Download als PDF - Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg
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FH-Absolventen weltweit<br />
Back to the roots: Die Unterschiede in Lebens-<br />
Prioritäten zwischen Menschen in Europa und<br />
Afrika scheinen manchmal unvorstellbar groß.<br />
Reform im Wassersektor<br />
Kenia ist ein wasserarmes Land, in dem ungefähr<br />
nur 60 % der Bevölkerung Zugang zu sauberem<br />
Trinkwasser haben. Nach jahrelanger<br />
Vorarbeit hat die Regierung Ende der Neunziger<br />
Jahre eine umfassende Reform des Wassersektors<br />
beschlossen mit weitreichenden Folgen<br />
für den Sektor. Das Wasserministerium musste<br />
seine Belegschaft abbauen, neue Institutionen<br />
wurden gegründet (Wasserversorgungsunternehmen,Wasserressourcen-Managementbehörde,<br />
Regulierungsbehörde etc.), und der<br />
Sektor wird nach völlig neuen Prinzipien geordnet.<br />
Die Situation vor der Reform war aufgrund des<br />
fehlenden Wettbewerbs im Wassersektor gekennzeichnet<br />
von einer hohen Ineffizienz der<br />
Wasserversorger (hauptsächlich Gebietskörperschaften)<br />
sowie einem ständigen Kapitalabfluss,<br />
da die im Wassersektor erwirtschafteten<br />
Einnahmen in andere Sektoren umgeleitet<br />
wurden und dadurch die nötigen Infrastrukturmaßnahmen<br />
nicht durchgeführt werden<br />
konnten. Darüber hinaus gab es gerade auf lokaler<br />
Ebene immer wieder politische Einmischung,<br />
was ein professionelles Management<br />
unmöglich machte. Die Folge: Unterversorgung<br />
der meist armen und zugleich stark wachsenden<br />
Bevölkerung sowie eine sich ständig verschlechternde<br />
Infrastruktur (Wasserversorgungsnetze,<br />
Produktionsanlagen).<br />
Mit neuen Prinzipien wie Effizienz, Transparenz,<br />
Trennung von Wasserversorgung und Wasserresourcenmanagement<br />
sowie einer Trennung<br />
von Politik, Regulierung und Versorgung wollte<br />
man diesen Problemen begegnen. So kam<br />
es 2002 zu einem neuen Wassergesetz, das<br />
einen verbesserten Aufbau des Sektors vorsieht,<br />
der diesen Prinzipien gerecht wird.<br />
32<br />
Unser treuer Wegbegleiter in Kenia:<br />
Mbogo – unser »Büffel«.<br />
Die Hauptaufgabe einer Entwicklungsorganisation<br />
wie der GTZ besteht nun darin, die<br />
kenianischen Seite beim neuen Aufbau des<br />
Sektors zu unterstützen. Konkret bedeutet dies,<br />
das Personal der neuen Institutionen zu befähigen,<br />
ihre Aufgaben wahrnehmen zu können.<br />
Zum Beispiel haben die meisten Beschäftigten<br />
der Regulierungsbehörde relativ wenig<br />
Wissen und noch weniger Erfahrung im Bereich<br />
Regulierung. Bei den kommerzialisierten<br />
Wasserversorgern fehlt Expertise aus dem<br />
Privatsektor, um den Betrieb effizienter zu gestalten.<br />
Das Ministerium hingegen ist bemüht,<br />
den »Machtverlust« rückgängig zu machen und<br />
eigentlich ausgelagerte Funktionen wieder in<br />
das Ministerium zu integrieren. Und mittendrin<br />
stand auf einmal ich mit der Aufgabe, die kenianische<br />
Regierung bei der Umsetzung dieser<br />
Reform zu unterstützen.<br />
Dabei ist das Arbeitsfeld ziemlich komplex.<br />
Allein schon die politische Beratung (welche<br />
Aufgaben sollen von welcher Institution wahrgenommen<br />
werden?) ist so anspruchsvoll, dass<br />
ich mich <strong>als</strong> »junior professional« unter alten<br />
Hasen mit guten Ideen bewähren muss. Konkrete<br />
Unterstützung bei den neu geschaffenen<br />
Institutionen (Einführung von Business Planning,<br />
Aufbau von Informationssystemen) sind<br />
Dinge, die ich in meinem Studium nicht gelernt<br />
habe, aber bei denen man mit gesundem<br />
Menschenverstand und vor allem viel »drive« bei<br />
der Umsetzung mehr lernen kann <strong>als</strong> in jedem<br />
anderen »normalen« BWL-Arbeitsumfeld in<br />
Deutschland.<br />
Zahlreiche Aufgaben<br />
Konkret arbeite ich zu 70 % meiner Arbeitszeit<br />
am Aufbau eines Informationssystems für die<br />
Regulierungsbehörde. Von der ersten Idee bis<br />
zur technischen Umsetzung mit der Softwarefirma,<br />
die das System nun entwickelt, habe<br />
ich diese Aufgabe zusammen mit keniani-<br />
Die unglaubliche Ruhe, die ein Elefant ausstrahlt,<br />
obwohl man nur wenige Meter neben ihm parkt,<br />
ist sicherlich einer der stärksten Eindrücke, die<br />
wir in Kenia sammeln durften.<br />
schen Partnern eigenverantwortlich führen dürfen<br />
und werde auch noch die erste Umsetzung<br />
in die Praxis miterleben, bevor es Anfang Dezember<br />
zur nächsten Ausbildungsstation des<br />
Projektassistentenprogramms geht, einer dreimonatigen<br />
Entsendung zur Weltbank nach<br />
Washington. Darüber hinaus arbeite ich an vielen<br />
kleineren Aufgaben wie der Erstellung von<br />
Politikpapieren oder der Beratung der kommerzialisierten<br />
Dienstleister bei der Erstellung<br />
von Geschäftsplänen und kümmere mich um<br />
Teile des Projektmanagements wie z. B. der<br />
Geberkoordinierung im Wassersektor oder administrative<br />
Aufgaben (Verträge erstellen, Auswertungen<br />
und Analysen vorbereiten, Akquisition<br />
von weiteren Projektmitteln aus<br />
internationalen Töpfen etc.). Da es in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
gerade auch um<br />
Projektmanagement geht, verschwimmen die<br />
inhaltlichen Unterschiede zu einem Job in<br />
Deutschland. Der besondere Reiz dieser Aufgaben<br />
besteht jedoch in ihrer größeren Vielfalt<br />
und darin, sich in einem komplett anderen kulturellen<br />
Umfeld zu bewegen. Oft stößt man dabei<br />
mit seiner anerzogenen deutschen Denkweise<br />
an Grenzen, ohne diese aber im ersten<br />
Moment wahrzunehmen. Erst langsam entwickelt<br />
sich dann ein Gefühl für die Besonderheiten<br />
der anderen Kultur und man beginnt, für<br />
sich selbst neue Blickwinkel zu erschließen.<br />
Der Horizont öffnet sich<br />
Alle diese Ausführungen zeigen bereits, wie<br />
horizontöffnend und bereichernd die interkulturelle<br />
und inhaltlich anspruchsvolle Arbeit in der<br />
Entwicklungszusammenarbeit und auch bei internationalen<br />
Organisationen sein kann. Ich bin<br />
froh, trotz vieler Skeptiker in meinem persönlichen<br />
Umfeld und gerade auch an der Fachhochschule,<br />
diesen Weg gegangen zu sein.<br />
Und so kann ich nur jedem empfehlen, der einen<br />
scheinbar exotischen Zweig des BWL-Studiums<br />
wie Umweltmanagement oder eine etwas<br />
andere BWL-Karriere erwägt, Mut zum<br />
Risiko und zum Ungewöhnlichen zu haben.<br />
Das Studium an der Fachhochschule bietet die<br />
meines Erachtens einmalige Gelegenheit, viele<br />
Wege auszuprobieren. Aus ganz persönlicher<br />
Erfahrung kann ich nur jedem Hoffnung machen,<br />
keine Scheu vor scheinbar unrealistischen<br />
Bewerbungen zu haben und sich nicht<br />
durch andere beirren zu lassen. In meiner Studienzeit<br />
war ich unter meinen Kollegen der<br />
»Ökoterrorist«, der eigentlich ein Stockwerk<br />
höher hätte studieren sollen. Heute weiß ich,<br />
dass ich im zweiten Stock doch sehr gut aufgehoben<br />
war…<br />
Thomas Levin<br />
FHNachrichten WS 2006