PDF 46 - Deutsche Sprachwelt
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AUSGABE <strong>46</strong><br />
Winter 2011/12<br />
12. Jahrgang – 4<br />
ISSN1439-8834<br />
(Ausgabe für Deutschland)<br />
E<br />
Kostenloser Aufkleber<br />
Bestellen Sie auf Seite 5!<br />
Demokratie<br />
Der Vizepräsident des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundestags, Eduard Oswald,<br />
betont die Verantwortung<br />
der Politik für die Sprache.<br />
Seite 5<br />
Bildung<br />
Wolfgang Hildebrandt schreibt<br />
über die bildungspolitischen<br />
Hintergründe der fehlenden<br />
Sprachtreue.<br />
Seite 7<br />
Gesichtserker<br />
Thomas Paulwitz entlarvt ein<br />
uraltes Märchen, das aus<br />
den Reihen der Verharmloser<br />
stammt.<br />
Seite 9<br />
Masuren<br />
Rominte van Thiel erklärt, warum<br />
man nicht „in die Masuren“<br />
fahren kann.<br />
Seite 12<br />
Rettungsschirm?<br />
inen staatlichen „Rettungsschirm“<br />
wie für Banken und überschuldete<br />
Staaten gibt es für die deutsche<br />
Sprache nicht. Daher danken wir<br />
sehr für Ihre Spende! Sie ermöglichen<br />
damit, daß die DEUTSCHE SPRACH-<br />
WELT trotz zunehmender Teuerung<br />
weiterhin viermal im Jahr erscheinen<br />
kann. Wir begrüßen außerdem mehr<br />
als zweitausend neue Leser, die in diesem<br />
Jahr zu uns gestoßen sind. Herzlich<br />
willkommen!<br />
Ihre Stimme zählt!<br />
x<br />
x<br />
Wer wird<br />
Sprachwahrer?<br />
Kleine<br />
Leserbefragung<br />
Seite 10<br />
Die Rechtschreibkrüppel kommen<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
A<br />
uf dieses Wiedersehen mit „Opa<br />
Günta“ hätte ich gern verzichtet:<br />
Die erste Fibel für meinen Sohn wurde<br />
verfaßt „unter wissenschaftlicher Beratung<br />
von Günther Schweisthal“. Mit<br />
Grausen lese ich diesen Hinweis, als<br />
ich das Buch das erste Mal in die Hand<br />
nehme. Jener Mann ist für mich kein<br />
Unbekannter. Ich lernte ihn auf der<br />
Leipziger Buchmesse 2007 kennen. Er<br />
war Akademischer Direktor am Institut<br />
für Phonetik der Universität München<br />
und ist mitverantwortlich dafür, daß<br />
bayerische Grundschulen seit dem<br />
Schuljahr 2001/2002 das lauttreue, das<br />
sogenannte „Phonetische Schreiben“<br />
unterrichten.<br />
Dabei handelt es sich um den bayerischen<br />
Ableger der in ganz Deutschland<br />
verbreiteten Methode „Lesen durch<br />
Schreiben“ (LdS). Schweisthal befindet<br />
sich zwar seit Jahren im Ruhestand, seit<br />
2007 jedoch zieht er als „Opa Günta“<br />
durch die Lande (siehe „Schraip widu<br />
schprichsd?“ in DSW 28, Seite 1). Er<br />
verkauft Übungsmaterial, in dem zum<br />
Beispiel solche Sätze zu lesen sind: „Di<br />
Buchstabentafel dea Erwaksenen haist<br />
Alfabet du brauchst si späta in dea Schule<br />
bai dea Ortografi oda Rächtschraibung.“<br />
Damals forderte ich: „Schickt<br />
Opa Günta bitte aufs Altenteil.“ Leider<br />
spukt Opas Ungeist jedoch weiter,<br />
eben auch in der Fibel meines Sohnes,<br />
Gott sei Dank lediglich beratend. Nicht<br />
auszudenken, wenn „Opa Günta“ auch<br />
die Texte geschrieben hätte. Trotzdem<br />
reicht das Werk bei weitem nicht an<br />
die didaktische Qualität der Fibel von<br />
Anni Leißl und Ali Mitgutsch heran,<br />
die wir vor dreißig Jahren in der Schule<br />
verwenden durften. Neu ist eben nicht<br />
immer auch besser.<br />
„Lesen durch Schreiben“ bedeutet, daß<br />
während der ersten beiden Schuljahre<br />
statt der traditionellen Fibel und eher<br />
als lästig erachteten Rechtschreibregeln<br />
eine sogenannte „Anlauttabelle“<br />
im Mittelpunkt des Unterrichts<br />
steht. Schulanfänger sollen zunächst<br />
so schreiben, wie sie sprechen. Das<br />
lateinische Abece kann jedoch für die<br />
Wie lautgetreues Schreiben die Schreibsicherheit zerstört<br />
Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />
Schreibschrift:<br />
Erste Unterschriften<br />
übergeben<br />
Unsere Aktion „Rettet die Schreibschrift“<br />
feierte einen ersten Zwischenerfolg.<br />
Gemeinsam mit der<br />
„Aktion <strong>Deutsche</strong> Sprache“ übergab<br />
die DEUTSCHE SPRACHWELT<br />
die ersten Unterschriften an die Kultusministerkonferenz<br />
(KMK). Am 9.<br />
Dezember überreichten wir 2.108 Unterschriften<br />
an KMK-Präsident Bernd<br />
Althusmann. Wir sammeln weiter!<br />
Fordern Sie bitte Unterschriftenlisten<br />
bei uns an. Danke für Ihre Mithilfe!<br />
Siehe Seite 6.<br />
deutsche Sprache keine Lautschrift<br />
sein, weil die Buchstaben nicht für die<br />
deutsche, sondern eben für die lateinische<br />
Sprache entwickelt wurden. Dehnungs-h<br />
oder Dehnungs-e, Buchstabenverdoppelungen<br />
und so weiter hört<br />
man nicht; auch nicht, ob zum Beispiel<br />
ein gehörtes „F“ als „V“ oder tatsächlich<br />
als „F“ zu schreiben ist. Daher gelingt<br />
das Schreiben nach Gehör nur bei<br />
einzelnen Wörtern. Schreibfehler sind<br />
unvermeidlich. Besondere Schwierigkeiten<br />
haben überdies diejenigen, die<br />
nicht genau nach der Schrift sprechen,<br />
sondern eine von der Mundart geprägte<br />
Sprache oder gebrochenes Deutsch.<br />
Die Kinder bekommen mit LdS zwar<br />
einen schnelleren Zugang zur Schrift,<br />
machen jedoch mehr Fehler. In Verbindung<br />
mit dem sogenannten „Freien<br />
Schreiben“ entfaltet LdS eine geradezu<br />
zerstörerische Wirkung auf die<br />
Rechtschreibsicherheit. Lehrer und<br />
Eltern dürfen nach der reinen LdS-<br />
Lehre Falschschreibungen nicht verbessern,<br />
um die Schreibbegeisterung<br />
der Schüler nicht zu beeinträchtigen.<br />
Statt dessen prägen sich die Fehler ein.<br />
Jedes Kind entwickelt seine eigene<br />
Rechtschreibung, die logischerweise<br />
meistens leider nicht mit der normierten<br />
übereinstimmt. Ab der dritten<br />
Klasse, spätestens jedoch am Ende der<br />
Grundschulzeit, kommt dann das böse<br />
Sprachstraße:<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
erweitert<br />
Das dritte Arbeitstreffen der Arbeitsgemeinschaft<br />
(AG) „Straße der<br />
deutschen Sprache“ fand am 17.<br />
November in der Goethestadt Bad<br />
Lauchstädt statt. Mittlerweile arbeiten<br />
ein Dutzend Orte in der AG an<br />
der Planung der neuen Ferienstraße,<br />
deren Kern in Mitteldeutschland entsteht.<br />
Ein Dutzend weiterer Orte ist<br />
interessiert. Die AG tauschte sich unter<br />
anderem über ein Vermarktungskonzept<br />
aus.<br />
Siehe Seite 4.<br />
Karikatur von Bernd Zeller<br />
Erwachen, wenn Lehrer plötzlich das<br />
Einhalten von Regeln verlangen.<br />
Auf diese Weise verlagert sich ein Teil<br />
des Rechtschreibunterrichts ins Elternhaus.<br />
Die Eltern müssen berichtigend<br />
eingreifen. Erfahrungsgemäß sind<br />
Kinder eher dankbar, wenn man ihnen<br />
behutsam, aber deutlich, die richtige<br />
Schreibweise zeigt und Sicherheit gibt.<br />
Etwas richtig geschrieben zu haben, ist<br />
ein Erfolgserlebnis, das man nicht vorenthalten<br />
darf. Kinder von Bildungsfernen,<br />
Einwanderern oder ohne Elternbetreuung<br />
(aufgrund der Ganztagsschule)<br />
haben also ein größeres Risiko, zum<br />
Rechtschreibkrüppel zu werden.<br />
Glück haben Eltern, wenn sie es mit<br />
einem Lehrer zu tun haben, der kein<br />
Anhänger der reinen LdS-Lehre ist. Von<br />
Bundesland zu Bundesland und von<br />
Schule zu Schule schwankt die LdS-<br />
Gläubigkeit. Ein Berliner Vater etwa<br />
klagt: „Meine Tochter hatte diesen LdS-<br />
Quatsch die ersten beiden Schuljahre.<br />
Nach dem zweiten Schuljahr bekam<br />
sie eine neue Lehrerin. Auf dem ersten<br />
Elternabend teilte diese mit, daß ein Arbeiten<br />
im Deutschunterricht nicht möglich<br />
sei, die Kinder hätten allesamt zu<br />
viele Defizite in der Rechtschreibung.“<br />
In ganz Deutschland hat sich mit Hilfe<br />
der Kultusministerien eine Idee<br />
Schlecker-Brief:<br />
Entrüstungssturm<br />
entfacht<br />
Am 22. Oktober veröffentlichten wir<br />
im Facebook-Auftritt der DEUT-<br />
SCHEN SPRACHWELT ein Antwortschreiben<br />
der Drogeriekette „Schlekker“,<br />
das seinen Spruch „For You. Vor<br />
Ort“ mit dem vermeintlich „niedrigen<br />
Bildungsniveau“ der Schlecker-Kunden<br />
rechtfertigte. Daraufhin brach<br />
ein Sturm der Entrüstung aus, der das<br />
Unternehmen zu mehreren Stellungnahmen<br />
zwang – ein herber Schlag<br />
für alle Dengländer.<br />
Siehe Seite 3.<br />
durchgesetzt, die auf den Schweizer<br />
Reformpädagogen Jürgen Reichen<br />
(1939 bis 2009) zurückgeht. Dieser<br />
warb für LdS mit Hilfe des „Hamburger<br />
Instituts für Lehrerfortbildung“.<br />
Reichen fand gelehrige Schüler, die<br />
sein radikales Werk in zum Teil etwas<br />
abgeschwächter Form durchsetzten.<br />
Einer davon ist Hans Brügelmann. In<br />
einem Nachruf auf Reichen jubelte er,<br />
daß es gelang, „500 Jahre Fibeltradition“<br />
zu überwinden. Brügelmann nennt<br />
seine Weiterentwicklung „Spracherfahrungsansatz“.<br />
Weitere LdS-Ableger<br />
sind „Tinto“ von Rüdiger Urbanek und<br />
die „Rechtschreibwerkstatt“ von Norbert<br />
Sommer-Stumpenhorst.<br />
Die Mängel von LdS sind wissenschaftlich<br />
längst erwiesen. So gab<br />
das Hessische Kultusministerium eine<br />
Untersuchung in Auftrag, die die Vorzüge<br />
der „Rechtschreibwerkstatt“ von<br />
Sommer-Stumpenhorst beweisen sollte.<br />
Doch die Untersuchung „Schriftsprach-Moderatoren“<br />
– auch als „Marburger<br />
Studie“ bekannt – lieferte nicht<br />
das gewünschte Ergebnis. Unabhängigen<br />
Lehrern gelang es nämlich, in die<br />
Untersuchung eine Vergleichsgruppe<br />
aufnehmen zu lassen, die traditionell<br />
mit einer Fibel (mit dem Namen „Lollipop“)<br />
unterrichtet wurde. Ende 2004<br />
lagen die Ergebnisse vor: Der Anteil<br />
der rechtschreibschwachen Kinder<br />
lag in der LdS-Gruppe am Ende der<br />
1. Klasse bei 16 Prozent, am Ende der<br />
2. Klasse bei 23 Prozent. In der Fibel-<br />
Gruppe hingegen waren nach dem<br />
ersten Schuljahr sechs Prozent, nach<br />
dem zweiten sogar nur noch fünf Prozent<br />
der Schüler rechtschreibschwach.<br />
Das waren eindeutige Ergebnisse, die<br />
das Hessische Kultusministerium jedoch<br />
zurückhielt. Statt dessen gab es<br />
eine neue Untersuchung in Auftrag.<br />
Eine Arbeitsgruppe an der Universität<br />
Gießen um Ulrich Glowalla sollte prüfen,<br />
wie gut sich Lese-Rechtschreib-<br />
Schwierigkeiten durch Sommer-<br />
Stumpenhorsts Methode verhindern<br />
lassen. Diese Studie konnte endlich<br />
das gewünschte Ergebnis bereitstellen,<br />
denn: „Professor Glowallas Ehefrau<br />
ist Geschäftsführerin der Lerndesign<br />
GmbH, die Material für die ‚Rechtschreibwerkstatt‘<br />
herstellt und dieses<br />
über den Collishop von Diplom-Psychologe<br />
Norbert-Stumpenhorst im Internet<br />
vertreibt“, wie die „Frankfurter<br />
Rundschau“ herausfand.<br />
Bayern hat soeben damit begonnen, seinen<br />
Grundschullehrplan bis zum Schuljahr<br />
2014/15 zu überarbeiten. Dazu hat<br />
das Kultusministerium in einem ersten<br />
Schritt 3.500 Grundschullehrer befragt.<br />
Nur 17,9 Prozent der Befragten stimmten<br />
dabei nicht der Aussage zu, daß<br />
lautgetreues Schreiben „eine nachlässige<br />
Haltung bezüglich einer korrekten<br />
Rechtschreibung“ fördert. Ob dieses<br />
klare Ergebnis sich im neuen Lehrplan<br />
widerspiegeln wird? Es ist zu wünschen,<br />
aber nicht sicher. „Lesen durch<br />
Schreiben“ ist ein Irrweg, der zurückgegangen<br />
werden muß.
Seite 2 Leserbriefe<br />
N<br />
Glanzlichter der deutschen Sprache<br />
Zum Buch ,,Sternstunden der deutschen Sprache“<br />
ach zwei Tagen Autofahrt<br />
kommen wir von Berlin tief<br />
in den Süden Italiens, an den Knick<br />
der Stiefelspitze, dort wo Odysseus<br />
der Sage nach ans Ufer gespült wurde.<br />
Aus dem Stapel der in den letzten<br />
Augenblicken vor der Abfahrt zusammengesuchten<br />
Bücher ergreife ich<br />
eins. Das hatte ich schon einmal in<br />
der Hand, allerdings in der Geschäftigkeit<br />
des Berufsalltags nur kurz:<br />
„Sternstunden der deutschen Sprache“,<br />
herausgegeben von Walter Krämer<br />
und Reiner Pogarell (IFB-Verlag,<br />
Paderborn 2003, 431 Seiten, 24,90<br />
Euro). Nun, im Urlaub, zieht es mich<br />
in seinen Bann. Ich vertiefe mich<br />
D<br />
D<br />
darin. In feinsinnig formulierten und<br />
gestalteten Beiträgen werde ich an<br />
einem farbenfreudigen Faden durch<br />
das Geflecht deutscher Geschichte geführt.<br />
Die ausgesuchten und kommentierten<br />
Glanzlichter deutscher Sprache<br />
sind außerordentlich lehrreich<br />
und anregend. Viele von ihnen werden<br />
der Dunkelheit und Vergessenheit<br />
entrissen und dürfen wieder im Sternenhimmel<br />
unserer Sprache und Geschichte<br />
leuchten! Ich fühle mich von<br />
den Autoren mannigfaltig bereichert,<br />
belehrt und beschenkt. Möge diese<br />
Sammlung zu einem Standardwerk<br />
deutscher Geschichte werden!<br />
Erhard Bohr, Berlin<br />
Analphabetismus wird gefördert<br />
Zur geplanten Abschaffung der Schreibschrift<br />
ie Abschaffung der Schreibschrift<br />
wirft auch in Naturwissenschaft<br />
und Technik Probleme auf.<br />
Bei (kleinbuchstabigen) Abkürzungen<br />
für physikalische Größen werden<br />
die im Druck vorgeschriebenen Kursivbuchstaben<br />
auf Schultafeln oder<br />
Projektionsfolien durch Schreibschriftbuchstaben<br />
ersetzt, während<br />
die Einheitenabkürzungen in Grundschrift<br />
gesetzt oder mit Druckbuch-<br />
Liebe Leser!<br />
Was hat Ihnen gefallen? Was hätten wir<br />
besser machen können? Worauf sollten<br />
wir stärker eingehen? Schreiben Sie uns,<br />
wir freuen uns auf Ihre Meinung! Auch<br />
wenn wir nicht jeden Brief beantworten<br />
und veröffentlichen können, so werten<br />
wir doch alle Zuschriften sorgfältig aus.<br />
Bei einer Veröffentlichung behält sich<br />
die Redaktion das Recht vor, sinnwah-<br />
rend zu kürzen. Auf diese Weise wollen<br />
wir möglichst viele Leser zu Wort kommen<br />
lassen. Schreiben Sie bitte an:<br />
DEUTSCHE SPRACHWELT<br />
Leserbriefe<br />
Postfach 1449, D-91004 Erlangen<br />
schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de<br />
Wiener Chinesen brauchen kein „SALE“<br />
Zum Beitrag „Deutschland schafft seine Sprache ab“ (Teil 1) von Wolfgang Hildebrandt in DSW 44, Seite 3<br />
as einzige Auslagenfenster<br />
(auf binnendeutsch würde<br />
man wohl eher Schaufenster sagen)<br />
in Wien, wo ich während der letzten<br />
Monate eine Ankündigung AUS-<br />
VERKAUF gelesen habe – nicht<br />
das auch in Österreich allgegenwär-<br />
CSU-Landesleitung<br />
Franz-Josef-Strauß-Haus<br />
Nymphenburger Straße 64<br />
80335 München<br />
10. Oktober 2011<br />
Sehr geehrter Herr H.,<br />
staben geschrieben werden. Auf diese<br />
Weise werden etwa „Masse“ von<br />
„Meter“ oder „Millisekunde“ von<br />
„Masse mal Strecke“ und anderes<br />
mehr auseinandergehalten. Die angedachte<br />
„Schriftreform“ wird also auch<br />
den Analphabetismus der künftigen<br />
Ingenieure und Physiker befördern,<br />
aber die benötigt man hierzulande ja<br />
ohnehin nur für Lippenbekenntnise.<br />
Dr. E. Schmidt, Bad Schönborn<br />
tige SALE, noch den da und dort<br />
manchmal angekündigten ABVER-<br />
KAUF – befindet sich im „Hongkong<br />
Haus“ im siebenten Stadtbezirk,<br />
wo eine chinesische Familie,<br />
ohne Mitwirkung irgendeiner einheimischen<br />
„Kraft“, tausenderlei<br />
Einfach lächerlich!<br />
Zum Beitrag „Schreiben wie in<br />
Holzpantoffeln“ von Karin Pfeiffer-<br />
Stolz in DSW 45, Seite 3<br />
arin Pfeiffer-Stolz’ Artikel<br />
K fand ich ganz ausgezeichnet.<br />
Es ist ja wirklich absurd, daß nach<br />
der für die deutschen Schulkinder so<br />
problematisch verlaufenen Rechtschreibreform<br />
jetzt auch noch diese<br />
neue Marotte zur Diskussion steht.<br />
Einfach lächerlich! Allerdings ist<br />
in den USA etwas ganz Ähnliches<br />
geplant.<br />
James Werner Fuchs,<br />
Buenos Aires<br />
Dazwischen<br />
Es gibt Menschen, die verweilen –<br />
Aus guten Gründen – zwischen den Zeilen.<br />
Und jeder, der dies ausprobiert,<br />
Ist plötzlich besser informiert!<br />
Günter B. Merkel, Wilhelmsfeld<br />
Einstieg in die dichterische Merkelwelt:<br />
Günter B. Merkel: Große Sprüche vom<br />
gnadenlosen Dichter, SWP-Buch-Verlag,<br />
Wilhelmsfeld 2007, 128 Seiten, fester Einband,<br />
9,50 Euro. Bestellung unter Telefon<br />
06220/6310. www.merkel-gedichte.de<br />
Briefe an uns und unsere Leser<br />
(Rechtschreibung im Original)<br />
„Ladies After Work Party ‚Lounge in the City‘ powered by CSU“<br />
vielen Dank für Ihre E-Mail vom<br />
1. August 2011, in dem Sie insbesondere<br />
den Titel der CSU-Veranstaltungsreihe<br />
„Lounge in the City“<br />
ansprechen. 2011 ist das „Jahr der<br />
Frau“ in unserer Partei. Unser Ziel<br />
ist es hier, mehr Mitsprache und<br />
mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für<br />
Frauen in der CSU zu schaffen. Mit<br />
neuen Veranstaltungsformen, wie der<br />
Ladies After-Work Veranstaltungsreihe,<br />
wollen wir insbesondere neue<br />
weibliche Zielgruppen ansprechen,<br />
um eine stärkere Repräsentanz von<br />
Frauen in der CSU zu erreichen und<br />
die Attraktivität der Partei für weibliche<br />
Wähler zu erhöhen.<br />
Wir haben für die Einladung zu unserer<br />
ersten Frauenveranstaltung den<br />
bereits eingeführten Begriff „Ladies<br />
After Work“ verwendet, um gerade die<br />
großstädtischen Frauen anzusprechen.<br />
Mit großem Erfolg – Wir haben mit<br />
genau dieser Art der Einladung bei unserer<br />
ersten Veranstaltung in München<br />
rund 600 Gäste, darunter auch zahlreiche<br />
Nicht-CSU-Mitglieder, erreichen<br />
können. Die Veranstaltung, ebenso<br />
wie die Folgeveranstaltungen in Nürnberg,<br />
Regensburg, Augsburg und Rosenheim,<br />
Neu-Ulm und Erlangen hat<br />
auch in den Medien und im Internet<br />
eine breite und für die CSU sehr positive<br />
Berichterstattung gefunden. Darüber<br />
hinaus konnten wir bereits auf der<br />
Veranstaltung neue Mitglieder für die<br />
CSU und für die Frauen-Union gewinnen.<br />
Unsere Frauenveranstaltung war<br />
zudem so erfolgreich, weil Veranstaltungsort<br />
und Ziel der Veranstaltung ein<br />
stimmiges Gesamtbild ergaben.<br />
Ich kann sehr gut nachvollziehen,<br />
dass die Bezeichnung „Lounge in the<br />
City“ neu und ungewohnt erscheinen<br />
mag. Unser Erfolgsrezept als Partei<br />
war es jedoch stets, offen zu sein für<br />
Neues, wo es nötig und erfolgreich<br />
ist. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen<br />
weitergeholfen zu haben<br />
und wünsche Ihnen alles Gute.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Julia Gschrey<br />
Leiterin Referat Bildung, Kultur,<br />
Senioren<br />
Landesgeschäftsführerin SEN,<br />
AKH, AKS<br />
Volkswagen: Anglizismen sind „unumgaenglich und sogar Zielfuehrend“<br />
Dialogcenter@volkswagen.de<br />
30. August 2011<br />
Sehr geehrter Herr B.,<br />
vielen Dank fuer Ihre Anmerkungen<br />
und Fragen zum zunehmenden<br />
Gebrauch englischer Ausdruecke<br />
im Rahmen der Namensgebung von<br />
Volkswagen. Grundsaetzlich sind wir<br />
bestrebt, fuer unsere Produkte Namen<br />
zu entwickeln, die der Produktpositionierung,<br />
der Zielsetzung des Produktes<br />
und der „Kundenerwartung“<br />
beziehungsweise dem Kundenverstaendnis<br />
gerecht werden. In diesem<br />
Zusammenhang entwickeln wir Namen<br />
und Bezeichnungen fuer Fahrzeugprojekte,<br />
Fahrzeugfunktionen<br />
und Aktionen, die mit den entsprechenden<br />
Schnittstellen im Unternehmen<br />
abgestimmt werden. Ziel ist<br />
eine korrekte und einheitliche Kommunikation<br />
dieser abgestimmten<br />
Namen und Bezeichnungen, um eine<br />
moeglichst erfolgreiche<br />
Bekanntmachung der<br />
Produkte im Markt zu<br />
erreichen, um Vertrauen<br />
aufzubauen und die<br />
Kaufentscheidung positiv<br />
beeinflussen zu koennen.<br />
Wir als global agierender<br />
Konzern moechten bei den besonders<br />
wichtigen Produktbestandteilen international<br />
einheitlich auftreten. Die<br />
Internationalisierung von Produkten<br />
und Technologien fuehrt dazu, dass<br />
Produkte und Technologien weltweit<br />
gleich benannt werden, um eine einheitliche<br />
Marktdurchdringung, Bekanntheit<br />
zu erreichen. Eine Zielsetzung<br />
der neuen Namensstrategie ist<br />
es, die Produktmarken und -bestandteile<br />
weltweit durch gleiche Namen<br />
fuer gleiche Produkte nachhaltig zu<br />
staerken. Daher wurde beispielsweise<br />
bei den Antriebsarten oder Motoren<br />
versucht, Namen zu kreieren, die als<br />
Marke schuetzenswert sind und international<br />
eingesetzt werden koennen.<br />
im Reich der Mitte hergestellte Erzeugnisse<br />
feilbietet, vom Fingerhut<br />
bis zur meterhohen Porzellanvase.<br />
Dr. Franz Rader, Obmann<br />
(Vorsitzer) des Vereins<br />
„Muttersprache“, Wien<br />
Beispiele sind „4Motion“, „Blue-<br />
Motion“, „TSI“ und „TDI“ und ganz<br />
aktuell „Think Blue.“. „BlueMotionTechnologies“<br />
ist die Dachmarke<br />
fuer alle Produkte und Technologien,<br />
die unsere Fahrzeuge schon heute effizienter<br />
machen. Sie steht fuer das<br />
Zusammenspiel vieler Innovationen<br />
wie zum Beispiel „BlueMotion“,<br />
„BlueTDI“ und „TSI EcoFuel“.<br />
„BlueMotion“ heisst nicht nur „blaue<br />
Bewegung“ – „BlueMotion“ ist eine<br />
Konzeptmarke, die sowohl fuer „nachhaltige<br />
Mobilitaet“ steht, aber auch als<br />
das Guetesiegel fuer Umweltorientierung<br />
und Nachhaltigkeit der Marke<br />
Volkswagen PKW verstanden wird.<br />
Zukuenftig wird diese im Sinne der<br />
Nachhaltigkeitsstrategie der Marke<br />
Volkswagen PKW verstaerkt ihren<br />
Einsatz finden. Economy wird in Ihrem<br />
geschilderten Zusammenhang als<br />
Oekonomie, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit<br />
als Eigenschaften unserer<br />
zukunftsorientierten Innovationen,<br />
Von Dagmar Schmauks<br />
F<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />
Heilkraft aus<br />
dem Baumarkt?<br />
ehlgriffe bei Fremdwörtern sind<br />
bekanntlich eine unerschöpfliche<br />
Quelle des Frohsinns – natürlich nur<br />
für Linsenzähler, ergänzen die eher unbekümmerten<br />
Sprachbenutzer diesen<br />
Satz. Neulich wurde in einem Nachruf<br />
jemand als „Mensch hoher PRÄZES-<br />
SION“ beschrieben – er trudelte also<br />
zu Lebzeiten wie ein Kreisel? Hoffentlich<br />
nicht ausgerechnet während der<br />
Fronleichnams-Präzession! Die abgebildete<br />
Fundsache zeigt sehr schön,<br />
wie leicht man Wörter gleicher Aussprache<br />
verwechselt, wie also sachlich<br />
nicht Zusammengehöriges sich trotzdem<br />
lianenartig umeinander wickelt.<br />
„Akupunktur“ – ein Kunstwort aus<br />
lateinisch „acus“ (Nadel) und „pungere“<br />
(stechen) – heißt das traditionelle<br />
chinesische Verfahren, den gestörten<br />
Fluß der Lebensenergie durch<br />
Nadelstiche zu behandeln. Bei der<br />
„Akupressur“ massiert man die entsprechenden<br />
Stellen mit den Fingerspitzen.<br />
Moderne „Power-Patienten“<br />
verschmähen aber offenbar diese<br />
sanften Maßnahmen, bei ihnen wirkt<br />
die allen zugaenglich gemacht werden<br />
sollen, verstanden. Nachhaltigkeit ist<br />
bei Volkswagen mehr als nur eine edle<br />
Absicht: es ist ein Unternehmensziel!<br />
Fahrzeuge zu bauen, die wenig CO2<br />
ausstossen, ist hierbei nur der Anfang.<br />
Im Zuge der Internationalisierung<br />
und der verstaerkten Ansprache internationaler<br />
Kunden sind Anglizismen<br />
unumgaenglich und sogar Zielfuehrend.<br />
Diese Namen und Bezeichnungen<br />
sollten allerdings leicht verstaendlich<br />
und international einsetzbar<br />
sein. Wir hoffen, dass wir auf Ihre<br />
Anmerkungen in vollem Umfang<br />
eingegangen sind und dass wir Ihre<br />
Fragen vollstaendig und zufriedenstellend<br />
beantworten konnten. Fuer<br />
weitere Fragen und Anregungen stehen<br />
wir Ihnen gerne zur Verfuegung.<br />
Mit freundlichen Gruessen<br />
Ihr Volkswagen Dialog Center<br />
VOLKSWAGEN AG<br />
Gegründet im Jahr 2000<br />
Erscheint viermal im Jahr<br />
Auflage: 25.000<br />
Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro.<br />
Für Nicht- und Geringverdiener ist der Bezug<br />
kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind sehr<br />
willkommen.<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Verein für Sprachpflege e. V.<br />
Stadt- und Kreissparkasse Erlangen<br />
Bankleitzahl 763 500 00<br />
Kontonummer 400 1957<br />
BIC: BYLADEM1ERH<br />
IBAN: DE63763500000004001957<br />
Republik Österreich<br />
Verein für Sprachpflege e. V.<br />
Volksbank Salzburg<br />
Bankleitzahl 45010<br />
Kontonummer 000 150 623<br />
Bitte bei der Überweisung vollständige<br />
Anschrift mit Postleitzahl angeben!<br />
ISSN 1439-8834<br />
(Ausgabe für Deutschland)<br />
ISSN 1606-0008<br />
(Ausgabe für Österreich)<br />
Herausgeber<br />
Verein für Sprachpflege e. V.<br />
Sammelanschrift<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong><br />
Postfach 1449, D-91004 Erlangen<br />
Fernruf 0049-(0)91 31-48 06 61<br />
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nur noch geballte Energie (lat. „accumulare“<br />
= anhäufen). Jeder Heimwerker<br />
kennt Akku-Schrauber, -Schleifer<br />
und -Sägen sowie die durchdringende<br />
Kraft und Lärmentwicklung dieser<br />
Geräte. Vor unserem beklommenen<br />
geistigen Auge wirft eine stämmige<br />
Masseurin mit Gehörschutz ein klobiges<br />
Gerät an, der Hochleistungsmotor<br />
heult auf, und der tausendmal in der<br />
Minute rotierende Aufsatz nähert sich<br />
unaufhaltsam unseren Fußsohlen …<br />
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der<br />
Redaktion wieder. Das gilt besonders für<br />
Leserbriefe.<br />
Die 47. Ausgabe erscheint im Frühling<br />
2012. Redaktions- und Anzeigenschluß<br />
sind am 31. Januar 2012.
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Hintergrund<br />
Seite 3<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
weimal brachte die DEUT-<br />
Z SCHE SPRACHWELT (DSW)<br />
im Jahr 2011 Personen des öffentlichen<br />
Lebens auf die Titelseite der<br />
BILD-Zeitung, Deutschlands größter<br />
Tageszeitung. Am 10. März war es<br />
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer,<br />
am 27. Oktober erwischte es<br />
Florian Baum, den Pressesprecher<br />
der Drogeriekette „Schlecker“. Während<br />
sich der erste darüber sicher<br />
gefreut haben dürfte, hat sich der<br />
zweite vermutlich eher geärgert. Beide<br />
fanden nämlich Erwähnung in der<br />
Rubrik „Gewinner/Verlierer“, allerdings<br />
in unterschiedlichen Spalten –<br />
Ramsauer auf der Gewinner-, Baum<br />
auf der Verliererseite.<br />
Was war geschehen? Ramsauer hatte<br />
sich als „Sprachwahrer des Jahres“ einen<br />
Namen gemacht, weil er in seinem<br />
Ministerium systematisch entbehrliche<br />
Anglizismen vermeidet. So machte er<br />
unter anderem das „Travel Management“<br />
wieder zur „Reisestelle“. Außerdem<br />
setzte er durch, daß die <strong>Deutsche</strong><br />
Bahn nach und nach an allen Bahnhöfen<br />
den „Service Point“ in „DB Information“<br />
umbenennt: „BILD meint:<br />
<strong>Deutsche</strong> Sprache, klare Sprache!“<br />
„Im Ton vergriffen!“<br />
Das Unternehmen „Schlecker“ hingegen<br />
hatte einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen,<br />
nachdem es seine Vorliebe<br />
für Denglisch begründet hatte. Florian<br />
Baum, „Leiter der Unternehmenskommunikation“,<br />
hatte in einem Brief an<br />
einen DSW-Leser mit ungeschickten,<br />
aber entlarvenden Worten den Spruch<br />
„For You. Vor Ort“ verteidigt. Er rechtfertigte<br />
ihn gar mit dem „niedrigen Bildungsniveau“<br />
seiner Kunden: „BILD<br />
meint: Im Ton vergriffen!“<br />
Der Fall verursachte einen beträchtlichen<br />
Ansehensschaden nicht nur für<br />
„Schlecker“, sondern auch allgemein<br />
für denglische Werbesprüche, denn er<br />
bestätigte die Vorbehalte gegenüber<br />
deutsch-englischen Sprachmischungen.<br />
„Jetzt ist es amtlich: Denglisch<br />
ist für Doofe“, jubelte daher Walter<br />
Krämer in den „Sprachnachrichten“.<br />
Doch betrachten wir den Fall<br />
von vorn. Mitte Mai 2011 gab sich<br />
die Drogeriekette „Schlecker“ im<br />
Rahmen ihres Programms „Fit for<br />
Future“ ein neues Erscheinungsbild.<br />
Infolgedessen führte das Unternehmen<br />
den neuen Leitspruch ein: „For<br />
You. Vor Ort“. Schon bald erreichten<br />
die DEUTSCHE SPRACHWELT<br />
Zuschriften entsetzter Bürger. Einer<br />
schrieb entgeistert: „Ich dachte, so etwas<br />
wäre heute nicht mehr möglich“.<br />
„Das schleckert nicht“<br />
Erfunden hat den Spruch die bekannte<br />
Düsseldorfer Werbeagentur Grey,<br />
die schon des öfteren mit den von ihr<br />
entwickelten Werbesprüchen kräftig<br />
danebengelangt hat. Es erstaunt,<br />
welchen Flurschaden ein einziges<br />
Unternehmen in der Werbesprache<br />
in Deutschland hinterlassen kann. So<br />
ist Grey unter anderem verantwortlich<br />
für „Ruhrn TeamworkCapital“<br />
als Marke für das Ruhrgebiet, für den<br />
Karstadt-Spruch „Schöner shoppen<br />
in der Stadt“ und für die Aufforderung<br />
„Love Odol“, die das bisherige<br />
„Küß mit“ des Mundwasserherstellers<br />
ersetzte. Und nun schuf Grey<br />
„For You. Vor Ort“.<br />
Denglisch ist für Dumme<br />
Der Fall „Schlecker“ – ein Lehrstück für den Widerstand gegen die Sprachverhunzung<br />
„Das schleckert nicht“, warnte frühzeitig<br />
Bernd M. Samland in seinem<br />
Netztagebuch www.markenecho.de.<br />
Der Geschäftsführer der Markenagentur<br />
„Endmark“ spottete: „Besonders<br />
interessant ist der Sprachmix<br />
Englisch-Deutsch; wahrscheinlich<br />
für die anglophil-angehauchte typische<br />
Schlecker-Kundin – oder für<br />
die Internationalität ‚vor Ort‘?“ Außerdem<br />
gebe es bereits 285 „For<br />
you“-Marken, dazu kommen 82mal<br />
das noch blödere „4U“ und 56 „Vor<br />
Ort“-Marken, so Samland weiter.<br />
Es gab also sehr gute Gründe,<br />
„Schlecker“ in der Sommer-Ausgabe<br />
der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />
in die Sprachsünder-Ecke zu stellen<br />
(vergleiche DSW 44, Seiten 1 und<br />
10). „Schlecker geht uns auf den<br />
Wecker“, meinten wir. Wie immer<br />
forderten wir zu Beschwerdebriefen<br />
auf. Unser Leser Dr. Paul W. ließ sich<br />
das nicht zweimal sagen und schrieb<br />
am 23. Juli einen geharnischten Brief<br />
ins „Schleckerland“ nach Ehingen:<br />
„Was soll dieser englisch-deutsche<br />
Sprachmischmasch?“ fragte er und<br />
rief zu mehr Verständlichkeit und<br />
Selbstbewußtsein im Gebrauch der<br />
Muttersprache auf. Um dem Schreiben<br />
Nachdruck zu verleihen, ließ<br />
es Dr. W. von rund zwei Dutzend<br />
Sprachfreunden unterzeichnen: „Wir<br />
protestieren gegen diese sprachliche<br />
Selbstverleugnung und bitten Sie<br />
dringend, in Zukunft deutsche Formulierungen<br />
zu verwenden.“<br />
„Der Stiltugend der<br />
Latinitas verpflichtet“<br />
Am 1. September antwortete „Schlekker“<br />
mit einem Schreiben, das Baum<br />
verfaßt hatte. Der Unternehmenssprecher<br />
hatte sich Zeit genommen<br />
und erfreulicherweise nicht – wie<br />
sonst leider häufig üblich – eine aus<br />
Textbausteinen zusammengesetzte,<br />
mit leeren Worthülsen zusammengestückelte<br />
Blabla-Antwort geschrieben.<br />
Statt dessen schlug er einen<br />
überraschend anbiedernden Ton an<br />
und versuchte angestrengt, mit seiner<br />
eigenen Bildung zu beeindrucken.<br />
Er selbst, so Baum, fühle sich ja<br />
„im privaten Sprachgebrauch der<br />
Stiltugend der Latinitas verpflichtet“,<br />
prahlte er. Daher sehe er „die<br />
Bestrebungen des Vereins <strong>Deutsche</strong><br />
Sprache mit großem Wohlwollen“.<br />
Den Protest nehme er also „mit<br />
Sympathie zur Kenntnis“. Das neue<br />
Unternehmensmotto sollte jedoch<br />
„die durchschnittlichen Schlecker-<br />
Kunden, die niederen bis mittleren<br />
Bildungsniveaus zuzuordnen sind,<br />
ansprechen.“ Zielgruppe seien also<br />
„nicht die vielleicht 5 % der Bevölkerung,<br />
zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner<br />
gehören (nämlich promovierte<br />
Akademiker, Philologen und<br />
andere reflektierte Sprachverwender)<br />
– sondern die übrigen 95 %.“<br />
So offen und ehrlich hatte bislang<br />
noch kein Unternehmen zugegeben,<br />
wie hochmütig es über seine Kunden<br />
denkt. 95 Prozent der Bevölkerung<br />
denken also nicht über die Sprache<br />
nach, belehrt uns „Schlecker“ – was<br />
nicht stimmt, wie Umfragen zeigen.<br />
Sprachmischungen sind, wenn wir<br />
„Schlecker“ folgen, am besten dazu<br />
geeignet, um Ungebildete zu beeindrucken.<br />
Baum selbst spricht privat<br />
freilich nicht so, denn er zählt sich<br />
offenbar zu den erlesenen fünf Prozent<br />
der Bevölkerung. Daher versäumte<br />
er auch nicht, neben seine<br />
Unterschrift die Abkürzung „M.A.“<br />
– Magister Artium – zu setzen.<br />
Dieses Schreiben fanden wir so<br />
bemerkenswert, daß wir es in der<br />
Herbst-Ausgabe der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT veröffentlichten<br />
(DSW 45, Seite 2). Darüber hinaus<br />
luden wir am 22. Oktober auf Bitten<br />
eines Lesers eine Ablichtung des<br />
Schreibens auf unsere Facebook-Seite<br />
hoch und kommentierten: „Schlecker<br />
verteidigt seinen Spruch ‚For You. Vor<br />
Ort‘ mit dem ‚niedrigen Bildungsniveau‘<br />
seiner Kunden.“ Außerdem verbreiteten<br />
wir einen Hinweis über den<br />
Kurzmitteilungsdienst „Twitter“.<br />
„Ideal für Doofe“<br />
Mit dem Einspeisen in die elektronischen<br />
Medien lösen wir ein Lauffeuer<br />
aus, das wir so nicht für möglich<br />
gehalten hatten und „Schlecker“<br />
in höchste Erklärungsnöte bringt.<br />
Rund 1.000 Facebook-Nutzer setzen<br />
den Brief auf ihre Facebook-Seite,<br />
wo er wiederum von vielen anderen<br />
gelesen werden kann. Über 400<br />
Kommentare erscheinen unter dem<br />
Brief. Binnen kurzem steigt die Zahl<br />
der <strong>Sprachwelt</strong>-Leser auf Facebook<br />
von 7.000 auf über 8.000. Schnell<br />
werden Twitter-Nutzer aus der Werbebranche<br />
aufmerksam und geben<br />
den Brief an ihre zahlreichen Leser<br />
(„Follower“) weiter.<br />
Eine Lawine entsteht. Die einschlägigen<br />
Fachzeitschriften für Werbung<br />
bemerken dies als erste und berichten.<br />
Das Magazin „Meedia“ titelt<br />
am 25. Oktober: „Neuer Schlecker-<br />
Claim: ideal für Doofe“. Am selben<br />
Tag berichtet „W&V“ („Werben und<br />
Verkaufen“). „Schlecker“ sieht sich<br />
zu einer ersten öffentlichen Stellungnahme<br />
gezwungen, bleibt jedoch<br />
uneinsichtig, vergreift sich dabei<br />
im Ton und beschimpft Kritiker sogar<br />
als „unverschämt und arrogant“:<br />
„Ansonsten stellen wir uns gerne einer<br />
echten Diskussion, ob ein kreatives<br />
Unternehmensmotto mit einer<br />
Kombination aus deutschen wie englischen<br />
Begriffen Sprache allgemein<br />
weiter entwickelt oder degeneriert.“<br />
Unterdessen erreicht der Fall „Schlekker“<br />
die wichtigsten deutschen Zeitungen<br />
und Zeitschriften. Bei der DEUT-<br />
SCHEN SPRACHWELT melden sich<br />
unter anderem BILD, „Frankfurter<br />
Allgemeine“ und „Spiegel Online“.<br />
Am 26. Oktober berichten „Süddeutsche“<br />
(„For You. Vorsicht“), „Handelsblatt“<br />
(„Schlecker nennt Kunden<br />
ungebildet“), „Financial Times<br />
Deutschland“ („Schlecker hält eigene<br />
Kunden für blöd“) und viele andere.<br />
„Schlecker-Claim löst<br />
Shitstorm aus“<br />
Besondere Wirkung entfaltet ein<br />
Beitrag in „Spiegel Online“, in dem<br />
Jochen Brenner spöttisch feststellt:<br />
„Jeder Schlecker-Kunde, der die<br />
Prozentrechnung beherrscht, hat<br />
nun schwarz auf weiß, daß belesene<br />
Schöngeister ihr Klopapier bei Drogerie<br />
Müller einkaufen.“ Am Tag darauf<br />
zieht „Welt Online“ mit einem eigenen<br />
Artikel nach, der den Titel trägt:<br />
„Schlecker ist die FDP im Einzelhandel.<br />
Nur peinlich“. Beide Medien<br />
sprechen von einem „PR-Desaster“,<br />
also von einer katastrophalen Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Drogeriekette.<br />
Zahllose Kommentare werden an den<br />
verschiedensten Orten im Netz geschrieben.<br />
Überall ist das mißlungene<br />
Motto im Gespräch. Die Zeitschrift<br />
„Meedia“ betitelt daher einen Beitrag:<br />
„Schlecker-Claim löst Shitstorm aus“.<br />
Auf unserer Facebook-Seite übersetzen<br />
wir: „Schlecker-Spruch entfacht<br />
Sturm der Entrüstung.“ „Meedia“<br />
ändert später die Überschrift in „Eiertanz<br />
um ‚doofe‘ Kunden“. Sogar Werbeleute<br />
versuchen nun offenbar, nicht<br />
allzu sehr mit Denglisch um sich zu<br />
werfen, um nicht in die Schlecker-<br />
Ecke zu geraten.<br />
Als dann die BILD-Zeitung am 27.<br />
Oktober den „Schlecker“-Sprecher<br />
zum „Verlierer“ des Tages kürt, veröffentlicht<br />
„Schlecker“ die zweite<br />
Stellungnahme: „Brief führte zu Mißverständnissen“.<br />
Diesmal spart sich<br />
„Schlecker“, Kritiker zu beschimpfen.<br />
Der Brief des Pressesprechers<br />
sei „unglücklich formuliert“ gewesen:<br />
„Jede Art von Mißverständnis<br />
bedauern wir sehr.“<br />
Nun geschieht etwas, was es in der<br />
Pressearbeit der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT bisher noch nicht<br />
gab. Meist berichten Zeitungen<br />
nämlich erst dann über Aktionen,<br />
wenn eine Nachrichtenagentur etwas<br />
gemeldet hat. Diesmal ist es umgekehrt.<br />
Aufgrund der zahlreichen<br />
Presseveröffentlichungen, die bereits<br />
erschienen sind, sieht sich die <strong>Deutsche</strong><br />
Presseagentur (dpa) verpflichtet<br />
zu berichten (siehe Kasten).<br />
„Schlecker“ setzt auf Türkisch<br />
Was bleibt? Nahezu eine Woche<br />
lang war der Fall „Schlecker“ im<br />
Gespräch. Er wird aber auch über<br />
diese Aufregung hinaus nachwirken.<br />
Wer künftig einen denglischen<br />
Werbespruch einsetzt, muß mit dem<br />
Vorwurf rechnen, er halte wohl seine<br />
Kunden für dumm. „Finger weg von<br />
denglischen oder englischen Claims!<br />
[Werbesprüchen]“, empfiehlt daher<br />
ein Berater für Rufpflege.<br />
Für die tatkräftigen Sprachschützer<br />
bleibt die Genugtuung, daß auch<br />
ein kleiner Beschwerdebrief wirken<br />
kann. Beschweren lohnt sich also! Indem<br />
wir den Einsatz gedruckter und<br />
elektronischer Medien verknüpften,<br />
kamen wir zum Erfolg. Diese Erkenntnis<br />
ist wegweisend für unsere<br />
Spracharbeit.<br />
Bei „Schlecker“ indes scheinen Hopfen<br />
und Malz verloren. Das Unternehmen<br />
will trotz dieser Erfahrung<br />
vorerst an seinem mißlungenen<br />
Spruch festhalten. Es arbeite jedoch<br />
daran, so „Schlecker“-Sprecher Patrick<br />
Hacker am 4. November zur<br />
„Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“,<br />
seine Kunden in einer Sprache<br />
anzusprechen, die sie verstehen.<br />
Daher verbreitet „Schlecker“ seit<br />
November in Duisburg Prospekte für<br />
Kunden „in ihrer Landessprache“ –<br />
nämlich Türkisch. Im Erfolgsfall will<br />
„Schlecker“ Türken deutschlandweit<br />
gezielt auf türkisch ansprechen. Etwas<br />
Deutschklingendes findet sich<br />
dann zumindest noch im Werbespruch:<br />
„For You. Vor Ort“.<br />
Die DSW in der Presse<br />
Die Nachrichtenagentur dpa meldete am 27. Oktober 2011:<br />
Schlecker tappt in<br />
Kommunikations-Fettnapf<br />
Von Johannes Wagemann<br />
hingen (dpa) – Die Zeiten der Negativschlagzeilen schienen doch eigentlich<br />
vorbei zu sein. Vor rund einem Jahr übernahm die jüngere<br />
Generation das Ruder bei der Drogeriekette Schlecker – und vor allem die<br />
Verantwortung für die Außendarstellung. Seitdem krempelten Meike und<br />
Lars Schlecker den Konzern ihres Vaters Anton ordentlich um. Neben der<br />
Umgestaltung hunderter Filialen gab es einen neuen Werbespruch. „For<br />
You. Vor Ort“, entwickelt von der renommierten Werbeagentur Grey, soll<br />
den Aufbruch verdeutlichen. … Diskussionen über den neuen Slogan gab<br />
es bereits seit dessen Einführung im Frühjahr. Doch dann veröffentlichte<br />
der „Verein für Sprachpflege“ einen kritischen Artikel über den Werbespruch<br />
in seiner Zeitschrift „<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>“. Ein Sprachkritiker<br />
wandte sich ob des „Denglisch“ direkt an die Drogeriekette. Ein seit Jahren<br />
für das Unternehmen tätiger Sprecher antwortete – und das so, daß Schlekker<br />
nun ein echtes Kommunikationsproblem hat. Der Wortlaut des im<br />
Internet veröffentlichten Schreibens hat es in sich. Zum einen distanziert<br />
sich der Sprecher vom Werbespruch und verweist darauf, er fühle sich „der<br />
Latinitas verpflichtet“ – und sehe die Aktivitäten der Sprachschützer „mit<br />
Wohlwollen“. Was aber für hämische bis wütende Kommentare in etlichen<br />
Internetforen führt, ist die Argumentation für den Slogan der Ehinger. Das<br />
Motto solle durchschnittliche Schleckerkunden ansprechen, die „niederen<br />
bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen“ seien, so der Sprecher. Und das<br />
ist nicht alles: Diese Massenzielgruppe zähle eben nicht zu den „reflektierten<br />
Sprachverwendern“, zu denen sich der Sprecher selbst genauso wie die<br />
Sprachschützer zählt. …
Seite 4 Sprachpolitik<br />
Schwarze Woche im Bundestag<br />
Die deutsche Sprache soll nicht ins Grundgesetz,<br />
aber raus aus dem Gericht<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
D<br />
er <strong>Deutsche</strong> Bundestag beschäftigte<br />
sich Anfang November<br />
in einer Woche gleich zweimal<br />
mit der politischen Stellung der<br />
deutschen Sprache. Am 7. November<br />
beriet der Petitionsausschuß über die<br />
Verankerung der deutschen Sprache<br />
im Grundgesetz. Am 9. November<br />
sprach der Rechtsausschuß über den<br />
Gesetzentwurf des Bundesrats zur<br />
Einführung von Englisch als weiterer<br />
Gerichtssprache in Deutschland.<br />
Zumindest das Zustandekommen der<br />
ersten der beiden Sitzungen schien<br />
zunächst ein Erfolg zu sein: Obwohl<br />
die Petition für „Deutsch ins Grundgesetz“<br />
mit 5.165 Mitzeichnern das<br />
für eine Anhörung erforderliche<br />
Quorum von 50.000 bei weitem verfehlt<br />
hatte, lud der Petitionsausschuß<br />
des Bundestags die Petenten ein –<br />
den Verein für <strong>Deutsche</strong> Kulturbeziehungen<br />
im Ausland (VDA) und<br />
den Verein <strong>Deutsche</strong> Sprache (VDS).<br />
Doch schon die zusätzliche Einladung<br />
eines Gegenpetenten, der noch<br />
weniger Unterstützer hinter sich<br />
scharen konnte, machte stutzig. Der<br />
Hamburger Sprachwissenschaftler<br />
Anatol Stefanowitsch hatte in einer<br />
Gegenpetition „Keine Aufnahme der<br />
deutschen Sprache ins Grundgesetz“<br />
3.189 Stimmen gesammelt und durfte<br />
ebenfalls zur Anhörung erscheinen<br />
und seinen Standpunkt darlegen.<br />
So nahm eine der lächerlichsten und<br />
unwürdigsten Veranstaltungen zur<br />
deutschen Sprache ihren Lauf. Die<br />
Ausschußmitglieder nahmen den<br />
Petenten Walter Krämer (VDS) sogleich<br />
ins Kreuzverhör. Die wichtigste<br />
Frage des Grünen Memet Kilic<br />
war, wie man denn das Wort „Marketing“<br />
auf deutsch ausdrücken könne.<br />
Dabei kam sich der Abgeordnete<br />
offenbar sehr schlau vor. Die Linke<br />
Agnes Alpers schwadronierte von<br />
Das dritte Treffen der Arbeitsgemeinschaft „Straße der deutschen Sprache“<br />
(AG SddS) fand am 17. November 2011 in Bad Lauchstädt statt. Die Mitteldeutsche<br />
Zeitung schrieb darüber am 19. November:<br />
Richtiges Deutsch statt „Denglisch“<br />
„Straße der deutschen Sprache“ geplant<br />
Von Elke Jäger<br />
I<br />
der multikulturellen Gesellschaft, für<br />
die wohl jeder sein müsse, und holte<br />
den Allgemeinplatz von der „Sprache<br />
im Wandel“ aus dem Keller der gesammelten<br />
Totschlagargumente. Peter<br />
Röhlinger von der FDP begleitete<br />
sie auf diesem Weg hinunter, kramte<br />
das Blendwort „Globalisierung“ aus<br />
einer verstaubten Schublade und verlieh<br />
seiner Befürchtung Ausdruck,<br />
die Betonung der deutschen Sprache<br />
in Deutschland könne ausländische<br />
Fachkräfte abschrecken. Stefanowitsch<br />
hingegen hatte es leicht; er<br />
rannte offene Türen ein.<br />
Kein Wohlwollen im<br />
Petitionsausschuß<br />
Krämer war darauf nicht vorbereitet. Er<br />
wiederholte zwar die bekannten Argumente,<br />
begab sich jedoch aufs Glatteis<br />
der Ausländerpolitik und griff dann sogar<br />
den Gegenpetenten an, weswegen<br />
ihn die Ausschußvorsitzende ermahnen<br />
mußte. Dadurch verschlechterte er seine<br />
ohnehin schwache Stellung. Krämer<br />
hätte wissen können, daß er im Ausschuß<br />
kaum mit Wohlwollen zu rechnen<br />
hat. Bereits im Mai 2009 – also in<br />
der vergangenen Gesetzgebungsperiode<br />
– hatte sich der Petitionsausschuß<br />
der Haltung des Bundesinnenministeriums<br />
angeschlossen: „Eine Ergänzung<br />
des Grundgesetzes um den Passus ‚Die<br />
Sprache der Bundesrepublik Deutschland<br />
ist Deutsch‘ bzw. die Schaffung<br />
sonstiger Vorschriften zum Schutze der<br />
deutschen Sprache werden […] nicht<br />
für erforderlich gehalten.“ Der Bundestag<br />
folgte damals der Empfehlung<br />
des Ausschusses und beschloß am 14.<br />
Mai 2009, die Petitionen dem Bundesministerium<br />
des Innern und dem<br />
Beauftragten der Bundesregierung für<br />
Kultur und Medien zu überweisen,<br />
sowie den Fraktionen des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundestages lediglich zur Kenntnis zu<br />
geben. So wird es auch diesmal gehen.<br />
Die Straße in der Presse<br />
mmer mehr Menschen ärgert der oft nachlässige Umgang mit der deutschen<br />
Sprache. Da wird von shoppen gesprochen statt von einkaufen,<br />
heißt es performance statt Vorstellung, und der gute alte Hausmeister trägt<br />
gar die Bezeichnung facility manager. „Denglisch“ nennt man inzwischen<br />
solcherart Sprachgemisch. Das muß nicht sein, meinen Sprachpfleger und<br />
suchen nach Möglichkeiten, gutes Deutsch wieder stärker ins Bewußtsein<br />
zu rücken. Zum Beispiel mit einer „Straße der deutschen Sprache“, die<br />
durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führen soll. Im März gründete<br />
sich in Köthen eine Arbeitsgruppe, die inzwischen zum dritten Mal<br />
tagte, und zwar in Bad Lauchstädt. „Mit unserer Tradition stehen wir regelrecht<br />
in der Pflicht, uns an einem derartigen Vorhaben zu beteiligen“,<br />
erklärt Bürgermeisterin Ilse Niewiadoma (FDP). Altmeister Goethe läßt<br />
grüßen … Bisher haben rund ein Dutzend Orte ihre Bereitschaft erklärt,<br />
an dem Projekt mitzuarbeiten. Noch einmal so viele hätten Interesse bekundet,<br />
sagte Thomas Paulwitz, Sprecher der Arbeitsgruppe, gegenüber<br />
der MZ. Zu den aktiven Mitgliedern zählten unter anderem Merseburg,<br />
Köthen, Bad Lauchstädt, Meißen oder Schleiz. Die Arbeitsgruppe agiert<br />
unter dem Dach der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Köthen. Die<br />
Gesellschaft sieht sich in der sprachpflegerischen Tradition der Fruchtbringenden<br />
Gesellschaft des 17. Jahrhunderts und will in der Öffentlichkeit<br />
ein Bewußtsein für den Wert der deutschen Sprache schaffen. „Wir denken<br />
an eine Ferienstraße, die Sprachpflege und Tourismus verbindet“, beschreibt<br />
Paulwitz die bisherigen Vorstellungen. Die einzelnen Orte müßten<br />
entsprechende Stätten benennen, die man – das sei Voraussetzung – auch<br />
besichtigen könne. Das wären für Merseburg die Zaubersprüche, für Bad<br />
Lauchstädt das Goethe-Theater und das Schillerhaus, aber auch das Festspiel<br />
der deutschen Sprache im Goethe-Theater. Man wolle nichts Neues<br />
erfinden, sondern bestehende Angebote vernetzen. Darauf sollte mit geeigneten<br />
Mitteln hingewiesen werden. Während der Zusammenkunft in Bad<br />
Lauchstädt beschäftigte sich die Arbeitsgruppe unter anderem mit einem<br />
Marketingkonzept und einem einheitlichen Logo.<br />
Nun ist ein politischer Vorstoß für die<br />
Verankerung der deutschen Sprache im<br />
Grundgesetz erst wieder nach der nächsten<br />
Bundestagswahl 2013 möglich.<br />
Doch eine Frage wurde damals wie<br />
heute nicht gestellt: Wie kann es sein,<br />
daß nach repräsentativen Umfragen<br />
über zwei Drittel der <strong>Deutsche</strong>n hinter<br />
dem Anliegen der Petition stehen,<br />
von diesen <strong>Deutsche</strong>n aber keiner im<br />
Petitionsausschuß des <strong>Deutsche</strong>n Bundestags<br />
zu finden ist? Volkswille und<br />
Abgeordnetenwille klafften wieder<br />
einmal meilenweit auseinander. Warum<br />
darf der deutschen Sprache kein<br />
Verfassungsrang zugestanden werden?<br />
Eine mögliche Erklärung gab es zwei<br />
Tage nach der Sitzung des Petitionsausschusses,<br />
als der Rechtsausschuß<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Bundestags über den<br />
Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung<br />
von Englisch als weiterer Gerichtssprache<br />
beriet.<br />
Übergewicht von<br />
Englischbefürwortern<br />
im Rechtsausschuß<br />
Diesem Vorhaben, die Stellung der<br />
deutschen Sprache weiter zu untergraben,<br />
stände eine Ergänzung des<br />
Grundgesetzes entgegen. Vorab hatte<br />
der Rechtsausschuß Gutachten von<br />
sechs Befürwortern und Lobbyisten,<br />
aber nur von einem Gegner eingeholt –<br />
von Wolfgang Ball, dem Vorsitzenden<br />
Richter am Bundesgerichtshof. Dieser<br />
kommt in seiner Ausarbeitung unter<br />
anderem zu den folgenden Ergebnissen:<br />
„Englisch als Gerichtssprache<br />
bringt einer englischsprachigen Partei<br />
in einem Zivilprozeß vor einem deutschen<br />
Gericht keinen nennenswerten<br />
Vorteil. Der ‚Sprachbruch‘, den der<br />
Entwurf zu vermeiden sucht, ist nicht<br />
zu vermeiden. Er besteht in jedem Fall<br />
zwischen der englischen Vertrags- und<br />
der deutschen Gesetzessprache, gleichviel,<br />
ob in der Vertrags- oder in der<br />
Gesetzessprache mündlich verhandelt<br />
wird. … Die gerade bei der Auslegung<br />
des fremdsprachigen Vertragstextes<br />
virulente Gefahr von Fehldeutungen<br />
wird nicht beseitigt, sondern im Gegenteil<br />
verstärkt, wenn Auslegungsfragen<br />
nicht in deutscher Sprache geklärt<br />
werden, sondern darüber in englischer<br />
Sprache verhandelt wird.“<br />
Ein weiterer Kenner konnte nur als<br />
Zaungast erscheinen. Der emeritierte<br />
Rechtsprofessor Axel Flessner hat den<br />
Gesetzentwurf des Bundesrats in einem<br />
Beitrag für die „Neue Juristische<br />
Online-Zeitschrift“ unter die Lupe<br />
genommen (NJOZ 47/2011, 17. November<br />
2011, Seite 1913 bis 1953). Er<br />
kommt zu dem Schluß: „Der staatliche<br />
Zivilprozeß auf englisch in Deutschland<br />
verstößt gegen Verfassungsrecht<br />
und Europarecht und ist rechtsstaatlich<br />
praktisch undurchführbar.“ Flessner<br />
wertet den Gesetzentwurf als „deutlichen<br />
Zwischenerfolg für die Englischpolitik“,<br />
gibt aber, auch mit Hinweis<br />
auf den Verein <strong>Deutsche</strong> Sprache und<br />
die DEUTSCHE SPRACHWELT, einen<br />
zuversichtlichen Ausblick: „Es ist<br />
zu erwarten, daß der soziale Widerstand<br />
gegen diese Sprachpolitik nicht<br />
nachlassen und das vom Bundesrat<br />
begehrte Gesetz als fatales Signal<br />
werten wird.“<br />
Die Empfehlung des Rechtsausschusses<br />
stand jedoch bei dem ungleichen<br />
Verhältnis von Befürwortern<br />
und Gegner (Einzahl!) unter den<br />
Sachverständigen bereits vorher fest.<br />
So meldete der <strong>Deutsche</strong> Bundestag<br />
nach der Sitzung ein „Ja zu englischsprachigen<br />
Gerichtsverhandlungen“.<br />
Diese Novemberwoche mit diesen<br />
beiden Ausschußsitzungen im Bundestag<br />
war wirklich eine schwarze<br />
Woche für die deutsche Sprache.<br />
D<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />
Rechtschreibrat schiebt<br />
Lehrern die Schuld zu<br />
er Rat für deutsche Rechtschreibung<br />
hat nun entdeckt,<br />
wer für den allgemeinen Niedergang<br />
der Rechtschreibleistungen verantwortlich<br />
ist: Lehrer und Schulbuchverlage.<br />
Ihnen gelinge es nicht, die<br />
reformierten Rechtschreibregeln verständlich<br />
zu vermitteln. Am 29. November<br />
ließ der Rat über eine Pressemitteilung<br />
verlauten: „Der Rat weiß<br />
um die Schwierigkeiten, die bereits<br />
in der Vermittlung von Rechtschreibung<br />
liegen: Didaktisch an die jeweiligen<br />
Jahrgangsstufen angepaßte<br />
Konzepte sind rar, oftmals wird der<br />
betreffende Sachverhalt eins zu eins<br />
aus dem amtlichen Regelwerk in die<br />
Schulbücher kopiert. Das ist nicht im<br />
Sinne der Ersteller des amtlichen Regelwerks:<br />
Das amtliche Regelwerk<br />
ist von seiner Anlage her mit einem<br />
Gesetzestext vergleichbar, der für die<br />
einzelnen Benutzergruppen adäquat<br />
aufbereitet werden muß.“<br />
Mit anderen Worten: Die Rechtschreibreform<br />
ist großartig, doch<br />
Schulbuchverlage und Lehrer sind<br />
leider zu dumm, sie zu verstehen und<br />
zu erklären. Daß dies möglicherweise<br />
an der mißlungenen Reform selbst<br />
liegen könnte, auf diesen Gedanken<br />
kommt der Rat nicht. Zu Recht empörte<br />
sich daher tags darauf Dankwart<br />
Guratzsch in der „Welt“ über<br />
Hans Zehetmair, den Vorsitzenden<br />
des Rechtschreibrats: „Wenn er jetzt<br />
erklärt, daß mit der Orthographie<br />
‚nachlässig‘ umgegangen werde und<br />
daß dies eine Ursache dafür sei, ‚daß<br />
ungefähr zwanzig Prozent eines Jahrgangs<br />
der 15jährigen als Analphabeten<br />
gelten müssen‘, kommt dies einer<br />
Bankrotterklärung gleich. … Ein Regelwerk,<br />
das nicht vermittelbar ist,<br />
kann … zu einer Erleichterung niemals<br />
beitragen.“<br />
Auch die Lehrer beschwerten sich<br />
über Zehetmairs Watsch’n. Gerhard<br />
Brand, der baden-württembergische<br />
Landesvorsitzende des Verbands<br />
Bildung und Erziehung (VBE), wies<br />
den Tadel zurück: „Lehrer halten<br />
sich an die Vorgaben der Bildungspläne“.<br />
Wenn der Rat etwas ändern<br />
wolle, müsse er bei den Lehrplänen<br />
ansetzen. Außerdem sei noch viel zu<br />
tun, damit richtiges Schreiben wieder<br />
als wertvoll angesehen werde. Derzeit<br />
sei die Rechtschreibung „nicht<br />
Anzeigen<br />
Kleinanzeige<br />
einmal zweitrangig, sondern völlige<br />
Nebensache“.<br />
Schuld daran sei zum Beispiel, so<br />
der VBE, daß die bundesdeutsche<br />
Schulpolitik in den 1970er Jahren<br />
den Thesen des englischen Soziologen<br />
Basil Bernstein verfiel. Dieser<br />
sprach von schichtspezifischen Ebenen<br />
der Sprache: dem „elaborierten<br />
Code“ der Ober- und Mittelschicht<br />
und dem „restringierten Code“ der<br />
Unterschicht. Infolgedessen sei der<br />
Wert von Rechtschreibung immer<br />
mehr in Frage gestellt, das Mündliche<br />
gegenüber dem Schriftlichen bevorzugt<br />
worden.<br />
In den „Hessischen Rahmenrichtlinien“<br />
von 1972 ging es den Urhebern<br />
bekanntlich darum, Sprache und<br />
Rechtschreibung als „Ausübung von<br />
Herrschaft“ zu begreifen, weswegen<br />
die „Unterwerfung der Schule unter<br />
herrschende Normen“ überwunden<br />
werden müsse. Schriftliche Diktate<br />
wurden als Teufelszeug angesehen.<br />
Diese Einstellung wirkt bis heute<br />
fort. In Hamburg zum Beispiel dürfen<br />
Lehrer Diktate derzeit nicht benoten.<br />
Es gibt viele weitere Gründe dafür,<br />
warum es mit den orthographischen<br />
Fähigkeiten bergab geht. Dazu zählen<br />
auch die zahlreichen Reformen,<br />
die den Deutschunterricht in den<br />
Grundschulen erschüttert haben:<br />
vom phonetischen Schreiben bis zur<br />
Rechtschreibreform. Diese Reformen<br />
haben nicht die Lehrer, sondern<br />
die Kultusminister auf den Weg gebracht.<br />
Als bayerischer Kultusminister<br />
(1986 bis 1998), als Präsident<br />
der Kultusministerkonferenz und als<br />
Vorsitzender des Rechtschreibrats<br />
(2004 bis heute) ist Zehetmair einer<br />
der Hauptverantwortlichen für die<br />
mißlungene Rechtschreibreform. Er<br />
ist auch mitverantwortlich dafür, daß<br />
Beliebigkeit einzog und viele Menschen<br />
Rechtschreibung nicht mehr<br />
als wichtig erachten. Im Jahr 2004,<br />
als die Rechtschreibreform kurz vor<br />
dem endgültigen Aus stand, war es<br />
Zehetmair, der die Aufgabe übernahm,<br />
die Neuregelung durch eine<br />
erneute Reform zu retten. Es wirkt<br />
daher besonders unverfroren, wenn<br />
ein ehemaliger Kultusminister nun<br />
den Lehrern den Schwarzen Peter<br />
unterzujubeln versucht. (pau)<br />
900 Jahre Zisterzienser – 900 Jahre literarisches Schaffen<br />
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Hintergrund<br />
Seite 5<br />
„Jugendwörter“<br />
Kommentar der<br />
Neuen Osnabrücker Zeitung<br />
S<br />
ie checken nicht, was „Swag“<br />
bedeutet? Dann sind Sie leider<br />
ziemlich out und sollten das<br />
Jugendwort des Jahres schnell googeln.<br />
„Swag“ ist eine lässig-coole<br />
Ausstrahlung, und die hat nun mal<br />
nicht jeder. Fast hätte es der Begriff<br />
„Fail“ auf Platz eins geschafft. Das<br />
englische Wort für „Versagen“ als<br />
deutsches Jugendwort 2011? Das<br />
ist nicht voll krass, sondern echt<br />
schlimm.<br />
Denn wenn das so weitergeht, bleibt<br />
von der deutschen Sprache nicht viel<br />
übrig. Ob Johann Wolfgang Goethe<br />
angesichts der Anglizismen-Flut immer<br />
noch reimen würde: „Ich hör es<br />
gern, wenn auch die Jugend plappert<br />
/ Das Neue klingt, das Alte klappert“?<br />
Dabei ist auch ohne Englisch Potential<br />
vorhanden: Das Verb „guttenbergen“<br />
(abschreiben) wählte die<br />
Langenscheidt-Jury auf Platz drei.<br />
Der Begriff ist witzig, ein bißchen<br />
politisch, und ihn versteht nur, wer<br />
die Nachrichten verfolgt. Ist doch<br />
schön, daß die swagge Jugend clever<br />
ist. Bitte mehr davon, und weniger<br />
linguistischer Fail! (ots)<br />
Die Langenscheidt-Verlagsgruppe<br />
hat Anfang Dezember 2011 die „Jugendwörter<br />
des Jahres“ festgelegt:<br />
1. Swag (lässige Ausstrahlung), 2.<br />
Fail/Epic Fail (grober Fehler, Versagen),<br />
3. guttenbergen (abschreiben),<br />
4. Körperklaus (Tolpatsch), 5. googeln<br />
(suchen, nachschlagen).<br />
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möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V.<br />
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Name, Vorname<br />
Straße<br />
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Bitte deutlich schreiben!<br />
Von Eduard Oswald, MdB<br />
S<br />
Demokratie lebt von der Sprache<br />
prache ist nicht nur das Fundament<br />
der individuellen Freiheit<br />
jedes einzelnen, Sprache ist Voraussetzung,<br />
um an gesellschaftlichen, politischen<br />
und kulturellen Entwicklungen<br />
teilhaben zu können. So lebt gerade<br />
die Demokratie von der Sprache. Der<br />
deutsche Sprachraum bildet geographisch<br />
gesehen das Zentrum der Europäischen<br />
Union und ist das prägende<br />
wie auch verbindende Element der<br />
Identität und Kultur der dort lebenden<br />
Menschen. Die Vielfalt und Schönheit<br />
der deutschen Sprache zeigt sich nicht<br />
zuletzt in den großartigen Werken der<br />
deutschsprachigen Literatur.<br />
Dabei hat das <strong>Deutsche</strong> eine wechselvolle<br />
Geschichte hinter sich und mußte<br />
sich stets behaupten. Während der<br />
Zeit der Aufklärung ging es darum,<br />
die deutsche Sprache allen Bevölkerungsschichten<br />
als Verständigungsmittel<br />
verfügbar zu machen. Niemand<br />
sollte mehr wegen seines mangelnden<br />
sprachlichen Verständnisses von öffentlichen<br />
Angelegenheiten ausgeschlossen<br />
werden. Man trat für ein<br />
klares und verständliches Deutsch ein,<br />
da ein hoher Anteil an Elementen des<br />
Französischen für nicht zu unterschätzende<br />
Verständnisprobleme bei einem<br />
Großteil der Bevölkerung sorgte.<br />
Heute entsteht ein ähnliches Problem<br />
durch ein Übermaß an englischen<br />
Begriffen. So besteht die Gefahr, daß<br />
in Bezug auf die deutsche Sprache<br />
ganze Handlungszusammenhänge<br />
verlorengehen. Denken Sie beispielsweise<br />
an Begrifflichkeiten rund um<br />
moderne Techniken oder neue Kommunikationsformen.<br />
Deswegen gilt<br />
es, für die kulturelle und sprachliche<br />
Selbstachtung sowie für einen entsprechend<br />
selbstbewußten Umgang<br />
Bezug – kostenlos!<br />
Einfacher Bezug: Bitte senden Sie mir regelmäßig<br />
kostenlos und unverbindlich die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT. Ich verpflichte mich zu nichts. Bei Gefallen<br />
werde ich spenden. Ich kann sie jederzeit abbestellen.<br />
Mehrfachbezug: Ich habe die Gelegenheit, die<br />
DEUTSCHE SPRACHWELT auszulegen, um für<br />
die deutsche Sprache zu werben (z. B. Arztpraxis, Friseursalon,<br />
Museum). Bitte schicken Sie mir daher von jeder<br />
neuen Ausgabe _____ Stück.<br />
Frühere Ausgaben – kostenlos!<br />
______ x DSW-Nummer ______<br />
______ x DSW-Nummer ______<br />
______ x DSW-Nummer ______<br />
Werbematerial – kostenlos!<br />
______ x Faltblatt „Rettet die deutsche Sprache“<br />
______ x Aufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf“<br />
gegen SALE (9,5 x 14,5 cm)<br />
______ x Aufkleber „Freie Fahrt“ gegen Denglisch<br />
(5,2 x 7,4 cm)<br />
______ x Aufkleber „Schreibschrift ist schön!“<br />
(5,2 x 7,4 cm)<br />
Die Aufkleber sind witterungsbeständig (Abbildungen umseitig)<br />
Geburtsdatum<br />
Postleitzahl und Ort<br />
Auch die Politik muß sich für die deutsche Sprache einsetzen<br />
mit der deutschen<br />
Sprache in unserer<br />
weltoffenen und<br />
europäisch orientiertenGesellschaft<br />
einzutreten.<br />
Deutsch ist eine<br />
schöne Sprache.<br />
Auch im Zeitalter<br />
der weltweiten Vernetzung<br />
müssen im<br />
Alltag nicht immer<br />
englische Wörter<br />
verwendet werden.<br />
Eduard Oswald<br />
Wir gehen zu einem „Event“ und meinen<br />
Ereignis. Wir kaufen Fahrkarten<br />
und sagen „Tickets“. Wir könnten Stellungnahme<br />
sagen statt „Statement“.<br />
Oder Salatsoße statt „Dressing“. Die<br />
Liste ließe sich wohl endlos erweitern.<br />
Anglizismen werden immer häufiger<br />
verwendet, ohne den Gewinn zusätzlicher<br />
Ausdrucksmöglichkeiten oder<br />
einer gesteigerten Verständlichkeit.<br />
Warum gehen wir in unserem täglichen<br />
Leben nicht sorgfältiger mit unserer<br />
Sprache um?<br />
In einer Erhebung des Institutes Allensbach<br />
aus dem Jahr 2008 gaben<br />
65 Prozent der Befragten an, sie befürchteten,<br />
daß die deutsche Sprache<br />
immer mehr „verkomme“. Als Gründe<br />
nannten die Befragten unter anderem,<br />
daß heute weniger als früher<br />
gelesen werde, daß der Einfluß anderer<br />
Sprachen auf die deutsche stark<br />
zunehme und daß bei der Korrespondenz<br />
mit modernen Kommunikationsformen<br />
wie elektronischer Post<br />
zu wenig auf eine gute Ausdrucksweise<br />
geachtet werde. Hinzu kommt<br />
die Dominanz des Englischen im<br />
Bereich der Unterhaltungsmusik, die<br />
vor allem junge Menschen anspricht.<br />
Bitte senden Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT auch an:<br />
Bitte deutlich schreiben!<br />
1<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
2<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
3<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
4<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
5<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
6<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
Dabei gibt es eine<br />
Vielzahl an deutschen<br />
Künstlern,<br />
die ihre Stücke<br />
auch in deutscher<br />
Sprache veröffentlichen.<br />
Hier<br />
gilt es, sich darauf<br />
auch einzulassen<br />
und diese Künstler<br />
in der öffentlichen<br />
Wa h r n e h m u n g<br />
stärker zu honorieren.<br />
Aber das Beherrschen der deutschen<br />
Sprache spielt auch im Zusammenhang<br />
mit dem Erlernen einer Fremdsprache<br />
eine herausragende Rolle. Ich<br />
fordere gerade junge Menschen immer<br />
wieder auf, mehrere Fremdsprachen<br />
zu lernen. Durch Fremdsprachenkenntnisse<br />
findet eine Förderung des<br />
Verständnisses anderer Kulturen statt.<br />
Doch die Voraussetzung dafür ist das<br />
Beherrschen der Muttersprache.<br />
Das Ersetzen der deutschen Sprache<br />
durch die englische in Forschung,<br />
Wissenschaft und Technik sowie in der<br />
Wirtschaft führt leider zu einem kulturellen<br />
Verlust und einem nicht zu unterschätzenden<br />
Wettbewerbsnachteil.<br />
Zahlreiche europäische Ausschreibungen<br />
etwa werden nicht mehr ins <strong>Deutsche</strong><br />
übersetzt. Daneben muß Deutsch<br />
auch als Fremdsprache attraktiver gemacht<br />
werden, was im Hinblick auf<br />
unseren Wirtschaftsstandort und den<br />
Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte<br />
von großer Bedeutung ist.<br />
Insgesamt kann jeder einzelne seinen<br />
Beitrag für den richtigen Umgang mit<br />
der deutschen Sprache leisten. Aber<br />
natürlich bedarf es auch des politi-<br />
schen Einsatzes dafür, daß Deutsch<br />
als Amts- und Arbeitssprache in der<br />
Europäischen Union die angemessene<br />
Anwendung findet. Schließlich<br />
ist Deutsch die meistgesprochene<br />
Muttersprache in der EU. Es sollte<br />
ein Nebeneinander der Weltsprache<br />
Englisch und der jeweiligen Muttersprache<br />
praktiziert werden, da die beschriebenen<br />
Entwicklungen ja nicht<br />
nur auf die deutsche Sprache zutreffen.<br />
Deshalb sollten die europäischen<br />
Institutionen mit gutem Beispiel vorangehen<br />
und die gleichberechtigte<br />
Verwendung der deutschen Sprache<br />
als Arbeitssprache akzeptieren und<br />
auch in die Praxis umsetzen. Weiterhin<br />
müssen wissenschaftliche Publikationen<br />
in deutscher Sprache noch<br />
stärker gefördert werden, um den Bedeutungsverlust<br />
der Wissenschaftssprache<br />
Deutsch aufzuhalten.<br />
Eduard Oswald ist Vizepräsident des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Bundestages und war im<br />
Kabinett Kohl Bundesbauminister.<br />
Anzeige<br />
Das einzige<br />
Lehrbuch
Seite 6<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
I<br />
hr wißt doch ganz genau, was<br />
das für faule Säcke sind.“ Dieser<br />
Spruch Gerhard Schröders über die<br />
Arbeitseinstellung der Lehrer, den er<br />
1995 als niedersächsischer Ministerpräsident<br />
gegenüber einer Zevener<br />
Schülerzeitung losließ, sorgte seinerzeit<br />
für große Aufregung und Empörung.<br />
Vielen beherzten Pädagogen tat<br />
Schröder damals gewiß unrecht. Doch<br />
einige Lehrer in Baden-Württemberg,<br />
Bremen und Bayern schicken sich<br />
derzeit an, dem Vorurteil des faulen<br />
Lehrers gerecht zu werden. Sie wollen<br />
keine Schreibschrift mehr unterrichten,<br />
weil sie daran gescheitert seien,<br />
wie viele von ihnen zugeben.<br />
Freimütig gesteht Lehrerin Nicole<br />
Fink von der Häusel-Grundschule in<br />
Zuzenhausen gegenüber dem Mannheimer<br />
Morgen das Scheitern ihrer<br />
pädagogischen Bemühungen: „Viele<br />
sind frustriert, wenn sie Schreibschrift<br />
lernen müssen.“ Oft könnten die Kinder<br />
ihre geschwungenen Buchstaben<br />
selbst nicht richtig lesen, verzweifelt<br />
sie. Auch die Konrektorin der Härtenschule<br />
in Mähringen, Viviane Glora,<br />
ist augenscheinlich überfordert: Das<br />
Ergebnis ihrer Versuche, den Kindern<br />
die Schreibschrift beizubringen,<br />
← Bestellschein umseitig!<br />
Aufkleber<br />
Kleben Sie den<br />
Sprachverderbern eine!<br />
Anti-Sale-Aufkleber<br />
Auflage: 35 500<br />
Freie-Fahrt-Aufkleber<br />
Auflage: 20 000<br />
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Unsere Arbeit ist<br />
abhängig von<br />
Ihrer Spende!<br />
Verein für Sprachpflege e.V.<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
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Erlangen<br />
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Republik Österreich<br />
Volksbank Salzburg<br />
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Kontonummer 000 150 623<br />
Faltblatt<br />
Hintergrund<br />
Retten wir die Schreibschrift – jetzt!<br />
In einem Jahr könnte es vielleicht schon zu spät sein<br />
sei mitunter „katastrophal“, klagt sie<br />
gegenüber dem Reutlinger General-<br />
Anzeiger. Die Rektorin der Esslinger<br />
Herderschule, Margarete Teuscher,<br />
wirft sich sogar eine Form von Kindesmißhandlung<br />
vor. Mit den Worten<br />
„Schreibschrift macht unglücklich“<br />
räumt sie gegenüber den Stuttgarter<br />
Nachrichten ihr Scheitern ein.<br />
Wir können es nicht,<br />
also lassen wir es<br />
Wie sieht der Schluß aus, den all diese<br />
Lehrer ziehen? Schämen sie sich?<br />
Hängen sie ihren Lehrberuf an den<br />
Nagel? Legen sie vermehrten Fleiß<br />
an den Tag, um die Scharte wieder<br />
auszuwetzen? Versuchen sie wenigstens,<br />
sich besser zu qualifizieren?<br />
Nichts von alledem! Ihre Lösung<br />
heißt: Die Schreibschrift muß weg!<br />
Sind diese Lehrer also tatsächlich zu<br />
faul zum Unterrichten?<br />
Nein, diese Lehrer sind nicht faul. Vielmehr<br />
verbirgt sich dahinter die Ideologie<br />
der „Erleichterungspädagogik“<br />
Auflage: 27 500<br />
(Josef Kraus), die vieles abschafft und<br />
durch hanebüchenen Unsinn ersetzt. In<br />
diesem Fall ist der Grundschulverband<br />
schuld. Dieser bereitet den größten Anschlag<br />
auf den Deutschunterricht seit<br />
der Rechtschreibreform vor. Er treibt<br />
die Abschaffung der Schreibschrift<br />
voran und hat sogar bereits erste Kultusministerien<br />
überzeugt, dies zu prüfen.<br />
In Baden-Württemberg sind es 16,<br />
in Bayern fünf und in Bremen „einige<br />
wenige“ Grundschulen, die statt der<br />
Schreibschrift eine Druckschrift erproben,<br />
die sogenannte „Grundschrift“<br />
des Grundschulverbands. In Hamburg<br />
steht es den Schulen seit diesem Schuljahr<br />
sogar schon frei, ob sie ihren Schülern<br />
noch die Schreibschrift beibringen<br />
wollen. Eltern, die die Abschaffung der<br />
Schreibschrift nicht wollen, müssen<br />
die Schule wechseln.<br />
Lieferbare Ausgaben<br />
<strong>46</strong><br />
45<br />
Die Erfinder begutachten ihre<br />
eigene Erfindung<br />
Die Kinder werden als Versuchskaninchen<br />
mißbraucht, weil noch keine<br />
Untersuchung den Nutzen der Grund-<br />
Umstrittene Grundschrift wird nicht verordnet<br />
KMK-Präsident Bernd Althusmann nimmt Protest-Unterschriften entgegen<br />
Von Rolf Zick<br />
M<br />
it der Übergabe von 2.108<br />
Unterschriften an den Präsidenten<br />
der Kultusministerkonferenz<br />
(KMK), Bernd Althusmann, erreichte<br />
die Aktion „Rettet die Schreibschrift“<br />
am 9. Dezember 2011 einen wichtigen<br />
Zwischenerfolg. Die DEUT-<br />
SCHE SPRACHWELT (DSW) und<br />
die Aktion <strong>Deutsche</strong> Sprache (ADS)<br />
hatten die Unterschriften seit dem<br />
Tag der deutschen Sprache 2011<br />
gesammelt. Bei der Übergabe im<br />
niedersächsischen Landtag in Hannover<br />
sprach der ADS-Vorsitzende<br />
Hermann Neemann die Bitte aus,<br />
diesen in den Unterschriften manifestierten<br />
Bürgerprotest gegen die<br />
Einführung der Grundschrift in der<br />
nächsten Sitzung der KMK auf die<br />
Tagesordnung zu setzen und die Kultusminister<br />
der anderen deutschen<br />
Bundesländer aufzufordern, nach der<br />
verunglückten Rechtschreibreform<br />
die Schulen anzuhalten, die Schreib-<br />
2 108 Unterschriften für die Rettung der Schreibschrift nahm Bernd Althusmann<br />
(links), Präsident der Kultusministerkonferenz, am 9. Dezember 2011 im<br />
Niedersächsischen Landtag entgegen. An der Übergabe in Hannover nahmen<br />
der ADS-Vorsitzende Hermann Neemann (rechts), DSW-Mitarbeiter Wolfgang<br />
Hildebrandt (2. von rechts) und ADS-Schriftführer und -Pressesprecher Rolf<br />
Zick (2. von links) teil. Die Unterschriftenaktion geht weiter.<br />
Winter 2011/12<br />
Herbst 2011<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Rettet<br />
die Schreibschrift! / Briefe an uns<br />
und unsere Leser / Karin Pfeiffer-Stolz:<br />
Schreiben wie in Holzpantoffeln / Frank-<br />
Michael Kirsch: Das Schwedische<br />
verteidigen / Wolfgang Hildebrandt:<br />
Deutschland schafft seine Sprache ab (2)<br />
– Psychologische Hintergründe der fehlenden<br />
Sprachtreue / Ota Filip: Glanz,<br />
Gloria und Elend des Exils (Rede zur deutschen<br />
Sprache) / Rolf Kamradek: Kafka<br />
vertritt die deutsche Position / Dietrich<br />
Scholze: Die Sorben – gering an Zahl,<br />
doch sprachbewußt / Neues zur Straße der<br />
deutschen Sprache / Thomas Paulwitz:<br />
Sprachpolitik in Baden-Württemberg /<br />
Sprachsünder-Ecke: VW up! / Lienhard<br />
Hinz: Bericht aus Berlin / Richard Albrecht:<br />
„Executive Summary“ als Bumerang<br />
/ Günter Körner: Überhaupt<br />
– Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />
Sicht (8) / Karin Pfeiffer-Stolz:<br />
Zum Teufel mit dem Teufel / Modehaus<br />
Nikolaus greift die Anti-SALE-Aktion<br />
der DSW auf / Wolfgang Hildebrandt:<br />
„Neudeutsch“ (Anglizismenmuffel)<br />
Sommer 2011<br />
44<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Werber,<br />
Werber, Sprachverderber / Briefe an<br />
uns und unsere Leser / Wolfgang Hildebrandt:<br />
Deutschland schafft seine Sprache<br />
ab (1) – Wissenschaftler und Politiker<br />
als Sprachverräter / Straße der deutschen<br />
Sprache: Die Bauarbeiten haben begonnen<br />
/ Gespräch mit Michael Olbrich:<br />
schrift bewiesen hat. Eine wissenschaftliche<br />
Begleitung sei auch nicht<br />
geplant, so das baden-württembergische<br />
Kultusministerium. Das Bayerische<br />
Kultusministerium hingegen hat<br />
ein Gutachten über die „Grundschrift“<br />
in Auftrag gegeben. Gutachterin ist<br />
Prof. Dr. Angelika Speck-Hamdan,<br />
Professorin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität<br />
am<br />
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik<br />
und -didaktik. Speck-Hamdan ist<br />
allerdings gleichzeitig „Fachreferentin<br />
für Bildungsgerechtigkeit“ des<br />
Grundschulverbandes, der die Einführung<br />
der Grundschrift fordert.<br />
Das Ergebnis des Gutachtens dürfte<br />
somit von vorneherein feststehen.<br />
Vom Bayerischen Rundfunk darauf<br />
angesprochen, antwortete Kultusminister<br />
Ludwig Spaenle rundheraus:<br />
„Daß derselbe Verband an<br />
verschiedenen Stellen eines solchen<br />
Prozesses mitwirkt, halte ich für vertretbar.“<br />
Mit derselben Einstellung<br />
könnte Spaenle verordnen, daß sich<br />
Schüler künftig ihre Noten selbst<br />
schrift beizubehalten und nicht durch<br />
eine Druckschrift, die sogenannte<br />
„Grundschrift“, zu ersetzen.<br />
Der niedersächsische Kultusminister<br />
Althusmann erklärte dazu, in Niedersachsen<br />
gebe es diesen Streit nicht.<br />
Die Schulen behielten die Schreibschrift<br />
bei: „Es gibt keine Vorgabe<br />
des Kultusministeriums, die umstrittene<br />
Grundschrift einzuführen.<br />
Das werden wir auch nicht tun. Wir<br />
lassen den Schulen zwar freie Hand,<br />
aber ich persönlich halte die Schreibschrift<br />
für durchaus sinnvoll, nicht<br />
nur zur Erhaltung unserer Schreibkultur,<br />
sondern auch, weil sie die<br />
Motorik unserer Kinder beim Schreibenlernen<br />
stark beeinflußt.“ In Niedersachsen<br />
gebe es keinen zwingenden<br />
Handlungsbedarf. Der Minister<br />
setze aber auch stark auf das Fachwissen<br />
der Lehrkräfte: „Im Moment<br />
ist das für uns kein Politikum.“<br />
Aktiengesellschaften verklagen? / Dirk<br />
Herrmann: Zur Sprachkritik von Christian<br />
Weise / Franz Neugebauer, Harald<br />
Süß: 60 Jahre Bund für deutsche<br />
Schrift und Sprache / Wieland Kurzka:<br />
Vermeintliche Sprachkultur der ERGO-<br />
Versicherung / Rolf Stolz: Franz Kafka,<br />
ein tschechischer Klassiker? / Margund<br />
Hinz: Die Abschaffung der Schreibschrift<br />
droht / Sprachsünder-Ecke: Schlecker<br />
/ Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin /<br />
Rolf Zick: Preise für gute deutsche Marken-<br />
und Produktnamen / Günter Körner:<br />
„Wegbrechen“ bis zum Erbrechen –<br />
Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />
Sicht (7) / Ehrung für Peter Ramsauer /<br />
Dagmar Schmauks: Der Mütos lebt /<br />
Jürgen K. Klimpke: Schleizer Bücherwurm<br />
/ Wolfgang Hildebrandt: Sprachliche<br />
Kernschmelze (Anglizismenmuffel)<br />
Frühling 2011<br />
43<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz: Bundesverkehrsminister<br />
und <strong>Deutsche</strong> Bahn<br />
wollen wieder mehr Deutsch / Briefe an<br />
uns und unsere Leser / Lienhard Hinz:<br />
Anliegen und Arbeit eines Sprecherziehers<br />
/ Straße der deutschen Sprache: Merseburg<br />
/ Leserbefragung: 97 Prozent sind<br />
für die Straße / Horst Meyer: Berlinisch<br />
/ Lienhard Hinz: Berliner Kongreß zu<br />
Regional- und Minderheitensprachen /<br />
Johannes Heinrichs: Sprachpolitische<br />
Thesen (Teil 2) / Elmar Tannert: Fehlerhafte<br />
Wörter ziehen fehlerhafte Dinge<br />
nach sich / Thomas Paulwitz: Einzelheiten<br />
zur winzigen Rechtschreibreform<br />
2011 / Sprachsünder-Ecke: Niedersächsisches<br />
Kultusministerium / Sprachwahrer<br />
des Jahres 2010 / Hartmut Heuermann:<br />
Steckt hinter Denglisch eine Ideologie? /<br />
Günter Körner: Den Fokus an den Hör-<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />
geben. Nachdem sich allerdings die<br />
Beschwerden häufen, äußert sich das<br />
Ministerium nun zurückhaltender.<br />
Sein Sprecher Ludwig Unger erklärt:<br />
„Sicher werden wir eine zweite wissenschaftliche<br />
Position berücksichtigen.<br />
Für eine Entscheidung wird<br />
Bayern auch die Entwicklung in den<br />
anderen Bundesländern beobachten,<br />
die derzeit höchst uneinheitlich ist.“<br />
Halten wir die Abschaffung der<br />
Schreibschrift auf!<br />
Es besteht folglich noch Hoffnung,<br />
die Schreibschrift in Bayern zu retten,<br />
bevor der neue Lehrplan beschlossen<br />
wird, der ab dem Schuljahr 2014/15<br />
gelten soll. Dazu sind viele Aktionen<br />
in ganz Deutschland notwendig.<br />
In Bremen zum Beispiel hat sich die<br />
CDU-Fraktion eindeutig zur Schreibschrift<br />
bekannt. In einer Kleinen Anfrage<br />
stellt sie fest: „Die Aufgabe des<br />
Erlernens der Schreibschrift in der<br />
Grundschule als einer der wichtigsten<br />
Kulturtechniken überhaupt ist<br />
verantwortungslos und wird zu einer<br />
modernen Form des funktionalen Analphabetismus<br />
führen.“<br />
An einer Schule in Schleswig-Holstein<br />
haben Eltern jetzt erfolgreich die Einführung<br />
der Grundschrift verhindert.<br />
Eine betroffene Mutter schrieb der<br />
DEUTSCHEN SPRACHWELT: „Der<br />
Druck, den wir Eltern aufgebaut hatten,<br />
reichte aus, um die Schulleitung<br />
zu einem Rückzieher zu bewegen. Nun<br />
wird in den zweiten Klassen weiterhin<br />
die Schulausgangsschrift gelehrt. Immerhin!<br />
Trotzdem wäre mir die Lateinische<br />
Ausgangsschrift lieber …“<br />
Wir haben es also in der Hand, ob wir<br />
dieser Entwicklung tatenlos zusehen<br />
wollen oder nicht. Wer den Irrsinn<br />
nicht mitmachen will, sollte sich an der<br />
Aktion „Rettet die Schreibschrift“ beteiligen<br />
und sich schleunigst in die Unterschriftenliste<br />
eintragen. Oder wollen<br />
Sie etwa als „fauler Sack“ gelten?<br />
Helfen Sie mit! Sammeln Sie Unterschriften,<br />
bekennen Sie Farbe! Versorgen Sie<br />
sich dazu mit unseren kostenlosen Aufklebern<br />
(Seite 5). Fordern Sie bei uns Unterschriftenlisten<br />
an. Mit Ihrer Unterschrift<br />
fordern Sie die Kultusminister dazu auf,<br />
dafür zu sorgen, daß an den Schulen weiterhin<br />
Schreibschrift unterrichtet wird.<br />
Verhindern wir gemeinsam die Abschaffung<br />
der Schreibschrift!<br />
Unsere Aktionsseite: www.facebook.de/<br />
Schreibschrift<br />
nern gepackt! – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />
Sicht (6) / Reingard<br />
Böhmer und Diethold Tietz: „Sprache<br />
ist Heimat“ – Kongreß der Unionsfraktion<br />
im Bundestag / Thomas Paulwitz:<br />
Ali schlägt Mohammed / Rominte van<br />
Thiel: Wir <strong>Deutsche</strong> oder wir <strong>Deutsche</strong>n?<br />
/ Lienhard Hinz: Bericht aus<br />
Berlin / Wolfgang Hildebrandt: Die<br />
Weichen stellen? (Anglizismenmuffel)<br />
42 Winter 2010/11<br />
Unter anderem: Thomas Paulwitz:<br />
Englisch darf in Deutschland nicht zur<br />
Gerichtssprache werden / Leserdiskussion<br />
(2): E-Mail oder E-Post? / Helmut<br />
Delbanco: Paul Gerhardt – der größte<br />
deutsche Sprachmeister nach Martin<br />
Luther / Straße der deutschen Sprache:<br />
Gräfenhainichen / Andreas Raffeiner:<br />
Südtirol spricht immer noch Deutsch<br />
(2) / Johannes Heinrichs: Das wichtigste<br />
nationale Kulturprojekt: die Sprache<br />
(Sprachpolitische Thesen, Teil1) / Ursula<br />
Bomba: Hildebrandts zweiter Glossen-Band<br />
„Mal ganz ehrlich“ / Robert<br />
Mokry: Der Löwenzahn und sein Traum<br />
(Ausgewählter Beitrag aus dem Schülerwettbewerb<br />
„Schöne deutsche Sprache“<br />
2010) / Sprachsünder-Ecke: ZDF / Lienhard<br />
Hinz: Schlagabtausch zwischen<br />
GfdS und VDS in Berlin / Gespräch mit<br />
Werner Kieser: „Die Sprache eines Unternehmens<br />
ist ein Qualitätsmerkmal“<br />
/ Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin /<br />
Günter Körner: Flüssig oder fließend?<br />
– Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher<br />
Sicht (5) / Wolfgang Hildebrandt:<br />
Staatssprache Deutsch: Wohin geht die<br />
Reise? (Anglizismenmuffel)<br />
Lieferbar sind auch noch alle früheren Ausgaben. Die Inhaltsverzeichnisse<br />
sämtlicher Ausgaben finden Sie unter<br />
www.deutsche-sprachwelt.de/archiv/papier/index.shtml
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Hintergrund<br />
Seite 7<br />
Von Wolfgang Hildebrandt<br />
K<br />
ritischen Fachleuten war längst<br />
bekannt, was die PISA-Studien<br />
an die Öffentlichkeit brachten: Eine<br />
beängstigende Anzahl von Schülern<br />
in Deutschland kann keine Texte<br />
mehr verstehen und erkennt Sachzusammenhänge<br />
nicht mehr – um es<br />
grob zusammenzufassen. Wie konnte<br />
es zu solch einem, wenn auch schleichenden,<br />
Sprachverlust kommen?<br />
Seit Jahren untersuchen Schulpsychologen,<br />
Kinderärzte, Erzieherinnen<br />
und Grundschullehrer die sprachliche<br />
Bildung von Kindern. Immer<br />
wieder lesen wir in den Zeitungen<br />
erschreckende Nachrichten. So stieg<br />
in Bielefeld der Anteil der Schulanfänger,<br />
deren Sprache gefördert werden<br />
müsse, in den vergangenen drei<br />
Jahren um ein Viertel, meldete die<br />
„Neue Westfälische“ am 9. Juli 2011.<br />
Jedes dritte Kind bedürfe der Förderung,<br />
hieß es. Radio Bremen meldete<br />
am 11.August: „Mehr als jedes zehnte<br />
Kind im Landkreis Cuxhaven ist<br />
zu dick. Das haben die diesjährigen<br />
Schuleingangs-Untersuchungen ergeben.“<br />
Etwa ein Drittel der Kinder<br />
zeige Sprachstörungen.<br />
Dabei wird die Sprachentwicklung<br />
unserer Kinder genau überwacht.<br />
Sprachstandserhebungen, Schuleingangsuntersuchungen<br />
und das<br />
kinderärztliche Früherkennungsprogramm<br />
(U1 bis U9) prüfen die<br />
sprachliche Bildung der Jüngsten.<br />
Am besten dokumentiert sind die<br />
Sprachstandserhebungen für Kindergartenkinder.<br />
Diese unterscheiden<br />
sich von Bundesland zu Bundesland,<br />
da verschiedene Prüfverfahren angewendet<br />
werden. Dementsprechend<br />
schwanken die Ergebnisse.<br />
Bayern etwa prüft nur Kinder, bei denen<br />
beide Elternteile nicht deutschsprachiger<br />
Herkunft sind. 75,7 Prozent<br />
dieser Kinder im Alter zwischen<br />
4 und 6 Jahren wiesen 2008/2009<br />
sprachliche Entwicklungsrückstände<br />
auf. In anderen Bundesländern<br />
nehmen alle Vorschulkinder an der<br />
Sprachstandserhebung teil. Da es<br />
keine einheitliche Prüfmethode gibt,<br />
sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich.<br />
Außerdem finden die Untersuchungen<br />
teils ein Jahr, teils sogar<br />
zwei Jahre vor der Einschulung statt,<br />
so daß Kinder in unterschiedlichen<br />
Entwicklungsphasen teilnehmen.<br />
Als sprachförderungsbedürftig wurden<br />
in diesen Ländern 2008/2009<br />
eingestuft: in Baden-Württemberg<br />
13,4 Prozent, in Berlin 16,5 Prozent,<br />
in Brandenburg 19,7 Prozent,<br />
in Hamburg 26,8 Prozent, in Nordrhein-Westfalen<br />
23,3 Prozent und im<br />
Saarland 12,6 Prozent der Vorschulkinder.<br />
Auffällig hohe Werte gibt es<br />
für Bremen (52,6 Prozent) und Bremerhaven<br />
(44,6 Prozent), während in<br />
Niedersachsen die Kleinen scheinbar<br />
besser sprechen (12,9 Prozent).<br />
Aufschlußreich war für mich allerdings<br />
ein Gespräch mit der Konrektorin<br />
einer Grundschule im Kreis<br />
Cuxhaven, der unmittelbar an Bremen<br />
grenzt. Sie führte in ihrer Schule die<br />
Sprachstandserhebung durch. Ich bat<br />
sie, mir die aktuellen Zahlen der Schüler<br />
zu nennen, die über große sprachliche<br />
Defizite verfügten. Das seien etwa<br />
zwölf Prozent, antwortete sie, doch<br />
fügte sie hinzu, daß die Werte ihrer<br />
Ansicht nach um ein Vielfaches höher<br />
lägen, hätte Niedersachsen das Niveau<br />
der Tests nicht so niedrig angesetzt.<br />
Diese Mängel werden in der Primarstufe<br />
in vielen Bundesländern durch<br />
das phonetische Schreiben noch wei-<br />
Deutschland schafft seine Sprache ab<br />
Teil 3: Bildungspolitische Hintergründe der fehlenden Sprachtreue<br />
Briefwechsel zweier Schüler, die sich während des Unterrichts über ihren Lehrer<br />
austauschten. Bild: Hildebrandt<br />
ter verstärkt. Dabei sollen die Schüler<br />
die Wörter so schreiben, wie man sie<br />
hört. Dadurch wird nicht nur die Rechtschreibung<br />
unzulänglich gelernt, sondern<br />
auch das Lesen – und damit die<br />
gesamte Sprachkompetenz minimiert.<br />
In der FAZ vom 1. September dieses<br />
Jahres berichtete Heike Schmoll, mit<br />
welchen Defiziten die Schüler am<br />
Ende der vierten Klassen zu kämpfen<br />
haben. In zwei vierten Klassen aus<br />
Bremen habe es nicht einen einzigen<br />
Schüler gegeben, der fehlerlos schreiben<br />
konnte. Daß die weiterführenden<br />
Schulen diese Sprachdefizite kaum<br />
mehr ausgleichen können, liegt wohl<br />
auf der Hand.<br />
Dieser Ansicht ist auch Josef Kraus,<br />
der Vorsitzende des <strong>Deutsche</strong>n Lehrerverbandes.<br />
Gegenüber der Nachrichtenagentur<br />
ddp beklagte er im<br />
Februar 2007, daß immer mehr Kinder<br />
mit erheblichen Sprachdefiziten<br />
in die Schule kämen. Sie könnten<br />
keine vollständigen Sätze bilden und<br />
hätten Probleme mit der Ausdrucksfähigkeit.<br />
Statt jedoch diesen Schwächen<br />
entgegenzuwirken, passe sich<br />
die Schulpolitik in ihrem Leistungsanspruch<br />
an: „Wurde den Kindern<br />
vor zehn Jahren noch am Ende der<br />
vierten Klasse ein Grundwortschatz<br />
von 1100 Wörtern abverlangt, so sind<br />
es heute nur noch 700 Wörter.“<br />
Eine Besserung ist angesichts der Einschnitte<br />
im Deutschunterricht nicht in<br />
Sicht. In seinem Buch „Der PISA-<br />
Schwindel“ schreibt Kraus auf Seite<br />
208, daß die <strong>Deutsche</strong>n „ihrer Muttersprache<br />
als Schulfach zwischen der 1.<br />
und 10. Klasse nur ganze 16 Prozent<br />
der Wochenstunden“ gönnen, „dagegen<br />
die Polen 22, die Schweden 24,<br />
die Franzosen 26 und die Chinesen 26<br />
Prozent.“ Es ist logisch, daß im Vergleich<br />
dazu bei uns mehr Schulabgänger<br />
die Schule mit erheblichen Mängeln<br />
in der Muttersprache verlassen.<br />
Schüler aus anderen Nationen haben<br />
bis zum Ende ihrer Schulzeit nämlich<br />
bis zu einem Jahr mehr muttersprachlichen<br />
Unterricht.<br />
Wie aber kann sich in dieser schwierigen<br />
schulischen Lage ein gesundes<br />
Verhältnis zur deutschen Sprache entwickeln?<br />
Wie kann bei diesen widrigen<br />
Zuständen eine Identifizierung<br />
mit der Muttersprache entstehen?<br />
Das wäre nämlich unter anderem<br />
auch eine Voraussetzung dafür, sich<br />
der ständigen Übernahme von Angloamerikanismen<br />
für banalste Begrifflichkeiten<br />
zu erwehren? Woraus soll<br />
jemals die Fähigkeit erwachsen, neue<br />
(deutsche) Wörter mit Hilfe des deutschen<br />
Wortschatzes zu schaffen?<br />
Bei diesen Voraussetzungen verwundert<br />
es nicht, daß es auch um die fachlichen<br />
Fähigkeiten vieler Deutschlehrer<br />
nicht gut bestellt ist. Auf einer<br />
Podiumsdiskussion der Wirtschaftsjunioren<br />
in Frankfurt am Main zum Thema<br />
„Ich habe fertig mit Goethe – Ist<br />
unsere Sprachausbildung noch zeit-<br />
gemäß?“ im Herbst 2003 berichtete<br />
Professor Horst-Dieter Schlosser: „Ich<br />
habe es an der Universität mit angehenden<br />
Deutschlehrern zu tun, die reihenweise<br />
Rechtschreibfehler machen<br />
und beispielsweise noch nie etwas von<br />
Vorvergangenheit, dem Plusquamperfekt,<br />
gehört haben.“ Zu seinen geplanten<br />
Objekten gehöre ein Buch mit dem<br />
Titel „Deutsch für Deutschlehrer“.<br />
Dieses notwendige Buch ist bis heute<br />
nicht erschienen. Der mittlerweile<br />
emeritierte Professor hat das Projekt<br />
leider inzwischen aufgegeben, wie er<br />
mir persönlich mitteilte.<br />
Im Wintersemester 2006/2007 wurden<br />
an allen bayerischen Universitäten<br />
mehr als 1.000 Studienanfänger<br />
im Fach Germanistik über die<br />
Grundlagen der Schulgrammatik<br />
befragt. Der Test brachte katastrophale<br />
Ergebnisse zutage. Die Befragung<br />
ergab ein schulgrammatisches<br />
Grundlagenwissen, das dem Stand<br />
von Fünft- und Sechstkläßlern entspricht.<br />
Mehr als ein Drittel der<br />
Studenten schloß den Kurztest mit<br />
„mangelhaft“ oder „ungenügend“<br />
ab, weniger als zehn Prozent erhielten<br />
„befriedigend“ oder besser. So<br />
erkannten beispielsweise 77 Prozent<br />
der Teilnehmer „käme“ nicht als<br />
Form des Konjunktivs Imperfekt, 88<br />
Prozent bestimmten „manche“ nicht<br />
als Fürwort (Pronomen), 87 Prozent<br />
„dort“ nicht als Umstandswort (Adverb).<br />
Dabei spielte es bei den Ergebnissen<br />
keine Rolle, aus welchem<br />
Bundesland die Teilnehmer stammten.<br />
Lediglich Studenten aus Österreich<br />
schnitten deutlich besser ab.<br />
Professor Mechthild Habermann von<br />
der Universität Erlangen-Nürnberg<br />
schrieb dem bayerischen Kultusminister<br />
daraufhin: „Der Anteil des<br />
Grammatikunterrichts in der Schule<br />
muß unbedingt erhöht, der Umfang<br />
der Grammatikausbildung für die<br />
Lehramtsstudierenden aller Schularten<br />
ausgeweitet werden.“<br />
Aus Jugendlichen werden Erwachsene:<br />
Eine Studie des „Aktionsbündnisses<br />
für Alphabetisierung“ vom März<br />
2011 ergab, daß in Deutschland 2,3<br />
Millionen Menschen keine ganzen<br />
Sätze verstehen und schreiben können.<br />
Sie sind Analphabeten im engeren<br />
Sinn. Etwa 7,5 Millionen gehören<br />
zu den funktionalen Analphabeten,<br />
also zu den Menschen, die einzelne<br />
Sätze lesen oder schreiben können,<br />
aber keinen zusammenhängenden<br />
Text, zum Beispiel eine schriftliche<br />
Arbeitsanweisung, verstehen. 58<br />
Prozent der Analphabeten sind deutsche<br />
Muttersprachler! Zusätzlich haben<br />
21 Millionen Menschen Schwierigkeiten<br />
mit der Rechtschreibung.<br />
Hier liegt nun die Hauptursache des<br />
Niedergangs unserer Muttersprache:<br />
Wenn Kinder, Jugendliche, Erwachsene<br />
nur über geringe grammatische<br />
Kenntnisse und einen kleinen Wortschatz<br />
verfügen, der für eine umfassende<br />
Verständigung nicht ausreicht,<br />
dann bleibt ihnen die Reichhaltigkeit<br />
der deutschen Sprache verschlossen.<br />
Es kann also nur eine logische<br />
Folgerung geben: Man bedient sich<br />
fremder Wörter – eben Fertigwörter<br />
aus der englischen und amerikanischen<br />
Leitsprache. Das gleiche gilt<br />
für Grammatik und Redewendungen,<br />
die immer öfter importiert werden –<br />
ein ständiger Prozeß der Verkümmerung<br />
unserer Muttersprache und der<br />
Entfremdung von ihr!<br />
Wie reagiert nun die Schule, auf die in<br />
dieser Situation alle Augen hoffnungsvoll<br />
gerichtet sind? Nun, so erschütternd<br />
es auch klingen mag – so gut<br />
wie gar nicht! Wer wie ich jahrelang<br />
in der Schule versuchte, Lehrer zu<br />
mobilisieren, sich aktiv für die Erhaltung<br />
der deutschen Sprache und damit<br />
gegen den inflationären Gebrauch von<br />
vollkommen überflüssigen Angloamerikanismen<br />
einzusetzen, wird wissen,<br />
daß dies ein fast aussichtsloser Kampf<br />
ist. Wer ist schon bereit, seine eigenen<br />
Sprachgewohnheiten zu überdenken<br />
und dann auch noch zu verändern!<br />
Um Mißverständnisse nicht aufkommen<br />
zu lassen – ich spreche von den<br />
Lehrern, nicht von den Schülern!<br />
(Vergleiche den Beitrag „Sprachnotstand<br />
in der Schule“ in DSW 18, Seite<br />
10 – noch lieferbar!)<br />
Haben Sie, liebe Leser, schon einmal<br />
einen Aufschrei gehört, sei es<br />
der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
der Kultusministerkonferenz oder<br />
der Gewerkschaft Erziehung und<br />
Wissenschaft (GEW)? Wo ist der<br />
Widerstand der rund 800.000 Lehrer<br />
in Deutschland? Und sollten davon<br />
nur zehn Prozent Germanisten sein –<br />
wo ist der schon aus berufsethischen<br />
Gründen zu verlangende Aufstand<br />
der 80.000 Anständigen? Wo sind<br />
deren Vorschläge für entsprechende<br />
Lehrplanänderungen oder Lernin-<br />
„Be smart, don’t start“: Aushang in einer Schule Bild: Hildebrandt<br />
halte? Wo findet sich ein Schulleiter,<br />
der die Erlaubnis verweigert, Plakate<br />
aufzuhängen, die sich mit englischsprachigen<br />
Aufrufen an Schüler richten?<br />
Man denke an Zumutungen wie<br />
„Be smart, don’t start“ und „Take<br />
care of your ears“ und viele andere<br />
mehr. Dagegen fällt mir der Spruch<br />
eines Deutschlehrers ein: „Ich glaube<br />
nicht, daß die deutsche Sprache<br />
etwas so Bedeutendes darstellt, daß<br />
man sie unbedingt erhalten müßte.“<br />
(Siehe DSW 21, Seite 1.)<br />
Ich höre schon die Proteste aus der<br />
Lehrerschaft, doch bin ich sicher,<br />
daß sich eine ganz kleine Gruppe<br />
daran nicht beteiligen wird. Es handelt<br />
sich um die wenigen Lehrer,<br />
die sich für die Erhaltung unserer<br />
Sprache innerhalb und außerhalb der<br />
Schule einsetzen. Jene wissen genau,<br />
daß sie zu einer Minderheit gehören,<br />
und leiden daran, „einsamer Fels in<br />
der Brandung“ zu sein.<br />
Im Rahmen einer Lehrerfortbildung<br />
bot ich ein Seminar sowohl im Lehrerfortbildungsinstitut<br />
der Stadt Bremerhaven<br />
als auch in einem solchen<br />
in Bad Bederkesa (Niedersachsen)<br />
an. Das Thema hieß „Denglisch in<br />
der Schule“. Beide Kurse mußten<br />
aufgrund mangelnder Beteiligung<br />
ausfallen. Da solch ein Kursus noch<br />
nie – auch nicht von mir – angeboten<br />
worden war, konnte es nicht am Referenten<br />
liegen …<br />
Womit erklären nun die im Sprachkampf<br />
untätigen Deutschlehrer – meiner<br />
Schätzung nach gut 95 Prozent –<br />
ihr Nichtstun? Die meisten benutzen<br />
das Standardargument, Sprache habe<br />
sich (!) immer schon verändert. Das<br />
beruhigt, zumindest die Sprecher solcher<br />
Ausreden, wollen sie doch damit<br />
sagen, nichts daran ändern zu können,<br />
weil dieser Vorgang eben aus sich heraus<br />
(vielleicht sogar vom lieben Gott<br />
geführt?) abläuft. Tatsächlich aber geben<br />
sie damit nur zu erkennen, daß sie<br />
gar nichts unternehmen wollen. Ein<br />
kleiner Teil derer, die nach ihrer Aktivität<br />
für die Spracherhaltung gefragt<br />
werden, gibt an, im Deutschunterricht<br />
schließlich gutes Deutsch zu vermitteln.<br />
Das reiche doch wohl!<br />
Tatsächlich? Reicht es wirklich aus,<br />
lediglich seiner dienstlichen Pflicht<br />
nachzukommen, einer Pflicht, die<br />
zudem bezahlt wird? Stellen Sie sich<br />
vor, ein Polizist würde beim Bankraub<br />
zuschauen und auf Befragen<br />
antworten, er habe jetzt Feierabend,<br />
aber in seiner heutigen Schicht schon<br />
genug gegen das Verbrechen getan.<br />
– Kann eine Antwort noch skurriler<br />
und abstruser ausfallen?<br />
Der langen Rede kurzer Sinn: Die<br />
Schule hat sich leider in die Reihe<br />
der Totengräber unserer Muttersprache<br />
begeben, Rettung ist von ihr derzeit<br />
nicht zu erwarten! Und die Reaktion<br />
der Politiker? Die haben – wie<br />
sollte es anders sein – die Lösung des<br />
Problems gefunden, quasi das Ei des<br />
Kolumbus, und schnell gehandelt:<br />
Sie fordern den Englischunterricht in<br />
der Grundschule, am besten jedoch<br />
schon im Kindergarten! Damit jedoch<br />
– ob gewollt oder nicht– wird<br />
den Kindern zwar eine Fremdsprache<br />
nähergebracht, die eigene Muttersprache<br />
aber entfremdet – ein weiterer<br />
Schritt zu ihrer Abschaffung.<br />
Fortsetzung folgt.<br />
Wolfgang Hildebrandt war Lehrer<br />
für Englisch und Technisches Werken<br />
(Sekundarstufe I) in Bremerhaven.
Seite 8 Besprechungen<br />
Anzeigen<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />
„Ein besonders lebensnahes Zeitdokument“<br />
Peter Fischer legt den zweiten Band seiner Nachkriegstrilogie vor<br />
Von Eberhard Grünert<br />
Z<br />
um 21. Jahrestag des Mauerfalls<br />
ist unter dem Titel „Der<br />
Fall“ Peter Fischers neuer Roman erschienen.<br />
Er ist als zweiter Teil einer<br />
als Trilogie angelegten Nachkriegschronik<br />
über eine Jugend im geteilten<br />
Deutschland anzusehen. Der erste<br />
Teil der Chronik, der Roman „Der<br />
Schein“, verfolgte exemplarisch den<br />
Lebensgang der Hauptfigur Michael<br />
Sahlok in der DDR über Schule und<br />
Studium (siehe DSW 21, Seite 8). Er<br />
endete mit der Verhaftung Sahloks<br />
durch die Staatssicherheit und seinem<br />
Freikauf durch die Bundesregierung.<br />
Daran anschließend scheint im<br />
Roman „Der Fall“ in der Biographie<br />
Michael Sahloks eine entscheidende<br />
Hürde genommen zu sein: Er lebt<br />
nach einer kurzen Zwischenstation,<br />
die er im Notaufnahmelager Gießen<br />
verbringt, im Westteil Berlins und arbeitet<br />
als Redakteur.<br />
Doch bald muß er erkennen, daß Vergangenheit<br />
sich nicht einfach löst,<br />
sich nicht abstreifen läßt wie eine<br />
Von Jürgen Honig<br />
D<br />
as Englische dringt immer<br />
schneller in die Nationalsprachen<br />
ein. Das Unbehagen dagegen schwillt<br />
an; nicht nur in Deutschland, sondern<br />
auch in Schweden, das auch sonst dem<br />
„Neumodischen“ so sehr zugewandt<br />
ist. Vor knapp zehn Jahren fanden sich<br />
zahlreiche Schweden zusammen, von<br />
der Liebe zu ihrer Sprache angetrieben.<br />
Sie gründeten das Netzportal „Språkförsvaret“<br />
– www.sprakforsvaret.se<br />
– auf deutsch am besten mit „Sprachwehr“<br />
übersetzt. Im Laufe weniger Jahre<br />
hat sich daraus ein Netzwerk entwikkelt,<br />
eine Art Lobbyisten-Plattform, die<br />
sich wortgewaltig für die Eindämmung<br />
des im Muttersprachgebiet wild wuchernden<br />
Englischen einsetzt. Vorrangiges<br />
Anliegen der Sprachfreunde war<br />
bislang das Zustandekommen eines<br />
schwedischen Sprachgesetzes, das am<br />
1. Juli 2009 in Kraft trat.<br />
Professor Frank-Michael Kirsch hat<br />
in der DEUTSCHEN SPRACHWELT<br />
(„Das Schwedische verteidigen“, DSW<br />
45, Seite 4) Beweggründe und Auftreten<br />
der Sprachwehr-Aktivisten eingehend<br />
und anschaulich dargestellt. Jetzt<br />
hat „Språkförsvaret“ unter Federführung<br />
des Vorsitzenden Per-Åke Lindblom<br />
und seines Stellvertreters Arne<br />
Rubensson die aussagestärksten netzwerkeigenen<br />
Schriften zu einer Anthologie<br />
zusammengestellt: „Svenskan<br />
– ett språk att äga, älska och ärva“, also<br />
„Schwedisch haben, lieben, erben“<br />
oder in Alliteration wie im Original:<br />
„… schätzen, schützen, schenken“.<br />
In zehn Hauptkapiteln und 33 Einzelbeiträgen<br />
sowie einem Manifest arbei-<br />
übergestülpte Haut. Sie bleibt haften,<br />
sie prägt Lebenszeit, formt Gefühle,<br />
fixiert Denkgewohnheiten: sie gerät<br />
zudem zum Maßstab für Vergleiche<br />
mit der neuen Lebenswirklichkeit. Die<br />
Bedrängnisse der Haftzeit wirken auf<br />
immer neue Weise nach, sie stehen gegen<br />
neu gewonnene Eindrücke: Breit<br />
gestreuter Wohlstand<br />
muß nicht unbedingt<br />
zu größerer Solidarität<br />
führen, Phantasie<br />
und Empfindsamkeit<br />
steigern. Vorurteile<br />
und Desinformation<br />
sind auch hier keineswegs<br />
fremd. Was<br />
treibt schließlich Westdeutsche um,<br />
was wissen sie über den sogenannten<br />
Arbeiter- und Bauernstaat, der immer<br />
stärker durch die vielfältigsten Widersprüche<br />
in seinem Fortbestehen<br />
erschüttert wird, und seine Bewohner?<br />
Die Ära kurz vor 1989 ist voller<br />
Widersprüche, Spannungen, Hoffnungen.<br />
Doch die Kräfte der Vergangenheit<br />
bleiben noch wirkmächtig.<br />
Berühmte Zeitgenossen kreuzen Michael<br />
Sahloks Lebensweg und prägen<br />
seine Ansichten neu: Reiner Kunze, der<br />
Dichter, Willy Brandt, der vormalige<br />
Kanzler, auf den er über einen obskuren<br />
politischen Zirkel trifft, namhafte Journalisten<br />
und ein Künstler, ein Maler,<br />
der nicht nur gehörig klugen Abstand<br />
zu den Mächtigen der<br />
Epoche wahrt, sondern<br />
Sahloks Blicke auf die<br />
Dinge der Welt zu weiten<br />
weiß.<br />
Plötzlich taucht eine<br />
Jugendfreundin aus<br />
Thüringen auf. Sie<br />
bittet um Fluchthilfe für ihren Mann.<br />
Lange vor den spektakulären Fluchten<br />
vom Sommer 1989 taucht der Fluchtwillige<br />
auf einen Rat Michael Sahloks<br />
hin in der westdeutschen Botschaft in<br />
Warschau auf. Doch es gibt ungeahnte<br />
Schwierigkeiten. Günter Gaus, der<br />
Ständige Vertreter der Bundesrepublik<br />
bei der DDR, wird eingeschaltet, der<br />
sucht die Gunst Erich Honeckers …<br />
Dem Autor gelingt es, durch die Vielzahl<br />
der exemplarisch handelnden Personen<br />
Zeitgeschichte so zu verdichten,<br />
daß daraus ein Bild jener Epoche vor<br />
1989 entsteht, in deren Gefolge sich<br />
das Gesicht Europas entscheidend<br />
veränderte. Dabei beschränkt sich der<br />
Schriftsteller nicht so sehr auf die äußerlich<br />
offensichtlichen Geschehnisse<br />
jener Ära, sondern spürt in äußerst einfühlsamer<br />
Weise den Inneneinsichten<br />
jener Menschen nach. Er verfolgt ihre<br />
widersprüchlichen, oft gegenläufigen<br />
Gefühle und Regungen an scheinbar<br />
nebensächlichen Objekten, die er<br />
schließlich so zu weiten versteht, daß<br />
daraus ein nuancenreiches und farbiges<br />
Bild jener Epoche entsteht, das<br />
Schatten keineswegs ausspart.<br />
Peter Fischer, geboren in Suhl, Jahrgang<br />
1943, erfolgreich auch als Lyriker<br />
(„Ananke“), Lyrikpreisträger der<br />
Zeitschrift „Dulzinea“, ist mit seinem<br />
Roman ein großer belletristischer Wurf<br />
gelungen. Der Dichter Reiner Kunze urteilte<br />
nach der Lektüre des Romans, daß<br />
Schwedisch schätzen, schützen, schenken<br />
„Språkförsvaret“ hat einen anspruchsvollen Sammelband herausgegeben<br />
ten die Sprachwehr-Autoren so gut wie<br />
lückenlos alles ab, was derzeit ihrem<br />
Urteil nach die eigene Muttersprache<br />
gefährdet; und was die Folgen sein<br />
könnten, wenn – wehret den Anfängen<br />
– dem nicht Einhalt geboten wird. Den<br />
Gegner verorten sie auf vielen Gebieten<br />
des täglichen Lebens. Beharrlich<br />
ist er auf dem Vormarsch: in der Wirtschaft,<br />
allen voran deren willige Helfer,<br />
die Werbe-Fuzzis; in den Druck-,<br />
Ton- und Bildmedien, wo das Angelsächsische<br />
geradezu grassiert; in den<br />
Behörden aller Ebenen, wo man sich<br />
ohne Not des Englischen befleißigt;<br />
in der Bildung, die ebenfalls gern die<br />
angelsächsische Karte spielt. Das sind<br />
ausnahmslos Entwicklungen, wie sie<br />
auch im deutschen Sprachraum nur<br />
allzu bekannt sind.<br />
Die Autoren versichern wiederholt –<br />
und durchaus glaubhaft –, nicht auf<br />
einer fremdenfeindlichen Welle zu<br />
schwimmen. Überdies verkennen sie<br />
keineswegs, daß das Englische meist<br />
gar nicht als Angreifer daherkommt,<br />
sondern ihm wie einem Trojanischen<br />
Pferd geflissentlich Einlaß gewährt<br />
wird. Warum? fragen wir. Aus Einfalt?<br />
Bequemlichkeit? Hochstapelei?<br />
Aus Angst, im mörderischen globalen<br />
Wettbewerb nicht mithalten zu<br />
können? Aus Neigung, dem jeweils<br />
stärksten Häuptling nachzueifern?<br />
Beredtes Beispiel sind Hörfunk und<br />
Fernsehen in Schweden. Zugegeben,<br />
bei knapp neun Millionen Einwohnern<br />
können die öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />
nicht aus Mitteln schöpfen, wie<br />
sie ARD, ZDF, ORF, SR und anderen<br />
Peter Fischer<br />
zur Verfügung stehen. Dementsprechend<br />
mager ist die Schar der Berichterstatter,<br />
die zudem fast nur des Englischen<br />
mächtig sind. Die fatale Folge:<br />
Pidgin A fragt, Pidgin B antwortet.<br />
An groben Unfug grenzt es dabei, daß<br />
erst die englische Aussage kommt und<br />
danach das Ganze noch einmal auf<br />
schwedisch. Und im Fernsehen sind<br />
vor allem die privaten Sender reine<br />
Abspielstationen für durchgehend<br />
nicht-synchronisierte US-Filme.<br />
Das klingt übertrieben und böswillig.<br />
In Wirklichkeit haben wir es aber mit<br />
einem höchst bedenklichen Phänomen<br />
zu tun: Es bleibt immer etwas hängen.<br />
So sickern denn fast unmerklich die für<br />
Schweden kulturfremde Sprache und<br />
Denkweise ein und breiten sich aus. Die<br />
Leute hören nichts anderes, und dann<br />
wollen sie auch nichts anderes, denn<br />
dann kennen sie auch nichts anderes.<br />
Solche Mißstände prangert das Buch<br />
an und wird so zu einer vorbildlichen<br />
ideegebenden Mustersammlung für<br />
all jene, die mit einem ähnlichen<br />
Anliegen am Werke sind. Besonders<br />
fesselnd sind die Bemühungen der<br />
Sprachwehr, die entscheidend zum<br />
Zustandekommen des schwedischen<br />
Sprachgesetzes beigetragen haben.<br />
Einige vermeidbare Schwachpunkte<br />
sollen hier nicht verschwiegen werden:<br />
Es mindert die Aktualität, daß die abgedruckten<br />
Texte meist älteren Datums<br />
sind. Außerdem druckt die Sprachwehr<br />
zwar den von ihr erarbeiteten Entwurf<br />
eines schwedischen Sprachgesetzes im<br />
Wortlaut ab. Das letztlich am 1. Juli<br />
2009 ausgefertigte Gesetz suchen wir<br />
jedoch vergeblich. Verwunderlich ist<br />
auch, daß das Sprachwehr-Manifest<br />
etwas versteckt erst am Ende der Anthologie<br />
steht. Wünschenswert wären<br />
auch mehr Hinweise auf konkrete Erfolge<br />
der Sprachwehr-Arbeit.<br />
Das Buch bietet des weiteren zwar<br />
hervorragende Zustandsdiagnosen,<br />
doch deren Ursachen werden zu wenig<br />
erörtert. Warum hat es das Englische<br />
so leicht, andere Sprachen zu<br />
infizieren? Das Schwedische ist keine<br />
Sprache der Technik, keine der<br />
philosophischen Erörterung, keine<br />
der Bankleute. Schwedisch, in dem<br />
sich noch eine Menge Altgermanisches<br />
erahnen läßt, ist die Sprache<br />
der Lyrik, die der wild lodernden<br />
Gefühle. Zu Recht ist Tomas Tranströmer<br />
2011 mit dem Nobelpreis<br />
belohnt worden, verschlingen die<br />
Leute die Bücher Henning Mankells<br />
und Stieg Larssons. In einer solchen<br />
<strong>Sprachwelt</strong> findet das auf einzelnen<br />
Gebieten kolossal praktische Englisch<br />
einen guten Resonanzboden.<br />
Auch solche Überlegungen hätten in<br />
das Buch hineingehört.<br />
So ist dieses anspruchsvolle Werk<br />
trotz seines schönen Titels für ausländische<br />
Beobachter, die immer wieder<br />
auf das „große Vorbild“ Schweden<br />
verweisen, nur bedingt empfehlenswert.<br />
Die Zustandsanalysen sind für<br />
ausländische Leser eher traurig. Dennoch<br />
sind die Artikel, Denkschriften<br />
und so weiter durchaus geeignet,<br />
Sprachwahrern außerhalb Schwedens<br />
brauchbare Anregungen zu geben.<br />
Egal ob auf Deutsch, Englisch oder Denglisch:<br />
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Jugend mit dieser Musik muss aufhören,<br />
wenn wir eine ehrlichere und<br />
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Dieses Buch verleiht den Opfern der<br />
Spaßgesellschaft eine Stimme, enthüllt<br />
skandalöse Behördenpraktiken und dokumentiert<br />
die verstreuten Paragraphen<br />
zum Schutz vor (Musik-)Lärm sowie über<br />
200 Gerichtsentscheide.<br />
bei www.epubli.de und im Buchhandel<br />
es sich um ein „besonders lebensnahes<br />
Zeitdokument“ handelt, und lobte, „so<br />
detailgenau … wird bald niemand mehr<br />
über jene Zeit berichten können“.<br />
Peter Fischer: Der Schein. Roman,<br />
Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde<br />
2004, 179 Seiten, 22,00 Euro.<br />
Peter Fischer: Der Fall. Roman, Ludwigsfelder<br />
Verlagshaus, Ludwigsfelde<br />
2011, 174 Seiten, 22,00 Euro.<br />
Das Buch ist vor allen Dingen von<br />
dem guten Willen getragen, der schleichenden<br />
Durchdringung der schönen<br />
hochkulturellen Sprache Schwedisch<br />
mit Angelsächsischem entgegenzutreten.<br />
Dieses Unterfangen ist aller<br />
Ehren wert, und die Netzwerker des<br />
Språkförsvaret werden diesem Vorsatz<br />
meisterlich gerecht. So bleibt zu wünschen,<br />
daß das Buch zahlreiche schwedische<br />
Leser wachrüttelt, so daß diese<br />
ihre Sprache schätzen, schützen und<br />
ihren Nachfahren schenken können.<br />
Jürgen Honig ist Übersetzer und<br />
lebt in Schweden.<br />
Språkförsvaret, Per-Åke Lindblom<br />
und Arne Rubensson (Herausgeber):<br />
Svenskan – ett språk att äga, älska<br />
och ärva. En antologi från Språkförsvaret<br />
(Schwedisch schätzen,<br />
schützen, schenken), Stockholm<br />
2011, 153 Seiten, ISBN 978-91-633-<br />
9292-4. Bezug über den Netzbuchhandel<br />
oder unmittelbar beim Herausgeber<br />
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Literatur<br />
Seite 9<br />
Der „Gesichtserker“ – eine „Propagandalüge“<br />
Am Ende drehen die Sprachschützer den Ahnungslosen eine Nase<br />
Von Thomas Paulwitz<br />
E<br />
s sei „die genialste Propagandalüge<br />
aller Zeiten“, sagte ein<br />
Sprachpfleger einmal. Seit 300 Jahren<br />
wird den Sprachschützern der<br />
„Gesichtserker“ als mißlungener Verdeutschungsversuch<br />
unter die Nase<br />
gerieben. Ausgerechnet am „Tag der<br />
Muttersprache“ 2011 wiederholte<br />
der Literaturkritiker Hellmuth Karasek<br />
das anscheinend unausrottbare<br />
Märchen. Dabei sah er sich wohl in<br />
der Rolle des Beschwichtigenden,<br />
des Besonnenen, des Belesenen. In<br />
Wirklichkeit war Karasek allerdings<br />
ein Märchenonkel, denn weit her<br />
ist es mit seiner Belesenheit – auf<br />
schlecht denglisch „Literacy“ – offensichtlich<br />
nicht.<br />
Karasek schwadronierte naseweis:<br />
„Ich denke [glaube], daß die deutsche<br />
Sprache eine wunderbare Sprache<br />
ist, die keine Beschützer braucht.<br />
[…] Die deutschen Sprachgesellschaften<br />
im Mittelalter versuchten,<br />
das Lateinische auszuschließen. Sie<br />
übersetzten das Wort Nase, das wir<br />
als Fremdwort noch in dem Wort<br />
‚nasal‘ erkennen, durch ‚Gesichtserker‘.<br />
Diese Eindeutschung hat sich<br />
[…] Gott sei Dank nicht durchgesetzt.<br />
Man kann aber im <strong>Deutsche</strong>n<br />
immer noch allen Sprachverbesserern<br />
gerne eine lange Nase drehen.“<br />
Das tat Karasek zum Beispiel am<br />
Stand der DEUTSCHEN SPRACH-<br />
WELT auf der Leipziger Buchmesse<br />
2011: „Englisch wird von selbst verschwinden“,<br />
beschied er uns.<br />
Keine Sprachgesellschaft forderte<br />
jemals den „Gesichtserker“<br />
An Karaseks Behauptungen ist eine<br />
ganze Menge falsch. Fangen wir von<br />
vorne an: Erstens gab es im Mittelalter<br />
keine Sprachgesellschaften. Sie<br />
sind eine Erfindung der Neuzeit. Die<br />
erste Sprachgesellschaft, die „Fruchtbringende<br />
Gesellschaft“ entstand<br />
1617. Zweitens gibt es keinen einzigen<br />
Beleg dafür, daß jemals eine solche<br />
Gesellschaft gefordert hätte, das<br />
Wort „Nase“ durch „Gesichtserker“<br />
zu ersetzen. Drittens ist „Nase“ kein<br />
Fremdwort, sondern ein Erbwort,<br />
und hat mit dem lateinischen „nasus“<br />
lediglich eine gemeinsame Wurzel.<br />
Das Wort „Erker“ hingegen ist aus<br />
dem nordfranzösischen „arquiere“<br />
(Schießscharte) entlehnt, das von<br />
dem lateinischen „arcus“ („Bogen“)<br />
stammt.<br />
Stecken wir die Nase in die Bücher!<br />
Die Wortherkunft von „Erker“ und<br />
„Gesichtserker“ ist im „Kluge“, einem<br />
etymologischen Wörterbuch,<br />
nachzulesen. Hätte Karasek doch<br />
einen Blick hineingeworfen! Dort<br />
steht, daß der „Gesichtserker“ nicht,<br />
wie oftmals behauptet, von dem<br />
Sprachreiniger Philipp von Zesen<br />
(1619 bis 1689) vorgeschlagen wurde.<br />
Der erste Beleg ist laut Kluge erst<br />
im Jahre 1795 bei dem Schriftsteller<br />
Friedrich von Matthisson zu finden.<br />
„Risum teneas, carissime!“<br />
Wir begeben uns auf Spurensuche.<br />
Matthisson veröffentlichte seine Erinnerungen<br />
als Reisebegleiter der<br />
Fürstin Luise von Anhalt-Dessau.<br />
(Zufälligerweise entstammt mit<br />
Fürst Ludwig das erste Oberhaupt<br />
der „Fruchtbringenden Gesellschaft“<br />
der Nebenlinie Anhalt-Köthen.) Matthisson<br />
hatte 1812 den dritten Band<br />
seiner Erinnerungen herausgegeben<br />
„… auch Steine<br />
können sprechen“<br />
Aufruf zum sechsten Schülerwettbewerb der<br />
Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />
Z<br />
um sechsten Mal rufen die<br />
Neue Fruchtbringende Gesellschaft<br />
zu Köthen/Anhalt (NFG) und<br />
die Theo-Münch-Stiftung für die<br />
<strong>Deutsche</strong> Sprache (TMS) zum Schülerwettbewerb<br />
„Schöne deutsche<br />
Sprache“ auf. Ziel des Schreibwettbewerbs<br />
ist es diesmal, einen literarischen<br />
Text zum Thema „… auch<br />
Steine können sprechen“ zu verfassen.<br />
Die literarische Form ist frei<br />
wählbar, so können beispielsweise<br />
Gedichte, Geschichten, Satiren, Essays<br />
und dialogische Umsetzungen<br />
verfaßt werden. Das Thema bietet<br />
zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten:<br />
So können Beispiele der Baukunst,<br />
Denkmäler oder auch historische<br />
und sprachliche „Stolpersteine“<br />
in den Mittelpunkt gerückt werden.<br />
Ebenso sind aber auch Phantasiegeschichten<br />
und Märchen zu „sprechenden<br />
Steinen“ möglich..<br />
Die NFG will Schüler dafür begeistern,<br />
ihre Sprache schöpferisch<br />
einzusetzen und kleine literarische<br />
Werke zu verfassen. Der Phantasie<br />
sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt<br />
wieder vier Teilnahmekategorien:<br />
Schüler der Klassen 3 und 4, 5 und<br />
6, 7 bis 9 und 10 bis 13. Schüler der<br />
Klassen 3 bis 6 können sowohl Einzel-<br />
als auch Zweierarbeiten einreichen,<br />
Schüler der Klassen 7 bis 13<br />
werden gebeten, nur Einzelarbeiten<br />
abzugeben. Die Texte sollten höchstens<br />
zwei DIN-A4-Seiten lang und<br />
möglichst maschinengeschrieben<br />
sein. Außerdem sollten sie folgende<br />
Angaben enthalten: Name, Alter,<br />
Schule, Schulform, Klassenstufe,<br />
Anschrift und Rufnummer.<br />
Die zwölf Gewinner des Schreibwettbewerbs<br />
(die besten drei Arbeiten je<br />
Altersstufe) werden anläßlich des Tags<br />
der deutschen Sprache am 15. September<br />
2012 im Rahmen einer Festveranstaltung<br />
mit Urkunden und Geldpreisen<br />
ausgezeichnet und dürfen ihre Werke<br />
vortragen. Außerdem ist wieder eine<br />
Sprechwerkstatt geplant. Die „Neue<br />
Fruchtbringende Gesellschaft zu<br />
Köthen/Anhalt e. V. – Vereinigung zur<br />
Pflege der deutschen Sprache“ wurde<br />
am 18. Januar 2007 als Sammelbecken<br />
für Sprachfreunde und Sprachvereine<br />
gegründet und zählt mehr als 250 Mitglieder<br />
in ganz Deutschland. Am letzten<br />
Schreibwettbewerb der NFG und<br />
der TMS beteiligten sich rund 1.000<br />
Schüler. (dsw/nfg)<br />
Einsendeschluß ist der 31. März 2012.<br />
Weitere Auskünfte unter www.fruchtbringende-gesellschaft.de.Einsendungen<br />
für den Schreibwettbewerb sind zu<br />
richten an:<br />
Neue Fruchtbringende Gesellschaft<br />
„Schreibwettbewerb“<br />
Schloßplatz 5<br />
D-06366 Köthen/Anhalt<br />
schreibwettbewerb@<br />
fruchtbringende-gesellschaft.de<br />
und darin einen auf 1795 datierten<br />
Brief an einen anderen Schriftsteller<br />
veröffentlicht. In diesem Schreiben,<br />
in dem es mehr auf Anekdoten als<br />
auf Wissenschaftlichkeit ankommt,<br />
berichtet Matthisson von einem nicht<br />
namentlich genannten Puristen: „Dieser<br />
wollte nämlich das ehrliche, in<br />
jedem Familienkreise, besonders wo<br />
viele Kinder sind, täglich vielleicht<br />
mehr als zwanzigmal erschallende<br />
Nennwort Nase, der hochverpönten<br />
römischen Abstammung wegen,<br />
nicht als reindeutsch anerkennen,<br />
und brachte dagegen, risum teneas,<br />
carissime! das ganz unerhörte: Gesichtserker,<br />
in Vorschlag.“ Matthissons<br />
Erinnerungen erschienen in<br />
mehreren Auflagen. Möglicherweise<br />
begünstigten sie die unkritische<br />
Wiedergabe dieser Geschichte in den<br />
Nachschlagewerken und Enzyklopädien<br />
des 19. Jahrhunderts.<br />
Ein unausrottbares Märchen<br />
Auf diese Weise pflanzte sich das<br />
Märchen bis in die heutigen Tage<br />
weiter fort. Das ist auch die Erklärung<br />
dafür, daß Karasek, wie Unzählige<br />
vor ihm, das Märchen einfach<br />
ungeprüft übernommen hat, weil es<br />
ihm eben in den Kram paßte. So ist<br />
das Wort „Gesichtserker“ ein schönes<br />
Beispiel dafür, wie immer wieder<br />
der eine vom anderen abschreibt,<br />
ohne nach der Quelle zu fragen. Ironischerweise<br />
taucht der Irrtum sogar<br />
in einem 2009 erschienenen Buch<br />
auf, das den Titel trägt: „1.000 Irrtümer<br />
der Allgemeinbildung – aufgedeckt<br />
und richtig gestellt“. Der Verfasser<br />
hat den Irrtum als beflissener<br />
Untertan der Reformschreibung womöglich<br />
„richtig gestellt“, aber leider<br />
nicht „richtiggestellt“.<br />
Selbst Professoren und Doktoren tragen<br />
das Märchen von Generation zu<br />
Generation weiter, ohne freilich dabei<br />
um ihren akademischen Grad fürchten<br />
zu müssen; etwa Frau Prof. Dr.<br />
Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin<br />
des Goethe-Instituts. Sie stellt<br />
in ihrem Buch „Hat Deutsch eine Zukunft?“<br />
erfreut fest, daß das „gut eingebürgerte<br />
Fremdwort“ „Nase“ im<br />
Fremdwörterlexikon gar nicht mehr<br />
auftauche. Welches Wunder!<br />
So dient der „Gesichtserker“ schon seit<br />
Jahrhunderten so unaufgeregten wie<br />
ahnungslosen Zeitgenossen dazu, von<br />
hoher Warte einen beschwichtigenden,<br />
besonnenen, belesenen Eindruck<br />
zu vermitteln. Wahre Kenner Zesens<br />
jedoch wie etwa der Literaturhistoriker<br />
Otto Leixner von Grünberg (1847<br />
bis 1907) werden wohl weiterhin mit<br />
Mißachtung gestraft. Dieser meinte<br />
in seiner „Geschichte der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Literatur“ über das Märchen vom Gesichtserker:<br />
„Es wäre Zeit, daß man<br />
nach zweihundert Jahren wenigstens<br />
diesen Fleck von dem Bilde des Mannes<br />
entfernte, der viel gearbeitet, ernst<br />
gestrebt, wenn auch oft geirrt hat.“<br />
Der „Gesichtserker“<br />
als Bereicherung<br />
Dabei ist der „Gesichtserker“ älter<br />
als von 1795. So schreibt der Sprachpfleger<br />
Heinrich Braun 1772 in der<br />
Einführung zu seiner „Anleitung zur<br />
deutschen Dicht- und Versekunst“: „Es<br />
könnte gar wohl wiederum einige Mißgönner<br />
geben, welche die Haarkrebsen,<br />
Gesichtserker, Dachnasen, u. d. gl.<br />
in diesem Werkchen suchen werden“.<br />
Braun wollte „wenigstens im Schreiben<br />
und Drucke eine Gleichförmigkeit<br />
mit den meisten übrigen deutschen<br />
Provinzen“ herbeiführen, wie er in seiner<br />
„Sprachkunst“ von 1761 schrieb.<br />
Damals wie heute ist so ein Anliegen<br />
in gewissen Kreisen verdächtig.<br />
Wahrscheinlich hat es den „Gesichtserker“<br />
sogar schon zu Lebzeiten<br />
Zesens gegeben. Unterdessen<br />
hat dieses Wort, das ursprünglich<br />
dazu ausersehen war, die Arbeit der<br />
Sprachschützer lächerlich zu machen,<br />
eine Lücke geschlossen und<br />
unseren Wortschatz bereichert. Häufig<br />
finden wir es nämlich nicht mehr<br />
im Einsatz als „Propagandalüge“,<br />
sondern einfach nur als scherzhafte<br />
Bezeichnung für einen eben besonders<br />
eindrucksvollen Zinken. Am<br />
Ende sind es doch die Sprachschützer,<br />
die den ach so Besonnenen eine<br />
Nase drehen können.<br />
Neue Fruchtbringende<br />
Gesellschaft<br />
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Terminhinweise für Veranstaltungen der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft<br />
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2007 (4 Euro) 2008 2009 2010 2011 (je 5 Euro)<br />
„Unsere Sprache – Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der deutschen Sprache“<br />
Band 1 (2008) „Im Anfang war das Wort“ ist zur Zeit vergriffen.<br />
Band 2 (2009) „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“: Beiträge von Thomas Paulwitz, Gabriele<br />
Ball, Michael Mühlenhort, Josef Kraus, Hartmut Heuermann und Rudolf Wachter. Themen: Rede zur<br />
deutschen Sprache 2008, die Fruchtbringer Diederich von dem Werder und Christian Gueintz, Denglisch,<br />
Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz für eine einheitliche Rechtschreibung<br />
(100 Seiten, 6 Euro)<br />
Band 3 (2010) „Allen zu Nutzen!“: Beiträge von Uta Seewald-Heeg, Andreas Herz, Thomas Paulwitz,<br />
Werner Pfannhauser, Kurt Reinschke und Monika Plath. Themen: Rede zur deutschen Sprache<br />
2009, Spracharbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft, 400 Jahre organisierte Sprachpflege, Deutsch<br />
als Wissenschaftssprache, Wege zur Lesemotivation von Kindern (82 Seiten, 6 Euro)<br />
Band 4 (2011) „Verstand zeigt sich im klaren Wort“: Beiträge von Lienhard Hinz, Hans Joachim<br />
Meyer, Jurij Brankačk, Hermann H. Dieter und Michèle Dieter, Margund Hinz. Themen: Rede zur<br />
deutschen Sprache 2010, Frühkindlicher Spracherwerb, Bilinguale Erziehung, Die preußischen Kleinkinderschulen<br />
(62 Seiten, 6 Euro)<br />
Name, Vorname<br />
Straße Postleitzahl und Ort<br />
Elektronische Post Datum, Unterschrift<br />
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Neue Fruchtbringende Gesellschaft, Schloßplatz 5, D-06366 Köthen/Anhalt<br />
Telefon und Telefax +49-(0)3496-405740<br />
auskunft@fruchtbringende-gesellschaft.de
Seite 10 Werkstatt<br />
„Chicago Square“ an der Elbe<br />
E<br />
und rufen unsere Leser zum Protest auf<br />
Hamburg macht sich klein und will Weltstadt spielen<br />
s ist ein „Vorzeigeprojekt<br />
internationaler Waterfrontentwicklung“,<br />
schwärmt die „HafenCity<br />
Hamburg GmbH“, eine<br />
100prozentige Tochter der Freien<br />
und Hansestadt Hamburg. Mit<br />
„Waterfrontentwicklung“ ist Stadtplanung<br />
in unmittelbarer Nähe<br />
zum Wasser gemeint. Dieser Anglizismus ist jedoch<br />
kein Ausrutscher. Es geht um die „HafenCity“, errichtet<br />
von der Stadt Hamburg. Sie wird die Hamburger<br />
Innenstadt um 40 Prozent erweitern und soll mit<br />
bis zu 150 Meter hohen Turmhäusern der deutschen<br />
Hauptstadt den Rang ablaufen. Allein das Viertel<br />
„Elbbrücken“ soll so groß werden wie das Gebiet um<br />
den Potsdamer Platz in Berlin. Dieses Viertel erhält<br />
einen großen Platz, der „den zentralen öffentlichen<br />
Raum“ bilden soll. Der Name dieses Platzes lautet:<br />
„Chicago Square“. Auch die Endhaltestelle der U4<br />
wird diesen Namen tragen.<br />
„Für einen Platz inmitten von Hamburg ist das eine<br />
sprachliche Entgleisung.“ Das findet nicht nur das<br />
Hamburger Abendblatt. Darin schimpfte Matthias<br />
Iken in einem Kommentar vom 8. November über<br />
dieses „provinzielle Weltstadtgehabe“:<br />
„Jedes Dorf gibt sich<br />
weltläufig, wenn es die Kirmes<br />
zum Event aufbläst, jede Klitsche<br />
spielt Weltunternehmen,<br />
wenn sie nur noch aus CEOs,<br />
Senior- und Content-Managern<br />
besteht. Nur wirkt das nicht international,<br />
sondern albern.“ Das sehen offenbar die<br />
meisten Bürger genauso. In einer Umfrage derselben<br />
Zeitung stimmten 89 Prozent der Leser dafür, diesem<br />
Platz lieber einen deutschen Namen zu geben. (dsw)<br />
Sprachsünder Ecke An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind,<br />
Liegt Hamburg an der Elbe oder am Michigansee?<br />
Warum gibt die Stadt ihrem neuen zentralen<br />
Platz nicht einen ortstypischen Namen oder<br />
nennt ihn wenigstens „Chikagoer Platz“? Warum<br />
„Chicago Square“? Fragen Sie Hamburgs Ersten<br />
Bürgermeister und lassen Sie uns bitte ein Doppel<br />
zukommen:<br />
Sprachsünder Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der<br />
Freien und Hansestadt Hamburg, Rathausmarkt 1,<br />
D-20095 Hamburg, Telefon +49-(0)40-42831-2411,<br />
olaf.scholz@sk.hamburg.de<br />
Florian-Baum-Gedächtnis-Textbaustein<br />
Ein verlockendes Angebot an Denglisch-Sünder<br />
A<br />
ls Dienstleistung für Sprachsünder<br />
bietet die DEUTSCHE<br />
SPRACHWELT – nur jetzt! – den<br />
folgenden Florian-Baum-Gedächtnis-<br />
Textbaustein an. Benannt ist dieses<br />
praktische Hilfsmittel nach dem legendären<br />
Sprecher der sympathischen<br />
Drogeriekette „Schlecker“, der damit<br />
den mißlungenen Werbespruch „For<br />
You. Vor Ort“ rechtfertigte. Dieser ausgefeilte<br />
Text hilft jedem sprachunempfindlichen<br />
Unternehmen, Beschwerdebriefe<br />
über Denglisch schnell und ohne<br />
nachzudenken zu beantworten:<br />
GESUCHT:<br />
Die Sprachwahrer des Jahres 2011<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
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�<br />
�<br />
�<br />
„Dieses Motto [oder: diese Bezeichnung,<br />
Nichtzutreffendes streichen]<br />
sollte die durchschnittlichen<br />
[hier den Namen des Unternehmens<br />
einsetzen]-Kunden, die niederen<br />
bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen<br />
sind, ansprechen. Wir haben<br />
renommierteste Marketing- und<br />
Marktforschungsagenturen beauftragt,<br />
unter diesen Gesichtspunkten<br />
eine optimale Parole [oder: Bezeichnung,<br />
Nichtzutreffendes streichen]<br />
für uns zu finden. Der so zustande<br />
gekommene Vorschlag ‚[hier den be-<br />
anstandeten Werbespruch/Namen<br />
einsetzen]‘ machte am Ende vor<br />
allem deshalb das Rennen, weil er<br />
beim für unsere Haupt-Zielgruppen<br />
repräsentativen Testpublikum am<br />
besten abschnitt.“<br />
Sollte dem Unternehmen allerdings<br />
daran gelegen sein, seine Kunden<br />
an sich zu binden und in ihrer Sprache<br />
anzusprechen, sei ihm geraten,<br />
es doch bitte einmal auf deutsch zu<br />
versuchen. (dsw)<br />
Liebe Leser,<br />
wie heißt Ihr Sprachwahrer des Jahres? Mit Ihrer Hilfe möchten wir wieder vorbildlichen Einsatz für die deutsche<br />
Sprache auszeichnen. Sie können entweder einen unserer Vorschläge ankreuzen oder selbst jemanden vorschlagen.<br />
Nehmen Sie bitte an der kleinen Leserumfrage ebenfalls teil.<br />
Einsendeschluß für beide Befragungen ist am 31. Januar 2012.<br />
Wolfgang Bosbach: Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages setzte<br />
den unflätigen Ausdrücken des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla („Wenn ich so eine Scheiße höre wie Gewissensentscheidung“)<br />
sein gepflegtes Deutsch entgegen und setzte damit ein starkes Zeichen gegen die Verwahrlosung<br />
des Sprachgebrauchs in der Politik.<br />
Torsten Hilse: Der SPD-Politiker und Verleger brachte als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses zahlreiche<br />
Initiativen für die deutsche Sprache auf den Weg. Sein letzter Antrag lautete „<strong>Deutsche</strong> Sprache als Kulturgut<br />
pflegen und fördern!“ und wurde im September mit knapper Mehrheit abgelehnt (Drucksache 16/4207).<br />
Modehaus Nikolaus: Das Rostocker Bekleidungsgeschäft schloß sich der Anti-SALE-Aktion der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT an und plakatierte in seinen Filialen die Forderung „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen<br />
Sprache“.<br />
Chaos Computer Club: Die Vereinigung von Hackern veröffentlicht Texte in traditioneller Rechtschreibung und<br />
vermeidet auf diese Weise auf ihren eigenen Netzseiten ein Rechtschreibchaos.<br />
Loriot: Der Humorist hat die deutsche Sprache geprägt und bereichert. Er hat es darüber hinaus nicht an kritischen<br />
Bemerkungen zur Entwicklung seiner Muttersprache fehlen lassen. Seine Aussprüche leben in uns weiter<br />
und machen ihn unsterblich.<br />
Michael Olbrich: Der Leiter des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes fand heraus,<br />
daß die englische Wortwahl in Geschäftsberichten der „DAX 30“-Unternehmen vermutlich gesetzeswidrig<br />
ist und gegen Handelsgesetzbuch und Aktiengesetz verstößt.<br />
Klaus Tolksdorf und Wolfgang Ball: Der Präsident des Bundesgerichtshofs Tolksdorf warnte vor der Zulassung<br />
von Englisch als Gerichtssprache an Handelskammern in Deutschland: „Es drohen Fehlurteile.“ Der Vorsitzende<br />
Richter am Bundesgerichtshof Ball lehnte als einziger geladener Sachverständiger vor dem Rechtsausschuß<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Bundestags den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats ab.<br />
Max Raabe: Der Bariton-Sänger und Gründer des „Palast-Orchesters“ ist ein gewandter Sprecher und glühender<br />
Bewunderer der deutschen Sprache. Im August schwärmte er: „Je weiter ich mich wegbewege, um so<br />
mehr schätze ich, mich zu Hause in der Muttersprache zu bewegen. Hier kann ich mich wie ein Ferkelchen im<br />
Konjunktiv suhlen, aus jeder Silbe alles herausholen.“<br />
Hape Kerkeling: Der Schauspieler und Unterhalter spricht mehrere Fremdsprachen fließend, kann aber auch<br />
die deutsche Sprache meisterhaft einsetzen. Im Juni bekannte er: „Ich schätze an der deutschen Sprache die<br />
Präzision, mit der sich Gefühle ausdrücken lassen. Andere Sprachen bleiben da eher vage, unpräzise.“<br />
Jemand anders: ______________________, weil ________________________________________________<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />
<strong>Deutsche</strong><br />
Wortwelt<br />
Das entbehrliche Fremdwort<br />
Eurobonds<br />
Die immer wieder geforderten<br />
sogenannten „Eurobonds“<br />
wären gemeinsame Schuldverschreibungen,<br />
welche die<br />
mangelnde Kreditwürdigkeit<br />
hochverschuldeter EU-<br />
Staaten auf Kosten der besser<br />
eingestuften Mitgliedsländer<br />
ausgleichen sollen. In jüngster<br />
Zeit ist sogar von „Stabilitätsbonds“<br />
die Rede. Das<br />
Wort „Schuld“ vermeiden die<br />
Europapolitiker sicher nicht<br />
zufällig in ihrer Wortwahl.<br />
Eindeutiger wäre es, von „EU-<br />
Anleihen“ oder „EU-Schuldverschreibungen“<br />
zu sprechen.<br />
Für das Letztere sprachen sich<br />
in einer Umfrage die Facebook-Leser<br />
der DEUTSCHEN<br />
SPRACHWELT aus. Es gab<br />
aber auch andere Vorschläge<br />
wie „Ramschanleihen“ oder<br />
„Eurobombs“. Diese Bezeichnungen<br />
wären allerdings wohl<br />
zu eindeutig.<br />
Das richtig geschriebene Wort<br />
widerspiegeln<br />
Ein häufiger Fehler ist die Verwechslung<br />
von „wieder“ und<br />
„wider“ – sofern überhaupt bekannt<br />
ist, daß es zwei verschiedene<br />
Schreibweisen mit unterschiedlichen<br />
Bedeutungen<br />
gibt. „Wieder“ bedeutet „nochmals“<br />
oder „zurück“. „Wider“<br />
heißt indes so viel wie „gegen“.<br />
Wer etwas erwidert, entgegnet<br />
etwas. Wenn ich jemanden<br />
wieder spreche, dann rede ich<br />
nochmals mit ihm. Wenn ich<br />
jemandem jedoch widerspreche,<br />
dann rede ich gegen seine<br />
Worte. Beim „Widerspiegeln“<br />
fällt ein Lichtstrahl gegen einen<br />
Spiegel. Möglicherweise<br />
entsteht für viele eine Schreibunsicherheit<br />
dadurch, daß der<br />
Strahl eben „wieder“ zurück-<br />
geworfen wird, also „wieder“<br />
zurückkommt. Das Bild des<br />
Erwiderns hat sich allerdings<br />
in der Rechtschreibgeschichte<br />
gegen das Bild des Zurückkommens<br />
durchgesetzt.<br />
Das treffende Wort<br />
erstklassig / erstklassisch<br />
Wenn etwas die höchste Stufe<br />
erreicht hat, ist es „erstklassig“.<br />
In jüngster Zeit taucht jedoch<br />
immer wieder das Wort<br />
„erstklassisch“ auf. Dabei<br />
handelt es sich manchmal um<br />
ein Wortspiel, wenn beispielsweise<br />
klassische Musik besonders<br />
zu loben ist. Oft ist es<br />
jedoch eine Falschschreibung<br />
von „erstklassig“. Mancherorts<br />
begünstigt möglicherweise<br />
die dort übliche Mundart<br />
diesen Fehler.<br />
Das wiederentdeckte Wort<br />
Brosame<br />
Die Brosame ist ursprünglich<br />
etwas Zerriebenes, Zerbrökkeltes.<br />
Verkleinert wird sie<br />
zum Brösel („Brosämlein“).<br />
In den Grimmschen Märchen<br />
finden wir Brosamen bei Hänsel<br />
und Gretel. Sie sollen den<br />
beiden Kindern helfen, wieder<br />
aus dem Wald herauszufinden.<br />
Allerdings picken Vögel<br />
die Brotbrocken auf, so daß<br />
sich die Kinder verirren. In<br />
der Bibel-Übersetzung von<br />
Martin Luther begegnen uns<br />
die Brosamen bei dem armen<br />
Lazarus. Dieser „begehrte sich<br />
zu sättigen von den Brosamen,<br />
die von des Reichen Tische<br />
fielen“ (Lukas 16, 21). Wann<br />
haben Sie das letzte Mal Brosamen<br />
geschätzt?<br />
Welche weiteren Wörter sollten<br />
in dieser Wortwelt stehen?<br />
Schreiben Sie uns!<br />
Kleine Leserbefragung<br />
Soll der Schreibschriftunterricht an den Grundschulen abgeschafft werden?<br />
� Ja<br />
� Nein<br />
� Unentschieden<br />
Ist der Englischunterricht an den Grundschulen sinnvoll?<br />
� Ja<br />
� Nein<br />
� Unentschieden<br />
Soll das lautgetreue/phonetische Schreibenlernen („Lesen durch<br />
Schreiben“, „Schraip widu schprichsd“) an den Grundschulen wieder<br />
abgeschafft werden?<br />
� Ja<br />
� Nein<br />
� Unentschieden<br />
Nennen Sie uns bitte Ihre Anregungen und Vorschläge für den<br />
Deutschunterricht in der Grundschule:<br />
__________________________________________________________<br />
__________________________________________________________<br />
__________________________________________________________<br />
__________________________________________________________<br />
Bitte einsenden an:<br />
DEUTSCHE SPRACHWELT, Postfach 1449, D-91004 Erlangen,<br />
Telefax +49-(0)9131-480662, schriftleitung@deutsche-sprachwelt.de<br />
__________________________________________________________<br />
Name, Vorname<br />
__________________________________________________________<br />
Straße, Postleitzahl und Ort<br />
__________________________________________________________<br />
Datum, Unterschrift
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12 Anstöße<br />
Seite 11<br />
Von Andreas Raffeiner<br />
Bild: Roshan-Kofler<br />
Anzeigen<br />
F<br />
Von Lienhard Hinz<br />
ch hab<br />
I so Heimweh<br />
nach<br />
dem Kurfürstendamm,<br />
ich hab so<br />
Sehnsucht<br />
nach meinemBerlin!“<br />
sang<br />
H i l d e g a r d<br />
Knef (1925<br />
bis 2002), als sie von ihren Auslandsgastspielen<br />
zurückkehrte. Das war<br />
vor fünfzig Jahren. In diesem Jahr<br />
war der 125. Geburtstag des Kurfürstendamms,<br />
weil am 5. Mai 1886<br />
die Dampfstraßenbahnlinie vom<br />
Bahnhof Zoo nach Halensee eröffnet<br />
wurde. Drei Jahre hatte damals der<br />
Ausbau und die Verbreiterung der<br />
dreieinhalb Kilometer langen Straße<br />
auf Anregung des Reichskanzlers,<br />
Fürst Otto von Bismarck, gedauert.<br />
Die danach entstandene Villenkolonie<br />
Grunewald stiftete ihm das<br />
überlebensgroße Bronzestandbild<br />
am Bismarckplatz nahe dem Kurfürstendamm<br />
in der Hubertusallee. Wir<br />
erblicken einen nachdenklichen Spaziergänger<br />
mit Schlapphut und Stock<br />
und seine auf den Hinterbeinen sitzende<br />
Dogge. In Wirklichkeit geht<br />
die Entstehung der berühmten Straße<br />
auf das Jahr 1542 zurück, als das<br />
Jagdschloß Grunewald erbaut wurde.<br />
Unter Kurfürst Joachim II. (1505 bis<br />
1571) entstand für die kurfürstlichen<br />
Reiter ein Verbindungsweg zum Berliner<br />
Schloß. Von dort führt der damalige<br />
Reiterweg heute über Unter<br />
den Linden, Brandenburger Tor, Straße<br />
des 17. Juni (Tiergarten), Großer<br />
Stern mit Siegessäule, Hofgartenallee,<br />
Stülerstraße, Budapester Straße,<br />
7000<br />
antiquarische<br />
Bücher<br />
Liste für 1,45 €<br />
in Briefmarken<br />
A. Neussner<br />
D-37284 Waldkappel<br />
Bericht aus Bozen<br />
ür Süd-Tirol<br />
ist der neue<br />
Ministerpräsident<br />
Mario Monti<br />
nicht schlecht,<br />
aber bestimmt<br />
kein Heilsbringer.<br />
In den Jahren, in<br />
denen Italien von<br />
Silvio Berlusconi<br />
und seinem „Volk<br />
der Freiheit“ (PdL) regiert worden<br />
war, war das Klima zwischen dem<br />
Staat und der deutschen Minderheit<br />
in Süd-Tirol erkaltet – trotz der föderalistisch<br />
ausgerichteten „Lega<br />
Nord“ in der Regierungsmehrheit.<br />
Mit Berlusconis Rücktritt und dem<br />
Antritt der Techniker-Regierung um<br />
Mario Monti schaut Süd-Tirol nun<br />
hoffnungsvoll nach Rom.<br />
So gut wie alle Vertreter des offiziellen<br />
Süd-Tirols haben der Übergangsregierung<br />
um den Wirtschaftsprofessor<br />
Rosen gestreut. Und in einem<br />
ersten Treffen hat der neue Ministerpräsident<br />
Süd-Tiroler Vertretern auch<br />
zugesichert, „ein Auge auf die Belange<br />
der Autonomen Provinzen“ zu<br />
haben. Der Optimismus ist einerseits<br />
durch die allgemeinpolitische Situa-<br />
tion bedingt: Zu lange ist in den letzten<br />
Wochen und Monaten der vierten<br />
Berlusconi-Regierung nichts weitergegangen.<br />
Fehlender Reformwillen<br />
und zunehmender Flügelstreit haben<br />
einen ganzen Staat gelähmt und sind<br />
schließlich für die ganze Europäische<br />
Union (EU) zu einem Risikofaktor<br />
geworden. Nun ist in Süd-Tirol auch<br />
in den Reihen der Minderheiten eine<br />
Aufbruchsstimmung zu verspüren,<br />
endlich notwendige finanzpolitische<br />
und verfassungsbedingte Reformen<br />
anzugehen, um den Staat Italien einigermaßen<br />
an zeitgemäße und somit<br />
moderne Anforderungen anzupassen.<br />
Sinkt nämlich das italienische Staatsschiff,<br />
geht auch der Süd-Tiroler mit<br />
unter. Was umgekehrt in diesem Sinn<br />
Italien rettet, tut auch der ihm einverleibten<br />
Minderheit gut.<br />
Anders schaut es hinsichtlich der Autonomie<br />
aus. Seit Jahren geht in den<br />
Verhandlungen über die (deutschen<br />
und ladinischen) Ortsnamen, über die<br />
Konzession zur Brennerautobahn und<br />
vor allem bei der Debatte über die Finanzgebarung<br />
des Landes Süd-Tirol<br />
kaum etwas weiter. Mario Monti steht<br />
nun einer aus der Not des Staates heraus<br />
geborenen Übergangsregierung<br />
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche,<br />
Kurfürstendamm, S-Bahnhof Halensee,<br />
Koenigsallee, zum Jagdschloß<br />
Grunewald.<br />
„Alles was gut war, das kommt<br />
mal zurück, wenn darüber auch<br />
Zeit vergeht“, sang die Knef in der<br />
geteilten, entwidmeten deutschen<br />
Hauptstadt. Dies bewahrheitet sich<br />
angesichts des für Stadtrundfahrten<br />
erschließbaren „Reiterweges“<br />
zwischen den Schlössern. Die Restaurierung<br />
und Instandsetzung des<br />
Jagdschlosses mit der Jagdgeschichte<br />
der preußischen Herrscher und<br />
einer Galerie deutscher und niederländischer<br />
Gemälde des 15. bis 19.<br />
Jahrhunderts wird mit Parkplatz und<br />
Waldweg im Dezember abgeschlossen.<br />
Begonnen hat der Wiederaufbau<br />
des Berliner Schlosses, denn in der<br />
Bauhütte Spandau meißelt ein Heer<br />
von Steinbildhauern die originalen<br />
Fassadenelemente. Im Mai war die<br />
umfassende Renovierung der Siegessäule<br />
und der Göttin Viktoria beendet.<br />
Am 2. September 1873 hatte<br />
Kaiser Wilhelm I. sie eingeweiht.<br />
Am 1. September 1895 wurde die<br />
neoromanische Kaiser-Wilhelm-<br />
Gedächtnis-Kirche eingeweiht als<br />
ehrendes Denkmal für Kaiser Wilhelm<br />
I. – Bomben zerstörten sie im<br />
November 1943. An einen Wiederaufbau<br />
ist nicht zu denken. Geblieben<br />
ist nur noch der Turm, der als<br />
Ruine ständig mit Spenden baulich<br />
erhalten wird. Dafür feiert man 50<br />
Jahre Egon-Eiermann-Bau. Zu den<br />
Feierlichkeiten gehörte ein Volksfest<br />
„Bei uns um die Gedächtniskirche<br />
rum“ mit Erbsensuppe, Kuchen und<br />
Getränken sowie ein Sonderpostamt<br />
im Turm.<br />
vor, für die mit Ausnahme der Lega<br />
Nord alle parlamentarischen Parteien<br />
eine gemeinsame Mehrheit bilden.<br />
Die Berlusconi-Mandatare oder deren<br />
noch nationalistischer geprägte<br />
Konkurrenz werden einen Fortschritt<br />
im Sinne eines minderheitenfreundlicheren<br />
Ausbaues der Autonomie<br />
nicht zulassen. Und was noch schwerer<br />
wiegt: Die Übergangsregierung<br />
Monti hat vorerst andere Probleme:<br />
das Eindämmen der Staatsschuld,<br />
ein dringend nötiges Ankurbeln der<br />
Volkswirtschaft, um aus der Rezession<br />
zu kommen, und längst überfällige<br />
Reformen des Staatswesens – all<br />
das ist eine Herkulesaufgabe, die<br />
dem Ausmisten des berühmten Augiasstalles<br />
gleichkommt, und mit der<br />
das Kabinett Monti sicher bis zum<br />
Ende seiner Amtszeit im Frühjahr<br />
2013 beschäftigt sein wird. Und es<br />
ist vor allem notwendig, um Italien<br />
dauerhaft im europäischen Verbund<br />
halten zu können. Demzufolge wird<br />
alles andere untergeordnet werden.<br />
Der SVP-Parlamentarier Siegfried<br />
Brugger hatte es bei Montis Amtsantritt<br />
auf den Punkt gebracht: „Ich<br />
bin optimistisch für Italien, aber gegen<br />
Euphorie bezüglich Süd-Tiroler<br />
Fragen“.<br />
Bericht aus Berlin<br />
„Ich hab so Heimweh nach dem<br />
Kurfürstendamm, Berliner Tempo,<br />
Betrieb und Tamtam!“ 125 der<br />
Kastenvitrinen im Bauhausstil bildeten<br />
bis Oktober eine Ausstellung zur<br />
Geschichte des Kurfürstendamms.<br />
Die Vitrinen trennen seit dem Wiederaufbau<br />
des zerbombten Kurfürstendamms<br />
– nach einer Idee der<br />
1930er Jahre – einen Fußgängerweg<br />
an der Straße von einem Ladenweg<br />
entlang der Geschäfte. In den wiedererstandenen<br />
prächtigen Gründerzeithäusern<br />
haben alle namhaften<br />
internationalen Modemarken ihre<br />
Geschäfte. Gasthäuser und Straßencafés<br />
zahlreicher Nationalitäten<br />
werben um Gäste. Über die blanken<br />
Fassaden der Hochhausbaustellen<br />
zum Tauentzien hin gibt es nichts<br />
Besucherfreundliches zu berichten.<br />
Vom berühmten Caféhaus Kranzler,<br />
in dem auch Hildegard Knef auftrat,<br />
ist nur ein Rest im oberen Rundbau<br />
des Bekleidungskonzerns Gerry Weber<br />
übriggeblieben. Gegenüber auf<br />
dem Joachimstaler Platz steht die<br />
denkmalgeschützte Verkehrskanzel.<br />
Sie diente nach ihrer Stillegung<br />
1962 zur Beobachtung der Demonstrationen<br />
der 68er Bewegung. Die<br />
auch heute beliebte Proteststrecke<br />
genießen wir auf einem Spaziergang<br />
von dort in Richtung Halensee nach<br />
einem Blick in den Alt Berliner Biersalon.<br />
Der jahrhundertalte einstige<br />
„Spezialausschank für Berliner Lagerbier“<br />
hatte seine Blütezeit in den<br />
1960er Jahren, als Theaterbesucher<br />
und Schauspieler einkehrten. Auch<br />
Inge Meysel (1910 bis 2004) trank<br />
hier oft eine Molle. Den „letzten<br />
Schrei“ der Filmtheater erleben Sie<br />
dann in der „Astor Film Lounge“ –<br />
ein Haus mit einer langen „Kinoge-<br />
Bücher von Johannes Dornseiff<br />
Rechte Notizen<br />
Der Verfasser der Bücher Tractatus absolutus (2000), Recht und Rache (2003),<br />
Sprache, wohin? (2006) und Kant (2009) legt als eine Art Nachlaß zu Lebzeiten<br />
seine politischen Notizen aus der Zeit seit 1993 vor, als Anhang zu seinem Neuen<br />
Deutschlandlied („Deutschland, Deutschland, bist verblichen ...“). – Mehr als<br />
Notizen sind es tatsächlich nicht. Aber vielleicht doch so treffend, daß die Vertreter<br />
des Gutmenschentums und der „political correctness“ daran Anstoß nehmen<br />
werden. Von den (von sich selbst) so genannten Antifaschisten ganz zu schweigen.<br />
136 Seiten • 10,00 € • ISBN 978-3-940190-66-6 • Vertrieb: xlibri.de Buchproduktion,<br />
Tel.: 08243 / 99 38 <strong>46</strong>, E-Mail: autor@xlibri.de<br />
Inhaltsangaben und Auszüge der Bücher des Verfassers unter<br />
www.johannesdornseiff.de<br />
Hochschulrektoren<br />
für Sprachenvielfalt<br />
A<br />
ufgrund der zunehmenden Vorherrschaft<br />
der englischen Sprache<br />
in Forschung und Lehre kommen<br />
immer mehr nicht-deutschsprachige<br />
Wissenschaftler und Studenten nach<br />
Deutschland. Die Präsidentin der<br />
Hochschulrektorenkonferenz (HRK),<br />
Prof. Dr. Margret Wintermantel,<br />
erklärte daher Ende November in<br />
Berlin: „Wir müssen dafür sorgen,<br />
daß die lebendige Kommunikation<br />
zwischen den Hochschulmitgliedern<br />
nicht eingeschränkt wird. Es<br />
ist auch ein Problem, wenn nichtenglischsprachige<br />
wissenschaftliche<br />
Veröffentlichungen immer weniger<br />
berücksichtigt werden. Dies führt<br />
zu Wettbewerbsverzerrungen, die<br />
wir nicht hinnehmen können.“ Wenn<br />
die Hochschulen ausschließlich auf<br />
englischsprachige Kommunikation<br />
in Forschung, Lehre und Lernen<br />
setzten, gehe dies zu Lasten anderer<br />
Sprachen und des <strong>Deutsche</strong>n und gefährde<br />
damit die Sprachenvielfalt.<br />
Vor diesem Hintergrund hat sich die<br />
Mitgliederversammlung der HRK in<br />
einer vierzehnseitigen Empfehlung<br />
schichte“. Zu empfehlen ist dann der<br />
beste Kudammblick von der Terrasse<br />
des „Reinhard’s“ im Kempinski. Ein<br />
zweites Kino, das „Cinema Paris“,<br />
im Haus der französischen Kultur<br />
schließt sich an. Das Maison de France<br />
zeigt bis Ende Januar 2012 eine<br />
Ausstellung des Pariser bildenden<br />
Künstlers Richard Tronson. Schritte<br />
entfernt empfangen uns Theater<br />
und Komödie am Kurfürstendamm,<br />
geleitet von Martin Woelffler in der<br />
dritten Generation der Familie. Stükke<br />
des Berliners Horst Pillau und<br />
Schauspieler, wie Judy Winter und<br />
Walther Plate, ziehen noch immer.<br />
Wir überqueren die 53 Meter breite<br />
Straße, um vor dem Adenauerplatz<br />
die letzte Kneipe am Kudamm mit<br />
durchgehendem 24-Stunden-Betrieb,<br />
„Bei Mo“, in Augenschein zu<br />
nehmen. Hier feiern Sportler und<br />
Fußballklubs. An ein geschichtliches<br />
Ereignis auf dem Kurfürstendamm<br />
erinnert die lebensgroße Konrad-<br />
Adenauer-Skulptur auf dem Adenauerplatz.<br />
Im August 1963 begleitete<br />
Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />
den Präsidenten John F. Kennedy<br />
bei seinem Berlinbesuch. Die Bronzestatue<br />
von Helga Tiemann zeigt<br />
einen entschlossen voranschreitenden<br />
Adenauer mit wehendem Mantel<br />
und Hut in der Hand. Unser Blick<br />
fällt auf das Handtuchhaus mit seiner<br />
Stahlglasfassade des Architekten<br />
Helmut Jahn. Davor hebt sich eine<br />
der prächtigen schmiedeeisernen<br />
Anzeige<br />
zur „Sprachenpolitik an den deutschen<br />
Hochschulen“ dafür ausgesprochen,<br />
Mehrsprachigkeit sowohl<br />
auf nationaler wie auch auf internationaler<br />
Ebene in der Wissenschaft<br />
zu fördern. Die Hochschulen wollen<br />
sich dafür einsetzen, ein verstärktes<br />
Bewußtsein für sprachenpolitische<br />
Fragen zu schaffen und einen bewußten<br />
Einsatz unterschiedlicher Sprachen<br />
im Hochschulalltag zu fördern.<br />
Die Sprachenvielfalt soll sowohl zur<br />
Erhaltung des <strong>Deutsche</strong>n als Wissenschaftssprache<br />
beitragen als auch den<br />
qualifizierten Erwerb und Einsatz anderer<br />
Sprachen unterstützen.<br />
Damit dies gelingt, wünschen sich<br />
die Hochschulrektoren mehr Personal,<br />
mehr Sprachenforschung und<br />
Sprachenzentren und mehr Übersetzungen<br />
und Dolmetscher für Wissenschaftler.<br />
Die HRK fordert darüber<br />
hinaus europäische „bibliometrische<br />
Instrumente“ (also Veröffentlichungsverzeichnisse)<br />
für nicht-englischsprachige<br />
Publikationen, damit<br />
die Forschung diese besser wahrnehmen<br />
kann. (hrk)<br />
Kohlenbogenleuchten ab, die auch<br />
heute noch den gesamten Boulevard<br />
erhellen. Gehen wir nun ein letztes<br />
Mal durch die Platanenreihen auf die<br />
andere Straßenseite zum Lehniner<br />
Platz. Hier macht die Schaubühne<br />
von sich reden. Ihr Künstlerischer<br />
Leiter, Thomas Ostermeier, führt jedes<br />
Jahr ein Shakespeare-Stück auf.<br />
Premiere hatte „Maß für Maß“ mit<br />
dem Wiener Burgschauspieler Gert<br />
Voss. Die letzte Kulturoase vor dem<br />
Bahnhof Halensee ist der Henriettenplatz,<br />
gewidmet der Kurfürstin Luise<br />
Henriette. Das Kurfürstenehepaar<br />
Luise Henriette (1627 bis 1667) und<br />
Friedrich Wilhelm von Brandenburg<br />
(1620 bis 1688), der Große Kurfürst,<br />
ist auf Reliefs des dreiseitigen Gedenksteins<br />
zu bewundern. Rätselnd<br />
stehen die Betrachter vor dem Medusenhaupt-Brunnen<br />
des französischen<br />
Künstlerehepaares Anne und Patrick<br />
Porier. Medusa, die schöne Tochter<br />
griechischer Meeresgottheiten, wurde<br />
von Pallas Athene aus Eifersucht<br />
in ein geflügeltes Ungeheuer verwandelt<br />
und enthauptet. Dieses Medusenhaupt,<br />
das feindliche Krieger<br />
zu Stein erstarren ließ, verhalf zum<br />
Sieg. Die seltsame Brunnenfigur vor<br />
der Tanzschule Traumtänzer schreckt<br />
die Tanzlustigen nicht ab. Musik zum<br />
Tanzen ist auch das Kudammlied der<br />
Hildegard Knef: „Und seh’ ich auch<br />
in Frankfurt, München, Hamburg<br />
oder Wien die Leute sich bemüh’n,<br />
Berlin bleibt doch Berlin.“<br />
Weltweite Verständigung<br />
durch die internationale Sprache<br />
Ido<br />
Kulturelle und sprachliche Vielfalt ist ein Reichtum der Menschheit<br />
– doch der Prozess des Sterbens von Sprachen dauert an, auch in Europa.<br />
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Seite 12 Bunte Seite<br />
Von Rominte van Thiel<br />
S<br />
eit einiger Zeit begegnet einem<br />
manchmal Merkwürdiges . Reiseveranstalter<br />
bieten Fahrten nach Ostpreußen<br />
mit Ausflügen „in die schönen<br />
Masuren“ oder Ferienhäuser „in<br />
den Masuren“ an. In der „Welt“ vom<br />
8. Juni 2011 schrieb Henryk M. Broder<br />
von einem ausgewanderten Polen,<br />
der zurückkehrte, um in „Szczytno<br />
in den Masuren“ zu studieren.<br />
Jeder Kenner Ostpreußens weiß aber,<br />
daß „die Masuren“ die Bewohner Masurens<br />
waren und sind. Wenn man es<br />
genau nimmt, sind die heutigen Masuren<br />
auch nicht gleichzusetzen mit<br />
den früheren Masuren. Masuren war<br />
und ist eine geographisch nicht genau<br />
begrenzte Landschaft im Südosten<br />
der früheren Provinz Ostpreußen auf<br />
den ehemaligen Stammesgebieten der<br />
prußischen Galinder und Sudauer.<br />
Schon im 13. Jahrhundert wurde<br />
Masuren Teil des Ordensstaates, der<br />
entstanden war, nachdem Herzog<br />
Konrad von Masowien sich wegen<br />
der prußischen Überfälle 1226 hilfesuchend<br />
an den <strong>Deutsche</strong>n Orden<br />
gewandt hatte. Dieser ließ sich unter<br />
Hermann von Salza vom Staufer<br />
Friedrich II. und dem Papst die<br />
Souveränität über die eroberten<br />
Gebiete zusichern. Das bedeutendste<br />
Bauwerk des <strong>Deutsche</strong>n Ordens<br />
ist die bekannte Marienburg. Zum<br />
Schutz vor Überfällen wurden auch<br />
in Masuren Burgen gebaut, in deren<br />
Umkreis dann Siedlungen deutscher<br />
Kolonisten entstanden. Im 14. Jahr-<br />
Deutschpflicht als<br />
Menschenrechtsverletzung?<br />
„Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten<br />
Voraussetzung erklärt, verletzt<br />
die Menschenrechte. So etwas<br />
verletzt uns.“<br />
Der türkische Ministerpräsident Recep<br />
Tayyip Erdogan am 1. November<br />
2011 in der „BILD“-Zeitung über<br />
Bedingungen für nachziehende Ehefrauen<br />
von Einwanderern.<br />
„So wie Erdogan vor kurzem im<br />
Interview sagte, daß erst die Muttersprache<br />
Türkisch gelernt werden<br />
sollte, so hat es mein Vater genau<br />
andersherum gesehen. Erst Deutsch,<br />
das ist die Muttersprache, denn wir<br />
leben in Deutschland, und dann können<br />
die beiden Türkisch lernen.“<br />
Der Komödiant Kaya Yanar am 7.<br />
November 2011 in der „Westdeutschen<br />
Allgemeinen Zeitung“.<br />
„Wo sich aufhört die Kultur …“<br />
Wer sind die Masuren? – Eine sprachliche Spurensuche<br />
Masure<br />
hundert errichtete Ortulf von Trier<br />
die Ortulfsburg, aus der die Stadt Ortelsburg<br />
entstand, das heutige, oben<br />
erwähnte Szczytno.<br />
Bis zum 14. Jahrhundert waren die<br />
Siedler vorwiegend deutsch neben<br />
den alteingesessenen Prußen. Dann<br />
strömten neue Siedler vorwiegend<br />
in den westlichen Teil des Ordenslandes.<br />
Um den Osten nicht veröden<br />
zu lassen, waren dem Orden masowische<br />
Siedler willkommen. Die andere<br />
Sprache und das andere Volkstum<br />
spielten damals keine Rolle. Wichtig<br />
war die christliche Religion. Diese<br />
Siedler nannten sich „mazur“ (Masure)<br />
nach ihrer Heimat Masowien. Sie<br />
brachten ihre westslawische Sprache<br />
mit. Im 15. Jahrhundert strömten<br />
W<br />
er einen Smoking trägt, darf<br />
sich dennoch in einem Raum<br />
aufhalten, der mit „No smoking“ gekennzeichnet<br />
ist. Erst wenn dort „No<br />
tuxedo“ (ausgesprochen: taxido) oder<br />
„No dinner jacket“ geschrieben stände,<br />
müßte der Träger draußen bleiben<br />
oder sich umziehen, denn diese beiden<br />
Wörter sind das amerikanische<br />
oder englische Wort für die deutsche<br />
Wortschöpfung aus dem Englischen,<br />
die kein Engländer kennt; Denglisch<br />
pur – und das schon seit vielen Jahrzehnten!<br />
Wer aber jetzt seinen Smoking mit<br />
einem Fracking tauschen will, hat<br />
nun gar nichts verstanden. Schließlich<br />
handelt es sich hierbei nicht um<br />
ein Bekleidungsstück, sondern um<br />
einen technischen Prozeß für die<br />
Erdgasgewinnung. Dabei kann es<br />
Von Dagmar Schmauks<br />
DSW-Silbenrätsel<br />
1. Hausschuhe zum Aussuchen – 2. undurchlässiger Adliger – 3. Töten<br />
von Kopfpolstern – 4. Job für eine Harke – 5. Interessengemeinschaft von<br />
Vampiren – 6. wertbeständiges Tragtier – 7. jemand, der hinter einem<br />
Herrschersitz hergeht – 8. Lotterieschein eines Denkorgans – 9. Dummkopf<br />
auf dem Acker – 10. von Vorfahren übernommener Knorpelfisch –<br />
11. Melodie eines einhenkligen Gefäßes – 12. Leuchten einer Grünfläche<br />
– 13. mit Zwillen bewaffnete Bande – 14. wenn die Oberseite des Hauses<br />
kaputt ist – 15. Paarungsbereitschaft eines Naturelements – 16. wohlschmeckende<br />
junge Blüten – 17. arbeitswilliges kleines Pappstück – 18.<br />
würzig wie ein Nagetier – 19. kleines Lebewesen mit Hausschuhen – 20.<br />
allererstes Nachtlokal – 21. Tanzmusik für Blutsauger – 22. jemand, der<br />
nach der Säkularisierung des Ordensstaates<br />
und der Einführung der<br />
Reformation nochmals Siedler aus<br />
Masowien ein, polnische Kleinadlige,<br />
auch geflüchtete Leibeigene und<br />
bereits reformierte Polen.<br />
Durch die Reformation wurde die<br />
Gemeinsamkeit mit den Bewohnern<br />
anderen Volkstums enger. Die<br />
masurische Sprache mischte sich<br />
mit deutschen und altpreußischen<br />
Elementen, bewahrte aber den<br />
Stand der Sprache Masowiens aus<br />
der Zeit der Einwanderung, so daß<br />
sie die Entwicklung der polnischen<br />
Sprache nicht mitmachte. Das Masurische<br />
war je nach Region unterschiedlich,<br />
im Westen mehr mit<br />
deutschen Elementen gemischt, im<br />
Osten auch mit litauischen. Bis zum<br />
Zweiten Weltkrieg wurde es noch<br />
gesprochen, die Amts- und Schriftsprache<br />
war jedoch Deutsch. Dies<br />
war wohl auch der Anlaß, daß in<br />
Ostpreußen über Masuren gewitzelt<br />
wurde, so mit dem Spruch „Wo sich<br />
aufhört die Kultur, da sich anfängt<br />
der Masur“, der auf den teils reflexiven<br />
Gebrauch der entsprechenden<br />
slawischen Wörter anspielt.<br />
Das Prußische starb übrigens im 17.<br />
Jahrhundert aus, obwohl noch im 16.<br />
Jahrhundert Luthers Katechismus in<br />
diese Sprache übersetzt wurde; sie<br />
ist aber noch in ostpreußischen Personen-<br />
und Ortsnamen erkennbar.<br />
Ein Kulturbruch war 1938 die gewaltsame<br />
Eindeutschung ostpreußi-<br />
Was zieht uns an –<br />
Smoking oder Fracking?<br />
schon einmal passieren – wie<br />
kürzlich in den USA – daß aus<br />
dem Trinkwasserhahn auch<br />
Erdgas strömt. Dann sollte<br />
es in der Küche oder im Bad<br />
tatsächlich „No smoking“ heißen,<br />
allerdings nur in den USA, denn bei<br />
uns heißt es immer noch „Bitte nicht<br />
rauchen“; zumal bei Küchenarbeiten<br />
keiner einen Smoking trägt …<br />
Übrigens handelt es sich beim Frakking<br />
(ausgesprochen: fräcking) um<br />
ein hydraulisches Aufbrechen eines<br />
erdgasspeichernden Gesteins mit<br />
Hilfe von Chemikalien, Sand und<br />
viel Wasser. Das klingt so gefährlich,<br />
wie es ist. Da wird verständlich, warum<br />
man uns wieder das englische<br />
Wort aufpfropft, bei dem keiner so<br />
recht weiß, was es bedeutet. Wenigstens<br />
das sollten wir wissen!<br />
scher (prußischer, litauischer, polnischer)<br />
Ortsnamen, in denen sich die<br />
Geschichte, nicht unbedingt jedoch<br />
die ethnische Zusammensetzung<br />
widerspiegelte. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg machte man es umgekehrt.<br />
Im Polen zugewiesenen Teil,<br />
zu dem Masuren gehört, wurde alles<br />
polonisiert, wobei man zum Teil auf<br />
alte Namen zurückgreifen konnte; im<br />
russischen Teil bekamen die Orte unhistorische<br />
Phantasienamen.<br />
Kurzum, der Landschaftsname Masuren<br />
wurde im <strong>Deutsche</strong>n genauso<br />
gebildet wie Hessen, Bayern, Franken,<br />
Westfalen, Polen, Schwaben,<br />
Pommern, und diese Form ist identisch<br />
mit der Pluralform des Namens<br />
ihrer Bewohner. Man lebt also in<br />
Masuren, in Hessen, in Westfalen, in<br />
Polen, man fährt nach Masuren, nach<br />
Bayern, nach Franken, und in diesen<br />
Ländern oder Landschaften leben<br />
die Masuren, Schwaben, Pommern.<br />
Tritt noch ein Adjektiv hinzu, fährt<br />
man ins stille Masuren, ins ländliche<br />
Westfalen, ins romantische Franken<br />
und schaut sich Masurens, Hessens,<br />
Bayerns Bauwerke oder Natur<br />
an. Daß heutzutage so viele „in die<br />
Masuren“ fahren wollen, was zu der<br />
Zeit, als Ostpreußen deutsch war,<br />
keinem Menschen eingefallen wäre,<br />
mag daran liegen, daß „Mazury“<br />
im Polnischen ein Plural ist. So hat<br />
das Politische sprachliche Unkenntnis<br />
hervorgerufen. Siegfried Lenz<br />
stammt indes unzweifelhaft aus Masuren,<br />
genauer aus Lyck in Masuren.<br />
Die Redaktion der DEUT-<br />
SCHEN SPRACHWELT<br />
wünscht Ihnen allen, daß<br />
in dieser Zeit zu Hause nur<br />
weihnachtliche Düfte in die<br />
Nase steigen und Ihnen ein explosives<br />
neues Jahr erspart bleibe.<br />
Ihr Anglizismenmuffel<br />
Wolfgang Hildebrandt<br />
Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz<br />
ehrlich – denglischst du noch<br />
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Material zum Töpfern herbeischafft – 23. abscheuliches Weichtier – 24.<br />
Keime einer Steighilfe – 25. männliche Person mit Griff daran – 26. die<br />
Kröten ganz vorne – 27. Steigerung eines Schafsblökens – 28. zweitklassige<br />
Hörorgane – 29. Ausscheidungsorgane eines Schweizer Urkantons<br />
– 30. feuerspeiendes Kriechtier für die Freizeit<br />
auf – bar – be – blut – boh – bro – brunst – che – chen – chen – chen – chen<br />
– dach – den – der – dich – dra – e – ei – er – er – ers – fel – feld – feu – fla<br />
– fleiß – floh – fol – fürst – ga – gang – ge – ger – ger – gold – grup – haus<br />
– hen – her – hirn – kärt – kel – ken – kis – knos – lei – los – mä – mann –<br />
mer – mies – mu – nie – pan – park – pe – pen – pen – rat – re – ren – ren<br />
– ri – scha – scharf – sche – schein – schel – schlach – schlap – schleu –<br />
schmacks – se – sel – sen – sen – spros – stun – ten – ten – ter – ter – thron<br />
– tier – tof – ton – trä – u – ur – wahl – wal – wei – zer<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />
Sprachspiele<br />
Nicht nur für Kinder!<br />
(1)<br />
Teekesselchen<br />
Ziel<br />
Zu erraten ist ein Hauptwort,<br />
das zwei Bedeutungen hat,<br />
also zum Beispiel „Blatt“<br />
(Papierblatt/Baumblatt),<br />
„Mutter“ (Elternteil/Schraubenmutter),<br />
„Fliege“ (Tier/<br />
Kleidungsstück). Ein solches<br />
doppeldeutiges Wort wird als<br />
„Teekesselchen“ bezeichnet.<br />
Eigennamen und Fremdwörter<br />
sind nicht erlaubt, sonst kann<br />
es zu schwer werden.<br />
Ablauf<br />
Zwei Spieler unterhalten sich<br />
abwechselnd über ihr „Teekesselchen“<br />
und umschreiben<br />
es auf diese Weise. Die anderen<br />
müssen das Wort erraten.<br />
Dabei können auch zwei<br />
Mannschaften gegeneinander<br />
antreten.<br />
Beispiel<br />
Spieler 1: „Mein Teekesselchen<br />
steht im Stadtpark.“ –<br />
Spieler 2: „Mein Teekesselchen<br />
wechselt Geld.“ – Spieler<br />
1: „Mein Teekesselchen ist<br />
gemütlich.“ – Und so geht es<br />
immer weiter, bis jemand das<br />
Lösungswort „Bank“ errät.<br />
Kennen Sie Sprachspiele, die<br />
wir hier vorstellen sollten?<br />
Dann schreiben Sie uns bitte!<br />
Das<br />
Letzte<br />
Verrückte <strong>Sprachwelt</strong><br />
Dooden slammt<br />
Unter dem Motto „Sprache ist<br />
Wandel“ und zum Gedenken<br />
an den 100. Todestag Konrad<br />
Dudens veranstaltete der Dudenverlag<br />
am 23. November<br />
2011 den „WORD UP! Poetry<br />
Slam“ zum Thema deutsche<br />
Sprache. „Duden slammt!“ verkündete<br />
der Verlag stolz. (dsw)<br />
Lösungen: 1. Wahlschlappen – 2. Dichterfürst<br />
– 3. Kissenschlachten – 4. Rechenaufgabe<br />
– 5. Blutgruppe – 6. Goldesel<br />
– 7. Thronfolger – 8. hirnlos – 9.<br />
Feldflasche – 10. erbrochen – 11. eimerweise<br />
– 12. Parkschein – 13. Schleudergang<br />
– 14. Dachschaden – 15. Feuersbrunst<br />
– 16. Geschmacksknospen – 17.<br />
Fleißkärtchen – 18. rattenscharf – 19.<br />
Pantoffeltierchen – 20. urbar – 21. Flohwalzer<br />
– 22. Tonträger – 23. Miesmuschel<br />
– 24. Leitersprossen – 25. Henkelmann –<br />
26. erstunken – 27. Mäher – 28. bohren<br />
– 29. urinieren – 30. Hausdrache<br />
Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle<br />
für Semiotik an der Technischen Universität<br />
Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft<br />
von den Zeichen.