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PDF 46 - Deutsche Sprachwelt

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Seite 12 Bunte Seite<br />

Von Rominte van Thiel<br />

S<br />

eit einiger Zeit begegnet einem<br />

manchmal Merkwürdiges . Reiseveranstalter<br />

bieten Fahrten nach Ostpreußen<br />

mit Ausflügen „in die schönen<br />

Masuren“ oder Ferienhäuser „in<br />

den Masuren“ an. In der „Welt“ vom<br />

8. Juni 2011 schrieb Henryk M. Broder<br />

von einem ausgewanderten Polen,<br />

der zurückkehrte, um in „Szczytno<br />

in den Masuren“ zu studieren.<br />

Jeder Kenner Ostpreußens weiß aber,<br />

daß „die Masuren“ die Bewohner Masurens<br />

waren und sind. Wenn man es<br />

genau nimmt, sind die heutigen Masuren<br />

auch nicht gleichzusetzen mit<br />

den früheren Masuren. Masuren war<br />

und ist eine geographisch nicht genau<br />

begrenzte Landschaft im Südosten<br />

der früheren Provinz Ostpreußen auf<br />

den ehemaligen Stammesgebieten der<br />

prußischen Galinder und Sudauer.<br />

Schon im 13. Jahrhundert wurde<br />

Masuren Teil des Ordensstaates, der<br />

entstanden war, nachdem Herzog<br />

Konrad von Masowien sich wegen<br />

der prußischen Überfälle 1226 hilfesuchend<br />

an den <strong>Deutsche</strong>n Orden<br />

gewandt hatte. Dieser ließ sich unter<br />

Hermann von Salza vom Staufer<br />

Friedrich II. und dem Papst die<br />

Souveränität über die eroberten<br />

Gebiete zusichern. Das bedeutendste<br />

Bauwerk des <strong>Deutsche</strong>n Ordens<br />

ist die bekannte Marienburg. Zum<br />

Schutz vor Überfällen wurden auch<br />

in Masuren Burgen gebaut, in deren<br />

Umkreis dann Siedlungen deutscher<br />

Kolonisten entstanden. Im 14. Jahr-<br />

Deutschpflicht als<br />

Menschenrechtsverletzung?<br />

„Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten<br />

Voraussetzung erklärt, verletzt<br />

die Menschenrechte. So etwas<br />

verletzt uns.“<br />

Der türkische Ministerpräsident Recep<br />

Tayyip Erdogan am 1. November<br />

2011 in der „BILD“-Zeitung über<br />

Bedingungen für nachziehende Ehefrauen<br />

von Einwanderern.<br />

„So wie Erdogan vor kurzem im<br />

Interview sagte, daß erst die Muttersprache<br />

Türkisch gelernt werden<br />

sollte, so hat es mein Vater genau<br />

andersherum gesehen. Erst Deutsch,<br />

das ist die Muttersprache, denn wir<br />

leben in Deutschland, und dann können<br />

die beiden Türkisch lernen.“<br />

Der Komödiant Kaya Yanar am 7.<br />

November 2011 in der „Westdeutschen<br />

Allgemeinen Zeitung“.<br />

„Wo sich aufhört die Kultur …“<br />

Wer sind die Masuren? – Eine sprachliche Spurensuche<br />

Masure<br />

hundert errichtete Ortulf von Trier<br />

die Ortulfsburg, aus der die Stadt Ortelsburg<br />

entstand, das heutige, oben<br />

erwähnte Szczytno.<br />

Bis zum 14. Jahrhundert waren die<br />

Siedler vorwiegend deutsch neben<br />

den alteingesessenen Prußen. Dann<br />

strömten neue Siedler vorwiegend<br />

in den westlichen Teil des Ordenslandes.<br />

Um den Osten nicht veröden<br />

zu lassen, waren dem Orden masowische<br />

Siedler willkommen. Die andere<br />

Sprache und das andere Volkstum<br />

spielten damals keine Rolle. Wichtig<br />

war die christliche Religion. Diese<br />

Siedler nannten sich „mazur“ (Masure)<br />

nach ihrer Heimat Masowien. Sie<br />

brachten ihre westslawische Sprache<br />

mit. Im 15. Jahrhundert strömten<br />

W<br />

er einen Smoking trägt, darf<br />

sich dennoch in einem Raum<br />

aufhalten, der mit „No smoking“ gekennzeichnet<br />

ist. Erst wenn dort „No<br />

tuxedo“ (ausgesprochen: taxido) oder<br />

„No dinner jacket“ geschrieben stände,<br />

müßte der Träger draußen bleiben<br />

oder sich umziehen, denn diese beiden<br />

Wörter sind das amerikanische<br />

oder englische Wort für die deutsche<br />

Wortschöpfung aus dem Englischen,<br />

die kein Engländer kennt; Denglisch<br />

pur – und das schon seit vielen Jahrzehnten!<br />

Wer aber jetzt seinen Smoking mit<br />

einem Fracking tauschen will, hat<br />

nun gar nichts verstanden. Schließlich<br />

handelt es sich hierbei nicht um<br />

ein Bekleidungsstück, sondern um<br />

einen technischen Prozeß für die<br />

Erdgasgewinnung. Dabei kann es<br />

Von Dagmar Schmauks<br />

DSW-Silbenrätsel<br />

1. Hausschuhe zum Aussuchen – 2. undurchlässiger Adliger – 3. Töten<br />

von Kopfpolstern – 4. Job für eine Harke – 5. Interessengemeinschaft von<br />

Vampiren – 6. wertbeständiges Tragtier – 7. jemand, der hinter einem<br />

Herrschersitz hergeht – 8. Lotterieschein eines Denkorgans – 9. Dummkopf<br />

auf dem Acker – 10. von Vorfahren übernommener Knorpelfisch –<br />

11. Melodie eines einhenkligen Gefäßes – 12. Leuchten einer Grünfläche<br />

– 13. mit Zwillen bewaffnete Bande – 14. wenn die Oberseite des Hauses<br />

kaputt ist – 15. Paarungsbereitschaft eines Naturelements – 16. wohlschmeckende<br />

junge Blüten – 17. arbeitswilliges kleines Pappstück – 18.<br />

würzig wie ein Nagetier – 19. kleines Lebewesen mit Hausschuhen – 20.<br />

allererstes Nachtlokal – 21. Tanzmusik für Blutsauger – 22. jemand, der<br />

nach der Säkularisierung des Ordensstaates<br />

und der Einführung der<br />

Reformation nochmals Siedler aus<br />

Masowien ein, polnische Kleinadlige,<br />

auch geflüchtete Leibeigene und<br />

bereits reformierte Polen.<br />

Durch die Reformation wurde die<br />

Gemeinsamkeit mit den Bewohnern<br />

anderen Volkstums enger. Die<br />

masurische Sprache mischte sich<br />

mit deutschen und altpreußischen<br />

Elementen, bewahrte aber den<br />

Stand der Sprache Masowiens aus<br />

der Zeit der Einwanderung, so daß<br />

sie die Entwicklung der polnischen<br />

Sprache nicht mitmachte. Das Masurische<br />

war je nach Region unterschiedlich,<br />

im Westen mehr mit<br />

deutschen Elementen gemischt, im<br />

Osten auch mit litauischen. Bis zum<br />

Zweiten Weltkrieg wurde es noch<br />

gesprochen, die Amts- und Schriftsprache<br />

war jedoch Deutsch. Dies<br />

war wohl auch der Anlaß, daß in<br />

Ostpreußen über Masuren gewitzelt<br />

wurde, so mit dem Spruch „Wo sich<br />

aufhört die Kultur, da sich anfängt<br />

der Masur“, der auf den teils reflexiven<br />

Gebrauch der entsprechenden<br />

slawischen Wörter anspielt.<br />

Das Prußische starb übrigens im 17.<br />

Jahrhundert aus, obwohl noch im 16.<br />

Jahrhundert Luthers Katechismus in<br />

diese Sprache übersetzt wurde; sie<br />

ist aber noch in ostpreußischen Personen-<br />

und Ortsnamen erkennbar.<br />

Ein Kulturbruch war 1938 die gewaltsame<br />

Eindeutschung ostpreußi-<br />

Was zieht uns an –<br />

Smoking oder Fracking?<br />

schon einmal passieren – wie<br />

kürzlich in den USA – daß aus<br />

dem Trinkwasserhahn auch<br />

Erdgas strömt. Dann sollte<br />

es in der Küche oder im Bad<br />

tatsächlich „No smoking“ heißen,<br />

allerdings nur in den USA, denn bei<br />

uns heißt es immer noch „Bitte nicht<br />

rauchen“; zumal bei Küchenarbeiten<br />

keiner einen Smoking trägt …<br />

Übrigens handelt es sich beim Frakking<br />

(ausgesprochen: fräcking) um<br />

ein hydraulisches Aufbrechen eines<br />

erdgasspeichernden Gesteins mit<br />

Hilfe von Chemikalien, Sand und<br />

viel Wasser. Das klingt so gefährlich,<br />

wie es ist. Da wird verständlich, warum<br />

man uns wieder das englische<br />

Wort aufpfropft, bei dem keiner so<br />

recht weiß, was es bedeutet. Wenigstens<br />

das sollten wir wissen!<br />

scher (prußischer, litauischer, polnischer)<br />

Ortsnamen, in denen sich die<br />

Geschichte, nicht unbedingt jedoch<br />

die ethnische Zusammensetzung<br />

widerspiegelte. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg machte man es umgekehrt.<br />

Im Polen zugewiesenen Teil,<br />

zu dem Masuren gehört, wurde alles<br />

polonisiert, wobei man zum Teil auf<br />

alte Namen zurückgreifen konnte; im<br />

russischen Teil bekamen die Orte unhistorische<br />

Phantasienamen.<br />

Kurzum, der Landschaftsname Masuren<br />

wurde im <strong>Deutsche</strong>n genauso<br />

gebildet wie Hessen, Bayern, Franken,<br />

Westfalen, Polen, Schwaben,<br />

Pommern, und diese Form ist identisch<br />

mit der Pluralform des Namens<br />

ihrer Bewohner. Man lebt also in<br />

Masuren, in Hessen, in Westfalen, in<br />

Polen, man fährt nach Masuren, nach<br />

Bayern, nach Franken, und in diesen<br />

Ländern oder Landschaften leben<br />

die Masuren, Schwaben, Pommern.<br />

Tritt noch ein Adjektiv hinzu, fährt<br />

man ins stille Masuren, ins ländliche<br />

Westfalen, ins romantische Franken<br />

und schaut sich Masurens, Hessens,<br />

Bayerns Bauwerke oder Natur<br />

an. Daß heutzutage so viele „in die<br />

Masuren“ fahren wollen, was zu der<br />

Zeit, als Ostpreußen deutsch war,<br />

keinem Menschen eingefallen wäre,<br />

mag daran liegen, daß „Mazury“<br />

im Polnischen ein Plural ist. So hat<br />

das Politische sprachliche Unkenntnis<br />

hervorgerufen. Siegfried Lenz<br />

stammt indes unzweifelhaft aus Masuren,<br />

genauer aus Lyck in Masuren.<br />

Die Redaktion der DEUT-<br />

SCHEN SPRACHWELT<br />

wünscht Ihnen allen, daß<br />

in dieser Zeit zu Hause nur<br />

weihnachtliche Düfte in die<br />

Nase steigen und Ihnen ein explosives<br />

neues Jahr erspart bleibe.<br />

Ihr Anglizismenmuffel<br />

Wolfgang Hildebrandt<br />

Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz<br />

ehrlich – denglischst du noch<br />

oder sprechen Sie schon?, Band<br />

2, ISBN 978-3-929744-52-1, 6,00<br />

Euro. Bestellungen: Wolfgang Hildebrandt,<br />

Am Steingrab 20a, D-27628<br />

Lehnstedt, Telefon +49-(0)47<strong>46</strong>-<br />

1069, Telefax +49-(0)47<strong>46</strong>-931432,<br />

hillesimm@t-online.de<br />

Material zum Töpfern herbeischafft – 23. abscheuliches Weichtier – 24.<br />

Keime einer Steighilfe – 25. männliche Person mit Griff daran – 26. die<br />

Kröten ganz vorne – 27. Steigerung eines Schafsblökens – 28. zweitklassige<br />

Hörorgane – 29. Ausscheidungsorgane eines Schweizer Urkantons<br />

– 30. feuerspeiendes Kriechtier für die Freizeit<br />

auf – bar – be – blut – boh – bro – brunst – che – chen – chen – chen – chen<br />

– dach – den – der – dich – dra – e – ei – er – er – ers – fel – feld – feu – fla<br />

– fleiß – floh – fol – fürst – ga – gang – ge – ger – ger – gold – grup – haus<br />

– hen – her – hirn – kärt – kel – ken – kis – knos – lei – los – mä – mann –<br />

mer – mies – mu – nie – pan – park – pe – pen – pen – rat – re – ren – ren<br />

– ri – scha – scharf – sche – schein – schel – schlach – schlap – schleu –<br />

schmacks – se – sel – sen – sen – spros – stun – ten – ten – ter – ter – thron<br />

– tier – tof – ton – trä – u – ur – wahl – wal – wei – zer<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>46</strong>_Winter 2011/12<br />

Sprachspiele<br />

Nicht nur für Kinder!<br />

(1)<br />

Teekesselchen<br />

Ziel<br />

Zu erraten ist ein Hauptwort,<br />

das zwei Bedeutungen hat,<br />

also zum Beispiel „Blatt“<br />

(Papierblatt/Baumblatt),<br />

„Mutter“ (Elternteil/Schraubenmutter),<br />

„Fliege“ (Tier/<br />

Kleidungsstück). Ein solches<br />

doppeldeutiges Wort wird als<br />

„Teekesselchen“ bezeichnet.<br />

Eigennamen und Fremdwörter<br />

sind nicht erlaubt, sonst kann<br />

es zu schwer werden.<br />

Ablauf<br />

Zwei Spieler unterhalten sich<br />

abwechselnd über ihr „Teekesselchen“<br />

und umschreiben<br />

es auf diese Weise. Die anderen<br />

müssen das Wort erraten.<br />

Dabei können auch zwei<br />

Mannschaften gegeneinander<br />

antreten.<br />

Beispiel<br />

Spieler 1: „Mein Teekesselchen<br />

steht im Stadtpark.“ –<br />

Spieler 2: „Mein Teekesselchen<br />

wechselt Geld.“ – Spieler<br />

1: „Mein Teekesselchen ist<br />

gemütlich.“ – Und so geht es<br />

immer weiter, bis jemand das<br />

Lösungswort „Bank“ errät.<br />

Kennen Sie Sprachspiele, die<br />

wir hier vorstellen sollten?<br />

Dann schreiben Sie uns bitte!<br />

Das<br />

Letzte<br />

Verrückte <strong>Sprachwelt</strong><br />

Dooden slammt<br />

Unter dem Motto „Sprache ist<br />

Wandel“ und zum Gedenken<br />

an den 100. Todestag Konrad<br />

Dudens veranstaltete der Dudenverlag<br />

am 23. November<br />

2011 den „WORD UP! Poetry<br />

Slam“ zum Thema deutsche<br />

Sprache. „Duden slammt!“ verkündete<br />

der Verlag stolz. (dsw)<br />

Lösungen: 1. Wahlschlappen – 2. Dichterfürst<br />

– 3. Kissenschlachten – 4. Rechenaufgabe<br />

– 5. Blutgruppe – 6. Goldesel<br />

– 7. Thronfolger – 8. hirnlos – 9.<br />

Feldflasche – 10. erbrochen – 11. eimerweise<br />

– 12. Parkschein – 13. Schleudergang<br />

– 14. Dachschaden – 15. Feuersbrunst<br />

– 16. Geschmacksknospen – 17.<br />

Fleißkärtchen – 18. rattenscharf – 19.<br />

Pantoffeltierchen – 20. urbar – 21. Flohwalzer<br />

– 22. Tonträger – 23. Miesmuschel<br />

– 24. Leitersprossen – 25. Henkelmann –<br />

26. erstunken – 27. Mäher – 28. bohren<br />

– 29. urinieren – 30. Hausdrache<br />

Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle<br />

für Semiotik an der Technischen Universität<br />

Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft<br />

von den Zeichen.

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