigt sich im klaren Wort“: Beiträge von Lienhard Hinz, Hans Joachim<br />

Meyer, Jurij Brankačk, Hermann H. Dieter und Michèle Dieter, Margund Hinz. Themen: Rede zur<br />

deutschen Sprache 2010, Frühkindlicher Spracherwerb, Bilinguale Erziehung, Die preußischen Kleinkinderschulen<br />

(62 Seiten, 6 Euro)<br />

Name, Vorname<br />

Straße Postleitzahl und Ort<br />

Elektronische Post Datum, Unterschrift<br />

Bitte deutlich schreiben!<br />

Schicken Sie Ihre Bestellung an:<br />

Neue Fruchtbringende Gesellschaft, Schloßplatz 5, D-06366 Köthen/Anhalt<br />

Telefon und Telefax +49-(0)3496-405740<br />

auskunft@fruchtbringende-gesellschaft.de


Seite 10 Werkstatt<br />

„Chicago Square“ an der Elbe<br />

E<br />

und rufen unsere Leser zum Protest auf<br />

Hamburg macht sich klein und will Weltstadt spielen<br />

s ist ein „Vorzeigeprojekt<br />

internationaler Waterfrontentwicklung“,<br />

schwärmt die „HafenCity<br />

Hamburg GmbH“, eine<br />

100prozentige Tochter der Freien<br />

und Hansestadt Hamburg. Mit<br />

„Waterfrontentwicklung“ ist Stadtplanung<br />

in unmittelbarer Nähe<br />

zum Wasser gemeint. Dieser Anglizismus ist jedoch<br />

kein Ausrutscher. Es geht um die „HafenCity“, errichtet<br />

von der Stadt Hamburg. Sie wird die Hamburger<br />

Innenstadt um 40 Prozent erweitern und soll mit<br />

bis zu 150 Meter hohen Turmhäusern der deutschen<br />

Hauptstadt den Rang ablaufen. Allein das Viertel<br />

„Elbbrücken“ soll so groß werden wie das Gebiet um<br />

den Potsdamer Platz in Berlin. Dieses Viertel erhält<br />

einen großen Platz, der „den zentralen öffentlichen<br />

Raum“ bilden soll. Der Name dieses Platzes lautet:<br />

„Chicago Square“. Auch die Endhaltestelle der U4<br />

wird diesen Namen tragen.<br />

„Für einen Platz inmitten von Hamburg ist das eine<br />

sprachliche Entgleisung.“ Das findet nicht nur das<br />

Hamburger Abendblatt. Darin schimpfte Matthias<br />

Iken in einem Kommentar vom 8. November über<br />

dieses „provinzielle Weltstadtgehabe“:<br />

„Jedes Dorf gibt sich<br />

weltläufig, wenn es die Kirmes<br />

zum Event aufbläst, jede Klitsche<br />

spielt Weltunternehmen,<br />

wenn sie nur noch aus CEOs,<br />

Senior- und Content-Managern<br />

besteht. Nur wirkt das nicht international,<br />

sondern albern.“ Das sehen offenbar die<br />

meisten Bürger genauso. In einer Umfrage derselben<br />

Zeitung stimmten 89 Prozent der Leser dafür, diesem<br />

Platz lieber einen deutschen Namen zu geben. (dsw)<br />

Sprachsünder Ecke An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind,<br />

Liegt Hamburg an der Elbe oder am Michigansee?<br />

Warum gibt die Stadt ihrem neuen zentralen<br />

Platz nicht einen ortstypischen Namen oder<br />

nennt ihn wenigstens „Chikagoer Platz“? Warum<br />

„Chicago Square“? Fragen Sie Hamburgs Ersten<br />

Bürgermeister und lassen Sie uns bitte ein Doppel<br />

zukommen:<br />

Sprachsünder Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der<br />

Freien und Hansestadt Hamburg, Rathausmarkt 1,<br />

D-20095 Hamburg, Telefon +49-(0)40-42831-2411,<br />

olaf.scholz@sk.hamburg.de<br />

Florian-Baum-Gedächtnis-Textbaustein<br />

Ein verlockendes Angebot an Denglisch-Sünder<br />

A<br />

ls Dienstleistung für Sprachsünder<br />

bietet die DEUTSCHE<br />

SPRACHWELT – nur jetzt! – den<br />

folgenden Florian-Baum-Gedächtnis-<br />

Textbaustein an. Benannt ist dieses<br />

praktische Hilfsmittel nach dem legendären<br />

Sprecher der sympathischen<br />

Drogeriekette „Schlecker“, der damit<br />

den mißlungenen Werbespruch „For<br />

You. Vor Ort“ rechtfertigte. Dieser ausgefeilte<br />

Text hilft jedem sprachunempfindlichen<br />

Unternehmen, Beschwerdebriefe<br />

über Denglisch schnell und ohne<br />

nachzudenken zu beantworten:<br />

GESUCHT:<br />

Die Sprachwahrer des Jahres 2011<br />

�<br />

�<br />

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�<br />

„Dieses Motto [oder: diese Bezeichnung,<br />

Nichtzutreffendes streichen]<br />

sollte die durchschnittlichen<br />

[hier den Namen des Unternehmens<br />

einsetzen]-Kunden, die niederen<br />

bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen<br />

sind, ansprechen. Wir haben<br />

renommierteste Marketing- und<br />

Marktforschungsagenturen beauftragt,<br />

unter diesen Gesichtspunkten<br />

eine optimale Parole [oder: Bezeichnung,<br />

Nichtzutreffendes streichen]<br />

für uns zu finden. Der so zustande<br />

gekommene Vorschlag ‚[hier den be-<br />

anstandeten Werbespruch/Namen<br />

einsetzen]‘ machte am Ende vor<br />

allem deshalb das Rennen, weil er<br />

beim für unsere Haupt-Zielgruppen<br />

repräsentativen Testpublikum am<br />

besten abschnitt.“<br />

Sollte dem Unternehmen allerdings<br />

daran gelegen sein, seine Kunden<br />

an sich zu binden und in ihrer Sprache<br />

anzusprechen, sei ihm geraten,<br />

es doch bitte einmal auf deutsch zu<br />

versuchen. (dsw)<br />

Liebe Leser,<br />

wie heißt Ihr Sprachwahrer des Jahres? Mit Ihrer Hilfe möchten wir wieder vorbildlichen Einsatz für die deutsche<br />

Sprache auszeichnen. Sie können entweder einen unserer Vorschläge ankreuzen oder selbst jemanden vorschlagen.<br />

Nehmen Sie bitte an der kleinen Leserumfrage ebenfalls teil.<br />

Einsendeschluß für beide Befragungen ist am 31. Januar 2012.<br />

Wolfgang Bosbach: Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages setzte<br />

den unflätigen Ausdrücken des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla („Wenn ich so eine Scheiße höre wie Gewissensentscheidung“)<br />

sein gepflegtes Deutsch entgegen und setzte damit ein starkes Zeichen gegen die Verwahrlosung<br />

des Sprachgebrauchs in der Politik.<br />

Torsten Hilse: Der SPD-Politiker und Verleger brachte als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses zahlreiche<br />

Initiativen für die deutsche Sprache auf den Weg. Sein letzter Antrag lautete „<strong>Deutsche</strong> Sprache als Kulturgut<br />

pflegen und fördern!“ und wurde im September mit knapper Mehrheit abgelehnt (Drucksache 16/4207).<br />

Modehaus Nikolaus: Das Rostocker Bekleidungsgeschäft schloß sich der Anti-SALE-Aktion der DEUTSCHEN<br />

SPRACHWELT an und plakatierte in seinen Filialen die Forderung „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen<br />

Sprache“.<br />

Chaos Computer Club: Die Vereinigung von Hackern veröffentlicht Texte in traditioneller Rechtschreibung und<br />

vermeidet auf diese Weise auf ihren eigenen Netzseiten ein Rechtschreibchaos.<br />

Loriot: Der Humorist hat die deutsche Sprache geprägt und bereichert. Er hat es darüber hinaus nicht an kritischen<br />

Bemerkungen zur Entwicklung seiner Muttersprache fehlen lassen. Seine Aussprüche leben in uns weiter<br />

und machen ihn unsterblich.<br />

Michael Olbrich: Der Leiter des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes fand heraus,<br />

daß die englische Wortwahl in Geschäftsberichten der „DAX 30“-Unternehmen vermutlich gesetzeswidrig<br />

ist und gegen Handelsgesetzbuch und Aktiengesetz verstößt.<br />

Klaus Tolksdorf und Wolfgang Ball: Der Präsident des Bundesgerichtshofs Tolksdorf warnte vor der Zulassung<br />

von Englisch als Gerichtssprache an Handelskammern in Deutschland: „Es drohen Fehlurteile.“ Der Vorsitzende<br />

Richter am Bundesgerichtshof Ball lehnte als einziger geladener Sachverständiger vor dem Rechtsausschuß<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Bundestags den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats ab.<br />

Max Raabe: Der Bariton-Sänger und Gründer des „Palast-Orchesters“ ist ein gewandter Sprecher und glühender<br />

Bewunderer der deutschen Sprache. Im August schwärmte er: „Je weiter ich mich wegbewege, um so<br />

mehr schätze ich, mich zu Hause in der Muttersprache zu bewegen. Hier kann ich mich wie ein Ferkelchen im<br />

Konjunktiv suhlen, aus jeder Silbe alles herausholen.“<br />

Hape Kerkeling: Der Schauspieler und Unterhalter spricht mehrere Fremdsprachen fließend, kann aber auch<br />

die deutsche Sprache meisterhaft einsetzen. Im Juni bekannte er: „Ich schätze an der deutschen Sprache die<br />

Präzision, mit der sich Gefühle ausdrücken lassen. Andere Sprachen bleiben da eher vage, unpräzise.“<br />

Jemand anders: ______________________, weil ________________________________________________<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

<strong>Deutsche</strong><br />

Wortwelt<br />

Das entbehrliche Fremdwort<br />

Eurobonds<br />

Die immer wieder geforderten<br />

sogenannten „Eurobonds“<br />

wären gemeinsame Schuldverschreibungen,<br />

welche die<br />

mangelnde Kreditwürdigkeit<br />

hochverschuldeter EU-<br />

Staaten auf Kosten der besser<br />

eingestuften Mitgliedsländer<br />

ausgleichen sollen. In jüngster<br />

Zeit ist sogar von „Stabilitätsbonds“<br />

die Rede. Das<br />

Wort „Schuld“ vermeiden die<br />

Europapolitiker sicher nicht<br />

zufällig in ihrer Wortwahl.<br />

Eindeutiger wäre es, von „EU-<br />

Anleihen“ oder „EU-Schuldverschreibungen“<br />

zu sprechen.<br />

Für das Letztere sprachen sich<br />

in einer Umfrage die Facebook-Leser<br />

der DEUTSCHEN<br />

SPRACHWELT aus. Es gab<br />

aber auch andere Vorschläge<br />

wie „Ramschanleihen“ oder<br />

„Eurobombs“. Diese Bezeichnungen<br />

wären allerdings wohl<br />

zu eindeutig.<br />

Das richtig geschriebene Wort<br />

widerspiegeln<br />

Ein häufiger Fehler ist die Verwechslung<br />

von „wieder“ und<br />

„wider“ – sofern überhaupt bekannt<br />

ist, daß es zwei verschiedene<br />

Schreibweisen mit unterschiedlichen<br />

Bedeutungen<br />

gibt. „Wieder“ bedeutet „nochmals“<br />

oder „zurück“. „Wider“<br />

heißt indes so viel wie „gegen“.<br />

Wer etwas erwidert, entgegnet<br />

etwas. Wenn ich jemanden<br />

wieder spreche, dann rede ich<br />

nochmals mit ihm. Wenn ich<br />

jemandem jedoch widerspreche,<br />

dann rede ich gegen seine<br />

Worte. Beim „Widerspiegeln“<br />

fällt ein Lichtstrahl gegen einen<br />

Spiegel. Möglicherweise<br />

entsteht für viele eine Schreibunsicherheit<br />

dadurch, daß der<br />

Strahl eben „wieder“ zurück-<br />

geworfen wird, also „wieder“<br />

zurückkommt. Das Bild des<br />

Erwiderns hat sich allerdings<br />

in der Rechtschreibgeschichte<br />

gegen das Bild des Zurückkommens<br />

durchgesetzt.<br />

Das treffende Wort<br />

erstklassig / erstklassisch<br />

Wenn etwas die höchste Stufe<br />

erreicht hat, ist es „erstklassig“.<br />

In jüngster Zeit taucht jedoch<br />

immer wieder das Wort<br />

„erstklassisch“ auf. Dabei<br />

handelt es sich manchmal um<br />

ein Wortspiel, wenn beispielsweise<br />

klassische Musik besonders<br />

zu loben ist. Oft ist es<br />

jedoch eine Falschschreibung<br />

von „erstklassig“. Mancherorts<br />

begünstigt möglicherweise<br />

die dort übliche Mundart<br />

diesen Fehler.<br />

Das wiederentdeckte Wort<br />

Brosame<br />

Die Brosame ist ursprünglich<br />

etwas Zerriebenes, Zerbrökkeltes.<br />

Verkleinert wird sie<br />

zum Brösel („Brosämlein“).<br />

In den Grimmschen Märchen<br />

finden wir Brosamen bei Hänsel<br />

und Gretel. Sie sollen den<br />

beiden Kindern helfen, wieder<br />

aus dem Wald herauszufinden.<br />

Allerdings picken Vögel<br />

die Brotbrocken auf, so daß<br />

sich die Kinder verirren. In<br />

der Bibel-Übersetzung von<br />

Martin Luther begegnen uns<br />

die Brosamen bei dem armen<br />

Lazarus. Dieser „begehrte sich<br />

zu sättigen von den Brosamen,<br />

die von des Reichen Tische<br />

fielen“ (Lukas 16, 21). Wann<br />

haben Sie das letzte Mal Brosamen<br />

geschätzt?<br />

Welche weiteren Wörter sollten<br />

in dieser Wortwelt stehen?<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Kleine Leserbefragung<br />

Soll der Schreibschriftunterricht an den Grundschulen abgeschafft werden?<br />

� Ja<br />

� Nein<br />

� Unentschieden<br />

Ist der Englischunterricht an den Grundschulen sinnvoll?<br />

� Ja<br />

� Nein<br />

� Unentschieden<br />

Soll das lautgetreue/phonetische Schreibenlernen („Lesen durch<br />

Schreiben“, „Schraip widu schprichsd“) an den Grundschulen wieder<br />

abgeschafft werden?<br />

� Ja<br />

� Nein<br />

� Unentschieden<br />

Nennen Sie uns bitte Ihre Anregungen und Vorschläge für den<br />

Deutschunterricht in der Grundschule:<br />

__________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

Bitte einsenden an:<br />

DEUTSCHE SPRACHWELT, Postfach 1449, D-91004 Erlangen,<br />

Telefax +49-(0)9131-480662, schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de<br />

__________________________________________________________<br />

Name, Vorname<br />

__________________________________________________________<br />

Straße, Postleitzahl und Ort<br />

__________________________________________________________<br />

Datum, Unterschrift


<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Anstöße<br />

Seite 11<br />

Von Andreas Raffeiner<br />

Bild: Roshan-Kofler<br />

Anzeigen<br />

F<br />

Von Lienhard Hinz<br />

ch hab<br />

I so Heimweh<br />

nach<br />

dem Kurfürstendamm,<br />

ich hab so<br />

Sehnsucht<br />

nach meinemBerlin!“<br />

sang<br />

H i l d e g a r d<br />

Knef (1925<br />

bis 2002), als sie von ihren Auslandsgastspielen<br />

zurückkehrte. Das war<br />

vor fünfzig Jahren. In diesem Jahr<br />

war der 125. Geburtstag des Kurfürstendamms,<br />

weil am 5. Mai 1886<br />

die Dampfstraßenbahnlinie vom<br />

Bahnhof Zoo nach Halensee eröffnet<br />

wurde. Drei Jahre hatte damals der<br />

Ausbau und die Verbreiterung der<br />

dreieinhalb Kilometer langen Straße<br />

auf Anregung des Reichskanzlers,<br />

Fürst Otto von Bismarck, gedauert.<br />

Die danach entstandene Villenkolonie<br />

Grunewald stiftete ihm das<br />

überlebensgroße Bronzestandbild<br />

am Bismarckplatz nahe dem Kurfürstendamm<br />

in der Hubertusallee. Wir<br />

erblicken einen nachdenklichen Spaziergänger<br />

mit Schlapphut und Stock<br />

und seine auf den Hinterbeinen sitzende<br />

Dogge. In Wirklichkeit geht<br />

die Entstehung der berühmten Straße<br />

auf das Jahr 1542 zurück, als das<br />

Jagdschloß Grunewald erbaut wurde.<br />

Unter Kurfürst Joachim II. (1505 bis<br />

1571) entstand für die kurfürstlichen<br />

Reiter ein Verbindungsweg zum Berliner<br />

Schloß. Von dort führt der damalige<br />

Reiterweg heute über Unter<br />

den Linden, Brandenburger Tor, Straße<br />

des 17. Juni (Tiergarten), Großer<br />

Stern mit Siegessäule, Hofgartenallee,<br />

Stülerstraße, Budapester Straße,<br />

7000<br />

antiquarische<br />

Bücher<br />

Liste für 1,45 €<br />

in Briefmarken<br />

A. Neussner<br />

D-37284 Waldkappel<br />

Bericht aus Bozen<br />

ür Süd-Tirol<br />

ist der neue<br />

Ministerpräsident<br />

Mario Monti<br />

nicht schlecht,<br />

aber bestimmt<br />

kein Heilsbringer.<br />

In den Jahren, in<br />

denen Italien von<br />

Silvio Berlusconi<br />

und seinem „Volk<br />

der Freiheit“ (PdL) regiert worden<br />

war, war das Klima zwischen dem<br />

Staat und der deutschen Minderheit<br />

in Süd-Tirol erkaltet – trotz der föderalistisch<br />

ausgerichteten „Lega<br />

Nord“ in der Regierungsmehrheit.<br />

Mit Berlusconis Rücktritt und dem<br />

Antritt der Techniker-Regierung um<br />

Mario Monti schaut Süd-Tirol nun<br />

hoffnungsvoll nach Rom.<br />

So gut wie alle Vertreter des offiziellen<br />

Süd-Tirols haben der Übergangsregierung<br />

um den Wirtschaftsprofessor<br />

Rosen gestreut. Und in einem<br />

ersten Treffen hat der neue Ministerpräsident<br />

Süd-Tiroler Vertretern auch<br />

zugesichert, „ein Auge auf die Belange<br />

der Autonomen Provinzen“ zu<br />

haben. Der Optimismus ist einerseits<br />

durch die allgemeinpolitische Situa-<br />

tion bedingt: Zu lange ist in den letzten<br />

Wochen und Monaten der vierten<br />

Berlusconi-Regierung nichts weitergegangen.<br />

Fehlender Reformwillen<br />

und zunehmender Flügelstreit haben<br />

einen ganzen Staat gelähmt und sind<br />

schließlich für die ganze Europäische<br />

Union (EU) zu einem Risikofaktor<br />

geworden. Nun ist in Süd-Tirol auch<br />

in den Reihen der Minderheiten eine<br />

Aufbruchsstimmung zu verspüren,<br />

endlich notwendige finanzpolitische<br />

und verfassungsbedingte Reformen<br />

anzugehen, um den Staat Italien einigermaßen<br />

an zeitgemäße und somit<br />

moderne Anforderungen anzupassen.<br />

Sinkt nämlich das italienische Staatsschiff,<br />

geht auch der Süd-Tiroler mit<br />

unter. Was umgekehrt in diesem Sinn<br />

Italien rettet, tut auch der ihm einverleibten<br />

Minderheit gut.<br />

Anders schaut es hinsichtlich der Autonomie<br />

aus. Seit Jahren geht in den<br />

Verhandlungen über die (deutschen<br />

und ladinischen) Ortsnamen, über die<br />

Konzession zur Brennerautobahn und<br />

vor allem bei der Debatte über die Finanzgebarung<br />

des Landes Süd-Tirol<br />

kaum etwas weiter. Mario Monti steht<br />

nun einer aus der Not des Staates heraus<br />

geborenen Übergangsregierung<br />

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche,<br />

Kurfürstendamm, S-Bahnhof Halensee,<br />

Koenigsallee, zum Jagdschloß<br />

Grunewald.<br />

„Alles was gut war, das kommt<br />

mal zurück, wenn darüber auch<br />

Zeit vergeht“, sang die Knef in der<br />

geteilten, entwidmeten deutschen<br />

Hauptstadt. Dies bewahrheitet sich<br />

angesichts des für Stadtrundfahrten<br />

erschließbaren „Reiterweges“<br />

zwischen den Schlössern. Die Restaurierung<br />

und Instandsetzung des<br />

Jagdschlosses mit der Jagdgeschichte<br />

der preußischen Herrscher und<br />

einer Galerie deutscher und niederländischer<br />

Gemälde des 15. bis 19.<br />

Jahrhunderts wird mit Parkplatz und<br />

Waldweg im Dezember abgeschlossen.<br />

Begonnen hat der Wiederaufbau<br />

des Berliner Schlosses, denn in der<br />

Bauhütte Spandau meißelt ein Heer<br />

von Steinbildhauern die originalen<br />

Fassadenelemente. Im Mai war die<br />

umfassende Renovierung der Siegessäule<br />

und der Göttin Viktoria beendet.<br />

Am 2. September 1873 hatte<br />

Kaiser Wilhelm I. sie eingeweiht.<br />

Am 1. September 1895 wurde die<br />

neoromanische Kaiser-Wilhelm-<br />

Gedächtnis-Kirche eingeweiht als<br />

ehrendes Denkmal für Kaiser Wilhelm<br />

I. – Bomben zerstörten sie im<br />

November 1943. An einen Wiederaufbau<br />

ist nicht zu denken. Geblieben<br />

ist nur noch der Turm, der als<br />

Ruine ständig mit Spenden baulich<br />

erhalten wird. Dafür feiert man 50<br />

Jahre Egon-Eiermann-Bau. Zu den<br />

Feierlichkeiten gehörte ein Volksfest<br />

„Bei uns um die Gedächtniskirche<br />

rum“ mit Erbsensuppe, Kuchen und<br />

Getränken sowie ein Sonderpostamt<br />

im Turm.<br />

vor, für die mit Ausnahme der Lega<br />

Nord alle parlamentarischen Parteien<br />

eine gemeinsame Mehrheit bilden.<br />

Die Berlusconi-Mandatare oder deren<br />

noch nationalistischer geprägte<br />

Konkurrenz werden einen Fortschritt<br />

im Sinne eines minderheitenfreundlicheren<br />

Ausbaues der Autonomie<br />

nicht zulassen. Und was noch schwerer<br />

wiegt: Die Übergangsregierung<br />

Monti hat vorerst andere Probleme:<br />

das Eindämmen der Staatsschuld,<br />

ein dringend nötiges Ankurbeln der<br />

Volkswirtschaft, um aus der Rezession<br />

zu kommen, und längst überfällige<br />

Reformen des Staatswesens – all<br />

das ist eine Herkulesaufgabe, die<br />

dem Ausmisten des berühmten Augiasstalles<br />

gleichkommt, und mit der<br />

das Kabinett Monti sicher bis zum<br />

Ende seiner Amtszeit im Frühjahr<br />

2013 beschäftigt sein wird. Und es<br />

ist vor allem notwendig, um Italien<br />

dauerhaft im europäischen Verbund<br />

halten zu können. Demzufolge wird<br />

alles andere untergeordnet werden.<br />

Der SVP-Parlamentarier Siegfried<br />

Brugger hatte es bei Montis Amtsantritt<br />

auf den Punkt gebracht: „Ich<br />

bin optimistisch für Italien, aber gegen<br />

Euphorie bezüglich Süd-Tiroler<br />

Fragen“.<br />

Bericht aus Berlin<br />

„Ich hab so Heimweh nach dem<br />

Kurfürstendamm, Berliner Tempo,<br />

Betrieb und Tamtam!“ 125 der<br />

Kastenvitrinen im Bauhausstil bildeten<br />

bis Oktober eine Ausstellung zur<br />

Geschichte des Kurfürstendamms.<br />

Die Vitrinen trennen seit dem Wiederaufbau<br />

des zerbombten Kurfürstendamms<br />

– nach einer Idee der<br />

1930er Jahre – einen Fußgängerweg<br />

an der Straße von einem Ladenweg<br />

entlang der Geschäfte. In den wiedererstandenen<br />

prächtigen Gründerzeithäusern<br />

haben alle namhaften<br />

internationalen Modemarken ihre<br />

Geschäfte. Gasthäuser und Straßencafés<br />

zahlreicher Nationalitäten<br />

werben um Gäste. Über die blanken<br />

Fassaden der Hochhausbaustellen<br />

zum Tauentzien hin gibt es nichts<br />

Besucherfreundliches zu berichten.<br />

Vom berühmten Caféhaus Kranzler,<br />

in dem auch Hildegard Knef auftrat,<br />

ist nur ein Rest im oberen Rundbau<br />

des Bekleidungskonzerns Gerry Weber<br />

übriggeblieben. Gegenüber auf<br />

dem Joachimstaler Platz steht die<br />

denkmalgeschützte Verkehrskanzel.<br />

Sie diente nach ihrer Stillegung<br />

1962 zur Beobachtung der Demonstrationen<br />

der 68er Bewegung. Die<br />

auch heute beliebte Proteststrecke<br />

genießen wir auf einem Spaziergang<br />

von dort in Richtung Halensee nach<br />

einem Blick in den Alt Berliner Biersalon.<br />

Der jahrhundertalte einstige<br />

„Spezialausschank für Berliner Lagerbier“<br />

hatte seine Blütezeit in den<br />

1960er Jahren, als Theaterbesucher<br />

und Schauspieler einkehrten. Auch<br />

Inge Meysel (1910 bis 2004) trank<br />

hier oft eine Molle. Den „letzten<br />

Schrei“ der Filmtheater erleben Sie<br />

dann in der „Astor Film Lounge“ –<br />

ein Haus mit einer langen „Kinoge-<br />

Bücher von Johannes Dornseiff<br />

Rechte Notizen<br />

Der Verfasser der Bücher Tractatus absolutus (2000), Recht und Rache (2003),<br />

Sprache, wohin? (2006) und Kant (2009) legt als eine Art Nachlaß zu Lebzeiten<br />

seine politischen Notizen aus der Zeit seit 1993 vor, als Anhang zu seinem Neuen<br />

Deutschlandlied („Deutschland, Deutschland, bist verblichen ...“). – Mehr als<br />

Notizen sind es tatsächlich nicht. Aber vielleicht doch so treffend, daß die Vertreter<br />

des Gutmenschentums und der „political correctness“ daran Anstoß nehmen<br />

werden. Von den (von sich selbst) so genannten Antifaschisten ganz zu schweigen.<br />

136 Seiten • 10,00 € • ISBN 978-3-940190-66-6 • Vertrieb: xlibri.de Buchproduktion,<br />

Tel.: 08243 / 99 38 <strong>46</strong>, E-Mail: autor@xlibri.de<br />

Inhaltsangaben und Auszüge der Bücher des Verfassers unter<br />

www.johannesdornseiff.de<br />

Hochschulrektoren<br />

für Sprachenvielfalt<br />

A<br />

ufgrund der zunehmenden Vorherrschaft<br />

der englischen Sprache<br />

in Forschung und Lehre kommen<br />

immer mehr nicht-deutschsprachige<br />

Wissenschaftler und Studenten nach<br />

Deutschland. Die Präsidentin der<br />

Hochschulrektorenkonferenz (HRK),<br />

Prof. Dr. Margret Wintermantel,<br />

erklärte daher Ende November in<br />

Berlin: „Wir müssen dafür sorgen,<br />

daß die lebendige Kommunikation<br />

zwischen den Hochschulmitgliedern<br />

nicht eingeschränkt wird. Es<br />

ist auch ein Problem, wenn nichtenglischsprachige<br />

wissenschaftliche<br />

Veröffentlichungen immer weniger<br />

berücksichtigt werden. Dies führt<br />

zu Wettbewerbsverzerrungen, die<br />

wir nicht hinnehmen können.“ Wenn<br />

die Hochschulen ausschließlich auf<br />

englischsprachige Kommunikation<br />

in Forschung, Lehre und Lernen<br />

setzten, gehe dies zu Lasten anderer<br />

Sprachen und des <strong>Deutsche</strong>n und gefährde<br />

damit die Sprachenvielfalt.<br />

Vor diesem Hintergrund hat sich die<br />

Mitgliederversammlung der HRK in<br />

einer vierzehnseitigen Empfehlung<br />

schichte“. Zu empfehlen ist dann der<br />

beste Kudammblick von der Terrasse<br />

des „Reinhard’s“ im Kempinski. Ein<br />

zweites Kino, das „Cinema Paris“,<br />

im Haus der französischen Kultur<br />

schließt sich an. Das Maison de France<br />

zeigt bis Ende Januar 2012 eine<br />

Ausstellung des Pariser bildenden<br />

Künstlers Richard Tronson. Schritte<br />

entfernt empfangen uns Theater<br />

und Komödie am Kurfürstendamm,<br />

geleitet von Martin Woelffler in der<br />

dritten Generation der Familie. Stükke<br />

des Berliners Horst Pillau und<br />

Schauspieler, wie Judy Winter und<br />

Walther Plate, ziehen noch immer.<br />

Wir überqueren die 53 Meter breite<br />

Straße, um vor dem Adenauerplatz<br />

die letzte Kneipe am Kudamm mit<br />

durchgehendem 24-Stunden-Betrieb,<br />

„Bei Mo“, in Augenschein zu<br />

nehmen. Hier feiern Sportler und<br />

Fußballklubs. An ein geschichtliches<br />

Ereignis auf dem Kurfürstendamm<br />

erinnert die lebensgroße Konrad-<br />

Adenauer-Skulptur auf dem Adenauerplatz.<br />

Im August 1963 begleitete<br />

Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />

den Präsidenten John F. Kennedy<br />

bei seinem Berlinbesuch. Die Bronzestatue<br />

von Helga Tiemann zeigt<br />

einen entschlossen voranschreitenden<br />

Adenauer mit wehendem Mantel<br />

und Hut in der Hand. Unser Blick<br />

fällt auf das Handtuchhaus mit seiner<br />

Stahlglasfassade des Architekten<br />

Helmut Jahn. Davor hebt sich eine<br />

der prächtigen schmiedeeisernen<br />

Anzeige<br />

zur „Sprachenpolitik an den deutschen<br />

Hochschulen“ dafür ausgesprochen,<br />

Mehrsprachigkeit sowohl<br />

auf nationaler wie auch auf internationaler<br />

Ebene in der Wissenschaft<br />

zu fördern. Die Hochschulen wollen<br />

sich dafür einsetzen, ein verstärktes<br />

Bewußtsein für sprachenpolitische<br />

Fragen zu schaffen und einen bewußten<br />

Einsatz unterschiedlicher Sprachen<br />

im Hochschulalltag zu fördern.<br />

Die Sprachenvielfalt soll sowohl zur<br />

Erhaltung des <strong>Deutsche</strong>n als Wissenschaftssprache<br />

beitragen als auch den<br />

qualifizierten Erwerb und Einsatz anderer<br />

Sprachen unterstützen.<br />

Damit dies gelingt, wünschen sich<br />

die Hochschulrektoren mehr Personal,<br />

mehr Sprachenforschung und<br />

Sprachenzentren und mehr Übersetzungen<br />

und Dolmetscher für Wissenschaftler.<br />

Die HRK fordert darüber<br />

hinaus europäische „bibliometrische<br />

Instrumente“ (also Veröffentlichungsverzeichnisse)<br />

für nicht-englischsprachige<br />

Publikationen, damit<br />

die Forschung diese besser wahrnehmen<br />

kann. (hrk)<br />

Kohlenbogenleuchten ab, die auch<br />

heute noch den gesamten Boulevard<br />

erhellen. Gehen wir nun ein letztes<br />

Mal durch die Platanenreihen auf die<br />

andere Straßenseite zum Lehniner<br />

Platz. Hier macht die Schaubühne<br />

von sich reden. Ihr Künstlerischer<br />

Leiter, Thomas Ostermeier, führt jedes<br />

Jahr ein Shakespeare-Stück auf.<br />

Premiere hatte „Maß für Maß“ mit<br />

dem Wiener Burgschauspieler Gert<br />

Voss. Die letzte Kulturoase vor dem<br />

Bahnhof Halensee ist der Henriettenplatz,<br />

gewidmet der Kurfürstin Luise<br />

Henriette. Das Kurfürstenehepaar<br />

Luise Henriette (1627 bis 1667) und<br />

Friedrich Wilhelm von Brandenburg<br />

(1620 bis 1688), der Große Kurfürst,<br />

ist auf Reliefs des dreiseitigen Gedenksteins<br />

zu bewundern. Rätselnd<br />

stehen die Betrachter vor dem Medusenhaupt-Brunnen<br />

des französischen<br />

Künstlerehepaares Anne und Patrick<br />

Porier. Medusa, die schöne Tochter<br />

griechischer Meeresgottheiten, wurde<br />

von Pallas Athene aus Eifersucht<br />

in ein geflügeltes Ungeheuer verwandelt<br />

und enthauptet. Dieses Medusenhaupt,<br />

das feindliche Krieger<br />

zu Stein erstarren ließ, verhalf zum<br />

Sieg. Die seltsame Brunnenfigur vor<br />

der Tanzschule Traumtänzer schreckt<br />

die Tanzlustigen nicht ab. Musik zum<br />

Tanzen ist auch das Kudammlied der<br />

Hildegard Knef: „Und seh’ ich auch<br />

in Frankfurt, München, Hamburg<br />

oder Wien die Leute sich bemüh’n,<br />

Berlin bleibt doch Berlin.“<br />

Weltweite Verständigung<br />

durch die internationale Sprache<br />

Ido<br />

Kulturelle und sprachliche Vielfalt ist ein Reichtum der Menschheit<br />

– doch der Prozess des Sterbens von Sprachen dauert an, auch in Europa.<br />

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Seite 12 Bunte Seite<br />

Von Rominte van Thiel<br />

S<br />

eit einiger Zeit begegnet einem<br />

manchmal Merkwürdiges . Reiseveranstalter<br />

bieten Fahrten nach Ostpreußen<br />

mit Ausflügen „in die schönen<br />

Masuren“ oder Ferienhäuser „in<br />

den Masuren“ an. In der „Welt“ vom<br />

8. Juni 2011 schrieb Henryk M. Broder<br />

von einem ausgewanderten Polen,<br />

der zurückkehrte, um in „Szczytno<br />

in den Masuren“ zu studieren.<br />

Jeder Kenner Ostpreußens weiß aber,<br />

daß „die Masuren“ die Bewohner Masurens<br />

waren und sind. Wenn man es<br />

genau nimmt, sind die heutigen Masuren<br />

auch nicht gleichzusetzen mit<br />

den früheren Masuren. Masuren war<br />

und ist eine geographisch nicht genau<br />

begrenzte Landschaft im Südosten<br />

der früheren Provinz Ostpreußen auf<br />

den ehemaligen Stammesgebieten der<br />

prußischen Galinder und Sudauer.<br />

Schon im 13. Jahrhundert wurde<br />

Masuren Teil des Ordensstaates, der<br />

entstanden war, nachdem Herzog<br />

Konrad von Masowien sich wegen<br />

der prußischen Überfälle 1226 hilfesuchend<br />

an den <strong>Deutsche</strong>n Orden<br />

gewandt hatte. Dieser ließ sich unter<br />

Hermann von Salza vom Staufer<br />

Friedrich II. und dem Papst die<br />

Souveränität über die eroberten<br />

Gebiete zusichern. Das bedeutendste<br />

Bauwerk des <strong>Deutsche</strong>n Ordens<br />

ist die bekannte Marienburg. Zum<br />

Schutz vor Überfällen wurden auch<br />

in Masuren Burgen gebaut, in deren<br />

Umkreis dann Siedlungen deutscher<br />

Kolonisten entstanden. Im 14. Jahr-<br />

Deutschpflicht als<br />

Menschenrechtsverletzung?<br />

„Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten<br />

Voraussetzung erklärt, verletzt<br />

die Menschenrechte. So etwas<br />

verletzt uns.“<br />

Der türkische Ministerpräsident Recep<br />

Tayyip Erdogan am 1. November<br />

2011 in der „BILD“-Zeitung über<br />

Bedingungen für nachziehende Ehefrauen<br />

von Einwanderern.<br />

„So wie Erdogan vor kurzem im<br />

Interview sagte, daß erst die Muttersprache<br />

Türkisch gelernt werden<br />

sollte, so hat es mein Vater genau<br />

andersherum gesehen. Erst Deutsch,<br />

das ist die Muttersprache, denn wir<br />

leben in Deutschland, und dann können<br />

die beiden Türkisch lernen.“<br />

Der Komödiant Kaya Yanar am 7.<br />

November 2011 in der „Westdeutschen<br />

Allgemeinen Zeitung“.<br />

„Wo sich aufhört die Kultur …“<br />

Wer sind die Masuren? – Eine sprachliche Spurensuche<br />

Masure<br />

hundert errichtete Ortulf von Trier<br />

die Ortulfsburg, aus der die Stadt Ortelsburg<br />

entstand, das heutige, oben<br />

erwähnte Szczytno.<br />

Bis zum 14. Jahrhundert waren die<br />

Siedler vorwiegend deutsch neben<br />

den alteingesessenen Prußen. Dann<br />

strömten neue Siedler vorwiegend<br />

in den westlichen Teil des Ordenslandes.<br />

Um den Osten nicht veröden<br />

zu lassen, waren dem Orden masowische<br />

Siedler willkommen. Die andere<br />

Sprache und das andere Volkstum<br />

spielten damals keine Rolle. Wichtig<br />

war die christliche Religion. Diese<br />

Siedler nannten sich „mazur“ (Masure)<br />

nach ihrer Heimat Masowien. Sie<br />

brachten ihre westslawische Sprache<br />

mit. Im 15. Jahrhundert strömten<br />

W<br />

er einen Smoking trägt, darf<br />

sich dennoch in einem Raum<br />

aufhalten, der mit „No smoking“ gekennzeichnet<br />

ist. Erst wenn dort „No<br />

tuxedo“ (ausgesprochen: taxido) oder<br />

„No dinner jacket“ geschrieben stände,<br />

müßte der Träger draußen bleiben<br />

oder sich umziehen, denn diese beiden<br />

Wörter sind das amerikanische<br />

oder englische Wort für die deutsche<br />

Wortschöpfung aus dem Englischen,<br />

die kein Engländer kennt; Denglisch<br />

pur – und das schon seit vielen Jahrzehnten!<br />

Wer aber jetzt seinen Smoking mit<br />

einem Fracking tauschen will, hat<br />

nun gar nichts verstanden. Schließlich<br />

handelt es sich hierbei nicht um<br />

ein Bekleidungsstück, sondern um<br />

einen technischen Prozeß für die<br />

Erdgasgewinnung. Dabei kann es<br />

Von Dagmar Schmauks<br />

DSW-Silbenrätsel<br />

1. Hausschuhe zum Aussuchen – 2. undurchlässiger Adliger – 3. Töten<br />

von Kopfpolstern – 4. Job für eine Harke – 5. Interessengemeinschaft von<br />

Vampiren – 6. wertbeständiges Tragtier – 7. jemand, der hinter einem<br />

Herrschersitz hergeht – 8. Lotterieschein eines Denkorgans – 9. Dummkopf<br />

auf dem Acker – 10. von Vorfahren übernommener Knorpelfisch –<br />

11. Melodie eines einhenkligen Gefäßes – 12. Leuchten einer Grünfläche<br />

– 13. mit Zwillen bewaffnete Bande – 14. wenn die Oberseite des Hauses<br />

kaputt ist – 15. Paarungsbereitschaft eines Naturelements – 16. wohlschmeckende<br />

junge Blüten – 17. arbeitswilliges kleines Pappstück – 18.<br />

würzig wie ein Nagetier – 19. kleines Lebewesen mit Hausschuhen – 20.<br />

allererstes Nachtlokal – 21. Tanzmusik für Blutsauger – 22. jemand, der<br />

nach der Säkularisierung des Ordensstaates<br />

und der Einführung der<br />

Reformation nochmals Siedler aus<br />

Masowien ein, polnische Kleinadlige,<br />

auch geflüchtete Leibeigene und<br />

bereits reformierte Polen.<br />

Durch die Reformation wurde die<br />

Gemeinsamkeit mit den Bewohnern<br />

anderen Volkstums enger. Die<br />

masurische Sprache mischte sich<br />

mit deutschen und altpreußischen<br />

Elementen, bewahrte aber den<br />

Stand der Sprache Masowiens aus<br />

der Zeit der Einwanderung, so daß<br />

sie die Entwicklung der polnischen<br />

Sprache nicht mitmachte. Das Masurische<br />

war je nach Region unterschiedlich,<br />

im Westen mehr mit<br />

deutschen Elementen gemischt, im<br />

Osten auch mit litauischen. Bis zum<br />

Zweiten Weltkrieg wurde es noch<br />

gesprochen, die Amts- und Schriftsprache<br />

war jedoch Deutsch. Dies<br />

war wohl auch der Anlaß, daß in<br />

Ostpreußen über Masuren gewitzelt<br />

wurde, so mit dem Spruch „Wo sich<br />

aufhört die Kultur, da sich anfängt<br />

der Masur“, der auf den teils reflexiven<br />

Gebrauch der entsprechenden<br />

slawischen Wörter anspielt.<br />

Das Prußische starb übrigens im 17.<br />

Jahrhundert aus, obwohl noch im 16.<br />

Jahrhundert Luthers Katechismus in<br />

diese Sprache übersetzt wurde; sie<br />

ist aber noch in ostpreußischen Personen-<br />

und Ortsnamen erkennbar.<br />

Ein Kulturbruch war 1938 die gewaltsame<br />

Eindeutschung ostpreußi-<br />

Was zieht uns an –<br />

Smoking oder Fracking?<br />

schon einmal passieren – wie<br />

kürzlich in den USA – daß aus<br />

dem Trinkwasserhahn auch<br />

Erdgas strömt. Dann sollte<br />

es in der Küche oder im Bad<br />

tatsächlich „No smoking“ heißen,<br />

allerdings nur in den USA, denn bei<br />

uns heißt es immer noch „Bitte nicht<br />

rauchen“; zumal bei Küchenarbeiten<br />

keiner einen Smoking trägt …<br />

Übrigens handelt es sich beim Frakking<br />

(ausgesprochen: fräcking) um<br />

ein hydraulisches Aufbrechen eines<br />

erdgasspeichernden Gesteins mit<br />

Hilfe von Chemikalien, Sand und<br />

viel Wasser. Das klingt so gefährlich,<br />

wie es ist. Da wird verständlich, warum<br />

man uns wieder das englische<br />

Wort aufpfropft, bei dem keiner so<br />

recht weiß, was es bedeutet. Wenigstens<br />

das sollten wir wissen!<br />

scher (prußischer, litauischer, polnischer)<br />

Ortsnamen, in denen sich die<br />

Geschichte, nicht unbedingt jedoch<br />

die ethnische Zusammensetzung<br />

widerspiegelte. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg machte man es umgekehrt.<br />

Im Polen zugewiesenen Teil,<br />

zu dem Masuren gehört, wurde alles<br />

polonisiert, wobei man zum Teil auf<br />

alte Namen zurückgreifen konnte; im<br />

russischen Teil bekamen die Orte unhistorische<br />

Phantasienamen.<br />

Kurzum, der Landschaftsname Masuren<br />

wurde im <strong>Deutsche</strong>n genauso<br />

gebildet wie Hessen, Bayern, Franken,<br />

Westfalen, Polen, Schwaben,<br />

Pommern, und diese Form ist identisch<br />

mit der Pluralform des Namens<br />

ihrer Bewohner. Man lebt also in<br />

Masuren, in Hessen, in Westfalen, in<br />

Polen, man fährt nach Masuren, nach<br />

Bayern, nach Franken, und in diesen<br />

Ländern oder Landschaften leben<br />

die Masuren, Schwaben, Pommern.<br />

Tritt noch ein Adjektiv hinzu, fährt<br />

man ins stille Masuren, ins ländliche<br />

Westfalen, ins romantische Franken<br />

und schaut sich Masurens, Hessens,<br />

Bayerns Bauwerke oder Natur<br />

an. Daß heutzutage so viele „in die<br />

Masuren“ fahren wollen, was zu der<br />

Zeit, als Ostpreußen deutsch war,<br />

keinem Menschen eingefallen wäre,<br />

mag daran liegen, daß „Mazury“<br />

im Polnischen ein Plural ist. So hat<br />

das Politische sprachliche Unkenntnis<br />

hervorgerufen. Siegfried Lenz<br />

stammt indes unzweifelhaft aus Masuren,<br />

genauer aus Lyck in Masuren.<br />

Die Redaktion der DEUT-<br />

SCHEN SPRACHWELT<br />

wünscht Ihnen allen, daß<br />

in dieser Zeit zu Hause nur<br />

weihnachtliche Düfte in die<br />

Nase steigen und Ihnen ein explosives<br />

neues Jahr erspart bleibe.<br />

Ihr Anglizismenmuffel<br />

Wolfgang Hildebrandt<br />

Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz<br />

ehrlich – denglischst du noch<br />

oder sprechen Sie schon?, Band<br />

2, ISBN 978-3-929744-52-1, 6,00<br />

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hillesimm@t-online.de<br />

Material zum Töpfern herbeischafft – 23. abscheuliches Weichtier – 24.<br />

Keime einer Steighilfe – 25. männliche Person mit Griff daran – 26. die<br />

Kröten ganz vorne – 27. Steigerung eines Schafsblökens – 28. zweitklassige<br />

Hörorgane – 29. Ausscheidungsorgane eines Schweizer Urkantons<br />

– 30. feuerspeiendes Kriechtier für die Freizeit<br />

auf – bar – be – blut – boh – bro – brunst – che – chen – chen – chen – chen<br />

– dach – den – der – dich – dra – e – ei – er – er – ers – fel – feld – feu – fla<br />

– fleiß – floh – fol – fürst – ga – gang – ge – ger – ger – gold – grup – haus<br />

– hen – her – hirn – kärt – kel – ken – kis – knos – lei – los – mä – mann –<br />

mer – mies – mu – nie – pan – park – pe – pen – pen – rat – re – ren – ren<br />

– ri – scha – scharf – sche – schein – schel – schlach – schlap – schleu –<br />

schmacks – se – sel – sen – sen – spros – stun – ten – ten – ter – ter – thron<br />

– tier – tof – ton – trä – u – ur – wahl – wal – wei – zer<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

Sprachspiele<br />

Nicht nur für Kinder!<br />

(1)<br />

Teekesselchen<br />

Ziel<br />

Zu erraten ist ein Hauptwort,<br />

das zwei Bedeutungen hat,<br />

also zum Beispiel „Blatt“<br />

(Papierblatt/Baumblatt),<br />

„Mutter“ (Elternteil/Schraubenmutter),<br />

„Fliege“ (Tier/<br />

Kleidungsstück). Ein solches<br />

doppeldeutiges Wort wird als<br />

„Teekesselchen“ bezeichnet.<br />

Eigennamen und Fremdwörter<br />

sind nicht erlaubt, sonst kann<br />

es zu schwer werden.<br />

Ablauf<br />

Zwei Spieler unterhalten sich<br />

abwechselnd über ihr „Teekesselchen“<br />

und umschreiben<br />

es auf diese Weise. Die anderen<br />

müssen das Wort erraten.<br />

Dabei können auch zwei<br />

Mannschaften gegeneinander<br />

antreten.<br />

Beispiel<br />

Spieler 1: „Mein Teekesselchen<br />

steht im Stadtpark.“ –<br />

Spieler 2: „Mein Teekesselchen<br />

wechselt Geld.“ – Spieler<br />

1: „Mein Teekesselchen ist<br />

gemütlich.“ – Und so geht es<br />

immer weiter, bis jemand das<br />

Lösungswort „Bank“ errät.<br />

Kennen Sie Sprachspiele, die<br />

wir hier vorstellen sollten?<br />

Dann schreiben Sie uns bitte!<br />

Das<br />

Letzte<br />

Verrückte <strong>Sprachwelt</strong><br />

Dooden slammt<br />

Unter dem Motto „Sprache ist<br />

Wandel“ und zum Gedenken<br />

an den 100. Todestag Konrad<br />

Dudens veranstaltete der Dudenverlag<br />

am 23. November<br />

2011 den „WORD UP! Poetry<br />

Slam“ zum Thema deutsche<br />

Sprache. „Duden slammt!“ verkündete<br />

der Verlag stolz. (dsw)<br />

Lösungen: 1. Wahlschlappen – 2. Dichterfürst<br />

– 3. Kissenschlachten – 4. Rechenaufgabe<br />

– 5. Blutgruppe – 6. Goldesel<br />

– 7. Thronfolger – 8. hirnlos – 9.<br />

Feldflasche – 10. erbrochen – 11. eimerweise<br />

– 12. Parkschein – 13. Schleudergang<br />

– 14. Dachschaden – 15. Feuersbrunst<br />

– 16. Geschmacksknospen – 17.<br />

Fleißkärtchen – 18. rattenscharf – 19.<br />

Pantoffeltierchen – 20. urbar – 21. Flohwalzer<br />

– 22. Tonträger – 23. Miesmuschel<br />

– 24. Leitersprossen – 25. Henkelmann –<br />

26. erstunken – 27. Mäher – 28. bohren<br />

– 29. urinieren – 30. Hausdrache<br />

Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle<br />

für Semiotik an der Technischen Universität<br />

Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft<br />

von den Zeichen.

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