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Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland

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<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>


<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>


2<br />

Inhalt <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Ziel, Schwerpunkt und Aufbau <strong>des</strong> Berichtes<br />

Vorwort: Internationaler Luftverkehrsmarkt (wieder) in der Krise? –<br />

airconomy, Oliver Wyman<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes<br />

I. Status Quo – DLR<br />

1. Zusammenfassung<br />

2. Ausgangssituation<br />

2.1 Angebots- und Nachfragestruktur als Basis der Betrachtungen<br />

2.2 Marktänderungen durch Liberalisierung<br />

2.3 Markteintrittsbarrieren im Luftverkehrsmarkt<br />

2.4 Strukturierung <strong>des</strong> Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong><br />

2.4.1 Originär- und Umsteigeraufkommen<br />

2.4.2 Fallstudien zu Interkontangeboten von Sekundärflughäfen<br />

3. Wesentliche Akteure <strong>des</strong> Luftverkehrs – Flughäfen, Fluggesellschaften<br />

und Flugsicherungen<br />

3.1 Flughäfen<br />

3.1.1 Passagierverkehr auf globaler und europäischer Ebene<br />

3.1.2 Luftfrachtverkehr auf globaler und europäischer Ebene<br />

3.1.3 Passagierverkehr an deutschen Flughäfen<br />

3.1.4 Luftfrachtverkehr an deutschen Flughäfen<br />

3.1.5 Flüge an deutschen Flughäfen<br />

3.1.6 General Aviation an deutschen Flughäfen<br />

3.1.7 Verkehrskonzentration ausgewählter Regionen<br />

3.2 Fluggesellschaften<br />

3.2.1 Struktur <strong>des</strong> weltweiten Luftverkehrs<br />

3.2.2 Unterschiedliche Geschäftsmodelle von Fluggesellschaften<br />

3.2.2.1 Linien- und Netzwerkfluggesellschaften<br />

3.2.2.2 Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

3.2.2.3 Regionalfluggesellschaften<br />

3.2.2.4 Ferienfluggesellschaften<br />

3.2.3 Allianzen von Fluggesellschaften<br />

3.3 Flugsicherung<br />

3.3.1 Organisation der Flugsicherung in Europa<br />

3.3.1.1 Wirtschaftliche Aspekte der Flugsicherung<br />

3.3.1.2 Pünktlichkeit an deutschen Flughäfen<br />

3.3.2 Weltweite Organisationsformen in der Flugsicherung<br />

3.3.3 Unterschiedliche Flugsicherungssysteme in Europa und den USA<br />

4<br />

6<br />

9<br />

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59


II. Entwicklungen und Trends – ECAD<br />

1. Zusammenfassung<br />

2. Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

2.1 Europa<br />

2.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />

2.3 Asien<br />

2.4 Naher Osten<br />

2.5 Fazit: Rahmenbedingungen im Vergleich<br />

3. Kostenstrukturen der Fluggesellschaften<br />

4. Zukünftige Entwicklungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

4.1 Europa<br />

4.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />

4.3 Asien<br />

4.4 Naher Osten<br />

4.5 Rangfolge der größten Flughäfen der Welt 2006–2020<br />

5. Perspektiven der Flugsicherung<br />

5.1 Europa<br />

5.2 <strong>Deutschland</strong><br />

5.3 Vereinigte Staaten von Amerika<br />

5.4 Asien<br />

5.5 Naher Osten<br />

III. Schlussfolgerungen – airconomy, Oliver Wyman, ECAD<br />

1. Zusammenfassung<br />

2. Organisation Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> heute –<br />

airconomy, Oliver Wyman<br />

2.1 Kriterien der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

2.2 Effizienz <strong>des</strong> Gesamtsystems<br />

2.3 Transfer-Effizienz<br />

2.4 Methodik der Simulation<br />

3. Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort <strong>Deutschland</strong> – ECAD<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen – airconomy, Oliver Wyman<br />

1. Zusammenfassung<br />

2. Starke Position durch hervorragende Vernetzung im deutschen<br />

Luftverkehr halten<br />

3. Gibt es noch einen „deutschen Luftverkehrsmarkt“?<br />

4. Die Hubs in <strong>Deutschland</strong> werden international zunehmend austauschbar<br />

5. Dringend erforderliche Reformen zur Effizienzsteigerung der Nutzung von<br />

Lufträumen in Europa werden nicht umgesetzt<br />

6. Wie föderal können die regulativen Entscheidungsstrukturen im<br />

deutschen Luftverkehr bleiben angesichts einer rapide globalisierenden<br />

Luftverkehrsindustrie?<br />

7. Was zu tun ist<br />

Glossar<br />

Autoren<br />

Impressum<br />

Inhalt<br />

61<br />

61<br />

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84<br />

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90<br />

90<br />

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103<br />

105<br />

105<br />

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113<br />

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118<br />

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120<br />

123<br />

131<br />

132<br />

3


4<br />

Ziel, Schwerpunkt und Aufbau <strong>des</strong> Berichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Ziel, Schwerpunkt und Aufbau<br />

<strong>des</strong> Berichtes<br />

European Center for Aviation Development – ECAD GmbH<br />

Ziel und Hintergrund <strong>des</strong> Berichtes<br />

Ziel <strong>des</strong> vorliegenden Berichtes ist eine aktuelle Darstellung<br />

der Wettbewerbssituation <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>. Neben einer Bestandsaufnahme<br />

sollen die wichtigsten Entwicklungen und<br />

Trends aufgezeigt und daraus Schlussfolgerungen zu<br />

den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrs gezogen werden. Daraus werden<br />

Handlungsempfehlungen für einen zukunftsfähigen<br />

Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong> abgeleitet.<br />

Die Bedeutung <strong>des</strong> Luftverkehrs für die international<br />

ausgerichtete Wirtschaft und die allgemeinen<br />

Mobilitätsbedürfnisse ist anerkannt. Als weiterhin<br />

wachsende Branche hat der Luftverkehr eine große<br />

Wirkung auf Wohlstand und Beschäftigung. Dennoch<br />

findet er in regelmäßig erstellten Wirtschaftsberichten<br />

1 keine bzw. kaum Berücksichtigung. Der<br />

vorliegende Bericht soll dazu beitragen, diese Lücke<br />

zu schließen.<br />

Schwerpunkt der Untersuchung<br />

Im Fokus steht die Wettbewerbssituation der einzelnen<br />

Träger <strong>des</strong> Luftverkehrssystems – Flughäfen,<br />

Fluggesellschaften und Flugsicherung – bezogen auf<br />

<strong>Deutschland</strong> im europäischen und im globalen Kontext.<br />

Die Untersuchung konzentriert sich auf die<br />

Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrs (Infrastruktur,<br />

ordnungspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen,<br />

Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarkt,<br />

standortspezifische Kosten), die sich maßgeblich auf<br />

die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> auswirken. Des Weiteren<br />

wird ein Schwerpunkt auf die Besonderheiten der<br />

deutschen Luftverkehrsstruktur gelegt.<br />

Das Luftverkehrswachstum in <strong>Deutschland</strong> ist ohne<br />

einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt nicht<br />

vorstellbar. Die deutschen Luftverkehrsunternehmen<br />

sind in besonderer Verantwortung, internationale<br />

<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> und die Belange der<br />

Umwelt in Einklang zu bringen. Dennoch bildet der<br />

Themenkreis Umwelt in diesem Bericht keinen<br />

Schwerpunkt. Ausführliche Darstellungen zu<br />

Umweltwirkungen <strong>des</strong> Luftverkehrs finden sich<br />

allerdings in den Berichten nationaler und internationaler<br />

Organisationen. 2<br />

Aufbau <strong>des</strong> Berichtes<br />

Das von airconomy und Oliver Wyman verfasste<br />

Vorwort schildert die aktuelle Situation <strong>des</strong> internationalen<br />

Luftverkehrs mit Stand November 2008.<br />

Die Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes gibt<br />

einen Überblick zu den darauf folgenden vier<br />

Kapiteln.<br />

Im ersten Kapitel, erstellt vom Deutschen Zentrum<br />

für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), wird der deutsche,<br />

europäische und globale Luftverkehrsmarkt in<br />

seinem jetzigen Zustand neutral beschrieben. Die<br />

hier betrachteten Akteure sind die Flughäfen, die<br />

Fluggesellschaften und die Flugsicherungen. Der


erste Teil soll bewusst unabhängig von den folgenden<br />

Teilen als Zusammenstellung relevanter Fakten<br />

lesbar und auswertbar sein.<br />

Im zweiten, vom European Center for Aviation<br />

Development – ECAD GmbH erarbeiteten Kapitel<br />

liegt der Schwerpunkt auf den Rahmenbedingungen,<br />

Entwicklungen und Trends in den ausgewählten<br />

Luftverkehrsmärkten Vereinigte Staaten von<br />

Amerika, China, Indien, Vereinigte Arabische Emirate,<br />

Katar, Frankreich und Vereinigtes Königreich. 3<br />

Zunächst wird auf die volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen<br />

Rahmenbedingungen eingegangen.<br />

Hieraus werden Aussagen zu erwarteten Luftverkehrsstrukturen,<br />

Entwicklungen bei Flughäfen,<br />

Fluggesellschaften und zur Flugsicherung abgeleitet.<br />

Im dritten Kapitel, das von airconomy, ECAD und<br />

Oliver Wyman verfasst wurde, werden Schlussfol-<br />

Ziel, Schwerpunkt und Aufbau <strong>des</strong> Berichtes 5<br />

gerungen zu den aktuellen und zukünftigen Luftverkehrsstrukturen<br />

in <strong>Deutschland</strong> gezogen. Dabei<br />

geht es einerseits um die Organisation <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> und andererseits<br />

konkret um die Auswirkungen auf die Luftverkehrsanbieter<br />

Flughäfen, Fluggesellschaften und<br />

Flugsicherungen selbst.<br />

Im vierten Kapitel geben airconomy und Oliver<br />

Wyman Handlungsempfehlungen für einen<br />

zukunftsfähigen Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong>.<br />

Jede Autorengruppe zeichnet für das von ihr<br />

bearbeitete Kapitel verantwortlich und überlässt<br />

die anderen Kapitel der Kompetenz der anderen<br />

Autoren.<br />

1 Z.B.: Jahresgutachten <strong>des</strong> Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Frühjahrs- und Herbstgutachten<br />

der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, OECD-Wirtschaftsberichte.<br />

2 Z.B. IPCC (1999): Aviation and the Global Atmosphere, IPCC (2007): Assessment Report WG 1, Chapter 2, Eurocontrol (2006):<br />

Airport Local Air Quality Studies – ALAQS, DLR (2007): Klimawirkungen <strong>des</strong> Luftverkehrs.<br />

3 Zur Auswahl dieser Länder s. Kapitel II.1.


6<br />

Vorwort <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Vorwort: Internationaler Luftverkehrsmarkt<br />

(wieder) in der Krise?<br />

airconomy, Oliver Wyman<br />

Nach einer Phase <strong>des</strong> steilen Aufschwungs steht<br />

die weltweite Luftverkehrsindustrie heute wieder<br />

vor einer zyklischen Abkühlung. Diese Abkühlung<br />

ist nach Zeitenlage und Ausmaß wenig überraschend<br />

und fügt sich ein in die sogar recht regelmäßige<br />

Folge von Auf- und Abschwüngen seit<br />

min<strong>des</strong>tens 25 Jahren. Allerdings wird der aktuelle<br />

konjunkturelle Abschwung verstärkt durch außergewöhnliche<br />

Verwerfungen auf den globalen<br />

Finanzmärkten.<br />

Der weltweite Luftverkehr wächst langfristig stabil<br />

mit durchschnittlich etwa 5% jährlich und damit<br />

deutlich stärker als das weltweite Brutto-Inlandsprodukt.<br />

In Zeiten steigender Brutto-Inlandsprodukte<br />

wächst der Luftverkehr aber sehr viel<br />

schneller als die sonstige Wirtschaft, entsprechend<br />

schnell und kräftig kühlt das Wachstum <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

in Phasen global sinkender Brutto-Inlandsprodukte<br />

ab [Abb. rechts]: Der Luftverkehr zeigt<br />

damit doppelt verstärkte Amplituden (in beiden<br />

Richtungen) im Vergleich zur zugrundeliegenden<br />

BIP-Entwicklung. Eine Folge der Globalisierung ist<br />

die Abnahme von regionalen oder auch kontinentalen<br />

Unterschieden in den Phasen oder Amplituden<br />

der konjunkturellen Ausschläge. Die wirtschaftliche<br />

Öffnung ehemals geschlossener ökonomischer<br />

Riesensysteme wie China zwingt auch<br />

diese Märkte immer mehr in die Konsequenzen<br />

zyklischer Entwicklungen und verteilt gleichzeitig<br />

seine eigene Dynamik auf alle anderen Märkte der<br />

Welt. Für die global operierenden Fluggesellschaften<br />

und deren Allianzen bedeutet dies den Verlust<br />

möglicher Ausgleichsbewegungen. Auch wenn die<br />

Folgen der Zyklen für Flughafenbetreiber oder<br />

Flugsicherungsorganisationen etwas milder ausfallen<br />

als für Fluggesellschaften 1 , bleibt die luftverkehrstypische<br />

Mischung aus extremer Zyklizität<br />

einerseits und hohen Fixkosten andererseits eines<br />

der strukturellen Kernprobleme dieser Industrie.<br />

1 Flughäfen werden von den Fluggesellschaften i.W. auf Basis der Flugbewegungen, der maximal zulässigen Flugzeuggewichte und<br />

der Anzahl der transportierten Passagiere bezahlt. Flugsicherungsorganisationen werden für ihre Dienste an den Flughäfen auf der<br />

Grundlage <strong>des</strong> maximal zulässigen Flugzeuggewichts und auf der Strecke nach dem maximal zulässigen Flugzeuggewicht und der<br />

zurückgelegten Distanz bezahlt.<br />

2 Marktaustritte seit Ende 2007 (Beispiele, Stand Juni 2008): USA: MaxJet, BigSky, Aloha Airlines, ATA Airlines, Skybus Airlines, Eos<br />

Airlines, Frontier Airlines, Champion Air. Asien: OASIS. Europa: Euromanx, Silverjet, L’avion (von BA übernommen). Alle genannten<br />

Fluggesellschaften haben die gestiegenen Kerosinkosten als wesentlichen Grund für den Marktaustritt genannt. Quelle: AEA, ATA,<br />

Unternehmensangaben, Oliver Wyman, Juni 2008.<br />

3 Anteil Kerosinkosten an den Gesamtkosten bei Netzwerkfluggesellschaften ca. 26% (Lufthansa: ca. 22%, Air France: ca. 24%,<br />

British Airways ca. 28%). Für Low-Cost-Fluggesellschaften beträgt der Anteil ca. 36% (Ryanair: ca. 37%, easyjet: 34%. Stand: Mai<br />

2008. Quelle: Oliver Wyman, Juni 2008.


Die zurückgehende Konjunktur für die Luftverkehrswirtschaft<br />

weltweit hat sich bereits 2007 angekündigt<br />

und zeigt heute international v.a. für viele<br />

Fluggesellschaften alle bekannten Begleiterscheinungen:<br />

Jobabbau, Stilllegungen von Flugzeugen<br />

in großem Stil, sogar Marktaustritte 2 .<br />

Die konjunkturelle Abkühlung wird dieses Mal,<br />

anders als 2001 (11. September), 2002 (SARS)<br />

oder zu Anfang der 90er Jahre (Golfkriege), von<br />

vier besonders wichtigen Merkmalen gleichzeitig<br />

geprägt, und zwar ganz unabhängig davon, ob<br />

diese Beobachtungen nun Ursache oder Wirkung<br />

der konjunkturellen Abkühlung sind:<br />

■ Extreme Ausschläge <strong>des</strong> Ölpreis-Niveaus:<br />

Der Ölpreis ist zwischen September 2007 und<br />

Juli 2008 nach OPEC-Angaben um 77% von<br />

durchschnittlich 74,18 USD auf 131,22 USD<br />

pro Barrel gestiegen und hat sich seit dem<br />

Jahr 2000 sogar fast vervierfacht. Anfang<br />

November 2008 hat er sich gegenüber dem<br />

Prozent<br />

10,0<br />

8,0<br />

6,0<br />

4,0<br />

2,0<br />

0<br />

-2,0<br />

1983 1988 1993 1998 2003 2008<br />

Wachstum Luftverkehr<br />

(RPK Durchschnitt)<br />

= 5,2 %<br />

Wachstum Brutto-<br />

Inlandsprodukt<br />

(BIP Durchschnitt)<br />

= 3,0 %<br />

Abb.: Die Leistung <strong>des</strong> Luftverkehrs weltweit folgt den globalen Zyklen <strong>des</strong> Brutto-Inlandsproduktes, allerdings mit deutlich<br />

verstärkter Amplitude in beiden Richtungen<br />

Verlauf <strong>des</strong> weltweiten Brutto-Inlandsprodukts (reales BIP, korrigiert um Einkaufsparitäten, auf Basis USD <strong>des</strong> Jahres 2000) und<br />

der Leistung der weltweiten Luftverkehrsindustrie (gemessen in verkauften Sitz-Kilometern [Revenue Passenger Kilometers,<br />

RPK]). BIP und RPK sind mit einem Gleitenden 3-Jahres-Durchschnitt geglättet worden.<br />

Quelle: Weltbank, ICAO, IATA, Oliver Wyman, airconomy<br />

Spitzenniveau 2008 wieder halbiert, allerdings<br />

zu Lasten gegenläufiger Währungsraten.<br />

Der Ölpreis ist zu einem kaum kalkulierbaren<br />

Risiko geworden. Dies hatte unter<br />

anderem zur Folge, dass das Geschäftsmodell<br />

vieler Low-Cost-Fluggesellschaften in Schwierigkeiten<br />

geriet, weil der Anteil der Kerosinkosten<br />

an den Gesamtkosten wesentlich<br />

größer ist als bei Netzwerkfluggesellschaften.<br />

3 Jedoch müssen sich auch etablierte<br />

Netzwerk-Carrier dem Kostendruck stellen.<br />

Das Geschäftsmodell auch vieler kleinerer,<br />

regional fokussierter Fluggesellschaften gerät<br />

existenziell unter Druck, weil die Pufferwirkung<br />

großer Hub-Systeme nicht zum Tragen<br />

kommen kann. „Schlankheit“ übersetzt sich<br />

nun oftmals in mangelhafte Flexibilität, auf<br />

Marktänderungen reagieren zu können. Dies<br />

wird den Druck auf ohnehin überfällige Konsolidierungen<br />

erhöhen. In Europa stehen<br />

mehrere Fluggesellschaften zum Verkauf, in<br />

den USA werden die Allianz- und Merger-<br />

Veränderung BIP Veränderung RPK<br />

Jahr<br />

Vorwort 7


8<br />

Vorwort <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Karten neu gemischt. Selbst in China erkennt<br />

die Branche, dass zweistellige Wachstumsraten<br />

vergänglich sein können. Eine positive<br />

Begleiterscheinung ist, dass der hohe Ölpreis<br />

einen immensen Druck ausübt, modernste<br />

Flugzeuge und Triebwerke einzusetzen, um<br />

Kerosin zu sparen. Anders gesagt: Wer jetzt<br />

schon moderne, kerosinsparende Flugzeuge<br />

einsetzt, wird in den nächsten Jahren einen<br />

Wettbewerbsvorteil erfliegen.<br />

■ Erneut drohende Überkapazitäten: Die Auftragsbücher<br />

der Flugzeughersteller waren<br />

2007 voller als je zuvor. Ganz offensichtlich<br />

haben viele in der Luftverkehrsindustrie an<br />

einen wesentlich länger anhaltenden Aufschwung<br />

geglaubt. Auch wenn nun etliche<br />

Bestellungen storniert und die verbleibenden<br />

Bestellungen zum Teil zur Flottenmodernisierung<br />

anstatt zu deren Ausweitung genutzt<br />

werden, wird der Weltmarkt in nächster Zeit<br />

mit zusätzlicher Überkapazität in erheblichem<br />

Ausmaß belastet werden. In der Folge wird es<br />

erneut zu Preiskämpfen, vermeidbaren Infrastrukturbelastungen<br />

und Wertberichtigungen<br />

in den Bilanzen infolge einer generellen Abwertung<br />

bestehender Flotten kommen. Auch<br />

dieser Effekt wird die beim Ölpreisthema genannten<br />

Folgen zeigen: Beschleunigung der<br />

Marktaustritte, Konsolidierung und Druck auf<br />

Flottenmodernisierung. Es bleibt abzuwarten,<br />

inwiefern die Finanzkrise und in der Folge<br />

knappere Liquidität die Freiheitsgrade der<br />

Fluggesellschaften weiter einschränkt. Es darf<br />

aber nicht vergessen werden, dass die sehr<br />

ausgeprägten zyklischen Schwankungen im<br />

Luftverkehr gleichwohl auf ein konstant starkes<br />

Basiswachstum aufsetzen.<br />

■ Weltweiter Nachfrageeinbruch im Zuge der<br />

Finanz- und Bankenkrise: Angesichts der im<br />

Herbst 2008 eskalierten Finanzkrise sind<br />

nahezu alle großen Luftverkehrsgesellschaften<br />

und Flughäfen weltweit mit sinkenden<br />

Auslastungen konfrontiert.<br />

■ Die – teilweise – gute Nachricht ist, dass<br />

insbesondere in den USA die großen Airlines<br />

diesmal sehr viel früher im Abschwung und<br />

sehr viel energischer als sonst Kapazität aus<br />

dem Markt nehmen. Es ist nicht verwunderlich,<br />

dass die US-Fluggesellschaften hierbei<br />

vorangehen: Sie sind durch den schwachen<br />

US-Dollar und das vergleichsweise hohe<br />

durchschnittliche Alter ihrer Flugzeuge und<br />

der folglich damit verbundenen geringeren<br />

4, 5<br />

Treibstoffeffizienz zusätzlich belastet.<br />

Die abkühlende Konjunktur und die gestiegenen<br />

Ölpreise haben für die Verbraucher in <strong>Deutschland</strong><br />

eine schwierige Situation geschaffen: In der Folge<br />

ist das für den Konsum verfügbare Einkommen für<br />

breite Bevölkerungsschichten spürbar reduziert und<br />

somit steht für Flugreisen immer weniger Geld zur<br />

Verfügung. Dieser Zusammenhang wird auch an<br />

den Fluggesellschaften und Flughäfen nicht folgenlos<br />

vorübergehen.<br />

Wie stark ist der Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong><br />

also im internationalen Vergleich für diesen zyklischen,<br />

globalen, fixkosten-intensiven, häufig<br />

genug durch Subventionen verzerrten, regional<br />

sehr unterschiedlich deregulierten und fundamental<br />

auf die Gesamtwirtschaft einwirkenden Wettbewerb<br />

gerüstet?<br />

4 Bei einer angenommenen Umsatzrendite von 5% in 2007 für eine typische US-Netzwerkfluggesellschaft und ebenfalls für eine<br />

typische europäische Netzwerkfluggesellschaft verfällt die Umsatzrendite für 2008 durch den kombinierten Effekt aus Kerosinpreis<br />

und Währungs-Disparität auf minus 22% für US-Fluggesellschaften und minus 12% für eine typische kontinentaleuropäische<br />

Netzwerkfluggesellschaft. Quelle: Oliver Wyman, 2008.<br />

5 In der Zeit vom 31.10.2006 bis zum 30.04.2008 hat sich der Wechselkurs EUR/USD von indiziert 100% auf 125% verändert und<br />

somit für europäische Fluggesellschaften einen signifikanten Puffer geschaffen. Quelle: Oliver Wyman, 2008.


Zusammenfassung<br />

<strong>des</strong> Gesamtberichtes<br />

airconomy, Oliver Wyman<br />

Ist der Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> für den Wettbewerb<br />

in der Zukunft gerüstet?<br />

Nach einer Phase <strong>des</strong> steilen Aufschwungs steht die weltweite Luftverkehrsindustrie<br />

heute wieder vor einer zyklischen Abkühlung. Diese geht auf eine rückläufige globale<br />

Konjunktur, in den letzten Jahren extrem gestiegene Kosten (insbesondere<br />

Ölpreisentwicklung) und drohende Überkapazitäten bei Fluggesellschaften zurück.<br />

Allerdings ist der Luftverkehr, gerade für eine international ausgerichtete Volkswirtschaft<br />

wie <strong>Deutschland</strong>, von enormer Bedeutung. Er schafft Mobilität und befriedigt<br />

wirtschaftliche als auch persönliche Mobilitätsbedürfnisse. Weiterhin sichert und<br />

schafft der Luftverkehr als wachsende Branche Wohlstand und Arbeitsplätze.<br />

Was muss getan werden, um weiterhin eine zukunftsfähige<br />

Entwicklung <strong>des</strong> Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong> zu gewährleisten?<br />

Der vorliegende Bericht beschreibt erstmals breit die aktuelle Wettbewerbssituation<br />

<strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>. Damit trägt er dazu bei, auf diese Schlüsselfragen<br />

Antworten zu finden. Neben einer Bestandsaufnahme werden die wichtigsten<br />

Entwicklungen und Trends beschrieben sowie Schlussfolgerungen zu den aktuellen<br />

und zukünftigen Herausforderungen <strong>des</strong> Luftverkehrs gezogen. Abschließend werden<br />

Handlungsempfehlungen für einen zukunftsfähigen Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong><br />

abgeleitet.<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 9


10<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) beschreibt den deutschen,<br />

europäischen und globalen Luftverkehrsmarkt in seinem jetzigen Zustand<br />

Strukturelle Veränderungen auf der Angebotsseite<br />

(insbesondere Konsolidierung unter etablierten<br />

Fluggesellschaften, Markteintritt von Low-Cost-<br />

Fluggesellschaften) wie auch im verkehrsrechtlichen<br />

Rahmen (Marktveränderungen durch<br />

Liberalisierung, zum Beispiel EU-US-Open-Skies-<br />

Abkommen) fördern seit Jahren den nahezu<br />

stetigen Anstieg der Nachfrage. Die steigende<br />

Nachfrage führt allerdings auch zunehmend zu<br />

wachstumshemmenden Engpässen auf einigen<br />

Flughäfen, insbesondere in Frankfurt, München<br />

und Düsseldorf.<br />

Berlin Region (BER)<br />

Bremen (BRE)<br />

Köln/Bonn (CGN)<br />

Dresden (DRS)<br />

Dortmund (DTM)<br />

Düsseldorf (DUS)<br />

Erfurt (ERF)<br />

Friedrichshafen (FDH)<br />

Karlsruhe (FKB)<br />

Münster/Osnabrück (FMO)<br />

Frankfurt (FRA)<br />

Hannover (HAJ)<br />

Hamburg (HAM)<br />

Hahn (HHN)<br />

Lübeck (LBC)<br />

Leipzig/Halle (LEJ)<br />

München (MUC)<br />

Weeze (NRN)<br />

Nürnberg (NUE)<br />

Paderborn (PAD)<br />

Rostock (RLG)<br />

Saarbrücken (SCN)<br />

Stuttgart (STR)<br />

0<br />

5 Mio.<br />

Die potenzielle Wettbewerbsintensität zwischen<br />

international tätigen Fluggesellschaften hängt u.a.<br />

direkt von bilateralen Abkommen zwischen den<br />

Ländern ab – sie können den Wettbewerb fördern<br />

oder behindern. Innerhalb der EU wurde 1997 der<br />

Europäische Binnenmarkt im Luftverkehr vollendet.<br />

Die EU ist bestrebt, gleichen Marktzugang für alle<br />

europäischen Fluggesellschaften zu allen Verbindungen<br />

aus Europa heraus zu ermöglichen.<br />

An den deutschen Flughäfen wurden 2006 insgesamt<br />

176,6 Mio. ein- bzw. aussteigende Fluggäste<br />

10 Mio. 15 Mio. 20 Mio.<br />

Originäreinsteiger<br />

+ 2006<br />

+<br />

+ 68,7 Mio. Originäreinsteiger<br />

+ 19,6 Mio. Umsteiger<br />

= 88,3 Mio. Einsteiger<br />

Einsteiger = Aussteiger<br />

=188,3 Mio. Einsteiger<br />

+ 188,3 Mio. Aussteiger<br />

= 176,6 Mio. Passagiere<br />

Abb.: Struktur der Einsteige-Passagiere an Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> 2006 [siehe auch Abb.1 Kapitel I]<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />

25 Mio.<br />

Umsteiger<br />

30 Mio.


Atlanta (USA)<br />

Chicago O’Hare (USA)<br />

London Heathrow (Großbritannien)<br />

Tokio Haneda (Japan)<br />

Los Angeles (USA)<br />

Dallas/Fort Worth (USA)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Peking (China)<br />

Denver (USA)<br />

Las Vegas (USA)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

Madrid (Spanien)<br />

New York John F. Kennedy (USA)<br />

Hongkong (China)<br />

Houston George Bush (USA)<br />

Phoenix (USA)<br />

Bangkok Suvarnabhumi (Thailand)<br />

Newark (USA)<br />

Detroit (USA)<br />

Minneapolis/Saint Paul (USA)<br />

Tokio Narita (Japan)<br />

Orlando (USA)<br />

London Gatwick (Großbritannien)<br />

Singapur (Singapur)<br />

gezählt. Dieses Passagieraufkommen strukturiert sich<br />

in Originäreinsteiger- und Umsteigerverkehre. Von<br />

den 88,3Mio. Einsteigern sind 68,7Mio. Passagiere<br />

originär an deutschen Flughäfen eingestiegen. Die<br />

verbleibenden 19,6 Mio. sind Umsteigerpassagiere.<br />

Betrachtet man die Ziele, so haben 57% der Einsteiger<br />

europäische, 26% innerdeutsche und 17%<br />

interkontinentale Verbindungen gewählt. [Abb. links]<br />

Weltweit ist eine starke Konzentration auf große<br />

Flughäfen zu verzeichnen. Gemessen an der<br />

Anzahl der Passagiere nutzten 2006 mehr als ein<br />

Viertel aller Fluggäste einen der 25 größten Flughäfen<br />

der Welt. An den 25 größten europäischen<br />

Flughäfen wurde 2006 mehr als die Hälfte (52%)<br />

10 Mio.<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 11<br />

30 Mio. 50 Mio. 70 Mio.<br />

Abb.: Die 25 größten Flughäfen in der Welt nach Zahl der Passagiere 2006 [siehe auch Abb.5 Kapitel I]<br />

Quelle: ACI 2007, DLR 2008. *An- und abfliegende Passagiere ohne Transit<br />

0<br />

Marktanteil in der Welt<br />

(insg. 4,3 Mrd. Passagiere)<br />

72%<br />

28%<br />

Top-25-Flughäfen<br />

Restliche Flughäfen<br />

90 Mio.<br />

Anzahl der Passagiere*<br />

<strong>des</strong> europäischen Passagieraufkommens abgewickelt.<br />

Dies entspricht 16% <strong>des</strong> weltweiten Aufkommens.<br />

47% der Fluggäste, die ihre Reise in<br />

<strong>Deutschland</strong> beginnen oder hier umsteigen, fliegen<br />

ab Frankfurt oder München. [Abb. oben]<br />

In der Luftfracht konzentrieren sich die Verkehre<br />

noch deutlicher auf einige wenige Drehkreuze. So<br />

wurden 2006 an nur 25 Flughäfen 53% <strong>des</strong> weltweiten<br />

Aufkommens von insgesamt 82Mio.Tonnen<br />

Fracht abgewickelt. Auch in Europa wird die<br />

Fracht (2006 insgesamt 15Mio. Tonnen) an einigen<br />

Großflughäfen umgeschlagen, wobei Frankfurt<br />

und Paris zusammen etwa ein Viertel <strong>des</strong><br />

Gesamtaufkommens auf sich vereinigen.


12<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weltweit wurden im Jahr 2007 knapp 36 Mio. Flüge<br />

angeboten. Die größten Luftverkehrsmärkte finden<br />

sich innerhalb Nordamerikas und Europas. Nordamerika<br />

weist die mit Abstand höchste Zahl intraregionaler<br />

Flüge aus. Das höchste interkontinentale<br />

Aufkommen verzeichnet die Nordatlantikroute<br />

zwischen Nordamerika und Europa. [Abb. unten]<br />

Die sechs größten Fluggesellschaften der Welt sind –<br />

gemessen an angebotenen Sitzen – in den USA<br />

beheimatet, gefolgt von Air France-KLM, Continental<br />

Airlines, China Southern und Lufthansa.<br />

Im europäischen Markt entfielen auf die Linien-/<br />

Netzwerkfluggesellschaften im Jahr 2007 fast zwei<br />

Drittel (61,9%) aller Starts an europäischen Flügen.<br />

Außerdem trugen Low-Cost-Fluggesellschaften mit<br />

knapp einem Viertel (23,7%), Regional- sowie<br />

Ferienfluggesellschaften mit 10,3 bzw. 4,2% bei.<br />

Die Flugsicherungsorganisationen müssen sich den<br />

Herausforderungen eines wachsenden Luftverkehrsmarktes<br />

mit der Zunahme der Flugbewegungen<br />

im Luftraum sowie dem Umgang mit Kapazitätsengpässen<br />

vor allem an den Hub-Flughäfen<br />

292<br />

Anzahl intraregionale<br />

Starts/Woche in Tsd.<br />

Anzahl interkontinentale<br />

Starts/Woche in Tsd.*<br />

17<br />

57<br />

4<br />

2<br />

9<br />

146<br />

stellen. Über 3Mio. Flüge kontrollierten allein die<br />

Lotsen der DFS (Deutsche Flugsicherung GmbH)<br />

im deutschen Luftraum im Jahr 2007.<br />

Um der Flugsicherungsaufgabe im internationalen<br />

Vergleich entsprechend der Anforderungen gerecht<br />

werden zu können, soll durch eine stärkere Vereinheitlichung<br />

der Luftraumstrukturen und der europäischen<br />

Bestimmungen ein effizientes europäisches<br />

Luftverkehrsmanagement geschaffen werden. Für<br />

die Schaffung <strong>des</strong> Single European Sky (SES) müssen<br />

in jedem Land jedoch die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

angepasst werden, um konform mit den<br />

EU-Vorgaben zu sein. In jüngster Vergangenheit<br />

haben bereits verschiedene Länder, wie z.B. Großbritannien,<br />

ihre Flugsicherung umstrukturiert, um<br />

sich besser auf die neuen Anforderungen einstellen<br />

zu können. Hierbei ging es vorrangig um strukturelle<br />

Veränderungen der Organisation und um Privatisierungen,<br />

die den Flugsicherungen u.a. einen höheren<br />

unternehmerischen Entscheidungsspielraum einräumen<br />

sollten. Im Zusammenhang mit der Schaffung<br />

eines einheitlichen Luftraums wird so in Teilen ein<br />

wettbewerblich organisierter Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />

geschaffen werden.<br />

Abb.: Weltweiter Luftverkehr in Starts pro Woche 2007 [siehe auch Abb.15 Kapitel I]<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008. *Einschließlich Nahem Osten und Verkehr zwischen Nord- und Südamerika<br />

6<br />

4<br />

15<br />

2<br />

9<br />

9<br />

4<br />

1<br />

112<br />

2<br />

23


Das jährliche weltweite Passagieraufkommen wird<br />

sich von 4,3Mrd. Passagieren im Jahr 2006 auf ca.<br />

9,1Mrd. im Jahr 2025 verdoppeln (plus 4% p.a.).<br />

Für die Luftfracht wird in diesem Zeitraum mit einem<br />

Wachstum von jährlich 5,8% – bezogen auf die<br />

geflogenen Frachtkilometer – gerechnet. Gründe für<br />

dieses Wachstum sind vor allem die Bevölkerungsentwicklung,<br />

das gestiegene Mobilitätsbedürfnis, die<br />

zunehmenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen,<br />

das weltweite Wirtschaftswachstum sowie<br />

die fortschreitende Deregulierung und Liberalisierung<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrs. [Abb. unten]<br />

Das Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens im<br />

Luftverkehr wird regional unterschiedlich ausfallen:<br />

Die höchsten Wachstumsraten sind in den nächsten<br />

Jahren für Afrika sowie den asiatisch/pazifischen<br />

Raum (jeweils plus 5,8% p.a.) zu erwarten.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass der Luftverkehr<br />

im Nahen Osten bis 2025 pro Jahr mit durch-<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 13<br />

Das European Center for Aviation Development – ECAD GmbH untersucht Entwicklungen<br />

in ausgewählten Luftverkehrsmärkten. Dabei wird auch auf die<br />

unterschiedlichen volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen<br />

eingegangen<br />

Jährliches Passagieraufkommen<br />

(in Millionen)<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

4,9%<br />

4.317<br />

5,7%<br />

4.565<br />

5,0% 4,8%<br />

4.793<br />

5.024<br />

4,6%<br />

5.255<br />

2006 2007 2008 2009 2010 2015 2025<br />

Passagiere<br />

schnittlich 4,6% auf 260 Mio. Passagiere anwachsen<br />

wird. Für Nordamerika ist hingegen mit einer<br />

Sättigung <strong>des</strong> Luftverkehrsmarktes auf hohem<br />

Niveau (plus 2,7% p.a. auf 2,53Mrd. Passagiere<br />

2025) zu rechnen. Für Europa wird bis zum Jahr<br />

2025 ein durchschnittliches Wachstum von 3,6%<br />

pro Jahr auf 2,56Mrd. Passagiere prognostiziert.<br />

Im Jahr 2020 werden nur noch sieben US-amerikanische<br />

Flughäfen unter den zwanzig größten Flughäfen<br />

der Welt erwartet. Die asiatischen Flughäfen<br />

Shenzhen, Jakarta und Guangzhou werden im<br />

Vergleich zu 2006 neu in dieser Aufstellung rangieren.<br />

Darüber hinaus wird China im Jahr 2020 die<br />

USA als weltweit größten Luftverkehrsmarkt<br />

abgelöst haben, und mit Dubai wird dann auch ein<br />

Flughafen aus dem Nahen Osten in der Rangfolge<br />

der zwanzig größten Flughäfen vertreten sein. In<br />

Bezug auf <strong>Deutschland</strong> wird Frankfurt der einzige<br />

Flughafen in dieser Aufstellung sein. Anzumerken<br />

4,0%<br />

6.408<br />

Jährliche<br />

Wachstumsrate<br />

9.095<br />

Abb.: Entwicklung <strong>des</strong> Passagieraufkommens im weltweiten Luftverkehr 2006–2025 [siehe auch Abb.1 Kapitel II]<br />

Quelle: ACI 2007<br />

3,6%<br />

Jährl. Wachstum<br />

6%<br />

5%<br />

4%<br />

3%<br />

2%<br />

1%<br />

0


14<br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

ist ferner, dass die europäischen Flughäfen und<br />

insbesondere der deutsche Flughafen Frankfurt bei<br />

unzureichenden Kapazitäten ihrer Luftverkehrsinfrastruktur<br />

gegenüber der für 2020 prognostizierten<br />

Rangfolge im internationalen Vergleich noch<br />

weitere Positionen einbüßen würden. [Abb. rechts]<br />

Folgende wichtige Erkenntnisse können aus einem<br />

Vergleich der Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrssektors<br />

der betrachteten Länder gezogen werden:<br />

Planungs- und Genehmigungsverfahren können in<br />

der Mehrzahl der Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens und<br />

Asiens, wenn auch unter teilweiser Inkaufnahme<br />

geringerer gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten,<br />

schneller und wesentlich kostengünstiger<br />

bewerkstelligt werden als in den Ländern Europas<br />

und den USA.<br />

<strong>Deutschland</strong> und andere europäische Länder<br />

gehören zu den Standorten, die im internationalen<br />

Vergleich mit relativ hohen Gesamtkosten wirtschaften.<br />

Dies impliziert für die gesamte Luftverkehrswirtschaft<br />

in <strong>Deutschland</strong> einen hohen Effizienzdruck.<br />

Zur Sicherung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

der deutschen Luftverkehrswirtschaft sind geeignete<br />

rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen, die beispielsweise eine einfachere,<br />

schnellere und kundenfreundlichere Abwicklung<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrs unterstützen.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> prognostizierten Wachstums<br />

gewinnt auch das Thema Flugsicherung<br />

international zunehmend an Bedeutung. Die Forderung<br />

nach einer strukturellen und technischen<br />

Modernisierung der Flugsicherungen beinhaltet als<br />

übergeordnete Ziele eine weitere Verbesserung von<br />

Sicherheitsstandards, die Steigerung der Gesamteffizienz,<br />

eine Optimierung vorhandener Kapazitäten<br />

sowie eine Verringerung flugsicherungsbedingter<br />

Angesichts der dezentralen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />

in <strong>Deutschland</strong> gibt es hier kein<br />

großes Luftverkehrsdrehkreuz mit einem originären<br />

Flugreiseaufkommen der Dimension von z.B. London<br />

oder Paris. Eine einseitige Konzentration auf die<br />

Abb.: Die 20 größten Flughäfen der Welt 2006 und 2020 gemessen<br />

am Passagieraufkommen [siehe auch Abb.3 Kapitel II]<br />

Quelle: Abschätzung anhand der Passagieraufkommen 2006<br />

und prognostizierter Wachstumsraten; ACI 2007, IATA 2007,<br />

ICAO 2007, Boeing 2006 und Airbus 2007<br />

Verspätungen. Um in Europa die notwendigen<br />

Effizienzsteigerungen realisieren zu können, sollten<br />

sich die politischen Entscheidungsträger nach einer<br />

angemessenen Bewertungsphase auf die für die<br />

Organisation der Flugsicherungsdienste beste<br />

Lösung verständigen und die dafür notwendigen<br />

Schritte einleiten.<br />

airconomy, Oliver Wyman und ECAD ziehen zu den polyzentrischen Luftverkehrsstrukturen<br />

in <strong>Deutschland</strong> folgende Schlussfolgerungen:<br />

2006<br />

Nr. Flughafen<br />

1 Atlanta ATL<br />

2 Chicago ORD<br />

3 London LHR<br />

4 Tokio HND<br />

5 Los Angeles LAX<br />

6 Dallas DFW<br />

7 Paris CDG<br />

8 Frankfurt FRA<br />

9 Peking PEK<br />

10 Denver DEN<br />

11 Las Vegas LAS<br />

12 Amsterdam AMS<br />

13 Madrid MAD<br />

14 Hongkong HKG<br />

15 New York JFK<br />

16 Bangkok BKK<br />

17 Houston IAH<br />

18 Phoenix PHX<br />

19 Newark EWR<br />

20 Detroit DTW<br />

2020<br />

Nr. Flughafen<br />

1 Peking PEK<br />

2 Atlanta ATL<br />

3 Tokio HND<br />

4 Paris CDG<br />

5 Chicago ORD<br />

6 London LHR<br />

7 Madrid MAD<br />

8 Shenzhen SZX<br />

9 Bangkok BKK<br />

10 Dubai DXB<br />

11 Hongkong HKG<br />

12 Frankfurt FRA<br />

13 Amsterdam AMS<br />

14 Los Angeles LAX<br />

15 Jakarta CGK<br />

16 Dallas DFW<br />

17 Las Vegas LAS<br />

18 Houston IAH<br />

19 Guangzhou CAN<br />

20 Phoenix PHX<br />

Nordamerika Asien/Pazifik Europa Naher Osten<br />

Bedienung originärer Luftverkehre von und nach<br />

<strong>Deutschland</strong> ist ohne eine solche Nachfragestruktur<br />

auch nicht sinnvoll. Dagegen ist kein anderer Luftverkehrsstandort<br />

in Europa ähnlich stark aufgestellt<br />

wie <strong>Deutschland</strong>, um Umsteigepassagiere zu bedie


nen und damit Flugverkehre zu bündeln. Hierzu<br />

tragen insbesondere die hohe Verbindungsstärke<br />

zwischen den deutschen Flughäfen sowie die gute<br />

Zusammenarbeit und Prozessabstimmung zwischen<br />

den beteiligten Flughäfen und Fluggesellschaften<br />

bei. Dabei erweist sich das Netz aus internationalen<br />

Verkehrsflughäfen in den Wirtschaftszentren<br />

<strong>Deutschland</strong>s im Verbund mit den beiden Hubs<br />

Frankfurt und München sowie den beteiligten<br />

Fluggesellschaften als hoch synergetisch.<br />

Die hohe Leistungsfähigkeit im Umsteigeverkehr<br />

markiert gleichzeitig einen wunden Punkt <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>: Umsteigeverkehre<br />

können international ausweichen, wenn die operativen,<br />

regulativen und infrastrukturellen Voraussetzungen<br />

der heutigen Leistungsfähigkeit nicht<br />

gewährleistet werden. Ein reduziertes Luftverkehrsangebot<br />

sowie geringere Verbindungshäufigkeiten<br />

wären unausweichlich und die Folgen für die Exportfähigkeit<br />

und den Arbeitsmarkt in <strong>Deutschland</strong><br />

Zusammenfassung <strong>des</strong> Gesamtberichtes 15<br />

gravierend. Damit ist der deutsche Luftverkehrsmarkt<br />

durch Verzerrungen im Wettbewerb um Umsteigeverkehre<br />

oder durch infrastrukturelle Defizite<br />

leichter verwundbar als seine Wettbewerber.<br />

Um die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Luftverkehrs-<br />

Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong> erhalten<br />

zu können, sind folgende Voraussetzungen unabdingbar:<br />

■ Langfristig ausgerichteter und bedarfsgerechter<br />

Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur am<br />

Boden und in der Luft,<br />

■ höchste Prozesseffizienzen sowie<br />

■ die aktive Weiterentwicklung <strong>des</strong> hoch synergetischen<br />

Verbun<strong>des</strong> von internationalen<br />

Verkehrsflughäfen und Hubs.<br />

Der Systemverbund ist Erfolgsfaktor Nummer Eins<br />

für ein breites und dichtes Flugangebot aus der<br />

Fläche in die ganze Welt.<br />

Vor dem Hintergrund der Analysen geben airconomy und Oliver Wyman Handlungsempfehlungen<br />

für eine zukunftsfähige Luftverkehrspolitik in <strong>Deutschland</strong><br />

Die föderalen Instrumente (Zuständigkeit der Länder<br />

für Flughafenpolitik im Zuge einer Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung)<br />

sollten in Verbindung mit denen <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> und der Europäischen Kommission so genutzt<br />

werden, dass sie das deutsche Luftverkehrssystem<br />

optimal für den globalen Wettbewerb und<br />

seine Entscheidungsstruktur positionieren. Danach<br />

sollten folgende zentrale Punkte beachtet und<br />

realisiert werden:<br />

■ Zukunftsfähige und einvernehmliche Luftverkehrsstrategie<br />

für die Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> definieren<br />

und mit Maßnahmen hinterlegen.<br />

Kernpunkte dieser Strategie sind insbesondere<br />

verzerrungsfreie nationale und internationale<br />

Wettbewerbsbedingungen sowie die<br />

Verabschiedung eines Flughafenkonzeptes<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, das eine zukunftsweisende,<br />

koordinierte Entwicklung ermöglicht.<br />

Bei der Strategie-Definition ist die Bedeutung<br />

einer engen Systempartnerschaft über die<br />

gesamte Luftverkehrs-Wertschöpfungskette<br />

zu berücksichtigen.<br />

■ Infrastrukturprojekte, die für die Entwicklung<br />

der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> von erheblicher<br />

Bedeutung sind, priorisieren. Dazu zählt u.a.<br />

der nachfragegerechte Ausbau von Flughäfen<br />

und ihrer intermodalen Anbindung.<br />

■ Konsequente Umsetzung der Harmonisierung<br />

und effiziente Nutzung <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftraums (Single European Sky).<br />

■ Forschung und Lehre zu den Themen <strong>des</strong><br />

Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong> erweitern,<br />

fokussieren und finanziell stärken.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 17<br />

I. Status Quo<br />

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)<br />

1. Zusammenfassung<br />

Ziel <strong>des</strong> ersten Kapitels ist eine neutrale Beschreibung<br />

<strong>des</strong> deutschen Luftverkehrsmarktes in seinem<br />

jetzigen Zustand. Dabei wird zunächst eine gesamthafte<br />

Betrachtung vorgenommen, dann werden<br />

wesentliche Kennzahlen der Marktteilnehmer<br />

beschrieben: Fluggäste oder Frachtversender auf<br />

der Nachfrage- und Flughäfen, Fluggesellschaften<br />

und Flugsicherung auf der Angebotsseite.<br />

Die strukturellen Veränderungen auf der Angebotsseite<br />

und im verkehrsrechtlichen Rahmen fördern<br />

seit Jahren den nahezu stetigen Anstieg der Nachfrage.<br />

Die steigende Anzahl von Flugbewegungen<br />

führt allerdings auch zunehmend zu Engpässen auf<br />

einigen Flughäfen, insbesondere in Frankfurt und<br />

München. Der durch Neuanbieter steigende Wettbewerb<br />

kann an diesen Flughäfen nur eingeschränkt<br />

stattfinden und bestehende Anbieter<br />

können ihr Angebot nicht wunschgemäß ausweiten.<br />

Gleichzeitig führen die wachstumshemmenden<br />

Kapazitätsengpässe zu unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

der Marktteilnehmer im Wettbewerb.<br />

Die potenzielle Wettbewerbsintensität zwischen<br />

international tätigen Fluggesellschaften hängt u.a.<br />

direkt von bilateralen Abkommen zwischen Ländern<br />

ab – sie können den Wettbewerb fördern oder ihn<br />

als Markteintrittsbarriere behindern. Innerhalb der<br />

EU wurde 1997 der gemeinsame Binnenmarkt im<br />

Luftverkehr vollendet. Die EU ist bestrebt, gleichen<br />

Marktzugang für alle europäischen Fluggesellschaften<br />

zu allen Diensten aus Europa heraus zu<br />

ermöglichen.<br />

Das deutsche Passagieraufkommen strukturiert sich<br />

in Originär- und Umsteigeraufkommen. 2006 verzeichnete<br />

<strong>Deutschland</strong> ein Aufkommen von insgesamt<br />

176,6 Mio. Fluggästen, die sich je zur Hälfte<br />

aus Ein- und Aussteigern zusammensetzen. Von<br />

den 88,3 Mio. Einsteigern an deutschen Flughäfen<br />

waren 68,7 Mio. Originäreinsteiger, die ihre Flugreise<br />

an dem entsprechenden Flughafen begannen.<br />

Der verbleibende Teil von 19,6 Mio. ist an einem<br />

der deutschen Flughäfen umgestiegen.<br />

Weltweit ist eine starke Konzentration auf wenige<br />

große Flughäfen zu verzeichnen. Gemessen an der<br />

Anzahl der Passagiere nutzten 2006 mehr als ein<br />

Viertel (28%) aller Fluggäste einen der 25 größten<br />

Flughäfen der Welt. Diese liegen in den USA, in<br />

Europa oder in den bevölkerungsreichen Ländern<br />

Asiens wie China, Thailand oder Japan. Der hohe<br />

Konzentrationsgrad der Flughäfen lässt sich auch<br />

im europäischen Vergleich nachweisen. So wurde<br />

2006 an den 25 größten Flughäfen Europas mehr<br />

als die Hälfte (52%) <strong>des</strong> europäischen und 16%<br />

<strong>des</strong> weltweiten Passagieraufkommens bewältigt.<br />

Passagiere, die in <strong>Deutschland</strong> ein Flugzeug bestiegen,<br />

sind im Jahr 2006 hauptsächlich zu europäi-


18<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

schen (57%), gefolgt von innerdeutschen (26%)<br />

und interkontinentalen Zielen (17%) gereist. Von<br />

sämtlichen innerdeutsch beförderten Passagieren<br />

(23,1Mio.) entschieden sich mehr als die Hälfte der<br />

Passagiere für eine der zehn aufkommensstärksten<br />

innerdeutschen Flugverbindungen.<br />

In der Luftfracht lässt sich sogar eine noch deutlichere<br />

Konzentration auf wenige Flughäfen beobachten:<br />

Insgesamt wurden an nur 25 Flughäfen<br />

53% <strong>des</strong> weltweiten Luftfrachtaufkommens abgewickelt,<br />

so dass die Konzentration auf einige wenige<br />

Hauptdrehkreuze deutlich stärker ausgeprägt ist<br />

als im Passagierbereich. Unter den 25 größten<br />

Frachtdrehkreuzen liegen 11 in Asien, zehn in den<br />

USA, aber nur vier in Europa. 2006 wurden insgesamt<br />

82Mio. Tonnen Fracht weltweit per Flugzeug<br />

transportiert.<br />

Der Luftfrachtverkehr in Europa ist vorwiegend auf<br />

einige Hauptdrehkreuze konzentriert, an denen<br />

jedoch nur 16% <strong>des</strong> weltweiten Luftfrachtaufkommens<br />

umgeschlagen werden. Die verbliebenen<br />

84% der gesamten Fracht wurden an den großen<br />

Frachtdrehkreuzen in Asien und den USA verladen.<br />

Insgesamt wurden 2006 an europäischen Flughäfen<br />

15Mio. Tonnen Fracht abgefertigt. Frankfurt<br />

und Paris Charles de Gaulle vereinen etwa ein<br />

Viertel <strong>des</strong> Gesamtfrachtaufkommens an europäischen<br />

Flughäfen mit zusammen knapp 4Mio.<br />

Tonnen auf sich. Auf den Plätzen 3 und 4 folgen<br />

Amsterdam und London Heathrow.<br />

Weltweit wurden im Jahr 2007 knapp 36Mio.<br />

Flüge angeboten. Die größten Luftverkehrsmärkte<br />

finden sich innerhalb Nordamerikas und Europas.<br />

Nordamerika weist die mit Abstand höchste Zahl<br />

intraregionaler Flüge auf. Das höchste interkontinentale<br />

Aufkommen verzeichnet die Nordatlantikroute.<br />

Die intraregionalen Flüge übertreffen die<br />

Anzahl interkontinentaler Flüge deutlich.<br />

Amerikanische Fluggesellschaften dominieren den<br />

Passagierverkehr. Die sechs größten Fluggesellschaften<br />

der Welt – gemessen an angeboten Sitzplätzen<br />

– sind in den USA beheimatet. Auf Platz 7<br />

befindet sich Air France-KLM, gefolgt von Continental<br />

Airlines, China Southern und Lufthansa auf<br />

den Plätzen 8 bis 10.<br />

Im europäischen Markt deckten die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

im Jahr 2007 fast zwei<br />

Drittel (61,9%) aller Starts an europäischen Flügen<br />

ab, gefolgt von den Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

mit knapp einem Viertel (23,7%). Regional- sowie<br />

Ferienfluggesellschaften weisen hingegen nur<br />

einen Anteil von 10,3% bzw. 4,2% auf.<br />

Die Top 20 der europäischen Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

decken 80% der Flüge in ihrem<br />

Segment ab. Im Segment der Ferienfluggesellschaften<br />

ist die Konzentration sogar noch höher: Hier<br />

bilden die Top 20 mit 94% nahezu den gesamten<br />

Markt ab. Dieses Bild ist vergleichbar mit dem im<br />

Low-Cost-Segment, welches zu 90% von seinen<br />

Top-20-Fluggesellschaften bedient wird. Im Bereich<br />

der Regionalfluggesellschaften ist die Marktkonzentration<br />

vergleichsweise gering: Die Top 20<br />

decken hier 64% der Flüge ab.<br />

Die Flugsicherungen als weiteres Element in der<br />

Wertschöpfungskette <strong>des</strong> Luftverkehrs müssen sich<br />

den Herausforderungen eines wachsenden Luftverkehrsmarktes<br />

mit der Zunahme der Flugbewegungen<br />

im Luftraum sowie dem Umgang mit Kapazitätsengpässen<br />

vor allem an den Hub-Flughäfen stellen. Über<br />

3Mio. Flüge kontrollierten allein die Lotsen der DFS<br />

Deutsche Flugsicherung GmbH im deutschen Luftraum<br />

im Jahr 2007, Tendenz steigend.<br />

Um europaweit dieser Aufgabe gerecht zu werden,<br />

ist es notwendig, einen Einheitlichen Europäischen<br />

Luftraum (Single European Sky) zu schaffen, unterteilt<br />

in Luftraumblöcke, die sich an den Verkehrsströmen<br />

und nicht an nationalen Grenzen orientieren.<br />

Dafür müssen in jedem Land jedoch die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen angepasst werden, um<br />

konform mit den EU-Vorgaben zu sein. Im Zusammenhang<br />

mit der Schaffung eines einheitlichen<br />

Luftraums könnte so in Teilen ein wettbewerblich<br />

organisierter Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />

geschaffen werden.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 19<br />

2. Ausgangssituation<br />

2.1 Angebots- und Nachfragestruktur<br />

als Basis der Betrachtungen<br />

Der Luftverkehrsmarkt in <strong>Deutschland</strong> wird angebotsseitig<br />

durch Flughafenbetreiber, Luftverkehrsgesellschaften<br />

sowie Flugsicherungsdienste getragen.<br />

Darüber hinaus wirken weitere Akteure am<br />

Marktgeschehen <strong>des</strong> Luftverkehrs mit, wie z.B. die<br />

Luftverkehrsverwaltung, der Flugplankoordinator,<br />

Reisemittler und -veranstalter sowie für Luftverkehrsgesellschaften<br />

und an Flughäfen tätige<br />

Dienstleister. Die Nachfrageseite bilden Fluggäste<br />

und Frachtversender einschließlich der Luftpost.<br />

Die Flugreisenden setzen sich zusammen aus Passagieren,<br />

die innerhalb <strong>Deutschland</strong>s und ins Ausland<br />

fliegen und aus internationalen Passagieren,<br />

die als End- oder Umsteigeziel <strong>Deutschland</strong> haben.<br />

Dabei haben die Umsteigepassagiere je nach Reiseroute<br />

die Wahl zwischen deutschen und internationalen<br />

Drehkreuzflughäfen. So kann beispielsweise<br />

ein Reisender aus Indien mit einem Zielort in den<br />

USA sowohl über einen europäischen Flughafen<br />

(z.B. Frankfurt, München, London oder Paris) als<br />

auch über ein Drehkreuz im Nahen Osten (z.B.<br />

Dubai) reisen. Eine zunehmende Bedeutung nimmt<br />

die Luftfracht ein, die entweder über Mittler wie<br />

Speditionen oder durch dieLuftverkehrsgesellschaften<br />

selbst in Form klassischer Luftfracht oder zeitgarantierter<br />

Kurier-Express-Paket-Fracht (KEP) in<br />

Passagier- und Nurfrachtflugzeugen transportiert<br />

wird.<br />

Flugreisende können in <strong>Deutschland</strong> grundsätzlich<br />

aus einer Vielzahl von Fluggesellschaften wählen.<br />

Allerdings variiert je nach Strecke die Anbieterzahl.<br />

Flughäfen stehen u.a. bei überschneidenden<br />

Einzugsgebieten und nach den von dort angebotenen<br />

Destinationen im Wettbewerb um Fluggesellschaften<br />

miteinander. Aufgrund ihres hoheitlichen<br />

Auftrags übernimmt die Flugsicherung die Kontrolle<br />

an 17 internationalen Verkehrsflughäfen in<br />

<strong>Deutschland</strong>.<br />

2.2 Marktänderungen durch<br />

Liberalisierung<br />

Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs führt zu bedeutenden<br />

strukturellen Veränderungen<br />

Die Wettbewerbsintensität hängt neben der<br />

Angebots- und Nachfragestruktur der Marktteilnehmer<br />

von den rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

ab. Im Luftverkehr gelten dabei sowohl internationale<br />

Regelungen und Vereinbarungen als auch<br />

nationales Recht. Durch die Liberalisierung <strong>des</strong><br />

deutschen und europäischen Luftverkehrs kam<br />

es zu bedeutenden strukturellen Veränderungen.<br />

So besteht u.a. die Möglichkeit für europäische<br />

Fluggesellschaften, sämtliche Verbindungen im<br />

europäischen Markt zu bedienen. Dadurch hat<br />

der Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften<br />

erheblich zugenommen. Dies wurde auch durch<br />

den Markteintritt diverser Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

verstärkt, die durch zahlreiche Direktverbindungen<br />

und mit niedrigen Preisen neue Kundengruppen<br />

und damit zusätzliche Nachfrage<br />

generierten.<br />

Diese strukturellen Veränderungen auf der Angebotsseite<br />

und im verkehrsrechtlichen Rahmen<br />

förderten zusätzlich den seit Jahren vorhandenen<br />

Anstieg der Nachfrage. Die steigende Anzahl von<br />

Flugbewegungen führt allerdings auch zunehmend<br />

zu Engpässen auf einigen Flughäfen, insbesondere<br />

in Frankfurt und München. Hier wie auch in Düsseldorf<br />

ist es kaum mehr möglich, Slots zu den<br />

gewünschten Zeiten zu erhalten. Der durch Neuanbieter<br />

steigende Wettbewerb kann an diesen<br />

Flughäfen nur eingeschränkt stattfinden. Gleichzeitig<br />

führen die wachstumshemmenden Kapazitätsengpässe<br />

zu unterschiedlichen Auswirkungen auf<br />

die Marktteilnehmer im Wettbewerb.<br />

Die potenzielle Wettbewerbsintensität zwischen<br />

international tätigen Fluggesellschaften hängt u.a.<br />

direkt von bilateralen Abkommen zwischen Ländern<br />

ab – sie können den Wettbewerb fördern oder<br />

ihn als Markteintrittsbarriere behindern. Die Tendenz<br />

geht zu liberaleren Abkommen, die im Fall<br />

von sogenannten Open-Sky-Abkommen i.d.R.<br />

sämtliche Verkehrsrechte und freie Preis-, Flugha-


20<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

fen- und Kapazitätswahl ermöglichen sowie keine<br />

Designierung von Airlines vorsehen.<br />

Restriktive Abkommen können durch Preis-, Kapazitäts-<br />

und Frequenzfestlegungen sowie durch<br />

eingeschränkte Designierung weniger Fluggesellschaften<br />

der Vertragsstaaten die Marktzugangschancen<br />

für neue Marktteilnehmer auf diesen<br />

Strecken erschweren. Nur wenn die <strong>des</strong>ignierte<br />

Fluggesellschaft eines Lan<strong>des</strong> ihre Rechte nicht<br />

wahrnimmt oder eine Erweiterung <strong>des</strong> bilateralen<br />

Abkommens in Verhandlungen erzielt werden<br />

kann, haben neue Marktteilnehmer eine Eintrittschance.<br />

Innerhalb der EU herrscht ein gemeinsamer Binnenmarkt<br />

im Luftverkehr. Die EU ist bestrebt,<br />

umfangreiche multilaterale Abkommen mit Drittstaaten<br />

zu schließen und so den Markt zu erweitern,<br />

da ein Urteil <strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofs<br />

gleichen Marktzugang für alle europäischen Fluggesellschaften<br />

zu allen Diensten aus Europa heraus<br />

vorsieht.<br />

Im Folgenden wird auf bilaterale Abkommen mit<br />

den Ländern, die im Kapitel 2 analysiert werden,<br />

eingegangen. Zwischen den USA und <strong>Deutschland</strong><br />

sind seit Jahren nahezu alle Beschränkungen<br />

im bilateralen Verkehr aufgehoben („open skies“).<br />

Im neuen EU-US-Luftverkehrsabkommen, das die<br />

jeweiligen bilateralen Abkommen abgelöst hat,<br />

wird geregelt, dass alle Fluggesellschaften der EU<br />

von allen Orten aus in die USA fliegen können und<br />

umgekehrt.<br />

China und Indien stellen große Wachstumsmärkte<br />

dar. Für diese Märkte ist die Möglichkeit der zunehmenden<br />

Netzausweitung von entscheidender<br />

Bedeutung. Die bilateralen Abkommen <strong>Deutschland</strong>s<br />

mit China und Indien sehen allerdings Beschränkungen<br />

bei den Verkehrsrechten, der Anzahl<br />

der anzufliegenden Flughäfen und <strong>des</strong>ignierten<br />

Fluggesellschaften sowie bei den erlaubten Frequenzen<br />

vor. Diese Mengenbegrenzungen können eine<br />

Markteintrittsbarriere bilden.<br />

Die Golfstaaten im Nahen Osten haben relativ<br />

kleine Heimatmärkte. Diese Länder und ihre Fluggesellschaften<br />

profitieren von einer weitergehenden<br />

Liberalisierung, da sie in diesem Rahmen neue<br />

Umsteigermärkte gewinnen. Aktuell begrenzen die<br />

bilateralen Abkommen mit Bahrain, Katar und den<br />

Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) die Anzahl<br />

der anzufliegenden Flughäfen und erlaubten Frequenzen,<br />

bei den VAE ist die Frequenzzahl jedoch<br />

frei wählbar.<br />

Mit der vollständigen Verwirklichung <strong>des</strong> EU-<br />

Luftverkehrsbinnenmarktes im Jahr 1997 entfielen<br />

im EU- oder Inlandsverkehr auch die Beschränkungen<br />

im Verkehr mit Frankreich und dem Vereinigten<br />

Königreich.<br />

2.3 Markteintrittsbarrieren im Luftverkehrsmarkt<br />

Markteintrittsbarrieren führen zu Wettbewerbsbeschränkungen<br />

und sind daher für die Beurteilung<br />

<strong>des</strong> Wettbewerbs in einer Branche von Bedeutung.<br />

Markteintrittsbarrieren im Luftverkehr sind vor<br />

allem begründet durch Kapazitätsengpässe auf<br />

Flughäfen, die durch Umweltregularien, wie eine<br />

Begrenzung der Nutzungszeiten oder der Lärmmenge<br />

und durch das Regime zur Vergabe von<br />

Landerechten (Slot-Allokation) verschärft werden. 1<br />

Die Bahnkapazität ist die mit Abstand wichtigste<br />

und am schwierigsten zu behebende Kapazitätsgröße<br />

eines Flughafens. Erweiterungsmaßnahmen<br />

sind, wenn überhaupt, nur über extrem lange<br />

Zeiträume von bis zu 30 Jahren möglich, bedingt<br />

durch lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.<br />

Auch wenn Terminalausbauten tendenziell<br />

schneller umgesetzt werden als Erweiterungen der<br />

Bahnkapazität, stellt an einzelnen Flughäfen die<br />

Terminalkapazität den entscheidenden Engpass für<br />

neue Marktzutritte dar. Hinzu kommen an vielen<br />

Standorten, wie z.B. in Düsseldorf, administrative<br />

Maßnahmen zur Kapazitätsverknappung: Durch<br />

eine Bewegungskontingentierung wird die erlaubte<br />

Zahl an Flugbewegungen unterhalb der technisch<br />

möglichen Grenze festgelegt, und eine Beschränkung<br />

der Nutzungszeiten, in der Regel durch Nachtflugbeschränkungen,<br />

macht den Marktzugang zu<br />

bestimmten Zeiten gänzlich unmöglich. In Verbindung<br />

mit der aktuellen Vergabemethodik für Slots,<br />

die sich nicht an Zahlungsbereitschaften orientieren,<br />

sondern unter anderem Bestandsgarantien bieten<br />

(Großvaterrechte), führen die genannten Engpässe<br />

dazu, dass neue bzw. zusätzliche Anbieter an<br />

attraktiven Flughäfen trotz einer bevorzugten Be-


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 21<br />

handlung bei der Slotvergabe kaum eine Möglichkeit<br />

haben, ihr Angebot am Markt darzustellen.<br />

Aber auch Betriebsgrößen- und Verbundvorteile<br />

bestehender Fluggesellschaften, die bereits über<br />

ausgedehnte Netzwerke und etablierte Hubs verfügen<br />

und deren Kundenbindungsmaßnahmen in<br />

Form von Vielfliegerprogrammen können Markteintrittsbarrieren<br />

für neue Fluggesellschaften darstellen.<br />

2 Ebenso können mangelnder Wettbewerb,<br />

z.B. im Bereich der Bodenverkehrsdienste, vertikale<br />

Integration oder mangelnde Kapazitäten im Bereich<br />

der Check-in-Einrichtungen und Gates (insbesondere<br />

in den USA) Barrieren bilden.<br />

Trotz der Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs in der EU<br />

gibt es zudem noch monopolgeschützte Strecken.<br />

Für deren Bedienung erhalten die im Rahmen einer<br />

öffentlichen Ausschreibung ermittelten Fluggesellschaften<br />

Subventionen. In <strong>Deutschland</strong> gibt es mit<br />

Hof–Frankfurt, Rostock–München und Erfurt–<br />

München zurzeit nur drei von 207 solcher in Europa<br />

monopolgeschützter Strecken. 3 Werden, wie<br />

in einigen europäischen Ländern geschehen, auch<br />

aufkommensstarke Städtepaare einer solchen<br />

Marktregelung unterworfen, so könnte dieses<br />

Instrument dazu missbraucht werden, die Betreiber<br />

dieser Strecken vor Wettbewerb zu schützen.<br />

Zudem resultieren Markteintrittsbarrieren aus<br />

den bereits oben beschriebenen bilateralen Luftverkehrsabkommen,<br />

sonstigen Beihilfen und aus<br />

Subventionszahlungen an Fluggesellschaften wie<br />

etwa an Olympic Airlines.<br />

1 Vgl. Weimann (1998): Markteintrittsbarrieren im europäischen Luftverkehr: Konsequenzen für die Anwendbarkeit der Theorie<br />

der Contestable markets, S.165 f.<br />

2 Vgl. Weimann (1998): a.a.O., S. 259ff. sowie Entscheidung der Kommission vom 16. Januar 1996, Amtsblatt Nr. L 054 vom<br />

05/03/1996 S.28–42, Rn 53: „Ein gemeinsames System kann daher für andere Gesellschaften, die nicht über vergleichbare<br />

Programme verfügen, eine nicht unerhebliche Markteintrittsschranke darstellen …“<br />

3 Public Service Obligations, List of Routes concerned, Stand: 18.06.2008, http://ec.europa.eu/transport/ air_portal/internal_<br />

market/doc/pso_180608.pdf.


22<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

2.4 Strukturierung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

in <strong>Deutschland</strong><br />

Das Passagieraufkommen in <strong>Deutschland</strong> strukturiert<br />

sich in Originär- und Umsteigeraufkommen.<br />

2.4.1 Originär- und Umsteigeraufkommen<br />

2006 verzeichnete <strong>Deutschland</strong> ein Aufkommen<br />

von insgesamt 176,6 Mio. Passagieren, die sich je<br />

zur Hälfte aus Ein- und Aussteigern zusammensetzten.<br />

Von den 88,3 Mio. Einsteigern an deutschen<br />

Flughäfen waren 68,7Mio. Originäreinsteiger,<br />

die ihre Flugreise an dem entsprechenden<br />

Flughafen begannen. Der verbleibende Teil von<br />

19,6 Mio. Einsteigern bzw. knapp 40Mio. Ein- und<br />

Berlin Region (BER)<br />

Bremen (BRE)<br />

Köln/Bonn (CGN)<br />

Dresden (DRS)<br />

Dortmund (DTM)<br />

Düsseldorf (DUS)<br />

Erfurt (ERF)<br />

Friedrichshafen (FDH)<br />

Karlsruhe (FKB)<br />

Münster/Osnabrück (FMO)<br />

Frankfurt (FRA)<br />

Hannover (HAJ)<br />

Hamburg (HAM)<br />

Hahn (HHN)<br />

Lübeck (LBC)<br />

Leipzig/Halle (LEJ)<br />

München (MUC)<br />

Weeze (NRN)<br />

Nürnberg (NUE)<br />

Paderborn (PAD)<br />

Rostock (RLG)<br />

Saarbrücken (SCN)<br />

Stuttgart (STR)<br />

0<br />

5 Mio.<br />

Originäreinsteiger<br />

Abb. 1: Struktur der Einsteige-Passagiere an Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> 2006<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />

Aussteigern ist an einem der deutschen Flughäfen<br />

umgestiegen. [Abb.1]<br />

Das Umsteigeraufkommen ist in <strong>Deutschland</strong><br />

zwischen 2002 und 2006 um rund 5,9% jährlich<br />

gestiegen, während das Originäraufkommen von<br />

100 Mio. auf fast 138 Mio. Passagiere zugenommen<br />

hat, was einem jährlichen Wachstum von<br />

7,8% entspricht. Dies ist zu einem wesentlichen<br />

Teil auf die Ausweitung <strong>des</strong> Low-Cost-Angebots<br />

in <strong>Deutschland</strong> zurückzuführen.<br />

Das Luftverkehrsnachfrageaufkommen auf den<br />

deutschen Flughäfen für das Jahr 2006 von<br />

68,7Mio. Originäreinsteigern verteilt sich auf 17<br />

internationale Verkehrsflughäfen (wobei die drei<br />

10 Mio. 15 Mio. 20 Mio.<br />

Umsteiger<br />

+ 2006<br />

+<br />

+ 68,7 Mio. Originäreinsteiger<br />

+ 19,6 Mio. Umsteiger<br />

= 88,3 Mio. Einsteiger<br />

Einsteiger = Aussteiger<br />

=188,3 Mio. Einsteiger<br />

+ 188,3 Mio. Aussteiger<br />

= 176,6 Mio. Passagiere<br />

25 Mio.<br />

30 Mio.


Berliner Flughäfen zu einem Flughafen(wert) zusammengefasst<br />

sind) und die sechs Regionalflughäfen<br />

Paderborn, Friedrichshafen, Niederrhein, Karlsruhe,<br />

Lübeck und Rostock. Mit diesen 23 bzw.<br />

25 Flughäfen, die nach der amtlichen Luftverkehrsstatistik<br />

berichtspflichtig sind, ist für das Jahr 2006<br />

weitgehend die gesamte Originärnachfrage an<br />

deutschen Flughäfen erfasst. Dabei besteht die<br />

größte Originärnachfrage am Flughafen Frankfurt<br />

mit 13,0 Mio. Einsteigern. Es folgen die Flughäfen<br />

München und die drei Berliner Flughäfen zusammen<br />

(BER) mit 10,2Mio. bzw. 9,1Mio. Originäreinsteigern<br />

sowie Düsseldorf mit rund 7,9 Mio. und der Flughafen<br />

Hamburg mit 5,8 Mio. Originäreinsteigern.<br />

Die folgende Abbildung zeigt die zeitliche Entwicklung<br />

der relativen Anteile der verschiedenen Umsteigeverkehre.<br />

Dabei haben die Europa-Europa-,<br />

Interkont-Interkont- und Europa-Interkont-Verkehre<br />

deutlich zugenommen, zulasten <strong>des</strong> Inland-<br />

Europa- und Inland-Interkont-Verkehrs. Frankfurt<br />

weist im Jahr 2006 einen Umsteigeranteil von über<br />

50% auf, während dieser in München bei 34%<br />

Prozent<br />

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 23<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

5,1<br />

35,8<br />

18,8<br />

18,5<br />

20,5<br />

1,3<br />

6,0<br />

37,4<br />

19,5<br />

16,9<br />

19,1<br />

1,1<br />

D-D D-EU, EU-D D-IK, IK-D EU-EU<br />

Abb. 2: Struktur der Umsteige-Passagiere im Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong><br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />

6,3<br />

39,7<br />

18,2<br />

17,0<br />

17,8<br />

1,0<br />

liegt. Signifikante Umsteigeranteile weisen ferner<br />

Düsseldorf, Nürnberg und Stuttgart auf. Das Passagieraufkommen<br />

an den übrigen deutschen Flughäfen<br />

setzt sich im Wesentlichen aus Originäreinsteigern<br />

zusammen. [Abb.2]<br />

Die Inland-Inland-Umsteiger an deutschen Flughäfen<br />

für den Zeitraum 2002 bis 2006 wählten vorwiegend<br />

die beiden Hub-Flughäfen Frankfurt und<br />

München, wobei in Frankfurt die Anzahl der<br />

Inland-Inland-Umsteiger von 63Tsd. (2002) auf<br />

47Tsd. (2006) zurückgegangen ist, während dieser<br />

Wert in München seit 2002 von 37Tsd. auf 40Tsd.<br />

angestiegen ist. Als wahrscheinlicher Grund für den<br />

Rückgang ist das Wachstum durch innerdeutsche<br />

Angebote von Low-Cost-Fluggesellschaften zu<br />

vermuten, neue Tarifangebote der Bahn sowie die<br />

Inbetriebnahme der Schienen-Neubaustrecke<br />

zwischen Frankfurt und Köln, die zu einer deutlichen<br />

Senkung der Fahrzeiten zwischen der Metropolregion<br />

Rhein-Ruhr und den übrigen südwestdeutschen<br />

Metropolregionen geführt hat. Aber<br />

auch der Zeitpunkt der Berichtspflichtigkeit der<br />

2002 2003 2004 2005 2006<br />

7,0<br />

39,4<br />

19,5<br />

16,5<br />

16,6<br />

0,9<br />

7,0<br />

39,2<br />

21,1<br />

15,6<br />

16,1<br />

0,9<br />

EU-IK, IK-EU IK-IK


24<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Regionalflughäfen spielt hier eine Rolle. Insgesamt<br />

trägt dieses Segment jedoch nur zu rund 1% der<br />

Umsteigeverkehre bei und ist leicht rückläufig.<br />

Der überwiegende Teil der Inland-Europa-Umsteiger<br />

nutzt die Angebote an den beiden Hub-Flughäfen<br />

Frankfurt und München. Am Frankfurter Flughafen<br />

ist eine rückläufige Entwicklung zu erkennen, wobei<br />

die jährliche Abnahme zwischen 5% und 8% liegt.<br />

Besonders stark fiel der Rückgang 2006 mit knapp<br />

8% aus, so dass die Zahl der Umsteiger in diesem<br />

Markt seit 2002 von rund 757Tsd. auf 573Tsd. in<br />

Frankfurt zurückgegangen ist. Schaut man sich im<br />

gleichen Zeitraum die Entwicklung der Inland-Europa-Umsteigerzahlen<br />

in München an, ist insgesamt<br />

eine positive Entwicklung zu erkennen. Nach der<br />

Eröffnung <strong>des</strong> Terminals 2 (2003) ist 2004 ein starker<br />

Anstieg in München zu verzeichnen. Damit konnte<br />

das Angebot nachfragegerecht erweitert werden, so<br />

dass die Zahl der Umsteiger seit 2002 von 621Tsd.<br />

auf etwa 695Tsd. gewachsen ist. Seitdem ist jedoch<br />

eine Stagnation zu erkennen: 2005 waren die Umsteigerzahlen<br />

leicht rückläufig, während diese 2006<br />

nahezu konstant blieben. Signifikantes Inland-Europa-Umsteigeraufkommen<br />

weisen zudem die Flughäfen<br />

Düsseldorf, Nürnberg und Stuttgart auf, wobei<br />

die Umsteigerzahl bei rund 100Tsd. liegt. In diesem<br />

Segment ist eine relative Abnahme zu beobachten.<br />

Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, waren in diesem<br />

Verkehrssegment 2002 noch 20% der Umsteiger<br />

zu finden, 2006 waren es nur noch gut 16%. Dies<br />

hängt mit dem Wachstum der Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

zusammen, die eine Vielzahl von neuen<br />

Städtepaaren bedienen 4 sowie mit einem Ausbau<br />

<strong>des</strong> dezentralen Streckennetzes z.B. der Lufthansa.<br />

Dieses neue Angebot ermöglicht Passagieren ein<br />

umsteigefreies Reisen.<br />

Inland-Interkont-Umsteiger nutzen zum überwiegenden<br />

Teil den Flughafen Frankfurt (2006:<br />

1,1Mio.), gefolgt von München (2006: 250Tsd.).<br />

Frankfurt weist aufgrund <strong>des</strong> verbesserten Intermodalangebotes<br />

seit 2005 fallende Werte auf,<br />

wohingegen in München seit 2004 ein positiver<br />

Trend zu verzeichnen ist. Die Flughäfen Düsseldorf,<br />

Stuttgart und Nürnberg weisen ein Inland-Interkont-Umsteigeraufkommen<br />

von rund 50Tsd.<br />

Passagieren pro Jahr auf. Auch dieses Segment<br />

4 Vgl. DLR/ADV (2008): Low Cost Monitor 1/2008.<br />

der Umsteiger weist von 18,5% (2002) zu 15,6%<br />

(2006) eine rückläufige Tendenz auf.<br />

Für den Europa-Europa-Verkehr an deutschen<br />

Flughäfen für den Zeitraum 2002 bis 2006 sind die<br />

beiden Hauptumsteigeflughäfen wieder Frankfurt<br />

und München, und das Aufkommen in München<br />

erreicht 2006 nahezu das Niveau von Frankfurt<br />

(2,0 Mio. vs. 1,8 Mio. Passagiere). Über den gesamten<br />

Zeitraum ist an beiden Flughäfen ein positiver<br />

Wachstumstrend zu verzeichnen, wobei München<br />

den Flughafen Frankfurt in seiner Wachstumsdynamik<br />

übertrifft. Ein geringes Europa-Europa-Umsteigeraufkommen<br />

mit einem positiven Wachstumstrend<br />

ist auch in Düsseldorf vorhanden. An den<br />

übrigen deutschen Flughäfen ist – wenn überhaupt<br />

– nur ein deutlich geringeres Umsteigeraufkommen<br />

im Europa-Europa-Verkehr zu verzeichnen. Dieser<br />

Umsteigeverkehr ist mittlerweile das zweitgrößte<br />

Segment und konnte seinen Anteil von 18,8% in<br />

2002 auf 21,1% in 2006 steigern.<br />

Frankfurt und München sind die beiden deutschen<br />

Flughäfen mit deutlichem Europa-Interkont-<br />

Umsteigeraufkommen. An den übrigen deutschen<br />

Flughäfen ist nahezu kein Verkehr in diesem Segment<br />

vorhanden. Während in Frankfurt seit 2005<br />

die Europa-Interkont-Umsteigerzahlen leicht rückläufig<br />

sind, steigen diese in München seit 2002<br />

konstant an. Insbesondere 2004 ist ein deutlicher<br />

Wachstumssprung u.a. aufgrund der Eröffnung <strong>des</strong><br />

Terminals 2 festzustellen. Jedoch übertrifft Frankfurt<br />

München in absoluten Werten nahezu um<br />

das fünffache (3,1Mio. vs. 700Tsd.). Insgesamt<br />

betrachtet nimmt dieses Marktsegment mit rund<br />

40% <strong>des</strong> gesamten Umsteigeraufkommens an<br />

deutschen Flughäfen die bedeutendste Stellung<br />

ein. Zurückzuführen ist die besondere Bedeutung<br />

dieses Verkehrssegments auf das sehr dichte<br />

europäische Streckennetz der Lufthansa und ihrer<br />

Allianzpartner, welches eine wichtige Grundlage<br />

bietet, um wirtschaftlich tragfähige Auslastungsgrade<br />

der Interkontinentalflüge ab Frankfurt und<br />

München zu erzielen.<br />

Nahezu das gesamte Aufkommen an Interkont-<br />

Interkont-Umsteigern ist auf den Flughafen Frankfurt<br />

konzentriert, ein kleiner Teil ist in München zu


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 25<br />

finden. Von 2002 bis 2006 ist das Interkont-Interkont-Umsteigeraufkommen<br />

von 800Tsd. auf<br />

knapp 1,4Mio. Passagiere gestiegen, wobei die<br />

Wachstumsdynamik 2006 deutlich nachgelassen<br />

hat. <strong>Deutschland</strong>weit betrachtet hat die Bedeutung<br />

dieser Umsteigeverkehre von 5,1% in 2002 auf<br />

7,0% in 2006 zugenommen.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass ein großer Teil <strong>des</strong> Interkont-Umsteigeverkehrs<br />

über den Flughafen Frankfurt<br />

abgewickelt wird. Demgegenüber spielt beim<br />

Europa-Umsteigeverkehr auch der Flughafen<br />

München eine wesentliche Rolle.<br />

Allerdings konkurrieren die Standorte Frankfurt<br />

und München um Umsteigerpassagiere mit anderen,<br />

nicht-deutschen Hubs und einigen weiteren<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>. Gerade in den vergangenen<br />

Jahren haben die Passagiere von Sekundärflughäfen<br />

mit großen Einzugsgebieten in <strong>Deutschland</strong><br />

eine zunehmende Auswahl an neuen Verbin-<br />

Reisende pro Monat<br />

10.000<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

Reisende über Frankfurt und München<br />

Reisende über Amsterdam, London und Paris<br />

dungen zu außereuropäischen Hubs erhalten. Neben<br />

zahlreichen Verbindungen über die großen<br />

europäischen Hubs wurden neue Interkontinentaldienste<br />

von deutschen und ausländischen Fluggesellschaften<br />

eingerichtet, die es den Flugreisenden<br />

ermöglichen, aufkommensstarke interkontinentale<br />

Ziele wie z.B. New York ohne Umsteigen zu erreichen<br />

bzw. an den außereuropäischen Hubs umzusteigen,<br />

um zu ihrem Endziel zu gelangen.<br />

2.4.2 Fallstudien zu Interkontangeboten von<br />

Sekundärflughäfen<br />

Diese Entwicklung führt zur Umverteilung und<br />

Neugenerierung von Verkehren, was im Folgenden<br />

an zwei Beispielen erläutert werden soll.<br />

Das erste Beispiel zeigt den Markt zwischen Hamburg<br />

und 21 Metropolregionen in Nordamerika, die<br />

auch von den beiden deutschen Hub-Flughäfen<br />

angeflogen werden. Abb.3 zeigt zwischen 1998<br />

Jan 98<br />

Apr 98<br />

Jul 98<br />

Okt 98<br />

Jan 99<br />

Apr 99<br />

Jul 99<br />

Okt 99<br />

Jan 00<br />

Apr 00<br />

Jul 00<br />

Okt 00<br />

Jan 01<br />

Apr 01<br />

Jul 01<br />

Okt 01<br />

Jan 02<br />

Apr 02<br />

Jul 02<br />

Okt 02<br />

Jan 03<br />

Apr 03<br />

Jul 03<br />

Okt 03<br />

Jan 04<br />

Apr 04<br />

Jul 04<br />

Okt 04<br />

Jan 05<br />

Apr 05<br />

Jul 05<br />

Okt 05<br />

Jan 06<br />

Apr 06<br />

Jul 06<br />

Okt 06<br />

Jan 07<br />

Apr 07<br />

Jul 07<br />

Okt 07<br />

Jan 08<br />

Apr 08<br />

Reisende über/nach New York<br />

Gleitender Durchschnitt (Jahresbasis) für<br />

Reisende über Frankfurt und München<br />

Abb. 3: Reisende ab Hamburg zu 21 ausgewählten Metropolregionen in Nordamerika über diverse Umsteigeflughäfen<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2008, DLR 2008


26<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

und 2001 einen im Jahresdurchschnitt kontinuierlichen<br />

Wachstumstrend im Reisendenaufkommen<br />

zwischen Hamburg und Zielen in Nordamerika,<br />

der durch die Ereignisse <strong>des</strong> 11. September 2001<br />

unterbrochen wird. Nach einer Erholung <strong>des</strong><br />

Marktes lag zwischen 2003 und 2005 das Aufkommen<br />

der Reisenden zwischen Hamburg und<br />

den nordamerikanischen Metropolregionen, die<br />

in Frankfurt oder München umgestiegen sind, im<br />

Jahresdurchschnitt bei ungefähr 6Tsd. pro Monat.<br />

Nach dem Markteintritt von zwei ausländischen<br />

Fluggesellschaften, die in der Folge jeweils einen<br />

täglichen Direktdienst von Hamburg nach New<br />

York anboten, ging dieser Wert in den Jahren 2006<br />

und 2007 auf durchschnittlich 5,3Tsd. Reisende<br />

pro Monat zurück. Zu Beginn <strong>des</strong> Jahres 2008<br />

erreichte das Reisendenaufkommen über Frankfurt<br />

und München wieder einen Wert von ca. 6Tsd.<br />

pro Monat.<br />

Grundsätzlich zeigen sich am Beispiel <strong>des</strong> Marktes<br />

Hamburg-Nordamerika zwei Effekte: Zum einen<br />

kommt es in diesem Fall durch die Aufnahme der<br />

neuen Direktdienste nach Nordamerika zu einer<br />

Verlagerung der Passagierströme. Ein Vergleich der<br />

beiden Perioden 2004/2005 und 2006/2007 zeigt<br />

einen Rückgang <strong>des</strong> Reisendenaufkommens über<br />

Frankfurt und München um annähernd 12%.<br />

Auch die Hubs London Heathrow, Paris Charles de<br />

Gaulle und Amsterdam mussten durch die Neuaufnahme<br />

der Direktverbindung Rückgänge in den<br />

Passagierzahlen auf dem betrachteten Markt Hamburg-Nordamerika<br />

in ähnlicher Größenordnung<br />

verkraften. Die Verlagerung hin zu den Direktflügen<br />

ist wiederum durch zwei Ansätze zu erklären.<br />

Zum einen ist die neue Verbindung für zeitsensible<br />

Reisende (d.h. insbesondere Geschäftsreisende)<br />

attraktiv, die in die Metropolregion New York reisen,<br />

da durch den Nonstop-Dienst zeitaufwändige<br />

Umwege und Umsteigevorgänge vermieden werden.<br />

Zudem können kleinere Ziele in Nordamerika,<br />

die nicht direkt ab Frankfurt und München, jedoch<br />

ab New York bedient werden, nun mit einmaligem<br />

statt mit vormals zweimaligem Umsteigen erreicht<br />

werden. Zum anderen bieten Fluggesellschaften in<br />

Folge der Aufnahme einer Strecke z.T. relativ niedrige<br />

Flugpreise an, um Neukunden zu gewinnen<br />

und sich im Markt zu etablieren. Dies trägt auch zu<br />

den gezeigten Verlagerungseffekten bei. Daneben<br />

ist jedoch auch der durch die Aufnahme eines interkontinentalen<br />

Direktdienstes entstehende Verkehrsgenerierungseffekt<br />

zu berücksichtigen. Dieser kann<br />

im Fall <strong>des</strong> Hamburg-Nordamerika-Marktes in Verbindung<br />

mit dem allgemeinen Marktwachstum mit<br />

einem jährlichen Aufkommen in einer Größenordnung<br />

von 40 bis 60Tsd. Reisenden pro Jahr abgeschätzt<br />

werden. 5<br />

Beispiele für die Verkehrsverlagerung und -generierung<br />

auf den Strecken nach Asien sind die in den<br />

vergangenen Jahren neu aufgelegten Verbindungen<br />

von Düsseldorf und Hamburg über Dubai<br />

durch Emirates sowie von Berlin über Doha durch<br />

Qatar Airways.<br />

Die nebenstehende Abb.4 zeigt exemplarisch die<br />

Luftverkehrsentwicklung von Düsseldorf zu 24 Zielen<br />

in Asien, die gleichzeitig sowohl ab Dubai als<br />

auch ab Frankfurt bzw. München bedient werden.<br />

Während lange Zeit der asiatische Markt von<br />

Düsseldorf aus vorwiegend über die Umsteigeverbindungen<br />

in Frankfurt und München bedient<br />

worden ist, hat sich mittlerweile Dubai zu einem<br />

der Hauptumsteigeflughäfen für Reisende von<br />

Düsseldorf mit Ziel Asien entwickelt. Die Anzahl<br />

der Reisenden über Dubai zu den 24 ausgewählten<br />

Zielen hat insbesondere seit Mitte 2005 bis Ende<br />

2007 auf 8 bis 9 Tsd. pro Monat zugenommen.<br />

Weniger als die Hälfte dieser Reisenden hatte ihr<br />

Endziel in Dubai. Mit der Einführung einer zweiten<br />

täglichen Verbindung ab Düsseldorf seit Mai 2006<br />

liegt die Zahl der betrachteten Asien-Umsteiger<br />

in Frankfurt und München für den betrachteten<br />

Zeitraum weiterhin stabil bzw. leicht steigend<br />

zwischen 4 und 5 Tsd. pro Monat. Die übrigen<br />

5 Vgl. Wilken/Berster (2008): Demand Generation and Redistribution Effects of new decentral intercontinental air services in<br />

Germany, Proceedings of the 12th Annual Air Transport Research Society World Conference, Athen.<br />

6 Zu berücksichtigen ist jedoch gerade im Fall von Düsseldorf, dass sich aufgrund der Neubaustrecke Köln–Rhein/Main die<br />

intermodale Anbindung <strong>des</strong> Frankfurter Flughafens deutlich verbessert hat und somit zumin<strong>des</strong>t ein Teil jener Passagiere, die in<br />

der Vergangenheit einen Zubringer Düsseldorf–Frankfurt verwendet haben, nun auf die Bahn umgestiegen sind und damit in<br />

der amtlichen Luftverkehrsstatistik nicht mehr als Umsteiger, sondern als Frankfurter Originäreinsteiger erfasst werden.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 27<br />

Umsteigeflughäfen wie z.B. Amsterdam, London<br />

Heathrow, Paris Charles de Gaulle und Helsinki<br />

spielen in diesem Fall nur eine untergeordnete<br />

Rolle, zeigen jedoch ebenfalls ein leichtes Wachstum<br />

auf mittlerweile über 3 Tsd. Reisende pro<br />

Monat. 6<br />

Wie für das zuvor erläuterte Beispiel <strong>des</strong> Marktes<br />

Hamburg-Nordamerika gilt auch für die Relation<br />

Düsseldorf-Asien, dass durch die Aufnahme der<br />

Direktverbindung die Nachfrage für das Endziel<br />

Dubai wie auch die Gesamtnachfrage für den<br />

Zielmarkt Asien über das durchschnittliche Marktwachstum<br />

hinaus stimuliert wurde. Derartige<br />

Effekte sind in ähnlicher Form auch bei innereuropäischen<br />

Low-Cost-Angeboten zu beobachten.<br />

Nach dem Markteintritt eines Anbieters mit einer<br />

Nonstop-Verbindung steigt die Nachfrage auf der<br />

betrachteten Relation sprunghaft an – der Gesamt-<br />

Reisende pro Monat<br />

10.000<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

Reisende über Frankfurt und München<br />

Reisende über Amsterdam, Helsinki, London und Paris<br />

Abb. 4: Reisende ab Düsseldorf nach Asien über diverse Umsteigeflughäfen<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2008, DLR 2008<br />

markt wird also größer. Personen, die zuvor nicht<br />

oder zu anderen Zielen gereist sind, nutzen nun<br />

das neue Angebot.<br />

Ein wichtiger Faktor bei der Analyse der Effekte der<br />

neuen Interkontinentaldienste von Sekundärflughäfen<br />

sind Flugpreise und Gesamtreisezeiten. Eine<br />

Analyse der Verbindungsqualität zu acht ausgewählten,<br />

aufkommensstarken Zielen (Bangkok,<br />

Delhi, Hongkong, Mumbai, Osaka, Peking, Seoul<br />

und Singapur), die sowohl von Lufthansa als auch<br />

von Emirates angeflogen werden, zeigt, dass die<br />

Reisezeit pro Strecke über Dubai durchschnittlich<br />

fast drei Stunden länger dauert, als bei Umsteigeverbindungen<br />

über Frankfurt oder München. Dies<br />

liegt neben einem oft erheblichen Umweg auch an<br />

relativ langen Umsteigezeiten in Dubai. Um diese<br />

Verbindungen, die zumin<strong>des</strong>t aufgrund <strong>des</strong> Parameters<br />

„Reisezeit“ einen geringeren Kundennut-<br />

Jan 98<br />

Apr 98<br />

Jul 98<br />

Okt 98<br />

Jan 99<br />

Apr 99<br />

Jul 99<br />

Okt 99<br />

Jan 00<br />

Apr 00<br />

Jul 00<br />

Okt 00<br />

Jan 01<br />

Apr 01<br />

Jul 01<br />

Okt 01<br />

Jan 02<br />

Apr 02<br />

Jul 02<br />

Okt 02<br />

Jan 03<br />

Apr 03<br />

Jul 03<br />

Okt 03<br />

Jan 04<br />

Apr 04<br />

Jul 04<br />

Okt 04<br />

Jan 05<br />

Apr 05<br />

Jul 05<br />

Okt 05<br />

Jan 06<br />

Apr 06<br />

Jul 06<br />

Okt 06<br />

Jan 07<br />

Apr 07<br />

Jul 07<br />

Okt 07<br />

Jan 08<br />

Apr 08<br />

Reisende über/nach Dubai<br />

Gleitender Durchschnitt (Jahresbasis) für<br />

Reisende über Frankfurt und München<br />

Gleitender Durchschnitt (Jahresbasis) für<br />

Reisende über/nach Dubai


28<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

zen darstellen, am Markt absetzen zu können, sind<br />

daher preisliche Zugeständnisse erforderlich. Eine<br />

Analyse der im Juli 2008 angebotenen Flugpreise<br />

ab Düsseldorf zu den acht dargestellten Städtepaaren<br />

in der Economy- und Business Class für jeweils<br />

drei Buchungszeiträume (7, 30 und 180 Tage Vorausbuchungsfrist)<br />

sowie zwei Reiselängen (3 Tage<br />

ohne Wochenendaufenthalt und 14 Tage) zeigt<br />

ein differenziertes Bild. 7 Bei Reisen mit einer sehr<br />

kurzen Länge von drei Tagen, deren Hauptzielgruppe<br />

Geschäftsreisende sind, liegt der Ticketpreis<br />

bei Emirates in der Economy Class durchschnittlich<br />

50% unterhalb <strong>des</strong> Lufthansa-Tarifs. Bei Reisen mit<br />

einer Länge von 14 Tagen liegt der Preis bei Emirates<br />

im Durchschnitt 13% unterhalb dem von Lufthansa.<br />

In der Business Class sind die durchschnittlichen<br />

Preisabstände insgesamt geringer: Bei Kurzreisen<br />

mit einer Länge von drei Tagen liegt der Tarif<br />

bei Emirates 14%, bei Reisen mit einer Länge von<br />

14 Tagen 17% unterhalb dem von Lufthansa. Es<br />

sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in<br />

der Mehrzahl der untersuchten Fälle andere Fluggesellschaften<br />

weitere Angebote machen, die noch<br />

unterhalb <strong>des</strong> Flugpreises von Emirates liegen,<br />

darunter auch die europäischen Wettbewerber<br />

KLM, Air France und British Airways.<br />

Anhand der beiden gezeigten Beispiele, die als<br />

exemplarisch für neue Interkontinentaldienste von<br />

deutschen Sekundärflughäfen gelten können,<br />

lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ableiten:<br />

Die Lage der neuen Hubs am Golf führt – selbst bei<br />

optimaler Flugplangestaltung – zu Reisezeitverlängerungen<br />

von bis zu 5 Stunden bei Umsteigever-<br />

bindungen aus Mitteleuropa nach Ostasien (insbesondere<br />

bei Destinationen in China, Japan oder<br />

Korea). Zu anderen Destinationen, wie z.B. Bangkok,<br />

Delhi, Mumbai oder Singapur, bei denen der<br />

Umweg über Dubai mit dem über Frankfurt oder<br />

München vergleichbar ist und somit potenziell<br />

Umsteigeverbindungen mit ähnlichen Gesamtreisezeiten<br />

angeboten werden könnten, bietet Emirates<br />

derzeit kaum konkurrenzfähige Verbindungen für<br />

zeitsensible Reisende an. Die Umsteigezeiten in<br />

Dubai liegen derzeit zwischen drei und fünf Stunden.<br />

Hierdurch ist zu erklären, warum trotz <strong>des</strong><br />

neuen Flugangebotes und niedriger Flugpreise die<br />

bisherigen Hubs nicht wesentlich an Nachfrage<br />

verloren haben bzw. sogar absolut leicht zulegen<br />

konnten. Für das Segment der zeitsensitiven Geschäftsreisenden,<br />

die zudem häufig Statuskunden<br />

in Vielfliegerprogrammen sind, spielt das neue Angebot<br />

trotz niedrigerer Preise aufgrund längerer<br />

Gesamtreisezeiten eine geringere Rolle im Vergleich<br />

zu den schnellen Verbindungen über die deutschen<br />

Hubs.<br />

Im Fall der Relation Hamburg-Nordamerika sind die<br />

zu beobachtenden Verlagerungseffekte größer –<br />

der Hub New York Newark liegt für nahezu je<strong>des</strong><br />

Ziel in Nordamerika ideal, d.h. bei optimaler Flugplangestaltung<br />

sind die Reisezeiten über Newark<br />

mit denen über Frankfurt oder München nahezu<br />

identisch. Für Reisende mit Endziel New York sinkt<br />

die Reisezeit durch die Non-Stop-Verbindung um<br />

min<strong>des</strong>tens 90 Minuten.<br />

Preissensible Privatreisende, die zudem nicht durch<br />

Vielfliegerprogramme an eine einzelne Fluggesellschaft<br />

bzw. Allianz gebunden sind, dürften mit<br />

7 Die Preisanalyse basiert auf angebotenen Preisen von Fluggesellschaften und Online-Reisebüros, abgefragt über die Meta-<br />

Suchmaschine www.kayak.com. Auf dieser Internetseite können die günstigsten verfügbaren Tarife der Online-Reisebüros wie<br />

CheapTickets, Expedia, Orbitz, Priceline und Travelocity und der Fluggesellschaften Air France, Austrian Airlines, British Airways,<br />

Cathay Pacific, Emirates, KLM, Lufthansa, Qantas, Singapore Airlines und Thai Airways direkt verglichen werden. Insgesamt<br />

umfasst die Preisanalyse 288 Kombinationen aus Städtepaar, Buchungsklasse, Vorausbuchungsfrist, Reisedauer und Fluggesellschaft<br />

(neben den Preisen von Lufthansa und Emirates wurde auch der jeweils preisgünstigste Drittanbieter ermittelt).<br />

8 So hat z.B. eine Studie in den USA ergeben, dass Geschäftsreisende für die Möglichkeit, in ihrem präferierten Vielfliegerprogramm<br />

Meilen sammeln zu können, bereit sind, einen um bis zu 72 USD höheren Ticketpreis zu zahlen. Hingegen beträgt die<br />

zusätzliche Zahlungsbereitschaft bei Privatreisenden nur 26 USD. Vgl. Proussalogloua/Koppelman: The Choice of Carrier, Flight<br />

and Fare Class, in: Journal of Air Transport Management 5 (1999), S.193–201.<br />

9 Vgl. AeroBrief: Frankfurt, Dresden, Zürich, Münster/Osnabrück: Winterflugpläne mit neuen Routen, http://www.entity38.de/<br />

aerobrief/index.php?option=com_content&task=view&id=2063&Itemid=34, Abruf am 11.08.2008.<br />

10 Vgl. www.eurocontrol.int/prc.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 29<br />

einer weitaus größeren Wahrscheinlichkeit als<br />

zeitsensible Geschäftsreisende die neuen Angebote<br />

annehmen. 8 Der Wettbewerb um diese Kundengruppe<br />

ist aufgrund der Präsenz nahezu aller<br />

größeren europäischen Netzwerkfluggesellschaften<br />

sowohl in Düsseldorf als auch in Hamburg sehr<br />

intensiv, was zu einem Absinken der Flugpreise<br />

führt. Die Flugpreisabfrage hat beispielsweise Tarife<br />

mit einer sechsmonatigen Vorausbuchungsfrist von<br />

Düsseldorf nach Bangkok, Seoul und Peking zwischen<br />

592 und 661 EUR durch die Anbieter Turkish<br />

Airlines, British Airways und Finnair ergeben.<br />

Aufgrund der begrenzten Flughafenkapazitäten ist<br />

es den Fluggesellschaften in Frankfurt kaum möglich,<br />

neue Flugverbindungen zu Destinationen in<br />

attraktiven Märkten und zu attraktiven Zeitlagen<br />

anzubieten. Die Verwaltung <strong>des</strong> Mangels führt in<br />

vielen Fällen dazu, dass neue Ziele nur durch die<br />

Aufgabe bisheriger Verbindungen realisiert werden<br />

Nach einer kurzen Darstellung <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrs<br />

soll in den folgenden Kapiteln detailliert<br />

auf die wesentlichen Akteure der Angebotsseite<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrs eingegangen werden. Diese sind<br />

die Flughäfen, die Fluggesellschaften und die Flugsicherungen.<br />

Daneben wirken aber auch weitere<br />

Akteure auf den Luftverkehrsmarkt ein.<br />

Hier wurde bewusst darauf verzichtet, Flughäfen,<br />

Fluggesellschaften und Flugsicherungen bezüglich<br />

ihrer Kosten, Gebühren und Erlöse miteinander zu<br />

vergleichen. Die für solche Vergleiche notwendigen<br />

Daten liegen öffentlich nur unvollständig vor und<br />

sind von Einrichtung zu Einrichtung zudem noch<br />

unterschiedlich strukturiert. So sind z.B. in den<br />

Flughafenentgelten bei einem Flughafen die Flugsicherungsgebühren<br />

und Luftsicherheitskosten<br />

enthalten, bei anderen nicht. Eurocontrol gibt mit<br />

dem Air Traffic Management Cost Effectiveness<br />

(ACE)-Report und dem Performance Review Report<br />

(PRR) 10 jährlich detaillierte Übersichten von<br />

Leistungskenngrößen für Kosteneffizienz und<br />

Produktivität der europäischen Flugsicherungs-<br />

können. Beispielsweise wurden zu Beginn <strong>des</strong><br />

Winterflugplans 2007/08 in Frankfurt 8,2% der<br />

innerdeutschen Flüge reduziert, bei gleichzeitigem<br />

Wachstum der Interkontinentalflüge um 6,7%. 9<br />

Die Kapazitätsengpässe an den Hubs in <strong>Deutschland</strong><br />

stellen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil<br />

gegenüber konsequent ausgebauten Flughäfen in<br />

Europa wie Paris und Amsterdam aber auch den<br />

neuen Drehkreuzen am arabischen Golf dar. Auch<br />

im Falle von München ist es aufgrund der begrenzten<br />

Kapazität kaum mehr möglich, neue Flüge in<br />

attraktiven Zeitlagen mit wettbewerbsfähigen<br />

Anschlussflügen anzubieten, die für Fluggesellschaften<br />

überhaupt wirtschaftlich darstellbar sind.<br />

Die Analyse der beiden gezeigten Beispiele lässt<br />

erkennen, dass ein erheblicher Teil <strong>des</strong> Luftverkehrswachstums<br />

an den deutschen Hub-Flughäfen<br />

vorbei geht und sich der Marktanteil der deutschen<br />

Hub-Flughäfen reduziert.<br />

3. Wesentliche Akteure <strong>des</strong> Luftverkehrs –<br />

Flughäfen, Fluggesellschaften und Flugsicherungen<br />

dienstleister heraus. Obwohl dies die umfangreichste<br />

europaweite Zusammenstellung relevanter<br />

ökonomischer Faktoren der Flugsicherungen darstellt,<br />

wird explizit darauf hingewiesen, dass ein<br />

Leistungsvergleich der Organisationen mit diesen<br />

Faktoren allein unzulässig wäre, da nur ein Teil der<br />

jeweiligen einschränkenden Bedingungen bisher<br />

erfasst und bewertbar ist.<br />

3.1. Flughäfen<br />

3.1.1 Passagierverkehr auf globaler und europäischer<br />

Ebene<br />

Weltweit starke Konzentration auf wenige große<br />

Hubs bei den Passagieren<br />

Gemessen an der Anzahl der Passagiere nutzten<br />

2006 mehr als ein Viertel (28%) aller Fluggäste<br />

einen der 25 größten Flughäfen der Welt. Diese<br />

großen Flughäfen liegen in den USA, in Europa<br />

oder in den bevölkerungsreichen Ländern Asiens


30<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

wie China, Thailand oder Japan. Insgesamt umfassen<br />

die für diese Untersuchung verwendeten Statistiken<br />

<strong>des</strong> Airports Council International (ACI)<br />

über 1.000 Flughäfen. [Abb.5]<br />

Insgesamt wurden 2006 weltweit 4,3 Mrd. Passagiere<br />

im gewerblichen Luftverkehr gezählt (ankommende<br />

und abfliegende Passagiere, ohne Transit).<br />

Spitzenreiter bei der Anzahl der abgefertigten Passagiere<br />

sind die Flughäfen Atlanta Hartsfield-Jackson<br />

mit 84Mio. Passagieren und Chicago O’Hare mit<br />

77 Mio. Passagieren. An dritter Stelle steht der<br />

Flughafen London Heathrow (67Mio.) und an<br />

siebter Stelle der Flughafen Paris Charles de Gaulle<br />

(57 Mio.). Von den europäischen Flughäfen folgen<br />

Frankfurt (52 Mio.), Amsterdam (46 Mio.) und<br />

Atlanta (USA)<br />

Chicago O’Hare (USA)<br />

London Heathrow (Großbritannien)<br />

Tokio Haneda (Japan)<br />

Los Angeles (USA)<br />

Dallas/Fort Worth (USA)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Peking (China)<br />

Denver (USA)<br />

Las Vegas (USA)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

Madrid (Spanien)<br />

New York John F. Kennedy (USA)<br />

Hongkong (China)<br />

Houston George Bush (USA)<br />

Phoenix (USA)<br />

Bangkok Suvarnabhumi (Thailand)<br />

Newark (USA)<br />

Detroit (USA)<br />

Minneapolis/Saint Paul (USA)<br />

Tokio Narita (Japan)<br />

Orlando (USA)<br />

London Gatwick (Großbritannien)<br />

Singapur (Singapur)<br />

10 Mio.<br />

Abb. 5: Die 25 größten Flughäfen in der Welt nach Zahl der Passagiere 2006<br />

Quelle: ACI 2007, DLR 2008. * An- und abfliegende Passagiere ohne Transit<br />

0<br />

Madrid (45Mio.) auf den Plätzen 8, 12 bzw. 13.<br />

München befindet sich auf Platz 30 der weltweit<br />

passagieraufkommensstärksten Flughäfen. Die gute<br />

Platzierung von London Heathrow ist auf den hohen<br />

Anteil von interkontinentalen Flügen mit hoher<br />

Sitzplatzkapazität pro Flugzeug zurückzuführen.<br />

Unter den 25 größten Flughäfen in Bezug auf die<br />

Gesamtpassagierzahl finden sich auch sechs asiatische<br />

Flughäfen: Tokio Haneda (66 Mio.), Peking<br />

(49 Mio.), Hongkong (43 Mio.), Bangkok (41Mio.),<br />

Tokio Narita (34 Mio.) und Singapur (33 Mio.).<br />

Der hohe Konzentrationsgrad der Flughäfen bezogen<br />

auf die Anzahl der Passagiere lässt sich auch im<br />

europäischen Vergleich nachweisen. Von den 408 in<br />

Marktanteil in der Welt<br />

(insg. 4,3 Mrd. Passagiere)<br />

72%<br />

30 Mio. 50 Mio. 70 Mio.<br />

28%<br />

Top-25-Flughäfen<br />

Restliche Flughäfen<br />

90 Mio.<br />

Anzahl der Passagiere*


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 31<br />

der ACI-Statistik enthaltenen europäischen Flughäfen<br />

wurden an den 25 größten mehr als die Hälfte<br />

(52%) <strong>des</strong> europäischen und 16% <strong>des</strong> weltweiten<br />

Passagieraufkommens bewältigt. [Abb.6]<br />

Insgesamt wurden 2006 an europäischen Flughäfen<br />

1,3 Mrd. Passagiere gezählt. Die Zahl der abgefertigten<br />

Passagiere an den Top-25-Flughäfen reicht<br />

von 67Mio. für London Heathrow bis 15Mio. für<br />

Athen. Die großen europäischen Flughäfen liegen in<br />

Westeuropa, mit Ausnahme der Flughäfen Istanbul<br />

und Moskau. Die ersten fünf Plätze werden von<br />

den großen internationalen Drehkreuzen in London,<br />

Paris, Frankfurt, Amsterdam und Madrid belegt. Die<br />

Konzentration lässt sich auf den vergleichsweise<br />

hohen Anteil von interkontinentalen Flügen mit<br />

London Heathrow (Großbritannien)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

Madrid (Spanien)<br />

London Gatwick (Großbritannien)<br />

München (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Barcelona (Spanien)<br />

Rom Fiumicino (Italien)<br />

Paris Orly (Frankreich)<br />

London Stansted (Großbritannien)<br />

Palma de Mallorca (Spanien)<br />

Manchester (Großbritannien)<br />

Mailand Malpensa (Italien)<br />

Istanbul Ataturk (Türkei)<br />

Dublin (Irland)<br />

Kopenhagen (Dänemark)<br />

Zürich (Schweiz)<br />

Oslo (Norwegen)<br />

Stockholm Arlanda (Schweden)<br />

Wien (Österreich)<br />

Brüssel (Belgien)<br />

Düsseldorf (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Moskau Domodedovo (Russland)<br />

Athen (Griechenland)<br />

10 Mio.<br />

Abb. 6: Die 25 größten Flughäfen in Europa nach Zahl der Passagiere 2006<br />

Quelle: ACI 2007, DLR 2008. *An- und abfliegende Passagiere ohne Transit<br />

0<br />

größerem Fluggerät zurückführen. Unter den großen<br />

Flughäfen Europas nach Anzahl der Passagiere<br />

nehmen München mit Rang 7 und rund 31Mio.<br />

Fluggästen und Düsseldorf mit Rang 23 und rund<br />

17Mio. Fluggästen vordere Platzierungen ein.<br />

USA Spitzenreiter bei den Flugbewegungen<br />

Betrachtet man die Anzahl der Flugbewegungen im<br />

Linien- und Ferienflugverkehr (ohne den gewerblichen<br />

Teil der Allgemeinen Luftfahrt) so wurde 2006<br />

über die 25 größten Flughäfen der Welt ein Viertel<br />

aller Flüge abgewickelt. Von diesen Flughäfen<br />

liegen 19 in den USA und sechs in Westeuropa.<br />

Gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen<br />

nehmen die Flughäfen von Atlanta und Chicago<br />

Marktanteil<br />

in Europa<br />

48%<br />

52%<br />

Marktanteil<br />

in der Welt<br />

30 Mio. 50 Mio. 70 Mio.<br />

84%<br />

16%<br />

Top-25-Flughäfen<br />

Restliche Flughäfen<br />

90 Mio.<br />

Anzahl der Passagiere*


32<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

herausragende Stellungen ein, die größten Flughäfen<br />

Europas sind auch hier Paris Charles de Gaulle,<br />

Frankfurt und London Heathrow.<br />

Der hohe Anteil von US-Flughäfen unter den<br />

Top25, gemessen an den Flugbewegungen, ist<br />

unter anderem auf den vergleichsweise stärkeren<br />

Einsatz kleinerer Flugzeugtypen für inneramerikanische<br />

Flüge zurückzuführen. Hieraus resultiert eine<br />

geringere durchschnittliche Sitzplatzkapazität pro<br />

Flugzeug als in Europa oder in Asien.<br />

Die 25 größten europäischen Flughäfen wickelten<br />

2006 insgesamt 14% der Flüge weltweit und 45%<br />

der Flüge in Europa (bezogen auf die Anzahl der<br />

Flugbewegungen) ab. Die Anzahl der jährlichen<br />

Flugbewegungen liegt zwischen 533Tsd. für Paris<br />

Charles de Gaulle und 173Tsd. für Dublin. Die<br />

sechs größten europäischen Flughäfen zählen<br />

ebenfalls zu den weltweit größten (Anzahl der<br />

Flugbewegungen in Klammern): Paris Charles de<br />

Gaulle (533Tsd.), Frankfurt (482Tsd.), London<br />

Heathrow (471Tsd.), Madrid (433Tsd.), Amsterdam<br />

(423Tsd.) und München (386Tsd.). Die übrigen<br />

Flughäfen sind im Wesentlichen nationale<br />

Hubs, mit schwerpunktmäßig europäischen und<br />

einigen ausgewählten interkontinentalen Zielen<br />

sowie Flughäfen mit bedeutender Quell- und<br />

Zielnachfrage, wie z.B. Düsseldorf.<br />

Zunahme von Direktverbindungen an dezentralen<br />

Flughäfen<br />

Der Trend zur Dezentralisierung zeigt sich u.a. bei<br />

Flughäfen in Europa mit Angeboten von Low-Cost-<br />

Fluggesellschaften. Führend in dieser Liste sind<br />

eher dezentrale Flughäfen. Dabei sind die Begriffe<br />

zentrale und dezentrale Flughäfen nicht geografisch<br />

zu verstehen, sondern in ihrer Funktion im<br />

Luftverkehrsnetz. [Abb.7]<br />

Nimmt man die hier und im Folgenden verwendete<br />

dritte Juli-Woche 2007 als Referenzwoche 11 , ist<br />

London Stansted mit 1.751 Starts von Low-Cost-<br />

Fluggesellschaften führend in Europa. Berücksichtigt<br />

man in London Stansted die Gesamtzahl der<br />

Starts (1.886) von Flugzeugen im kommerziellen<br />

Passagierflugverkehr, so entspricht dies einem<br />

Low-Cost-Anteil von 93%. Auf den Rängen 2 und<br />

3 folgen Barcelona und Palma de Mallorca mit<br />

jeweils 898 bzw. 883 Starts von Low Cost Carriern,<br />

wobei ihr Anteil an den gesamten Starts deutlich<br />

geringer als in London Stansted ausfällt. Flughäfen<br />

mit einem deutlich höheren Low-Cost-Anteil sind<br />

z.B. Mailand (Milan Orio al Serio) mit einem ähnlich<br />

hohen Anteil an den Abflügen wie in London<br />

Stansted sowie Berlin Schönefeld, Belfast oder<br />

Southampton. Der Anteil von Low-Cost-Flügen<br />

liegt dort zwar schon im hohen Bereich von 79%<br />

bis 88%, ist jedoch immer noch geringer als<br />

London Stansted. Die absolute Zahl der Starts von<br />

Low Cost Carriern dieser Flughäfen liegt zwischen<br />

403 und 431.<br />

Während Low-Cost-Fluggesellschaften vorwiegend<br />

Punkt-zu-Punkt-Verbindungen an Flughäfen mit<br />

vorwiegend Quelle-Ziel-Verkehr bedienen, gibt es<br />

auch einige Hub-Flughäfen in Europa, die einen<br />

signifikanten Anteil von Low-Cost-Verkehren aufweisen,<br />

wie beispielsweise Paris Charles de Gaulle,<br />

Amsterdam und München. Die Anzahl der Starts<br />

von Low Cost Carriern liegt zwischen 400 und<br />

600, jedoch ist der Anteil an den Gesamtstarts vergleichsweise<br />

gering und liegt in einem Bereich von<br />

10% für Paris Charles de Gaulle und 27% für<br />

Düsseldorf.<br />

Unter den europäischen Top 25 Low-Cost-Flughäfen<br />

ist <strong>Deutschland</strong> mit sieben Flughäfen vertreten.<br />

Damit liegt <strong>Deutschland</strong> bei der Anzahl der Top-<br />

25-Flughäfen in diesem Bereich gleichauf mit dem<br />

Vereinigten Königreich. Spitzenreiter in diesem<br />

Segment in <strong>Deutschland</strong> sind Köln/Bonn, Berlin<br />

Tegel, München, Stuttgart und Düsseldorf. Hahn<br />

liegt mit 290 Starts im betrachteten Zeitraum auf<br />

Rang 43 im europäischen Vergleich.<br />

11 Diese Woche wurde gewählt, da sie die Strukturen der Verkehrsverflechtungen auf großräumlicher Regionsebene am besten<br />

wiedergibt.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 33<br />

London Stansted (Großbritannien)<br />

Barcelona (Spanien)<br />

Palma de Mallorca (Spanien)<br />

London Gatwick (Großbritannien)<br />

Dublin (Irland)<br />

Köln/Bonn (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Manchester (Großbritannien)<br />

London Luton (Großbritannien)<br />

Berlin Tegel (<strong>Deutschland</strong>)<br />

München (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

Stuttgart (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Düsseldorf (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Birmingham (Großbritannien)<br />

Edinburgh (Großbritannien)<br />

Madrid (Spanien)<br />

Oslo (Norwegen)<br />

Malaga (Spanien)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Hamburg (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Berlin Schönefeld (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Belfast (Irland)<br />

Paris Orly (Frankreich)<br />

Southampton (Großbritannien)<br />

Mailand Orio al Serio (Italien)<br />

0<br />

1.000 2.000 3.000 4.000 5.000<br />

Anzahl LCC Starts Gesamtanzahl Starts<br />

Abb. 7: 25 Flughäfen mit Low Cost Carrier Angeboten in Europa nach Zahl der Starts pro Woche 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

6.000 Starts pro<br />

Woche


34<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

3.1.2 Luftfrachtverkehr auf globaler und europäischer<br />

Ebene<br />

Starke Konzentration auf wenige Flughäfen im<br />

Luftfrachtverkehr<br />

Auf Anbieterseite ist die klassische von der integrierten<br />

Lufttransportkette zu unterscheiden.<br />

Während bei ersterer – vereinfacht dargestellt –<br />

Speditionen den Vorlauf vom Verlader zum Abflughafen<br />

und den Nachlauf vom Ankunfsflughafen<br />

zum Empfänger organisieren, die Airline<br />

also nur den reinen Lufttransport als Hauptlauf<br />

der Transportkette ausführt, treten Integratoren<br />

(Kurier-, Express- und Paketdienste; kurz: KEP)<br />

entlang der gesamten Transportkette auf und<br />

Memphis (USA)<br />

Hongkong (China)<br />

Anchorage (USA)<br />

Seoul Incheon (Südkorea)<br />

Tokio Narita (Japan)<br />

Schanghai Pudong (China)<br />

Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Louisville (USA)<br />

Singapur (Singapur)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Los Angeles (USA)<br />

Miami (USA)<br />

Taipeh (China)<br />

New York John F. Kennedy (USA)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

Chicago O’Hare (USA)<br />

Dubai (Vereinigte Arabische Emirate)<br />

London Heathrow (Großbritannien)<br />

Bangkok Suvarnabhumi (Thailand)<br />

Peking (China)<br />

Indianapolis (USA)<br />

Newark (USA)<br />

Osaka Kansai (Japan)<br />

Guangzhou (China)<br />

Dallas/Fort Worth (USA)<br />

Abb. 8: Die 25 größten Flughäfen in der Welt nach Frachtaufkommen 2006<br />

Quelle: ACI 2007, DLR 2008<br />

0<br />

verfügen über eigene Umschlagszentren, Bodenverkehrsmittel<br />

und Flugzeuge. Insgesamt wurden<br />

an den Top-25-Flughäfen 53% <strong>des</strong> weltweiten<br />

Luftfrachtaufkommens umgeschlagen, so dass die<br />

Konzentration auf einige wenige Hauptdrehkreuze<br />

deutlich stärker ausgeprägt ist als im Passagierbereich.<br />

[Abb.8]<br />

2006 wurden insgesamt 82Mio. Tonnen Fracht<br />

weltweit per Flugzeug transportiert. Unter den<br />

25 größten Frachtdrehkreuzen liegen 11 in Asien,<br />

zehn in den USA, aber nur vier in Europa. Die beiden<br />

größten Frachtflughäfen der Welt 2006 sind<br />

Memphis (USA), der zentrale Hub <strong>des</strong> Integrators<br />

FedEx, und Hongkong mit 3,7Mio. bzw. 3,6 Mio.<br />

Tonnen Fracht. Danach ist ein relativ starker Abfall<br />

1 Mio. 2 Mio. 3 Mio.<br />

Marktanteil in der Welt<br />

(insg. 82 Mio. Tonnen Fracht)<br />

47% 53%<br />

Top-25-Flughäfen<br />

Restliche Flughäfen<br />

4 Mio.<br />

Fracht in Tonnen


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 35<br />

<strong>des</strong> Frachtaufkommens zu beobachten; am Flughafen<br />

Anchorage in den USA wurden 2006 2,7Mio.<br />

Tonnen Fracht gezählt. Insgesamt reicht die Spannbreite<br />

der umgeschlagenen Fracht von 3,7Mio.<br />

Tonnen für den erstplatzierten Flughafen Memphis<br />

bis hin zu 758Tsd. Tonnen für Dallas/Ft. Worth<br />

(Platz 25).<br />

Die 25 größten Flughäfen in Europa nach Frachtaufkommen<br />

wickeln 84% <strong>des</strong> Luftfrachtverkehrs<br />

in Europa ab, dies entspricht jedoch nur 16% <strong>des</strong><br />

weltweiten Luftfrachtaufkommens [Abb.9]. Die<br />

verbliebenen 84% der gesamten Fracht wurden an<br />

den großen Frachtdrehkreuzen in Asien und den USA<br />

umgeschlagen. Das Aufkommen an den größten<br />

europäischen Frachtflughäfen verteilt sich dabei zu<br />

Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

London Heathrow (Großbritannien)<br />

Luxemburg (Luxemburg)<br />

Köln/Bonn (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Brüssel (Belgien)<br />

Lüttich (Belgien)<br />

Mailand Malpensa (Italien)<br />

Kopenhagen (Dänemark)<br />

Madrid (Spanien)<br />

Istanbul Ataturk (Türkei)<br />

East Midlands (Großbritannien)<br />

Zürich (Schweiz)<br />

London Stansted (Großbritannien)<br />

München (<strong>Deutschland</strong>)<br />

London Gatwick (Großbritannien)<br />

Wien (Österreich)<br />

Manchester (Großbritannien)<br />

Mailand Orio al Serio (Italien)<br />

Helsinki (Finnland)<br />

Rom Fiumicino (Italien)<br />

Moskau Domodedovo (Russland)<br />

Hahn (<strong>Deutschland</strong>)<br />

Moskau Sheremetyevo (Russland)<br />

Abb. 9: Die 25 größten Flughäfen in Europa nach Frachtaufkommen 2006<br />

Quelle: ACI 2007, DLR 2008<br />

0<br />

einem unterschiedlichen Grad auf die verschiedenen<br />

Geschäftsmodelle der Frachtfluggesellschaften.<br />

Beispielsweise sind an den Flughäfen Lüttich (TNT),<br />

Brüssel, Leipzig (DHL) und Köln/Bonn (UPS) die<br />

Integratoren maßgeblich für das Frachtaufkommen<br />

verantwortlich, am Flughafen Luxemburg der Standard-Luftfrachtanbieter<br />

Cargolux. Frankfurt und<br />

Paris Charles de Gaulle werden sowohl von Integratoren<br />

als auch von klassischen Luftfrachtanbietern<br />

genutzt (wobei in Paris allerdings der Europa-Hub<br />

der FedEx angesiedelt ist) und kommen zusammen<br />

mit knapp 4Mio. Tonnen auf etwa ein Viertel <strong>des</strong><br />

Gesamtfrachtaufkommens an europäischen Flughäfen.<br />

Auf den Plätzen 3 und 4 folgen Amsterdam<br />

und London Heathrow. Die verbleibenden 21 Flughäfen<br />

sind deutlich kleiner und haben pro Jahr ein<br />

Marktanteil<br />

in Europa<br />

16%<br />

84%<br />

Marktanteil<br />

in der Welt<br />

84%<br />

1 Mio. 2 Mio. 3 Mio.<br />

16%<br />

Top-25-Flughäfen<br />

Restliche Flughäfen<br />

4 Mio.<br />

Fracht in Tonnen


36<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Aufkommen unter einer Million Tonnen. Insgesamt<br />

wurden 2006 an europäischen Flughäfen 15Mio.<br />

Tonnen Fracht abgefertigt.<br />

3.1.3 Passagierverkehr an deutschen Flughäfen<br />

Frankfurt führt 2006 die Rangfolge mit 52Mio.<br />

Passagieren deutlich vor München mit rund<br />

31Mio. an [Abb.10]. Auf den Rängen drei bis<br />

sieben folgt eine weitere Gruppe von Flughäfen, an<br />

denen Flüge zu europäischen und einigen interkontinentalen<br />

Zielen angeboten werden und deren<br />

jährliches Aufkommen zwischen 17 Mio. und<br />

10Mio. Passagieren liegt. Die nachfolgenden<br />

Flughäfen bieten vor allem Flüge zu innerdeutschen<br />

und europäischen Zielen an und weisen ein<br />

Aufkommen von deutlich unter 10 Mio. Passagieren<br />

auf. Die größten Flughäfen in dieser Kategorie<br />

sind Berlin Schönefeld, Hannover und Nürnberg.<br />

Gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen<br />

entspricht die Rangfolge auf den ersten Plätzen der<br />

Frankfurt (FRA)<br />

München (MUC)<br />

Düsseldorf (DUS)<br />

Hamburg (HAM)<br />

Berlin Tegel (TXL)<br />

Stuttgart (STR)<br />

Köln/Bonn (CGN)<br />

Berlin Schönefeld (SXF)<br />

Hannover (HAJ)<br />

Nürnberg (NUE)<br />

Hahn (HHN)<br />

Leipzig/Halle (LEJ)<br />

Dortmund (DTM)<br />

Dresden (DRS)<br />

Bremen (BRE)<br />

Münster/Osnabrück (FMO)<br />

Berlin Tempelhof (THF)<br />

Saarbrücken (SCN)<br />

Erfurt (ERF)<br />

Abb. 10: Die Verkehrsflughäfen <strong>Deutschland</strong>s nach Zahl der Passagiere 2006<br />

Quelle: ADV 2007, DLR 2008<br />

oben genannten Flughafen-Aufstellung. Wachstum<br />

in der Anzahl der Passagiere ist aufgrund von<br />

Kapazitätsengpässen in Frankfurt und München<br />

sowie wegen Betriebsbeschränkungen in Düsseldorf<br />

nur mit dem Einsatz größeren Fluggerätes,<br />

nicht aber bei den Flugbewegungen zu attraktiven<br />

Zeitenlagen möglich.<br />

Verkehrsströme von <strong>Deutschland</strong> nach Europa und<br />

in die Welt<br />

Passagiere, die in <strong>Deutschland</strong> ein Flugzeug bestiegen,<br />

sind im Jahr 2006 hauptsächlich zu europäischen<br />

(57%), gefolgt von innerdeutschen (26%)<br />

und interkontinentalen Zielen (17%) gereist.<br />

Die Nachfrage zu Zielen im Inland entfiel im Jahr<br />

2006 auf etwa 16,2Mio. Originäreinsteiger. Dies<br />

entspricht rund 8,1Mio. innerdeutschen Flugreisen,<br />

wenn man eine Flugreise als Hin- und Rückflug<br />

zählt. Auf ihrer innerdeutschen Reise stiegen<br />

3,3Mio. Fluggäste in München ein, knapp<br />

3Mio. auf den Berliner Flughäfen, gefolgt von<br />

0 10 Mio. 20 Mio. 30 Mio. 40 Mio. 50 Mio. 60 Mio.<br />

Anzahl Passagiere


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 37<br />

Hamburg, Köln/Bonn,<br />

Frankfurt, Düsseldorf und<br />

Stuttgart mit einem Aufkommen<br />

zwischen 2Mio.<br />

und 1,5Mio. Einsteigern.<br />

Den rund 8,1Mio. innerdeutschen<br />

Reisen im Jahr<br />

2006 standen mehr als<br />

52Mio. Flugreisen im<br />

grenzüberschreitenden<br />

Luftverkehr gegenüber,<br />

was einem Anteil von<br />

86% aller Flugreisen von<br />

oder zu deutschen Flughäfen<br />

entspricht. Während<br />

im innerdeutschen Verkehr<br />

eine erhebliche Überlappung<br />

mit den konkurrierenden<br />

Verkehrsträgern<br />

Schiene und Straße besteht,<br />

ist bei längeren,<br />

grenzüberschreitenden<br />

Reisen häufig das Flugzeug<br />

die einzige Reisealternative.<br />

Dies erklärt den<br />

hohen Anteil grenzüberschreitender<br />

Reisen.<br />

Einsteiger<br />

in Mio.<br />

Dabei waren für 41Mio. Einsteiger europäische<br />

Flughäfen Ziel bzw. Herkunft der Flugreise, was<br />

gegenüber 11,4 Mio. Reisen im interkontinentalen<br />

Verkehr einen Anteil von rund 78% an den Auslandsflugreisen<br />

ausmacht. [Abb.11]<br />

Die sieben dargestellten Flughäfen vereinigen im<br />

Europaverkehr 31,1Mio. Einsteiger. Dies entspricht<br />

76% <strong>des</strong> Gesamtaufkommens der 25 deutschen<br />

Flughäfen von 41Mio.<br />

Von Frankfurt aus sind rund 6,3Mio. Originärpassagiere<br />

zu europäischen Zielen geflogen, gefolgt<br />

von Berlin (SXF, THF, TXL) mit 5,3Mio., Düsseldorf<br />

mit 5,2Mio. und München mit 5Mio. Außer den<br />

besonders starken Spanien-Strömen (z.B. Düsseldorf:<br />

1,5Mio. Einsteiger) fallen bei Düsseldorf<br />

und Frankfurt hohe Aufkommen in die Türkei auf<br />

(758 bzw. 665Tsd. Einsteiger), die auch in Stuttgart<br />

(479Tsd.), München (437Tsd.) und Berlin (387Tsd.)<br />

erheblich sind, jedoch weit unter den Werten <strong>des</strong><br />

Jahres 2005 liegen.<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Frankfurt München Berlin Düsseldorf Hamburg Stuttgart Köln/Bonn<br />

Endzielregion: Interkontinental<br />

Europa<br />

Originäreinsteiger<br />

Originäreinsteiger<br />

Umsteiger<br />

Umsteiger<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Originäreinsteiger<br />

Umsteiger<br />

Abb. 11: Zielregionen der Einsteiger auf den größten sieben deutschen Flughäfen 2006<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />

Von den größten deutschen Flughäfen verzeichnen<br />

nur Frankfurt und München ein nennenswertes<br />

Umsteigeraufkommen. Unter den Umsteigern befanden<br />

sich neben den von oder zu einem anderen<br />

deutschen Flughafen fliegenden Passagieren auch<br />

Fluggäste, die in den vergangenen Jahren für die<br />

beiden Hub-Flughäfen stark an Bedeutung gewonnen<br />

haben: die sogenannten Ausland-Ausland-<br />

Umsteiger. Insgesamt sind an beiden Hub-Flughäfen<br />

7,8Mio. Ausland-Ausland-Umsteiger zu einem<br />

Endziel in Europa und 5,2Mio. zu außereuropäischen<br />

Gebieten gereist. Davon sind über Frankfurt<br />

im Jahr 2006 9,8 Mio. (+ 0,2Mio. gegenüber 2005)<br />

und über München 3,2Mio. Personen (+ 0,3Mio.)<br />

umgestiegen. Der Anteil der übrigen deutschen<br />

Flughäfen an diesen Umsteigern war mit weniger<br />

als 3% gering.<br />

Von sämtlichen innerdeutsch beförderten Passagieren<br />

(23,1Mio.) entfielen mehr als die Hälfte auf eine<br />

der zehn aufkommensstärksten innerdeutschen<br />

Flugverbindungen. Besonders die Flughäfen Mün-


38<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

chen mit fünf Strecken (nach Hamburg, Berlin-Tegel,<br />

Frankfurt, Köln/Bonn und Düsseldorf) und Berlin-<br />

Tegel mit vier Strecken (nach Frankfurt, München,<br />

Köln/Bonn und Stuttgart) sind hier stark vertreten.<br />

Auf einigen innerdeutschen Strecken ist ein hoher<br />

Anteil von Umsteigern zu verzeichnen: Am stärksten<br />

ist dies auf der Verbindung Frankfurt–München<br />

sowie auf den Strecken Frankfurt–Berlin und Frankfurt–Hamburg<br />

zu erkennen. Passagiere, die z.B.<br />

von Berlin über Frankfurt zu weiter entfernten Zielen<br />

oder umgekehrt fliegen, machten 2006 mehr als<br />

36% der Passagiere auf dieser Strecke aus. So flogen<br />

z.B. 2006 rund 50Tsd. Passagiere von Berlin<br />

Tegel über Frankfurt in die USA. Im direkten Vergleich<br />

der Verbindungen Frankfurt–Hamburg und<br />

München–Hamburg zeigt sich, dass der Hub-Effekt<br />

für Frankfurt noch deutlich stärker ausfällt als für<br />

München. Auf der Strecke Frankfurt–München wirkt<br />

sich der Umsteiger-Effekt sogar doppelt aus, da es<br />

sowohl Umsteiger von München über Frankfurt in<br />

die Welt gibt, als auch Umsteiger von Frankfurt über<br />

München in die Welt. Das führte 2006 auf dieser<br />

Relation sogar zu einem Umsteigeranteil von 56%.<br />

Eingeladene Fracht<br />

und Post in Mio. Tonnen<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0,0<br />

3.1.4 Luftfrachtverkehr an deutschen Flughäfen<br />

Fracht: Starke Zuwächse, vor allem im Interkontinentalverkehr<br />

Luftfracht in <strong>Deutschland</strong> wird im Wesentlichen an<br />

fünf Flughäfen abgewickelt. Der größte Frachtflughafen<br />

<strong>Deutschland</strong>s ist Frankfurt mit über 2Mio.<br />

Tonnen abgefertigter Fracht und damit einem<br />

Anteil am deutschen Gesamtaufkommen von mehr<br />

als 50%. Mit deutlichem Abstand folgt Köln/Bonn<br />

als zweitgrößter deutscher Frachtflughafen mit<br />

einem Aufkommen von über 600Tsd. Tonnen<br />

Luftfracht. Die Flughäfen München, Hahn und<br />

Düsseldorf weisen jeweils ein Frachtaufkommen<br />

zwischen 225Tsd. Tonnen und 60Tsd. Tonnen auf.<br />

Die anderen deutschen Verkehrsflughäfen weisen<br />

nur noch sehr geringe bzw. keine Frachtaufkommen<br />

auf. Leipzig/Halle als neuer Hub der DHL wird<br />

jedoch ab 2008 erhebliche Marktanteile im Luftfrachtverkehr<br />

hinzugewinnen.<br />

Ähnlich wie die Entwicklung <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

auf den deutschen Flughäfen verlaufen die<br />

1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006<br />

Abb. 12: Aufkommen eingeladener Fracht und Post auf den deutschen Flughäfen<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />

CAGR 4,7%<br />

Gesamt<br />

Ausland gesamt<br />

Interkontinental<br />

Europa<br />

<strong>Deutschland</strong>


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 39<br />

Entwicklungslinien der Fracht- und Postströme, die<br />

auf Flügen mit Startflughafen in <strong>Deutschland</strong><br />

befördert wurden. [Abb.12]<br />

Zwischen 1991 und 2006 verdoppelte sich das<br />

Frachtaufkommen auf deutschen Flughäfen.<br />

Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate<br />

von 4,7%. Der Anstieg im Frachtaufkommen war<br />

vor allem getrieben durch den Interkontinentalverkehr.<br />

Dabei wird die meiste Fracht in Frankfurt<br />

(2006: 1,04Mio. Tonnen bei Start), Köln/Bonn<br />

(2006: 364Tsd. Tonnen bei Start) und München<br />

(2006: 127Tsd. Tonnen bei Start) umgeschlagen.<br />

Im Luftfracht- und -postverkehr von <strong>Deutschland</strong> zu<br />

europäischen Zielländern war in den letzten Jahren<br />

ein geringeres Wachstum als im Interkontinentalverkehr<br />

zu verzeichnen. Dort gab es Zuwächse von<br />

502Tsd. Tonnen im Jahr 1993 auf über 1,1Mio.<br />

Tonnen im Jahr 2006. Diesen Entwicklungen entsprechend<br />

haben sich die Anteile der einzelnen<br />

Zielregionen am Gesamtaufkommen verschoben:<br />

Während <strong>Deutschland</strong> 1993 noch Ziel von 22% <strong>des</strong><br />

Gesamtaufkommens war, betrug dieser Wert im Jahr<br />

2006 weniger als 7%. Demgegenüber stieg der<br />

Anteil <strong>des</strong> interkontinentalen Frachtaufkommens<br />

Starts in Tsd.<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

von 51% im Jahr 1993 auf 63% im Jahr 2006. Die<br />

angegebenen Regionen sind jeweils Streckenzielregionen.<br />

Die Fracht wird also gegebenenfalls dort<br />

umgeladen und in die eigentliche Bestimmungszielregion<br />

weitertransportiert.<br />

Im Gegensatz zum Passagierluftverkehr ist das<br />

Aufkommen im Luftfrachtverkehr je nach Richtung<br />

einer Verbindung häufig unterschiedlich ausgelastet.<br />

Daher versuchen die Luftfrachtgesellschaften<br />

ihre Flüge als „Rundflüge“ zu organisieren, um an<br />

verschiedenen Destinationen zusätzliche Fracht an<br />

Bord nehmen zu können.<br />

3.1.5 Flüge an deutschen Flughäfen<br />

Die Hälfte der Starts in <strong>Deutschland</strong> werden in<br />

Frankfurt und München abgewickelt<br />

Die neun größten Flughäfen <strong>Deutschland</strong>s verzeichneten<br />

zusammen fast 900Tsd. Starts (rund<br />

89% <strong>des</strong> Gesamtaufkommens der deutschen<br />

Flughäfen). Jeder dieser neun Flughäfen (die Flüge<br />

der drei Flughäfen Berlins werden als Gesamtwert<br />

angegeben) hat ein Jahresaufkommen von mehr<br />

als 25Tsd. Starts. [Abb.13]<br />

Frankfurt München Berlin Düsseldorf Hamburg Köln/Bonn Stuttgart Hannover Nürnberg<br />

Passagierflüge<br />

Fracht- und Postflüge<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Abb. 13: Passagier-, Fracht- und Postflüge auf den größten Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> 2006<br />

Quelle: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt 2007, DLR 2008<br />

Europa Interkontinental


40<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Im Jahr 2006 hatte der Flughafen Frankfurt mit<br />

insgesamt rund 236Tsd. Starts im Linien- und Charterverkehr<br />

das höchste Flugaufkommen. München,<br />

der zweite deutsche Hub-Flughafen, kam 2006<br />

bereits auf etwa 82% der Starts von Frankfurt.<br />

Im <strong>Deutschland</strong>-Verkehr hatte München vor Berlin<br />

das höchste Flugaufkommen. Dies liegt maßgeblich<br />

an der geographischen Lage der beiden Städte, so<br />

dass alternative Verkehrsträger von den Reisenden<br />

aufgrund relativ langer Reisezeiten zu den anderen<br />

deutschen Metropolregionen nur als unzureichende<br />

Substitute für Flugreisen angesehen werden.<br />

Dabei spielt in München neben dem hohen Flugaufkommen<br />

zu Inlands<strong>des</strong>tinationen auch das<br />

Flugaufkommen zu internationalen Zielen eine<br />

zunehmend wichtigere Rolle. Auf dem Hub-Flughafen<br />

Frankfurt wurden sowohl im Europa-Verkehr<br />

als auch im Interkontinental-Verkehr weiterhin die<br />

höchsten Flugaufkommen gezählt. Im Interkontinental-Bereich<br />

waren es ca. 63% (2005: 66%) der<br />

Flüge der Top-25-Flughäfen.<br />

Bei den Fracht- und Postflügen, die im betrachteten<br />

Zeitraum nur einen Anteil von weniger als 4%<br />

der Gesamtflüge ausmachen, sind über 80%<br />

grenzüberschreitend. Es entfielen mit ca. 12Tsd.<br />

Starts etwa 39% dieser Flüge auf den Flughafen<br />

Köln/ Bonn. Zusammen mit dem entsprechenden<br />

Flugaufkommen in Frankfurt kamen diese beiden<br />

Flughäfen auf über 23Tsd. Starts, was etwa 74%<br />

aller Fracht- und Postflüge der 25 Verkehrsflughäfen<br />

ausmacht.<br />

3.1.6 General Aviation an deutschen Flughäfen<br />

Als General Aviation wird der Verkehr bezeichnet,<br />

der nicht dem Linien-, Pauschalflug-, Tramp- und<br />

Anforderungsverkehr zuzurechnen ist und typischerweise<br />

mit kleinem Fluggerät durchgeführt wird. Zu<br />

den 25 internationalen und regionalen Verkehrsflughäfen<br />

in <strong>Deutschland</strong> kommen weitere rund<br />

400 Flugplätze in <strong>Deutschland</strong>, auf denen Luftverkehr<br />

mit kleinem Fluggerät durchgeführt wird.<br />

An dieser Stelle wird schwerpunktmäßig die Verkehrsart<br />

Business Aviation beschrieben, da diese im<br />

Segment General Aviation aufgrund <strong>des</strong> Wachstums<br />

die größte Bedeutung hat. Die verbleibenden<br />

Arten der Allgemeinen Luftfahrt sind insbesondere<br />

Taxiflugverkehr<br />

befindet sich in einer<br />

Wachstumsphase<br />

im Kontext der internationalen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

<strong>des</strong> Standortes zu vernachlässigen.<br />

Die Entwicklung <strong>des</strong> Werkluftverkehrs und <strong>des</strong><br />

Taxiflugverkehrs weisen unterschiedliche Tendenzen<br />

auf. Während der Werkluftverkehr, bei dem es<br />

sich um Flüge von Unternehmen mit eigenem<br />

Fluggerät handelt eher eine rückläufige Tendenz<br />

aufweist, befindet sich der Taxiverkehr, bei dem<br />

frem<strong>des</strong> Fluggerät gechartert wird, seit einigen<br />

Jahren in einer Wachstumsphase. Die beiden letztgenannten<br />

Verkehrsarten werden häufig auch<br />

unter dem Begriff der Business Aviation bzw. <strong>des</strong><br />

Geschäftsreiseluftverkehrs zusammengefasst, da er<br />

für die Anbindung und die Wirtschaft der einzelnen<br />

Regionen von Bedeutung ist.<br />

3.1.7 Verkehrskonzentration ausgewählter Regionen<br />

In Europa: Hohe Konzentration von Verkehren auf<br />

wenige Flughäfen<br />

In Europa sind in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich im<br />

Hinblick auf Starts pro Woche mit 86,9 bzw. 84,7%<br />

die höchsten Konzentrationsgrade im Flughafenbereich<br />

zu verzeichnen, während es z.B. in den USA<br />

oder in China mehr relativ große Flughäfen gibt.<br />

[Abb.14]<br />

Länder mit vergleichsweise geringem Konzentrationsgrad<br />

sind die USA und China. In den USA fertigen<br />

die Top-10-Flughäfen nur 28,8% der gesamten<br />

Starts ab, in China sind es 51,6%. Die beiden<br />

größten US-amerikanischen Flughäfen waren 2007<br />

Atlanta Hartsfield-Jackson und Chicago O’Hare<br />

mit rund 10Tsd. bzw. 9Tsd. Starts pro Woche. In<br />

<strong>Deutschland</strong> entfallen auf die beiden Hubs die<br />

Hälfte aller in <strong>Deutschland</strong> stattfindenden Starts<br />

(Frankfurt 4,5Tsd., München 4Tsd.).<br />

Großbritannien und Indien sind mit 69,2% und<br />

76,6% durch einen mittleren Konzentrationsgrad<br />

gekennzeichnet.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 41<br />

China<br />

Peking<br />

Guangzhou<br />

Schanghai Pudong<br />

Schanghai Hongqiao<br />

Chengdu<br />

Shenzhen<br />

Kunming<br />

Xi An Xianyang<br />

Hangzhou<br />

Chongqing<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Frankfurt<br />

München<br />

Düsseldorf<br />

Hamburg<br />

Berlin Tegel<br />

Stuttgart<br />

Köln/Bonn<br />

Hannover<br />

Berlin Schönefeld<br />

Nürnberg<br />

Frankreich<br />

Paris Charles de Gaulle<br />

Paris Orly<br />

Nizza<br />

Lyon<br />

Marseille<br />

Toulouse<br />

Bordeaux<br />

Strasbourg<br />

Nantes<br />

Clermont-Ferrand<br />

Großbritannien<br />

London Heathrow<br />

London Gatwick<br />

Manchester<br />

London Stansted<br />

Edinburgh<br />

Birmingham<br />

Glasgow<br />

London Luton<br />

London City<br />

Aberdeen<br />

0<br />

Marktanteil China 51,6%<br />

Marktanteil <strong>Deutschland</strong> 86,9%<br />

Marktanteil Frankreich 84,7%<br />

Marktanteil Großbritannien 69,2%<br />

1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000<br />

Starts/Woche<br />

Abb. 14: Die größten Flughäfen in ausgewählten Regionen der Welt sowie deren Anteil am Gesamtaufkommen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

2007, Teil 1. Quelle: OAG 2007, DLR 2008


42<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Indien<br />

Bombay<br />

Delhi<br />

Bangalore<br />

Chennai<br />

Hyderabad<br />

Kalkutta<br />

Ahmedabad<br />

Kochi<br />

Thiruvananthapuram<br />

Guwahati<br />

Bahrain/Katar<br />

Bahrain<br />

Doha<br />

USA<br />

Atlanta<br />

Chicago O’Hare<br />

Dallas/Fort Worth<br />

Los Angeles<br />

Denver<br />

Houston George Bush<br />

Detroit<br />

Charlotte<br />

Philadelphia<br />

New York John F. Kennedy<br />

Vereinigte Arabische Emirate<br />

Dubai<br />

Abu Dhabi<br />

Sharjah<br />

Ras al Khaimah<br />

Al Ain<br />

Al-Fujairah<br />

0<br />

Marktanteil Indien 76,6%<br />

Marktanteil Bahrain/Katar jeweils 100%<br />

Marktanteil USA 28,8%<br />

Marktanteil VAE 100%<br />

1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000<br />

Starts/Woche<br />

Abb. 14: Die größten Flughäfen in ausgewählten Regionen der Welt sowie deren Anteil am Gesamtaufkommen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

2007, Teil 2. Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

12 Diese Woche wurde gewählt, da sie die Strukturen der Verkehrsverflechtungen auf großräumlicher Regionsebene am besten<br />

wiedergibt.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 43<br />

3.2 Fluggesellschaften<br />

3.2.1 Struktur <strong>des</strong> weltweiten Luftverkehrs<br />

Intraregionale Flüge deutlich vor interkontinentalen<br />

Flügen<br />

Weltweit wurden im Jahr 2007 knapp 36Mio. Flüge<br />

angeboten. Die größten Luftverkehrsmärkte finden<br />

sich innerhalb Nordamerikas und Europas. [Abb.15]<br />

Bedeutende Strecken innerhalb Nordamerikas und<br />

über den Atlantik<br />

In der dritten Juli-Woche 2007 wurden weltweit<br />

715Tsd. Starts gezählt. Hiervon entfielen 19% auf<br />

Starts an Flughäfen der 27 Mitgliedsstaaten der<br />

Europäischen Union, was einer Zahl von über<br />

133Tsd. entspricht. 12 So ist z.B. der Anteil der<br />

Flüge zwischen Europa und Asien in dieser Woche<br />

nahezu genauso hoch wie im gesamten Jahr 2007.<br />

Dies gilt ebenfalls für die anderen Ströme.<br />

Nordamerika weist mit 292 Tsd. die höchste Zahl<br />

intraregionaler Flüge pro Woche auf (41%). Das<br />

höchste interkontinentale Aufkommen verzeichnet<br />

292<br />

Anzahl intraregionale<br />

Starts/Woche in Tsd.<br />

Anzahl interkontinentale<br />

Starts/Woche in Tsd.*<br />

17<br />

57<br />

4<br />

2<br />

9<br />

146<br />

die Nordatlantikroute mit 9Tsd. Flügen pro Woche.<br />

Die Abbildung zeigt, dass die Zahl der wöchentlichen<br />

intraregionalen Flüge (654Tsd.) die Anzahl<br />

interkontinentaler Flüge einschließlich Nahem<br />

Osten und Verkehr zwischen Nord- und Südamerika<br />

(60Tsd.) deutlich übertrifft. Darüber hinaus gibt<br />

es noch kleinere Ströme von unter 1Tsd. Starts pro<br />

Woche, die in dieser Abbildung nicht dargestellt<br />

sind, beispielsweise zwischen Ozeanien und Nordamerika.<br />

Die größten Fluggesellschaften in der Welt nach<br />

Sitzplatzangebot<br />

Ein Vergleich der größten Fluggesellschaften der Welt<br />

nach den angebotenen Sitzplätzen in der dritten Juli-<br />

Woche im Jahr 2007 zeigt, dass hier der amerikanische<br />

Low Cost Carrier Southwest das größte Angebot<br />

hat. [Abb.16; umseitig] Es folgen sechs weitere<br />

amerikanische Gesellschaften. Lufthansa liegt nach<br />

diesem Kriterium auf Platz 9. Würde man diesen<br />

Vergleich nach der Anzahl der angebotenen Flüge<br />

durchführen, ergäbe sich grundsätzlich ein ähnliches<br />

Bild, jedoch wäre der Unterschied zwischen Southwest<br />

zu den anderen Gesellschaften deutlich kleiner.<br />

Dies liegt daran, dass Southwest im Wesentlichen nur<br />

Abb. 15: Weltweiter Luftverkehr in Starts pro Woche 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008. *Einschließlich Nahem Osten und Verkehr zwischen Nord- und Südamerika<br />

6<br />

4<br />

15<br />

2<br />

9<br />

9<br />

4<br />

1<br />

112<br />

2<br />

23


44<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Southwest Airlines<br />

Delta Air Lines<br />

American Airlines<br />

United Airlines<br />

US Airways<br />

Northwest Airlines<br />

Air France-KLM<br />

Continental Airlines<br />

China Southern Airlines<br />

Lufthansa German Airlines<br />

Japan Airlines International<br />

China Eastern Airlines<br />

All Nippon Airways<br />

Ryanair<br />

British Airways<br />

TAM Linhas Aereas<br />

Air China<br />

Gol Transportes Aereos<br />

Air Canada<br />

Iberia<br />

Abb. 16: Die größten Fluggesellschaften der Welt nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

über einen Flugzeugtyp verfügt und so eine durchschnittliche<br />

Sitzplatzanzahl pro Flug von 136 Sitzplätzen<br />

anbietet. Zahlreiche andere Gesellschaften setzen<br />

in ihrem Flugzeugmix aber auch kleinere Flugzeuge<br />

im Regionalluftverkehr ein, so dass hier die durchschnittliche<br />

Sitzplatzanzahl pro Flug darunter liegt.<br />

Angebotsstarke Fluggesellschaften in Europa:<br />

Unterschiedliche Rangfolge für Passagieranzahl<br />

oder Frequenzen<br />

In Europa sind – gemessen an der Anzahl der angebotenen<br />

Sitzplatzkapazität für eine Juli-Woche<br />

2007 – die zwei Top-Routen Barcelona–Madrid<br />

und Mailand–Rom, mit 77Tsd. bzw. 41Tsd. Sitzen<br />

pro Woche und Reiserichtung. London Heathrow–<br />

Dublin stellt mit 26Tsd. Sitzen pro Woche und<br />

Reiserichtung die meistbeflogene internationale<br />

Route innerhalb Europas dar. Insgesamt sind fünf<br />

internationale Strecken unter den Top 10. Die<br />

höchste Sitzplatzkapazität einer interkontinentalen<br />

0 1 Mio. 2 Mio. 3 Mio. 4 Mio. 5 Mio. 6 Mio.<br />

Angebotene Sitzplätze/Woche<br />

Route ab Europa weist die Flugverbindung London<br />

Heathrow – New York JFK auf. Mit fast 38Tsd.<br />

Sitzen pro Woche liegt diese Verbindung nur knapp<br />

hinter den zwei vorgenannten innereuropäischen<br />

Top-Routen auf Platz 3. Aufgrund <strong>des</strong> eingesetzten<br />

Langstreckenfluggeräts beträgt die durchschnittliche<br />

Sitzplatzkapazität pro Flug hier 292, wohingegen<br />

dieser Wert auf der Route Barcelona–Madrid<br />

bei 157 liegt.<br />

Misst man die aufkommensstärksten Routen in<br />

Europa an der Anzahl der Frequenzen für eine<br />

Woche im Juli 2007, zeigt sich ein etwas anderes<br />

Bild. Die Verkehrsrelationen mit den meisten Flugverbindungen<br />

befinden sich zwar vorwiegend auf<br />

nationalen Märkten, wie z.B. Madrid–Barcelona<br />

oder Mailand–Rom aber auch bei den Inselverkehren.<br />

Die höchstfrequentierte Flugverbindung von<br />

einem europäischen Flughafen mit Ziel außerhalb<br />

Europas ist London Heathrow–New York JFK mit<br />

130 Flügen pro Woche jeweils pro Reiserichtung.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 45<br />

3.2.2 Unterschiedliche Geschäftsmodelle von<br />

Fluggesellschaften<br />

Für die Analyse von verschiedenen idealtypischen<br />

Geschäftsmodellen von Fluggesellschaften werden<br />

diese folgendermaßen unterschieden:<br />

■ Linien-/Netzwerkfluggesellschaften,<br />

■ Low-Cost-Fluggesellschaften,<br />

■ Ferienfluggesellschaften,<br />

■ Regionalfluggesellschaften.<br />

Die Grenzen der einzelnen Geschäftsmodelle sind<br />

seit einigen Jahren – verstärkt durch den Markteintritt<br />

der Low-Cost-Fluggesellschaften – an<br />

den Rändern nicht mehr trennscharf, zumal einige<br />

Carrier hybride Geschäftsmodelle entwickelt<br />

haben. Air Berlin beispielsweise ist sowohl auf<br />

innerdeutschen und -europäischen Business-<br />

Routen als auch auf klassischen europäischen<br />

Ferienflugstrecken vertreten und bedient seit<br />

2008 aufgrund der Übernahme der LTU zudem<br />

ausgewählte und vorwiegend touristische<br />

Langstrecken<strong>des</strong>tinationen. Die Zuordnung einzelner<br />

Fluggesellschaften zu den genannten,<br />

idealtypischen Arten von Airlines ist daher teilweise<br />

schwierig.<br />

Die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften decken<br />

61,9% aller Starts an europäischen Flughäfen<br />

2007 ab, gefolgt von den Low Cost Carriern mit<br />

23,7%. Ferienfluggesellschaften sowie Regionalfluggesellschaften<br />

weisen hingegen nur einen<br />

Anteil von 4,2% beziehungsweise 10,3% auf. Bei<br />

den angebotenen Sitzplätzen gibt es geringfügige<br />

Unterschiede. So verfügen die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

hier über einen Anteil von<br />

61,4%, die Low Cost Carrier von 27,6%, die<br />

Ferienfluggesellschaften von 6,3% und die<br />

Regionalfluggesellschaften von 4,7%.<br />

Eine weitergehende Analyse zeigt, dass die Top 20<br />

der europäischen Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

80% der Flüge in ihrem Segment abdecken. Im<br />

Segment der Ferienfluggesellschaften ist die Konzentration<br />

sogar noch höher: Hier bilden die Top 20<br />

mit 94% nahezu den gesamten Markt ab. Dieses<br />

Bild ist vergleichbar mit dem im Low-Cost-Segment,<br />

das zu 90% von seinen Top-20-Fluggesellschaften<br />

bedient wird. Im Bereich der Regionalfluggesellschaften<br />

ist die Marktkonzentration ver-<br />

gleichsweise gering: Die Top 20 decken hier 64%<br />

der Flüge ab.<br />

Nahezu der gesamte Markt der Linien-/Netzwerk-,<br />

Low-Cost- sowie Ferienfluggesellschaften wird<br />

jeweils durch seine Top 40 abgedeckt (93,0%,<br />

99,4% bzw. 99,9%), wohingegen im Segment der<br />

Regionalfluggesellschaften nur 83,9% der gesamten<br />

Flüge durch die Top 40 der Regionalfluggesellschaften<br />

durchgeführt werden. [Abb.17]<br />

3.2.2.1 Linien- und Netzwerkfluggesellschaften<br />

Die größten 7 europäischen Fluggesellschaften<br />

wickeln 55% <strong>des</strong> Luftverkehrs ab<br />

Sowohl bei der Anzahl der angebotenen Sitzplätze<br />

als auch gemessen an den wöchentlichen<br />

Frequenzen sind Air France-KLM und Lufthansa<br />

die beiden größten europäischen Fluggesellschaften.<br />

British Airways und Iberia folgen auf den<br />

Rängen 3 und 4. Die sieben größten Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

bedienen 55% <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftverkehrs in diesem Segment, die 20<br />

1,2 Mio.<br />

5,4 Mio.<br />

0,9 Mio.<br />

Angebotene Sitzplätze pro Woche<br />

Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

Ferienfluggesellschaften<br />

Regionalfluggesellschaften<br />

12,0 Mio.<br />

Abb. 17: Verteilung <strong>des</strong> europäischen Luftverkehrs nach<br />

Fluggesellschaftstyp 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008


46<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Air France-KLM<br />

Lufthansa German Airlines<br />

British Airways<br />

Iberia<br />

Alitalia<br />

SAS Scandinavian Airlines<br />

Turkish Airlines<br />

Spanair<br />

Swiss<br />

Austrian<br />

Aer Lingus<br />

Air Europa<br />

Air One<br />

Aeroflot Russian Airlines<br />

TAP Air Portugal<br />

Olympic Airlines<br />

Finnair<br />

SN Brussels Airlines<br />

Czech Airlines<br />

bmi british midland<br />

größten Fluggesellschaften über 70%. Hierbei ist<br />

zu erwähnen, dass sich Air France und KLM im<br />

Jahr 2004 zusammengeschlossen haben. Unter<br />

dem Dach der Holding Air France-KLM werden<br />

die beiden Fluggesellschaften Air France und KLM<br />

betrieben. 13 Anders sieht es z.B. im Fall Swiss aus,<br />

die ein vollkonsolidiertes Tochterunternehmen der<br />

Deutschen Lufthansa AG ist. 14 [Abb.18]<br />

Das Volumen <strong>des</strong> Gesamtmarktes umfasst<br />

wöchentlich etwa 95Tsd. Flüge mit einer Sitzplatzkapazität<br />

von 12Mio. Sitzen. Die durchschnittliche<br />

Kapazität pro Flug beträgt 127 Sitze.<br />

0<br />

200 400 600 800 1.000 1.200 1.400<br />

Abb. 18: Top 20 Linien-/Netzwerkfluggesellschaften in Europa nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

Angebotene Sitzplätze/Woche in Tsd.<br />

3.2.2.2 Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

1.600 1.800<br />

Starke Konzentration bei den Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

in Europa<br />

Bei den Low-Cost-Fluggesellschaften nimmt Ryanair<br />

gemessen an den angebotenen Sitzplätzen pro Woche<br />

den Spitzenplatz ein, gefolgt von easyJet, Air<br />

Berlin (ohne LTU) und TUIfly auf den Plätzen 2 bis 4.<br />

Die Spanne der angebotenen wöchentlichen Sitzplatzkapazität<br />

reicht von 1,2 Mio. für Ryanair bis hin<br />

zu 48Tsd. für Alpi Eagles. Die vier großen Low-Cost-<br />

Fluggesellschaften heben sich von den nachfolgen-<br />

13 Vgl. Air France-KLM: Profile – The Group, http://www.airfranceklm-finance.com/air-france-klm-group.html, Abruf am<br />

01.08.2008.<br />

14 Vgl. Lufthansa: Geschäftsfelder – Passage,<br />

http://konzern.lufthansa.com/de/html/ueber_uns/geschaeftsfelder/passage/index.html, Abruf am 01.08.2008.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 47<br />

Ryanair<br />

easyJet<br />

Air Berlin<br />

TUIfly<br />

Flybe<br />

germanwings<br />

Vueling Airlines<br />

Meridiana<br />

Jet2.com<br />

Norwegian Air Shuttle<br />

Clickair<br />

bmibaby<br />

Sterling<br />

Wizz Air<br />

easyJet Switzerland SA<br />

SkyEurope<br />

Transavia.com<br />

Air Baltic Corporation<br />

Wind Jet<br />

Alpi Eagles<br />

0<br />

200 400 600 800 1.000 1.200 1.400<br />

Abb. 19: Top 20 Low-Cost-Fluggesellschaften in Europa nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

den Low Cost Carriern in der Zahl der angebotenen<br />

Sitzplatzkapazität deutlich ab. 15 [Abb.19]<br />

Auch gemessen an der Anzahl der Frequenzen<br />

sind die vier größten Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

Ryanair, easyJet, Air Berlin (ohne LTU) und Flybe.<br />

Das Marktvolumen der Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

in Flügen pro Woche liegt bei etwa<br />

36Tsd. und beträgt etwa ein Drittel <strong>des</strong> Marktes<br />

der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften. Die<br />

durchschnittliche angebotene Sitzplatzkapazität<br />

pro Flug ist mit 149 Sitzen um 22 Sitze höher als<br />

im Falle der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften.<br />

3.2.2.3 Regionalfluggesellschaften<br />

Angebotene Sitzplätze/Woche in Tsd.<br />

Zwei größere Regionalfluggesellschaften<br />

in Europa<br />

15 Bei Air Berlin handelt es sich um eine Fluggesellschaft, die verschiedene Geschäftsmodelle betreibt. Da eine eindeutige Trennung<br />

nicht möglich ist, wurde der mittlerweile zu Air Berlin zählende, aber noch unter LTU-Flugnummer fliegende Teil dem Ferienflugverkehr<br />

zugeordnet, der unter Air Berlin-Flugnummer verkehrende Teil komplett dem Low-Cost-Sektor, auch wenn hier<br />

noch andere Verkehre enthalten sind.<br />

1.600<br />

Das Marktvolumen bei den Regionalfluggesellschaften<br />

beträgt 16Tsd. wöchentliche Flüge bzw.<br />

930Tsd. angebotene Sitze pro Woche und nimmt<br />

damit verglichen mit dem Markt der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

nur einen Bruchteil ein.<br />

Die durchschnittliche Sitzplatzkapazität eines Fluges<br />

liegt aufgrund <strong>des</strong> hohen Anteils von Kurzstrecken-<br />

und Zubringerflügen mit Regionalflug-


48<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

zeugen, wie z.B. ATR 42 oder Canadair Regional<br />

Jet (CRJ), bei nur 59 Sitzen.<br />

Zwei Regionalfluggesellschaften heben sich in<br />

Bezug auf die angebotene wöchentliche Sitzplatzkapazität<br />

wie auch auf die Zahl der angebotenen<br />

Flüge 2007 deutlich ab: Wideroe’s Flyvesleskap und<br />

Binter Canarias mit 1700 bzw. 1200 wöchentlichen<br />

Flügen und einer durchschnittlich angebotenen<br />

Sitzplatzkapazität pro Flug von 44 bzw. 76 Sitzen.<br />

Die nachfolgenden Regionalfluggesellschaften sind<br />

mit 200 bis 600 wöchentlichen Flügen deutlich<br />

kleiner. Damit zeigt sich der Markt der Regionalfluggesellschaften<br />

als sehr heterogen. Aus deutscher<br />

Sicht sind besonders drei Regionalfluggesellschaften<br />

interessant, die zu den 20 größten in<br />

Europa zählen. Dies sind OLT, Cirrus Airlines und<br />

die LGW. Ebenfalls aus deutscher Sicht bedeutsam,<br />

wenn auch unter italienischem Air Operator Certificate<br />

(AOC) fliegend ist die Regionalfluggesellschaft<br />

Air Dolomiti, eine hundertprozentige Tochter der<br />

Condor Flugdienst<br />

First Choice Airways<br />

Thomsonfly<br />

Monarch Airlines<br />

LTU International Airways<br />

MyTravel Airways<br />

flyglobespan<br />

Atlasjet Airlines<br />

SunExpress<br />

Air Transat A.T. Inc.<br />

Martinair Holland<br />

Hamburg International<br />

Kibris Turkish Airlines<br />

Corsair<br />

Zoom Airlines<br />

Edelweiss Air<br />

Interavia Airlines<br />

Saratov Airlines<br />

South Airlines<br />

Astraeus<br />

Deutschen Lufthansa AG. Air Dolomiti führt<br />

hauptsächlich Zubringerdienste aus Italien zum<br />

Flughafen München durch. Lufthansa Cityline und<br />

Eurowings, die Regionalflugtöchter der Lufthansa,<br />

konnten hier nicht separat betrachtet werden, da<br />

sie ihre Flüge unter Lufthansa-Flugnummer anbieten<br />

und somit der Lufthansa zugeordnet wurden.<br />

3.2.2.4 Ferienfluggesellschaften<br />

Abb. 20: Top 20 Ferienfluggesellschaften in Europa nach angebotenen Sitzplätzen 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

Wenige große Ferienfluggesellschaften in Europa<br />

Das Marktvolumen der Ferienfluggesellschaften in<br />

Europa beträgt 6.430 wöchentliche Flüge mit<br />

1,2Mio. Sitzen pro Woche, was nur einem Bruchteil<br />

<strong>des</strong> Marktes der Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

entspricht [Abb.20]. Es ist eine deutliche<br />

Marktkonzentration auf die acht größten Gesellschaften<br />

in diesem Segment zu beobachten. Die<br />

durchschnittliche Sitzplatzkapazität pro Flug liegt<br />

bei 190 Sitzen, das ist im Vergleich zu den übrigen<br />

0 40.000 80.000 120.000 160.000 200.000<br />

Angebotene Sitzplätze/Woche


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 49<br />

Fluggesellschaften der höchste Wert. Im Vergleich<br />

mit der Rangfolge bezüglich der angebotenen<br />

wöchentlichen Flüge ergeben sich bei den angebotenen<br />

Sitzplätzen auf den vorderen Rängen keine<br />

Änderungen.<br />

Die drei größten Gesellschaften Condor, First Choice<br />

Airways und Thomsonfly heben sich deutlich von<br />

den übrigen Ferienfluggesellschaften ab. Sie bieten<br />

807 (Condor), 751 (First Choice Airways) bzw.<br />

740 (Thomsonfly) Flüge pro Woche an oder<br />

180Tsd. (Condor), 175Tsd. (First Choice Airways)<br />

21<br />

19<br />

17<br />

15<br />

13<br />

11<br />

9<br />

7<br />

5<br />

3<br />

1<br />

Star<br />

Alliance<br />

AC<br />

CA<br />

NZ<br />

NH<br />

OZ<br />

OS<br />

BD<br />

MS<br />

LO<br />

LH<br />

SK<br />

FM<br />

SQ<br />

SA<br />

JK<br />

LX<br />

TP<br />

TG<br />

TK<br />

UA<br />

US<br />

Air Canada<br />

Air China<br />

Air New Zealand<br />

ANA<br />

Asiana Airlines<br />

Austrian<br />

bmi<br />

Egypt Air<br />

LOT Polish Airlines<br />

Lufthansa<br />

Scandinavian Airlines<br />

Shanghai Airlines<br />

Singapore Airlines<br />

South African<br />

Spanair<br />

Swiss<br />

TAP Portugal<br />

Thai Airways<br />

Turkish Airlines<br />

United Airlines<br />

US Airways<br />

Skyteam<br />

SU<br />

AM<br />

AF<br />

AZ<br />

CZ<br />

CO<br />

OK<br />

DL<br />

KE<br />

KL<br />

NW<br />

und 168Tsd. (Thomsonfly) Sitzplätze. Die folgenden<br />

Gesellschaften sind bezogen auf das wöchentliche<br />

Flug- und Sitzplatzangebot deutlich kleiner.<br />

3.2.3 Allianzen von Fluggesellschaften<br />

Allianzen sind eine Antwort der Fluggesellschaften<br />

auf den verschärften Wettbewerb, der mit der<br />

Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs in den neunziger<br />

Jahren weiter zugenommen hat. Mittlerweile<br />

existieren drei weltumspannende Allianzen: Star<br />

Alliance, Skyteam und Oneworld. [Abb.21]<br />

Aeroflot<br />

Aeromexico<br />

Air France<br />

Alitalia<br />

China Southern<br />

Continental Airlines<br />

Czech Airlines<br />

Delta Airlines<br />

Korean Air<br />

KLM<br />

Northwest Airlines<br />

RG Varig<br />

EI<br />

Eintritt 2007 Austritt 2007<br />

Eintritt 2008<br />

Oneworld<br />

American Airlines<br />

British Airways<br />

Cathay Pacific<br />

Finnair<br />

Iberia<br />

Japan Airlines<br />

LAN Chile<br />

Malév<br />

Qantas Airways<br />

Royal Jordanian<br />

Aer Lingus<br />

Low-Cost-Fluggesellschaften ohne Mitgliedschaft Linien-/Netzwerkfluggesellschaften ohne Mitgliedschaft<br />

WN B6 FR U2 FL EK MH VS AS<br />

South- Jetblue Ryanair easyjet<br />

AirTran Emirates Malaysia Virgin Alaska<br />

west<br />

Airways<br />

Airlines<br />

Airlines<br />

Abb. 21: Allianzen von Fluggesellschaften im Oktober 2008<br />

Quelle: OAG 2008, DLR 2008<br />

AA<br />

BA<br />

CX<br />

AY<br />

IB<br />

JL<br />

LA<br />

MA<br />

QF<br />

RJ<br />

CI<br />

China<br />

Airlines


50<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Merkmale von Luftverkehrsallianzen sind z.B. die<br />

Verwendung gemeinsamer Flugnummern (Code<br />

Sharing/Marketingflugnummern) und Flugplanabstimmungen,<br />

um den Kunden einer Allianz ein möglichst<br />

breites und schnelles Netzangebot zu bieten.<br />

Aus Kundensicht sind Allianzen in erster Linie mit<br />

verbesserten Anschlussmöglichkeiten, harmonisierten<br />

und aufeinander abgestimmten Services und<br />

attraktiveren, da größeren, Streckennetzen verbunden.<br />

Hinzu kommt die Möglichkeit, Services (Lounges<br />

etc.) auch der Partnerfluggesellschaften zu<br />

nutzen und auf verschiedenen Fluggesellschaften<br />

einer Allianz Vielfliegermeilen sammeln, abfliegen<br />

oder einlösen zu können. Für die Fluggesellschaften<br />

sind Allianzen zudem mit Kosteneinsparungen<br />

in vielen operativen Bereichen, im Einkauf sowie in<br />

Marketing und Vertrieb verbunden. 16 An einzelnen<br />

Standorten oder auf einzelnen Strecken kann die<br />

Allianzbildung allerdings zu einer Verschärfung der<br />

diskutierten Markteintrittsbarrieren führen oder mit<br />

höheren Preisen aufgrund reduzierten Wettbewerbs<br />

verbunden sein 17 .<br />

Von diesen drei Allianzen ist die Star Alliance<br />

gemessen an der Anzahl der Mitglieder die größte:<br />

Ende 2007 umfasste sie 19 Mitglieder. Mitglieder<br />

dieser Allianz sind u.a. Lufthansa und United Airlines.<br />

Varig verließ die Allianz 2007, ist in der nachfolgenden<br />

Analyse jedoch noch enthalten. Air China<br />

und Shanghai Airlines sind Ende 2007, Turkish<br />

Airlines und Egypt Air sind im Jahr 2008 neu hinzu<br />

gekommen und daher in den Analysedaten, die sich<br />

auf die dritte Juli-Woche 2007 beziehen, noch nicht<br />

berücksichtigt. Ende 2007 umfasste Skyteam rund<br />

um Air France und KLM 11 Mitglieder. China<br />

Southern kam im November 2007 hinzu, ist jedoch<br />

ebenfalls aus vorgenanntem Grund in der nachfolgenden<br />

Analyse noch nicht inbegriffen.<br />

Oneworld bestand Ende 2007 aus zehn Luftverkehrsgesellschaften<br />

mit den maßgeblichen Part-<br />

nern British Airways und American Airlines. Japan<br />

Airlines, Malev und Royal Jordanian sind Ende<br />

2007 beigetreten, jedoch noch nicht in der Analyse,<br />

die sich auf die dritte Juli-Woche 2007 bezieht,<br />

enthalten. Aer Lingus verließ die Allianz 2007 und<br />

operiert nun im Low-Cost-Segment.<br />

Die drei Allianzen vereinen drei Viertel <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftverkehrs – gemessen an den Starts der<br />

Linien-/Netzwerkfluggesellschaften – auf sich. Auf<br />

die Star Alliance entfallen 33%, auf Skyteam 25%<br />

und auf Oneworld 16% aller Starts an europäischen<br />

Flughäfen.<br />

Insgesamt gesehen hat die Star Alliance weltweit<br />

einen Marktanteil von 18% aller Starts, Skyteam<br />

von 17% und Oneworld von 8%. Gemessen<br />

an den angebotenen Sitzplatzkilometern kommt<br />

die Star Alliance auf 31,7%, Skyteam auf 25,8%<br />

und Oneworld auf 22%, jeweils bezogen auf das<br />

Gesamtjahr 2007. 18<br />

Einige Gesellschaften gehören keiner Allianz an.<br />

Diese sind im Wesentlichen Low-Cost-Fluggesellschaften,<br />

wie beispielsweise Ryanair, easyJet oder<br />

Air Berlin. Hinzu kommen auch noch über 100<br />

weitere Linien-/Netzwerkfluggesellschaften, die<br />

keiner Allianz angehören 19 . Hierfür ist Emirates ein<br />

bekanntes Beispiel.<br />

Auf die Fluggesellschaften, die keiner Allianz angehören,<br />

entfällt ein Anteil von 27% der Gesamtzahl<br />

der wöchentlichen Starts an europäischen Flughäfen.<br />

Dominanz der Allianzen an großen Flughäfen<br />

Europas<br />

Der Markt an den großen internationalen Flughäfen<br />

Europas – Amsterdam, Paris Charles de Gaulle,<br />

Frankfurt, London Heathrow, Madrid, München<br />

und Zürich – wird jeweils von einer der großen<br />

Allianzen dominiert. [Abb. 22]<br />

16 Vgl. Kleymann/Seristö: Levels of airline alliance membership:balancing risks and benefits, in: Journal of Air Transport Management<br />

7 (2001), S.303–310.<br />

17 Eine umfangreiche Vor- und Nachteilsanalyse befindet sich in der Studie: Globale Allianzen von Fluggesellschaften und ihre<br />

Auswirkungen auf die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong>. DLR-Forschungsbericht 2002 – 12, Köln 2002, S.43–89.<br />

18 Quelle: IATA World Air Transport Statistics 2007.<br />

19 Quelle: OAG Juli 2007.


Amsterdam<br />

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 51<br />

Paris Charles de<br />

Gaulle<br />

Frankfurt<br />

London Gatwick<br />

London Heathrow<br />

Madrid<br />

München<br />

Zürich<br />

StarAlliance<br />

Oneworld<br />

0 1.000 2.000<br />

3.000<br />

Anzahl von Starts<br />

Skyteam Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

Sonstige Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

Ferienfluggesellschaften<br />

Regionalfluggesellschaften<br />

Abb. 22: Allianzen von Fluggesellschaften an europäischen<br />

Flughäfen in einer Juliwoche 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

Die dominierende Allianz an diesen Flughäfen ist<br />

typischerweise für 50% bis 75% der Starts verantwortlich.<br />

So weisen z.B. in <strong>Deutschland</strong> München<br />

(68%) und Frankfurt (71%) einen hohen Star<br />

Alliance Anteil auf.<br />

Sowohl in London Heathrow als auch in Madrid ist<br />

die Dominanz einer einzelnen Allianz nicht so stark<br />

ausgeprägt, wie in Frankfurt, München, Amsterdam,<br />

Paris oder Zürich. Am größten Flughafen <strong>des</strong><br />

Vereinigten Königreichs beträgt der Anteil an den<br />

wöchentlichen Starts für Oneworld 49%, gefolgt<br />

von der Star Alliance mit 27% und Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

ohne Allianzzugehörigkeit<br />

mit 17%. Madrid ähnelt in seiner Struktur London<br />

Heathrow insofern, da hier wiederum neben der<br />

dominierenden Oneworld der Star Alliance ein<br />

vergleichsweise hoher Anteil an den Gesamtstarts<br />

zukommt (52% vs. 18%). Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

ohne Allianzzugehörigkeit decken<br />

an diesem Flughafen 12% der Starts ab.<br />

Ein wichtiger Parameter zur Bestimmung der<br />

Bedeutung eines Flughafens ist die Anzahl der<br />

Ziele, die von den dort tätigen Fluggesellschaften<br />

direkt angeflogen werden. Für die Kunden spielt<br />

dabei eine wichtige Rolle, welche Ziele sie mit<br />

Fluggesellschaften einer Allianz erreichen können.<br />

Die Bedienung einer möglichst hohen Anzahl von<br />

Zielen von Fluggesellschaften einer Allianz lässt<br />

z.B. die Mitgliedschaft in einem Vielfliegerprogramm<br />

einer Allianz-Fluggesellschaft attraktiv<br />

werden. Ebenso schätzen Umsteiger die Möglichkeit,<br />

innerhalb einer Gesellschaft bzw. innerhalb<br />

einer Allianz umzusteigen, da häufig Flugpläne<br />

aufeinander abgestimmt sind und eine durchgängige<br />

Tarifierung angeboten wird.<br />

Bei der Anzahl der Flugziele dominieren in Frankfurt<br />

und München besonders die Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

der Star Alliance. [Abb. 23;<br />

umseitig]


52<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Amsterdam<br />

Paris Charles de<br />

Gaulle<br />

Frankfurt<br />

London Gatwick<br />

London Heathrow<br />

Madrid<br />

München<br />

Zürich<br />

StarAlliance<br />

Oneworld<br />

0 40 80<br />

120 160<br />

Anzahl Ziele<br />

Skyteam Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

Sonstige Linien-/Netzwerkfluggesellschaften<br />

Ferienfluggesellschaften<br />

Regionalfluggesellschaften<br />

Abb. 23: Anzahl von Flugzielen an europäischen Flughäfen<br />

in einer Juliwoche 2007<br />

Quelle: OAG 2007, DLR 2008<br />

3.3 Flugsicherung<br />

Die Flugsicherung als weiteres Element in der<br />

Wertschöpfungskette <strong>des</strong> Luftverkehrs sorgt für<br />

Luftverkehrssicherheit und Pünktlichkeit und muss<br />

sich dabei den Herausforderungen eines wachsenden<br />

Luftverkehrsmarktes stellen: z.B. einer zunehmenden<br />

Komplexität, die durch die Zunahme der<br />

Flugbewegungen im Luftraum entsteht, sowie den<br />

Umgang mit Kapazitätsengpässen vor allem an den<br />

Hub-Flughäfen. Über 3Mio. Flüge kontrollierten<br />

allein die DFS-Lotsen im deutschen Luftraum im<br />

letzten Jahr (2007), Tendenz steigend.<br />

SES Single European Sky (SES) und Funktionale<br />

Luftraumblöcke (FAB 20 )<br />

Um der Flugsicherungsaufgabe europaweit entsprechend<br />

der Anforderungen gerecht werden zu können,<br />

ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen<br />

Luftraumes (Single European Sky), unterteilt<br />

in Luftraumblöcke, die sich an den Verkehrsströmen<br />

und nicht an nationalen Grenzen orientieren, notwendig.<br />

Dafür müssen in jedem Land jedoch die<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden,<br />

um konform mit den EU-Vorgaben zu sein. In<br />

jüngster Vergangenheit haben bereits verschiedene<br />

Länder, wie z.B. Großbritannien ihre Flugsicherung<br />

umstrukturiert, um sich besser auf die neuen Anforderungen<br />

einstellen zu können. Hierbei ging es<br />

vorrangig um strukturelle Veränderungen der Organisation<br />

und um Privatisierungen, die den Flugsicherungen<br />

u.a. einen höheren unternehmerischen<br />

Entscheidungsspielraum einräumen sollten. Im<br />

Zusammenhang mit der Schaffung eines einheitlichen<br />

Luftraums könnte so in Teilen ein wettbewerblich<br />

organisierter Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />

geschaffen werden.<br />

Die eigentliche Idee eines einheitlichen europäischen<br />

Luftraums existiert schon lange. Mit der Gründung<br />

von Eurocontrol 1960 wurde das Ziel verfolgt, einen<br />

grenzüberschreitenden Oberen Luftraum zu überwachen.<br />

Dieses Ziel konnte nur zum Teil erfüllt<br />

werden. Neben der Regulierungsfunktion im Rahmen<br />

<strong>des</strong> europäischen Luftraummanagements ist<br />

Eurocontrol darüber hinaus auch (noch) betrieblich<br />

als Flugsicherungsanbieter tätig. In dieser Funktion<br />

20 Functional Airspace Blocks.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 53<br />

betreibt Eurocontrol die Kontrollzentrale Maastricht<br />

für den Oberen Luftraum (MUAC) der Benelux-<br />

Staaten und Nordwestdeutschlands.<br />

Die Initiative zur Umsetzung <strong>des</strong> Single European<br />

Sky (SES) wurde im Oktober 2001 nach einigen<br />

anfänglichen Verzögerungen gestartet. Sie schuf<br />

das Legislativpaket, das im März 2004 beschlossen<br />

wurde und kurz darauf in Kraft trat. Es umfasst vier<br />

Rechtsvorschriften: die Rahmenverordnung, die<br />

Luftraumverordnung, die Flugsicherungsdienste-<br />

Verordnung und die Interoperabilitäts-Verordnung.<br />

Die Verordnungen bilden den rechtlichen Rahmen<br />

zur Harmonisierung der Flugsicherung in Europa.<br />

Im Einzelnen wird in den Verordnungen u.a. die<br />

Trennung von Aufsicht und Erbringung der Flugsicherungsdienstleistungen,<br />

die europaweit vereinheitlichte<br />

Zertifizierung von Flugsicherungsanbietern<br />

und Lizenzierung von Fluglotsen sowie die<br />

flexiblere und effizientere Nutzung der Flugsicherung<br />

geregelt.<br />

Neben der Festlegung von Verfahren für die detaillierte<br />

Umsetzung und für Gremien ist in der Rahmenverordnung<br />

auch die Einrichtung der unabhängigen<br />

nationalen Aufsichtsbehörden vorgesehen.<br />

Die Luftraumverordnung betrifft die Ordnung und<br />

Nutzung <strong>des</strong> Luftraums mit dem Ziel, gemeinsame<br />

Gestaltungs-, Planungs- und Verwaltungsverfahren<br />

für das Flugverkehrsmanagement im einheitlichen<br />

europäischen Luftraum festzulegen. Mit der<br />

Flugsicherungsdienste-Verordnung wird u.a. das<br />

Ziel verfolgt, die EU-weite Anwendung gemeinsamer<br />

Standards für Flugsicherungsdienste zu<br />

gewährleisten. Weiterhin schafft sie den Rahmen<br />

für eine transparente Gebührenregelung für Flugsicherungsdienste.<br />

Die vierte Verordnung regelt die Interoperabilität<br />

zwischen den verschiedenen Systemen, Komponenten<br />

und zugehörigen Verfahren <strong>des</strong> europäischen<br />

Flugverkehrsmanagementnetzes und zielt ferner<br />

darauf ab, die koordinierte und zügige Einführung<br />

neu vereinbarter und validierter Betriebskonzepte<br />

oder Technologien sicherzustellen.<br />

Die vier Verordnungen sind die Basis eines einheitlichen<br />

europäischen Luftraums, ihre Umsetzung bedarf<br />

jedoch umfangreicher Detailarbeiten und eines<br />

intensiven Informationsaustauschs aller Beteiligten.<br />

Gemäß der Rahmenverordnung ist die Europäische<br />

Kommission dazu angehalten, die Anwendung der<br />

Rechtsvorschriften regelmäßig zu überprüfen.<br />

Durch die Vereinheitlichung der Luftraumstruktur<br />

und der Bestimmungen in Europa soll ein effizientes<br />

europäisches Flugverkehrssystem geschaffen werden.<br />

Das wichtigste Instrument einer systematischeren<br />

Strukturierung <strong>des</strong> Luftraums ist eine grenzüberschreitende<br />

Integration mittels Funktionaler Luftraumblöcke<br />

(Functional Airspace Blocks, FABs) mit<br />

denen die größtmögliche Kapazität und Effizienz<br />

<strong>des</strong> Flugverkehrsmanagementnetzes sichergestellt<br />

werden soll.<br />

Gemäß der Konzeption der FABs muss sich das<br />

künftige Flugverkehrsmanagement an betrieblichen<br />

Erfordernissen orientieren, insbesondere an<br />

Verkehrsflüssen und nicht mehr an Staatsgrenzen.<br />

Dabei geht es um eine wesentlich bessere Verzahnung<br />

und grenzübergreifende Nutzung der beteiligten<br />

nationalen Lufträume und damit um kürzere<br />

Flugstrecken und günstigere Steig- und Sinkflüge<br />

(„Flugprofile“), um die grenzübergreifenden Verkehrsknotenpunkte<br />

aufzulösen, wenigstens aber<br />

zu entlasten. Ein Beispiel dafür ist etwa der durch<br />

Transantlantikverkehre hoch belastete Knotenpunkt<br />

Nordwestdeutschland/Niederlande.<br />

Dies bedeutet die schrittweise Auflösung nationaler<br />

Strukturen auf betrieblich operationeller Seite zugunsten<br />

eines europäischen Ganzen. Entstehen sollen<br />

so sechs bis acht Gruppen von EU-Mitgliedstaaten<br />

und ihren jeweiligen Dienstleistern, die die jeweiligen<br />

Staaten dann mit der Überwachung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

im Oberen und Unteren Luftraum beauftragen.<br />

Die Initiative zur Bildung der FABs geht von den<br />

Flugsicherungsdienstleistern, in einem nächsten<br />

Schritt von den Staaten aus (Bottom-up Ansatz).<br />

Eurocontrol wurde jedoch von der Kommission<br />

beauftragt, diese dabei zu unterstützen.<br />

3.3.1 Organisation der Flugsicherung in Europa<br />

Wettbewerb theoretisch möglich, praktisch kaum<br />

genutzt<br />

Während die rechtlichen Grundlagen durch die<br />

europäischen Vorgaben zur Erbringung von Flugsicherungsdienstleistungen<br />

im einheitlichen europäischen<br />

Luftraum theoretisch den Weg zu Wettbe-


54<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

werb im Bereich der Flugsicherung geebnet haben,<br />

ist die praktische Umsetzung in ganz Europa durch<br />

politische Erwägungen und staatsrechtliche Restriktionen<br />

noch behindert.<br />

In <strong>Deutschland</strong> erbringt die DFS Deutsche Flugsicherung<br />

GmbH im Rahmen der Beauftragung<br />

durch die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong> und auf<br />

Basis internationaler Abkommen (ICAO) u.a. Flugsicherungsbetriebsdienste,<br />

zu denen insbesondere<br />

die Flugverkehrskontrolle, die Verkehrsflussregelung,<br />

die Flugberatung (ausgenommen Flugwetterberatung),<br />

die Mitwirkung beim Such- und Rettungsdienst<br />

für Luftfahrzeuge sowie die Übermittlung<br />

von Flugsicherungsinformationen gehören.<br />

Daneben umfassen die Aufgaben der Flugsicherung<br />

u.a. meteorologische Dienste und Luftfahrtdatenmanagement.<br />

Die Kernbereiche der Flugverkehrskontrolle umfassen<br />

die Kontrolle an den Flughäfen (Tower-Dienste),<br />

sowie die Kontrolle im Streckenflug verbunden mit<br />

der An- und Abflugkontrolle (Center-Dienste).<br />

Seit 1993 ist die DFS eine Gesellschaft mit beschränkter<br />

Haftung (GmbH) im Alleineigentum<br />

der Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong> und nach derzeit<br />

geltender Rechtslage (Art. 87d GG) sind Flugsicherungsdienste<br />

allgemein in bun<strong>des</strong>eigener<br />

Verwaltung zu erbringen. Die DFS ist zu diesem<br />

Zwecke mit dieser Hoheitsaufgabe beliehen.<br />

Die grundgesetzlichen Voraussetzungen stehen<br />

jedoch im Konflikt zu bereits geltendem europäischen<br />

Recht. Sie behindern u.a. die durch die EU<br />

vorgegebene Bildung von Funktionalen Luftraumblöcken.<br />

Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen<br />

sind Flugsicherungsdiensteanbieter heute mehr<br />

denn je auf Kooperation in unternehmerischer<br />

Hinsicht angewiesen. Unternehmerische Kooperationen<br />

werden der DFS jedoch aufgrund der<br />

derzeitigen Rechtslage verwehrt, insoweit sich<br />

die beteiligten Unternehmen nicht auch im Bun<strong>des</strong>eigentum<br />

befinden.<br />

Im Gegenzug hat die deutsche Bun<strong>des</strong>regierung<br />

jedoch ausländischen Flugsicherungsorganisationen<br />

Flugsicherungsaufgaben übertragen, die als Teil der<br />

„Luftverkehrsverwaltung“ im Sinne <strong>des</strong> Artikels<br />

87dGG nicht bun<strong>des</strong>eigen sind. 21<br />

In einer ersten Runde haben zehn Regionalflughäfen<br />

die Tower-Dienstleistungen an den österreichischen<br />

Flugsicherungsdienstleister Austro Control<br />

vergeben, an neun Flughäfen stellt die DFS-Tochter<br />

„The Tower Company“ Flugsicherungsdienste<br />

bereit, und drei Flughäfen haben sich selbst zertifizieren<br />

lassen. Die Übernahme der Towerdienste an<br />

zehn deutschen Regionalflughäfen durch Austro<br />

Control und die Selbstzertifizierung der nichtbun<strong>des</strong>eigenen<br />

Betreiber der Verkehrslandeplätze<br />

erscheint im Lichte der Entscheidung <strong>des</strong> Landgerichts<br />

Konstanz 22 verfassungsrechtlich fragwürdig,<br />

da Artikel 87d GG bei der Luftverkehrsverwaltung<br />

im Bereich der Flugsicherung nicht zwischen<br />

Strecken- und Towerkontrolldiensten unterscheidet<br />

und die Luftverkehrsverwaltung in bun<strong>des</strong>eigener<br />

Verwaltung zu führen ist. In diesem speziellen<br />

Bereich scheint jedoch einer europafreundlichen<br />

Auslegung Vorrang gegeben zu sein, so dass ein<br />

von einer Aufsichtsbehörde in einem EU-Staat<br />

zertifizierter Flugsicherungsanbieter seine Dienste<br />

in allen Staaten der EU ausüben darf. An den<br />

größeren deutschen Flughäfen werden die Towerdienste<br />

weiterhin aufgrund gesetzlicher Grundlage<br />

durch die DFS erbracht.<br />

Die Sichtweise, dass die hoheitlichen Aufgaben<br />

im Bereich der Kontrolle <strong>des</strong> Luftraums dominieren,<br />

wird auch grundsätzlich in der europäischen Flugsicherungsdiensteverordnung<br />

550/2004 vertreten,<br />

21 Erbringung der Flugverkehrskontrolldienste an einigen deutschen Regionalflughäfen durch die österreichische Flugsicherungsorganisation<br />

Austrocontrol. In den grenznahen Lufträumen auf deutscher Seite sind u.a. Skyguide (Schweiz) sowie LNVL<br />

(Niederlande), die dänische Flugsicherung und Austrocontrol tätig.<br />

22 Landgericht Konstanz, Urteil vom 27.07.2006, Aktenzeichen: 4 O 234/05 H.<br />

23 Functional Airspace Block European Central: Benelux-Staaten, <strong>Deutschland</strong>, Frankreich.<br />

24 Vgl. Eurocontrol Performance Review Report 2007, S.I.<br />

25 Vgl. Mitteilung der EU-Kommission COM 2008 389/2 S.6.<br />

26 Vgl. Eurocontrol Performance Review Report 2006.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 55<br />

die die wirtschaftlichen Aspekte der Erbringung<br />

von Flugsicherungsdienstleistungen in den Hintergrund<br />

stellt und die Anwendbarkeit der Rechtsverordnungen<br />

<strong>des</strong> Gemeinsamen Marktes verneint.<br />

So erschweren nationalstaatliche Erwägungen die<br />

aus ökonomischer Sicht durchaus sinnvolle Integration<br />

mehrerer Flugsicherungsdienstleister. Bereits<br />

die Abgabe exklusiver Hoheitsrechte über dem<br />

eigenen Luftraum führte bisher zu starken Widerständen,<br />

so dass die bisherigen Initiativen zur<br />

Bildung der funktionalen Luftraumblöcke teilweise<br />

nur schleppend vorankommen.<br />

Erfreuliche Entwicklungen in diesem Prozess gab<br />

es zuletzt beim FAB EC. 23 Dort ist die beauftragte<br />

Machbarkeitsstudie abgeschlossen worden. Die<br />

Veröffentlichung der Ergebnisse ist demnächst zu<br />

erwarten. Eine Absichtserklärung (Declaration of<br />

Intent) wird noch im November 2008 während der<br />

französischen Ratspräsidentschaft unterzeichnet.<br />

Ein darauf beruhender Staatsvertrag soll bis 2012 in<br />

Kraft treten.<br />

3.3.1.1 Wirtschaftliche Aspekte der Flugsicherung<br />

Die Flugsicherung an 17 internationalen Verkehrsflughäfen<br />

ist derzeit als Monopol organisiert. Sämtliche<br />

Kosten werden direkt an den Nutzer weitergegeben,<br />

unabhängig von der Qualität der geleisteten<br />

Dienste. Dieses Prinzip der Vollkostendeckung<br />

bietet nur wenig Anreize, Dienste sowohl qualitativ<br />

als auch kostenmäßig zu optimieren.<br />

Seit den 70er Jahren und dem Beginn, nichtstaatliche<br />

Luftverkehrsaufgaben zu privatisieren, wurden<br />

die rechtlichen Strukturen <strong>des</strong> Flugverkehrsmanagements<br />

vornehmlich durch zwischenstaatliche<br />

Vereinbarungen geregelt. Wie die Leistungsüberprüfung<br />

durch die High Level Group und die Eurocontrol-Kommission<br />

jedoch gezeigt hat, ist der<br />

zwischenstaatliche Ansatz ungeeignet, da er nur<br />

uneinheitlich umgesetzt werden kann. Ein weiteres<br />

Problem stellt dabei die Intransparenz der Aufgabenverteilung<br />

zwischen Staaten, Behörden, Luftfahrtunternehmen<br />

und Flugsicherungsorganisationen<br />

dar.<br />

Aufgrund der Fragmentierung <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftraums können neue Technologien und Verfahren<br />

nur schleppend flächendeckend eingeführt<br />

werden. Durch eine stärkere Vereinheitlichung<br />

und der damit einhergehenden Vermeidung von<br />

unnötig vielen technischen Systemen, hohen<br />

Instandhaltungskosten und Flugsicherungszentren,<br />

die in ihrer Größe nicht optimal ausgelegt<br />

sind, könnten erhebliche Einsparungen realisiert<br />

werden.<br />

Auch die Streckenführung im europäischen Luftraum<br />

lässt noch Optimierungen zu: die kürzesten<br />

Streckenführungen werden nicht hinreichend<br />

genutzt und verursachen den Luftraumnutzern<br />

zusammen mit entstehenden Verspätungen jährliche<br />

Mehrkosten von ca. 3,7 Mrd. EUR. 24 Hinzu<br />

kommen weitere Kosten in Höhe von ca. 1 Mrd.<br />

EUR, die durch die Fragmentierung der Flugsicherung<br />

in Europa, d.h. insbesondere durch die Duplizierung<br />

von Systemen und eingesetzten Ausrüstungen<br />

entstehen. 25<br />

Das Provisional Council von Eurocontrol strebt als<br />

Zielgröße eine jährliche Reduktion der Flugsicherungskosten<br />

pro km um 3% an, so dass in der<br />

Zeitspanne 2003 bis 2008 ca. 2 Mrd. EUR eingespart<br />

werden könnten. 26<br />

Das Gesamtvolumen <strong>des</strong> europäischen Flugsicherungsdienste-Marktes<br />

wird mit 8 Mrd. EUR beziffert.<br />

Dieser ist durch die Staatsgrenzen eindeutig in<br />

Einzelmärkte aufgeteilt. Während in anderen Wirtschaftszweigen<br />

Barrieren sukzessive abgebaut<br />

werden, sind im Bereich der Flugsicherungen noch<br />

27 nationale Anbieter aktiv, jeder nach wie vor mit<br />

seinen eigenen Verfahren, Ausrüstungen, Betriebskonzepten<br />

und Gemeinkosten.<br />

Flugsicherung finanziert durch den Nutzer<br />

Die Flugsicherung in <strong>Deutschland</strong> basiert auf einem<br />

nutzerfinanzierten System. Die Gebührensätze<br />

werden so bemessen, dass die Kosten der Flugsicherung<br />

gedeckt werden (Vollkostendeckung).<br />

Dieses System gilt für Streckengebühren im Eurocontrol-Gebiet,<br />

das 38 Staaten umfasst. Innerhalb<br />

<strong>des</strong> Eurocontrol-Gebietes bemisst sich das Nutzungsentgelt<br />

für den Streckenflug nach einer Formel,<br />

die das maximale Abfluggewicht <strong>des</strong> Flugzeuges<br />

(MTOW), die zurückgelegte Distanz (Großkreisentfernung)<br />

und den Gebührensatz (Unit<br />

Rate) pro Mitgliedsstaat umfasst.


56<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Hinzu kommt pro Start auf einem Flughafen in<br />

<strong>Deutschland</strong> noch die An-/Abfluggebühr, die das<br />

maximale Abfluggewicht <strong>des</strong> Flugzeuges und den<br />

Gebührensatz enthält. Die Erhebung der An- und<br />

Abfluggebühren wurde im Rahmen der EG-Verordnung<br />

1794/2006 für die EU-Mitgliedsstaaten<br />

geregelt.<br />

Die am MTOW orientierte Gebührenermittlung<br />

führt dazu, dass Halter größerer Flugzeuge höhere<br />

Gebühren zu entrichten haben.<br />

Die Gebühren werden so bemessen, dass die<br />

Kosten der Flugsicherung gedeckt werden. Weil die<br />

fixen Kosten der Flugsicherung überwiegen, führt<br />

dies bei wachsendem Verkehrsaufkommen regelmäßig<br />

zu einer Senkung der Gebühren. Zwischen<br />

2003 und 2006 sanken die Streckengebühren in<br />

<strong>Deutschland</strong> beispielsweise um 32%, die An- und<br />

Abfluggebühren sanken um 36%.<br />

3.3.1.2 Pünktlichkeit an deutschen Flughäfen<br />

Pünktlichkeit an deutschen Flughäfen wegen<br />

Kapazitätsengpässen nur im hinteren Mittelfeld<br />

Neben den Kosten stellt die Qualität der erbrachten<br />

Leistungen eine wichtige Kenngröße zur Bewertung<br />

von Flugsicherungsleistungen dar. Ein wichtiger<br />

Indikator für die Qualität sind dabei Verspätungen.<br />

Im Folgenden werden daher die in Europa angefallenen<br />

Air Traffic Flow Management (ATFM)-<br />

Verspätungen an Flughäfen und im Streckenflug<br />

dargestellt. Hierbei handelt es sich um Flüge, die<br />

bereits am Startflughafen – aufgrund von antizipierten<br />

Kapazitätsengpässen am Start- bzw. Zielflughafen<br />

bzw. beim Durchfliegen von bestimmten<br />

Sektoren – zurückgehalten werden. Die ATFM-<br />

Verspätung eines bestimmten Fluges wird jener<br />

Flugsicherungsstelle zugeschrieben, die die stärkste<br />

Beschränkung entlang <strong>des</strong> Fluges auferlegt, entweder<br />

im Streckenflug („En-route ATFM-Verspätung“)<br />

oder dem Start- oder Zielflughafen („flughafenbezogene<br />

ATFM-Verspätung“). Im Jahr 2007<br />

betrugen die ATFM-Verspätungen 24% der<br />

primären Abflugverspätungen. 27 [Abb. 24]<br />

Die Hauptursache für ATFM-Verspätungen an europäischen<br />

Flughäfen sind Kapazitätsengpässe bei<br />

der Flugsicherung, gefolgt von Wetterlagen mit<br />

schlechter Sicht oder Wind, in denen die Staffelungsabstände<br />

vergrößert werden müssen und<br />

damit die Kapazität <strong>des</strong> Flughafens eingeschränkt<br />

wird. Derartige Wetterlagen sind insbesondere an<br />

Flughäfen problematisch, die bereits knapp an der<br />

Kapazitätsgrenze operieren. Die durch Kapazitätsengpässe<br />

bedingten ATFM-Verspätungen betreffen<br />

größtenteils den anfliegenden Verkehr und fallen<br />

<strong>des</strong>halb nicht am verursachenden Zielflughafen,<br />

sondern an den jeweiligen Startflughäfen an, werden<br />

also in das Netzwerk „exportiert“. An den<br />

beiden deutschen Hubs in Frankfurt und München<br />

waren die flughafenbezogenen ATFM-Verspätungen<br />

für Ankünfte zu 92,1%, respektive 87,2%<br />

auf die Wetterlage zurückzuführen. Insgesamt kam<br />

es in Frankfurt 2007 im Vergleich zu 2006 zu einem<br />

Anstieg um mehr als 25% bzw. 171Tsd. Minuten<br />

auf 843Tsd. Minuten ATFM-Verspätungen. In<br />

München sanken die ATFM-Verspätungen um<br />

28Tsd. Minuten auf 330Tsd. Minuten. Dies entspricht<br />

einem Rückgang um knapp 8%.<br />

Am Flughafen Amsterdam, der über Kapazitätsreserven<br />

verfügt, belaufen sich die ATFM-Verspätungen<br />

2007 auf 203Tsd. Minuten, d.h. auf weniger<br />

als ein Viertel <strong>des</strong> für Frankfurt ausgewiesenen<br />

Wertes – obwohl Amsterdam in Bezug auf Funktion,<br />

Flugbewegungen und Passagierzahl mit<br />

Frankfurt vergleichbar ist.<br />

Spitzenreiter bei den ATFM-Streckenflugverspätungen<br />

sind die Streckenflug-Kontrollzonen London,<br />

Warschau, Maastricht, Madrid und Zürich.<br />

Hier erreichen nicht nur die Gesamtverspätungen<br />

in Minuten die höchsten Werte, sondern auch der<br />

Anteil verspäteter Flüge liegt hier mit zwischen<br />

3,3% und 10,1% relativ hoch. Im Vergleich zu<br />

2006 hat sich in 2007 die Anzahl der Kontrollzen-<br />

27 Vgl. Eurocontrol (2008), S.31.<br />

28 Detaillierte Betrachtungen sind im Performance Review Report von Eurocontrol zu finden.<br />

29 Vgl. Cook, Andrew/Tanner, Graham/Anderson, Stephen (2004): Evaluating the true cost to airlines of one minute of airborne<br />

or ground delay.<br />

30 Vgl. Eurocontrol (2008), S.43.


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 57<br />

Madrid Barajas (Spanien)<br />

Frankfurt (<strong>Deutschland</strong>)<br />

London Heathrow (Großbritannien)<br />

Rom Fiumicino (Italien)<br />

Wien (Österreich)<br />

Zürich (Schweiz)<br />

Paris Charles de Gaulle (Frankreich)<br />

Mailand Malpensa (Italien)<br />

München (<strong>Deutschland</strong>)<br />

London City (Großbritannien)<br />

Stockholm Arlanda (Norwegen)<br />

Amsterdam (Niederlande)<br />

Genf (Schweiz)<br />

Istanbul Ataturk (Türkei)<br />

Heraklion (Griechenland)<br />

100<br />

Abb. 24: Flughafenbezogene ATFM-Ankunftsverspätungen in Europa 2007<br />

Quelle: Eurocontrol 2008<br />

tren in Europa mit mehr als 100Tsd. Minuten Gesamtverspätung<br />

von 23 auf 26 erhöht. Besonders<br />

stark verschlechtert hat sich die Verspätungssituation<br />

in den Kontrollzentren Warschau und Maastricht,<br />

wo sich die Verspätungen im Vergleich zu<br />

2006 jeweils fast verdoppelt haben. 28<br />

Trotz der hohen Verkehrsdichte und <strong>des</strong> komplexen<br />

Luftraums schneidet <strong>Deutschland</strong> bei den<br />

streckenflugbezogenen ATFM-Verspätungen relativ<br />

gut ab. Von den fünf von der DFS betriebenen<br />

Kontrollzentren traten zwar bei dreien Gesamtverspätungen<br />

von mehr als 100Tsd. Minuten auf<br />

(Rhein/Karlsruhe, München und Langen), der<br />

Anteil verspäteter Flüge an den insgesamt durchgeführten<br />

Flügen ist jedoch im europäischen Vergleich<br />

sehr niedrig. Im Falle <strong>des</strong> Kontrollbereiches<br />

Karlsruhe betrug der Anteil 2,1%, im Kontrollbereich<br />

München 0,9%. Im Bereich Langen hatten<br />

0,6% aller Flüge streckenflugbezogene ATFM-<br />

Verspätungen.<br />

Neben den Unannehmlichkeiten, die sich für Passagiere<br />

durch Verspätungen ergeben, stellen Verspä-<br />

0<br />

200 300 400 500 600 700 800 900 1.000<br />

ATFM-Verspätungen 2007 in Tsd. Minuten<br />

Verspätungen aufgrund Wetterlage Andere Verspätungsgründe<br />

tungen massive ökonomische Belastungen für die<br />

Fluggesellschaften dar. Einer Studie der Universität<br />

Westminster zufolge betragen die durchschnittlichen<br />

Kosten von längeren Verspätungen (d.h.<br />

>15 Minuten) 72 EUR pro Minute. Für größere<br />

Flugzeugtypen wie die Boeing 747-400 liegen die<br />

Kosten bei bis zu 289 EUR pro Minute. 29 Hierin<br />

nicht enthalten sind Kosten für etwaige Entschädigungen<br />

bzw. Unterstützungsleistungen an Endkunden,<br />

die sich aus der Verordnung (EG) 261/2004<br />

ergeben können. Europaweit belaufen sich die<br />

Kosten, die durch flughafen- und streckenflugbezogene<br />

ATFM-Verspätungen entstehen, laut Eurocontrol<br />

im Jahr 2007 auf mehr als 1,3 Mrd. EUR. 30<br />

3.3.2 Weltweite Organisationsformen in der<br />

Flugsicherung<br />

Große Spannbreite der Organisationsformen in<br />

der Flugsicherung weltweit<br />

Die Organisationsformen der Flugsicherungsdienstleister<br />

variieren weltweit. Neben Flugsicherungen,<br />

die ihre Leistungen als staatliche Behörde


58<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

erbringen wie z. B. in Frankreich und den USA,<br />

gibt es öffentliche Unternehmen in privaten<br />

Organisationsformen z. B. in Australien und in<br />

<strong>Deutschland</strong>. In Kanada und Großbritannien<br />

existieren voll- bzw. teilprivatisierte Organisationsformen.<br />

Bisherige Studien bieten keinen<br />

umfassenden Vergleich der Effizienz der weltweiten<br />

Flugsicherungen. Mittels partieller Vergleiche<br />

ist es jedoch möglich, individuelle Stärken<br />

und Schwächen der jeweiligen Systeme zu<br />

identifizieren.<br />

Die folgende Tabelle zeigt überblicksartig die<br />

Rechts- und Organisationsformen der wichtigsten<br />

Flugsicherungen weltweit. [Tab.1]<br />

Behörde (100% staatlich)<br />

■ Brasilien (Militär)<br />

■ China<br />

■ Frankreich<br />

■ Russland<br />

■ USA (FAA)<br />

■ VAE<br />

Öffentliches Unternehmen in privater<br />

Organisations-/Rechtsform (100% staatlich)<br />

■ Australien<br />

■ <strong>Deutschland</strong><br />

■ Irland<br />

■ Neuseeland<br />

■ Spanien<br />

■ Südafrika<br />

Organisations- und Kapitalprivatisiertes Unternehmen<br />

(zu weniger als 100% in Staatsbesitz)<br />

■ Großbritannien (Teilprivatisierung)<br />

■ Kanada (Vollprivatisierung, Non-profit Unternehmen)<br />

Tab. 1: Organisationsformen der Flugsicherungen in<br />

ausgewählten Ländern<br />

Quelle: Eigene Darstellung DLR basierend auf Czerny,<br />

A. I. und Mitusch, K., Organisations- und Privatisierungsmodelle<br />

für Flugsicherungsunternehmen: Internationale<br />

Erfahrungen, Vortrag auf der Konferenz „Perspektiven<br />

der Flugsicherung in <strong>Deutschland</strong> und Europa“,<br />

18. Februar 2008, Berlin.<br />

Auch unter organisationsprivatisierten Flugsicherungen,<br />

die sich zu 100% im Staatsbesitz befinden,<br />

gibt es je nach Handhabung der staatlichen<br />

Aufsicht erhebliche Unterschiede in den Handlungsspielräumen.<br />

Die DFS ist aufgrund der Bun<strong>des</strong>haushaltsordnung<br />

in ihrem Handlungsradius<br />

eingeschränkt. Da sie einer gesonderten Genehmigungspflicht<br />

unterliegt, ist es für sie auch nur<br />

eingeschränkt möglich, sich wesentlich an anderen<br />

internationalen Unternehmen zu beteiligen. Andere<br />

Flugsicherungsorganisationen können aufgrund<br />

ihres anders gearteten Haushaltsrechts flexibler<br />

und selbstbestimmt im Markt agieren. So können<br />

sie sich z.B. sehr viel leichter an Firmen, auch im<br />

Ausland, beteiligen. [Tab. 2]<br />

Eine Möglichkeit der Beteiligung von privaten<br />

Investoren an Flugsicherungsunternehmen stellt<br />

die Kapitalbeteiligung der Luftraumnutzer an der<br />

Flugsicherung dar. Diese Option wurde in Großbritannien<br />

gewählt, wo 42% der nationalen Flugsicherung<br />

NATS durch eine Gruppe bestehend aus<br />

sieben britischen Fluggesellschaften übernommen<br />

wurde. Aus ökonomischer Sicht ist eine derartige<br />

Lösung einerseits positiv zu bewerten. Die Luftverkehrsgesellschaften<br />

als Nutzer der Leistungen<br />

der Flugsicherung haben ein direktes Interesse an<br />

den Leistungsparametern der Flugsicherung und<br />

durch den Kauf von Kapitalanteilen entsprechende<br />

wirtschaftliche und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten,<br />

diese zu beeinflussen. Allerdings ist bei<br />

der Beteiligung von Nutzern aus ordnungspolitischer<br />

Sicht darauf zu achten, dass keinerlei Diskriminierungspotenziale<br />

gegenüber nicht im Konsortium<br />

vertretenen Luftverkehrsgesellschaften<br />

entstehen können. Ebenfalls kritisch zu bewerten<br />

im Falle der Kapitalprivatisierung der NATS waren<br />

die fehlenden Finanzierungsmechanismen, die<br />

eine nachträgliche staatliche Finanzspritze von<br />

130Mio. GBP an die Flugsicherung erforderlich<br />

machte. Bedingt durch den Verkehrsrückgang<br />

nach dem 11. September 2001 war es zu deutlich<br />

sinkenden Erlösen gekommen, die die wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit <strong>des</strong> Flugsicherungsdienstleisters<br />

beeinträchtigten.


Land<br />

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) I. Status Quo 59<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Großbritannien<br />

Kanada<br />

Australien<br />

Neuseeland<br />

Flugsicherungsdienstleister<br />

Deutsche Flugsicherung<br />

(DFS)<br />

National Air Traffic<br />

Services (NATS)<br />

NAV CANADA<br />

Air Services<br />

Australia<br />

Airways New<br />

Zealand<br />

Rechtsform<br />

GmbH<br />

Limited (vergleichbar<br />

mit GmbH in<br />

<strong>Deutschland</strong>), NATS<br />

En Route: Public<br />

limited company<br />

(vergleichbar mit<br />

AG in <strong>Deutschland</strong>)<br />

Non-Share Capital<br />

Corporation<br />

(Unternehmen<br />

ohne Gewinnabsicht<br />

und ohne<br />

Eigenkapital)<br />

Staatliches Unternehmen<br />

State owned<br />

Enterprise (Staatliches<br />

Unternehmen)<br />

Eigentümer<br />

100% im Bun<strong>des</strong>besitz<br />

49% Britische Regierung<br />

42%The Airline Group, Konsortium aus<br />

British Airways, bmi, easyJet, Monarch<br />

Airlines, Thomas Cook Airlines, Thomsonfly<br />

und Virgin Atlantic<br />

4% BAA<br />

5% Belegschaft der NATS<br />

Da kein Eigenkapital vorhanden, gibt es auch<br />

keine Eigentümer im engeren Sinne. Für die<br />

Unternehmensführung verantwortlich sind die<br />

„Mitglieder“, die im Vorstandsgremium<br />

vertreten sind (jeweils 4 Mitglieder von Fluggesellschaften,<br />

3 Regierungsvertreter, 2 von<br />

Gewerkschaften und 1 der General Aviation)<br />

100% im Staatsbesitz<br />

100% im Staatsbesitz (50% Verkehrsministerium,<br />

50% Ministerium für Staatsbeteiligungen)<br />

Tab. 2: Eigentümerstrukturen organisations- und/oder kapitalprivatisierter Flugsicherungsdienstleister<br />

Quelle: Eigene Darstellung DLR basierend auf Czerny, A. I. und Mitusch, K., Organisations- und Privatisierungsmodelle für Flugsicherungsunternehmen:<br />

Internationale Erfahrungen, Vortrag auf der Konferenz „Perspektiven der Flugsicherung in <strong>Deutschland</strong><br />

und Europa“, 18. Februar 2008, Berlin.<br />

3.3.3 Unterschiedliche Flugsicherungssysteme<br />

in Europa und den USA<br />

Gerne wird die europäische Flugsicherungslandschaft<br />

mit der in den USA verglichen. Vorteilhaft<br />

bei den USA ist dabei, dass der Luftraum in relativ<br />

große Luftraumblöcke eingeteilt ist und mit relativ<br />

wenigen Kontrollzentralen und unterschiedlichen<br />

Betriebssystemen auskommt. Jedoch muss an dieser<br />

Stelle auch angemerkt werden, dass in Europa<br />

auf einer vergleichsweise kleinen Fläche erheblich<br />

mehr Flughäfen mit hohem Verkehrsaufkommen<br />

liegen, deren An- und Abflüge in den Überflugverkehr<br />

eingefädelt werden müssen.<br />

Das im Unterschied zur fragmentierten Flugsicherungslandschaft<br />

in Europa in den USA betriebene<br />

einheitliche Flugsicherungssystem, wird als Abtei-<br />

lung der zivilen Luftfahrtbehörde (Federal Aviation<br />

Administration – FAA) betrieben geführt.<br />

Die Finanzierung <strong>des</strong> Systems erfolgt nicht wie in<br />

Europa durch Nutzungsgebühren, sondern durch<br />

verschiedene Steuern (wie z.B. passagierbezogene<br />

Steuern oder Kerosinsteuer für Geschäftsreiseflugzeuge).<br />

Hieraus ergeben sich zwei Probleme:<br />

Zum einen findet eine Quersubventionierung<br />

zugunsten von Betreibern von Flugzeugen der<br />

allgemeinen Luftfahrt (Privatjets u.Ä.) statt, da<br />

die passagierbezogenen Steuern 95% <strong>des</strong> Gesamtsteueraufkommens<br />

ausmachen, die kommerzielle<br />

Luftfahrt jedoch nur für 73% der Kosten<br />

<strong>des</strong> Flugsicherungssystems verantwortlich ist.<br />

Zum anderen bedeutet die steuergebundene<br />

Finanzierung ein relativ starres Haushaltssystem,<br />

in dem es nur schwer möglich ist, zusätzliche


60<br />

I. Status Quo <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Mittel zu erhalten, die für eine Modernisierung<br />

der Infrastrukturen der Flugsicherung notwendig<br />

sind. Dadurch sieht sich die FAA derzeit mit ähnlichen<br />

Problemen konfrontiert wie einst die Bun<strong>des</strong>anstalt<br />

für Flugsicherung. Aufgrund mangelnder<br />

Liquidität können keine notwendigen Investitionen<br />

in technische Neuerungen getätigt werden.<br />

Versuche, die Flugsicherung in den USA auf ein<br />

nutzerfinanziertes System umzustellen, sind vorerst<br />

durch Intervention von AOPA und NBAA 31<br />

gescheitert.<br />

Der Vorteil <strong>des</strong> US-amerikanischen Flugsicherungssystems<br />

liegt in der einheitlichen Infrastruktur.<br />

Während in Europa die Flugsicherungssysteme<br />

weitgehend national geplant und aufgebaut wurden<br />

und dementsprechend vielfältig sind, gibt es in<br />

31 AOPA: Aircraft Owners and Pilots Association; NBAA: National Business Aviation Association.<br />

den USA ein einziges Betriebssystem auf Basis einer<br />

einzigen Programmiersprache. In Europa hingegen<br />

gibt es laut Eurocontrol 27 einzelstaatliche Flugsicherungsorganisationen,<br />

über 50 Kontrollzentralen,<br />

25 nationale Ausbildungsakademien und 22 verschiedene<br />

Betriebssysteme in der Flugsicherung,<br />

auf der Basis von 30 Programmiersprachen.<br />

Die Einheitlichkeit <strong>des</strong> US-amerikanischen Systems<br />

schlägt sich auch in den zentralen Parametern der<br />

Leistungsbewertung der Flugsicherung nieder.<br />

Hierzu gehören eine hohe Fluglotsenproduktivität<br />

und niedrigere Kosten als in Europa. Die Kosten<br />

pro IFR-Flug (Instrument Flight Rules, Instrumentenflug)<br />

lagen in den USA mit 417 EUR deutlich<br />

niedriger als in Europa mit 772 EUR (jeweils für das<br />

Jahr 2005).


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 61<br />

II. Entwicklungen und Trends<br />

European Center for Aviation Development – ECAD<br />

1. Zusammenfassung<br />

Das jährliche weltweite Passagieraufkommen wird<br />

sich bis zum Jahr 2025 auf ca. 9,1 Mrd. verdoppeln.<br />

1 Gründe für dieses Wachstum sind vor allem<br />

die Bevölkerungsentwicklung, das gestiegene<br />

Mobilitätsbedürfnis, die zunehmenden internationalen<br />

Wirtschaftsverflechtungen, das weltweite<br />

Wirtschaftswachstum sowie die fortschreitende<br />

Deregulierung und Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs.<br />

Das Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens im Luftverkehr<br />

wird regional unterschiedlich ausfallen. Die<br />

höchsten Wachstumsraten <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

jeweils in Höhe von 5,8% p.a. sind in den<br />

nächsten Jahren für Afrika sowie den asiatisch/pazifischen<br />

Raum zu erwarten. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass der Luftverkehr im Nahen Osten<br />

bis zum Jahr 2025 pro Jahr mit durchschnittlich<br />

4,6% auf 260 Mio. Passagiere anwachsen wird.<br />

Für Nordamerika ist hingegen mit einer Sättigung<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrsmarkts zu rechnen. Das dortige<br />

Passagieraufkommen wird sich bis zum Jahr 2025<br />

mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate<br />

von ca. 2,7% im internationalen Vergleich<br />

voraussichtlich deutlich unterdurchschnittlich entwickeln.<br />

Im Jahr 2025 wird ein Aufkommen von<br />

2,53 Mrd. Passagieren für Nordamerika erwartet.<br />

Für Europa wird bis zum Jahr 2025 ein durchschnittliches<br />

Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

im Luftverkehr von 3,6% pro Jahr auf 2,56 Mrd.<br />

Passagiere prognostiziert. 2<br />

Auch die Bedeutung der Luftfracht nimmt mit<br />

zunehmender ökonomischer Internationalisierung<br />

weiter zu. Zukünftig wird ein Wachstum von jährlich<br />

ca. 5,8% bezogen auf die geflogenen Frachttonnenkilometer<br />

erwartet.<br />

Der vorliegende Berichtsteil analysiert die volkswirtschaftlichen<br />

und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrssektors in <strong>Deutschland</strong><br />

sowie <strong>des</strong>sen zukünftigen Entwicklungsperspektiven<br />

im Vergleich zu anderen wichtigen Luftverkehrsstandorten<br />

der Welt. Dabei werden neben<br />

<strong>Deutschland</strong> folgende Volkswirtschaften betrachtet:<br />

■ Frankreich,<br />

■ Vereinigtes Königreich,<br />

■ China,<br />

■ Indien,<br />

■ Vereinigte Arabische Emirate,<br />

■ Katar,<br />

■ Vereinigte Staaten von Amerika.<br />

1 Vgl. Airports Council International (2007), Global Traffic Forecast 2006–2025 Edition 2007, S.6.<br />

2 Vgl. ebenda., S.13f.


62<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Die Auswahl dieser Länder lässt sich zum einen mit<br />

ihrer besonderen Bedeutung für den Luftverkehrsmarkt<br />

<strong>Deutschland</strong> und zum anderen für unterschiedliche<br />

Entwicklungen begründen. So gehen<br />

Entwicklungen in der Luftverkehrsbranche traditionell<br />

von den USA aus. Zudem bilden Flugverbindungen<br />

in die USA den aufkommensstärksten<br />

Interkontinentalmarkt <strong>Deutschland</strong>s überhaupt.<br />

China und Indien repräsentieren die beiden wichtigsten<br />

Wachstumsmärkte weltweit. In den Ländern<br />

<strong>des</strong> Nahen Ostens ändert sich derzeit der strategische<br />

Schwerpunkt. Die Konzentration auf das<br />

Ölgeschäft wird nach und nach durch eine großflächige<br />

Bereitstellung von Infrastruktur und dem<br />

Angebot entsprechender Dienstleistungen für den<br />

globalen Luft- und Seeverkehr ersetzt. Damit werden<br />

die Luftverkehrsgesellschaften und Flughäfen<br />

dieser Region zu wichtigen Wettbewerbern auch<br />

für europäische Unternehmen. Ergänzend werden<br />

das Vereinigte Königreich und Frankreich als Vergleichsländer<br />

im europäischen Umfeld dargestellt.<br />

Folgende wichtige Erkenntnisse können aus einem<br />

Vergleich der jeweiligen ordnungspolitischen und<br />

gesetzlichen Rahmenbedingungen abgeleitet<br />

werden:<br />

Planungs- und Genehmigungsverfahren können in<br />

der Mehrzahl der Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens und<br />

Asiens, wenn auch unter teilweiser Inkaufnahme<br />

geringerer gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten,<br />

schneller und wesentlich kostengünstiger<br />

bewerkstelligt werden als in den Ländern Europas<br />

und in den USA.<br />

Die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Fluggesellschaften<br />

wird maßgeblich durch deren Kostenstrukturen<br />

beeinflusst. Nicht nur international sondern auch<br />

regional sind teilweise erhebliche Unterschiede in<br />

Struktur und Höhe dieser standortspezifischen<br />

Kosten zu verzeichnen.<br />

<strong>Deutschland</strong> und andere europäische Länder gehören<br />

zu den Standorten, die mit im internationalen<br />

Vergleich relativ hohen Gesamtkosten wirtschaften.<br />

Dies impliziert für die Luftverkehrswirtschaft<br />

in <strong>Deutschland</strong> einen hohen Effizienzdruck.<br />

Zur Sicherung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der deutschen<br />

Luftverkehrswirtschaft sind geeignete rechtliche<br />

und regulatorische Rahmenbedingungen zu<br />

gewährleisten.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> prognostizierten Wachstums<br />

<strong>des</strong> weltweiten Luftverkehrs gewinnt auch<br />

das Thema Flugsicherung zunehmend an Bedeutung.<br />

Die Forderung nach einer strukturellen und<br />

technischen Modernisierung der Flugsicherung im<br />

internationalen Kontext beinhaltet als übergeordnete<br />

Ziele eine weitere Verbesserung von Sicherheitsstandards,<br />

die Steigerung der Gesamteffizienz,<br />

eine Optimierung vorhandener Kapazitäten sowie<br />

eine Verringerung flugsicherungsbedingter Verspätungen.<br />

Um in Europa die notwendigen Effizienzsteigerungen<br />

realisieren zu können, sollten sich die<br />

politischen Entscheidungsträger nach einer angemessenen<br />

Bewertungsphase auf die für die Organisation<br />

der Flugsicherungsdienste beste Lösung<br />

verständigen und die dafür notwendigen Schritte<br />

einleiten.<br />

3 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007): Global Traffic Forecast 2006–2025 Edition 2007, S.6. Nach den Angaben<br />

alternativer Langfristprognosen wird das weltweite Passagieraufkommen im Luftverkehr mit einer durchschnittlichen Rate von<br />

3,5 bis 4,9% pro Jahr wachsen. Vgl. ICAO (2007): Outlook for Air Transport to the Year 2025; IATA (2002): Passenger Forecast<br />

2003–2007 mit Ausblick auf 2017; Airbus (2007): Global Market Forecast 2007–2026; Boeing, Current Market Outlook 2006:<br />

2005–2025. Die Analysen zur zukünftigen Entwicklung <strong>des</strong> Luftverkehrs basieren auf Langfristprognosen bis zum Jahr 2025, in<br />

denen zwischenzeitliche Ereignisse wie beispielsweise Schwankungen <strong>des</strong> Kerosinpreises grundsätzlich Berücksichtigung finden.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen basieren überwiegend auf der Prognose <strong>des</strong> Airports Council International, da die Angaben<br />

<strong>des</strong> ACI den Detaillierungsgrad bieten, der für die angestellten Überlegungen erforderlich ist.<br />

4 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.42.<br />

5 Vgl. HSH Nordbank (2007): Internationale Luftfracht, Branchenstudie, S.5.<br />

6 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.133.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 63<br />

2. Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

Für das Passagieraufkommen im weltweiten Luftverkehr<br />

wird bis zum Jahr 2025 ein Wachstum von<br />

durchschnittlich etwa 4% pro Jahr prognostiziert. 3<br />

Dies bedeutet eine Verdopplung <strong>des</strong> Aufkommens<br />

von heute. Für das Jahr 2010 wird weltweit ein<br />

Luftverkehrsaufkommen von ca. 5,3Mrd. Passagieren<br />

und für das Jahr 2025 von ca. 9,1Mrd.<br />

erwartet. [Abb. 1]<br />

Als zentrale Gründe für das Wachstum <strong>des</strong> weltweiten<br />

Luftverkehrsaufkommens sind vor allem das<br />

in weiten Teilen der Welt zu verzeichnende Bevölkerungswachstum,<br />

das gestiegene Mobilitätsbedürfnis,<br />

die zunehmenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen,<br />

das auch für die kommenden<br />

Jahre prognostizierte weltweite Wirtschaftswachstum<br />

von durchschnittlich ca. 3% pro Jahr<br />

sowie die fortschreitende Deregulierung und Liberalisierung<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrs zu nennen. 4<br />

Im Bereich Luftfracht wird das zukünftige Wachstum<br />

neben den ökonomischen Bestimmungsgründen<br />

auch durch luftverkehrsspezifische Aspekte<br />

Jährliches Passagieraufkommen<br />

(in Millionen)<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

4,9%<br />

4.317<br />

5,7%<br />

4.565<br />

5,0% 4,8%<br />

4.793<br />

5.024<br />

4,6%<br />

5.255<br />

2006 2007 2008 2009 2010 2015 2025<br />

Passagiere<br />

begründet. Dazu zählen die langfristige Entwicklung<br />

der Frachtraten, immer kürzere Produktlebenszyklen,<br />

der insgesamt zunehmende Wettbewerb<br />

im Frachtmarkt sowie nicht zuletzt auch die<br />

Errichtung von Produktionsstätten in Schwellenländern.<br />

5 Vor diesem Hintergrund wird für die Luftfracht<br />

weltweit zukünftig ein Wachstum von jährlich<br />

ca. 5,8% bezogen auf die geflogenen Frachttonnenkilometer<br />

(FTK) erwartet. 6 [Abb. 2; umseitig]<br />

Das weltweite Passagieraufkommen wird im internationalen<br />

Vergleich räumlich allerdings nicht<br />

gleichmäßig wachsen, sondern in den verschiedenen<br />

Großregionen der Welt unterschiedlich ausgeprägt<br />

sein. Die höchsten Wachstumsraten <strong>des</strong><br />

Passagieraufkommens werden in den nächsten<br />

Jahren für Afrika sowie den asiatisch/pazifischen<br />

Raum prognostiziert. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass der Luftverkehr im Nahen Osten bis zum<br />

Jahr 2025 pro Jahr mit durchschnittlich 4,6% auf<br />

260Mio. Passagiere anwachsen wird. Aufgrund der<br />

dynamischen Wirtschaftsentwicklung Chinas und<br />

Indiens werden für Asien kurzfristig Wachstums-<br />

4,0%<br />

6.408<br />

9.095<br />

Abb.1: Entwicklung <strong>des</strong> Passagieraufkommens im weltweiten Luftverkehr 2006–2025<br />

Quelle: ACI 2007<br />

Jährliche<br />

Wachstumsrate<br />

3,6%<br />

Jährl. Wachstum<br />

6%<br />

5%<br />

4%<br />

3%<br />

2%<br />

1%<br />

0<br />

Das weltweite<br />

Luftverkehrsaufkommen<br />

wird sich<br />

bis zum<br />

Jahr 2025<br />

verdoppeln


64<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Nordamerika<br />

2,7%<br />

Südamerika<br />

4,5%<br />

Europa<br />

Afrika<br />

3,6%<br />

Abb. 2: Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate <strong>des</strong> Passagieraufkommens im Luftverkehr in den Großregionen<br />

der Welt 2005 – 2025<br />

Quelle: ACI 2007<br />

raten beim Passagieraufkommen von durchschnittlich<br />

ca. 9% jährlich vorausgesagt. 7 Bis zum Jahr<br />

2025 soll dort das Passagieraufkommen durchschnittlich<br />

um 5,8% pro Jahr steigen. 8 Für Nordamerika<br />

wird zukünftig eine Sättigung <strong>des</strong> dortigen<br />

Luftverkehrsmarktes vorhergesagt. Das dortige<br />

Passagieraufkommen wird sich bis zum Jahr 2025<br />

mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate<br />

von ca. 2,7% im internationalen Vergleich<br />

voraussichtlich deutlich unterdurchschnittlich entwickeln.<br />

Für das Jahr 2025 wird in Nordamerika ein<br />

Aufkommen von 2,53Mrd. Passagieren prognostiziert.<br />

Für Europa wird bis zum Jahr 2025 ein durchschnittliches<br />

Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

im Luftverkehr von durchschnittlich ca. 3,6% pro<br />

Jahr auf 2,56Mrd. Passagiere vorhergesagt.<br />

Die divergierenden Wachstumsraten <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

lassen sich auf die unterschiedlichen<br />

Entwicklungen und Rahmenbedingungen der einzelnen<br />

Volkswirtschaften zurückführen. Eine nähere<br />

Betrachtung und ein Verständnis dieser Besonderheiten<br />

ist unabdingbar, will man Schlüsse über die<br />

5,8%<br />

4,6%<br />

zukünftige Entwicklung <strong>des</strong> regionalen bzw. weltweiten<br />

Passagieraufkommens ziehen. Aus diesem<br />

Grund erfolgt im nächsten Abschnitt eine Beschreibung<br />

ausgewählter Wirtschaftsräume im Hinblick<br />

auf ihre volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

sowie ihre luftverkehrsrelevanten Merkmale.<br />

2.1 Europa<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

Naher<br />

Osten Asien/Pazifik<br />

5,8%<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong> ist mit rund 82Mio.<br />

Einwohnern nicht nur das bevölkerungsreichste<br />

Land in der EU, sondern zugleich die größte Volkswirtschaft<br />

in Europa. 9 Mit einem Bruttoinlandsprodukt<br />

von über 2.900Mrd. USD erwirtschaftet<br />

<strong>Deutschland</strong> rund ein Fünftel <strong>des</strong> europäischen<br />

Bruttoinlandsprodukts. Im internationalen Vergleich<br />

ist <strong>Deutschland</strong> nach den USA und Japan die drittstärkste<br />

Wirtschaftsmacht. Das Bruttoinlandspro-


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 65<br />

dukt pro Einwohner in <strong>Deutschland</strong> liegt bei über<br />

35Tsd. USD. Begünstigt durch ein starkes weltweites<br />

Wachstum und wirtschaftliche Reformen verzeichnete<br />

die deutsche Volkswirtschaft in den letzten<br />

Jahren ein ähnlich starkes Wachstum wie gegen<br />

Ende der 1990er Jahre.<br />

Die Außenwirtschaftsbeziehungen haben für die<br />

deutsche Volkswirtschaft traditionell eine große<br />

Bedeutung. Waren und Dienstleistungen im Wert<br />

rund eines Drittels <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> werden exportiert. Allerdings wird <strong>Deutschland</strong><br />

den Spitzenplatz als Exportweltmeister 2008<br />

voraussichtlich an die aufstrebende Wirtschaftsmacht<br />

China verlieren. 10<br />

Der Tourismussektor in <strong>Deutschland</strong> war in den jüngeren<br />

Jahren durch Wachstum geprägt. In der Skala<br />

der beliebtesten Reiseländer Europas lag <strong>Deutschland</strong><br />

im Jahr 2006 auf Platz fünf. Das Reiseaufkommen<br />

wächst in <strong>Deutschland</strong> deutlich stärker als in<br />

anderen Ländern Europas. 11 Mehr als 21Mio. internationale<br />

Touristen besuchten im Jahr 2005 <strong>Deutschland</strong>.<br />

Im Jahr 2006 trug der Tourismussektor rund<br />

78Mrd. USD zum Bruttoinlandsprodukt bei. 12 Dies<br />

entsprach einem Anteil von etwa 2,7%.<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Die zentrale Lage innerhalb Europas, die globale<br />

Verknüpfung der Wirtschaft, die Reisefreudigkeit<br />

der Deutschen, die hohe Qualität der Verkehrsinfrastruktur<br />

und die gute Marktstellung der Verkehrsunternehmen<br />

führen dazu, dass <strong>Deutschland</strong><br />

internationaler Knotenpunkt für alle Verkehrsträger<br />

ist, so auch für den Luftverkehr. Der vergleichsweise<br />

polyzentralen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />

<strong>Deutschland</strong>s und der daraus resultierenden Luftverkehrsnachfrage<br />

wird durch eine breit angelegte<br />

Luftverkehrsinfrastruktur entsprochen. Tendenziell<br />

tragen dezentrale Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen<br />

mit geringeren Quellaufkommen und sich<br />

überlappenden Einzugsgebieten zur Bündelung<br />

von Luftverkehrsaufkommen über Hub-Flughäfen<br />

bei. Die internationalen Verkehrsflughäfen in<br />

<strong>Deutschland</strong> verzeichneten zwischen 2002 und<br />

2006 eine durchschnittliche jährliche Verkehrssteigerung<br />

von 7,8% auf insgesamt 176,6Mio. Fluggäste.<br />

13 Eine noch stärkere Dynamik entwickelte<br />

sich im Luftfrachtgeschäft, das im Jahr 2006 eine<br />

Zuwachsrate in Höhe von 9,3% aufwies. 14<br />

Die Flughäfen Frankfurt und München mit den<br />

Luftverkehrsdrehkreuzen der Lufthansa liegen in<br />

der Spitzengruppe der internationalen Flughäfen.<br />

Vom Wachstum <strong>des</strong> Luftverkehrs konnte auch die<br />

Lufthansa profitieren. Sie ist mit einem Umsatz<br />

von 22,4Mrd. EUR die größte deutsche Fluggesellschaft<br />

und nach Air France-KLM die zweitgrößte<br />

Fluggesellschaft Europas. 15 Trotz hoher Ölpreise<br />

zeigte der Konzern in jüngerer Vergangenheit einen<br />

positiven Geschäftsverlauf. Mit weiteren Übernahmen<br />

wird beabsichtigt, die Position in Europa<br />

weiter auszubauen.<br />

Aus der ehemals kleinen Nischenfluggesellschaft Air<br />

Berlin entstand nach der deutschen Wiedervereinigung<br />

die mittlerweile zweitgrößte Fluggesellschaft<br />

<strong>Deutschland</strong>s, die sich lange auf Flüge zu europäischen<br />

Zielen konzentrierte. Im Jahr 2007 stieg Air<br />

Berlin mit der Übernahme der LTU auch in das<br />

Langstreckengeschäft ein. Zudem gelang der Fluggesellschaft<br />

mit der Übernahme der dba im Jahr<br />

2006 die Akquisition eines wichtigen inländischen<br />

Konkurrenten. Im September 2007 gab Air Berlin<br />

darüber hinaus bekannt, den 75,1%-igen Anteil von<br />

Thomas Cook AG an der Condor Flugdienst GmbH<br />

übernehmen zu wollen. Der entsprechende Antrag<br />

auf Fusion beim Bun<strong>des</strong>kartellamt wurde jedoch im<br />

Juli 2008 zurückgezogen. Somit verbleibt die haupt-<br />

7 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.6.<br />

8 Vgl. Airbus (2007), a.a.O, S.83.<br />

9 Vgl. IMF (2007): World Economic Outlook Database.<br />

10 Vgl. bfai (2007): China bald neuer Exportweltmeister vor <strong>Deutschland</strong>, S.1.<br />

11 Vgl. Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (2007): Jahresbericht 2006.<br />

12 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007. Country Profile Germany.<br />

13 Vgl. Kapitel I.2.4.1 dieses Berichtes.<br />

14 Vgl. ADV (2007): Verkehrsentwicklung auf deutschen Flughäfen in 2006 weiter positiv, Pressemitteilung vom 06.02.2007.<br />

15 Vgl. Handelsblatt (2008): Lufthansa prüft Übernahme, Abruf am 09.05.2008.


66<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

sächlich Ferienziele anfliegende Condor Flugdienst<br />

GmbH gegenwärtig im gemeinsamen Eigentum der<br />

Thomas Cook AG und der Deutschen Lufthansa AG.<br />

Mit Germanwings, einer 100%-igen Tochtergesellschaft<br />

der Eurowings Luftverkehrs AG, trat im Jahr<br />

1997 eine deutsche Low-Cost-Fluggesellschaft in<br />

den Markt ein, die mittlerweile zu einem wichtigen<br />

Anbieter auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt<br />

geworden ist, und neben TUIfly eine der größeren<br />

Fluggesellschaften in diesem Segment in Europa<br />

darstellt. Seit Januar 2007 treten unter der Marke<br />

TUIfly die beiden deutschen Fluggesellschaften<br />

Hapag-Lloyd Flug und Hapag-Lloyd Express<br />

gemeinsam auf. Eigentümer ist der Touristikkonzern<br />

TUI AG, der sein Angebot überwiegend auf<br />

Kurz- und Mittelstreckenflüge ausrichtet. Zusätzlich<br />

agieren in <strong>Deutschland</strong> weitere kleinere und<br />

mittlere Fluggesellschaften.<br />

Das steigende Reiseaufkommen und die stark<br />

wachsende Luftverkehrsnachfrage machen eine<br />

bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Luftverkehrsinfrastruktur<br />

in <strong>Deutschland</strong> erforderlich. Aus<br />

diesem Grund ist der gesetzliche Rahmen so zu<br />

gestalten, dass die Entwicklung einer im internationalen<br />

Vergleich wettbewerbsfähigen Infrastruktur –<br />

auch im Hinblick auf die Kostenstrukturen – möglich<br />

ist. Um die Luftverkehrsinfrastruktur in <strong>Deutschland</strong><br />

bedarfsgerecht weiterentwickeln zu können, ist es<br />

erforderlich, dass die geplanten und zukünftigen<br />

Investitionsvorhaben zeitnah ohne das Entstehen<br />

von Kapazitätsengpässen realisiert werden können.<br />

Die Investitionsvorhaben an deutschen Flughäfen<br />

summieren sich auf rund 8Mrd. EUR. 16 Die größten<br />

Infrastrukturvorhaben im Luftverkehr bilden die<br />

Kapazitätserweiterung <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt<br />

mit einem geplanten Investitionsvolumen von etwa<br />

3,4Mrd. EUR 17 , der Bau <strong>des</strong> Flughafens Berlin<br />

Brandenburg International mit geschätzten Investi-<br />

tionen in Höhe von 2Mrd. EUR 18 sowie der Ausbau<br />

<strong>des</strong> Flughafens München. 19<br />

Für weitere Verkehrsprojekte anderer Verkehrsträger,<br />

die in den kommenden Jahren in <strong>Deutschland</strong><br />

finanziert werden sollen, hat das Bun<strong>des</strong>ministerium<br />

für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung einen<br />

„Investitionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> 2006 bis 2010“ entwickelt, der<br />

nach derzeitiger Planung Investitionen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />

in jährlicher Höhe von 11Mrd. EUR in den Verkehrsbereich<br />

vorsieht. 20<br />

Frankreich<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Frankreich ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von<br />

2.252Mrd. USD die sechstgrößte Volkswirtschaft<br />

der Welt. 21 Im Jahr 2006 lag das Wirtschaftswachstum<br />

in Frankreich mit 2,0% erstmals deutlich unter<br />

dem europäischen Durchschnitt. Auch 2008 wird<br />

das französische Wirtschaftswachstum voraussichtlich<br />

etwas schwächer sein als in den Nachbarländern.<br />

22 Hauptmotor der französischen Wirtschaft<br />

bleibt dabei der private Konsum. Dieser leistete im<br />

Jahr 2007 einen Beitrag von rund 60% <strong>des</strong> französischen<br />

Bruttoinlandsproduktes. 23 Obwohl Frankreich<br />

international zu den führenden Export-Ländern<br />

zählt, können die Zuwachsraten nicht darüber<br />

hinweg täuschen, dass Frankreich auf den ausländischen<br />

Märkten im Vergleich zu anderen OECD-<br />

Ländern immer mehr Marktanteile verliert. 24 Die<br />

Gründe dafür liegen vor allem in der starken Ausrichtung<br />

der französischen Exporte auf traditionelle<br />

und wachstumsschwache Auslandsmärkte. Mit<br />

rund 61Mio. Einwohnern ist Frankreich hinter<br />

<strong>Deutschland</strong> das zweitbevölkerungsreichste Land<br />

der Europäischen Union. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

16 Vgl. European Center for Aviation Development – ECAD (2007): Strukturbenchmark der Luftverkehrsstandorte VAE und Katar<br />

mit der Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong>.<br />

17 Vgl. www.ausbau.fraport.de, Abruf am 21.03.2008.<br />

18 Vgl. www.berlin-airport.de: Hauptstadt-Airport BBI, Zahlen-Daten-Fakten, Abruf am 21.03.2008.<br />

19 Das exakte Ausbauvolumen für den Flughafen München wurde derzeit noch nicht abschließend quantifiziert.<br />

20 Vgl. Bun<strong>des</strong>ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2007), Investitionsrahmenplan für die Verkehrsinfrastruktur <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> 2006 bis 2010, Berlin.<br />

21 Vgl. IMF (2007): World Economic Database.<br />

22 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Frankreich Jahreswechsel 2007/08, S.1.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 67<br />

pro Einwohner beträgt knapp 37Tsd. USD.<br />

Frankreich ist mit rund 76Mio. ausländischen<br />

Touristen im Jahr 2006 weltweit das Reiseland<br />

Nummer Eins. 25 Der französische Tourismussektor<br />

verzeichnete im selben Jahr einen Umsatz von<br />

insgesamt rund 96Mrd. USD. 26 Er trug damit zu<br />

4,3% zum Bruttoinlandsprodukt bei.<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Auch der Luftverkehr war in Frankreich in den<br />

vergangenen Jahren durch ein starkes Wachstum<br />

gekennzeichnet. Der Flughafen Paris Charles de<br />

Gaulle war mit fast 57 Mio. Passagieren im Jahr<br />

2006 der verkehrsreichste Flughafen in Frankreich.<br />

Die Fluggesellschaft Air France mit ihrem Sitz am<br />

Flughafen Charles de Gaulle übernahm im Jahr 2004<br />

die niederländische Fluggesellschaft KLM im Rahmen<br />

eines Aktientausches. Das fusionierte Unternehmen<br />

ist, gemessen am Marktanteil, die größte<br />

Fluggesellschaft Europas und die weltweit umsatzstärkste<br />

Fluggesellschaft. 27 Neben Air France-KLM<br />

existieren weitere französische Fluggesellschaften,<br />

die sowohl national als auch international in verschiedenen<br />

Geschäftssegmenten operieren. Zu den<br />

größten gehören die Tochtergesellschaften der Air<br />

France, Régional mit 4,2 Mio. Passagieren und Brit<br />

Air mit 4,1 Mio. Passagieren im Jahr 2007. 28<br />

In Frankreich wird seit dem 1. Juli 2006 auf Flügen<br />

von und nach Frankreich eine Solidaritätsabgabe<br />

für die Finanzierung von Entwicklungshilfeprojekten<br />

erhoben. Die Fluggäste zahlen die vom Flugziel<br />

und der Buchungsklasse abhängige Abgabe mit<br />

dem Kauf ihrer Tickets.<br />

Der Ausbau der TGV-Schnellzugstrecke Lyon–Turin<br />

mit einem Investitionsvolumen von rund 15 Mrd.<br />

EUR ist gegenwärtig das vom Volumen her größte<br />

Infrastrukturprojekt Frankreichs. Hinzu kommt der<br />

Ausbau <strong>des</strong> Seine-Nord-Kanals mit einem Investitionsvolumen<br />

in Höhe von rund 3,2 Mrd. EUR. 29 Die<br />

Betreibergesellschaft der Pariser Flughäfen Aéroports<br />

de Paris (ADP) hat für den Zeitraum bis 2010 ein bedarfs-<br />

und zeitgerechtes Investitionskonzept im Umfang<br />

von 2,7 Mrd. EUR aufgelegt. Dieses sieht vor<br />

allem Umbaumaßnahmen von Abfertigungsanlagen<br />

im Hinblick auf den Airbus A380 vor. Zudem sind<br />

Modernisierungen der Terminal-Anlagen und Erweiterungen<br />

der Einzelhandelsflächen vorgesehen. 30<br />

Vereinigtes Königreich<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Das Vereinigte Königreich bildet eine rund 60 Mio.<br />

Einwohner beheimatende politische Union der<br />

vier Teilstaaten England, Wales, Schottland und<br />

Nordirland. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von<br />

2.399 Mrd. USD ist das Vereinigte Königreich weltweit<br />

die fünftgrößte Volkswirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt<br />

pro Einwohner erreichte im Jahr<br />

2007 eine Höhe von mehr als 39 Tsd. USD und<br />

zählt damit zu den höchsten der Welt. 31 Unter den<br />

G7-Staaten realisierte das Vereinigte Königreich<br />

in der letzten Dekade den höchsten Anstieg <strong>des</strong><br />

Bruttoinlandsproduktes pro Einwohner. 32 Auf der<br />

WTO-Rangliste der Ex- und Importeure belegt das<br />

Vereinigte Königreich sowohl für Waren als auch<br />

für Dienstleistungen einen der vorderen Plätze. 33<br />

23 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Frankreich Jahreswechsel 2007/08, S.4.<br />

24 Vgl. bfai (2008): Frankreichs Handelsbilanz mit neuem Rekorddefizit, S.1.<br />

25 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile France.<br />

26 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile France.<br />

27 Vgl. Air France Press Office (2008): AIR FRANCE KLM, a global leader in air transport, Abruf unter corporate.air-france.com<br />

am 08.05.2008.<br />

28 Vgl. Air Transport Intelligence (2008): Airline Profiles France.<br />

29 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Frankreich Jahreswechsel 2007/08, S.3.<br />

30 Vgl. NZZ online (2006): Börsengang der Pariser Flughafengesellschaft, Abruf am 14.03.2008.<br />

31 Vgl. IMF (2007): World Economic Outlook Database.<br />

32 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt Großbritannien Jahresmitte 2007, S.1.<br />

33 Vgl. WTO (2007): World Trade 2006, Prospects for 2007; Risks lie ahead following stronger trade in 2006, WTO reports,<br />

Pressemitteilung Nr. 472 vom 12.04.2007.


68<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Dabei weist der britische Außenhandel seit Jahren<br />

ein Handelsbilanzdefizit auf, welches im Jahr 2006<br />

mit einer Höhe von rund 117 Mrd. EUR und einem<br />

Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 6,5% so hoch<br />

war wie nie zuvor. 34 Im Jahr 2006 trug der Fremdenverkehrssektor<br />

mit 79Mrd. USD zum Bruttoinlandsprodukt<br />

bei, was einem Anteil von über 3%<br />

entspricht. 35<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Im europäischen Vergleich verzeichnet das Vereinigte<br />

Königreich mit rund 211Mio. Passagieren das<br />

höchste Luftverkehrsaufkommen. 36 Der Luftverkehrssektor<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> wächst insgesamt stark. So<br />

stieg das Passagieraufkommen in den letzten zehn<br />

Jahren um etwa 73% und das Frachtaufkommen<br />

um 30%. 37 Mit rund 68 Mio. Passagieren belegt<br />

der Flughafen London Heathrow im Jahr 2006<br />

weltweit den dritten Platz. Die Zahl der von britischen<br />

Flughäfen angeflogenen Destinationen ist<br />

von 251 im Jahr 1997 auf über 360 im Jahr 2006<br />

angestiegen. 38<br />

Die größte Fluggesellschaft <strong>des</strong> Vereinigten Königreichs,<br />

British Airways, musste sich, wie auch andere<br />

ehemals staatliche Fluggesellschaften, den wachsenden<br />

Markt seit der Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

in Europa mit einer zunehmenden Konkurrenz<br />

von Low-Cost-Fluggesellschaften teilen. So bildet<br />

das Vereinigte Königreich auch den wichtigsten<br />

Luftverkehrsmarkt für die beiden größten europäischen<br />

Low-Cost-Fluggesellschaften Ryanair und<br />

easyJet, die seit 1993 bzw. 1995 auf das Geschäftsmodell<br />

Low-Cost-Fluggesellschaft setzen. Ferner<br />

schloss das Vereinigte Königreich bereits frühzeitig<br />

liberalere Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten<br />

ab. Im Unterschied zu den europäischen Hauptkonkurrenten<br />

Lufthansa und Air France hat British<br />

Airways in den letzten Jahren ihr Geschäftsmodell<br />

überarbeitet und setzt unter anderem verstärkt auf<br />

den Interkontinentalverkehr.<br />

Mit dem steigenden Luftverkehrsaufkommen ist<br />

auch ein Wachstum <strong>des</strong> Incoming-Tourismus in das<br />

Vereinigte Königreich verbunden. Im Jahr 2005<br />

besuchten rund 30 Mio. Touristen das Vereinigte<br />

Königreich, mehr als zwei Drittel davon mit dem<br />

Flugzeug.<br />

Die Möglichkeiten, mit der bestehenden Flughafeninfrastruktur<br />

im Vereinigten Königreich den prognostizierten<br />

Zuwächsen auf 465Mio. Fluggäste bis<br />

zum Jahr 2030 39 zu entsprechen, sind begrenzt.<br />

Die britische Regierung schenkt der Entwicklung<br />

von Flughafenkapazität in ihrem Weißbuch „The<br />

Future of Air Transport“ aus dem Jahr 2003 daher<br />

besondere Aufmerksamkeit. Ziel der Strategie ist,<br />

die Nutzung der bestehenden Einrichtungen zu<br />

optimieren, negative Auswirkungen auf die<br />

Umwelt jedoch möglichst gering zu halten. Beispielsweise<br />

sind die Passagiere im Luftverkehr<br />

Großbritanniens seit dem Jahr 1994 gesetzlich zur<br />

Zahlung einer Ticketsteuer (Air Passenger Duty)<br />

verpflichtet.<br />

Bis zum Jahr 2030 sind an den Flughäfen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

fünf neue Start- bzw. Landebahnen geplant, drei<br />

davon in London (Heathrow, Stansted, Gatwick).<br />

Auch in anderen Infrastrukturbereichen sind Großprojekte<br />

geplant, beispielsweise im Bereich der<br />

Schieneninfrastruktur (Thameslink, ca. 5,2 Mrd. EUR,<br />

Crossrail, ca. 23,6 Mrd. EUR). 40<br />

34 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Länderinformation Großbritannien/Vereinigtes Königreich Wirtschaft, S.2.<br />

35 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile United Kingdom und<br />

Department for Transport (2006): The Future of Air Transport Progress Report 2006, S.24.<br />

36 Vgl. Eurostat (2007): Luftverkehr in der EU27, Fluggastverkehr stieg 2006 um 5%, Pressemitteilung vom 14.12.2007.<br />

37 Eigene Berechnungen. Vgl. United Kingdom Civil Aviation Authority (2007): UK Airport Statistics: 2006 – annual, Abruf am<br />

09.03.2008.<br />

38 Eigene Berechnung nach OAG.<br />

39 Vgl. Department of Transport (2003): The Future of Air Transport White Paper.<br />

40 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Vereinigtes Königreich Jahreswechsel 2007/08, S.3.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 69<br />

2.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mit einem<br />

Bruttoinlandsprodukt von 13.195 Mrd. USD die<br />

größte Volkswirtschaft der Welt. Mit 44.024 USD<br />

erwirtschaften sie das weltweit achthöchste Bruttoinlandsprodukt<br />

pro Einwohner. 41 Die Wirtschaftskraft<br />

der Vereinigten Staaten gründet sich auf ein<br />

großes, rohstoffreiches und gut erschlossenes Territorium,<br />

auf seinem mit rund 299Mio. Einwohnern<br />

sehr großen Binnenmarkt sowie auf einem in starkem<br />

Maße durch unternehmerische Initiative und<br />

freien Handel gekennzeichneten Wirtschafts- und<br />

Finanzsystem. Nach Jahren einer beeindruckenden<br />

Wirtschaftsdynamik – im Jahr 2006 betrug das<br />

Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten<br />

3,3% 42 – verliert die US-amerikanische Wirtschaft<br />

in jüngster Zeit allerdings an Fahrt. Schrumpfende<br />

Immobilienmärkte, sinkende Ausgaben der Verbraucher,<br />

hohe Energiepreise sowie gestiegene<br />

Zinsen bremsen derzeit den in der Vergangenheit<br />

zuverlässigen Wachstumsmotor „Privater Konsum“<br />

<strong>des</strong> großen Binnenmarktes.<br />

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind weltgrößter<br />

Absatzmarkt für Importgüter und belegen<br />

umgekehrt als Warenexporteur hinter <strong>Deutschland</strong><br />

international den zweiten Platz. 43<br />

Im Jahr 2005 reisten rund 49Mio. ausländische<br />

Touristen in die Vereinigten Staaten. Im Jahr 2006<br />

erwirtschaftete die US-amerikanische Tourismusindustrie<br />

wieder mehr als 518Mrd. USD, was einem<br />

Anteil von 4% am Bruttoinlandsprodukt entspricht. 44<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Die Vereinigten Staaten von Amerika bilden mit<br />

rund 660Mio. Passagieren den größten Inlandsluft-<br />

verkehrsmarkt der Welt, gefolgt von China. 45 In<br />

den USA gibt es insgesamt mehr als 19.000 Flughäfen,<br />

wovon mehr als 3.300 der Öffentlichkeit<br />

zugänglich sind. Die Flughäfen Atlanta und Chicago<br />

nehmen gemessen am Passagieraufkommen<br />

weltweit Spitzenplätze ein. Betrachtet man die<br />

Zahl der Flugbewegungen, so sind sogar neun USamerikanische<br />

Flughäfen unter den Top-10-Flughäfen<br />

der Welt platziert. Beim Luftfrachtaufkommen<br />

belegt der Flughafen Memphis weltweit den<br />

ersten Platz. 46<br />

Die US-amerikanische Luftfahrtbranche hat sich<br />

seit den Terroranschlägen im Jahr 2001 wirtschaftlich<br />

nicht erholt und ist von harten Preiskämpfen<br />

und Überkapazitäten gekennzeichnet. Dadurch<br />

wurde kaum in moderne, sparsame Flugzeuge<br />

investiert. Viele Fluggesellschaften stehen angesichts<br />

der hohen Kerosinpreise nun erheblich unter<br />

Druck. Diesem Druck sind in der jüngsten Vergangenheit<br />

einige kleine Fluggesellschaften zum Opfer<br />

gefallen, doch auch die Großen der Branche versuchen,<br />

mit Maßnahmen wie der geplanten Fusion<br />

von Delta und Northwest der Insolvenz zu entkommen.<br />

Über weitere Zusammenschlüsse auf dem<br />

US-amerikanischen Markt wird derzeit diskutiert.<br />

Durch die Limitierung <strong>des</strong> ausländischen Kapitalanteils<br />

auf 25% wird eine finanzielle Beteiligung an<br />

US-Fluggesellschaften weiterhin grundsätzlich<br />

erschwert. Im Open-Skies-Abkommen zwischen<br />

der EU und den Vereinigten Staaten wird nun der<br />

Kapitalanteil auf 49% beschränkt. Der Stimmrechtsanteil<br />

darf jedoch nach wie vor nur maximal<br />

25% betragen.<br />

In den Vereinigten Staaten wird Unternehmen im<br />

Falle einer Insolvenz ermöglicht, mittels <strong>des</strong> Insolvenzrechts<br />

eine Restrukturierung ihres Unternehmens<br />

durchzuführen (Chapter 11). Dadurch können<br />

insbesondere neue Geldgeber die Finanzierung<br />

<strong>des</strong> Unternehmens absichern und somit bei Flug-<br />

41 Vgl. International Monetary Fund (2007): World Economic Outlook Database.<br />

42 Vgl. The World Bank Group (2007): World Development Indicators Database, United States Data Profile.<br />

43 Vgl. WTO (2007): World Trade 2006, Prospects for 2007; Risks lie ahead following stronger trade in 2006, WTO reports,<br />

Pressemitteilung Nr. 472 vom 12.04.2007.<br />

44 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007. Country Profile United States.<br />

45 Vgl. Bureau of Transportation Statistics (2007): U.S. Air Carrier Traffic Statistics – November 2007.<br />

46 Vgl. Airports Council International (2007): Statistics: Top 10 World Airport, Airports Council International information brief.


70<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

gesellschaften den Flugbetrieb aufrechterhalten.<br />

Betroffene Unternehmen genießen darüber hinaus<br />

Schutz vor Gläubigerverfahren und Streikmaßnahmen.<br />

Zudem können Tarifvereinbarungen im Kontext<br />

der Restrukturierungsmaßnahmen modifiziert<br />

werden. Da die Unternehmen, die unter Chapter 11<br />

stehen, unter dem Schutz der Gerichte betrieben<br />

werden, kann es zu Wettbewerbsverzerrungen<br />

gegenüber anderen konkurrenzfähigen Marktteilnehmern<br />

kommen. Oft wird dieses Recht als strategisches<br />

Mittel genutzt, um durch Umstrukturierungsmaßnahmen<br />

Arbeitsplatzstreichungen oder<br />

Lohnkürzungen zu erzwingen. 47 Viele amerikanische<br />

Fluggesellschaften mussten aufgrund der<br />

Verluste, die insbesondere durch die Ereignisse im<br />

September 2001 bedingt waren, eine Insolvenz<br />

nach Chapter 11 beantragen. Betroffen waren u.a.<br />

Delta Air Lines, Northwest und United Airlines.<br />

Von den Terroranschlägen hat sich der US-amerikanische<br />

Tourismusmarkt nur langsam erholt. In den<br />

fünf Jahren nach den Anschlägen fiel das internationale<br />

Passagieraufkommen in die USA insgesamt<br />

um 17%. 48<br />

Inzwischen befindet sich das Passagieraufkommen<br />

<strong>des</strong> US-amerikanischen Luftverkehrssektors mit<br />

660Mio. Passagieren wieder über dem ehemaligen<br />

Rekordniveau aus dem Jahr 2000. Allerdings liegt<br />

gleichzeitig auch die Zahl der verspäteten Flüge in<br />

Höhe von 1,8 Mio. auf historischem Rekordniveau.<br />

Bis zum Jahr 2021 wird für den amerikanischen<br />

Luftverkehr ein Anstieg <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

um 49% prognostiziert. 49 Die für die Abfertigung<br />

geplanten Infrastrukturmaßnahmen im Luftverkehrssektor<br />

werden alleine bis zum Jahr 2011 auf<br />

über 87Mrd. USD geschätzt. 50 Und auch in anderen<br />

Infrastruktursektoren besteht ein erheblicher<br />

Ausbau- und Erhaltungsbedarf.<br />

2.3 Asien<br />

China<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Die Volksrepublik China ist gegenwärtig durch eine<br />

kaum vergleichbare gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />

Entwicklungsdynamik gekennzeichnet.<br />

Mit rund 1,3Mrd. Einwohnern ist China das bevölkerungsreichste<br />

Land der Erde.<br />

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe<br />

von 2.645Mrd. USD war China bereits im Jahr<br />

2006 die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. 51<br />

Zwar rangiert das Land mit einem jährlichen Pro-<br />

Kopf-Einkommen von rund 2Tsd. USD 52 auf der<br />

internationalen Wohlfahrtsskala nur im Mittelfeld.<br />

Die Volksrepublik China wird ihr in der Vergangenheit<br />

vorgelegtes Entwicklungstempo voraussichtlich<br />

halten. Zwischen 1990 und 2005 betrug die jährliche<br />

Wachstumsrate <strong>des</strong> Pro-Kopf-Einkommens<br />

durchschnittlich 8,8%. 53<br />

Außenhandel und Investitionen sind die treibenden<br />

Kräfte in Chinas Wirtschaft. 2006 belegte China<br />

Rang drei der WTO-Länderrangliste der Warenexporteure<br />

hinter <strong>Deutschland</strong> und den USA 54 . China<br />

bietet zahlreiche Anreize und Unterstützungsmaßnahmen,<br />

um die eigene Industrie zentralstaatlich<br />

gesteuert auf Innovationskurs zu bringen. So wurde<br />

etwa der Anteil der Ausgaben für Forschung und<br />

Entwicklung am BIP auf 1,4% gesteigert. 55 Bis<br />

2020 sollen sogar rund 2,5% <strong>des</strong> BIP in Forschung<br />

und Entwicklung investiert werden – ein Großteil<br />

davon seitens der Industrie. 56<br />

Auch der Tourismussektor spielt in China eine<br />

zunehmend größere Rolle. Er zählt inzwischen zu<br />

47 Vgl. BBC News (2005): New US bankruptcy protection laws, Abruf 27.05.2008.<br />

48 Vgl. CNN.com (2007): Travel industry: U.S. losing out on international tourism, Abruf am 11.03.2008.<br />

49 Vgl. Committee on Transportation and Infrastructure (2008): Views and Estimates of the Committee on Transportation and<br />

Infrastructure for Fiscal Year 2009, S.3 ff.<br />

50 Vgl. Transportation and Infrastructure Committee: (2007): House Passes FAA-Reauthorization – Inclu<strong>des</strong> Passenger Rights<br />

Protection, Pressemitteilung vom 20.09.2007.<br />

51 Vgl. manager-magazin.de (2007): BIP – China wächst zweistellig, Abruf am 12.02.2008.<br />

52 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt VR China Jahresmitte 2007, S.3.<br />

53 Vgl. UNDP (2007): Human Development Report 2007/2008 China.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 71<br />

den dynamischsten Wirtschaftszweigen mit dem<br />

größten Entwicklungspotenzial <strong>des</strong> Dienstleistungssektors<br />

in China. 2005 konnten knapp 47Mio. Einreisende<br />

verbucht werden. Im Jahr 2006 trug der<br />

Tourismus mehr als 63Mrd. USD zum chinesischen<br />

Bruttoinlandsprodukt bei. 57 Dies entspricht einem<br />

Anteil von 2,9% <strong>des</strong> Bruttoinlandsproduktes.<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Das starke Wirtschaftswachstum in China spiegelt<br />

sich auch in der Dynamik <strong>des</strong> Luftverkehrssektors<br />

wieder. Mittlerweile hat China neben den USA den<br />

zweitgrößten Luftverkehrsmarkt der Welt. Die<br />

Personenverkehrsleistung im Luftverkehr hat sich<br />

zwischen 1995 und 2006 mehr als verdreifacht (von<br />

68Mrd. auf 237Mrd. Personenkilometer). Im<br />

Frachtverkehr hat sich die Verkehrsleistung im<br />

gleichen Zeitraum sogar nahezu vervierfacht (von<br />

2,2Mrd. auf 9,4Mrd. Tonnenkilometer). 58 Insbesondere<br />

der internationale Flughafen Peking zeigt in<br />

den letzten Jahren ein enormes Wachstum <strong>des</strong><br />

Passagieraufkommens auf und festigt damit seine<br />

Position unter den Top 10 der Flughäfen der Welt. 59<br />

Im Gegensatz zu anderen ostasiatischen Ländern,<br />

deren Infrastrukturinvestitionen in Folge der Asienkrise<br />

dramatisch eingebrochen sind, wurde das<br />

starke Wirtschaftswachstum in China zu einem<br />

massiven Infrastrukturaus- und -neubau genutzt.<br />

Zum Ausbau <strong>des</strong> Eisenbahnnetzes sind im aktuell<br />

geltenden Fünfjahresprogramm Chinas beispielsweise<br />

Investitionen in Höhe von ca. 178 Mrd. USD<br />

vorgesehen. 60<br />

Zahlreiche Groß-Infrastrukturprojekte sind im Bau<br />

bzw. in Planung (Hochgeschwindigkeits-<br />

bahnstrecken, Flughäfen, Häfen, U-Bahn-Netze,<br />

Süd-Nord-Wasserumleitung, Kraftwerke, Staudämme).<br />

Hinzu kommen zahlreiche Neubauten im<br />

Zusammenhang mit den Olympischen Sommerspielen<br />

2008 in Peking und der EXPO 2010 in<br />

Schanghai.<br />

In den Planungen der chinesischen Regierung bis<br />

2020 wurde der Bau von 97 neuen Flughäfen<br />

beschlossen. Dafür ist ein Investitionsvolumen von<br />

62,5Mrd. USD bereitgestellt. 61 Ergänzend zum<br />

derzeit größten Flughafen Chinas in Peking ist dort<br />

ein zweiter internationaler Flughafen geplant, der<br />

im Jahr 2015 in Betrieb gehen soll. 62<br />

Die drei größten Fluggesellschaften – Air China,<br />

China Eastern und China Southern – haben zusammen<br />

einen Marktanteil von rund 80% im Inland.<br />

Sie sind mehrheitlich in staatlicher Hand. 63 Seit die<br />

Regierung Chinas private Fluggesellschaften zugelassen<br />

und die Branche für ausländische Investoren<br />

geöffnet hat, ist zusätzlich eine Vielzahl neuer<br />

Unternehmen mit niedrigen Preisen in den chinesischen<br />

Luftverkehrsmarkt eingetreten. Im Jahr 2007<br />

gab es dort sieben private Fluggesellschaften mit<br />

einem inländischen Marktanteil von 4%.<br />

Indien<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Neben der Volksrepublik China ist auch Indien gegenwärtig<br />

durch eine ausgesprochen dynamische<br />

Wirtschaftsentwicklung gekennzeichnet. Mit rund<br />

1,1Mrd. Einwohnern verfügt das Land über ein erhebliches<br />

Bevölkerungs- und Entwicklungspotenzial.<br />

54 Vgl. WTO (2007): World Trade 2006, Prospects for 2007; Risks lie ahead following stronger trade in 2006, WTO reports,<br />

Pressemitteilung Nr. 472 vom 12.04.2007.<br />

55 Zahlen für 2000–2005. Vgl. UNDP (2007): Human Development Report 2007/2008 China.<br />

56 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt VR China Jahresmitte 2007, S.1.<br />

57 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile China.<br />

58 Vgl. The World Bank (2007): An Overview of China’s Transport Sector – 2007, Easte Working Paper No.15, S.30 ff.<br />

59 Vgl. Deutsche Bank Research (2007): Aktuelle Grafik – Flughafen Peking holt rapide auf.<br />

60 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends kompakt VR China Jahresmitte 2007, S.3 ff.<br />

61 Vgl. Momberger Airport Information (2008): Momberger Airport Information No. 827 vom 25.02.2008.<br />

62 Vgl. www.china.org.cn, Abruf am 04.02.2008.<br />

63 Vgl. The World Bank (2007): An Overview of China’s Transport Sector – 2007, Easte Working Paper No.5, S.30ff.


72<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Indien etabliert sich mit einem Bruttoinlandsprodukt<br />

von mittlerweile 873Mrd. USD 64 immer<br />

stärker als Wirtschaftsmacht von internationaler<br />

Bedeutung. Das Wirtschaftswachstum hat sich in<br />

den vergangenen Jahren stark beschleunigt. Im<br />

Finanzjahr 2006/2007 legte das Bruttoinlandsprodukt<br />

um 9,2% 65 zu. Damit gehörte der Subkontinent<br />

erneut zu den am schnellsten wachsenden<br />

Volkswirtschaften der Welt. Die meisten langfristigen<br />

Wachstumsprognosen gehen davon aus, dass<br />

Indien bis 2050 ein Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften<br />

wird, das dann nur noch von China und<br />

den USA übertroffen werden würde. 66 Im Gegensatz<br />

zu China beflügelt in Indien jedoch in stärkerem<br />

Maße die Binnennachfrage die Wirtschaftsentwicklung.<br />

Diese wird nicht zuletzt von der dynamischen<br />

demografischen Entwicklung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

beeinflusst: Trotz nachlassender Geburtenraten<br />

wird der Anteil der Bevölkerung im erwerbstätigen<br />

Alter in den nächsten zwei Dekaden weiter zunehmen.<br />

67 Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner<br />

liegt derzeit bei 785 USD.<br />

Die indische Regierung setzt zunehmend auf eine<br />

gezielte Entwicklung <strong>des</strong> Tourismussektors. Im Jahr<br />

2006 reisten 4,5Mio. Touristen nach Indien. Im<br />

Jahr 2006 wurden insgesamt rund 16Mrd. USD im<br />

Tourismussektor umgesetzt. 68 Dies entspricht einem<br />

Anteil von 2,1% <strong>des</strong> Bruttoinlandsproduktes.<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Indien verfügt über rund 125 Flughäfen, die über<br />

eine Gesamtfläche von 3.287.590 km 2 weitgehend<br />

dezentral verteilt sind. Der Luftverkehr wird jedoch<br />

größtenteils von den 16 internationalen Flughäfen<br />

abgewickelt. 69 Im internationalen Vergleich sind die<br />

Flughäfen Indiens vergleichsweise klein. Gemessen<br />

am Passagieraufkommen befand sich im Jahr 2006<br />

kein indischer Flughafen unter den Top-50-Flughäfen<br />

der Welt, wohl aber vier chinesische Flughäfen. 70<br />

Seitdem im Jahr 1994 private Fluggesellschaften<br />

in Indien die Flugerlaubnis erhalten hatten, sank<br />

der Marktanteil der staatlichen Fluggesellschaften<br />

Indian Airlines und Air India beständig. Im Jahr<br />

2000 konnten sie nur noch einen Marktanteil von<br />

57% im inländischen Flugverkehr vorweisen.<br />

Durch den Markteintritt der Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

wie Air Deccan wenige Jahre später<br />

kamen sowohl die staatlichen als auch die privaten<br />

Linienfluggesellschaften in Bedrängnis. Ende 2007<br />

betrug der Marktanteil der privaten Fluggesellschaften<br />

im heimischen Markt bereits mehr als<br />

80%. Dank <strong>des</strong> Aufkaufs von je einer Low-Cost-<br />

Fluggesellschaft konnten Jet Airways und Kingfisher<br />

Airlines ihre Marktanteile auf jeweils 30%<br />

erhöhen. 71<br />

Im internationalen Verkehr weitet die staatliche Air<br />

India ihr Streckennetz weiter aus. Sie erfährt jedoch<br />

zunehmende Konkurrenz durch Jet Airways und<br />

zukünftig auch Kingfisher Airlines, die im August<br />

2008 den internationalen Betrieb aufgenommen<br />

hat. Das Luftverkehrsaufkommen entwickelte sich<br />

in den letzten Jahren an fast allen Flughäfen Indiens<br />

äußerst dynamisch. Das Luftfrachtaufkommen <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> nahm seit dem Finanzjahr 2001/2002 insgesamt<br />

um durchschnittlich knapp 13% pro Jahr zu.<br />

Das Passagieraufkommen stieg seitdem jährlich<br />

sogar um 22%. 72 Damit ist der Luftverkehrssektor<br />

in Indien im weltweiten Vergleich durch die größten<br />

Wachstumsraten gekennzeichnet. 73 Diese Entwicklung<br />

ist vor allem auf den großen Nachholbedarf<br />

und die Öffnung <strong>des</strong> Luftverkehrs für private Fluggesellschaften<br />

zurückzuführen. Aufgrund der dynamischen<br />

Entwicklung arbeiten gerade die größeren<br />

Flughäfen an bzw. über ihrer Kapazitätsgrenze.<br />

64 Vgl. IMF (2007): World Economic Outlook Database.<br />

65 Vgl. The World Bank Group (2007): World Development Indicators database, India Data Profile.<br />

66 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Länderinformation Indien, S.1.<br />

67 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Länderinformation Indien, S.2.<br />

68 World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile India.<br />

69 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.15.<br />

70 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.16.<br />

71 Vgl. Jet Airways (2008): Jet Airways presentation of investors, S.7.<br />

72 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.15.<br />

73 Vgl. down to earth online (2008): Congestion in the skies is costing India dearly, Abruf am 01.03.2008.


Zudem leiden indische Luftverkehrsgesellschaften<br />

unter einem gravierenden Mangel an Piloten.<br />

Der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur,<br />

nicht nur im Bereich Luftverkehr, ist eines der<br />

wichtigsten Aufgabenfelder der indischen Regierung.<br />

Derzeit werden die beiden größten Flughäfen<br />

in Mumbai und Delhi im Rahmen von Public Private<br />

Partnership-Projekten modernisiert und in ihrer<br />

land- und luftseitigen Kapazität ausgebaut. Erweiterungspläne<br />

existieren zudem für die Flughäfen in<br />

Kalkutta und Chennai. Komplett neue Flughäfen<br />

werden in Hyderabad und Goa geplant und gebaut,<br />

in Bangalore ging der neue Flughafen im Mai 2008<br />

in Betrieb. Rund 80 kleine Flughäfen sollen in den<br />

nächsten Jahren ausgebaut und modernisiert werden.<br />

Die für den Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur<br />

vom indischen Staat veranschlagten Mittel belaufen<br />

sich auf 9,5Mrd. USD bis zum Jahr 2010.<br />

Zudem stehen hierfür noch rund 7,1Mrd. USD<br />

privates Kapital bereit. 74 Auch in anderen Bereichen<br />

der Verkehrsinfrastruktur und vor allem im Energiebereich<br />

sind umfangreiche Investitionen geplant.<br />

2.4 Naher Osten<br />

Katar<br />

European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 73<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Katar gehört nach Norwegen und Luxemburg mit<br />

einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 63.000 USD<br />

bei einer Bevölkerungszahl von 828 Tsd. Einwohnern<br />

zu den reichsten Ländern der Welt. 75 Der Wohlstand<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> basiert vor allem auf seinen immensen<br />

Rohstoffvorkommen. Katar verfügt weltweit über<br />

die drittgrößten bestätigten Erdgasreserven. Die<br />

Förderung von Erdgas konnte in den vergangenen<br />

Jahren mittels umfangreicher Investitionen neben<br />

der Erdölförderung zum zweiten Standbein der<br />

Wirtschaft von Katar entwickelt werden. Im Jahr<br />

2006 entfielen rund 62% <strong>des</strong> Bruttoinlandspro-<br />

duktes <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> auf diese beiden Wirtschaftsbereiche.<br />

76 Im Jahr 2006 wuchs das Bruttoinlandsprodukt<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> um nicht weniger als 9,7%. 77<br />

Für die Jahre 2008 und 2009 werden sogar Wachstumsraten<br />

von etwa 14% prognostiziert. 78 Die<br />

stärksten Impulse dieser Entwicklungsdynamik<br />

gehen dabei weiterhin vom Öl- und Gassektor aus.<br />

Die Wirtschaft Katars wird mittelfristig durch<br />

umfangreiche Staatsausgaben gestützt. Der anhaltend<br />

hohe Ölpreis ließ die Staatseinnahmen <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> in der Vergangenheit stark steigen. Aus der<br />

fast ausschließlichen inländischen Konzentration<br />

auf nur zwei Wirtschaftsbereiche (Öl- und Gasexporte<br />

sowie auf Produkte der expandierenden<br />

petrochemischen Industrie) resultiert eine ausgeprägte<br />

Abhängigkeit von Importen. Ein Wachstumshindernis<br />

der Wirtschaft Katars bildet jedoch<br />

die noch unzureichende Fähigkeit der heimischen<br />

Wirtschaft, die eigene Inlandsnachfrage zu befriedigen.<br />

Gleichzeitig ist Katar nun bestrebt, sich als<br />

Dienstleistungsstandort und Reiseziel zu etablieren.<br />

Wie auch in den umliegenden Golfstaaten soll dies<br />

insbesondere durch den Bau von Hotelanlagen an<br />

der Küste und auf künstlich angelegten Inseln<br />

bewerkstelligt werden. Bislang erwirtschaftet der<br />

Tourismussektor rund 524Mio. USD und damit<br />

einen Anteil von 2,1% <strong>des</strong> Bruttoinlandsproduktes<br />

Katars. Lediglich 732Tsd. Touristen besuchten das<br />

kleine Emirat im Jahr 2004. 79<br />

Die verstärkten Diversifikationsbemühungen in<br />

Katar werden sich erst langfristig in einer nennenswerten<br />

Veränderung der Außenhandelsstruktur<br />

niederschlagen. Andere Emirate in der Golf-Region,<br />

wie zum Beispiel Dubai, sind in dieser Hinsicht<br />

weiter entwickelt.<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Der Luftverkehrssektor in Katar gehört zu den<br />

dynamischsten in der Golf-Region. Innerhalb der<br />

letzten zehn Jahre stieg das Luftverkehrsaufkom-<br />

74 Vgl. Deutsche Bank Research (2008): Infrastruktur Indien: 450 Mrd. Gründe, jetzt zu investieren, S.17.<br />

75 Vgl. IMF (2007): World Economic Database.<br />

76 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2007): Länderprofil Katar, S.1.<br />

77 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftsdaten kompakt – Katar, S.2.<br />

78 Vgl. Bayern LB (2007): Länderanalyse Katar, S.2 ff.<br />

79 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile Qatar.


74<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

men am Doha International Airport von 2 auf<br />

10Mio. Passagiere pro Jahr. 80 Dieses Wachstum<br />

wurde überwiegend durch Umsteigeverkehre<br />

generiert. Um entsprechend bestehende Kapazitätsengpässe<br />

der Luftverkehrsinfrastruktur <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> zu beseitigen, laufen die Planungen für den<br />

neuen internationalen Flughafen auf Hochtouren.<br />

Gleichzeitig wird der bestehende Flughafen in<br />

Doha stark erweitert. Der neue Flughafen, hauptsächlich<br />

auf aufgeschüttetem Land errichtet, wird<br />

Terminal-Anlagen für über 50Mio. Fluggäste<br />

bereitstellen. Die erste Bauphase dieses Infrastrukturvorhabens<br />

soll im Jahr 2009 abgeschlossen sein,<br />

die Fertigstellung ist für 2015 vorgesehen. Für das<br />

Vorhaben wurde zunächst ein Investitionsvolumen<br />

in Höhe von rund 7,5Mrd. USD veranschlagt. Kurz<br />

vor Ende <strong>des</strong> Jahres 2007 wurde der Budgetansatz<br />

jedoch auf 11Mrd. USD erweitert. 81<br />

Auch die Fluggesellschaft Qatar Airways, deren<br />

Anteile zur Hälfte vom Staat gehalten werden,<br />

verfolgt einen expansiven Wachstumskurs. Für die<br />

nächsten Jahre sind mehr als 200 Flugzeuge im<br />

Wert von über 30Mrd. USD geordert; es handelt<br />

sich dabei ausschließlich um Flugzeugtypen, die auf<br />

Langstrecken eingesetzt werden können. 82 Auch<br />

das Streckennetz der Gesellschaft soll in den nächsten<br />

Jahren beträchtlich ausgeweitet werden.<br />

Vereinigte Arabische Emirate<br />

Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Mit einem Bruttoinlandsprodukt in Höhe von mehr<br />

als 38Tsd. USD pro Kopf bei 4,6Mio. Einwohnern<br />

gehören die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)<br />

zu den reichsten Ländern in der Region <strong>des</strong> Nahen<br />

Ostens. 83 Fast alle wirtschaftlichen Indikatoren der<br />

Emirate erreichten in den jüngeren Jahren Rekordniveau.<br />

Ein im Jahr 2006 reales Wirtschaftswachstum<br />

von 9,7% sowie stark steigende Exporte und<br />

Höchstwerte der Investitionen im In- und Ausland<br />

belegen dies nachdrücklich. 84<br />

Die Emirate verfolgen mit Nachdruck eine Diversifizierung<br />

ihrer über Jahrzehnte vom Öl dominierten<br />

Wirtschaftsstruktur. Handel, Tourismus, Bau, Industrie,<br />

Finanz- und andere Dienstleistungen tragen<br />

mittlerweile zu zwei Drittel der Wirtschaftskraft<br />

bei. 85 Dieser Strukturwandel ist insbesondere in<br />

Dubai festzustellen.<br />

Einen großen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt<br />

der Vereinigten Arabischen Emirate in Höhe von<br />

163 Mrd. USD im Jahr 2006 leisteten die gegenüber<br />

dem Vorjahr um 23 % gestiegenen Exporte,<br />

von denen noch rund 37 % auf Öl und Gas entfielen.<br />

86 Die Vereinigten Arabischen Emirate sind<br />

nach eigenen Angaben mittlerweile hinter Singapur<br />

und Hongkong zum weltweit drittgrößten<br />

Zwischenhandelsplatz avanciert. Rund 80 % <strong>des</strong><br />

VAE- Handelsvolumens wird über Dubai abgewickelt,<br />

insbesondere über die Freihandelszone<br />

Jebel Ali. 87<br />

Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Wachstumssektoren.<br />

Um die Zahl der Touristen bis 2015<br />

auf 3Mio. zu steigern, sind in Abu Dhabi Investitionen<br />

in Höhe von 136Mrd. USD geplant. 88 Auch in<br />

den anderen Emiraten sind zahlreiche Hotelanlagen<br />

in Planung. Insgesamt wurden im Tourismussektor<br />

der Vereinigten Arabischen Emirate im Jahr 2003<br />

bei einem Besucheraufkommen von rund 5Mio.<br />

80 www.ttnworldwide.com (2008): New Doha airport expects 29 million passenger arrivals, Abruf am 27.03.2008.<br />

81 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2006): Bau-Großprojekte in den GCC-Staaten, S.12 und<br />

bfai (2008): Hohe Gehaltsforderungen am Golf, S.2.<br />

82 Vgl. Middle East Aviation (2008): Qatar Airways future expansion tops 200 Aircraft orders worth over US$30 Billion, Abruf<br />

unter middleeastaviation.aero am 08.05.2008.<br />

83 Vgl. IMF (2007): World Economic Database.<br />

84 Vgl. bfai (2007): Vereinigte Arabische Emirate 2007, Gesamtwirtschaftlicher Ausblick, S.1.<br />

85 Vgl. bfai (2006): VAE – Wirtschaftsentwicklung 2005, S.1.<br />

86 Vgl. Auswärtiges Amt (2007): Vereinigte Arabische Emirate Wirtschaft, S.1.<br />

87 Vgl. bfai (2007): Wirtschaftstrends Vereinigte Arabische Emirate Jahresmitte 2007. Gesamtwirtschaftlicher Ausblick, S.4.<br />

88 Vgl. bfai (2008): Abu Dhabi sucht Anschluss an Dubais Tourismuserfolge, S.2.<br />

89 Vgl. World Economic Forum (2007): The Travel & Tourism Competitive Report 2007, Country Profile United Arab Emirates.


Länder<br />

European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 75<br />

Einwohner<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

(zu laufenden Preisen<br />

in Mrd. USD)<br />

BIP pro Kopf<br />

(zu laufenden Preisen<br />

in USD)<br />

Wirtschaftswachstum<br />

(in Prozent)<br />

Wareneinfuhr<br />

(in Mrd. USD)<br />

Warenausfuhr<br />

(in Mrd. USD)<br />

Touristen etwa 1,5Mrd. USD umgesetzt. 89 Damit<br />

liegt der Anteil <strong>des</strong> Tourismussektors am Bruttoinlandsprodukt<br />

noch unter 1%.<br />

Luftverkehrsstandort<br />

Deutschl.<br />

82 Mio.<br />

2.916<br />

35.433<br />

Auch in den Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur<br />

der Emirate werden umfangreiche Investitionen<br />

getätigt. In fast allen Emiraten sind neue Flughäfen<br />

und Flughafenerweiterungen in Planung bzw. im<br />

Bau. Damit reagieren die VAE nicht nur auf die steigenden<br />

Passagier- und Frachtaufkommen – wie<br />

auch in Katar geht es vor allem um eine langfristig<br />

angelegte Wettbewerbsstrategie zur Gewinnung<br />

von Marktanteilen im internationalen Umsteige-<br />

Luftverkehr, auch in Konkurrenz zu Europa und<br />

<strong>Deutschland</strong>. Am umfangreichsten sind entsprechende<br />

Investitionen in Dubai. Dort wird der bestehende<br />

Flughafen mit einem Investitionsvolumen in<br />

Höhe von 4,1Mrd. USD ausgebaut. Darüber hinaus<br />

wird der neue Al Maktoum International Airport<br />

mit 6 Start- bzw. Landebahnen und Kapazitäten<br />

für etwa 12Mio. Tonnen Luftfracht und 120<br />

Mio. Passagieren pro Jahr gebaut. 90 Dieser rund<br />

2,8<br />

934<br />

1.131<br />

Frankreich<br />

61 Mio.<br />

2.252<br />

36.708<br />

2,0<br />

520<br />

483<br />

8,2Mrd. USD teure Flughafen ist zentraler Bestandteil<br />

<strong>des</strong> geplanten Logistik-Clusters Dubai<br />

World Central. 91 Mit diesem, mit einer Gesamtbauzeit<br />

von 25 bis 30 Jahren konzipierten Projekt,<br />

soll die größte See-Luft-Logistikdrehscheibe der<br />

Welt entstehen, in der der Flughafen mit dem<br />

Großhafen Jebel Ali und der dortigen Freihandelszone<br />

verbunden ist. Auch in den übrigen Emiraten<br />

sind Kapazitätserweiterungen der Infrastruktur für<br />

Luftverkehr ebenso wie für andere Verkehrsträger<br />

geplant.<br />

Das rasante Wachstum der Fluggesellschaft Emirates<br />

folgt der Luftverkehrsstrategie <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und<br />

ist eng mit der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole<br />

Dubai verknüpft. Emirates ist die führende Fluggesellschaft<br />

in der Golfregion und weltweit eine der<br />

gewinnstärksten. 92 Weitere Fluggesellschaften sind<br />

Etihad Airways (Abu Dhabi), Gulf Air (Bahrain),<br />

sowie Air Arabia, die erste Low-Cost-Fluggesellschaft<br />

in der Region. Zahlreiche Bestellungen der<br />

etablierten Fluggesellschaften für Langstreckenflugzeuge<br />

deuten auf einen wachsenden interkontinentalen<br />

Verkehr hin.<br />

90 Vgl. bfai (2007): Flughafenbau in den GCC-Staaten beschert Zulieferern volle Auftragsbücher, S. 2.<br />

91 Vgl. bfai (2008): Dubai ist im internationalen Luftverkehr stark positioniert, S. 2.<br />

92 Vgl. www.aerosecure.de (2008): Die 10 größten Fluglinien – nach Gewinn, Abruf am 8.05.2008.<br />

UK<br />

60 Mio.<br />

2.399<br />

39.630<br />

2,8<br />

604<br />

450<br />

USA<br />

299 Mio.<br />

13.195<br />

44.024<br />

3,3<br />

1.855<br />

1.037<br />

China<br />

1,3 Mrd.<br />

2.645<br />

2.013<br />

10,7<br />

660<br />

762<br />

Indien<br />

1,1 Mrd.<br />

873<br />

Tab.1: Ökonomische Kennzahlen ausgewählter Luftverkehrsstandorte 2006 im Überblick<br />

Quellen: Weltbank, Economist Intelligence Unit, UNDP, UNCTAD, IWF. *Finanzjahr 2006/2007<br />

785*<br />

9,2*<br />

185<br />

126<br />

Katar<br />

827.500<br />

53<br />

62.914<br />

8,8<br />

16<br />

34<br />

VAE<br />

4,6 Mio.<br />

163<br />

38.613<br />

9,7<br />

91<br />

137


76<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

2.5 Fazit: Rahmenbedingungen<br />

im Vergleich<br />

Ordnungspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

Im folgenden Abschnitt werden zentrale Aspekte,<br />

denen für den Standortwettbewerb von Volkswirtschaften<br />

eine besondere Bedeutung zukommt,<br />

zusammenfassend analysiert. Zu nennen sind<br />

diesbezüglich insbesondere die Aspekte Infrastrukturentwicklung,<br />

Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarkt<br />

sowie standortspezifische Kosten.<br />

Infrastrukturentwicklung<br />

Zwar verfügen die europäischen Länder (und insbesondere<br />

<strong>Deutschland</strong>) derzeit über eine im internationalen<br />

Vergleich hochwertige Infrastruktur,<br />

jedoch ist zu beobachten, dass sich im Gegensatz<br />

zu den Ländern Asiens oder <strong>des</strong> Nahen Ostens<br />

Planungs- und Genehmigungsprozesse oft als langwierige,<br />

komplexe und mehrstufige Prozesse mit<br />

unterschiedlich starker Beteiligung der Öffentlichkeit<br />

gestalten, weshalb oftmals kein zeit- und bedarfsgerechter<br />

Infrastrukturausbau erfolgen kann.<br />

Auch in den Vereinigten Staaten gelten komplexe<br />

Planungs- und Genehmigungsprozesse als eine der<br />

Hauptursachen der Kapazitätsengpässe im Bereich<br />

Luftverkehr. Sowohl für die europäischen Länder<br />

als auch die USA gilt: Umfangreiche Umweltprüfungen<br />

und Lärmschutzvereinbarungen sowie lang<br />

andauernde Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen<br />

Interessengruppen haben üblicherweise<br />

lange Verzögerungen <strong>des</strong> Infrastrukturausbaus<br />

zur Folge. Mitunter lässt sich aber über einen Ausgleich<br />

mit Anrainern eine Beschleunigung eines<br />

Planungs- und Genehmigungsverfahrens erzielen.<br />

In <strong>Deutschland</strong> haben die Dauer der Genehmigungsverfahren<br />

zum Bau <strong>des</strong> Flughafens München<br />

im Erdinger Moos in den 1970er und 1980er Jahren<br />

sowie zur nun Ende <strong>des</strong> Jahres 2007 genehmigten<br />

Erweiterung <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt die<br />

Notwendigkeit von Reformen <strong>des</strong> Planungs- und<br />

Genehmigungsverfahrens sehr deutlich gemacht.<br />

Mit dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungs-<br />

gesetz für die neuen Bun<strong>des</strong>länder und dem Planungsvereinfachungsgesetz<br />

wurden erste Reformschritte<br />

eingeleitet. 93<br />

Bei der Beantragung von Infrastrukturmaßnahmen<br />

in den VAE und Katar handelt es sich hingegen auf<br />

Grund der klaren strategischen Ausrichtung und<br />

Fokussierung <strong>des</strong> jeweiligen Staates um eher formlose<br />

und damit zügige Vorgänge. Die Planung und<br />

Realisierung von Großprojekten in China war bis<br />

2004 langwierig, da sie zahlreiche Prüfschritte,<br />

Bewilligungen sowie umfangreiche Kontrollrechte<br />

der staatlichen Stellen beinhaltete. Seit 2004 wurden<br />

jedoch zahlreiche Reformmaßnahmen verabschiedet,<br />

nach denen Projekte (auch mit staatlicher<br />

Beteiligung) nun einen vereinfachten und standardisierten<br />

Prozess durchlaufen. Auch in Indien wird<br />

versucht, Planungs- und Genehmigungsprozesse<br />

zu straffen und zu vereinfachen. 94 Diese Maßnahme<br />

soll insbesondere privates Kapital mobilisieren.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Planungsund<br />

Genehmigungsverfahren in der Mehrzahl der<br />

Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens und Asiens, wenn auch<br />

unter teilweiser Inkaufnahme geringerer gesellschaftlicher<br />

Partizipationsmöglichkeiten, schneller<br />

und wesentlich kostengünstiger abgewickelt werden<br />

können als in den Ländern Europas und in den USA.<br />

Arbeitsbedingungen / Arbeitsmarkt<br />

Die Arbeitsbedingungen variieren sowohl in Europa<br />

als auch in Asien. Während <strong>Deutschland</strong> und<br />

Frankreich aber auch Indien über ein vergleichsweise<br />

umfangreiches Arbeitsrecht mit umfangreichen<br />

Schutzrechten der Arbeitnehmer verfügen, ist das<br />

Arbeitsrecht der VAE und Katars relativ flexibel.<br />

Ähnlich wie in den USA und dem Vereinigten<br />

Königreich existieren dort keine oder nur geringe<br />

Vorgaben zum Inhalt von Arbeitsverträgen. Auch<br />

Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter wie z.B. ein<br />

Kündigungsschutz existieren nicht. In China sind im<br />

Bereich der Arbeitsgesetzgebung starke Modernisierungsbemühungen<br />

feststellbar. Durch neue<br />

arbeitsrechtliche Bestimmungen und Regelungen<br />

(z.B. PRC Labour Contract Law) nähert sich China,<br />

93 Gesetz zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin, vom 16.12.1991 und<br />

Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege vom 17.12.1993.<br />

94 Vgl. Reuters India (2008): Government to expedite airport project approval, Abruf am 29.02.2008.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 77<br />

ebenfalls wie VAE und Katar, bei denen langsam<br />

ähnliche Maßnahmen vollzogen werden, an internationale<br />

Standards an. Hintergrund ist in China,<br />

ähnlich wie in den VAE und Katar, dass sich ein<br />

immer größerer Fachkräfte- und Arbeitermangel<br />

bemerkbar macht, der die Expansionspläne dieser<br />

boomenden Volkswirtschaften hemmt. Anzumerken<br />

ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich<br />

die VAE und Katar zunehmend mit verschiedenen<br />

Menschenrechtsorganisationen auseinandersetzen<br />

müssen, die die mangelhafte Behandlung ausländischer<br />

Billiglohn-Arbeitskräfte kritisieren. 95 Zur<br />

Deckung <strong>des</strong> Fachkräfte- und Arbeitermangels<br />

greifen die VAE und Katar in großem Umfang auch<br />

auf andere, in und durch ihre Heimatländer qualifizierte<br />

und gut ausgebildete Kräfte zurück; beispielsweise<br />

auf Piloten und Fluglotsen.<br />

Standortspezifische Kosten<br />

Bei Betrachtung der Steuergesetzgebung in den<br />

untersuchten Ländern fallen lediglich die VAE auf,<br />

in denen keine Einkommens- bzw. Körperschaftssteuer<br />

erhoben wird. Ausnahmen bestehen nur für<br />

Niederlassungen ausländischer Banken sowie für<br />

Unternehmen der Öl-, Gas- und petrochemischen<br />

Industrie. 96 Eine der deutschen Gewerbesteuer<br />

ähnliche Steuer ist in den Emiraten unbekannt.<br />

Zudem gibt es dort bislang keine Mehrwertsteuer.<br />

Langfristig plant die Regierung der Vereinigten<br />

Emirate jedoch die Einführung einer 5%-igen<br />

Umsatzsteuer. Diese soll die aufgrund der zunehmenden<br />

Freihandelsabkommen rückläufigen Zolleinnahmen<br />

kompensieren. 97<br />

In den übrigen betrachteten Ländern liegt der Körperschaftssteuersatz<br />

zwischen 15% (USA, seit 2007<br />

auch <strong>Deutschland</strong>) und 33% (Frankreich). In Indien<br />

und China werden Körperschaftssteuersätze von<br />

30% bzw. 25% erhoben und auch in Katar sind<br />

Gesellschaften mit ausländischer Kapitalbeteiligung<br />

steuerpflichtig. Der von den betroffenen Unternehmen<br />

zu versteuernde Gewinnanteil wird dabei der<br />

Höhe der ausländischen Beteiligung entsprechend<br />

festgesetzt. Die jeweiligen Steuersätze sind progressiv<br />

gestaffelt und liegen zwischen 10 und<br />

35%. 98 Angehörige anderer Golf-Staaten sind<br />

steuerrechtlich den Katarern gleichgestellt. Die<br />

Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit unterliegen<br />

in Katar auch im Unterschied zu <strong>Deutschland</strong><br />

keiner Besteuerung.<br />

Im Gegensatz zu den europäischen Ländern, aber<br />

auch China, Indien und den USA existieren derzeit<br />

weder in den VAE noch in Katar indirekte Steuern<br />

wie Umsatz- oder Verbrauchsteuern. 99<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt <strong>des</strong> Standortes ist<br />

neben den Arbeitskosten auch das Qualifikationsniveau<br />

der Arbeitskräfte. So verfügt <strong>Deutschland</strong><br />

im internationalen Vergleich über ein hohes Ausbildungsniveau<br />

der Arbeitskräfte. Mit hohen Arbeitskosten,<br />

vor allem im verarbeitenden Gewerbe,<br />

befindet sich <strong>Deutschland</strong> im Vergleich industrialisierter<br />

Volkswirtschaften in der Spitzengruppe,<br />

noch vor Frankreich, dem Vereinigten Königreich<br />

und den Vereinigten Staaten. 100<br />

Während die Arbeitskosten in den europäischen<br />

Ländern aufgrund von Lohnnebenkosten und<br />

Min<strong>des</strong>tlöhnen (Großbritannien) auf recht hohem<br />

Niveau liegen, sind diese in den USA, Indien, China,<br />

VAE und Katar äußerst wettbewerbsfähig. In den<br />

USA sind die Personalzusatzkosten vergleichsweise<br />

gering, zur Krankenversicherung besteht ebenfalls<br />

keine gesetzliche Pflicht. In Indien hat sich das<br />

Lohnniveau im Vergleich zu China dynamischer<br />

entwickelt. 101 Löhne und Lohnnebenkosten vari-<br />

95 Vgl. amnesty international <strong>Deutschland</strong> (2008): Länderkurzinfo Vereinigte Arabische Emirate (VAE).<br />

96 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2007): Vereinigte Arabische Emirate Wirtschaftshandbuch,<br />

S.77ff.<br />

97 Vgl. Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. (2007): Vereinigte Arabische Emirate Wirtschaftshandbuch,<br />

S.77ff.<br />

98 Vgl. bfai (2006): Recht kompakt Katar, S.9ff.<br />

99 Vgl. bfai (2006): Recht kompakt Katar, S.9ff.<br />

100 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2007): Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, IW Trends – Vierteljahresschrift<br />

zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 34. Jahrgang, Heft 4/2007, S.8 ff.<br />

101 Vgl. www.mercer.de (2006): Lohnkosten sind in China höher als in Indien, Abruf am 01.03.2008.


78<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

ieren je nach Industrie, Unternehmensgröße und<br />

Region, ähnlich wie in China, beträchtlich. Nicht<br />

zuletzt aufgrund der arbeitsrechtlichen Reformen<br />

ist zu erwarten, dass das Lohnniveau in China<br />

gesamtwirtschaftlich zukünftig weiter steigen wird<br />

– auch wenn es deutlich unterhalb <strong>des</strong> Lohnniveaus<br />

in den wesentlichen wirtschaftlichen Wettbewerbsräumen<br />

der Welt bleiben wird. Unternehmen<br />

müssen Beiträge zur Sozialversicherung<br />

abführen (Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung,<br />

Wohngeld sowie in einigen Städten<br />

Schwangerschafts- und Unfallversicherung). Gängige<br />

Bestandteile der Vergütung von Fachkräften<br />

bilden die Zahlung von Sonderboni, freiwillige<br />

Sozialleistungen der Unternehmen sowie andere<br />

Leistungen wie Miet- oder Essenszuschüsse. Die<br />

Höhe der Beiträge und der Beitragsbemessungsgrenze<br />

wird von den jeweiligen lokalen Regierungen<br />

festgelegt, der Arbeitgeberanteil in Schanghai<br />

beispielsweise beträgt 40% <strong>des</strong> Gehalts. 102 Auch<br />

in Indien nahmen seit 2005 die Personalkosten der<br />

3. Kostenstrukturen der Fluggesellschaften<br />

Die Fluggesellschaften stehen stark in internationalem<br />

Wettbewerb. Sie produzieren aufgrund der<br />

jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Situation<br />

ihres Heimatlan<strong>des</strong> zu jeweils unterschiedlichen<br />

Kosten. Üblicherweise weisen die Kostenstrukturen<br />

von Fluggesellschaften einen hohen Fix- und einen<br />

entsprechend geringen variablen Kostenanteil auf.<br />

Grundsätzlich setzen sich die Gesamtkosten einer<br />

Fluggesellschaft aus den folgenden Kostenpositionen<br />

zusammen:<br />

■ Personalaufwand,<br />

■ Aufwendungen für Treibstoff,<br />

■ Aufwendungen für Versicherungen,<br />

■ Entgelte für Flughafen-/Abfertigungsleistungen,<br />

■ Luftsicherheitsgebühren,<br />

■ Flugsicherungsgebühren,<br />

■ Sonstige staatliche Steuern,<br />

■ Aufwendungen für Marketing und Vertrieb,<br />

■ Wartungs- und Reparaturaufwendungen,<br />

■ Abschreibungen (auf Flugzeuge etc.),<br />

■ Bordverpflegungsaufwendungen (Catering),<br />

■ Aufwendungen für Verwaltung/<br />

Zentralbereiche,<br />

großen Unternehmen um durchschnittlich 25%<br />

zu. 103 Aufgrund der ausgeprägten Entwicklungsdynamik<br />

der Wirtschaft der Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens<br />

stellt die Rekrutierung von genügend und hinreichend<br />

qualifizierten Fach- und Führungskräften aus<br />

dem Ausland zunehmend eine Herausforderung dar.<br />

Zwar stiegen in Katar im Jahr 2006 die Gehälter<br />

für Fachkräfte um 10,6%; damit liegt Katar mit<br />

den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Spitze<br />

in der Region. 104 Dennoch kann das gesamtwirtschaftliche<br />

Lohn- und Gehaltsniveau mit der Inflationsentwicklung<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und den steigenden<br />

Lebenshaltungskosten nicht Schritt halten. In den<br />

VAE stiegen 2007 die Arbeitnehmergehälter aufgrund<br />

stark steigender Lebenshaltungskosten<br />

sowie eines deutlichen Preisanstiegs von Bodenund<br />

Immobilienpreisen um durchschnittlich 14,5%<br />

gegenüber dem Vorjahr. Auch für die Zukunft wird<br />

ein weiterer Preisanstieg der Lebenshaltungskosten<br />

in den VAE erwartet. 105<br />

■ sonstige Aufwendungen sowie<br />

■ Miet- und Leasingaufwendungen.<br />

Generell bilden die Kostenpositionen Personal, Treibstoff<br />

sowie Infrastrukturaufwendungen (Entgelte<br />

für Flughafenleistungen inkl. Abfertigungsleistungen<br />

sowie Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühren)<br />

die größten Kostenblöcke, die im Fall der<br />

Deutschen Lufthansa AG jeweils etwa 20% der<br />

Gesamtkosten betragen. 106 Die Anteile der jeweiligen<br />

Kostenblöcke an den Gesamtkosten einer<br />

Fluggesellschaft variieren mit dem Geschäftsmodell<br />

einer Fluggesellschaft; so weisen beispielsweise<br />

Netzwerkfluggesellschaften eine andere Kostenverteilung<br />

als Regionalfluggesellschaften oder Low-<br />

Cost-Fluggesellschaften auf.<br />

Detailliertere Beschreibung der einzelnen Kostenpositionen<br />

Die drei größten Kostenpositionen – Personal, Treibstoff<br />

sowie Infrastrukturaufwendungen – variieren je<br />

nach Standort der Fluggesellschaft, wenngleich die<br />

weltweiten Unterschiede hinsichtlich <strong>des</strong> Kerosin-


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 79<br />

preises relativ gering sind. Da Arbeits- und Lohnkosten<br />

je nach Standort unterschiedlich ausfallen, gilt<br />

dies auch für den Personalaufwand von Fluggesellschaften.<br />

Ferner variieren die Entgelte für Flughafenleistungen<br />

je nach Flughafen bzw. Standort. Diese<br />

Entgelte umfassen Start-/Landeentgelte inkl. umweltbezogener<br />

Komponenten wie Lärm- oder Emissionsentgelte,<br />

Abstell-, Passagier und Sicherheitsentgelte.<br />

Hinzu kommen in der Regel Entgelte für die<br />

Nutzung zentraler Infrastruktureinrichtungen <strong>des</strong><br />

Flughafens (beispielsweise Enteisungsleistungen,<br />

Nutzung von Fluggastbrücken und Gepäckförderanlagen)<br />

sowie Entgelte für Bodenverkehrsdienste (z.B.<br />

Flugzeugbe- und -entladung, Gepäcktransport,<br />

Passagierdienste).<br />

Durch den über die letzten Jahre gestiegenen Kerosinpreis,<br />

verursacht durch gestiegene Rohölpreise,<br />

wird der Anteil der Kostenposition Treibstoff an den<br />

Gesamtkosten einer Fluggesellschaft voraussichtlich<br />

weiter zunehmen. Je nach Geschäftsmodell sind die<br />

Fluggesellschaften unterschiedlich stark betroffen.<br />

Tendenziell ist der Anteil der Treibstoffkosten an<br />

den Gesamtkosten bei Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

höher als bei traditionellen Netzwerkfluggesellschaften.<br />

Andererseits steigen die Aufwendungen<br />

für Kerosin bei Netzwerkfluggesellschaften mit<br />

hohem Interkontstrecken-Anteil ebenfalls stark an.<br />

Low-Cost-Fluggesellschaften weisen typischerweise<br />

einen wesentlich geringeren Hedging-Anteil als<br />

Netzwerkfluggesellschaften auf, so dass sie von<br />

Steigerungen <strong>des</strong> Kerosinpreises zumin<strong>des</strong>t kurzfristig<br />

stärker betroffen sein dürften.<br />

Auch im Falle der Abrechnung von Luftsicherheitskosten<br />

lassen sich international betrachtet unterschiedliche<br />

Erhebungsmöglichkeiten und somit<br />

auch Kostenbelastungen differenzieren. Sie werden<br />

in einigen Ländern als staatliche Gebühr ausgestaltet,<br />

die von Passagieren bzw. Fluggesellschaften zu<br />

entrichten ist, wohingegen sie in anderen Ländern<br />

in den Flughafenentgelten enthalten sind. Darüber<br />

102 Vgl. VDI (2006): Ingenieure in China 2006, Arbeitsmarkt. Gehälter. Nebenkosten“.<br />

103 Vgl. bfai (2008): Steigende Personalkosten in Indien machen Unternehmen zu schaffen, S.1.<br />

104 Vgl. GulfTalent.com (2007): Gulf Compensation Trends 2007.<br />

105 Vgl. bfai (2008): Hohe Gehaltsforderungen am Golf, S.1.<br />

106 Vgl. Deutsche Lufthansa AG (2008): Geschäftsbericht 2007, S.73 und 171.<br />

107 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.6.<br />

hinaus betrachten einige Länder Sicherheit als<br />

allgemeine staatliche Aufgabe, deren Kosten über<br />

das Steueraufkommen gedeckt werden. Beispielsweise<br />

haben die Vereinigten Staaten staatliche<br />

Förderprogramme aufgelegt, die den Luftverkehr<br />

von den zusätzlichen Kosten entlasten sollen.<br />

Des Weiteren sind mögliche standortspezifische<br />

Kostenunterschiede zu berücksichtigen, wie z.B.<br />

ob auf Flugscheine eine Umsatzsteuer, etwaige<br />

Entwicklungs- oder Klimaabgaben (z.B. in Form<br />

einer so genannten „Ticket Tax“) oder sonstige<br />

Umweltabgaben/-entgelte (z.B. für Lärm-, oder<br />

Stickoxidemissionen etc.) erhoben werden. Auch<br />

die bereits beschlossene Einbeziehung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

in das EU-weite Emissionshandelssystem<br />

sorgt international betrachtet für wettbewerbsrelevante<br />

Kostendifferenzen und somit zumin<strong>des</strong>t für<br />

Wettbewerbsnachteile für über EU-Grenzen hinaus<br />

operierende Fluggesellschaften.<br />

Die Kostenstruktur einer Fluggesellschaft beeinflusst<br />

maßgeblich ihre <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> und ist von<br />

Struktur und Volumen standortspezifischer Kosten<br />

abhängig. Nicht nur international sondern auch<br />

regional sind teilweise erhebliche Unterschiede in<br />

Struktur und Höhe der standortspezifischen Kosten<br />

zu verzeichnen.<br />

Auf Grund der zuvor geschilderten Rahmenbedingungen<br />

gehört <strong>Deutschland</strong> mit anderen europäischen<br />

Ländern zu den Standorten, die im internationalen<br />

Vergleich mit relativ hohen Gesamtkosten<br />

wirtschaften müssen. Dies impliziert für die deutsche<br />

Luftverkehrswirtschaft einen hohen Effizienzdruck.<br />

In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt<br />

darauf hinzuweisen, dass der Luftverkehrssektor in<br />

<strong>Deutschland</strong> seine Infrastrukturkosten weitestgehend<br />

selbst trägt. Zur Sicherung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

der deutschen Luftverkehrswirtschaft sind<br />

geeignete rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen<br />

zu gewährleisten.


80<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

4. Zukünftige Entwicklungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

4.1 Europa<br />

Der europäische Luftverkehr zeigt seit Jahren einen<br />

stetigen Aufwärtstrend, der sich die nächsten Jahre<br />

weiterhin fortsetzen wird. Bis zum Jahre 2025 wird<br />

der europäische Luftverkehr gemessen am Passagieraufkommen<br />

um durchschnittlich 3,6% pro Jahr<br />

wachsen. 107 Längerfristig kann sich die Wachstumsrate<br />

im europäischen Luftverkehr aufgrund<br />

der bereits beschlossenen Einbeziehung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

in das europäische Emissionshandelssystem<br />

108 und der möglichen Einführung einer Kerosinsteuer<br />

jedoch verringern. 109<br />

Wichtige Wachstumsimpulse gehen vor allem von<br />

der Liberalisierung <strong>des</strong> Luftverkehrs sowie der Erweiterung<br />

der Europäischen Union und der damit<br />

verbundenen erhöhten Reisetätigkeit aus. 110 Zu<br />

den wachstumsstärksten Märkten in Europa<br />

gehören bis zum Jahr 2011 die wirtschaftlich<br />

aufstrebenden Länder Mittel- und Osteuropas,<br />

wie Lettland mit einem Wachstum von durchschnittlich<br />

12,1% pro Jahr, Polen mit 9,2% und<br />

die Ukraine mit 8,8%; jedoch ist anzumerken,<br />

dass diese Märkte absolut betrachtet sehr kleine<br />

Märkte sind. 111<br />

Die Deregulierung der internationalen Märkte wird<br />

sich ebenfalls positiv auf die Entwicklung <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftverkehrs auswirken. Das kürzlich in<br />

Kraft getretene Open-Skies-Abkommen zwischen<br />

der EU und den USA ermöglicht es den jeweils dort<br />

beheimateten Fluggesellschaften, von jedem Flughafen<br />

der EU zu jedem Flughafen in den USA und<br />

vice versa zu fliegen. Inwieweit Wachstumsimpulse<br />

für den europäischen Luftverkehrsmarkt von einer<br />

Etablierung von Low-Cost-Angeboten auf Interkontinentalstrecken<br />

ausgehen, bleibt abzuwarten.<br />

Die europäischen Ferienfluggesellschaften versuchen<br />

derzeit, Langstreckenverkehre mit Low-Cost-<br />

Produkten zu kombinieren. 112<br />

4.2 Vereinigte Staaten von Amerika<br />

Trotz eines vor allem durch eine erwartete Rezession<br />

und eine teilweise Marktsättigung im weltweiten<br />

Vergleich mit 2,7% unterdurchschnittlichen Wachstums<br />

<strong>des</strong> Passagieraufkommens im nordamerikanischen<br />

Luftverkehr, werden die Vereinigten Staaten<br />

von Amerika auch zukünftig einen der bedeutendsten<br />

Luftverkehrsmärkte der Welt bilden. Gefördert<br />

durch die Notwendigkeit, Nordamerika mit den<br />

wirtschaftlich schnell wachsenden Regionen der<br />

Welt zu verbinden, wird der Passagierverkehr auf<br />

den internationalen Flugstrecken von und in die Vereinigten<br />

Staaten über die nächsten zwanzig Jahre<br />

mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von<br />

ca.5,0% pro Jahr etwa doppelt so schnell wachsen<br />

wie der amerikanische Inlandsluftverkehr. 113<br />

Durch erweiterte Luftverkehrsabkommen, wie beispielsweise<br />

das Open-Skies-Abkommen mit der<br />

Europäischen Union sowie die erweiterte bilaterale<br />

Vereinbarung mit Japan eröffnen sich den großen<br />

US-amerikanischen Fluggesellschaften trotz bestehender<br />

Qualitätsprobleme und vergleichsweise<br />

alter Flugzeugflotten zukünftige Wachstumsmöglichkeiten.<br />

Seitens der im inländischen nordamerikanischen<br />

Luftverkehrsmarkt tätigen Low-Cost-<br />

Fluggesellschaften wird ebenfalls zukünftig eine<br />

Stärkung ihrer Marktpositionen erwartet. 114<br />

4.3 Asien<br />

China<br />

Die Volksrepublik China hat sich in den letzten Jahren<br />

von einer regulierten und kontrollierten schrittweise<br />

zu einer nunmehr etwas stärker marktorientierten<br />

Volkswirtschaft gewandelt. Infolge<strong>des</strong>sen<br />

konnte die Volksrepublik in den letzten Jahren eine<br />

beachtliche wirtschaftliche Entwicklung verzeich-<br />

108 Vgl. Boeing (2007), a.a.O., S.36.<br />

109 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.49.<br />

110 Vgl. Boeing (2007), a.a.O., S.36.<br />

111 Vgl. IATA (2007): Passenger Forecast 2007–2011.<br />

112 Vgl. Doganis, R. (2002): Flying Off Course: The Economics of International Airlines, S.12 ff., S.39f. und S.134 ff.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 81<br />

nen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen,<br />

dass in China die Nachfrage im Privat- als auch im<br />

Geschäftsreiseverkehr insgesamt und auch im<br />

Luftverkehr zukünftig weiter stark steigen wird.<br />

Mit rund 1,3 Mrd. Einwohnern verfügt China über<br />

ein ausgesprochen großes Mobilitätspotenzial. Im<br />

Jahr 2005 verzeichnete das Land bereits mehr als<br />

30Mio. zu internationalen Zielen verkehrende<br />

Passagiere. Nach Angaben <strong>des</strong> National Tourism<br />

Bureau und <strong>des</strong> Außenministeriums von China wird<br />

die Zahl der Chinesen, die jährlich min<strong>des</strong>tens eine<br />

Auslandsreise unternehmen von 34,5 Mio. im Jahr<br />

2006 auf ca. 47 Mio. im Jahr 2010 und auf ca.<br />

100 Mio. im Jahr 2020 ansteigen. 115 Umgekehrt<br />

wird China nach Angaben der World Tourism Organisation<br />

im weltweiten Vergleich zukünftig der<br />

weltweit größte Tourismusmarkt sein. Im Jahr 2020<br />

werden demnach voraussichtlich ca. 180 Mio.<br />

Touristen nach China einreisen. 116<br />

Für den inländischen Passagierluftverkehr Chinas<br />

wird für die nächsten fünf Jahre ein durchschnittliches<br />

jährliches Wachstum von ca. 14,7% und für<br />

die darauf folgenden fünf Jahre von ca. 11,3%<br />

erwartet. 117 Ca. 60% <strong>des</strong> internationalen Passagierluftverkehrs<br />

aus China haben Europa und weitere<br />

ca. 30% die Vereinigten Staaten von Amerika<br />

als Ziel. 118 Langfristig sollen der inländische bzw.<br />

der internationale Passagierluftverkehr Chinas um<br />

ca. 8,2% bzw. um ca. 6,2% jährlich wachsen. 119<br />

Was die Ziele <strong>des</strong> internationalen Passagierluftverkehrs<br />

aus China angeht, so bleibt zukünftig Europa<br />

die wichtigste Zielregion.<br />

Der Beijing Capital International Airport liegt im<br />

internationalen Vergleich hinsichtlich <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

bereits heute unter den zehn größten<br />

Flughäfen der Welt und wird sich bis zum Jahr<br />

2020 voraussichtlich unter die größten fünf eingliedern.<br />

Peking stellt somit noch vor dem Flughafen<br />

Tokio Haneda den verkehrsstärksten asiatischen<br />

Flughafen. Die sehr dynamische Entwicklung <strong>des</strong><br />

asiatischen Luftverkehrs spiegelt sich in der Positionierung<br />

der dortigen Flughäfen im Ranking der<br />

verkehrsaufkommensstärksten Flughäfen der Welt<br />

wider. Im Jahr 2006 zählten noch vier Flughäfen<br />

Asiens zu den zwanzig größten Flughäfen der<br />

Welt. Bis zum Jahr 2020 wird sich deren Zahl voraussichtlich<br />

verdoppeln.<br />

Aufgrund der wirtschaftlich positiven Entwicklung<br />

Chinas wird in Zukunft sowohl der nationale als<br />

auch der internationale Frachtverkehr durch ein<br />

starkes Wachstum gekennzeichnet sein. Das<br />

Frachtaufkommen <strong>des</strong> chinesischen Inlandsluftverkehrs<br />

wird bis zum Jahr 2015 voraussichtlich um<br />

durchschnittlich ca. 12,6% jährlich und bis zum<br />

Jahr 2025 um ca. 9,1% steigen. 120<br />

Indien<br />

113 Vgl. Airbus (2007), S.86.<br />

114 Vgl. ebenda, S.86.<br />

115 Vgl. Airports International (2007): Ai Glimpse into China, September Ausgabe, S.19.<br />

116 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.36.<br />

117 Vgl. Airbus (2006), a.a.O., S.16.<br />

118 Vgl. ebenda, S.17.<br />

119 Vgl. CAPA (2008), Asia Pacific Aviation Outlook 2008.<br />

120 Vgl. Airbus (2006), a.a.O., S.75.<br />

121 Vgl. CAPA (2008), a.a.O.<br />

122 Vgl. Airbus (2006), a.a.O., S.13.<br />

Indien erwartet aufgrund seiner ausgesprochen<br />

dynamischen Wirtschaftsentwicklung zukünftig ein<br />

starkes Wachstum <strong>des</strong> Luftverkehrsaufkommens.<br />

Laut <strong>des</strong> Centers for Asia Pacific Aviation (CAPA)<br />

wird das jährliche Passagieraufkommen im inländischen<br />

Luftverkehr Indiens in den nächsten fünf<br />

Jahren um ca. 25% wachsen, während die internationalen<br />

Passagieraufkommen im gleichen Zeitraum<br />

um jährlich ca. 15% zunehmen werden. 121 Längerfristig<br />

wird sich das Wachstum im Luftverkehr Indiens<br />

leicht abschwächen. Bis zum Jahr 2025 soll das<br />

Verkehrsaufkommen auf inländischen Flugverbindungen<br />

um jährlich ca. 12% und das internationale<br />

Passagieraufkommen von und nach Indien um ca.<br />

6% wachsen. 122 Trotz <strong>des</strong> starken Wachstums <strong>des</strong>


82<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Passagierluftverkehrs in Indien werden die dortigen<br />

Flughäfen auch längerfristig wohl nicht unter den<br />

zwanzig verkehrsaufkommensstärksten Flughäfen<br />

der Welt rangieren. Dies ist vor allem auf die<br />

Dezentralität sowie die eher mangelhafte Qualität<br />

der Luftverkehrsinfrastruktur zurückzuführen. 123<br />

Das inländische Luftfrachtaufkommen Indiens soll<br />

bis zum Jahr 2025 um durchschnittlich ca. 17,1%<br />

jährlich wachsen. Für das internationale Luftfrachtaufkommen<br />

wird hingegen ein Wachstum von<br />

durchschnittlich ca. 6,6% jährlich vorhergesagt. 124<br />

Das erwartete Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

in Indien wird auf verschiedene Ursachen<br />

zurückgeführt. Dazu ist zunächst das starke Bevölkerungswachstum<br />

in Indien zu nennen. Schon<br />

heute ist Indien weltweit das Land mit der größten<br />

Zahl junger Einwohner. 20% aller unter 24-jährigen<br />

Menschen der Welt leben in Indien. Im Jahr<br />

2035 wird Indien voraussichtlich das bevölkerungsreichste<br />

Land der Erde sein. 125 Aus der stetig<br />

wachsenden Bevölkerung Indiens und der dort<br />

wachsenden Mittelschicht leitet sich das enorme<br />

Kundenpotenzial für Fluggesellschaften in Indien<br />

ab. Das steigende verfügbare Einkommen der<br />

indischen Bevölkerung eröffnet dieser neue Möglichkeiten,<br />

dem immer größeren Mobilitätsbedarf<br />

über größere Distanzen per Luftverkehr zu entsprechen.<br />

In den letzten Jahren entwickelte sich Indien immer<br />

mehr von einer weit überwiegend landwirtschaftlich<br />

geprägten zu einer stärker industriell und<br />

dienstleistungsorientierten Volkswirtschaft. In Folge<br />

<strong>des</strong>sen ist in Indien eine breite Schicht relativ kauf-<br />

kraftstarker Bevölkerung entstanden, die eine stärkere<br />

Nachfrage nach Luftverkehr generiert. 126<br />

Für ein zukünftig starkes Wachstum <strong>des</strong> indischen<br />

Luftverkehrs spricht auch der sich immer stärker<br />

belebende Tourismus <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>. Die Zahl der nach<br />

Indien reisenden ausländischen Touristen stieg bereits<br />

in den letzten Jahren deutlich an. Nach Schätzungen<br />

<strong>des</strong> Fachverban<strong>des</strong> World Travel and Tourism Council<br />

(WTTC) wird der Incoming-Tourismus nach Indien<br />

bis 2018 um durchschnittlich 9,4% jährlich steigen.<br />

Damit bildet Indien den weltweit am stärksten wachsenden<br />

Zielmarkt <strong>des</strong> internationalen Tourismus. 127<br />

4.4 Naher Osten<br />

Der Nahe Osten hat bereits eine lange Tradition als<br />

Transitraum für den wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Austausch zwischen Europa, Afrika und Asien.<br />

Nunmehr wird seitens der Staaten <strong>des</strong> Nahen<br />

Ostens versucht, den Vorteil ihrer hervorragenden<br />

geographischen Lage im Kontext internationaler<br />

Wirtschaftsverflechtungen sowie <strong>des</strong> internationalen<br />

Luftverkehrs gezielt zu nutzen. Dabei wird das<br />

Ziel verfolgt, die Golf-Region als alternativen Hub<br />

sowohl für die Verkehre zwischen Fernost und<br />

Europa als auch für die Verkehre zwischen Fernost<br />

und Nordamerika zu etablieren.<br />

Bis zum Jahr 2025 wird ein Wachstum <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

von 4,6% pro Jahr prognostiziert. 128<br />

Innerhalb der Region gelten die Vereinigten Arabischen<br />

Emirate als größter Wachstumsmarkt.<br />

Nach Angaben von Boeing wächst die Gesamtflotte<br />

123 Vgl. Airports International (2007): Top 100 Airports 2006, September Ausgabe, S.35.<br />

124 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.116.<br />

125 Vgl. Ihlau, O. (2006): Der urbane Rausch, in: ders., Weltmacht Indien, Schriftenreihe der bpb, Bd. 558, S.63–82, hier S.65 ff.<br />

126 Vgl. HSH Nordbank (2007): Indien hebt ab – indischer Luftverkehrsmarkt im Aufwind, Branchenstudie, S.19.<br />

127 Vgl. WTTC (2008): The 2008 Travel & Tourism Economic Research India, S.12.<br />

128 Vgl. Airports Council International (ACI) (2007), a.a.O., S.6.<br />

129 Vgl. Boeing: Current Market Outlook 2007, S.44 f.<br />

130 Vgl. Airbus (2007), a.a.O., S.98.<br />

131 Die dargestellte Rangfolge der größten Flughäfen der Welt im Jahr 2020 unterstellt ein engpassfreies Wachstum. Sie basiert auf<br />

für die einzelnen Flughäfen berechneten Wachstumsraten. Diese sind aus gleich gewichteten flughafenspezifischen und regionalen<br />

Komponenten zusammengesetzt. Die flughafenspezifische Wachstumskomponente leitet sich aus der vergangenen<br />

Entwicklung <strong>des</strong> jeweiligen Flughafens ab, wohingegen die regionale Wachstumskomponente auf den Prognosewerten <strong>des</strong><br />

Airports Council International für die Periode 2005–2020 beruht.<br />

132 Vgl. Airports International, September 2007, Top 100 Airports 2006, S.35.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 83<br />

der Region von 670 Flugzeugen im Jahr 2006 auf<br />

1.320 im Jahr 2026. 129 Der Anteil an Großraumflugzeugen<br />

beträgt dabei mehr als 400 Maschinen, mit<br />

denen zu 37% der Asien-Pazifik-Raum und 30%<br />

Europa bedient werden sollen. Aufgrund der zahlreichen<br />

Bestellungen der arabischen Airlines für Großraum-<br />

und Langstreckenflugzeuge wird es daher in<br />

Zukunft möglich sein, neben den bereits heute bestehenden<br />

Direktverbindungen nach Australien neue<br />

Dienste an die amerikanische Westküste anzubieten<br />

sowie das europäische und asiatische Streckennetz zu<br />

erweitern, was einen weiteren Wachstumsimpuls für<br />

den Luftverkehr der Golf-Region darstellt. Zu betonen<br />

ist in diesem Zusammenhang die starke Abhängigkeit<br />

der Langstreckenverkehre der Länder der<br />

Golf-Region von Umsteigerverkehren aus anderen<br />

Großregionen der Welt, so dass erweiterte Verkehrsrechte<br />

eine wesentliche Bedingung für das weitere<br />

Wachstum der Region bilden.<br />

Auf den Luftverkehrsmärkten der flächenmäßig<br />

kleinsten Länder der Golf-Region Vereinigte Arabische<br />

Emirate, Katar und Bahrain operiert neben den<br />

großen Fluggesellschaften eine kleine Zahl von<br />

Low-Cost-Fluggesellschaften. Aufgrund <strong>des</strong> vergleichsweise<br />

großen Anteils der Langstreckenverkehre<br />

am Luftverkehrsaufkommen dieser Region<br />

entfällt nur ein entsprechend kleiner Marktanteil<br />

auf die Low-Cost-Fluggesellschaften. Das von<br />

ihnen beförderte Passagieraufkommen wird in den<br />

kommenden Jahren voraussichtlich jedoch um<br />

ca. 9% pro Jahr wachsen. 130<br />

Im weltweiten Flughafenvergleich hinsichtlich <strong>des</strong><br />

Passagieraufkommens befinden sich nur der Dubai<br />

International Airport (DXB, 37. Rang) und der<br />

Jeddah King Abdulaziz International Airport (JED,<br />

94. Rang) in den Top 100. Mit dem Bau <strong>des</strong> neuen<br />

Flughafens in Dubai wird nach eigenen Angaben <strong>des</strong><br />

Betreibers der weltweit größte Flughafen entstehen.<br />

4.5 Rangfolge der größten Flughäfen<br />

der Welt 2006–2020 131<br />

Im Jahr 2006 waren in der Rangfolge der zwanzig<br />

größten Flughäfen der Welt hinsichtlich <strong>des</strong> Passagieraufkommens<br />

11 Flughäfen der Vereinigten<br />

Staaten vertreten. 132 Dabei standen die Flughäfen<br />

Atlanta und Chicago weltweit an der Spitze. Zwar<br />

werden auch im Jahr 2020 beide hinter dem aufstre-<br />

benden Flughafen Peking weiterhin zu den fünf<br />

größten Flughäfen der Welt zählen, allerdings werden<br />

dann nur noch sieben US-amerikanische Flughäfen<br />

unter den zwanzig größten Flughäfen der Welt<br />

platziert sein. Alle übrigen US-amerikanischen Flughäfen<br />

werden ihre Plätze an asiatische Flughäfen<br />

verlieren. So werden im Jahr 2020 die asiatischen<br />

Flughäfen Shenzhen, Jakarta und Guangzhou unter<br />

den zwanzig weltweit größten Flughäfen rangieren.<br />

Darüber hinaus wird China im Jahr 2020 die USA als<br />

weltweit größten Luftverkehrsmarkt abgelöst haben<br />

und mit Dubai wird dann auch ein Flughafen aus<br />

dem Nahen Osten in der Rangfolge der zwanzig<br />

weltweit größten Flughäfen vertreten sein. [Abb. 3]<br />

Anzumerken ist ferner, dass die europäischen und<br />

insbesondere der deutsche Flughafen Frankfurt bei<br />

unzureichenden Kapazitäten ihrer Luftverkehrsinfra-<br />

2006<br />

Nr. Flughafen<br />

1 Atlanta ATL<br />

2 Chicago ORD<br />

3 London LHR<br />

4 Tokio HND<br />

5 Los Angeles LAX<br />

6 Dallas DFW<br />

7 Paris CDG<br />

8 Frankfurt FRA<br />

9 Peking PEK<br />

10 Denver DEN<br />

11 Las Vegas LAS<br />

12 Amsterdam AMS<br />

13 Madrid MAD<br />

14 Hongkong HKG<br />

15 New York JFK<br />

16 Bangkok BKK<br />

17 Houston IAH<br />

18 Phoenix PHX<br />

19 Newark EWR<br />

20 Detroit DTW<br />

2020<br />

Nr. Flughafen<br />

1 Peking PEK<br />

2 Atlanta ATL<br />

3 Tokio HND<br />

4 Paris CDG<br />

5 Chicago ORD<br />

6 London LHR<br />

7 Madrid MAD<br />

8 Shenzhen SZX<br />

9 Bangkok BKK<br />

10 Dubai DXB<br />

11 Hongkong HKG<br />

12 Frankfurt FRA<br />

13 Amsterdam AMS<br />

14 Los Angeles LAX<br />

15 Jakarta CGK<br />

16 Dallas DFW<br />

17 Las Vegas LAS<br />

18 Houston IAH<br />

19 Guangzhou CAN<br />

20 Phoenix PHX<br />

Nordamerika Asien/Pazifik Europa Naher Osten<br />

Abb. 3: Die 20 größten Flughäfen der Welt 2006 und 2020<br />

gemessen am Passagieraufkommen<br />

Quelle: Abschätzung anhand der Passagieraufkommen 2006<br />

und prognostizierter Wachstumsraten; ACI 2007, IATA 2007,<br />

ICAO 2007, Boeing 2006 und Airbus 2007


84<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

struktur gegenüber der für 2020 prognostizierten<br />

Rangfolge im internationalen Vergleich noch weitere<br />

Positionen einbüßen würden. In Bezug auf <strong>Deutschland</strong><br />

ist Frankfurt der einzige Flughafen, der im Jahr<br />

2020 unter den zwanzig größten Flughäfen weltweit<br />

5. Perspektiven der Flugsicherung<br />

Die Forderung nach einer strukturellen und technischen<br />

Modernisierung der Flugsicherung im internationalen<br />

Kontext gewinnt vor dem Hintergrund<br />

<strong>des</strong> prognostizierten Wachstums <strong>des</strong> weltweiten<br />

Luftverkehrs zunehmend an Bedeutung. Als übergeordnete<br />

Ziele werden dabei eine weitere Verbesserung<br />

von Sicherheitsstandards, die Steigerung<br />

der Gesamteffizienz, eine Optimierung vorhandener<br />

Kapazitäten sowie eine Verringerung flugsicherungsbedingter<br />

Verspätungen diskutiert. Luftverkehr<br />

ist gekennzeichnet durch grenzüberschreitenden,<br />

internationalen Verkehr. Deshalb widersprechen<br />

nationale sowie regionale Sonderwege bei der Ausgestaltung<br />

<strong>des</strong> Flugverkehrsmanagementsystems<br />

der optimalen Nutzung <strong>des</strong> weltweiten Luftraums.<br />

An den in diesem Bericht berücksichtigten Luftverkehrsstandorten<br />

zeigt sich ein uneinheitliches Bild<br />

in Bezug auf die Strukturen und Entwicklungen der<br />

Systeme <strong>des</strong> Flugverkehrsmanagements.<br />

5.1 Europa<br />

In Europa sind die Organisation der Flugsicherungsdienste<br />

betreffend künftig mehrere Szenarien<br />

denkbar. Die zügige Umsetzung <strong>des</strong> Single European<br />

Sky würde CO2-Emissionen reduzieren und<br />

somit einen direkten Beitrag zum Klimaschutz leisten.<br />

Ineffizienzen im europäischen Luftraum führen<br />

insgesamt zu jährlichen Mehrkosten von mehr als<br />

4Mrd. EUR 133 und ca. 16Mio. Tonnen vermeidbaren<br />

CO2-Emissionen 134 . Die letztendliche Regelung<br />

platziert sein wird. Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> dargestellten<br />

Luftverkehrswachstums in anderen Regionen<br />

der Welt – insbesondere in Asien und im Nahen<br />

Osten – wird Frankfurt seinen achten Platz verlieren<br />

und im Jahr 2020 Position 12 belegen.<br />

zur Ablösung <strong>des</strong> ineffizienten Status Quo einer<br />

zersplitterten Flugsicherungslandschaft wird dabei<br />

vermutlich auf einem Kontinuum zwischen den<br />

zwei Extremen eines europaweiten, permanenten<br />

Monopols und eines Ausschreibungswettbewerbs<br />

für Konzessionen von Gebietsmonopolen liegen.<br />

Bei Letzterem könnte sich eine überschaubare<br />

Anzahl von Anbietern von Flugsicherungsdienstleistungen<br />

am Markt etablieren, die bei Ausschreibungen<br />

für die Bewirtschaftung von Lufträumen – möglicherweise<br />

der Functional Airspace Blocks (FABs) –<br />

miteinander über den Einsatz unterschiedlicher<br />

Verfahren und Standards konkurrieren und auf<br />

diesem Wege die Effizienz <strong>des</strong> Systems erhöhen.<br />

Hierbei entstünden allerdings leichte Effizienzverluste<br />

an den Übergangsstellen der einzelnen Flugsicherungssysteme<br />

in Europa. Im anderen Extremfall<br />

könnte eine Unternehmung mit einem einheitlichen<br />

Verfahren und harmonisierten Standards –<br />

ohne diese Reibungs- und Effizienzverluste aber<br />

unter Inkaufnahme der volkswirtschaftlichen<br />

Kosten eines Monopols – den gesamten europäischen<br />

Markt bedienen.<br />

Zur Frage, welche Lösung für den Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />

in Europaletztendlich<br />

zu favorisieren ist, wären detailliertere, gleichwohl<br />

ausgesprochen komplexe und schwierige Kosten-<br />

Nutzen-Abwägungen wünschenswert. Die politischen<br />

Entscheidungsträger sollten sich nach einer<br />

angemessenen Bewertungsphase auf die für das<br />

Gesamtsystem beste Lösung verständigen und die<br />

dafür notwendigen Schritte einleiten.<br />

133 Davon entfallen allein 2,4Mrd. EUR direkt auf Ineffizienzen im europäischen Luftraum (z.B. Kerosinkosten für Umwege und<br />

Warteschleifen).<br />

134 Vgl. Europäische Kommission, 2008, Mehr Sicherheit und Effizienz im Flugverkehr, in: EU-Nachrichten, Nr.23, 26. Juni 2008, S.2.<br />

135 Im Einzelnen sind dies die Verordnungen (EG) Nr. 549/2004 (Rahmenverordnung), Nr. 550/2004 (Flugsicherungsdienste-<br />

Verordnung), Nr. 551/ 2004 (Luftraum-Verordnung) und Nr. 552/2004 (Interoperabilitäts-Verordnung) vom 10.03.2004.


European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 85<br />

Die Abschätzungen, inwieweit und wann es zum<br />

Einheitlichen Europäischen Luftraum kommen wird,<br />

sind derzeit sehr unterschiedlich. Dem Bedarf nach<br />

Effizienzsteigerungen, der durch das allgemeine<br />

Wachstum im Luftverkehrssektor, die Notwendigkeit<br />

zur Reduktion von Emissionen und die steigenden<br />

Energiekosten ausgelöst wird, wird durch einige<br />

Entwicklungen Rechnung getragen. Positiv hervorzuheben<br />

ist beispielsweise, dass sämtliche Luftfahrtbereiche<br />

in diesem Projekt erstmals zu einer Zusammenarbeit<br />

bereit waren und der gewählte Ansatz<br />

nachfrage- und serviceorientiert ist. Der bestehende<br />

Führungsanspruch Europas im Bereich Air Traffic<br />

Control (ATC) und Air Traffic Management (ATM)<br />

sowie das hohe Sicherheitsbewusstsein im europäischen<br />

Luftverkehr („flight safety“) sollte ebenfalls<br />

dazu beitragen, dass es zur Schaffung eines Single<br />

European Sky (SES) kommen wird.<br />

Die Einbeziehung sämtlicher Mitgliedstaaten wird<br />

in dieser Frage von erheblicher Bedeutung sein.<br />

Bisher haben die Länder in Fragen der technischen<br />

Umsetzung eine Verlagerung der nationalen Aufgaben<br />

auf die europäische Ebene akzeptiert. Dies<br />

ermöglicht den technischen Aufbau eines Flugsicherungssystems,<br />

das mit den finanziellen und<br />

rechtlichen Mitteln der EU unterstützt wird. Vor<br />

dem Hintergrund der optimalen Lenkung der Verkehrsströme<br />

ist ein weiterer Vorteil, dass bei der<br />

Konzeption <strong>des</strong> gemeinsamen Luftraums keine<br />

Einschränkung auf den geographischen Ausdehnungsbereich<br />

der EU vorgenommen wurde. So ist<br />

es möglich, dass sich weitere Staaten (Stichworte:<br />

ECAA oder EuroMed) an dem Projekt beteiligen.<br />

Allerdings sind auf dem Weg zu einem Single<br />

European Sky neben den allgemeinen Entwicklungen<br />

im Luftverkehrssektor (Konjunkturabhängigkeit,<br />

steigen<strong>des</strong> Umweltbewusstsein) auch verschiedene<br />

Herausforderungen zu meistern. Die<br />

Vorschläge der SESAR-Definitionsphase beziehen<br />

sich überwiegend auf theoretische Problemstellungen.<br />

Damit der gemeinsame Luftraum Wirklichkeit<br />

werden kann, besteht eine zentrale Aufgabe bei<br />

der Implementierung eines einheitlichen Luftraums<br />

darin, dass sämtliche geplanten und später beschlossenen<br />

Änderungen in allen Mitgliedstaaten<br />

zeitgleich umgesetzt werden müssen. Wie schwierig<br />

ein derartiges Unterfangen ist, zeigt sich derzeit<br />

bei der Etablierung der FABs. Für diese Vorläufer<br />

eines einheitlichen europäischen Luftraums existie-<br />

ren selbst auf der Ebene der EU-Kommission keine<br />

Regeln für deren Implementierung.<br />

Ferner gilt es, eine Lösung für die militärische Flugsicherung<br />

zu finden (Stichwort: „flexible use of<br />

airspace“). Eine isolierte Abwicklung und Organisation<br />

<strong>des</strong> militärischen Luftverkehrs in Europa brächte<br />

aufgrund der unflexiblen Nutzung <strong>des</strong> Luftraums<br />

für unterschiedliche Zwecke große Kapazitäts- und<br />

Effizienzverluste mit sich. Eine Integration der militärischen<br />

und zivilen Flugsicherung ist möglich,<br />

dies zeigen die Beispiele <strong>Deutschland</strong> und Schweiz.<br />

Allerdings ist es aus neutralitätspolitischen Aspekten<br />

nur schwer vorstellbar, dass die europäischen<br />

Staaten im Falle einer Bewirtschaftung ihres Luftraums<br />

ihre militärische Flugsicherung einem ausländischen<br />

Unternehmen übertragen werden.<br />

Neben diesen rechtlichen und organisatorischen<br />

Aufgaben gilt es auch, einige finanzielle Aspekte zu<br />

berücksichtigen. Ob ein Projekt wie die Schaffung<br />

eines einheitlichen europäischen Luftraums gelingen<br />

kann, wird auch vom Engagement und der finanziellen<br />

Beteiligung der Luftfahrtindustrie abhängen. Das<br />

finanzielle Engagement der Industrie erscheint im<br />

Hinblick auf die Bereitstellung von Ressourcen für<br />

die Forschung unverzichtbar. Zumal die vorgesehene<br />

Arbeitsteilung Boden/Luft im Bereich „Avionik“<br />

erhebliche Vorinvestitionen der Flugzeughalter<br />

beziehungsweise Fluggesellschaften verlangt.<br />

5.2 <strong>Deutschland</strong><br />

Die entscheidenden Anforderungen und Aufgaben<br />

für die Zukunft für die Bun<strong>des</strong>republik <strong>Deutschland</strong><br />

(und die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH als<br />

nationalem Dienstleister) im Bereich der Flugsicherung<br />

ergeben sich aus den Verordnungen zur Verwirklichung<br />

<strong>des</strong> Single European Sky, 135 die das<br />

Verständnis zu den Tätigkeiten in der Flugsicherung<br />

Europas grundlegend geändert haben.<br />

Eine Reihe von mit der Flugsicherung in Zusammenhang<br />

stehenden Tätigkeiten sollen in Europa<br />

zukünftig verstärkt in Konkurrenz zu anderen Flugsicherungsorganisationen<br />

erbracht werden. Damit<br />

die DFS diese Aufgaben übernehmen und sich am<br />

Wettbewerb um diese Dienstleistungen wird beteiligen<br />

können, sind allerdings einige gesetzliche<br />

Änderungen unabdingbar. Im Gegensatz zu den


86<br />

II. Entwicklungen und Trends <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

anderen europäischen Organisationen, die bereits<br />

heute aufgrund der jeweils geltenden gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen in der Lage sind, eigenständig<br />

ihre Dienste auch in anderen Ländern zu erbringen,<br />

Kooperationen und Beteiligungen einzugehen<br />

sowie unternehmerische Wettbewerbsgeschäfte<br />

zu tätigen, enthält das deutsche Luftverkehrsgesetz<br />

keinerlei wettbewerbliche Aspekte.<br />

Die europäische Konstruktion mit wettbewerblichen<br />

Elementen ist dem deutschen Recht in seinem<br />

Verständnis von Flugsicherung als Hoheitsaufgabe<br />

sogar fremd. In diesem Bereich besteht<br />

eindeutiger Handlungsbedarf.<br />

Um mit anderen Anbietern in Wettbewerb treten<br />

zu können, ist ein unabhängiges wirtschaftliches<br />

Agieren der DFS Grundvoraussetzung. Aufgrund<br />

der derzeitigen Stellung der DFS als bun<strong>des</strong>eigene<br />

Luftverkehrsverwaltung ist unternehmerisches<br />

Handeln allerdings kaum möglich. Beispielsweise<br />

sind Beteiligungen, die der Realisierung von<br />

Skaleneffekten und damit der Erzielung von Einsparungen<br />

dienen könnten, nach den derzeit geltenden<br />

Vorgaben der Bun<strong>des</strong>haushaltsordnung<br />

einem strengen Prüfverfahren zu unterziehen.<br />

Das bedeutet letztlich, dass Verbindungen zwischen<br />

den europäischen Flugsicherungsorganisationen<br />

unter Beteiligung der DFS kaum zeitgerecht<br />

umzusetzen sind, solange Staatsverträge oder die<br />

Genehmigung <strong>des</strong> in diesem Fall verantwortlichen<br />

Bun<strong>des</strong>finanzministeriums ausstehen.<br />

Damit sich die DFS dem internationalen Wettbewerb<br />

im Markt für Flugsicherungsdienstleistungen<br />

erfolgreich stellen kann, wird es erforderlich sein,<br />

durch eine Rechts- und Strukturanpassung sowie<br />

Kapitalprivatisierung die Konkurrenzfähigkeit der<br />

DFS zu erhalten und zu stärken.<br />

5.3 Vereinigte Staaten von Amerika<br />

Die Air Transport Association of America (ATA)<br />

bemängelt, dass mit der veralteten Technik <strong>des</strong> USamerikanischen<br />

Flugsicherungssystems keine adäquate<br />

Flugverkehrskontrolle seitens der Lotsen<br />

mehr möglich sei. Folglich würden Flugzeuge auf<br />

suboptimale Routen gelenkt, potenzielle Zeitersparnisse<br />

ließen sich ebenso wenig realisieren wie<br />

die daraus resultierenden Verringerungen von<br />

Schadstoffemissionen. 136 Die Notwendigkeit der<br />

Modernisierung der Flugsicherung ist in den Vereinigten<br />

Staaten weitestgehend anerkannt. So wurde<br />

auf staatlicher Seite im Jahr 2005 ein Programm<br />

namens NextGen (Next Generation Air Transport<br />

System) entwickelt, welches das Ziel verfolgt, in<br />

den nächsten 20 Jahren nicht nur die Flugsicherung<br />

in den USA sondern das gesamte Lufttransportsystem<br />

zu modernisieren. 137<br />

Die Kosten für dieses Projekt belaufen sich auf<br />

geschätzte 15Mrd. USD. Der Realisierung <strong>des</strong><br />

Projekts und der Verbesserung der Situation steht<br />

jedoch die seit Jahren herrschende Uneinigkeit<br />

zwischen den unterschiedlichen politischen Gruppierungen<br />

und den zahlreichen Lobbyvereinigungen<br />

entgegen. 138 Den Kern der Auseinandersetzungen<br />

bilden die Governance-Struktur 139 sowie<br />

das Finanzierungssystem der Federal Aviation<br />

Administration (FAA). Eine möglichst baldige<br />

Beilegung dieses Konfliktes erscheint zur Sicherung<br />

einer langfristig funktionsfähigen Flugsicherung<br />

in den Vereinigten Staaten erforderlich.<br />

136 Vgl. Air Transport Association of America (2007): Balancing the Aviation Equation – 2007 Economic Report, S.15.<br />

137 Vgl. Joint Planning and Development Office (2007): Concepts of Operations for the Next Generation Air Transport System,<br />

Version 2.0, 13.06.2007.<br />

138 Vgl. ter Kuile (2008): Are we at the dawn of a new era for Global Air Traffic Management, Amsterdam.<br />

139 Obwohl in zahlreichen Studien die Privatisierung der Flugsicherung in den USA angemahnt wurde, konnte bisher keine Entscheidung<br />

in dieser Frage herbeigeführt werden. Vgl. Executive Oversight Committee (1994): Air Traffic Control Corporation<br />

Study, Report to the US Secretary of Transportation. US Department of Transportation, Washington, DC; National Civil Aviation<br />

Review Commission (1997): Avoiding Aviation Gridlock & Reducing the Accident Rate. NCARC, Washington; Poole/Butler<br />

(2001): How to commercialize air traffic control, Reason Public Policy Institute, Los Angeles (Policy Study 278)<br />

http://www.rppi.org/ps278.htm.<br />

140 Vgl. International Business Strategies (2005): Air Traffic Control in India, Gaithersburg; International Business Strategies (2004):<br />

Air Traffic Control Market in China, Gaithersburg, S.5 ff.


5.4 Asien<br />

European Center for Aviation Development – ECAD II. Entwicklungen und Trends 87<br />

In Asien wird das stark wachsende Luftverkehrsaufkommen<br />

ähnlich wie im Nahen Osten unzureichend<br />

durch Flugverkehrsmanagementsysteme unterstützt.<br />

Eine effektive regionale Koordination zwischen den<br />

unterschiedlichen Akteuren erscheint allerdings aufgrund<br />

der enormen Wachstumsraten unverzichtbar,<br />

wenn ein Erreichen der Kapazitätsgrenzen <strong>des</strong> asiatischen<br />

Luftraums vermieden werden soll. 140<br />

Um den regulatorischen und den zivilen sowie militärischen<br />

Anforderungen gerecht werden zu können<br />

wird zunehmend die Forderung nach einem<br />

starken institutionellen Rahmen laut. 141 Unabhängig<br />

von den Herausforderungen einer regionalen<br />

Zusammenarbeit haben China und Indien auch<br />

mit individuellen Problemen im Bereich ihrer Flugsicherungen<br />

zu kämpfen. Für China wird zukünftig<br />

aufgrund <strong>des</strong> dortigen Luftverkehrswachstums<br />

ein steigender Bedarf an Fluglotsen erwartet. Vor<br />

diesem Hintergrund wird eine angemessene sowie<br />

zeitnahe Rekrutierung und vor allem Ausbildung<br />

von zahlreichen Mitarbeitern notwendig. 142<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass die Fluglotsen in<br />

China häufig vermeiden, in den weniger attraktiven<br />

westlichen Provinzen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> oder aber in<br />

den arbeitsreichen ATC-Centern in Peking, Schanghai<br />

und Guangzhou eingesetzt zu werden.<br />

5.5 Naher Osten<br />

Die Länder <strong>des</strong> Nahen Ostens (Vereinigte Arabische<br />

Emirate, Katar, Bahrain) sehen sich zukünftig<br />

hinsichtlich der Thematik der Flugsicherung folgenden<br />

Problemen gegenüber: Die Golfregion zeichnet<br />

sich derzeit durch ein beispielloses Wachstum bei<br />

der Anzahl der Flugbewegungen aus, 143 welches in<br />

absehbarer Zeit zu Kapazitätsengpässen seitens der<br />

lokalen Flugsicherungen führen wird. Während die<br />

Fluggesellschaften wie Emirates, Etihad sowie Qatar<br />

Airways erhebliche Wachstumsraten ihrer Passagieraufkommen<br />

verzeichnen und die einzelnen Golf-<br />

Staaten in riesige Flughafenprojekte investieren, ist<br />

auffällig, dass Investitionen in die Flugsicherung<br />

und die entsprechende Infrastruktur am Boden und<br />

in der Luft zur Gewährleistung notwendiger Kapazitäten<br />

im Luftraum weitgehend fehlen. 144<br />

Zudem leidet der Nahe Osten – in ähnlicher Form<br />

wie Europa – unter der Fragmentierung <strong>des</strong> Luftraums.<br />

Diese resultiert unter anderem aus einer<br />

starken militärischen Präsenz mit einem hohen<br />

Bedarf an Lufträumen für die militärische Nutzung.<br />

Sollten die Staaten <strong>des</strong> Nahen Ostens in der nahen<br />

Zukunft nicht in der Lage sein, ein regionales Projekt<br />

zur Optimierung <strong>des</strong> Luftraums zu initiieren,<br />

wird das Luftverkehrswachstum in der Golf-Region<br />

schnell an seine Grenzen stoßen.<br />

141 Vgl. ter Kuile (2008), a.a.O.<br />

142 Vgl. Vijayaraghavan (2005): A Shortage of Air Traffic Controllers in China, India and The Philippines, Frost&Sullivan, Palo Alto.<br />

143 Vgl. Airbus (2006): General Market Forecast 2006–2025, Blagnac, S.54 f.<br />

144 Vgl. ter Kuile (2008), a.a.O.


III. Schlussfolgerungen<br />

airconomy<br />

Oliver Wyman<br />

European Center for Aviation Development – ECAD<br />

1. Zusammenfassung<br />

In <strong>Deutschland</strong> gibt es kein großes Luftverkehrsdrehkreuz<br />

mit einem originären Flugreiseaufkommen<br />

der Dimension von z.B. London oder Paris.<br />

Nur mit einer solchen Nachfragestruktur wäre eine<br />

strategische Konzentration auf die Bedienung originärer<br />

Luftverkehre von und nach <strong>Deutschland</strong><br />

sinnvoll. Andererseits ist kein anderer Luftverkehrsstandort<br />

in Europa ähnlich stark aufgestellt wie<br />

<strong>Deutschland</strong>, um Umsteigepassagiere zu bedienen<br />

und damit Flugverkehr zu bündeln. Dabei erweist<br />

sich das Netz aus 15 internationalen Flughäfen in<br />

den dezentralen Wirtschaftsräumen <strong>Deutschland</strong>s<br />

im Verbund mit den beiden Hubs in Frankfurt und<br />

München 1 sowie den beteiligten deutschen Fluggesellschaften<br />

als hoch synergetisch.<br />

Ein leistungsfähiger Luftverkehr ist im internationalen<br />

Wettbewerb der Standorte gerade für die<br />

exportorientierte und polyzentrische Wirtschaft in<br />

<strong>Deutschland</strong> von größter Bedeutung. Für die<br />

zunehmend international ausgerichteten Unternehmen<br />

in <strong>Deutschland</strong> stellen effiziente und weltweit<br />

III. Schlussfolgerungen 89<br />

vernetzte Flughäfen entscheidende Aspekte weit<br />

reichender Investitions- und Standortentscheidungen<br />

dar. Eine internationale Studie kam beispielsweise<br />

zu dem Ergebnis, dass pro einer Million<br />

Passagiere rechnerisch etwa 4.750 Arbeitsplätze<br />

generiert werden. 2<br />

Die hohe Leistungsfähigkeit im Umsteigeverkehr<br />

markiert gleichzeitig einen wunden Punkt <strong>des</strong><br />

<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong>: Umsteigeverkehre<br />

können international ausweichen, wenn die<br />

operativen, regulativen und infrastrukturellen Voraussetzungen<br />

der heutigen Leistungsfähigkeit nicht<br />

gewährleistet werden können. Ein reduziertes Luftverkehrsangebot<br />

sowie geringere Verbindungshäufigkeiten<br />

wären unausweichlich und die Folgen<br />

für die Exportfähigkeit und den Arbeitsmarkt in<br />

<strong>Deutschland</strong> gravierend. Damit ist der deutsche<br />

Luftverkehrsmarkt durch Verzerrungen im Wettbewerb<br />

um Umsteigepassagiere oder durch infrastrukturelle<br />

Defizite leichter verwundbar als seine<br />

Wettbewerber.<br />

1 Kategorisierung der DFS mit 17 internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>. An anderen Stellen in diesem Bericht werden u.a.<br />

die Kategorisierungen der ADV oder <strong>des</strong> DLR mit über 20 internationalen Flughäfen benutzt. Da nahezu alle im Folgenden<br />

analysierten Vernetzungseffekte durch die 17 nach DFS-Kategorisierung beschriebenen internationalen Flughäfen erfolgen,<br />

folgt dieser Teil <strong>des</strong> Berichtes aus pragmatischen Gründen der Kategorisierung der DFS.<br />

2 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe (1998), Creating Employment and Prosperity in Europe, Brüssel, S.2.


90<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Für den Erhalt der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Luftverkehrs-Wertschöpfungskette<br />

in <strong>Deutschland</strong> sind<br />

der langfristig ausgerichtete und stetige Ausbau<br />

der Luftverkehrsinfrastruktur am Boden und in der<br />

Luft, höchste Prozesseffizienzen sowie die aktive<br />

Weiterentwicklung <strong>des</strong> Verbun<strong>des</strong> unabdingbare<br />

Voraussetzungen. Das übergreifende Ziel muss<br />

die zukunftssichere Weiterentwicklung <strong>des</strong> hoch-<br />

2.1 Kriterien der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

Die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> bemisst sich vor allem an zwei<br />

Zielen:<br />

■ Die in <strong>Deutschland</strong> ansässigen Unternehmen<br />

der Luftverkehrswertschöpfungskette müssen<br />

dauerhaft wettbewerbsfähig sein können. Es<br />

wird aufgezeigt, dass die besondere Position<br />

<strong>des</strong> deutschen Luftverkehrs im internationalen<br />

Umsteigeverkehr einen besonders hohen<br />

Kosten- und Effizienzdruck mit sich bringt.<br />

Wettbewerbsfähige Faktorkosten müssen<br />

also niedriger sein als an anderen Luftverkehrsstandorten.<br />

■ Der Wirtschaftsstandort <strong>Deutschland</strong> muss<br />

sich auf ein hoch leistungsfähiges Luftverkehrssystem<br />

mit weltweiter Vernetzung verlassen<br />

können. Es wird analysiert, in welchem<br />

Maß die Verbundeffekte aller deutschen Flughäfen<br />

mit den beiden Drehscheiben in Frankfurt<br />

und München und den Netzarchitekturen<br />

der Airlines Voraussetzung dafür sind, dass<br />

die deutsche Wirtschaft global die herausragende<br />

Rolle spielen kann, die sie heute erreicht<br />

hat.<br />

Kein anderer Luftverkehrsmarkt in Europa ist so<br />

leistungsstark in seiner Vernetzung – und gleichzeitig<br />

so abhängig davon<br />

Anders als Paris oder London mit ihrem jeweils sehr<br />

starken Originäraufkommen an Luftverkehr kann<br />

in <strong>Deutschland</strong> kein Flughafen auf ein auch nur<br />

gradig synergetischen Verbundcharakters der internationalen<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> sowie der<br />

beiden Hubs in Frankfurt und München sein. Angesichts<br />

der dezentralen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />

in <strong>Deutschland</strong> ist dieser Systemverbund<br />

Erfolgsfaktor Nummer Eins für ein breites<br />

und dichtes Flugangebot aus der Fläche in die<br />

ganze Welt.<br />

2. Organisation Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> heute<br />

annähernd ähnlich großes Aufkommen lokaler<br />

Nachfrage nach Flugverbindungen setzen. Der<br />

deutsche Luftverkehr kann sich damit nicht vorrangig<br />

auf Nachfrage konzentrieren, die an einem<br />

Standort in <strong>Deutschland</strong> entsteht oder diesen zu<br />

seinem Ziel hat. Vielmehr verdankt der deutsche<br />

Luftverkehrsmarkt seine internationale Bedeutung<br />

der überlegenen Fähigkeit, ein logistisches Luftverkehrsnetzwerk<br />

anzubieten. So werden Umsteigeverkehre<br />

angezogen und effizient über die beiden<br />

deutschen Hubs Frankfurt und München verteilt.<br />

Abbildung 1 vergleicht das originäre, d.h. am Ort<br />

entstehende Passagieraufkommen an den wichtigen<br />

europäischen Hubs. Zugleich wird die Populationsgröße<br />

im Einzugsbereich dieser Flughäfen<br />

gezeigt. Der Unterschied ist bedeutsam: Das Originäraufkommen<br />

zeigt die tatsächliche Größe<br />

der Luftverkehrsnachfrage in dieser Region auf,<br />

also die effektive Marktgröße. Im Unterschied<br />

hierzu zeigt die Population <strong>des</strong> Einzugsgebietes<br />

(„Catchment-area“) das maximale Potenzial<br />

zukünftiger Marktentwicklung. Wichtig sind beide<br />

Kennzahlen. Die Betrachtung einzig <strong>des</strong><br />

Einzugsgebietes übersieht leicht, dass die Einzugsgebiete<br />

benachbarter Flughäfen mitunter stark<br />

überlappen. In der Folge rechnen sich oft mehrere<br />

Flughäfen das gleiche Einzugsgebiet zu. Andererseits<br />

verstellt eine Betrachtung nur der Größe <strong>des</strong><br />

aktuellen Originäraufkommens leicht den Blick auf<br />

Entwicklungspotenziale. [Abb. 1]<br />

Für die Beurteilung der Frage, inwiefern ein Standort<br />

auf Originärnachfrage setzen kann bzw. auf<br />

Umsteigeverkehre setzen muss, ist allerdings nicht


primär die Größe <strong>des</strong> Einzugsgebietes entscheidend,<br />

sondern die Zahl der regelmäßig fliegenden<br />

Geschäfts- und Privatreisenden in dieser Region.<br />

Im bevölkerungsmäßig außerordentlich starken<br />

Einzugsgebiet von Frankfurt ist, beispielsweise, die<br />

effektive Nachfrage nach Luftverkehrsverbindungen<br />

auf ein relativ kleines, aber zahlungskräftiges<br />

Segment der Bevölkerung beschränkt. Die Einzugsgebiete<br />

von Paris und insbesondere London sind<br />

kleiner als Frankfurt, repräsentieren aber eine<br />

erheblich flugreise-aktivere Bevölkerungs- bzw.<br />

Geschäftsstruktur.<br />

Um die Möglichkeiten und Grenzen einer auf<br />

Originärverkehr zielenden Strategie für den deutschen<br />

Luftverkehrsmarkt zu verstehen, ist also vor<br />

allem die Betrachtung der tatsächlichen Marktgröße,<br />

also <strong>des</strong> Umfangs der originär am Standort<br />

entstehenden Nachfrage, relevant. Hierbei ist zu<br />

berücksichtigen, dass die Originärnachfrage insgesamt<br />

in <strong>Deutschland</strong> durchaus sehr groß sein mag,<br />

dass sich diese Nachfrage aber auf im europäischen<br />

Vergleich sehr viele Wirtschafts- und Siedlungszen-<br />

Marktgröße Originäreinsteiger [in Mio.] Größe Einzugsgebiet [in Mio.]<br />

53,5 STN LGW LHR<br />

30,9<br />

ORY<br />

16,7<br />

14,2<br />

12,3<br />

10,1<br />

CDG<br />

6,5<br />

5,6<br />

London<br />

Paris<br />

Madrid<br />

Amsterdam<br />

Frankfurt<br />

München<br />

Zürich<br />

Wien<br />

Der deutsche Luftverkehrsmarkt<br />

muss vernetzte Angebote für<br />

Umsteigeverkehre entwickeln<br />

60 40 20 0 0 20 40 60<br />

Abb. 1: Größe der Lokalmärkte und der Einzugsgebiete der wichtigsten Hub-Standorte in Europa<br />

Die Werte für Originäreinsteiger beziehen sich auf 2006, die Werte für Einzugsgebiete auf 2005. Die Originäreinsteiger für<br />

Madrid beziehen sich auf 2007.<br />

7<br />

14<br />

20<br />

25<br />

25<br />

III. Schlussfolgerungen 91<br />

tren verteilt. Der Vergleich der Originärverkehrsstärke<br />

in Europa (Abbildung 1) zeigt, dass in der<br />

Folge an den Hub-Standorten in <strong>Deutschland</strong> nur<br />

vergleichsweise geringes Originäraufkommen<br />

vorherrscht. Der deutsche Luftverkehrsmarkt kann<br />

und darf strategisch also nicht auf lokal verdichtete<br />

Originärverkehre wie in Paris oder London setzen,<br />

sondern muss vernetzte Angebote für Umsteigeverkehre<br />

entwickeln.<br />

Eine solche Strategie hat zudem den Vorteil, dass<br />

dadurch sowohl eine Reihe innerdeutscher als auch<br />

internationaler Flugverbindungen überhaupt erst<br />

ökonomisch angeboten werden können. So kann ein<br />

hohes Maß internationaler Erreichbarkeit <strong>des</strong> deutschen<br />

Wirtschaftsraums und seiner Teilräume gewährleistet<br />

werden. Insofern ist die Stärke <strong>des</strong> Umsteigeverkehrs<br />

für <strong>Deutschland</strong> eine ganz wesentliche<br />

Quellen: Originäreinsteiger: ACI, airconomy; Einzugsgebiet: Aéroports de Paris (AdP). Die Größe <strong>des</strong> Einzugsgebietes von<br />

Madrid ist nicht bekannt. „Einzugsgebiet“ ist definiert als die Zahl der Bewohner in einem Radius von 200 km um den betreffenden<br />

Flughafen. Das Originäraufkommen ist der Betrag der p.a. am angegebenen Flughafen originär abfliegenden Passagiere.<br />

25<br />

35


92<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Voraussetzung dafür, die Angebotsvielfalt für die<br />

originär in <strong>Deutschland</strong> entstehende Nachfrage<br />

wirtschaftlich realisieren zu können. [Abb. 2]<br />

Das Segment der Originärnachfrage ist nur eines<br />

von zwei großen Verkehrssegmenten. Das zweite<br />

Segment bilden die umsteigenden Passagiere.<br />

Dieses Segment wird in seiner Bedeutung häufig<br />

unterschätzt. Die Bedeutung <strong>des</strong> Umsteigeverkehrs<br />

spiegelt sich aber z.B. in einer Rate von über 50%<br />

umsteigender Passagiere in Frankfurt wider. In<br />

Abbildung 2 werden <strong>des</strong>halb die Volumina der an<br />

den europäischen Hubs umsteigenden Passagiere<br />

miteinander verglichen. Während <strong>Deutschland</strong>, wie<br />

oben dargelegt, aufgrund der multizentrischen<br />

Wirtschaftsstruktur nur bedingt auf Originäraufkommen<br />

setzen kann, zeigt dieser Vergleich die<br />

hervorragende Marktposition <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems<br />

im nicht weniger wichtigen Segment<br />

der Umsteigeverkehre. Durch die hervorragende<br />

Vernetzung mit den anderen deutschen und<br />

mit europäischen Flughäfen transferiert kein anderer<br />

Hub in Europa mehr Umsteigepassagiere als<br />

Frankfurt, erst mit deutlichem Abstand gefolgt von<br />

London Heathrow. Der junge Hub München hat<br />

sich bereits auf einen sechsten Platz im europäischen<br />

Wettbewerb um Umsteigepassagiere vorgeschoben.<br />

Zusammen ziehen Frankfurt und München<br />

mehr Umsteigepassagiere an als Paris Charles<br />

de Gaulle und Amsterdam zusammen und 50%<br />

mehr als London Heathrow. In internationalen<br />

Passagierbefragungen rangiert München als einer<br />

der weltweit beliebtesten Umsteigeflughäfen und<br />

Frankfurt<br />

London Heathrow<br />

Paris Charles de Gaulle<br />

Amsterdam<br />

Madrid<br />

München<br />

Abb. 2: Umsteigende Passagiere an wichtigen europäischen Hubs 2006 (in Tsd.)<br />

Quellen: ACI (Werte für FRA, LHR, AMS, MUC), airconomy (Werte für MAD, CDG)<br />

0<br />

5.000<br />

wurde bereits zum vierten Mal in Folge zum besten<br />

Flughafen in Europa gewählt. 3 Die Stärke <strong>des</strong><br />

Standortes <strong>Deutschland</strong> im europäischen Vergleich<br />

der Umsteigeverkehre ist unerreicht.<br />

Umsteigende Passagiere entscheiden sich für oder<br />

gegen eine bestimmte Routenführung im Wesentlichen<br />

aufgrund von drei Kriterien: Produktangebot,<br />

Preis und Umsteigekomfort.<br />

■ Welcher Flugplan ist optimal hinsichtlich der<br />

angebotenen Destinationen, der Flugdichte,<br />

der Abflugtage, -zeiten und -frequenzen<br />

sowie erforderlicher Umsteigezeiten, etc?<br />

■ Welcher Reiseweg ist am billigsten?<br />

■ Welcher Reiseweg bietet den größten<br />

Umsteige-Komfort, also insbesondere schnelle<br />

und reibungslose Umsteigeabläufe, gute<br />

Lounges, ansprechen<strong>des</strong> Ambiente <strong>des</strong> Flughafens?<br />

Alle drei Dimensionen eines qualitativ hochwertigen<br />

Angebotes müssen zusammenkommen, um<br />

<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> zu erreichen bzw. abzusichern.<br />

Für Flughäfen und Fluggesellschaften als<br />

Anbieter ist dabei ökonomisch entscheidend, die<br />

fixen Kosten aus Infrastruktur und z.B. Flugzeugflotte<br />

durch einen möglichst attraktiven Flugplan<br />

auszugleichen, so dass dieser ohne Zugeständnisse<br />

an den Preis vom Markt aufgenommen wird. Die<br />

Nachfragesicht hat naturgemäß ein Interesse,<br />

zwischen möglichst attraktiven Flugplänen zu möglichst<br />

niedrigen Preisen auswählen zu können. Für<br />

10.400<br />

18.295<br />

17.604<br />

16.473<br />

23.570<br />

10.000 15.000 20.000<br />

27.783<br />

25.000<br />

30.000


die multizentrische und weltweit vernetzte deutsche<br />

Exportwirtschaft besteht aber keine Alternative<br />

zu einem insgesamt erstklassigen Angebot an<br />

dichten Flugverbindungen in die ganze Welt. Die<br />

Infrastrukturpolitik hat einen erheblichen Einfluss<br />

auf die mögliche Vielzahl und Vielfalt von Flugverbindungen<br />

wie auch auf regulative Einschränkungen,<br />

diese zu nutzen. Dies ist vor allem begründet<br />

in der Verantwortung der Infrastrukturpolitik für<br />

Kapazität und Kapazitätsentwicklungen bei Flughäfen<br />

und der Flugsicherung.<br />

Auf die Preisbildung hat Luftverkehrspolitik innerhalb<br />

der EU keinen Einfluss, dort ist die Preissetzung<br />

liberalisiert. Außerhalb der EU gelten bilaterale<br />

Vereinbarungen zwischen Staaten, die nach<br />

teilweise sehr komplizierten Verfahren die möglichen<br />

Preise regeln. Open-Skies-Abkommen sind wichtige,<br />

aber nur vereinzelte Schritte in die richtige<br />

Richtung. Immerhin: Der Luftverkehr zwischen der<br />

EU und den USA ist hinsichtlich Preisbildung und<br />

Angebotsmenge bereits umfassend liberalisiert.<br />

Preisgestaltung bleibt in einem liberalisierten Markt<br />

eine unternehmerische Kernaufgabe und sollte nur<br />

dann Gegenstand luftverkehrspolitischer Überlegungen<br />

sein, wenn es um die ordnungspolitische<br />

Sicherung der Chancengleichheit insgesamt und<br />

die gebotene Entwicklung von Wettbewerb auf<br />

jeder Stufe entlang der Wertschöpfungskette geht.<br />

Es darf aber nicht übersehen werden, dass die<br />

regulierten Kostenbestandteile, also insbesondere<br />

Luftsicherheitsgebühren, Flughafenentgelte oder<br />

Flugsicherungsgebühren mögliche Preisspielräume<br />

für deutsche Marktteilnehmer stärker begrenzen,<br />

als dies vor allem bei außereuropäischen Wettbewerbern<br />

der Fall ist. 4 Dies ist immer dann ein Wettbewerbsnachteil<br />

<strong>des</strong> Standortes <strong>Deutschland</strong>, wenn<br />

deutsche Luftverkehrsunternehmen im direkten<br />

Wettbewerb stehen mit Unternehmen aus weniger<br />

regulierten Standorten, an denen die standortspezifischen<br />

Kosten für den Luftverkehr vielfach durch<br />

günstigere Lohnkosten, Steuern und Abgaben<br />

deutlich unter dem Niveau in <strong>Deutschland</strong> liegen.<br />

Diesbezüglich sei auch auf die entsprechende<br />

Diskussion im Teil II.2.6 „Ordnungspolitische und<br />

gesetzliche Rahmenbedingungen“ verwiesen.<br />

Gleiches gilt für die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der<br />

3 Skytrax 2004, 2005, 2006, 2007.<br />

4 Siehe Kapitel II.2.5 Ordnungspolitische und gesetzliche Rahmenbedingungen.<br />

III. Schlussfolgerungen 93<br />

Aspekte <strong>des</strong> Umsteige-Komforts einer Reise: Hier<br />

greifen rechtlich vorgegebene Sicherheitsprozeduren<br />

zum Teil sehr tief in alle möglichen Passagierprozesse<br />

ein. Es bleibt unternehmerische Verantwortung,<br />

Passagierprozesse wettbewerbsfähig zu<br />

gestalten. Es bleibt politische Verantwortung, die<br />

Rahmenbedingungen hierzu frei von Diskriminierungen<br />

oder Wettbewerbsbeschränkungen zu halten.<br />

Deutsche Luftverkehrsunternehmen sind<br />

insgesamt in allen drei Dimensionen – Produktangebot,<br />

Preis, Umsteigekomfort – wettbewerbsfähig<br />

aufgestellt. Deutsche Fluggesellschaften gelten als<br />

besonders zuverlässig, die Deutsche Flugsicherung<br />

gilt als einer der sichersten Anbieter der Welt. Die<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> sind ausgesprochen gut<br />

miteinander vernetzt. München gilt als einer der<br />

beliebtesten, und Frankfurt als einer der größten<br />

Umsteigeflughäfen weltweit. Düsseldorf und sein<br />

Einzugsgebiet tief in das Ruhrgebiet hinein ist ein<br />

positives Beispiel dafür, wie die Nachfrage auch für<br />

einzelne Langstrecken außerhalb der großen Hubs<br />

entstehen und sich entwickeln kann. Andere deutsche<br />

Verkehrsflughäfen bedienen die Nachfrage<br />

der Passagiere bedarfsgerecht über Direktflüge<br />

oder Verbindungen über die großen Drehkreuze.<br />

Wegen der herausragenden Relevanz der infrastrukturellen<br />

Rahmenbedingungen im globalen<br />

Wettbewerb um umsteigende Passagiere steht<br />

dieser Aspekt in diesem Bericht im Vordergrund.<br />

Eine dichte und weltweite Vernetzung <strong>des</strong> Flugangebotes<br />

ist für die deutsche Wirtschaft insgesamt<br />

strukturell unverzichtbar. Wegen der großen<br />

Bedeutung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen<br />

für eine solche Vernetzung wird im Folgenden<br />

die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> vor allem anhand der<br />

stabilen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> Flugangebotes<br />

überprüft.<br />

Stärke im Wettbewerb um umsteigende Passagiere<br />

erfordert große Drehkreuze. Die Flugpläne an diesen<br />

Hubs werden dabei so gestaltet, dass die ankommenden<br />

und abfliegenden Flugsegmente wichtiger<br />

Umsteigeverbindungen zeitlich nah beieinander<br />

liegen. Ein einzelner Langstreckenflug wird z.B. in<br />

Frankfurt auf diese Weise von bis zu 75 Zubringer-


94<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

outbound<br />

inbound<br />

0<br />

Abb. 3: Flugplanprofile der Flughäfen Frankfurt (links) und München (rechts)<br />

Jeder Flug wird durch ein kleines Quadrat dargestellt. Die Farbe <strong>des</strong> Quadrates zeigt die Richtung <strong>des</strong> betreffenden Fluges an<br />

(rot=Osten, gelb=Süden, grün=Westen, blau=Norden). Abflüge sind oberhalb der durchgehenden horizontalen Linie<br />

dargestellt, Ankünfte entsprechend unterhalb. Die horizontale Linie zeigt den Tagesverlauf von Mitternacht bis Mitternacht<br />

an, wobei jeder vertikale Strich eine volle Stunde markiert.<br />

Quelle: airconomy, OAG 2007<br />

6 12 18 23 0 6 12 18 23<br />

flügen 5 „gefüttert“, die gleichzeitig natürlich Passagiere<br />

mit Reiseziel Frankfurt befördern. [Abb. 3]<br />

Abbildung 3 zeigt die Flugplanprofile für Frankfurt<br />

und München. Insbesondere am Beispiel München<br />

wird dabei deutlich, wie konsequent diese Hubs auf<br />

optimale Verbindungen (Konnektivität) für Umsteigepassagiere<br />

getrimmt sind. Ohne die Möglichkeit,<br />

Passagiere und Gepäck schnell durch alle Sicherheitskontrollen,<br />

durch alle operativen Prozeduren<br />

<strong>des</strong> Weges vom Ankunfts- zum Abflug-Gate zu<br />

schleusen, könnten keine effizienten Hub-Strukturen<br />

aufgebaut werden.<br />

Tageszeit Tageszeit<br />

outbound<br />

inbound<br />

Im europäischen Querschnitt zeigt sich (Abbildung<br />

4), dass die beiden deutschen Hubs Frankfurt und<br />

München zwar eine sehr große Zahl wettbewerbsfähiger<br />

Umsteigeverbindungen 6 anbieten können,<br />

aber z.B. deutlich hinter Paris Charles de Gaulle<br />

liegen. 7 Paris Charles de Gaulle nutzt also die sehr<br />

komfortable Kombination von sehr großer Originärnachfrage,<br />

großer Kapazität (mit 4 Bahnen<br />

weist Paris Charles de Gaulle deutlich mehr Kapazität<br />

auf als Frankfurt oder München) und europäischer<br />

Spitzenposition in Konnektivität (= Umsteigepassagiere)<br />

dafür, aus der Gesamtnachfrage die<br />

jeweils profitabelsten Passagiere herauszusuchen.<br />

5 Beispiel: LH 502 Frankfurt–Sao Paulo wird täglich von 74 nach Standard-Kriterien wettbewerbsfähigen LH-Zubringerflügen<br />

bedient. Tatsächlich (Quelle: IATA Buchungsdaten) nehmen viele Passagiere für diesen Flug aber auch längere Umsteigezeiten in<br />

Frankfurt in Kauf und bilden so noch einmal deutlich mehr tatsächlich gebuchte Verbindungen (bis zu 100). Ähnliche Zahlen<br />

ergeben sich beispielsweise auch für die Abendflüge nach Singapur oder Johannesburg.<br />

6 Eine Verbindung ist dann wettbewerbsfähig, wenn sie a) nach der Min<strong>des</strong>tumsteigezeit (MCT) und innerhalb eines nach Short-,<br />

Medium- und Longhaul differenzierten Zeitfensters liegt, und b) wenn es im gleichen Zeitraum keine schnellere Verbindung gibt.<br />

7 Es wurden nur operative Verbindungen innerhalb <strong>des</strong> Netzes einer Fluggesellschaft (online) und keine Marketing-Verbindungen<br />

(co<strong>des</strong>hares) ausgewählt, weil die absolute Anzahl der (kapazitätsgewichteten) Verbindungen innerhalb <strong>des</strong> Netzes einer<br />

Fluggesellschaft auf den europäischen Flughäfen mit einem r 2 von 0.94 die statistisch höchste Erklärungskraft für die empirischen<br />

Umsteigezahlen europäischer Flughäfen (ACI 2006) aufweist.<br />

8 Dies macht Sinn angesichts der Arbeitsteilung mit dem benachbarten Hub Amsterdam: Paris Charles de Gaulle konzentriert sich<br />

auf höherwertige Umsteigeverkehre, Amsterdam eher auf niedrigpreisige (aber nicht nur) Umsteigeverkehre.


Mit anderen Worten: Paris Charles de Gaulle<br />

schöpft sein Potenzial an Umsteigepassagieren<br />

noch nicht voll aus, sondern konzentriert sich auf<br />

hochwertige Verkehre. 8 In Abbildung 4 wird<br />

gezeigt, dass München zwar mehr Umsteigeverbindungen<br />

anbietet als Frankfurt. Allerdings werden<br />

für diese Verbindungen in München typischerweise<br />

deutlich kleinere Flugzeuge eingesetzt als in<br />

Frankfurt und diese sind fokussiert auf europäische<br />

Umsteigeverkehre. Hinzu kommt, dass aus München<br />

heraus auch nicht so viele Langstreckenziele<br />

angeboten werden wie aus Frankfurt. Frankfurt<br />

bleibt der primäre Langstrecken-Hub in <strong>Deutschland</strong>.<br />

Dort, wo aus München Langstrecken angeboten<br />

werden, kommen typischerweise eher kleinere<br />

Langstrecken-Flugzeuge zum Einsatz.<br />

Insgesamt arbeitet München folglich mit einer<br />

kleinteiligeren Zu- und auch Abbringerstruktur als<br />

Frankfurt. [Abb. 4]<br />

Ohne diese herausragende Stärke in der Vernetzung<br />

mit anderen Flughäfen und damit der Anziehung<br />

und Bedienung umsteigender Passagiere<br />

könnte in <strong>Deutschland</strong> kein Hub existieren. Die<br />

enorme Breite <strong>des</strong> Flugangebotes, die durch die<br />

Konzentration von Umsteigeverbindungen auf die<br />

Hubs in Frankfurt und München erzeugt wird,<br />

kommt dabei vor allem den dezentralen Flughäfen<br />

in <strong>Deutschland</strong> zugute. Es sind vor allem die vielen<br />

dezentralen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>, die sich<br />

durch ihre Vernetzung mit den beiden Hubs Frank-<br />

Paris Charles de Gaulle<br />

München<br />

Frankfurt<br />

Amsterdam<br />

Madrid<br />

London Heathrow<br />

Dubai<br />

0<br />

4<br />

III. Schlussfolgerungen 95<br />

furt und München eine optimale Vernetzung mit<br />

nahezu allen Metropolen und Wirtschaftszentren<br />

der ganzen Welt erschließen und sichern.<br />

Weiter unten wird durch eine umfangreiche Simulation<br />

belegt, dass ohne die Bündelungsfunktion<br />

der Hubs die vielen Wirtschafts- und Siedlungszentren<br />

in <strong>Deutschland</strong> nur sehr eingeschränkt Anschluss<br />

an die Zentren und Wachstumsmotoren<br />

dieser Welt erhalten könnten. Die sehr hohe Konnektivität<br />

an den Hubs erfüllt also eine doppelte<br />

Funktion: Sie sichert die Zukunftsfähigkeit der<br />

Hub-Standorte und sie ist unabdingbare Voraussetzung<br />

zur globalen Vernetzung der dezentralen<br />

deutschen Flughäfen.<br />

Ökonomisch hat diese Stärke für die Marktteilnehmer<br />

am deutschen Luftverkehrsmarkt wichtige<br />

Konsequenzen:<br />

■ Die Zahlungsbereitschaft umsteigender<br />

Passagiere ist typischerweise geringer als<br />

diejenige von originären Passagieren. Die<br />

Effizienz von Umsteigesystemen muss also<br />

deutlich besser sein als diejenige von vorrangig<br />

auf Originäraufkommen konzentrierten<br />

Systemen. Lediglich gleiche Kosteneffizienz<br />

wäre nicht wettbewerbsfähig. Angesichts<br />

der hohen Abhängigkeit vom Umsteigeverkehr<br />

ist die gesamte deutsche Luftverkehrs-<br />

Wertschöpfungskette <strong>des</strong>halb einem beson-<br />

20 30 40<br />

Abb. 4: Wettbewerbsfähige Umsteigeverbindungen pro Woche (in Tsd.) an wichtigen europäischen Hubs<br />

Quelle: OAG, airconomy; Stand: Sommer 2007<br />

10<br />

18<br />

20<br />

28<br />

34<br />

39<br />

50<br />

50


96<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

ders hohen Kosten- und Effizienzdruck<br />

ausgesetzt.<br />

■ Der Wettbewerb um Umsteigepassagiere ist<br />

größer als derjenige um Originäraufkommen,<br />

da auf nahezu allen Umsteigemärkten die<br />

Wahl zwischen mehreren Umsteigemöglichkeiten<br />

besteht. Für den Flug von Hamburg<br />

nach Istanbul gibt es beispielsweise insgesamt<br />

9 qualifizierte Reisewege.<br />

2.2 Effizienz <strong>des</strong> Gesamtsystems<br />

Diese Leistungsstärke beruht auf einem effizienten<br />

Gesamtsystem mit sehr hohen Synergien<br />

zwischen den Flughäfen und den beiden Hubs<br />

in <strong>Deutschland</strong><br />

Die heutige Stärke <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems<br />

im internationalen Wettbewerb um Umsteigeverkehre<br />

hängt vor allem von vier Faktoren ab:<br />

■ Einem exzellenten Zusammenspiel zwischen<br />

den beiden deutschen Hubs und den anderen<br />

internationalen Flughäfen in den vielen Wirtschaftsregionen<br />

<strong>Deutschland</strong>s, zusammen mit<br />

den Netzarchitekturen der in <strong>Deutschland</strong><br />

ansässigen Linien-, Ferien- und Low-Cost-<br />

Fluggesellschaften;<br />

■ Einer intensiven Vernetzung der deutschen<br />

Flughäfen und Fluggesellschaften mit anderen<br />

Flughäfen und Fluggesellschaften in<br />

Europa und dem Rest der Welt;<br />

■ Höchster Effizienz aller Prozesse, die von<br />

umsteigenden Passagieren und ihrem Gepäck<br />

sowie den an Umsteigeverbindungen beteiligten<br />

Flugzeugen (Priorisierung der Anflugreihenfolge,<br />

Gatebelegung etc.) durchlaufen<br />

werden;<br />

■ Wettbewerbsfähigen Preisen.<br />

Bewertung der Synergien aus dem Zusammenspiel<br />

der deutschen Hubs und der internationalen Flughäfen:<br />

Eine korrekte Einschätzung der Synergieeffekte aus<br />

dem Verbund der internationalen Flughäfen in<br />

<strong>Deutschland</strong> mit den beiden Hubs in Frankfurt und<br />

München ist von erheblicher Bedeutung, um in<br />

der weiteren Entwicklung und Stärkung dieses Verbundsystems<br />

die richtigen Schwerpunkte setzen zu<br />

können, Fehlallokation von Mitteln zu vermeiden<br />

und um die Folgewirkungen möglicher Gefährdungen<br />

der Synergie-Effekte frühzeitig und realistisch<br />

einschätzen zu können.<br />

Die internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />

bedienen heute schon aus sehr vernünftigen Gründen<br />

andere europäische Hubs. Auch beispielsweise<br />

Lufthansa fliegt „Punkt-zu-Punkt“ von z.B. Hamburg<br />

nach London oder Paris. Und selbstverständlich<br />

gibt es eine Vielzahl sehr wohl begründeter<br />

Nonstop-Verbindungen, sowohl innerdeutsch als<br />

auch zwischen deutschen und anderen europäischen<br />

Flughäfen. Tatsächlich versucht z.B. Air<br />

France in Paris Charles de Gaulle, Umsteigeverbindungen<br />

zwischen Kurzstrecken zu verhindern,<br />

indem für derartige Verbindungen die Min<strong>des</strong>t-<br />

Umsteigezeiten flugplantechnisch unterschritten<br />

werden und fördert auf diese Weise dezentrale<br />

Flüge „an Paris Charles de Gaulle vorbei“. Damit<br />

will Air France vermeiden, dass ökonomisch grenzwertige<br />

und auch ökologisch angreifbare Kurzstrecken-Umsteigeverbindungen<br />

hochwertige Slots<br />

blockieren. Hinzu kommt, dass der Flughafen<br />

Charles de Gaulle intermodal v.a. auch mit dem<br />

Hochgeschwindigkeitszug TGV sehr gut angebunden<br />

ist und so für Kurzstreckenverbindungen<br />

zunehmend attraktive Alternativen für die Reisenden<br />

bestehen. Die Frage nach den Verbundsynergien<br />

zwischen den internationalen Flughäfen in<br />

<strong>Deutschland</strong> und Frankfurt bzw. München untersucht<br />

also die optimale Balance zwischen nachfrage-<br />

und wettbewerbsgerechten dezentralen Flügen<br />

einerseits und den ebenso begründeten Verbindungen<br />

über die beiden deutschen Hubs andererseits.<br />

Es soll weder das eine noch das andere in Frage<br />

gestellt, sondern vielmehr der allseitige Nutzen und<br />

die optimale Lage der Balance festgestellt werden.<br />

Wie groß sind die Synergieeffekte aus dem Verbund<br />

der internationalen Flughäfen und der Hubs<br />

in Frankfurt und München? Wie groß ist der Nutzen<br />

für die dezentralen Flughäfen und die beiden<br />

Hubs in <strong>Deutschland</strong>? Wie viele Verbindungen von<br />

den internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />

können nur durch die beiden Hubs, aber nicht,<br />

beispielsweise, durch andere europäische Hubs<br />

dargestellt werden? Die Methode der Wahl zur<br />

Beantwortung dieser Frage besteht in einer Simulation<br />

eines Szenarios, in welchem all diejenigen<br />

Flüge, die heute aus den internationalen Flughäfen


in <strong>Deutschland</strong> nach Frankfurt oder München<br />

fliegen, in einem konstruierten Szenario statt<strong>des</strong>sen<br />

direkt nach London Heathrow, Amsterdam, Paris<br />

Charles de Gaulle oder Dubai fliegen und dort<br />

Umsteigeverbindungen in die Welt aufbauen. 9 Wie<br />

viele Umsteigeverbindungen bleiben für die Flughäfen<br />

in der deutschen Fläche bestehen? Wie viele<br />

entstehen zusätzlich an den Alternativ-Hubs? Wie<br />

viele gingen verloren? Was würde ein solches<br />

Szenario im Ergebnis für die Zukunftsfähigkeit der<br />

beiden deutschen Hubs bedeuten?<br />

Die deutschen Flughäfen und Fluggesellschaften<br />

sind selbstverständlich nicht nur untereinander<br />

intensiv vernetzt, sondern min<strong>des</strong>tens genauso mit<br />

Flughäfen anderswo in Europa. Für das Netz z.B.<br />

der Lufthansa ist solch eine europa- und sogar<br />

weltweite Vernetzung ohne Alternative. Wenn in<br />

diesem Bericht aber die Synergieeffekte der deutschen<br />

Flughäfen als Verbundsystem im Vordergrund<br />

stehen und als solches Verbundsystem für<br />

die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> bewertet werden, dann stellt<br />

dies keine Schmälerung der Bedeutung der Vernetzungseffekte<br />

deutscher Marktteilnehmer in Europa<br />

oder dem Rest der Welt dar, sondern resultiert<br />

allein aus dem Untersuchungsgegenstand dieses<br />

Berichtes.<br />

In einem Computermodell wurden <strong>des</strong>halb alle<br />

insgesamt 3.304 wöchentlichen Flüge 10 aller internationalen<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> nach Frankfurt<br />

und München Schritt für Schritt von Frankfurt<br />

und München abgekoppelt und statt<strong>des</strong>sen nach<br />

London Heathrow, Amsterdam, Paris Charles de<br />

Gaulle oder Dubai umgeleitet. 11 Auf diese Weise<br />

konnten die Auswirkungen dieser Verkehrs-<br />

Umsteuerung sowohl für die internationalen Flughäfen<br />

in <strong>Deutschland</strong>, für Frankfurt und München,<br />

und schließlich auch für London Heathrow,<br />

Amsterdam, Paris Charles de Gaulle und Dubai<br />

quantitativ bewertet werden (Es wurde nicht unter-<br />

sucht, ob und in welchem Maß die geschilderten<br />

„Umleitungen“ durch zeitlich nachgelagerte Reaktionen<br />

anderer Verkehrsträger (Bahn, Flughäfen<br />

oder Fluggesellschaften) die gezeigten Effekte<br />

möglicherweise noch verstärkt oder auch gemildert<br />

werden könnten.). Die Methodik der Simulation<br />

wird im Kasten auf Seite 105 genauer dargestellt.<br />

Die Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> hängen unaustauschbar<br />

mit einem Viertel ihres Angebotes an<br />

den Hubs in Frankfurt und München. Diese hängen<br />

mit drei Vierteln ihres Angebotes an der<br />

Zuführung von Flügen und somit Passagieren<br />

durch die anderen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>.<br />

Die Ergebnisse der Simulation zeigen:<br />

III. Schlussfolgerungen 97<br />

■ Rund drei Viertel (76%) aller Umsteigeverbindungen,<br />

die heute aus den untersuchten<br />

internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />

über Frankfurt oder München angeboten<br />

werden, blieben auch dann erhalten, wenn<br />

diese statt<strong>des</strong>sen Alternativ-Hubs benutzen<br />

würden. Diese Verbindungen sind nicht<br />

abhängig von Frankfurt oder München und<br />

können ohne Einbußen an Verbindungsgüte<br />

oder -vielfalt substituiert werden. Allerdings<br />

könnten für rund ein Viertel aller heute angebotenen<br />

und nachgefragten Verbindungen<br />

aus den untersuchten internationalen Flughäfen<br />

in <strong>Deutschland</strong> keine gleichwertigen<br />

Verbindungen über die genannten Alternativ-<br />

Hubs generiert werden und könnten somit<br />

nicht mehr angeboten werden.<br />

■ Ohne die vielen Flüge aus den internationalen<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> (die in der Simulation<br />

zu den Alternativ-Hubs umgeleitet wurden)<br />

würden die beiden Hubs in Frankfurt<br />

und München allerdings um die Hälfte<br />

(optimistische Annahmen 12 ) bis zu drei Viertel<br />

(realistische Annahmen) <strong>des</strong> Ausgangswertes<br />

implodieren.<br />

9 Ein solches Szenario ist weder realistisch noch empfehlenswert. Es wird hier lediglich als Maßstab benutzt, um die Stärke <strong>des</strong><br />

bestehenden Verbundsystems im Sinne von Opportunitätskosten gegenüber einem Szenario ohne diesen Verbundcharakter<br />

bemessen zu können.<br />

10 Basis: OAG Flugplan für die Woche vom 17. bis 23.09.2007.<br />

11 Um den Netto-Effekt umfangreicher Flugplanänderungen zu analysieren, müssen alle anderen Rahmenbedingungen im Laufe<br />

der Simulation konstant gehalten werden. Es darf also insbesondere nicht unterstellt werden, dass zusätzlich zu den umgesteuerten<br />

Flügen auch Ticketpreise geändert werden oder sich die Nachfrage nach bestimmten Verbindungen verändert.


98<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

■ Die begünstigten Wettbewerberflughäfen<br />

London Heathrow, Amsterdam, Paris Charles<br />

de Gaulle und Dubai könnten, bereichert<br />

um eine Vielzahl von Zubringerflügen aus<br />

<strong>Deutschland</strong>, eine erhebliche Ausweitung<br />

ihres Verbindungsportfolios erwarten. 13<br />

Im Kern belegt diese Simulation das hoch synergetische<br />

Wechselspiel zwischen den beiden deutschen<br />

Hubs, den dezentralen Flughäfen und den<br />

Fluggesellschaften in <strong>Deutschland</strong>. Die Ergebnisse<br />

zeigen insbesondere den Nutzen, den die beiden<br />

Hubs Frankfurt und München zur Sicherstellung<br />

eines zukunftsfähigen und nachfragegerechten<br />

Flugangebotes aus den dezentralen internationalen<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> darstellen. Die<br />

polyzentrische Wirtschafts- und Siedlungsstruktur<br />

in <strong>Deutschland</strong> erfordert große und zentrale<br />

Luftverkehrsdrehkreuze, um den Privat- und<br />

Geschäftsreisenden aus der gesamten deutschen<br />

Fläche ein zukunftsfähiges Luftverkehrsangebot<br />

in der erforderlichen Dichte und Breite anbieten<br />

zu können.<br />

Der Mehrwert dieses Verbundsystems für die<br />

Angebotsdichte und -vielfalt an allen deutschen<br />

Flughäfen, auch und insbesondere an den kleinen<br />

Flughäfen, kann kaum unterschätzt werden. Die<br />

Simulationsergebnisse zeigen sehr klar: Die beiden<br />

deutschen Hubs stellen den idealen Hebel dar, um<br />

für alle Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> eine nachfragegerechte<br />

Zahl von Verbindungen in alle Welt<br />

sicherzustellen. Diese Funktion kann, so zeigen<br />

die Simulationsergebnisse außerdem, nicht durch<br />

andere Drehkreuze außerhalb <strong>Deutschland</strong>s<br />

ersetzt werden. Für Fluggäste aus <strong>Deutschland</strong><br />

gibt es zu dem Verbundsystem der beiden Hubs<br />

und dezentralen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> keine<br />

zukunftsfähige Alternative. Weder können Frank-<br />

furt oder München ersetzt werden durch andere,<br />

nur scheinbar alternative Umsteigeflughäfen,<br />

noch können die beiden deutschen Hubs auf die<br />

Zufütterung von Verkehrsaufkommen durch die<br />

anderen internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong><br />

verzichten.<br />

Die Synergien <strong>des</strong> Verbundsystems der Flughäfen<br />

und Hubs in <strong>Deutschland</strong> sichern Arbeitsplätze<br />

Durch direkte, indirekte, induzierte und katalytische<br />

Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs entstehen eine<br />

große Zahl von Arbeitsplätzen, sowohl bei Luftverkehrsunternehmen<br />

selbst als auch bei den<br />

Unternehmen, die auf Luftverkehr angewiesen<br />

sind. Dieser enge Zusammenhang gilt für die<br />

internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> wie<br />

auch für die beiden Hubs. Die Größenordnung<br />

dieses Arbeitsplatzeffektes kann abgeschätzt werden,<br />

wenn man sich beispielsweise vor Augen<br />

hält, dass der Ausbau <strong>des</strong> Frankfurter Flughafens<br />

etwa 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze insgesamt<br />

erwarten lässt. 14<br />

Die herausragende Bedeutung eines starken Luftverkehrs<br />

für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung<br />

ist wissenschaftlich gut untersucht, fundiert und<br />

vielfach beschrieben. Die wichtigsten Ergebnisse:<br />

■ Weltweit werden pro 1Mio. abgefertigte<br />

Passagiere im Schnitt fast 950 Mitarbeiter<br />

direkt beschäftigt. 15<br />

■ Durch indirekte und induzierte Effekte werden<br />

pro 1Mio. abgefertigte Passagiere im Schnitt<br />

rund 2Tsd. weitere Arbeitsplätze geschaffen. 16<br />

■ Aus den katalytischen Wirkungen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

resultieren zusätzlich Beschäftigungseffekte,<br />

die sich umgerechnet auf<br />

ca. 1.800 Beschäftigte pro 1Mio. Passagiere<br />

12 Optimistische Annahme: Die Flüge aus Frankfurt oder München hinaus können aufrecht erhalten werden, auch wenn die<br />

Zubringerflüge aus internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> nicht mehr zufüttern. Realistische Annahme: Flüge aus Frankfurt<br />

oder München hinaus müssen dann gestrichen werden, wenn die Zufütterung umsteigender Passagiere durch umgesteuerte<br />

Flüge aus den internationalen Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> Min<strong>des</strong>tschwellenwerte unterschreitet.<br />

13 Zu realisieren wäre diese Ausweitung an den Wettbewerberhubs allerdings nur unter der Annahme entweder infrastruktureller<br />

Ausweitungen, <strong>des</strong> Einsatzes größerer Flugzeuge oder einer Kombination beider Hebel, die oftmals an politischen bzw. physiogeographischen<br />

Randbedingungen scheitern würden.<br />

14 Quelle: http://www.ausbau.fraport.de/cms/default/rubrik/5/5828.arbeitsplaetze.htm.<br />

15 Vgl. Airport Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004): The social and economic impact of airports in Europe,<br />

Brüssel, S.8.


eziffern lassen. 17 Der Weltluftverkehrsverband<br />

IATA hat in diesem Zusammenhang<br />

festgestellt, dass für die untersuchten europäischen<br />

Flughäfen ein 10%-iger Anstieg der<br />

Konnektivität an einem Hub das BIP <strong>des</strong><br />

entsprechenden Standortes langfristig um<br />

1,1% anheben kann. 18<br />

Dieser Hinweis auf die beschäftigungspolitische<br />

Hebelwirkung <strong>des</strong> Luftverkehrs ist vor dem Hintergrund<br />

der aufgezeigten Synergieeffekte <strong>des</strong><br />

Verbundsystems <strong>des</strong>halb von erheblichem Belang,<br />

da sich jede Schwächung der Verbundsynergien<br />

spürbar auf die Beschäftigungslage auswirken<br />

dürfte. Auch wenn der beschäftigungspolitische<br />

Effekt der Verbundsynergien nicht exakt zu beziffern<br />

ist, kann an den negativen Folgen für die<br />

Arbeitsplätze in Luftverkehrsunternehmen wie<br />

auch in Unternehmen, die auf einen leistungsstarken<br />

Luftverkehr angewiesen sind, kein Zweifel<br />

bestehen:<br />

Eine Verwässerung der Verbundeffekte hätte nicht<br />

nur unmittelbare Konsequenzen für Passagiere und<br />

die betroffenen Flughäfen. Die deutsche Exportwirtschaft<br />

hängt elementar an der Leistungsfähigkeit<br />

eines weltweit und dicht geknüpften Flugnetzes,<br />

sowohl für Passage als auch für Fracht. Jede<br />

Verschlechterung dieser Vernetzung schwächt nicht<br />

nur den deutschen Luftverkehr, sondern schlägt<br />

ungebremst auf die logistische Vernetzung und<br />

Vernetzbarkeit der international ausgerichteten<br />

deutschen Wirtschaft insgesamt durch.<br />

Eine hinreichende Luftverkehrsanbindung als<br />

Standortfaktor für Investitions- und Standortentscheidungen<br />

international ausgerichteter Unternehmen<br />

spielt eine zentrale Rolle hinsichtlich der<br />

zukünftigen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der deutschen<br />

Volkswirtschaft. Im internationalen Wettbewerb<br />

der Regionen wird die effiziente Nutzung der<br />

III. Schlussfolgerungen 99<br />

regionalen Ressourcen von entscheidender Bedeutung<br />

sein. So könnte eine unzureichende Luftverkehrsanbindung<br />

<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume<br />

zukünftig zum limitierenden Faktor der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume<br />

werden. Mit entsprechend negativen Konsequenzen<br />

wäre zu rechnen. Zu einer vertieften Darstellung<br />

der volkswirtschaftlichen Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

in <strong>Deutschland</strong> sei auf das entsprechende<br />

Kapitel III.3 verwiesen.<br />

Ein Aspekt verdient besondere Beachtung: Der Verfall<br />

der Angebotsbreite an den Hubs ist sehr viel<br />

stärker ausgeprägt als an den anderen internationalen<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>. Die Ursachen<br />

hierzu als auch die Folgen erfordern eine eingehende<br />

Erörterung:<br />

Die Folgen:<br />

Ein einmal eingetretener Verfall der Angebotsbreite<br />

als Folge einer Umsteuerung der Verkehre an den<br />

beiden deutschen Hubs vorbei wird sehr schnell<br />

irreversibel, da sich ein scheinbar begrenzter Schaden<br />

für eine punktuelle originäre Nachfrage an<br />

den Hubs sehr viel schneller und sehr viel stärker<br />

bemerkbar macht. 19 Die Konsequenzen für die<br />

Leistungsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft<br />

und die stabile Sicherheit der vom Luftverkehr<br />

direkt oder indirekt abhängigen Arbeitsplätze<br />

wären evident.<br />

Die Ursachen:<br />

Zwei Effekte sind zu unterscheiden: Für die Erosion<br />

der Angebotsbreite an den dezentralen Flughäfen<br />

sind schlichtweg die zunehmenden Umwege und<br />

damit Verlust der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> vieler<br />

Verbindungen verantwortlich. Für den vergleichsweise<br />

deutlicheren Verfall der Angebotsbreite an<br />

den Hubs sind komplizierte, aber in ihrer Wirkung<br />

sehr starke Hebelwirkungen der miteinander verknüpften<br />

Flüge an Hubs verantwortlich.<br />

16 Vgl. Airport Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.9.<br />

17 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe (1998), a.a.O., S.2.<br />

18 International Air Transport Association (IATA) (2006): Airline Network Benefits – Measuring the additional benefits generated by<br />

airline networks for economic development. IATA Economics Briefing No.3.<br />

19 Es sei an dieser Stelle betont, dass verlorene Marktanteile an den Hubs zwar durch Kampfpreise teilweise ausgeglichen werden<br />

können. Diesen Effekt zu simulieren würde aber bedeuten, nicht mehr Synergien in Form von Verbundeffekten zu untersuchen,<br />

sondern die Folgen von Preiskriegen. Dies ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. In dieser Untersuchung müssen Kapazitäts-<br />

und Preiseffekte strikt auseinandergehalten werden.


100<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Im Einzelnen:<br />

Die Passagiere an den dezentralen Flughäfen<br />

verlieren Angebotsbreite, weil sie<br />

größere Umwege und damit Reisezeiten<br />

in Kauf nehmen müssen, wenn sie auf<br />

Frankfurt oder München als Drehkreuz<br />

verzichten müssen. Vor allem Frankfurt<br />

ist verkehrsgeographisch ideal gelegen<br />

und sehr gut an das Straßen- und Schienennetz<br />

angebunden, um nahezu der<br />

gesamten in <strong>Deutschland</strong> entstehenden<br />

Flugnachfrage optimale Wegeführung<br />

anbieten zu können. München ist – aus<br />

verkehrsgeografischer Sicht – nicht ganz<br />

so ideal gelegen wie Frankfurt, aber<br />

immer noch deutlich günstiger als weiter<br />

entfernte Umsteigepunkte außerhalb<br />

<strong>Deutschland</strong>s. In Abbildung 5 wird dies<br />

beispielhaft am Markt Leipzig–Schanghai<br />

(LEJ–PVG) dargestellt: Der Weg<br />

über München stellt einen (im Vergleich<br />

zu einem hypothetischen Direktflug)<br />

Umweg von 566 km dar, derjenige über<br />

Amsterdam bereits von 889km. Der<br />

Flug über Dubai (DXB) würde einem<br />

Umweg von 2.535km entsprechen.<br />

Werden alle heute aus <strong>Deutschland</strong><br />

heraus angebotenen Städtepaare weltweit<br />

betrachtet und werden diese Städtepaare<br />

modell-analytisch gezwungen,<br />

über Frankfurt, München, Amsterdam,<br />

Paris Charles de Gaulle oder London<br />

Heathrow zu fliegen, dann bestätigt<br />

auch diese Analyse die verkehrsgeografisch<br />

überlegene Lage der beiden deutschen<br />

Hubs für alle deutschen Umsteigeverkehre<br />

[Abb. 5 und 6].<br />

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile:<br />

Der im Vergleich sehr viel heftigere Verfall der<br />

Angebotsbreite an den beiden deutschen Hubs<br />

als Folge einer Umsteuerung zu Wettbewerber-<br />

Hubs liegt an einem höchst wirksamen Hebeleffekt<br />

(Abbildung 7): Angenommen, eine kleine<br />

Fluggesellschaft hat genau ein Flugzeug und<br />

bedient damit an einem kleinen Flughafen einen<br />

Umweg via Amsterdam (889 km)<br />

Umwege* (in km)<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

London<br />

Heathrow<br />

Leipzig (LEJ)<br />

Umweg via München (566 km)<br />

Schanghai (PVG)<br />

Paris Amsterdam Frankfurt<br />

Charles<br />

de Gaulle<br />

Hin- und Rückflug zu einem Ziel pro Tag, dann könnte<br />

diese Fluggesellschaft mit dieser Ausstattung<br />

also genau eine Umsteigeverbindung generieren.<br />

Mit einem weiteren Flugzeug könnte diese Modell-<br />

Fluggesellschaft schon vier Verbindungen erzeugen,<br />

mit drei Flugzeugen bereits neun. Der Zusammenhang<br />

zwischen der Anzahl der ankommenden<br />

Flüge und der Anzahl der möglichen Verbindungen<br />

ist also exponentiell. Dieser exponentielle Zusammenhang<br />

wirkt nicht nur positiv. Der Satz „Verkehr<br />

treibt Verkehr“ gilt nämlich auch andersherum:<br />

20 Eine Gewichtung der betrachteten Umsteigemärkte nach Kapazitäten und Frequenzen auf den betrachteten Umsteigemärkten<br />

führt zu anderen Zahlenwerten, aber dem gleichen Ergebnisbild und gleichen Schlussfolgerungen.<br />

2.535<br />

Dubai<br />

1.579<br />

1.462<br />

889<br />

614<br />

566<br />

München<br />

Abb. 5: Logik geringer Umwege aus deutschen Flughäfen am Beispiel<br />

<strong>des</strong> Marktes Leipzig–Schanghai<br />

Quelle: airconomy.*Verglichen mit der direkten Großkreisentfernung<br />

LEJ–PVG


Umwege (in km)<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

1.210<br />

Frankfurt<br />

1.831<br />

2.171<br />

3.121<br />

München Amsterdam Paris<br />

Charles<br />

de Gaulle<br />

4.131<br />

London<br />

Heathrow<br />

Abb.6: Verkehrsgeografische Güte der europäischen Hubs, gemessen<br />

am jeweils notwendigen Umweg zur Bedienung aller aus <strong>Deutschland</strong><br />

erreichbaren Umsteigemärkte 20<br />

Quelle: airconomy<br />

Abflüge<br />

Ankünfte<br />

Abflüge<br />

Ankünfte<br />

Abflüge<br />

Ankünfte<br />

Ankünfte<br />

1<br />

Verbindungen<br />

1<br />

2 4<br />

3 9<br />

Abb. 7: Die Zahl der möglichen Verbindungen an einem Flughafen steigt<br />

überproportional zur Zahl der zugrunde liegenden Flugbewegungen<br />

Quelle: airconomy<br />

III. Schlussfolgerungen 101<br />

Jeder abgekoppelte Flug in Frankfurt<br />

oder München zerstört eine Vielzahl<br />

vorher möglicher Verbindungsmöglichkeiten.<br />

Aufstieg und Fall eines Hubs<br />

gehorchen nicht einfachen „je-<strong>des</strong>to“,<br />

sondern gehebelten „je-<strong>des</strong>to überproportional“<br />

Gesetzen. [Abb. 7]<br />

Die Passagiere honorieren die größere<br />

Angebotsbreite der Hubs (Abbildung 8)<br />

mit weit überproportionaler Bevorzugung<br />

großer Hubs: Die Anzahl der Umsteigepassagiere<br />

an den europäischen<br />

Flughäfen steigt exponentiell mit der<br />

Anzahl der Flugbewegungen an den<br />

jeweiligen Flughäfen. Eine Verdopplung<br />

der Anzahl der Flugbewegungen an<br />

einem Flughafen geht in Europa im<br />

Schnitt einher mit einer mehr als Versechsfachung<br />

der Zahl der Umsteigepassagiere<br />

am gleichen Flughafen. Das<br />

Ganze ist bedeutend mehr als die Summe<br />

seiner Teile. Im Ergebnis erhalten<br />

größere Flughäfen also einen weitaus<br />

größeren Anteil am Markt der Umsteigepassagiere,<br />

als ihnen nach Kapazitätsanteil<br />

zusteht. Mit anderen Worten: Das<br />

Wachstum der großen Hubs verstärkt<br />

sich selbst. [Abb. 8; umseitig]<br />

Dieser „Hub-Effekt“, also die überproportionale<br />

Bevorzugung großer Hubs<br />

durch Umsteigepassagiere, hat fundamentale<br />

Bedeutung für die Strategien<br />

von Hub-Flughäfen und Netzwerkfluggesellschaften<br />

gleichermaßen:<br />

Der Hub-Effekt gestattet keinen Gleichgewichtspunkt,<br />

keine strategische Position<br />

der Stabilität. Ab einem bestimmten<br />

Schwellenwert, der im Jahr 2006 ungefähr<br />

bei 7Tsd. wöchentlichen Flugbewegungen<br />

lag, beschert der Hub-Effekt<br />

einem Flughafen mit jedem zusätzlichen<br />

Flug eine überproportional ansteigende<br />

Zahl an Umsteigepassagieren. Unterhalb<br />

dieses Schwellenwertes ist der Effekt<br />

genau andersherum, weil der überproportionale<br />

Anteil der Hubs am Markt der<br />

Umsteigepassagiere unweigerlich zu<br />

Lasten der kleineren Flughäfen unter-


102<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

halb dieses Schwellenwertes geht. Die Position in<br />

der Nähe dieses Schwellenwertes ist also sehr<br />

instabil, weil der Hub-Effekt immer entweder pro<br />

oder contra arbeitet und dadurch strategisches<br />

Niemandsland in der Nähe der Schwelle erzeugt.<br />

Es erfordert also große Kraftanstrengungen (sprich:<br />

Investitionen) und langen Atem, um auch einen<br />

großen Flughafen gegen die Kraft <strong>des</strong> Hub-Effekts<br />

über diese Schwelle zu heben und zu einem tatsächlichen<br />

Hub werden zu lassen. Jenseits dieser<br />

Schwelle wird Wachstum dann wieder deutlich<br />

leichter, da der Hub-Effekt nun schiebt anstatt zu<br />

bremsen. Der Flughafen Mailand Malpensa ist<br />

jüngst an eben dieser Schwelle gescheitert: Die<br />

Investitionen allein schon für den – letztendlich<br />

erfolglosen – Versuch, diesen Flughafen über die<br />

„Hub-Schwelle“ zu heben, haben zur Krise der<br />

Alitalia erheblich beigetragen. Die einzigen Hubs,<br />

denen es in den vergangenen 20 Jahren gelungen<br />

Verdopplung<br />

= Faktor 6<br />

Anzahl Umsteiger<br />

[in Tsd.] p.a.<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

CPH<br />

ZRH VIE<br />

ATH MXP<br />

LGW<br />

HEL OSL<br />

BRU DUS<br />

ist, diese Hürde zu nehmen, sind München und<br />

Madrid. Genauso, wie der Hub-Effekt es schwer<br />

macht, die Schwelle in die Hub-Liga zu überschreiten,<br />

schützt derselbe Effekt die Hubs davor, in die<br />

Nähe der Schwelle abzurutschen. Es hat in Europa<br />

bisher keinen Fall eines Herausfallens aus der Top-<br />

Liga der europäischen Hubs gegeben. 21<br />

Ein großer Hub ist stärker als zwei Hubs der jeweils<br />

halben Größe (x 2 > 2(x/2) 2 ). Das bedeutet, dass<br />

Netzwerkfluggesellschaften grundsätzlich wenige,<br />

aber dafür größere Hubs bevorzugen. Ein weiteres<br />

Flugzeug für Lufthansa in Frankfurt oder München<br />

zeigt einen wesentlich stärkeren Wachstumsimpuls<br />

als die gleiche Kapazität an einem Nicht-Hub. Dies<br />

wiederum erklärt, weshalb auch eine große Zahl<br />

dezentraler Flughäfen strukturell und grundsätzlich<br />

die Angebotsbreite auch nur eines großen Hubs<br />

nicht ausgleichen können. <strong>Deutschland</strong> mit gleich<br />

0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000<br />

Verdopplung =<br />

Faktor 2<br />

Selbstverstärken<strong>des</strong><br />

Wachstum<br />

der großen<br />

Hubs<br />

Abb. 8: Verkehr treibt Verkehr: Die Anzahl der Umsteigepassagiere steigt überproportional zur Zahl der zugrunde liegenden<br />

Flugbewegungen<br />

Signifikanzniveau <strong>des</strong> Zusammenhangs: r 2 =0,93<br />

Quelle: Umsteigerdaten: ACI 2006, Flugbewegungen: OAG 2006 21 (Stand: Sommer 2007), Analyse: airconomy<br />

AMS<br />

MUC<br />

FRA<br />

LHR<br />

CDG<br />

MAD<br />

8<br />

12.000<br />

Anzahl Flugbewegungen<br />

pro Woche


zwei Hubs in der europäischen Hub-Liga ist damit<br />

für den internationalen Wettbewerb um Umsteigepassagiere<br />

ganz hervorragend aufgestellt. Das<br />

deutsche Verbundsystem hat aus einer schwierigen<br />

strategischen Ausgangslage – ein multizentrisches<br />

Wirtschaftssystem – einen überlegenen Wettbewerbsvorteil<br />

für das Segment der Umsteigeverkehre<br />

geschaffen.<br />

In Abbildung 8 ist erkennbar, dass einige Flughäfen<br />

und Hubs deutlich oberhalb der „exponentiellen<br />

Durchschnittsfunktion“ liegen, andere hingegen<br />

deutlich darunter. Dies kann zwei Ursachen haben:<br />

■ Zum Einen gelingt es einigen Flughäfen<br />

(z.B. Zürich), eine geringe Anzahl von Flugbewegungen<br />

auszugleichen durch konnektivitäts-förderliche<br />

Flugplanstrukturen. Anderen,<br />

z.B. Madrid, gelingt das zumin<strong>des</strong>t<br />

(noch) nicht im gleichen Maß.<br />

■ Zum Anderen ist auch die Größe der eingesetzten<br />

Flugzeuge entscheidend: Auch bei<br />

sehr guter Konnektivität können nicht mehr<br />

Passagiere umsteigen, als die Flugzeuge Platz<br />

bieten. Insofern erklärt sich das hohe Umsteigevolumen<br />

von London Heathrow eher aus<br />

der sehr großen Durchschnittsgröße der<br />

eingesetzten Flugzeuge. Gleichzeitig zeigt<br />

sich das Entwicklungspotenzial von München<br />

durch den Einsatz größerer Flugzeuge.<br />

Die beiden deutschen Hubs nehmen europäische<br />

Spitzenpositionen ein, und der Verbund der deutschen<br />

Hubs, der deutschen internationalen Flughäfen<br />

und Fluggesellschaften funktioniert ausgezeichnet:<br />

Dies darf jedoch nicht den Blick darauf<br />

verstellen, dass dies eine Strategie ohne Auffangnetz<br />

ist: In <strong>Deutschland</strong> gibt es keine Hubs mit<br />

Einzugsgebieten der Mächtigkeit von London oder<br />

Paris mit ihren sehr großen Volumina an Originärnachfrage,<br />

die starken Luftverkehr auch dann<br />

tragen können, wenn Umsteigeverkehre einmal<br />

abschmelzen sollten.<br />

Die Stärke <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems im<br />

Umsteigesegment ist gleichzeitig seine Achillesferse.<br />

Der deutsche Luftverkehrsmarkt ist strategisch leicht<br />

III. Schlussfolgerungen 103<br />

verwundbar, falls die Voraussetzungen zu fairem<br />

und infrastrukturell angemessen ausgestattetem<br />

Wettbewerb mit anderen europäischen oder globalen<br />

Konkurrenten nicht mehr erfüllt werden. In<br />

diesem Wettbewerb aber ist der deutsche Markt<br />

wegen seines relativen Mangels an Originärnachfrage<br />

an den Hub-Standorten deutlich größerer Fallhöhe<br />

ausgesetzt als seine Wettbewerber mit starkem<br />

Originäraufkommen. <strong>Deutschland</strong> hat ein sehr viel<br />

stärker ausgeprägtes Interesse an global fairen<br />

Wettbewerbsbedingungen im Luftverkehr und an<br />

erstklassiger Infrastruktur als seine Wettbewerber.<br />

2.3 Transfer-Effizienz<br />

Bewertung der Transfer-Effizienz deutscher Flughäfen<br />

und Hubs im europäischen Wettbewerb:<br />

Eine detaillierte Analyse der jährlichen Entwicklung<br />

der Umsteige-Volumina auf europäischen Flughäfen<br />

zeigt, dass die Zahl zusätzlicher Flugbewegungen<br />

prozentual stärker gestiegen ist als die Zahl zusätzlicher<br />

Umsteigepassagiere. Dies bedeutet, dass die<br />

Zahl der umsteigenden Passagiere pro Flugbewegung<br />

stetig sinkt. Die Transfer-Effizienz erodiert also.<br />

Hierfür gibt es drei mögliche Erklärungen:<br />

■ Der Wettbewerb um Umsteigepassagiere<br />

nimmt zu.<br />

■ Begrenzte Infrastrukturkapazitäten (am<br />

Boden wie in der Luft) wirken sich zunehmend<br />

restriktiv aus.<br />

■ Die Zunahme von Punkt-zu-Punkt-Verkehren<br />

kann den Hubs ehemals umsteigende<br />

Passagiere entziehen.<br />

In allen drei Fällen sind die Schlussfolgerungen aber<br />

die gleichen: Das Luftverkehrssystem in <strong>Deutschland</strong><br />

muss im Wettbewerb um Umsteigepassagiere<br />

in Europa immer führend sein und muss dauerhaft<br />

und zukunftsfähig alle operativen, regulativen<br />

und infrastrukturellen Voraussetzungen erfüllen<br />

können.<br />

Werden die europäischen Hubs untereinander<br />

hinsichtlich ihrer Transfer-Effizienz verglichen<br />

21 Die Flughäfen Zürich, Brüssel oder Mailand Malpensa haben zwar Rückschläge erlitten, waren aber nie in der Position der Top-<br />

Hubs mit selbstverstärkendem Wachstum (7Tsd. wöchentliche Flugbewegungen).


104<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

(gemessen als Umsteigepassagiere<br />

pro Flugbewegung),<br />

dann zeigen sich zwei bemerkenswerte<br />

Ergebnisse [Abb. 9]:<br />

Umsteigepassagiere<br />

pro Flugbewegung<br />

Es ist gleichzeitig zu beobachten, dass in Europa<br />

neue Strecken eher als Punkt-zu-Punkt-Verkehre<br />

und weniger über Hubs aufgelegt werden: Punktzu-Punkt-Strecken<br />

sind im Zeitraum 2002 bis<br />

2006 um 12,4% gewachsen, an Hubs andockende<br />

Strecken sind demgegenüber im gleichen Zeitraum<br />

um lediglich 8,6% gewachsen. Auch hier gibt es<br />

zwei mögliche Triebfedern für diese Beobachtung:<br />

70<br />

■ Der größte Zugewinn<br />

der Transfer-Effizienz ist<br />

auf dem Flughafen<br />

60<br />

FRA<br />

München zu beobachten.<br />

Auch wenn Mün-<br />

50<br />

LHR<br />

chen noch nicht die<br />

AMS<br />

Transfer-Effizienz der<br />

40<br />

MAD<br />

größeren Hubs erreicht<br />

CDG<br />

hat: Auf den mit konstanter<br />

Kapazität operierenden<br />

Hubs (Lon-<br />

30<br />

MUC<br />

don Heathrow, Amsterdam,<br />

Frankfurt) hat sich<br />

20<br />

die Umsteige-Effizienz<br />

kaum verbessert, in<br />

Amsterdam hat sie sich<br />

sogar verschlechtert.<br />

10<br />

2002 2003 2004 2005 2006<br />

Jahr<br />

■ In Frankfurt werden<br />

mehr Umsteigepassagiere<br />

pro Flugbewegung<br />

gezählt als an<br />

irgendeinem anderen<br />

Flughafen in Europa, aller-<br />

Abb. 9: Transfer-Effizienz europäischer Hubs<br />

Quelle: airconomy. Für Paris Charles de Gaulle liegen nur Werte für 2006 vor, der<br />

2006er Wert für Madrid ist auf Basis <strong>des</strong> 2007er-Wertes geschätzt.<br />

dings auf stagnierendem Niveau.<br />

■ Low-Cost-Fluggesellschaften vermeiden<br />

Hubs nach Möglichkeit. Das starke Wachstum<br />

der LCC in den vergangenen Jahren<br />

schlägt sich von daher klar in einem starken<br />

Wachstum dezentraler Strecken nieder.<br />

■ Begrenzte Infrastrukturkapazitäten an den<br />

Hubs in Europa erzeugen Ausweichbewegungen<br />

hin zu dezentralen Strecken.<br />

22 An anderen Stellen in diesem Bericht wird standardmäßig eine Juli-Woche aus den Jahren 2002, 2004, 2006 oder 2007 herangezogen.<br />

Aus technischen Gründen wurde für diese Simulation die beschriebene September-Woche ausgewählt. Diese Woche<br />

ist min<strong>des</strong>tens ebenso repräsentativ für das untersuchte Verkehrsgeschehen wie eine Woche im Juli.<br />

23 Anzahl durchschnittlicher Anschlüsse pro Tag Leipzig–Frankfurt in Frankfurt: 21. Vergleichswert für Leipzig–München: durchschnittlich<br />

13, maximal 17 Anschlussmöglichkeiten.<br />

24 Flüge von Frankfurt bzw. München wurden in der Simulation dann gestrichen, wenn mehr als 75% der ursprünglich zufütternden<br />

Sitzkapazität entfallen war. Dies entspricht etwa einem Sitzladefaktor von 65%.<br />

25 Wird in der Simulation zunächst auf kleineres Gerät getauscht bevor schließlich gestrichen wird, führt dies lediglich zu einer<br />

Verlangsamung der Erosion, nicht zu einem anderen Endergebnis.Das gleiche gilt, wenn mit milderen Schwellen zum Streichen<br />

gearbeitet wird, also etwa einer Schwelle von 50% anstatt 75%.


2.4 Methodik der Simulation<br />

In einem komplexen Simulationsmodell wurden im ersten Schritt<br />

hypothetisch alle innerdeutschen Flugverbindungen mit dem<br />

Ziel Frankfurt oder München, die in der Woche vom 24. bis 30.<br />

September 2007 22 stattfanden, Schritt für Schritt von den beiden<br />

Hubs abgekoppelt. Im zweiten Schritt wurden diese Flüge<br />

dann statt<strong>des</strong>sen nach London Heathrow, Amsterdam, Paris<br />

Charles de Gaulle oder Dubai umgeleitet. Nur auf diese Weise<br />

können die Folgen von Kapazitätsveränderungen auf bestimmten<br />

Strecken ceteris paribus berechnet werden, also unter der<br />

oben geforderten Annahme konstanter Nebenbedingungen<br />

(Preise, Nachfragevolumen, Flughafenkapazitäten etc.).<br />

Dabei ist darauf geachtet worden, dass diese umgesteuerten<br />

Flüge möglichst optimal (hinsichtlich Zeitlagen, Direktionalität,<br />

Konnektivität etc.) an London Heathrow, Amsterdam,<br />

Paris Charles de Gaulle oder Dubai angebunden werden und<br />

dort als online-Verbindungen (also nicht lediglich als sogenannte<br />

Co<strong>des</strong>hares) mit den betreffenden Homebase-Fluggesellschaften<br />

verbinden konnten. Lufthansa-Flüge aus Hamburg<br />

nach Frankfurt, beispielsweise, wurden also als „AF“<br />

umcodiert und von Hamburg nach Paris Charles de Gaulle<br />

geschickt, um dort optimal verbinden zu können. Auf diese<br />

Weise konnten mit dem Simulationsmodell die Effekte auf die<br />

Angebotsbreite für die Passagiere an allen internationalen<br />

Flughäfen im Detail bewertet werden. Dabei wurden die<br />

betroffenen 3.304 Flüge schrittweise umgeleitet. Die Folgen<br />

je<strong>des</strong> einzelnen Schrittes konnten so nachvollzogen und<br />

hinsichtlich der Konsequenzen für die Angebotsbreite an den<br />

betroffenen Flughäfen bewertet werden. Ausgewertet wurde<br />

dabei die jeweilige Anzahl wettbewerbsfähiger Verbindun-<br />

Bedeutung <strong>des</strong> Luftverkehrs für die langfristige<br />

wirtschaftliche <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>Deutschland</strong>s<br />

Der Luftverkehrsektor hat eine zentrale Bedeutung<br />

für die Volkswirtschaft <strong>Deutschland</strong>s und für deren<br />

zukünftige <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong>. Dazu tragen auf<br />

der einen Seite unmittelbar die Luftverkehrsunternehmen<br />

und ihre Zulieferer durch Investitionen und<br />

die daraus resultierenden Wertschöpfungs-, Beschäftigungs-<br />

und Einkommenseffekte bei. Ergänzt<br />

werden diese auf der anderen Seite um die mittel-<br />

III. Schlussfolgerungen 105<br />

gen. Sämtliche Kriterien einer wettbewerbsfähigen Verbindung<br />

wurden selbstverständlich über alle Analyseschritte<br />

hinweg konstant gehalten. An den Hubs wurden zwei verschiedene<br />

Effekte <strong>des</strong> Abkoppelns von Flügen untersucht:<br />

Verlust an Konnektivität: An einem einzigen Flug Leipzig –<br />

Frankfurt hängen in Frankfurt bis zu 27 23 , Anschlussmöglichkeiten<br />

in die Welt. Wird nun ein einziger Flug Leipzig –<br />

Frankfurt gestrichen, dann gehen damit auch bis zu<br />

27 Anschluss-Verbindungen verloren.<br />

Verlust an Sitzladefaktor: Eine wichtige Verbindung in Frankfurt,<br />

die aus Leipzig heraus genutzt wird, ist die Langstrecke<br />

nach Philadelphia (PHL). Wenn dieser Flug nach Philadelphia<br />

nun nicht nur die Umsteigepassagiere aus Leipzig, sondern<br />

auch darüber hinaus immer mehr Passagiere anderer Zubringerflüge<br />

aus <strong>Deutschland</strong> verliert, dann ist dieser Langstreckenflug<br />

irgendwann nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Normalerweise<br />

wird eine Fluggesellschaft bestrebt sein, ein nicht<br />

mehr wirtschaftliches Flugzeug zunächst gegen ein Flugzeug<br />

geringerer Sitzkapazität auszutauschen oder die Bedienungsfrequenz<br />

zu reduzieren. Wenn aber nach und nach alle innerdeutschen<br />

Flüge nach Frankfurt und München abgeschnitten werden,<br />

dann besteht diese Methode der punktuellen „Reparatur“<br />

nicht mehr, zumal eine Fluggesellschaft keinen unbegrenzten<br />

Vorrat an stetig kleineren Flugzeugen vorhalten kann. In der<br />

durchgeführten Simulation wurden <strong>des</strong>halb entsprechend<br />

betroffene Anschlussflüge gestrichen. Um das Ergebnis <strong>des</strong><br />

vollständigen Abkoppelns von innerdeutschen Zubringerflügen<br />

zu bestimmen, muss also zusätzlich (aber im Ergebnis getrennt<br />

auszuweisen) die Streichung unwirtschaftlich werdender<br />

24, 25<br />

Verbindungen im Simulationsmodell vorgesehen werden.<br />

3. Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort <strong>Deutschland</strong><br />

baren Effekte, die durch die Nutzung der Luftverkehrsanbindung<br />

durch Unternehmen anderer Wirtschaftszweige<br />

generiert werden. Nicht zuletzt ist<br />

darauf hinzuweisen, dass, der Stellung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

vorgeschaltet, die Hersteller der Flugzeugindustrie<br />

in erheblichem Maße Investitions-, Wertschöpfungs-<br />

und Beschäftigungsbeiträge für die<br />

bun<strong>des</strong>deutsche Volkswirtschaft leisten.<br />

Wissenschaftlich wird weiter differenziert und die<br />

folgende Kategorisierung der volks- und


106<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

regionalwirtschaftlichen Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

vorgenommen:<br />

Kategorien der volks- und regionalwirtschaftlichen<br />

Effekte <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

Effekte der Erstellung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

Direkte Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />

Wertschöpfung und Einkommen der Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber<br />

und anderer Unternehmen auf den jeweiligen<br />

Flughäfen selbst. Anstoß der ökonomischen Wirkungskette.<br />

Indirekte Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />

Wertschöpfung und Einkommen auf Grund von Auftragsvergaben<br />

der Unternehmen und Betriebe auf den Flughäfen an<br />

Dienstleister und Lieferanten.<br />

Induzierte Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />

Wertschöpfung und Einkommen resultierend aus der<br />

- Konsumnachfrage aus dem Erwerbseinkommen der<br />

Beschäftigten auf den Flughäfen<br />

- Konsumnachfrage aus den Erwerbseinkommen der bei den<br />

Lieferanten <strong>des</strong> Flughafenbetriebes Beschäftigten<br />

Effekte der Verwendung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

Katalytische Effekte. Investitionen, Produktion, Beschäftigung,<br />

Wertschöpfung und Einkommen durch Unternehmen,<br />

für deren Investitions- und Standortentscheidungen Luftverkehrsanbindung<br />

von Bedeutung ist.<br />

Quelle: in Anlehnung an Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger<br />

(2004)<br />

Zu den direkten, indirekten und induzierten volksund<br />

regionalwirtschaftlichen Effekten <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

liegt mittlerweile eine Reihe empirischer<br />

Untersuchungen vor. 26 Insbesondere die Verwendung<br />

von Input-Output-Analysen zur Abschätzung<br />

der indirekten und induzierten Einkommens- und<br />

Beschäftigungseffekte ist mittlerweile als wissenschaftlich<br />

allgemein anerkannter Untersuchungsansatz<br />

etabliert. 27<br />

An den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> verlief die Entwicklung<br />

der direkten Investitionen, Wertschöpfung,<br />

und Beschäftigung in den vergangenen Jahrzehnten<br />

sehr dynamisch. Dabei verlief die Beschäftigtenentwicklung<br />

bis Ende der 1980er Jahre weitgehend<br />

proportional zur Entwicklung <strong>des</strong> Passagier- und <strong>des</strong><br />

Frachtaufkommens sowie zur Zahl der Flugbewegungen<br />

an den Flughäfen. Infolge <strong>des</strong> zunehmenden<br />

Wettbewerbsdrucks durch die Liberalisierung<br />

<strong>des</strong> europäischen Luftverkehrs wurden etwa seit<br />

Anfang der 1990er Jahre insbesondere durch Luftverkehrsgesellschaften<br />

Effizienzsteigerungen der<br />

Beschäftigung erzielt.<br />

Durch Flughafenbetreiber, Fluggesellschaften und<br />

weitere auf Flughäfen ansässige Unternehmen beispielsweise<br />

der Bereiche Catering oder Bodenabfertigung<br />

werden im internationalen Durchschnitt<br />

und auch an den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> pro<br />

1Mio. abgefertigte Passagiere durchschnittlich<br />

ca. 950 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen direkt<br />

beschäftigt. 28 Die Beschäftigungsintensität variiert<br />

26 Airports Council International (ACI) (2004): The Social and Economic Impact of Airport in Europe; Baum/Schneider/Esser/Kurte<br />

(2005): Wirtschaftliche Effekte der Airports Berlin Brandenburg International BBI, Köln; Baum/Kurte/Schneider (1998): Der volkswirtschaftliche<br />

Nutzen <strong>des</strong> Flughafens Köln/Bonn; Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie (2002):<br />

Der Flughafen München und sein Umland, München; Bulwien (1998): Wirtschaftliche Auswirkungen <strong>des</strong> Flughafens Nürnberg,<br />

Unterföhring; Bulwien (1998): Wirtschaftsfaktor Flughafen München, Unterföhring; Empirica (1996): Die Bedeutung <strong>des</strong> Flughafens<br />

Hamburg für die Metropolregion; Heuer/Klophaus (2006): Regionalökonomische Bedeutung und Perspektiven <strong>des</strong> Flughafens<br />

Zweibrücken, Birkenfeld; Heuer/Klophaus/Schaper (2005): Regionalökonomische Auswirkungen <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt-Hahn<br />

für den Beobachtungszeitraum 2003–2015, Birkenfeld; Hübl/Hohls-Hübl/Wegener/Schaffner (2001): Hannover Airport – Ein<br />

Impulsgeber für die Region, Hannover; Hübl/Hohls-Hübl/Wegener/Kramer (1994): Der Flughafen Hannover-Langenhagen als<br />

Standort- und Wirtschaftsfaktor, Hannover; Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger (2004): Einkommens- und Beschäftigungseffekte<br />

<strong>des</strong> Flughafens Frankfurt/M; Klophaus (2006): Regionalökonomische Auswirkungen und Perspektiven <strong>des</strong> Flughafens Kassel-<br />

Calden, Birkenfeld; Malina/Wollersheim/Peltzer (2006): Die regionalwirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong> Dortmund Airports, Dortmund.<br />

27 Hujer/Kokot/Mehlinger/Rürup (2001): Einkommens- und Beschäftigungseffekte <strong>des</strong> Flughafens Frankfurt Main – Ausbau<br />

Flughafen Frankfurt Main, Gutachten G19.1, Frankfurt; Batey/Madden/Scholefield (1993): Socio-economic impact assessment<br />

of large-scale projects using input-output analysis: a case study of an airport, in: Regional Studies 27, S.179–191.<br />

28 Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004): The social and economic impact of airports in Europe,<br />

Brüssel, S.8.


zwischen den einzelnen Flughäfen. Dies hat seine<br />

Ursache vor allem in der je nach Flughafentyp 29<br />

unterschiedlichen Nutzungsstruktur. In <strong>Deutschland</strong><br />

liegt die Spanne pro 1Mio. Fluggäste zwischen ca.<br />

830 und ca. 1.500 Beschäftigten. Auf den internationalen<br />

Verkehrsflughäfen <strong>Deutschland</strong>s waren im<br />

Jahr 2006 insgesamt rund 160 Tsd. Mitarbeiter beschäftigt.<br />

30 Davon entfielen etwa 60% auf die beiden<br />

Hub-Flughäfen Frankfurt und München. Die<br />

direkt an Flughäfen beschäftigten Mitarbeiter arbeiten<br />

überwiegend in den Bereichen Flugbetrieb, Wartung<br />

und Instandhaltung, Sicherheit, Verwaltung,<br />

Planung, Warenverkauf und sonstigen Dienstleistungen<br />

sowie beim fliegenden Personal. Der Anteil von<br />

Verwaltungstätigkeiten ist an den deutschen Flughäfen<br />

relativ gering. 31 Die Deutsche Lufthansa beschäftigt<br />

in <strong>Deutschland</strong> als Konzern insgesamt etwa<br />

65Tsd. Mitarbeiter. 32<br />

Analysen zeigen, dass durch die Beschäftigten im<br />

Luftverkehr und deren direkte Einkommen durch<br />

Wiederverausgabung regionale und gesamtwirtschaftliche<br />

Beschäftigungseffekte entstehen und<br />

damit wiederum das Einkommen sowie die Wertschöpfung<br />

in einer Region oder der Gesamtwirtschaft<br />

gesteigert werden. Die nachfolgende Tabelle<br />

ermöglicht einen Überblick über die ermittelten<br />

Beschäftigungsmultiplikatoren deutscher Flughäfen.<br />

Die Werte der Multiplikatoren für die indirekten<br />

und induzierten Beschäftigungseffekte liegen<br />

hier in einer Spannweite von 0,7 bis 2,31 auf regionaler<br />

und von 1,1 bis 3,04 auf gesamtwirtschaftlicher<br />

Ebene. [Tab. 1]<br />

Durch indirekte und induzierte Effekte werden pro<br />

1Mio. Passagiere rechnerisch etwa 2Tsd. Beschäftigte<br />

generiert. 33 Zur Schätzung der zukünftigen<br />

Beschäftigungsentwicklung <strong>des</strong> Luftverkehrs in<br />

<strong>Deutschland</strong> werden üblicherweise in wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen Befragungen der an den<br />

Flughäfen ansässigen Unternehmen durchgeführt.<br />

Die befragten Unternehmen machen dabei in<br />

Kassel-Calden (2005)<br />

Dortmund (2005)<br />

Zweibrücken (2004)<br />

Berlin (2004)<br />

Hahn (2003)<br />

München (2000)<br />

Frankfurt/M. (1999)<br />

Hannover (1999)<br />

München (1996)<br />

Köln/Bonn (1996)<br />

Nürnberg (1996)<br />

Hamburg (1994)<br />

Hannover (1993)<br />

Tab.1: Beschäftigungsmultiplikatoren/Vergleich von<br />

Flughafen-Studien (nach Analyse-Jahr)<br />

Quelle: ECAD. *1,62 (mit Stadt München)<br />

III. Schlussfolgerungen 107<br />

Beschäftigungsmultiplikatoren<br />

gesamtwirtschaftl. regional<br />

Abhängigkeit der Kapazitätsentwicklungen der<br />

Flughäfen Angaben zu ihrer zukünftigen Beschäftigungsentwicklung<br />

und ihrer Investitionstätigkeit.<br />

Nach den Ergebnissen der in den letzten Jahren<br />

erstellten Untersuchungen könnte die Zahl der direkt<br />

an den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> Beschäftigten bis<br />

2020 um ca. 50% ansteigen. 34<br />

Für den Flughafen Frankfurt Main wird ein Wachstum<br />

von derzeit etwa 70 Tsd. auf etwa 95 Tsd. direkt<br />

beschäftigte Mitarbeiter im Jahr 2020 prognostiziert.<br />

Am Flughafen München soll die Zahl der Mitarbeiter<br />

im selben Zeitraum auf etwa 41Tsd. ansteigen.<br />

Katalytische Effekte der Verwendung <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

Über die direkten, indirekten und induzierten wirtschaftlichen<br />

Effekte durch die Erstellung <strong>des</strong> Luft-<br />

29 Beispielsweise die Kategorisierung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) in Quartiär-, Tertiär-, Sekundärund<br />

Primärflughäfen.<br />

30 Kalkulation auf der Grundlage von Angaben von www.adv-net.org.<br />

31 Vgl. Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger (2004), a.a.O.; www.munich-airport.de.<br />

32 Deutsche Lufthansa AG (2008), a.a.O., S.61f.<br />

33 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O.<br />

34 Vgl. Hujer/Kokot/Zeiss/Rürup/Mehlinger (2004), a.a.O.<br />

2,40<br />

1,80<br />

1,30<br />

1,10<br />

1,40<br />

1,90<br />

1,77<br />

2,20<br />

2,01<br />

3,04<br />

1,96<br />

1,70<br />

2,00<br />

0,70<br />

1,10<br />

0,80<br />

0,90<br />

0,70<br />

0,86<br />

1,16<br />

1,40<br />

1,31*<br />

2,31<br />

1,46<br />

1,30<br />

1,50


108<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

verkehrs hinaus werden in Regionen mit guter<br />

Luftverkehrsanbindung so genannte katalytische<br />

Investitions-, Wertschöpfungs- Einkommens- und<br />

Beschäftigungseffekte generiert. Sie entstehen durch<br />

Unternehmen anderer Wirtschaftszweige, die nicht<br />

an der Erstellung der Luftverkehrsanbindung beteiligt<br />

sind, diese aber für ihre Geschäftstätigkeit<br />

nutzen. Diesen katalytischen Effekten kommt im<br />

Kontext der ökonomischen Internationalisierung im<br />

Hinblick auf die langfristige wirtschaftliche <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

von Volkswirtschaften und Regionen<br />

eine zunehmend größere Bedeutung zu.<br />

In den vergangenen Jahren konnte eine fortschreitende<br />

Internationalisierung der Güter-, Kapital- und<br />

Arbeitsmärkte festgestellt werden. Diese als „Globalisierung“<br />

bezeichnete Zunahme internationaler<br />

Wirtschaftsaktivitäten hatte mehrere von einander<br />

abhängige Ursachen:<br />

■ die Beseitigung von Zoll- und Handelsbarrieren,<br />

■ der Ausbau internationaler Informations- und<br />

Kommunikationstechnologien,<br />

■ der folglich in zahlreichen Wirtschaftszweigen<br />

gestiegene internationale Wettbewerb,<br />

■ eine in vielen Wirtschaftszweigen verminderte<br />

Fertigungstiefe,<br />

■ eine Internationalisierung der Bezugs- und<br />

Absatzmärkte sowie<br />

■ die Verbesserung der internationalen<br />

Transportstrukturen.<br />

Die aufgezeigte Entwicklung führte auch in <strong>Deutschland</strong><br />

zu einer stark steigenden internationalen Mobilität<br />

im Personen- und im Frachtverkehr, insbesondere<br />

zu den wirtschaftlichen Ballungsräumen Europas<br />

und anderer Kontinente. Ein wachsender Teil dieser<br />

internationalen Mobilität beansprucht Luftverkehr<br />

als geeigneten Verkehrsträger mit kurzen Reisezeiten,<br />

mit einer großen Zahl an Destinationen und mit<br />

hohen Verbindungsfrequenzen. Eine gute Luftverkehrsanbindung<br />

stellt einen existenziellen und allenfalls<br />

schwer substituierbaren Standortfaktor für die<br />

zunehmend internationaler ausgerichteten Unternehmen<br />

dar. Effiziente Luftverkehrsangebote<br />

ermöglichen oder erleichtern Unternehmen den<br />

Zugang zu und die Erschließung von Bezugs- und<br />

Absatzmärkten im Ausland. Dadurch können Unternehmen<br />

an gut durch Luftverkehr erschlossenen<br />

Standorten in den Flughafenumlandregionen so<br />

genannte Produktivitätseffekte der Produktionsfaktoren<br />

Arbeit-, Kapital und Boden erzielen. 35 So<br />

können Luftverkehrsanbindung nutzende Unternehmen<br />

Kosteneinsparungen erzielen und ihre Wettbewerbspositionen<br />

verbessern.<br />

In diesem Zusammenhang ist die weitgehende<br />

Nicht-Substituierbarkeit von Verkehr insgesamt<br />

und im hier betrachteten Fall von Luftverkehr für<br />

den Standort <strong>Deutschland</strong> herauszustellen. Diese<br />

gilt umso mehr für international ausgerichtete<br />

Unternehmen, die bei ihrer Standortwahl in besonderem<br />

Maße auf die auch durch Luftverkehr<br />

gewährleistete schnelle Erreichbarkeit kontinentaler<br />

und interkontinentaler Ziele Wert legen.<br />

Auch wenn heute neue Möglichkeiten der Interaktion<br />

durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

bestehen und Unternehmen<br />

diese verstärkt als Mittel zur Kosteneinsparung nutzen,<br />

so bleibt dennoch ein erheblicher Bedarf an<br />

direkten persönlichen Kontakten. Die unverzügliche<br />

Realisierung von Terminen an auch entfernter<br />

gelegenen Auslandsstandorten ist für strategische<br />

und verbindliche unternehmerische Entscheidungsprozesse<br />

heute mehr denn je von Wichtigkeit. Kurze<br />

Lieferzeiten, schnelle Umschlagzeiten und die termingerechte<br />

Anlieferung von Fracht sind für zeitkritische<br />

und hochwertige Güter (z.B. der chemischen<br />

und pharmazeutischen Industrie, der elektrotechnischen<br />

Industrie, Ersatzteillieferung im Maschinenund<br />

Anlagenbau etc.) besonders wichtig.<br />

Die Bedeutung von Luftverkehrsanbindung als<br />

Standortfaktor beeinflusst demnach unternehmerische<br />

Entscheidungsträger bei deren langfristigen<br />

Standort- und Investitionsentscheidungen. Dies<br />

impliziert entsprechende Standort- bzw. Investitionseffekte<br />

zugunsten der gut durch Luftverkehr<br />

erschlossenen Regionen und Volkswirtschaften.<br />

35 Vgl Baum/Schneider/Esser/Kurte (2004): Standortfaktor Flughafen Frankfurt Main. Bedeutung für die Struktur, Entwicklung<br />

und <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Wirtschaft der Region Frankfurt/Rhein-Main. – Ausbau Flughafen Frankfurt Main, Gutachten<br />

G19.2., Köln; International Air Transport Association (IATA) (2007): Aviation Economic Benefits – Measuring the economic rate<br />

of return on investment in the aviation industry. IATA Economics Briefing No 8.


Abb. 10: Internationale Luftverkehrsanbindung und internationale Direktinvestitionsbestände der Länder der Welt 2005<br />

Quelle: Eigene Berechnungen ECAD, OAG, Weltbank<br />

Abbildung 10 zeigt dazu die langfristig akkumulierten<br />

internationalen Direktinvestitionsbestände 36<br />

der Länder der Welt sowie das Maß ihrer internationalen<br />

Luftverkehrsanbindung. Es wird deutlich,<br />

dass die Länder der Welt mit guter Luftverkehrsanbindung<br />

überdurchschnittlich hohe Direktinvestitionsbestände<br />

mit entsprechenden Wertschöpfungs-,<br />

Beschäftigungs- und Einkommenseffekten zu<br />

verzeichnen haben. [Abb. 10]<br />

Abbildung 11 zeigt die zeitliche Veränderung der<br />

internationalen Luftverkehrsanbindung und der<br />

Direktinvestitionsbestände nach Ländern. Es wird<br />

deutlich, dass es offenbar die Länder mit einer in<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

bezogen auf BIP<br />

III. Schlussfolgerungen 109<br />

Auslandsflüge pro<br />

1.000 Einwohner 2005<br />

Bestände 2005<br />

≤ 0,23<br />

15,0%<br />

≤ 1,29<br />

6,0% ≤ 7,16<br />

1,5%<br />

≤ 39,78<br />

≤ 300,00<br />

den letzten Jahren überdurchschnittlichen Verbesserung<br />

ihrer internationalen Luftverkehrsanbindung<br />

sind, die gleichzeitig einen überdurchschnittlichen<br />

Anstieg ihrer Direktinvestitionsbestände<br />

verzeichnen konnten. [Abb. 11; umseitig]<br />

Die unternehmensbezogene Produktivitätskapazität<br />

kann insbesondere durch zwei Faktoren gesteigert<br />

werden. Zum einen können Märkte durch unternehmensbezogene<br />

Investitionen erweitert werden. Zum<br />

zweiten kann Produktivität dadurch stimuliert werden,<br />

dass der Luftverkehr den Zugang zu neuen<br />

Produktionstechnologien und effizienteren Zulieferern<br />

schafft. Der Zusammenhang zwischen Luftver-<br />

36 Direktinvestitionen sind Vermögensanlagen im Ausland von inländischen Investoren mit dem Ziel der Einflussnahme auf die<br />

Geschäftstätigkeiten im Ausland. Es fließen also nicht nur Kapital sondern auch Wissen und Technologie. Vgl. Deutsche Bun<strong>des</strong>bank<br />

(1978), Umschwung in der Bilanz der Direktinvestitionen, Monatsberichte der Deutschen Bun<strong>des</strong>bank, Nr. 10, S.31.


110<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

kehrsanbindung und der Höhe der langfristigen<br />

Investitionen und der Produktivität in den EU-Staaten<br />

lässt sich wie folgt beschreiben: 37<br />

■ Luftverkehrsanbindung kann eine signifikante,<br />

positive Auswirkung auf die langfristige Wirtschaftsleistung<br />

von Regionen und Volkswirtschaften<br />

haben. Sie weist einen ursächlichen<br />

Zusammenhang zur Höhe der langfristigen<br />

Investitionen als auch der langfristigen Produktivität<br />

in einer Volkswirtschaft auf.<br />

■ In den untersuchten EU-Staaten kann ein<br />

10%-iger Anstieg der Luftverkehrsanbin-<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

bezogen auf BIP (in USD)<br />

Veränderung in Prozentpunkten<br />

1997–2005<br />

Auslandsflüge pro 1.000 Einwohner<br />

Entwicklung 1997– 2005 absolut<br />

Abb.11: Veränderung der internationalen Luftverkehrsanbindung und internationale Direktinvestitionsbestände der Länder<br />

der Welt 1997 bis 2005 – Quelle: Eigene Berechnungen ECAD, OAG, Weltbank<br />

dung 38 das Bruttoinlandsprodukt langfristig<br />

um 1,1% erhöhen.<br />

In einer von der International Air Transport Association<br />

(IATA) begleiteten detaillierten statistischen<br />

Analyse wurde die Beziehung zwischen der Anbindung<br />

eines Lan<strong>des</strong> an den globalen Luftverkehr und<br />

seiner gesamtwirtschaftlichen Produktivität untersucht.<br />

Die Analyse erstreckte sich über 48 Länder<br />

der Welt – sowohl entwickelte als auch unterentwickelte<br />

Volkswirtschaften – und über den Zeitraum<br />

von 1996 bis 2005. 39 Ähnlich der vorhergehend<br />

dargelegten Studie wurde eine statistisch<br />

37 Vgl. International Air Transport Association (IATA) (2006): Airline Network Benefits – Measuring the additional benefits generated<br />

by airline networks for economic development, IATA Economics Briefing No 3., S.27.<br />

38 Zur Bestimmung der Qualität der Luftverkehrsanbindung wurde in dieser Studie ein so genannter Connectivity Index genutzt,<br />

der die Zahl und die ökonomische Bedeutung der von einem Flughafen bedienten Destinationen sowie die Frequenz der damit<br />

verbundenen Flüge und die gewichtete Zahl der auf den Flügen verfügbaren Sitzplätze zu einer Kennziffer aggregiert.<br />

9,0<br />

3,0<br />

0,7<br />

≤ 0,01<br />

≤ 0,12<br />

≤ 1,17<br />

≤ 3,00<br />

> 3,00


signifikante positive Beziehung zwischen der Luftverkehrsanbindung<br />

und <strong>des</strong> Produktivitätsniveaus<br />

ermittelt. Ein 10%-iger Anstieg der Luftverkehrsanbindung<br />

kann die Produktivität langfristig um<br />

0,07% erhöhen. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung<br />

ziehen, dass zwischen der Luftverkehrsanbindung<br />

eines Lan<strong>des</strong> und seiner Wirtschaftsentwicklung<br />

ein synergetischer und wechselseitiger Zusammenhang<br />

besteht. 40<br />

Eine hohe, auch internationale Mobilität fördert<br />

auch das gesamtwirtschaftliche und regionale Innovationsniveau.<br />

Theoretische und empirische Forschungsergebnisse<br />

belegen, dass durch Luftverkehr<br />

realisierte räumliche Interaktionen zwischen – durchaus<br />

auch sehr unterschiedlichen – Wirtschaftssubjekten<br />

den Austausch, die (Weiter-)Entwicklung und<br />

die räumliche Diffusion von Ideen, technologischem<br />

Fortschritt, Verfahrens- und Prozessinnovationen<br />

und insgesamt die Herausbildung eines regionalen<br />

bzw. gesamtwirtschaftlichen innovativen Milieus<br />

fördern. 41 Diese langfristigen Wirkungen werden<br />

als Innovationseffekte bezeichnet.<br />

Auf Unternehmensbefragungen basierende Untersuchungen<br />

zur Bedeutung von Luftverkehrsanbindung<br />

als Standortfaktor für Unternehmen zeigen<br />

folgende Ergebnisse:<br />

■ Je näher ein Unternehmen an einem Flughafen<br />

gelegen ist, <strong>des</strong>to höher ist die Bedeutung, die<br />

es ihm beimisst. 42<br />

■ Luftverkehrsanbindung besitzt für Unternehmen<br />

<strong>des</strong> Dienstleistungssektors tendenziell<br />

eine größere Bedeutung als für Unternehmen<br />

<strong>des</strong> produzierenden und verarbeitenden<br />

Gewerbes. 43<br />

III. Schlussfolgerungen 111<br />

■ Bei unternehmerischen Standortentscheidungen<br />

im Falle von Neuansiedlungen ist Luftverkehrsanbindung<br />

von zunehmend größerer<br />

Bedeutung. Als noch wichtigere Standortfaktoren<br />

gelten neben der Anbindung an das<br />

Straßennetz lediglich der Zugang zu Märkten<br />

und Kunden sowie die Verfügbarkeit qualifizierter<br />

Arbeitskräfte. 44<br />

■ Bei Einschränkungen von Drehscheibenfunktionen<br />

und damit einhergehend einem Rückgang<br />

der Vielfalt und Häufigkeit von Direktverbindungen<br />

erwarten die Unternehmen Verluste an<br />

Arbeitszeit und zusätzliche Übernachtungskosten.<br />

Dabei spielen insbesondere Verbindungen<br />

in Tagesrandzeiten eine Rolle, die die Möglichkeit<br />

<strong>des</strong> Hin- und Rückflugs zu bestimmten<br />

Zielen innerhalb eines Tages ermöglichen.<br />

■ Mit Standortverlagerungen würden vor allem<br />

reiseintensive Unternehmen reagieren. Dazu<br />

gehören Unternehmen der unternehmensorientierten<br />

Dienstleistungen, ebenso aber<br />

auch Teile <strong>des</strong> verarbeitenden Gewerbes.<br />

■ Unzureichende Luftverkehrs-Kapazitäten<br />

könnten sich dämpfend auf die wirtschaftliche<br />

Entwicklung auswirken. Je nach Ausmaß der<br />

Kapazitätsengpässe kann von einem 2,5 bis<br />

3% geringeren Bruttoinlandsprodukt ausgegangen<br />

werden. 45<br />

Aus den oben beschriebenen katalytischen Wirkungen<br />

resultieren erhebliche Beschäftigungseffekte, die<br />

sich umgerechnet auf ca. 1.800 Beschäftigte pro<br />

1Million Passagiere beziffern lassen. 46<br />

39 Vgl. International Air Transport Association (IATA) (2007), a.a.O., S.4.<br />

40 Vgl. International Air Transport Association (IATA) (2007), a.a.O., S.34.<br />

41 Vgl. Camagni (1991): Innovation networks. Spatial perspectives, London, Belhaven; Maillat/Quevit/Senn (1993): Réseaux<br />

d’ innovation et milieux innovateurs: un pari pour le développement régional, Neuchâtel; Maillat (1998): Vom ‘Industrial District’<br />

zum innovativen Milieu: ein Beispiel zur Analyse der lokalisierten Produktionssyteme, „Geographische Zeitschrift“, 86, S.1–15.<br />

42 Vgl. Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.6 ff.; Eurocontrol (2005): The Economic Catalytic<br />

Effects of Air Transport in Europe. Final Report by Oxford Economic Forecasting, SEE Report No EEC/SEE/2005/004. S.33ff.<br />

43 Vgl. Pagnia (1992): Die Bedeutung von Verkehrsflughäfen für Unternehmungen: eine exemplarische Untersuchung der Flughäfen<br />

Düsseldorf und Köln/Bonn für Nordrhein-Westfalen, Frankfurt am Main; Airports Council International (ACI)<br />

Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.7; Eurocontrol (2005), a.a.O., S.33ff.<br />

44 Vgl. Cushman & Wakefield (2005): European Cities Monitor 2005, New York; Cushman & Wakefield (2006): European Cities Monitor<br />

2006, New York. Cushman & Wakefield (2007): European Cities Monitor 2007, New York; Eurocontrol (2005), a.a.O., S.33ff.<br />

45 Airports Council International (ACI) Europe/York Consulting (2004), a.a.O., S.10.<br />

46 Airports Council International (ACI) Europe (1998): Creating Employment and prosperity in Europe, Brüssel.


112<br />

III. Schlussfolgerungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Fazit<br />

Die allgemeine volkswirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong><br />

Luftverkehrs ist grundsätzlich anerkannt und wurde<br />

durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen<br />

belegt. Eine hinreichende Luftverkehrsanbindung<br />

als Standortfaktor für Investitions- und Standortentscheidungen<br />

international ausgerichteter Unternehmen<br />

spielt zusätzlich eine zentrale Rolle hinsichtlich<br />

der zukünftigen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der deutschen<br />

Volkswirtschaft. Dieser Beziehung wurde bislang jedoch<br />

sowohl in der gesellschaftspolitischen Diskussion<br />

als auch von wissenschaftlicher Seite nicht in<br />

ihrer vollen Tragweite Aufmerksamkeit gewidmet.<br />

Insbesondere Flughäfen und Fluggesellschaften mit<br />

internationalen Drehkreuzen und einem entsprechenden<br />

Umsteigeaufkommen können eine große<br />

Zahl internationaler Destinationen mit hoher Verbindungsdichte<br />

bedienen. Dies ermöglicht einen deutlich<br />

verbesserten Zugang zu internationalen Güter-,<br />

Kapital und Arbeitsmärkten. Dieser verbesserte<br />

Marktzugang stellt für die zunehmend international<br />

ausgerichteten Unternehmen Anreize für Standortund<br />

Investitionsentscheidungen zugunsten der<br />

Flughafenumlandregionen in <strong>Deutschland</strong> dar. Die<br />

Raum-Zeit-Konvergenz <strong>des</strong> internationalen Transport-<br />

und Kommunikationswesens stellt gewissermaßen<br />

die „Hardware-Voraussetzung“ für ökonomische<br />

und gesellschaftliche Internationalisierung dar. 47<br />

Die Zusammenhänge zwischen den Kapazitäten<br />

der Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> und der internationa-<br />

len <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der Flughafenumlandregionen<br />

und der deutschen Volkswirtschaft insgesamt<br />

sind offenbar erheblich. Dabei ist es sicherlich<br />

nicht so, dass Luftverkehrsanbindung und ein<br />

hohes Maß an internationaler Erreichbarkeit automatisch<br />

ein hohes Maß an Produktivität, Investitionen,<br />

Wertschöpfung, Beschäftigung und Innovation<br />

zur Folge hat. Dennoch stellt die Erschließung<br />

von Standorten und Regionen eine wenn<br />

auch nicht allein hinreichende, aber doch unbedingt<br />

notwendige Voraussetzung für die Erstellung<br />

und internationale Vermarktung von Gütern und<br />

Dienstleistungen dar. Daraus resultieren entsprechende<br />

Anforderungen an die Kapazitäten moderner<br />

und effizienter Luftverkehrsinfrastruktureinrichtungen.<br />

Im internationalen Wettbewerb der Regionen<br />

wird die effiziente Nutzung der regionalen<br />

Ressourcen von entscheidender Bedeutung sein.<br />

So könnte eine unzureichende Luftverkehrsanbindung<br />

<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume zukünftig<br />

zum limitierenden Faktor der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>s und seiner Teilräume werden.<br />

Mit entsprechend negativen Konsequenzen ist zu<br />

rechnen.<br />

Der Handlungs- und Gestaltungsspielraum zur<br />

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen<br />

in <strong>Deutschland</strong> und daraus resultierender<br />

Wertschöpfung, Beschäftigung und Wohlstand ist<br />

begrenzt. Umso mehr sollte zukünftig die Aufmerksamkeit<br />

ausdrücklich auf die Kapazitäten <strong>des</strong><br />

Luftverkehrs als dem Verkehrsträger der international<br />

vernetzten Wirtschaft gerichtet werden.<br />

47 Vgl. Blotevogel (2000): Die Globalisierung der Geographie, in Blotevorgel/Ossenbrügge/Wood (Hrsg.), Lokal verankert – weltweit<br />

vernetzt. 52. deutscher Geographentag Hamburg, Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen, Stuttgart, S.15–29.


IV. Resümee und<br />

Handlungsempfehlungen<br />

airconomy, Oliver Wyman<br />

1. Zusammenfassung<br />

Vor dem Hintergrund der Analysen gibt das vierte<br />

Kapitel Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige<br />

Luftverkehrspolitik in <strong>Deutschland</strong>. Dabei ist<br />

die Frage zu beantworten, wie die föderalen Instrumente<br />

(Zuständigkeiten der Länder für Flughafenpolitik<br />

im Zuge einer Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung)<br />

zusammen mit denjenigen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der EU-<br />

Kommission so genutzt werden können, dass sie<br />

das deutsche Luftverkehrssystem optimal für den<br />

globalen Wettbewerb und seine Entscheidungsstrukturen<br />

positionieren.<br />

■ Zukunftsfähige und einvernehmliche Luftverkehrsstrategie<br />

für die Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> definieren<br />

und mit Maßnahmen hinterlegen.<br />

Kernpunkte dieser Strategie sind insbesondere<br />

verzerrungsfreie nationale und internationale<br />

Wettbewerbsbedingungen sowie die<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 113<br />

Verabschiedung eines Flughafenkonzeptes<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, das eine zukunftsweisende,<br />

koordinierte Entwicklung ermöglicht.<br />

Bei der Strategie-Definition ist die Bedeutung<br />

einer engen Systempartnerschaft über die<br />

gesamte Luftverkehrs-Wertschöpfungskette<br />

zu berücksichtigen.<br />

■ Infrastrukturprojekte, die für die Entwicklung<br />

der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> von erheblicher<br />

Bedeutung sind, priorisieren. Dazu zählt u.a.<br />

der nachfragegerechte Ausbau von Flughäfen<br />

und ihrer intermodalen Anbindung.<br />

■ Konsequente Umsetzung der Harmonisierung<br />

und effiziente Nutzung <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftraums (Single European Sky).<br />

■ Forschung und Lehre zu den Themen <strong>des</strong><br />

Luftverkehrs in <strong>Deutschland</strong> erweitern,<br />

fokussieren und finanziell stärken.


114<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

2. Starke Position durch hervorragende Vernetzung<br />

im deutschen Luftverkehr halten<br />

Die verschiedenen Untersuchungen zeigen zwei<br />

Sachverhalte sehr klar:<br />

■ Das deutsche Luftverkehrssystem ist heute<br />

insgesamt wettbewerbsfähig.<br />

■ Die Wettbewerbsstärke ist begründet, erstens,<br />

in der optimalen Ausnutzung der vorhandenen<br />

Infrastruktur, zweitens, in der<br />

überlegenen Effizienz der Beförderung umsteigender<br />

Passagiere, und drittens, in den<br />

sehr hohen Synergieeffekten zwischen den<br />

beiden deutschen Hubs und den „dezentralen“<br />

Flughäfen.<br />

Diese Wettbewerbsvorteile kommen weder umsonst<br />

noch sind sie ungefährdet. Umsteigende<br />

Passagiere sind in der Wahl ihrer Umsteigeorte frei.<br />

Sie können sich sehr schnell und einfach auf andere<br />

Umsteige-Hubs außerhalb <strong>Deutschland</strong>s umorientieren.<br />

Gründe könnten schnellere, pünktlichere,<br />

billigere oder angenehmere Umsteigeprozesse<br />

(Sicherheitskontrollen, Gepäckbeförderung, Check-<br />

In, Duty-Free etc.) an anderen Flughäfen sein.<br />

Planungs- und Genehmigungsprozesse für Infrastrukturentwicklungen<br />

laufen in anderen Ländern<br />

oft erheblich schneller. Es soll <strong>des</strong>halb kurz beleuchtet<br />

werden, an welche operativen, strategischen<br />

und regulativen Voraussetzungen die zukunftsfähige<br />

Wettbewerbsstärke <strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems<br />

gebunden ist.<br />

Erstens: Transfer-Effizienz braucht ausreichend<br />

und damit bedarfsgerecht wachsende Infrastruktur<br />

Wie oben dargelegt, erfordert die Abhängigkeit <strong>des</strong><br />

deutschen Luftverkehrssystems vom Umsteigeverkehr<br />

überlegene Konnektivität der Flugplanstrukturen,<br />

überlegene Verbindungen zwischen der deutschen<br />

Fläche und den beiden Hubs und überlegene<br />

Prozesseffizienz. Es wurde insbesondere aufgezeigt,<br />

wie sensibel der Erfolg und die Wachstumsperspektiven<br />

von Hubs vom Umfang der zugrundeliegenden<br />

Flugbewegungen bestimmt werden<br />

und wie restriktiv sich Infrastrukturbeschränkungen<br />

auswirken. All dies belegt die überragende Bedeutung<br />

qualitativ hochwertiger und ausreichender<br />

Infrastruktur. Infrastrukturdefizite am Boden oder<br />

im Luftraum treffen die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />

deutschen Luftverkehrssystems härter als andere.<br />

Infrastrukturvorhaben wie z.B. die überaus zügigen<br />

und gewaltig dimensionierten Flughafen-Neubauten<br />

in der Golf-Region bedrohen die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

<strong>des</strong> deutschen und europäischen Luftverkehrssystems<br />

dabei im Kern. Hinzu kommt, dass<br />

solche neuen und sehr schnell wachsenden Infrastrukturprojekte<br />

nicht nur, politisch gefordert und<br />

gefördert, schneller umgesetzt werden. Min<strong>des</strong>tens<br />

ebenso ausschlaggebend ist die Tatsache, dass,<br />

politisch gefordert und gefördert, die beteiligten<br />

Flughäfen, Fluggesellschaften und, wenn auch<br />

zeitlich verzögert, Flugsicherungsorganisationen<br />

der gleichen Strategie folgen.<br />

Die wettbewerblich und ordnungspolitisch angemessene<br />

Reaktion hierauf kann nur der langfristig<br />

ausgerichtete und zügige Ausbau der Infrastruktur<br />

<strong>des</strong> deutschen Luftverkehrssystems sein. Begrenzte<br />

Mittel müssen <strong>des</strong>halb länderübergreifend priorisiert<br />

Engpässe beseitigen und buchstäblich „Luft<br />

schaffen“. Luftverkehrs-Standorte müssen substanzielle<br />

und dauerhaft belastbare Wettbewerbsvorteile<br />

bieten oder sie verlieren ihre Zukunftsfähigkeit.<br />

Dabei wird eines oft vergessen: Zwar<br />

kann es Stimulierungseffekte auf Nachfrage durch<br />

zusätzliche Flugangebote geben. Dies darf aber<br />

nicht davon ablenken, dass Infrastruktur grundsätzlich<br />

nach tatsächlichem Bedarf ausgebaut werden<br />

muss. Die Nachfrage muss über das Angebot<br />

entscheiden, nicht umgekehrt.<br />

Zweitens: Überlegene Transfer-Effizienz braucht<br />

überlegene Prozess-Effizienz<br />

Transfer-Wettbewerb ist vor allem ein Wettbewerb<br />

um Zeitvorteile. Dabei ist ein Umsteigeflug<br />

erst dann wirklich schnell, wenn eine im veröffentlichten<br />

Flugplan als schnell beworbene<br />

Verbindung auch tatsächlich und regelmäßig so<br />

schnell bedient wird wie vom Passagier erwartet.<br />

Insofern gehören höchste Prozess-Disziplin und<br />

höchste Prozess-Effizienz gerade im Zusammen-


hang mit Umsteigeverkehren untrennbar zusammen.<br />

Eine maßgebliche Voraussetzung ist beispielsweise<br />

ein reibungsloser Gepäckförderprozess.<br />

Der Faktor Zeit als Schlüsselkriterium für die Weiterentwicklung<br />

aller Abläufe im Zusammenhang<br />

mit Umsteigeverkehren ist kritisch und darf nicht<br />

verwässert werden.<br />

Dabei darf die Perspektive nicht auf die unmittelbaren<br />

Passagierprozesse verengt werden: Eine dem<br />

Wettbewerb überlegene Transfer-Effizienz kann<br />

nur gelingen, wenn alle Flugsicherungs-, Fluglinienund<br />

Flughafenprozesse optimal und ganzheitlich<br />

aufeinander abgestimmt sind. Ein Beispiel hierzu:<br />

Aus operativer Sicht gibt es vor allem einzelne<br />

„Flüge“: Flüge kommen an und fliegen wieder ab,<br />

Flüge müssen abgefertigt werden. Prozesse aber,<br />

die lediglich „Flüge“ optimieren, verfehlen das Ziel:<br />

Es kommt entscheidend darauf an, Verbindungen<br />

zu optimieren, zu beschleunigen, zu stabilisieren.<br />

Dazu müssen alle Beteiligten den Wert von Flugverbindungen<br />

kennen, um Flüge als Bausteine von<br />

Verbindungen richtig priorisieren zu können. Die<br />

Verbindungswertigkeit als durchgängiges Kriterium<br />

aller Prozesse einer Wertschöpfungskette bietet<br />

noch Spielräume zur Verbesserung der Position <strong>des</strong><br />

deutschen Luftverkehrsmarktes im Wettbewerb um<br />

Transferpassagiere.<br />

Wenn Transfer-Effizienz also ganz wesentlich Wettbewerb<br />

um Zeitvorteile ist, dann müssen Umsteigeverbindungen<br />

in möglichst kurzer Zeit produziert<br />

werden können. Dabei gelten flughafenspezifische<br />

Min<strong>des</strong>tzeiten für Umsteigeverbindungen, die im<br />

Umsteige-Angebot der Fluggesellschaften nicht<br />

unterschritten werden dürfen. Wird die durchschnittliche<br />

effektive Umsteigezeit aller sinnvollen<br />

Verbindungen an verschiedenen relevanten Flughäfen<br />

und Hubs in Europa verglichen, dann liegt<br />

München mit einer effektiven durchschnittlichen<br />

Umsteigezeit von 60 Minuten klar an der Spitze,<br />

gefolgt von Wien mit 65 Minuten (obwohl die<br />

Min<strong>des</strong>tumsteigezeit in Wien mit 25 Minuten um<br />

5 Minuten kürzer ist als in München). Paris Charles<br />

de Gaulle folgt mit einer effektiven Umsteigezeit<br />

von im Schnitt 84 Minuten, Amsterdam mit<br />

89 Minuten, Frankfurt mit 92 Minuten und schließlich<br />

London als langsamster Umsteige-Hub deutlich<br />

1 Quelle: OAG 2007.<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 115<br />

abgeschlagen mit 111 Minuten. Zum Vergleich: die<br />

sehr viel größeren Hubs in den USA liegen im Bereich<br />

von 67 Minuten (Detroit) bis 75 Minuten<br />

(Chicago O’Hare). 1 US-Hubs sind sowohl größer<br />

als auch gleich schnell oder sogar schneller als ihre<br />

europäischen Pendants. Es ist also nicht die reine<br />

Größe, die einen Hub langsam macht, sondern vor<br />

allem Prozess-Ineffizienz und unzureichende Infrastruktur.<br />

Gerade kapazitiv unzureichende Infrastrukturen<br />

schlagen sich sehr leicht und stark in<br />

Verspätungen und langen Durchlaufzeiten kritischer<br />

Prozesse nieder.<br />

Die meisten europäischen Hubs leiden unter infrastrukturellen<br />

Einschränkungen, die je<strong>des</strong> einzelne<br />

Hubsystem langsam macht. Dies ist besonders<br />

augenfällig, wenn der Unterschied zwischen dem<br />

erst jüngst ausgebauten und sehr schnellen Hub<br />

München und dem vergleichsweise langsameren in<br />

Frankfurt verglichen wird, <strong>des</strong>sen Ausbau mehr als<br />

überfällig ist. Dieses Beispiel zeigt, wie unzureichende<br />

Infrastruktur sich in Zeitnachteile übersetzt<br />

und diese sich schließlich in Wettbewerbsnachteile<br />

manifestieren können. Umso wichtiger ist, dass<br />

diese ohnehin schon nur noch unterdurchschnittlichen<br />

Umsteigezeiten im internationalen Wettbewerb<br />

um Zeitvorteile nicht durch neue regulative<br />

Auflagen weiter belastet werden.<br />

Drittens: Transfer-Effizienz braucht die Synergien<br />

<strong>des</strong> Verbund-Systems<br />

Das Verbundsystem mit seinen offenkundigen<br />

Vorteilen für alle muss mit allem Nachdruck weiterentwickelt<br />

werden. Dieser Verbund ist nicht <strong>des</strong>halb<br />

entstanden, weil seine Sinnhaftigkeit zentral<br />

geplant worden wäre. Der Verbundeffekt ist <strong>des</strong>halb<br />

entstanden, weil er für Passagiere und kleine<br />

wie große Flughäfen sowie die Netzwerkfluggesellschaften<br />

in <strong>Deutschland</strong> ökonomisch vorteilhaft<br />

(und diese Vorteilhaftigkeit offensichtlich) ist. Dies<br />

ist angesichts der föderalen Verantwortlichkeiten<br />

für den Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong> nicht selbstverständlich.<br />

Das föderale Prinzip hat einen erheblichen Anteil<br />

an der sehr guten Infrastruktur in den Ländern<br />

und Wirtschaftsregionen. Die übergreifenden


116<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Gestaltungsinstrumente in <strong>Deutschland</strong> sind aber<br />

weder materiell noch hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit<br />

ausreichend stark, um die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

im Umsteigeverkehr wirksam absichern<br />

zu können. Dadurch kommt es zu Zeitverlusten,<br />

hohen Planungskosten und fehlgeleiteten Investitionen<br />

in fragwürdige Infrastrukturprojekte.<br />

Gestaltungsinstrumente wie das Flughafenkonzept<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der Masterplan Güterverkehr<br />

und Logistik sind <strong>des</strong>halb Schritte in die<br />

richtige Richtung. Diese Instrumente müssen aber<br />

sowohl materiell als auch hinsichtlich ihrer politischen<br />

Verbindlichkeit verstärkt werden, um die<br />

<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> mit zentral gesteuerten<br />

Märkten in anderen europäischen Ländern dauerhaft<br />

aufrecht erhalten zu können. Solche übergeordneten<br />

Gestaltungsinstrumente müssen dabei<br />

jeder Versuchung widerstehen, Rahmenbedingungen<br />

der internationalen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der<br />

Luftverkehrs-Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong><br />

durch zusätzliche Auflagen weiter zu<br />

erschweren.<br />

Luftverkehr braucht Nachtflüge<br />

Drei Nachfragesegmente erfordern Nachtflüge:<br />

■ Langstreckenflüge müssen aus <strong>Deutschland</strong><br />

nachts abfliegen, damit Fluggäste am Zielort<br />

zur nachgefragten Zeit ankommen oder umsteigen<br />

können, oder sie müssen nachts<br />

ankommen dürfen, wenn sie nachgefragte<br />

Abflugzeiten bedienen wollen. Zugleich müssen<br />

Langstreckenflüge nachfragegerecht<br />

durch Zu- und Abbringerflüge bedient werden<br />

können. Durch Nachtflugverbote wird<br />

Nachfrage nicht „umgewöhnt“, sondern zu<br />

bzw. über Wettbewerberstandorte umgeleitet.<br />

Beispielsweise werden über Dubai heute<br />

schon sehr viele Umsteigeverbindungen über<br />

Nacht angeboten und entziehen so dem<br />

deutschen Luftverkehrssystem wichtige<br />

Nachfrage. Abflüge aus der Golfregion nach<br />

<strong>Deutschland</strong> starten typischerweise schon<br />

gegen 2.00 oder 3.00 Uhr in der Nacht, um<br />

zu Geschäftsbeginn in <strong>Deutschland</strong> ankommen<br />

oder die erste Welle der Umsteigemöglichkeiten<br />

erreichen zu können. Der Rückflug<br />

in die Golfregion startet dann optimal zu Geschäftsbeginn<br />

am Morgen. Der umgekehrte<br />

Fall ist nicht möglich.<br />

■ Luftfracht ist per Definition zeitkritisch. Immer<br />

mehr werden Lieferzeiten am frühen Morgen<br />

verlangt, die nur möglich sind, wenn die<br />

(insbesondere z.B. verderbliche) Fracht über<br />

Nacht zum Zielort geflogen werden kann. Die<br />

gesamten Logistikketten der großen Produktionsunternehmen<br />

am Export-Standort<br />

<strong>Deutschland</strong> werden heute auf just-in-time<br />

feingesteuert. Dabei sind die Logistikketten<br />

typischerweise über viele beteiligte Unternehmen<br />

verteilt. Der Golf in Wolfsburg kann nur<br />

dann pünktlich ausgeliefert werden, wenn die<br />

Chips aus Übersee für die Produktion der<br />

elektronischen Motorsteuerung in Stuttgart<br />

auf die Minute pünktlich angeliefert werden<br />

und das Steuerungsmodul dann pünktlich in<br />

Wolfsburg ankommt. Pünktlichkeit ist Voraussetzung<br />

für das notwendige Ineinandergreifen<br />

der vielfach verketteten, modernen<br />

Produktionsverfahren und Transportwege.<br />

Luftfracht ist die einzige Möglichkeit, eine<br />

solche Pünktlichkeit für Transporte über längere<br />

Distanzen und/oder mit der Notwendigkeit<br />

sehr kurzer Transportzeiten sicherzustellen.<br />

Nachtflugverbote brechen solche Ketten<br />

aber rücksichtslos und mit erheblichen potenziellen<br />

Folgewirkung auf die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

aller betroffenen Produktionsketten<br />

auf. Auch hier gilt: Nachtflugverbote reduzieren<br />

nicht die Nachfrage, sondern verlagern sie<br />

lediglich. Nachtflugverbote können die Standortqualität<br />

und damit Standortentscheidungen<br />

erheblich beeinflussen.<br />

■ Ferienflüge können wegen der relativ langen<br />

Flugwege von <strong>Deutschland</strong> zu den typischen<br />

Mittelmeer<strong>des</strong>tinationen (2 bis 5 Stunden)<br />

nur dann eine wirtschaftlich vertretbare Flugzeugauslastung<br />

erreichen, wenn die Flüge<br />

sehr früh am Morgen starten, im Laufe <strong>des</strong><br />

Tages mehrere vollständige Umläufe (häufig<br />

zu unterschiedlichen Destinationen mit<br />

unterschiedlicher Fluglänge als wichtigem<br />

Optimierungsinstrument) in die Zielgebiete<br />

fliegen und sehr spät am Abend wieder in<br />

<strong>Deutschland</strong> landen können. Reicht die Zeit<br />

nicht mehr für einen weiteren vollständigen<br />

Umlauf wegen zu knapper Nachtflugbeschränkungen,<br />

muss das Flugzeug am Boden<br />

bleiben, Passagiere können nicht mehr transportiert<br />

werden. Damit reduziert sich die


Flugzeugauslastung schlagartig um viele<br />

Stunden (dem Äquivalent eines fast vollständigen<br />

Umlaufes), die Flugkosten würden unweigerlich<br />

nach oben schnellen und Umsätze<br />

entfallen.<br />

Die herausragende Bedeutung von Langstreckenverkehren,<br />

Luftfracht und Ferienflügen für den<br />

Standort <strong>Deutschland</strong> ist in den vorigen Kapiteln<br />

ausführlich belegt worden. Es sei <strong>des</strong>halb an dieser<br />

Stelle nur ein Aspekt hinzugefügt: Nachtflugeinschränkungen<br />

sollten vorrangig Innovationsdruck<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 117<br />

auf leisere Flugzeuge ausüben und solche Innovationen<br />

belohnen. Eine Zulassung nächtlicher Frachtflüge<br />

bei gleichzeitigem Verbot von Passagierflügen<br />

ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern setzt<br />

sehr einseitig auf das innovationsfeindliche Instrumentarium<br />

einfacher Verbote. Allen Beteiligten<br />

wäre im Sinne einer nachhaltigen Lösung viel besser<br />

gedient, wenn auch für die Nachtzeit Lärm-Schwellenwerte<br />

definiert würden, die dann qua Innovationsdruck<br />

positive Beschäftigungseffekte auslösen<br />

und nächtlichem Luftverkehr am Standort <strong>Deutschland</strong><br />

eine Perspektive erhalten könnten.<br />

3. Gibt es noch einen „deutschen Luftverkehrsmarkt“?<br />

Wie weiter oben dargelegt, reichen die relevanten<br />

Einzugsgebiete deutscher Flughäfen oft sehr weit<br />

über die deutschen Grenzen hinaus. Umgekehrt<br />

reicht z.B. das Einzugsgebiet <strong>des</strong> Flughafens<br />

Amsterdam bis tief ins Ruhrgebiet hinein. Die<br />

weit überwiegende Zahl der Destinationen der<br />

Lufthansa liegt außerhalb <strong>Deutschland</strong>s. Durch<br />

den Erwerb der Swiss mit ihrem Hub in Zürich<br />

(ZRH) hat die Lufthansa sogar einen bedeutenden<br />

Hub außerhalb (wenn auch luftverkehrsrechtlich<br />

quasi innerhalb) der EU in ihr Netz integriert.<br />

Sicher gibt es noch einen spezifisch deutschen<br />

Absatzmarkt. Aber auch hier verwischen die<br />

Grenzen durch den weltweit zentralisierten Einkauf<br />

von Reiseleistungen der großen Konzerne.<br />

Die Vorstellung eines „deutschen Luftverkehrsmarktes“<br />

ist also angesichts heutiger Marktwirklichkeit<br />

weitgehend irreal.<br />

Eine global im Wettbewerb stehende Luftverkehrsgesellschaft<br />

kann heute nur noch unter sehr günstigen<br />

Bedingungen auf ein Netz mehrerer großer<br />

Hubs verzichten. Mit der Notwendigkeit, eigene<br />

Märkte über Allianzen, Kooperationen oder Zukäufe<br />

auch geografisch erheblich zu vergrößern, stellt<br />

sich für Lufthansa, Air France-KLM oder British<br />

Airways immer häufiger die Frage, inwiefern ein<br />

ausgeweitetes Netz auch durch zusätzliche Hubs<br />

ausgestattet werden muss bzw. bestehende Hubs<br />

im Zuge von Akquisitionen erhalten werden sollen.<br />

Wie ihre Wettbewerber auch ist Lufthansa längst<br />

vom Single-Hub-„National Carrier“ zur europäischen<br />

Fluggesellschaft mit einem Multi-Hub-Netzwerk<br />

gewachsen.<br />

Luftverkehrspolitik als Standortpolitik muss also<br />

deutsche Marktteilnehmer für den internationalen<br />

Wettbewerb stärken. Deutsche Luftverkehrs-<br />

Standortpolitik muss die Rahmenbedingungen<br />

dazu schaffen, dass sich die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

deutscher Teilnehmer am internationalen Wettbewerb<br />

in möglichst viele und möglichst qualifizierte<br />

Arbeitsplätze in <strong>Deutschland</strong> übersetzt. Darüber<br />

hinaus dürfen durch regulatorische Eingriffe keine<br />

Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Zu einer<br />

solchen Standortpolitik für den Luftverkehr gehört<br />

die gezielte Förderung von Forschung und Lehre<br />

aller Luftverkehrsthemen, nicht nur im technischen,<br />

sondern zunehmend auch im betriebs- und volkswirtschaftlichen<br />

Kontext.


118<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

4. Die Hubs in <strong>Deutschland</strong> werden international<br />

zunehmend austauschbar<br />

Der Druck auf Luftverkehrs-Standortpolitik steigt.<br />

Durch die Konsolidierung der Luftverkehrsunternehmen<br />

weltweit entstehen Strukturen, in denen<br />

lokale Standorte zunehmend austauschbar werden.<br />

In den USA hat Delta Air Lines ihre Drehscheiben-Operations<br />

in Dallas Fort Worth kurzerhand<br />

auf die Größe eines Regionalflughafens<br />

zurückdimensioniert (American Airlines bleibt aber<br />

unverändert stark in Dallas Fort Worth), da dieser<br />

Hub für Delta ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen<br />

war. US Airways hat ähnlich radikal seinen<br />

Hub in Pittsburgh zurückgestutzt. Im Zuge der<br />

gegenwärtigen Zusammenschluss-Verhandlungen<br />

zwischen Delta Air Lines und Northwest Airlines<br />

wird offen die Schließung der Hubs in Cincinnati<br />

und Memphis erwogen. Im Zuge der Sanierung<br />

Die Europäische Union hat mit großer Kraftanstrengung<br />

in 2004 das Paket „Single European Sky I“<br />

verabschiedet und damit den Weg bereitet für eine<br />

substanzielle Vereinheitlichung <strong>des</strong> europäischen<br />

Luftraums. Das jüngst vorgelegte Paket „Single<br />

European Sky II“ hat die Entschlossenheit der EU-<br />

Kommission zu konkreten Schritten nochmals betont<br />

und verstärkt. Gleichwohl besteht Sorge angesichts<br />

der bestenfalls schleppenden Entwicklung dringend<br />

notwendiger Modernisierungen der Geschäfts- und<br />

Governance-Modelle und auch technischer Infrastrukturen<br />

im Bereich der europäischen Flugsicherung.<br />

SES I und SES II formulieren Ziele und Kriterien,<br />

zeichnen aber kein konkretes gesamtheitliches<br />

Szenario zukünftiger Entwicklung. Einerseits lässt<br />

dies Gestaltungsspielräume offen, andererseits lädt<br />

dies zu sehr langen Konsensbildungsprozessen ein.<br />

Manche dieser Konsensbildungsprozesse sind bereits<br />

gescheitert (z.B. CEATS, Central European Air Traffic<br />

Services). In der Sache ist trotz SES I und SES II in<br />

Europa zu wenig Messbares geschehen. In 2007<br />

der Swiss wurde die Drehscheibe Genf praktisch<br />

aufgelöst. Es besteht kein Zweifel: Die großen<br />

Multi-Hub-Systeme führen zu immer größerer<br />

Austauschbarkeit der einzelnen Hubs. Diese Beispiele<br />

zeigen, dass die Daseinsberechtigung von<br />

Luftverkehrsstandorten heute sehr schnell in Frage<br />

gestellt werden kann, wenn diese Standorte ihre<br />

<strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> eingebüßt haben. Und<br />

immer weniger taugt die nationale oder regionalpolitische<br />

Karte als Stich, um Standorte gegen<br />

ökonomische Vernunft aufrechtzuerhalten. Es<br />

kommt also entscheidend darauf an, die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

der Kapazität, Infrastruktur, Kosten<br />

und nicht zuletzt die intermodale Anbindung der<br />

Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> konsequent zu erhalten<br />

und auszubauen.<br />

5. Dringend erforderliche Reformen zur Effizienzsteigerung<br />

der Nutzung von Lufträumen in Europa werden nicht<br />

umgesetzt<br />

mahnte der Bericht der „High Level Group“ im<br />

Auftrag der EU-Kommission sehr nachdrücklich<br />

konkrete Schritte und einen klaren Zeitplan der<br />

Umsetzung an – bislang ohne Folgen. Alle Flugsicherungsunternehmen<br />

(Air Navigation Service Provider,<br />

ANSP) und Regierungen der Mitgliedsländer beraten<br />

intensiv die Möglichkeiten, größere und einheitliche<br />

Lufträume zu schaffen (sog. Functional Airspace<br />

Blocks, FABs), vielfach ohne aber bisher über das<br />

Beratungsstadium hinauskommen zu können.<br />

Die Bemühungen der DFS Deutsche Flugsicherung<br />

GmbH als einem der größten ANSP in Europa, seine<br />

europäische Handlungsfähigkeit in einem SES-Szenario<br />

durch eine Kapital-Teilprivatisierung überhaupt<br />

erst herzustellen, sind aufgrund verfassungsrechtlicher<br />

Vorbehalte auf Eis gelegt worden. Nicht einmal<br />

die Fußfesseln der Bun<strong>des</strong>haushaltsordnung wurden<br />

gelockert. Hinzu kommt, dass die nur noch begrenzte<br />

Legislatur <strong>des</strong> EU-Parlamentes und damit der<br />

gegenwärtigen Kommission keine große Hoffnung


auf Beschlüsse zur Umsetzung von SES II und einen<br />

detaillierteren Rechtsrahmen für die Schaffung von<br />

FABs begründen können. Ungeachtet aller Diskussionen<br />

über die Ausgestaltung von FABs, über Technologien<br />

wie „SESAR“, über geeignete oder ungeeignete<br />

Verantwortungsstrukturen für SES wird es<br />

höchste Zeit, endlich zu entscheiden und umzusetzen.<br />

Hierbei geht es auch um Fragen, die für die an<br />

SES beteiligten Flugsicherungsorganisationen ausge-<br />

Ebenso wie es innerhalb Europas keinen deutschen,<br />

sondern nur noch einen integrierten europäischen<br />

Luftverkehrsmarkt gibt, werden auch die Entscheidungsstrukturen<br />

und Entscheidungskriterien im<br />

Luftverkehr immer globaler. Für den Standort ist<br />

dabei entscheidend, dass die Ausweitung der Sichtund<br />

Handlungsweise auf den globalen Wettbewerb<br />

nicht vorrangig aus partikulärem Interesse, sondern<br />

aus den Erfordernissen der gesamten Wertschöpfungskette<br />

heraus vorangetrieben wird. Deshalb ist<br />

die Systempartnerschaft zwischen Fluggesellschaften,<br />

Flughäfen, Flugsicherung und der Administration<br />

entscheidend wichtig für das Entwickeln und<br />

Durchsetzen von Standortvorteilen. Gleichwohl<br />

aber holen andere Standorte, insbesondere Frankreich,<br />

hier sehr schnell auf und der Vorsprung <strong>des</strong><br />

deutschen Systems in dieser Hinsicht schmilzt rapide.<br />

Umso mehr kommt es darauf an, das Zusammenspiel<br />

der deutschen Akteure beispielsweise auch<br />

im europäischen Kontext zu stärken. Dies gilt insbesondere<br />

vor dem Hintergrund, dass zwischen allen<br />

großen europäischen Netzwerkfluggesellschaften<br />

und Hubs Interessensgleichheit besteht, die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> Europa<br />

insgesamt gegenüber aufstrebenden Standorten<br />

beispielsweise in der Golf-Region oder in Asien zu<br />

stärken. Hier einen Schulterschluss zu erzielen, liegt<br />

aus den genannten Gründen im deutschen Interesse<br />

mehr noch als in demjenigen der anderen europäischen<br />

Luftverkehrsstandorte.<br />

An den Schaltstellen <strong>des</strong> internationalen Luftverkehrs<br />

sind deutsche Passagiere und Flughäfen eine<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 119<br />

glichene Rahmenbedingungen auf EU-Ebene fördern.<br />

Für die Lösung der massiven Engpassprobleme<br />

im Luftraum über Europa gibt es keine Lösungen auf<br />

der Ebene der Mitgliedsländer, sondern nur auf der<br />

Ebene Europas. <strong>Deutschland</strong> mit seiner zentralen<br />

verkehrsgeografischen Lage hat ein vitales Interesse<br />

daran, sehr rasch Planungs- und Handlungssicherheit<br />

herzustellen – mehr als fast alle anderen Mitgliedsländer<br />

der EU.<br />

6. Wie föderal können die regulativen Entscheidungsstrukturen<br />

im deutschen Luftverkehr bleiben angesichts<br />

einer rapide globalisierenden Luftverkehrsindustrie?<br />

Entscheidungsgröße unter mehreren, wenn nicht<br />

unter vielen anderen. Weiter oben wurde die zunehmende<br />

Austauschbarkeit der Einzelmärkte in<br />

diesem Zusammenhang diskutiert. Die weltweiten<br />

Allianzen Star Alliance, Sky Team oder One World<br />

globalisieren die Regeln der Ressourcenallokation<br />

und Entscheidungsfindung weiter. Währungsrisiken<br />

sind für die Bilanzen der Luftverkehrsgesellschaften<br />

von derart fundamentaler Bedeutung geworden,<br />

dass Standortfragen zunehmend auch unter dem<br />

Gesichtspunkt <strong>des</strong> „risk exposure“ diskutiert werden.<br />

Es sind global orientierte Fragen wie z.B. nach den<br />

„National Ownership Clauses“, also der luftverkehrsrechtlichen<br />

Bindung von Verkehrsrechten an „nationale“<br />

Eigentumsstrukturen, deren Beantwortung die<br />

globale Branchenstruktur bestimmen werden.<br />

Auch Flughafenbetreiber investieren inzwischen<br />

global, nicht zuletzt um Abhängigkeiten von einzelnen<br />

Standorten auszugleichen. Die Kapitalmärkte<br />

haben ihren Druck in dieser Richtung zumin<strong>des</strong>t<br />

auf die privatisierten Flughäfen in den letzten<br />

Jahren deutlich erhöht.<br />

Passagier-Umsteigeverkehre dürfen nicht mit<br />

LKW-Transitverkehren verwechselt werden<br />

Passagier-Umsteigeverkehre und LKW-Transitverkehre<br />

sind strukturell, strategisch und ökonomisch<br />

nicht vergleichbar. Die Gründe, internationale<br />

LKW-Transitverkehre in der aktuellen verkehrspolitischen<br />

Diskussion in <strong>Deutschland</strong> in Frage zu<br />

stellen, mögen kontrovers zu diskutieren sein. Es


120<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

kann allerdings keinen Zweifel an der zwingenden<br />

Notwendigkeit und immensen Werthaltigkeit umsteigender<br />

Passagiere für den Luftverkehrsstandort<br />

<strong>Deutschland</strong> geben. Weiter oben wurde die hohe<br />

Bedeutung von Umsteigeverkehren im deutschen<br />

Systemverbund der Flughäfen und Hubs belegt.<br />

Die gleiche Logik gilt für international umsteigende<br />

Fluggäste: Sie sind Voraussetzung für die wirtschaftliche<br />

Darstellbarkeit sehr vieler Verbindungen,<br />

die ansonsten den Geschäfts- und Privatreisenden<br />

aus den internationalen Flughäfen in<br />

<strong>Deutschland</strong> nicht zur Verfügung stünden. Die<br />

originäre Nachfrage nach Punkt-zu-Punkt-Verbindungen<br />

reicht vielfach nicht aus, um solche Flüge<br />

wirtschaftlich betreiben zu können. Die Vernetzung<br />

<strong>des</strong> Flugangebotes für Passagiere in <strong>Deutschland</strong><br />

mit internationalen Umsteigepassagieren ist daher<br />

zwingende Voraussetzung und im vitalsten Interesse<br />

eines dichten und breiten Angebotes für Nachfrage,<br />

die in <strong>Deutschland</strong> entsteht oder hier ihr Ziel<br />

hat. Im Übrigen beträgt der Anteil der International-nach-International<br />

in Frankfurt oder München<br />

angebotenen Flugverbindungen in Frankfurt mit<br />

63% und München mit 57% aller Verbindungen<br />

sogar deutlich weniger als in Amsterdam mit 98%,<br />

Paris Charles de Gaulle 74%, London Heathrow<br />

7. Was zu tun ist<br />

Vor dem Hintergrund aller geschilderten Analysen<br />

und Schlussfolgerungen ist die Frage zu stellen, wie<br />

die föderalen Instrumente (Zuständigkeiten der<br />

Länder für Flughafenpolitik im Zuge einer Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung)<br />

zusammen mit denjenigen <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> und der EU-Kommission so genutzt werden<br />

können, dass sie das deutsche Luftverkehrssystem<br />

optimal für den globalen Wettbewerb und seine<br />

Entscheidungsstrukturen positionieren.<br />

Das folgende Maßnahmenpaket soll dazu beitragen,<br />

die <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> zu erhalten und auszubauen:<br />

Zukunftsfähige Luftverkehrsstrategie definieren<br />

Eine klare und einvernehmliche Strategie für die<br />

zukunftsfähige Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> ist unverzichtbar. Ein zukunfts-<br />

72%. Lediglich Madrid hängt mit 22% seiner<br />

Verbindungen von International-International<br />

Verbindungen ab. Im Kapitel I. 2.4.1 dieses Berichtes<br />

werden die entsprechenden Nachfragezahlen<br />

genannt. Hinzu kommt, dass auch international<br />

umsteigende Passagiere den in <strong>Deutschland</strong> ansässigen<br />

Luftverkehrsgesellschaften Umsätze<br />

bescheren, auf den Flughäfen in <strong>Deutschland</strong> in<br />

erheblichem Umfang gastronomische und andere<br />

Handelsangebote in Anspruch nehmen, und sich<br />

durch Gebühren für Starts, Landungen und Flugsicherungsleistungen<br />

positiv im Bruttoinlandsprodukt<br />

niederschlagen und somit einen wichtigen<br />

Beitrag zur Wertschöpfung leisten.<br />

Der Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> kann auf<br />

international umsteigende Verkehre ohne ganz<br />

erhebliche Einbußen für Passagiere von und nach<br />

<strong>Deutschland</strong> nicht verzichten. International umsteigende<br />

Verkehre sind conditio sine qua non für den<br />

Bestand und die Zukunftsfähigkeit eines nachfragegerechten<br />

Flugangebotes an Privat- und Geschäftsreisende<br />

in der Fläche <strong>Deutschland</strong>s. Mögliche<br />

Schlussfolgerungen aus der oben dargelegten<br />

LKW-Debatte dürfen also nicht auf das Thema<br />

Luftverkehr übertragen werden.<br />

fähiger Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong> braucht<br />

eine umfassende und explizite Vorstellung darüber,<br />

■ wie sich die deutschen, europäischen und<br />

globalen Luftverkehrsmärkte entwickeln,<br />

welche Verkehrssegmente wie stark wachsen<br />

oder schrumpfen werden und welches die<br />

Treiber dieser Trends sind,<br />

■ wie sich miteinander im Wettbewerb stehende<br />

europäische oder andere relevante Luftverkehrsstandorte<br />

angesichts ihrer jeweiligen<br />

Stärken, Schwächen und Möglichkeiten entwickeln<br />

und im Wettbewerb bewegen können,<br />

■ mit welchen spezifischen Stärken der Standort<br />

<strong>Deutschland</strong> sich diesen Entwicklungen gegenüber<br />

aufstellen muss und welche Stärken<br />

hierzu ausgebaut werden müssen,<br />

■ welches die infrastrukturellen, regulativen<br />

und wettbewerblichen Voraussetzungen einer


erfolgreichen Positionierung in einem zukünftigen<br />

Wettbewerbsgefüge sein werden und<br />

wie diese Voraussetzungen am Standort<br />

<strong>Deutschland</strong> erfüllt werden können.<br />

Aus diesen Aspekten <strong>des</strong> strategischen „Schachspiels“<br />

muss der Weg und müssen die Maßnahmen<br />

und realistischen Meilensteine abgeleitet werden, die<br />

diese Strategie politisch und operativ unterlegen.<br />

Ganz wesentliche Inhalte einer zukunftsweisenden<br />

Strategie für den Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong><br />

müssen die Notwendigkeiten verzerrungsfreier<br />

Wettbewerbsbedingungen am Standort und im<br />

internationalen Wettbewerb ebenso beinhalten wie<br />

die Bedeutung enger Systempartnerschaft über die<br />

gesamte Luftverkehrs-Wertschöpfungskette am<br />

Luftverkehrsstandort <strong>Deutschland</strong>:<br />

■ Ein fairer und verzerrungsfreier Wettbewerb<br />

in allen Bereichen <strong>des</strong> Luftverkehrs an und<br />

zwischen den Standorten ist Voraussetzung<br />

für ein nachhaltiges Wachstum. Die Liberalisierung<br />

hat die positive Entwicklung der<br />

Luftverkehrswirtschaft befördert. Einseitige<br />

Zusatzbelastungen oder Ungleichbehandlungen<br />

müssen verhindert werden: Derartige<br />

Ansätze auf nationaler oder europäischer<br />

Ebene verschlechtern die Position der deutschen<br />

Luftverkehrsgesellschaften im Vergleich<br />

zu internationalen Wettbewerbern und<br />

gefährden die Wachstums- und Arbeitsplatzperspektiven.<br />

Daher sind staatliche Eingriffe<br />

wie zusätzliche einseitige Steuern oder Subventionen<br />

abzulehnen.<br />

■ Die Luftverkehrs-Wertschöpfungskette in<br />

<strong>Deutschland</strong> ist deutlich unterschiedlichen<br />

Fortschritten der Liberalisierung wie auch der<br />

Wettbewerbsintensität ausgesetzt. Das Wettbewerbsprinzip<br />

muss über die gesamte Wertschöpfungskette<br />

im Luftverkehr weiterentwickelt<br />

und ausgeglichen werden. Dies verlangt<br />

u.a. ein bedarfs- und nachfrageorientiertes<br />

sowie nach marktwirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten ausgerichtetes Agieren aller<br />

wirtschaftlichen Akteure sowie eine sinnvolle<br />

Aufgabenteilung zwischen Privatwirtschaft<br />

und Luftverkehrspolitik.<br />

Jede Strategie braucht ein Nachverfolgen der<br />

Maßnahmen und Meilensteine. Hierzu ist ein<br />

regelmäßiges und strukturiertes Monitoring der<br />

Umsetzungs-Fortschritte erforderlich.<br />

Infrastrukturprojekte priorisieren<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen 121<br />

Die föderale Struktur der Verantwortlichkeiten für<br />

den Luftverkehr in <strong>Deutschland</strong> birgt das latente<br />

Risiko, diejenigen Infrastrukturprojekte, die für die<br />

internationale <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> der übergreifenden<br />

Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong><br />

erheblich sind, nicht früh und nicht klar genug zu<br />

erkennen und in der Folge nicht angemessen zu<br />

priorisieren. Es ist <strong>des</strong>halb Voraussetzung für die<br />

Zukunftsfähigkeit <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>, diejenigen Infrastrukturprojekte, die<br />

für die Entwicklung der <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong> von erheblicher<br />

Bedeutung sind, früh zu erkennen und zu<br />

priorisieren. Luftverkehrsinfrastruktur muss generell<br />

zu wettbewerbsfähigen Kosten erstellt und<br />

angeboten werden können. Dafür sind länderübergreifende<br />

Instrumente ebenso notwendig<br />

wie politische Durchsetzbarkeit der gesetzten<br />

Prioritäten.<br />

Schwerpunktthemen konkretisieren<br />

Wichtigstes Schwerpunktthema bleibt der nachfragegerechte<br />

Ausbau der Flughäfen in <strong>Deutschland</strong>.<br />

Als außerdem besonders förderungswürdig<br />

erachtete Infrastrukturmaßnahmen können<br />

dabei grundsätzlich Intermodalanschlüsse von<br />

Bahn, Straße und Flughäfen, oder gezielte Verbesserungen<br />

an bestehenden Flughäfen betreffen<br />

(wie z. B. den ICE-Anschluss <strong>des</strong> neuen<br />

Berliner Flughafens, die Schienenfernverkehrsanbindung<br />

<strong>des</strong> Flughafens München oder den<br />

Ausbau von Flughäfen). Wesentlich ist, dass<br />

sämtliche Maßnahmen konkret benannt und<br />

umfassend unterlegt werden.<br />

Konsequente Umsetzung von Single European Sky<br />

Der gesamte Luftverkehrsmarkt in Europa hat ein<br />

vitales Interesse an einer Harmonisierung und<br />

effizienteren Nutzung <strong>des</strong> europäischen Luftraums.<br />

Alle Entscheidungsträger und Akteure der gesamten<br />

Luftverkehrs-Wertschöpfungskette in <strong>Deutschland</strong><br />

drängen auf die konsequente und rasche<br />

Umsetzung der in den beiden Single-European-<br />

Sky-Paketen definierten Maßnahmen.


122<br />

IV. Resümee und Handlungsempfehlungen <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Rolle <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> stärken<br />

Der Bund steht in besonderer Verantwortung für<br />

die Definition und Umsetzung einer zukunftsfähigen<br />

Luftverkehrsstrategie für den Standort<br />

<strong>Deutschland</strong>. Um diese Verantwortung wahrnehmen<br />

zu können, müssen ihm die dazu notwendigen<br />

Instrumente zu Gebote stehen.<br />

Nicht nur bei der Strategiedefinition, sondern auch<br />

zur erfolgreichen Umsetzung der entsprechenden<br />

Maßnahmen kommt dem Bund als Moderator und<br />

im Zuge der Bun<strong>des</strong>auftragsverwaltung verantwortlichem<br />

Organ eine besondere Bedeutung zu.<br />

Die als prioritär identifizierten Infrastrukturmaßnahmen<br />

sollen durch Herausstellung im Flughafenkonzept<br />

der Bun<strong>des</strong>regierung Vorrangstatus in den<br />

politischen und administrativen Genehmigungsprozessen<br />

erhalten. Darüber hinaus soll das Flughafenkonzept<br />

eine materielle und planungsrechtliche<br />

Verbindlichkeit erhalten, die bisher weder ausreichend<br />

eingefordert noch angemessen zugestanden<br />

wurde. Das Flughafenkonzept darf nicht der einzi-<br />

ge Hebel einer umfassenden Strategie bleiben:<br />

Ohne ein angepasstes Planungsrecht z.B. bleiben<br />

die Spielräume einer zukunftsfähigen Standortstrategie<br />

zu eng.<br />

Forschung stärken<br />

Forschung und Lehre in <strong>Deutschland</strong> zu den nicht<br />

technologiebestimmten Themen <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

stehen noch immer nicht im Einklang mit der globalen<br />

Bedeutung <strong>des</strong> Luftverkehrs für den Wirtschaftsstandort<br />

<strong>Deutschland</strong>. Dies gilt für Themen<br />

zu den volkswirtschaftlichen Effekten <strong>des</strong> Luftverkehrs<br />

über betriebswirtschaftliche Aspekte der<br />

Luftverkehrs-Logistik bis hin zu interdisziplinären<br />

Ansätzen allgemeiner Netztheorie. Die Spitzenforschung<br />

zu Themen der Luftverkehrswirtschaft in<br />

den USA setzt einerseits Standards, ist aber nur<br />

begrenzt auf europäische Verhältnisse übertragbar.<br />

Hier besteht konzertierter Handlungsbedarf zwischen<br />

Bund, Ländern und den „Clustern“ der Luftverkehrswirtschaft<br />

(Flughäfen, Fluggesellschaften,<br />

Flugsicherung) in <strong>Deutschland</strong>.


Glossar<br />

Anforderungsverkehr<br />

Gewerbliches Beförderung von Personen oder<br />

Gütern im Nicht-Linienverkehr für Dritte mit Flugzeugen<br />

über 5,7 Tonnen höchstzulässigem Startgewicht<br />

(aMTOW). Anforderungs- und a Trampverkehr<br />

mit Flugzeugen bis einschl. 5,7Tonnen<br />

MTOW wird dem a Taxiverkehr zugeordnet.<br />

ACI<br />

Airports Council International, 1991 gegründete<br />

Weltorganisation der Flughäfen. Vorrangiger<br />

Zweck: Interessenvertretung und Förderung der<br />

Zusammenarbeit zwischen den Flughäfen mit dem<br />

Ziel, den Luftverkehr global sicherer, effizienter und<br />

umweltverträglicher zu gestalten.<br />

ADV<br />

Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen,<br />

1947 gegründeter Dachverband der deutschen Verkehrsflughäfen<br />

mit Sitz in Berlin, vertritt als Bun<strong>des</strong>verband<br />

der deutschen Flughäfen die gemeinsamen<br />

Interessen der Mitglieder und setzt sich für ein<br />

leistungsstarkes deutsches Flughafensystem ein.<br />

Allgemeine Luftfahrt (General Aviation)<br />

Ziviler Luftverkehr mit Ausnahme <strong>des</strong> von Linienfluggesellschaften<br />

(a Netzwerkfluggesellschaften) und<br />

a Ferienfluggesellschaften durchgeführten Verkehrs.<br />

AMS<br />

Flughafen Amsterdam<br />

ANSP<br />

Air Navigation Service Provider, Flugsicherungsorganisationen,<br />

z.B. in <strong>Deutschland</strong>: DFS Deutsche<br />

Flugsicherung GmbH.<br />

AOPA<br />

Aircraft Owners and Pilots Association, ist in über<br />

50 Ländern vertreten und mit mehr als 450.000<br />

Mitgliedern die größte Pilotenvereinigung der<br />

Welt. In ihr sind Piloten und Flugzeugeigentümer<br />

der a Allgemeinen Luftfahrt organisiert. Alle<br />

Ländervertretungen der AOPA gehören der IAOPA<br />

an, dem internationalen Dachverband.<br />

ATC<br />

Air Traffic Control, Flugsicherung.<br />

ATFM<br />

Air Traffic Flow Management, Verkehrsflussregelung,<br />

Planung und Steuerung der Flugverkehrsmenge<br />

mit dem Ziel, einen sicheren, geordneten<br />

und hohen Verkehrsfluss zu gewährleisten. Dafür<br />

müssen (1) die maximale Ausnutzung vorhandener<br />

Kapazitäten sichergestellt und (2) durch Regulierung<br />

<strong>des</strong> Verkehrs Überlastsituationen in einzelnen<br />

Verkehrsräumen vermieden werden.<br />

ATM<br />

Air Traffic Management, Flugverkehrsmanagement,<br />

dient der Sicherstellung einer sicheren<br />

und effizienten Bewegung von Luftfahrzeugen<br />

während allen Phasen ihres Betriebes am Boden<br />

und in der Luft.<br />

ATR 42<br />

Die ~ ist das kleinere Modell von zwei Turboprop-<br />

Regionalverkehrsflugzeugen <strong>des</strong> französisch-italienischen<br />

Herstellerkonsortiums Avions de Transport<br />

Régional.<br />

Ausladung<br />

Im Bereich der Luftfracht und Luftpost wird<br />

der Begriff ~ analog zum Begriff a Aussteiger<br />

benutzt.<br />

Aussteiger<br />

Im verkehrlichen Sinne sind ~ Passagiere, die am<br />

betrachteten Flugplatz ihren Hin- oder Rückflug<br />

beenden oder als a Umsteiger zur Fortsetzung<br />

ihrer Flugreise auf ein anderes Flugzeug (dort als<br />

a Einsteiger) wechseln.<br />

Bedarfsverkehr<br />

Siehe a Charterverkehr, a Gelegenheitsverkehr<br />

CAGR<br />

Compound Annual Growth Rate, Wert <strong>des</strong> durchschnittlichen<br />

Wachstums über einen spezifizierten<br />

Zeitabschnitt.<br />

Catchment Area<br />

Siehe a Einzugsgebiet<br />

CDG<br />

Flughafen Paris Charles de Gaulle<br />

Glossar 123


124<br />

Glossar <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Chapter 11<br />

~ ist ein Abschnitt <strong>des</strong> Insolvenzrechts der USA.<br />

Der Begriff bezeichnet in der angelsächsischen<br />

Finanz- und Rechtssprache die Insolvenz eines<br />

Unternehmens. Ein Unternehmen, das nach Chapter<br />

11 Insolvenz beantragt, strebt eine Reorganisation<br />

und Restrukturierung seiner Schulden, Leasingvereinbarungen,<br />

Kontrakte, sowie seines<br />

Kapitals und anderweitiger finanzieller Verpflichtungen<br />

an. Mit dem Insolvenzantrag nach Chapter<br />

11 sollen bis zum Abschluss der Reorganisation<br />

rechtliche Schritte der Gläubiger gegen den Schuldner<br />

unterbunden werden.<br />

Charterverkehr<br />

Siehe a Gelegenheitsverkehr, auch Bedarfsverkehr,<br />

im Gegensatz zum Linien- und Ferienflugverkehr<br />

eine nur gelegentlich bzw. zu bestimmten Anlässen<br />

betriebene Beförderung von Personen und Gütern,<br />

~ wird im internationalen Luftrecht auch als nonscheduled-traffic<br />

bezeichnet. Weitere Segmente<br />

<strong>des</strong> Charterverkehrs sind Taxiflüge, Rundflüge,<br />

gewerbliche Schulflüge sowie die übrigen gewerblichen<br />

Flüge ohne Personenbeförderung, wie z.B.<br />

Bildflüge, Reklameflüge, land- und forstwirtschaftliche<br />

Flüge.<br />

Chicagoer Abkommen<br />

Das ~ wurde 1944 auf der Konferenz von Chicago<br />

unterzeichnet und enthält die wichtigsten Grundsätze<br />

für die Abwicklung <strong>des</strong> internationalen Luftverkehrs.<br />

Das Abkommen regelt die Rechte und<br />

Pflichten der Vertragsstaaten für den Bereich <strong>des</strong><br />

internationalen Luftverkehrs und verpflichtet die<br />

Staaten zur Aufnahme internationaler Standards<br />

und Empfehlungen im Hinblick auf die Regelung<br />

<strong>des</strong> Luftverkehrs.<br />

Co<strong>des</strong>haring<br />

Abkommen zwischen zwei Fluggesellschaften, das<br />

einer Fluggesellschaft erlaubt, einen Flug unter der<br />

eigenen Flugnummer zu verkaufen, obwohl er teilweise<br />

oder ganz von der anderen Fluggesellschaft<br />

durchgeführt wird. Beide Gesellschaften treten<br />

dabei selbständig am Markt auf, da der Flug nicht<br />

nur unter der operativen Flugnummer, sondern<br />

gleichzeitig auch unter einer oder mehreren Marketingflugnummern<br />

verkauft wird. Für Plätze, die ein<br />

Partner auf Flugzeugen <strong>des</strong> anderen Partners<br />

verkauft, erhält er nach einem Schlüssel einen<br />

Prozentsatz aus dem Ticketpreis als Entgelt.<br />

CRJ<br />

Canadair Regional Jet, ist ein zweistrahliges Regionalverkehrsflugzeug<br />

<strong>des</strong> kanadischen Flugzeugherstellers<br />

Bombardier. Zu den anfangs nur fünfzigsitzigen<br />

Varianten <strong>des</strong> Tiefdeckers kamen im<br />

Laufe der Jahre immer wieder verlängerte Varianten<br />

heraus, zuletzt der CRJ1000 für bis zu 104<br />

Passagiere.<br />

Drehkreuzflughafen<br />

Siehe a Hub<br />

ECAA<br />

European Common Aviation Area, Initiative der<br />

EU mit dem Ziel, u. a. die südosteuropäischen EU-<br />

Nachbarstaaten in den EU-Luftverkehrsbinnenmarkt<br />

zu integrieren. Daher wurden im Dezember<br />

2004 Verhandlungen mit den folgenden acht Staaten<br />

begonnen: Albanien, Bosnien-Herzegowina,<br />

Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Serbien<br />

Montenegro und die UN-Vertretung im Kosovo.<br />

Einladung<br />

Im Bereich der Luftfracht und Luftpost wird der<br />

Begriff ~ analog zum Begriff a Einsteiger benutzt.<br />

Einsteiger<br />

Als ~ werden alle Passagiere bezeichnet, die aOriginäreinsteiger<br />

oder a Umsteiger sind.<br />

Einzugsgebiet<br />

a) Anzahl der Bewohner in einem Umkreis um einen<br />

Flughafen. Dieser Umkreis wird entweder<br />

durch Entfernung oder notwendige Fahrzeit definiert.<br />

Problematik: Nach dieser Definition überlappen<br />

die Einzugsgebiete z.B. der deutschen Flughäfen<br />

erheblich und mehrfach.<br />

b) Anzahl der tatsächlichen Originäreinsteiger p.a.<br />

eines Flughafens als Maßstab der effektiven lokalen<br />

Marktgröße. Problematik: Statische Betrachtung.<br />

Das Potenzial zur Marktausweitung durch z.B.<br />

niedrigere Preise wird so nicht erfasst.<br />

I.d.R. sind beide Kennzahlen nebeneinander zu<br />

betrachten, um je nach Fragestellung die richtigen<br />

Schlussfolgerungen ziehen zu können.<br />

Eurocontrol<br />

Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt<br />

mit Sitz in Brüssel. Sie wurde 1960 gegründet<br />

und hat zur Zeit 38 Mitgliedsstaaten. Ihre Haupt-


aufgabe ist die Durchführung der Flugsicherungsdienste<br />

im Oberen Luftraum mit Area Control Centern<br />

(z.B. in Maastricht, Karlsruhe, Zürich, Wien).<br />

Ferienfluggesellschaften (Ferienflugverkehr)<br />

auch: Touristikfluggesellschaften, Charterfluggesellschaften,<br />

fliegen touristische Mittel- und Langstreckenziele,<br />

in der Regel im a Point-to-Point-<br />

Verkehr an und sind entweder Teil von Reisekonzernen<br />

oder stark von Reiseveranstaltern abhängig.<br />

Mittlerweile hat sich auch der Begriff „touristischer<br />

Linienflug“ etabliert. Hintergrund ist, dass der<br />

Begriff „Charter“ einen verkehrsrechtlich als<br />

a Gelegenheitsluftverkehr durchgeführten Flug<br />

bezeichnet, während die meisten von Ferienfluggesellschaften<br />

angebotenen Flüge heute unter<br />

Linienrechten durchgeführt werden.<br />

Flug<br />

Ein ~ ist einerseits der eigentliche Beförderungsvorgang<br />

im Luftverkehr zwischen zwei Flughäfen. In<br />

der Statistik erscheint er in Form von zwei Flugbewegungen,<br />

nämlich Start und Landung. Andererseits<br />

erscheinen in den Flugplänen der Fluggesellschaften<br />

auch Flüge, die aus mehreren Etappen<br />

bestehen. In einer flughafenbezogenen Betrachtung<br />

wird der Begriff „Flug“ auch für Flugbewegungen,<br />

insbesondere Starts, verwendet.<br />

Fluggast<br />

Im Sinne der Flughafenstatistik werden a Einsteiger,<br />

a Aussteiger und Transitpassagiere (a Transitaufkommen)<br />

als Fluggäste zusammengefasst.<br />

Flugsicherungsdienste-Verordnung<br />

„Verordnung (EG) Nr. 550/2004 <strong>des</strong> Europäischen<br />

Parlamentes und <strong>des</strong> Rates vom 10. März 2004<br />

über die Erbringung von Flugsicherungsdiensten im<br />

Einheitlichen Europäischen Luftraum“. Sie verfolgt<br />

das Ziel, die EU-weite Anwendung gemeinsamer<br />

Standards für Flugsicherungsdienste zu gewährleisten.<br />

In der Verordnung werden Regeln für die<br />

Zertifizierung von Flugsicherungsorganisationen<br />

festgelegt. Weiterhin schafft die Verordnung den<br />

Rahmen für eine transparente Gebührenregelung<br />

für Flugsicherungsdienste.<br />

Fracht an Bord/Post an Bord<br />

Im Bereich der Luftfracht und Luftpost werden die<br />

Begriffe ~ analog zum Begriff a Passagiere an<br />

Bord benutzt.<br />

Frachttonnenkilometer<br />

Transport einer Tonne Fracht über einen Kilometer.<br />

FTK<br />

a Frachttonnenkilometer<br />

Funktionale Luftraumblöcke/<br />

Functional Airspace Blocks (FABs)<br />

Funktionale Luftraumblöcke gehören zu den wichtigsten<br />

Instrumenten zur systematischen Strukturierung<br />

<strong>des</strong> Luftraums mittels einer grenzüberschreitenden<br />

Integration, d. h. die Einteilung <strong>des</strong> Luftraums<br />

erfolgt nach betrieblichen Anforderungen.<br />

Gelegenheitsluftverkehr<br />

a siehe Charterverkehr<br />

Gesamtaufkommen<br />

Das ~ eines betrachteten Flugplatzes besteht aus<br />

dem a Originäraufkommen, dem a Umsteigeaufkommen<br />

und der Menge <strong>des</strong> a Transitaufkommens.<br />

Gilt gleichermaßen für Passagiere wie für<br />

Fracht.<br />

Gewerblicher Luftverkehr<br />

Umfasst den Teil <strong>des</strong> gesamten Luftverkehrs, der<br />

im Auftrag Dritter gegen Entgelt durchgeführt<br />

wird. Der ~ umfasst den a Linienverkehr (auch<br />

touristische Linienflüge, a Ferienflugverkehr) und<br />

den a Charterverkehr. Andere Luftverkehre zählen<br />

zum nichtgewerblichen Luftverkehr (z.B. private<br />

Reiseflüge, Flüge im Werkverkehr, Segel-, Sport-,<br />

Werkstatt-, Überführungs-, Militärflüge).<br />

G7-Staaten<br />

Zusammenschluss der sieben wichtigsten Industriestaaten<br />

(USA, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien,<br />

Frankreich und <strong>Deutschland</strong>). Die Staats- und<br />

Regierungschefs der jeweiligen Länder sowie seit<br />

1977 der Präsident der Europäischen Kommission<br />

treffen sich mehrmals (unregelmäßig) im Jahr zum<br />

Weltwirtschaftsgipfel. Seit 1994 nimmt auch der<br />

Präsident Russlands als gleichberechtigter Partner<br />

an den Beratungen zu politischen Fragen teil; seit<br />

1998 ist Russland formell „Vollmitglied“ der Gruppe<br />

der Sieben (G8).<br />

Hedging<br />

Sammelbegriff für verschiedene Maßnahmen zur<br />

Absicherung von Vermögen gegen Verluste. Als<br />

Fuel Hedging bezeichnet man den strukturierten<br />

Glossar 125


126<br />

Glossar <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Einsatz von derivativen Finanzprodukten (z.B. Termingeschäfte<br />

und Optionen auf Rohöl und/oder<br />

Ölprodukte), um eine (Teil-)Kompensation bei<br />

Treibstoffpreisveränderungen zu erreichen.<br />

Hub-Flughafen<br />

Siehe a Drehkreuz<br />

(engl. für Radnabe) Zentraler Verkehrsknotenpunkt,<br />

bzw. der „Umsteigeflughafen“ einer Netzwerkfluggesellschaft.<br />

Fluggäste sowie Güter werden zunächst<br />

von ihrem Abflugsort zum Umsteigeflughafen der<br />

Fluggesellschaft (dem Hub) transportiert, um von<br />

dort mit Passagieren und Gütern aus anderen Abflugsorten<br />

– aber mit dem gleichen Ziel – zu ihrem<br />

Zielort zu fliegen. Wesentliches Merkmal eines Hub-<br />

Flughafens ist somit die Bündelung von Verkehren.<br />

ICAO<br />

International Civil Aviation Organization, Bezeichnung<br />

für die internationale Zivilluftfahrt-Organisation.<br />

Sie ist eine Sonderorganisation der Vereinten<br />

Nationen und hat die Aufgabe, einheitliche Regelmäßigkeit<br />

und Wirtschaftlichkeit <strong>des</strong> internationalen<br />

Luftverkehrs zu erarbeiten und weiter zu entwickeln.<br />

Die ICAO gibt unter anderem Richtlinien<br />

zur Meldung von Flugbetriebsdaten an Behörden<br />

und Institutionen heraus. Die ICAO wurde 1944<br />

gegründet und nahm im April 1947 ihre offizielle<br />

Arbeit auf.<br />

IFR<br />

Instrument Flight Rules, Instrumentenflugregelungen,<br />

festgelegte Abläufe für Flüge, bei denen die<br />

Kontrolle der Fluglage ausschließlich über die Fluginstrumente<br />

ohne jeden Bezug nach außen durchgeführt<br />

werden. Dies erfordert sowohl eine Zusatzausbildung<br />

<strong>des</strong> Piloten (Instrumentenflugberechtigung)<br />

als auch eine entsprechende Ausstattung<br />

<strong>des</strong> Flugzeugs. Flüge nach IFR finden in der Regel<br />

(in <strong>Deutschland</strong> immer) unter der Kontrolle von<br />

Fluglotsen statt (kontrollierter Flug).<br />

Inbound<br />

Alle landenden Flugzeuge auf dem betrachteten<br />

Flughafen.<br />

Inlandsverkehr<br />

Nationaler Verkehr<br />

Interkont-/Interkontinental-Verkehr<br />

~ bezeichnet Mittel- und Langstreckenverkehre zu<br />

anderen Kontinenten ab dem betrachteten Flughafen,<br />

wird i.d.R. mit Großraumfluggerät durchgeführt.<br />

Internationaler Verkehr<br />

Beförderung von Passagieren, Fracht und Post<br />

von/nach oder zwischen Ländern.<br />

Intraregionale Flüge<br />

Flüge zwischen den Städten einer bestimmten Region<br />

LEJ<br />

Flughafen Leipzig<br />

LGW<br />

a) Luftfahrtgesellschaft Walter, ist eine deutsche<br />

Regionalfluggesellschaft mit Sitz in Dortmund.<br />

b) Flughafen London Gatwick<br />

Liberalisierung im Luftverkehr<br />

Abbau von staatlichen Eingriffen und Vorschriften<br />

im Luftverkehrsmarkt. Seit Ende der 1970er Jahre<br />

in den USA und seit Ende der 1980er Jahre in Europa<br />

zu beobachtende Politikstrategie.<br />

Linienverkehr<br />

Regelmäßige Flugverbindung zur gewerblichen Beförderung<br />

von Personen, Fracht und Post, für die<br />

dem Luftfahrtunternehmen eine entsprechende<br />

Genehmigung erteilt wurde, wobei für jeden Flug<br />

der Öffentlichkeit Sitzplätze zum Einzelkauf entweder<br />

bei den Luftfahrtunternehmen oder <strong>des</strong>sen<br />

bevollmächtigten Agenturen angeboten werden.<br />

LHR<br />

Flughafen London Heathrow<br />

Low-Cost-Fluggesellschaften<br />

Luftverkehrsgesellschaften, die ihre Flüge aus<br />

Marketingzwecken vor allem bei frühzeitiger<br />

Buchung mit niedrigen Preisen anbieten und im<br />

Kurz- und Mittelstreckenverkehr bei hoher Auslastung<br />

und niedrigen Betriebskosten operieren.<br />

Geringe Betriebskosten werden z.B. durch niedrige<br />

Vertriebskosten (Internetbuchung und Verzicht auf<br />

Ausstellung von Flugscheinen), kurze Bodenzeiten<br />

(weit- gehender Verzicht auf Cleaning etc.), den<br />

ausschließlichen Einsatz im Punkt-zu-Punkt-Verkehr,<br />

die Verwendung von Maschinen eines Typs<br />

(geringere Wartungskosten) und Konzentration<br />

auf kurze Flugstrecken erreicht.


Luftverkehrsgesellschaft<br />

Unternehmen, das Beförderungsdienstleistungen<br />

unter Nutzung <strong>des</strong> Verkehrsmittels „Flugzeug“<br />

erbringt.<br />

(Luft-) Verkehrsleistung (Personen, Fracht)<br />

Maß im Personen- und Güterverkehr, bei dem die<br />

Anzahl der beförderten Personen bzw. die Masse<br />

<strong>des</strong> beförderten Gutes mit der jeweils zurückgelegten<br />

Entfernung multipliziert wird.<br />

MAD<br />

Flughafen Madrid<br />

Maximum Take Off Weight (MTOW)/<br />

Maximum Take Off Mass (MTOM)<br />

Maximal zulässiges Startgewicht für ein bestimmtes<br />

Flugzeugmuster. Es ist abhängig von dem Flugzeugmuster<br />

selbst und den sonstigen äußeren<br />

Einflüssen, z.B. Wetterbedingungen, Startbahnbeschaffenheit.<br />

Im Gegensatz zum MLAW (Maximum<br />

Landing Weight).<br />

Minimum Connecting Time (MCT)<br />

Bezeichnet die an einem Flughafen festgelegte<br />

Min<strong>des</strong>tumsteigezeit, für die ein Passagier- und<br />

Gepäcktransfer gewährleistet wird.<br />

MUC<br />

Flughafen München<br />

Multi-Hub-Strategie<br />

Im Rahmen einer ~ nutzt eine Fluggesellschaft<br />

mehrere Flughäfen als a Hubs; im Fall <strong>des</strong> Double<br />

Hubbing werden zwei Hubs betrieben. Oft wird<br />

von einer Fluggesellschaft zusätzlich zum zentralen<br />

Hub ein weiterer Sekundär-Hub eingerichtet. So<br />

betreibt Lufthansa z.B. München als Sekundär-Hub<br />

zum zentralen Hub Frankfurt.<br />

NBAA<br />

National Business Aviation Association, 1947<br />

gegründeter Dachverband der Unternehmen der<br />

a Allgemeinen Luftfahrt mit Sitz in Washington,<br />

D.C.<br />

Netzwerkfluggesellschaften<br />

Auch: Linienfluggesellschaften, sind international<br />

agierende Fluggesellschaften mit einer globalen<br />

Marktpräsenz, die in der Regel über ein Netzwerksystem<br />

mit Zu- bzw. Abbringerflügen zu ihren<br />

aHubs verfügen. Weitere Merkmale sind unter<br />

anderem ein hohes Serviceniveau (2-/3-Klassenkonzept),<br />

ein nationales und internationales<br />

Streckennetz, ein Flottenmix aus Kurz-, Mittel- und<br />

Langstreckenflugzeugen mit unterschiedlicher<br />

Kapazität sowie z.T. das Eingehen internationaler<br />

Kooperationen und strategischer Allianzen sowie<br />

zusätzlicher bilateraler Kooperationen mit Regionalfluggesellschaften<br />

zur Ergänzung <strong>des</strong> eigenen<br />

Streckennetzes.<br />

Open-Sky-Abkommen<br />

Liberale Luftverkehrsabkommen zwischen Staaten.<br />

Ein Beispiel hierfür ist das zwischen der EU und den<br />

USA im Jahr 2007 geschlossene Abkommen, das<br />

den Fluggesellschaften der 27 EU-Staaten und der<br />

USA erlaubt, künftig von jedem Flughafen der EU<br />

jede Stadt in den USA anfliegen zu können und<br />

umgekehrt. Die Vereinbarung ersetzt zudem eine<br />

Vielzahl zwischenstaatlicher Abkommen.<br />

Open-Sky-Politik<br />

Postulierter Grundsatz einer Politik <strong>des</strong> „offenen<br />

Himmels“. Von den USA in Anlehnung an die<br />

Transport-Vereinbarung <strong>des</strong> a Chicagoer Abkommens<br />

geschaffen. Ziel ist die Ausdehnung der<br />

Deregulation im US-Binnenmarkt auf die bilateralen<br />

Luftverkehrsabkommen. Auch die EU verfolgt<br />

diesen Grundsatz.<br />

Originäraufkommen<br />

Als ~ eines betrachteten Flughafens wird die<br />

Menge der a Einsteiger und der a Aussteiger<br />

bezeichnet.<br />

Originäreinsteiger<br />

Passagiere, die am betrachteten Flugplatz ihren<br />

Hin- oder Rückflug beginnen.<br />

ORY<br />

Flughafen Paris Orly<br />

Outbound<br />

Alle startenden Flüge ab dem betrachteten Flughafen.<br />

Pauschalflugreiseverkehr<br />

a siehe Ferienflugverkehr<br />

PKM<br />

Siehe a RPK<br />

Glossar 127


128<br />

Glossar <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Point-to-Point-Verkehr/Punkt-zu-Punkt-Verkehr<br />

Als ~ wird eine Direktverbindung bzw. unmittelbare<br />

Verbindung zwischen zwei Punkten (Point to<br />

Point) oder Orten (von A nach B) bezeichnet, im<br />

Gegensatz zum Hub-and-Spoke-System, das auf<br />

min<strong>des</strong>tens einem großen a Hub pro Fluggesellschaft<br />

basiert, von dem alle Ziele angeflogen<br />

werden.<br />

PVG<br />

Flughafen Schanghai<br />

Quelle-Ziel-Verkehr bzw. -Strom<br />

Verkehrsstrom, der durch einen Herkunftsflughafen<br />

bzw. -ort und einen Endzielflughafen bzw. Endzielort<br />

charakterisiert wird. Mit diesen Angaben ist<br />

keine Aussage über die Route (Direktverbindung<br />

oder Umsteigeverbindung) verbunden.<br />

Regionalfluggesellschaften<br />

~ bezeichnen Fluggesellschaften, auf die in der<br />

Regel folgende Merkmale zutreffen: Einsatz von<br />

Flugzeugen mit einer Sitzplatzkapazität von bis<br />

zu 100 Sitzen (z.T. Einsatz von Turboprop-Flugzeugen),<br />

Linienverkehr, kürzere Flugstrecken im<br />

Inlands- oder Kontinentalverkehr, Zubringerdienste<br />

zwischen Regionalzentren und internationalen<br />

Verkehrsflughäfen, eigenständiger dezentraler<br />

a Punkt-zu-Punkt-Verkehr und Einsatz eines<br />

Ein- oder Zwei-Klassen-Beförderungskonzeptes.<br />

Reise<br />

Unter einer ~ wird eine vorübergehende Ortsveränderung<br />

verstanden, die von einem Herkunftsort<br />

zu einem oder mehreren Zielorten und (meistens)<br />

wieder zurück zum Ausgangspunkt führt. Übertragen<br />

auf den Luftverkehr bedeutet dies, dass eine<br />

Flugreise aus min<strong>des</strong>tens zwei Flügen, nämlich<br />

Hinflug und Rückflug besteht. Ein Flugreisender<br />

tritt somit auf seinem Hin- und Rückweg in der<br />

Luftverkehrsstatistik mehrfach als a Fluggast in<br />

Erscheinung.<br />

RPK<br />

Revenue Passenger Kilometers, auch PKM (Passenger<br />

Kilometers Transported), internationaler Begriff<br />

für die verkaufte Passageleistung. Transport eines<br />

Passagiers inkl. Gepäck über einen Kilometer<br />

SESAR<br />

Single European Sky a ATM Research Programme,<br />

ist eine von der Europäischen Kommission und Eurocontrol<br />

ins Leben gerufene europäische Initiative zur<br />

Vereinheitlichung, Harmonisierung und Synchronisierung<br />

der Dienste im Rahmen <strong>des</strong> europäischen<br />

Flugverkehrsmanagements. Für diese Ziele wurden<br />

erstmals in der europäischen Flugverkehrsgeschichte<br />

alle am Flugverkehr beteiligten Partner beteiligt. Dies<br />

sind zivile und militärische Flugsicherungsorganisationen,<br />

nationale und internationale Organisationen der<br />

Legislative, Flugzeugindustrie, Fluglinien, Flugzeugbetreiber<br />

und -nutzer sowie weitere betroffene<br />

Partner am Boden und in der Luft.<br />

Single European Sky<br />

~ beschreibt die Bestrebungen der Europäischen<br />

Kommission seit Ende der 1990er Jahre, den europäischen<br />

Luftraum unter dem Gesichtspunkt der<br />

Optimierung der Verkehrsströme neu zu strukturieren<br />

und dabei u.a. <strong>des</strong>sen Zersplitterung durch<br />

nationale Lan<strong>des</strong>grenzen und Interessen aufzulösen,<br />

indem eine begrenzte Anzahl von a Funktionalen<br />

Luftraumblöcken geschaffen wird. Das<br />

Projekt wird durch a Eurocontrol innerhalb <strong>des</strong><br />

EU- Projekts a SESAR mit den Projektpartnern<br />

und in enger Abstimmung mit der a ICAO<br />

durchführt.<br />

Single-Hub-Strategie<br />

~ bedeutet, dass eine Fluggesellschaft nur einen<br />

aHub betreibt.<br />

Slot<br />

~ bezeichnet allgemein ein Zeitfenster, in dem ein<br />

Flugzeug eine Flugbewegung vollzieht. ~ können<br />

Start-, Lande-, Einflug- oder Überflugzeiten sein.<br />

Airport ~ werden als Start- bzw. Landezeiten über<br />

die Flughafenkoordinatoren der jeweiligen Länder<br />

und über Slotkonferenzen der IATA halbjährlich<br />

den Ländern im Voraus zugeteilt und stellen ihrem<br />

Charakter nach Planungswerte dar, die die beschränkten<br />

Flughafenkapazitäten optimal auf die<br />

Fluggesellschaften verteilen sollen. Am Flugtag<br />

selbst wird bei der CFMU (Central Flow Management<br />

Unit) der Eurocontrol in Brüssel ein Airway ~<br />

beantragt, der aufgrund der aktuellen Verkehrssituation<br />

zugeteilt wird und aktuelle Verhältnisse<br />

(z.B. Wetter, Überlastung <strong>des</strong> Luftraums u.Ä.)<br />

berücksichtigt.<br />

Sonstiger gewerblicher Verkehr<br />

Rundflüge, gewerbliche Schulflüge, Bildflüge,


Reklameflüge, Land- und forstwirtschaftliche<br />

Flüge, u.a.<br />

STN<br />

Flughafen London Stansted<br />

Streckenziel (-flughafen)<br />

Mit ~ wird der dem Startflughafen nächstfolgende<br />

Flughafen bezeichnet, auf dem ein Passagier<br />

aus dem Flugzeug steigt, um entweder als<br />

a Umsteiger mit einem anderen Flugzeug unter<br />

anderer Flugnummer weiterzufliegen oder um das<br />

Luftverkehrssystem zu verlassen. Im zweiten Fall<br />

sind Streckenzielflughafen und Endzielflughafen<br />

identisch.<br />

SXF<br />

Flughafen Berlin Schönefeld<br />

Taxiflüge<br />

Beförderung von Personen, Fracht und Post im<br />

aGelegenheitsverkehr auf Einzelanforderungen<br />

<strong>des</strong> Bestellers mit Flugzeugen beliebiger Größe, die<br />

in dieser Flugart angemeldet werden. Zusätzlich<br />

sind hier auch Flüge im a Anforderungs- bzw.<br />

aTrampverkehr mit Flugzeugen bis einschließlich<br />

5,7t a MTOW zu melden. Leer- und Bereitstellungsflüge<br />

in dieser Flugart sind, wie in allen Flugarten,<br />

Überführungsflüge.<br />

THF<br />

Flughafen Berlin Tempelhof<br />

Trampverkehr<br />

Siehe a Anforderungsverkehr<br />

Transitaufkommen<br />

Fluggäste bzw. Fracht, deren Flugreise nach einer<br />

Zwischenlandung mit demselben Flugzeug und in<br />

der Regel unter gleich bleibender Flugnummer<br />

fortgesetzt wird.<br />

TXL<br />

Flughafen Berlin Tegel<br />

Umladung<br />

Im Bereich der Luftfracht und Luftpost wird der<br />

Begriff ~ analog zum Begriff a Umsteiger benutzt.<br />

Umsteigeaufkommen<br />

Als ~ eines betrachteten Flughafens wird die<br />

Menge der a Umsteiger bezeichnet.<br />

Umsteiger<br />

Passagiere, die am betrachteten Flugplatz aus<br />

einem Flugzeug aussteigen, um anschließend ihren<br />

a Flug mit einem (anderen) Flugzeug fortzusetzen.<br />

In der Statistik tauchen ~ daher meist zweimal auf,<br />

erst als a Aussteiger, dann wieder als aEinsteiger.<br />

Glossar 129


Autoren<br />

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)<br />

in der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

Flughafenwesen und Luftverkehr<br />

Leitung Prof. Dr. Johannes Reichmuth<br />

Linder Höhe<br />

51147 Köln<br />

Tel. +49 2203 601 2180<br />

luftverkehr.koeln@dlr.de<br />

www.dlr.de/fw<br />

European Center for Aviation Development – ECAD GmbH<br />

Dr. Andreas Arndt<br />

Dr. Martin Harsche<br />

Lise-Meitner-Str. 10<br />

64293 Darmstadt<br />

Tel. +49 6151 3605 400<br />

info@ecad-aviation.de<br />

www.ecad-aviation.de<br />

airconomy GmbH & Co.KG.<br />

Dr. Philipp Goedeking<br />

Partner, Geschäftsführer<br />

Frankfurt Airport Center 1<br />

60549 Frankfurt am Main<br />

Tel. +49 69 690 27080<br />

goedeking@airconomy.com<br />

www.airconomy.com<br />

Prof. Dr. Karsten Leibold<br />

Internationale Fachhochschule Bad Honnef<br />

Lehrstuhl für Luftverkehrsmanagement<br />

Mühlheimer Str. 38<br />

53604 Bad Honnef<br />

Tel. +49 2224 9605 102<br />

info@fh-bad-honnef.de<br />

Prof. Leibold ist zudem Partner der airconomy GmbH & Co.KG.<br />

Oliver Wyman<br />

Dott. Stefano Sala<br />

Partner<br />

1, Grosvenor Place<br />

London SW 1X7HJ<br />

Great Britain<br />

Tel. +44 20 7235 5444<br />

www.oliverwyman.com<br />

Autoren 131


132<br />

Impressum <strong>Wettbewerbsfähigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>Luftverkehrsstandortes</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Impressum<br />

Im Auftrag der<br />

Initiative „Luftverkehr für <strong>Deutschland</strong>“<br />

Projektbüro<br />

DFS Deutsche Flugsicherung GmbH<br />

Politische Angelegenheiten, VKU<br />

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Druck im November 2008<br />

Jede Autorengruppe zeichnet für das von ihr bearbeitete Kapitel verantwortlich und überlässt die anderen<br />

Kapitel der Kompetenz der anderen Autoren.<br />

Die Grafik <strong>des</strong> Titelbil<strong>des</strong> zeigt Direktverbindungen, die von deutschen Flughäfen aus angeboten werden.<br />

Als Direktverbindung wird ein Beförderungsangebot zwischen zwei Städten ohne Umsteigen bezeichnet.<br />

Dabei kann es sich um einen Non-stop-Flug oder einen Mehrsektorenflug mit einer oder mehreren<br />

Zwischenlandungen handeln.<br />

Quelle: OAG, Woche vom 19.–25. Mai 2008.

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