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Prof. Dr.-Ing.<br />

Dietrich Schwarz<br />

KERNPROZESSTECHNIK II<br />

Scriptum<br />

zur Vorlesung


<strong>Kernprozesstechnik</strong> II<br />

Prof. Dr.-Ing. Dietrich Schwarz – langjähriges<br />

Mitglied des KTG-Vorstandes und Gründer der<br />

Fachgruppe „Nutzen der Kerntechnik“ – kam<br />

am 3. Juli 2001 auf dem Heimweg von der<br />

Universität Dortmund bei einem tragischen<br />

Verkehrsunfall ums Leben.<br />

Prof. Schwarz war von 1965 bis 1968 bei<br />

AEG an der Entwicklung des SWR und des<br />

Dampfbrüters beteiligt und bis zu seiner Pen-<br />

sionierung im Jahre 2000 bei VEW beschäftigt.<br />

Hier war seine Zeit als Geschäftsführer der<br />

Hochtemperatur GmbH ein Höhepunkt seiner<br />

beruflichen Laufbahn.<br />

Vorbildlich war sein jahrelanges und unermüd-<br />

liches Eintreten für die Nutzung der Kernener-<br />

gie in der Öffentlichkeit.<br />

Hierzu gehörte auch die Ausschreibung von<br />

DM 100.000 aus seinem Privatvermögen für<br />

den Nachweis, dass die Kernenergie ethisch<br />

nicht verantwortbar sei. Dies war Niemandem<br />

möglich.<br />

Ihm war es außerdem ein besonderes Anlie-<br />

gen, die Kerntechnik in Industrieländern zu<br />

nutzen, um Energieressourcen für die Länder<br />

der Dritten Welt zu erhalten.<br />

Am Lehrstuhl Energieprozesstechnik und Strö-<br />

mungsmechanik (Prof. Strauß) des Fachberei-<br />

ches Chemietechnik der Universität Dortmund<br />

hielt Prof. Schwarz mit großem Enthusiasmus<br />

die Vorlesungen <strong>Kernprozesstechnik</strong> I und II.<br />

Scriptum von Prof. Dr.-Ing. Dietrich Schwarz<br />

Bearbeitet von cand. ing. Michael Busch<br />

Dortmund, 2001<br />

1. Auflage


Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!<br />

Das Ihnen vorliegende Scriptum zur Vorlesung <strong>Kernprozesstechnik</strong> II<br />

entstand bis zu seinem tragischen Unfall unter wachsamem Auge von<br />

Prof. Schwarz. Ich hoffe, es in seinem Sinne zum Abschluss gebracht zu<br />

haben.<br />

Die handschriftlichen Anmerkungen stammen von Prof. Schwarz. Die<br />

mit [Dub99] gekennzeichneten Abbildungen stammen aus Dubbel -<br />

Taschenbuch für den Maschinenbau und sind teilweise in bearbeiteter<br />

Form dargestellt. Diesem Buch wurde auch die Titelgraphik entnom-<br />

men, die den Kühlturm des THTR Hamm-Uentrop zeigt.<br />

Sollten Ihnen in der vorliegenden Auflage orthographische Fehler auf-<br />

fallen, so bitte ich Sie, diese mir unter feedback@kernprozesstechnik.de<br />

oder unter www.kernprozesstechnik.de mitzuteilen. Satzbau, Inter-<br />

punktion und Inhalt stammen aus der Feder von Prof. Schwarz und soll-<br />

ten nicht verändert werden.<br />

Michael Busch<br />

Student des Maschinenbaues<br />

Dortmund, im November 2001


Die im Juni 1999 entstandene Aufnahme<br />

zeigt Prof. Dr.-Ing. Schwarz (2. v. l.) mit einer<br />

Gruppe von Studenten der Fachrichtungen<br />

Chemietechnik und Maschinenbau sowie<br />

einem Kraftwerksmitarbeiter während einer<br />

von ihm geführten Besichtigung des Kern-<br />

kraftwerkes Emsland (KKE).


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Standortwahl.............................................................................................. 5<br />

Beschaffungsmarkt am Beispiel eines Kernkraftwerkes;<br />

Kühlungsarten; Infrastruktur; Absatzmarkt; Wechselwirkungen<br />

des KKW mit der Umgebung; Administrative und politische Einflüsse<br />

2 Randbedingungen an das Kernkraftwerk .............................................. 22<br />

Strombedarf; Lastfolgeverhalten; Spannung; Frequenz<br />

3 Vertrag .................................................................................................... 27<br />

Eckpunkte; Preis und Lieferumfang; Gewährleistungen; Liefertermin;<br />

Preise, Zahlungsbedingungen; Planung; Genehmigungsverfahren<br />

und begleitende Kontrollen; Patente; Wohlverhalten, Schiedsgericht;<br />

Gefahrtragung, Haftung; Kündigung, Sistierung<br />

4 Berechnung der Stromgestehungskosten k.......................................... 36<br />

Festkosten F; Brennstoffkosten b (ohne Entsorgung); Entsorgung:<br />

Pfad mit Wiederaufbereitung WA, Pfad mit Direkter Endlagerung;<br />

Gesamte Gestehungskosten: Stromgestehungskosten bei<br />

abgeschriebenen Kraftwerken, bei neuen Kraftwerken, Vergleiche<br />

verschiedener Kraftwerkstypen; Ergänzende methodische<br />

Bewertung; Wind und Sonne<br />

5 Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle............................ 62<br />

Genehmigung von Kernkraftwerken; Atomrechtliches Genehmigungsverfahren,<br />

Ablauf des Verfahrens; Öffentlichkeitbeteiligung; Weiteres<br />

Verfahren; Gerichtsverfahren; Weitere Genehmigungen; Begleitende<br />

Kontrolle (Aufsicht nach §19 AtG); Randbedingungen für Gutachter<br />

Anlagen ................................................................................................... 74<br />

4


1 Standortwahl<br />

Standortwahl<br />

Bei der Auswahl eines geeigneten Standortes für einen Gewerbebetrieb, so auch für ein<br />

fossil befeuertes Kraftwerk oder Kernkraftwerk (KKW), sind folgende Kriterien zu<br />

beachten:<br />

wirtschaftliche Kriterien:<br />

Beschaffungsmarkt<br />

Infrastruktur<br />

Absatzmarkt<br />

nicht streng wirtschaftliche Kriterien (die aber wirtschaftliche Auswirkungen haben):<br />

Wechselwirkungen mit der Umwelt<br />

politisch-administrative Fragen<br />

1.1 Beschaffungsmarkt am Beispiel eines Kernkraftwerkes<br />

Errichtung:<br />

Von Vorteil ist die Anbindung an einen Wasserweg (Fluss, Kanal, Meer). So können<br />

große sperrige Teile (Reaktordruckgefäß, Dampferzeuger, große Turbinenteile) gut<br />

angeliefert werden.<br />

Der Wasserweg ist nicht zwingend notwendig. Die Endmontage großer Bauteile kann<br />

auch auf der Baustelle selbst stattfinden. Das erfordert einen größeren Aufwand, da<br />

qualitativ hochwertige Bedingungen (clean conditions) realisiert werden müssen.<br />

Transformatoren werden auf dem Schienenweg angeliefert. Sie werden in ihren<br />

Abmessungen bereits eisenbahngerecht gefertigt.<br />

Die Straßenanbindung ist selbstverständlich.<br />

Betrieb:<br />

Kernkraftwerk benötigte Brennelemente (30 t/a) sind nicht relevant bei der<br />

Standortbestimmung<br />

Braunkohlekraftwerk benötigt, um die gleiche Menge Strom wie ein KKW zu<br />

erzeugen, bis zu 10 Mio t/a (je nach Braunkohlequalität) und sollte<br />

deswegen in Grubennähe gebaut werden (z.B. östl. von Aachen)<br />

Steinkohle der Transport der Kohle ist billiger als Stromtransport<br />

(Kapital- und Betriebsaufwand für Hochspannungsleitungen,<br />

Übertragungsverluste)<br />

Der Betrieb von Wärmekraftwerken, mit Ausnahme von wärmegeführten Heizkraftwerken<br />

erfordert die Bereitstellung großer Mengen Kühlwasser zur Wärmeabfuhr. Das ist<br />

entscheidend für die Wahl des Standortes für ein Kernkraftwerk (KKW). Kernkraftwerke<br />

5


Standortwahl<br />

arbeiten bisher alle mit Dampfturbinen, die Wärmeabfuhr findet im Kondensator statt.<br />

Dieser muss mit möglichst kaltem Wasser versorgt werden. Dafür gibt es mehre<br />

Kühlungsarten.<br />

Direktkühlung<br />

Die einfachste bauliche Variante ist die Direktkühlung:<br />

Abbildung 1: Direktkühlung [Dub99]<br />

TFluss<br />

TFluss +10 °C<br />

Bei der Direktkühlung, auch Frischwasserkühlung genannt, wird das Kühlwasser im<br />

Einlaufbauwerk durch Rechen und Siebe aus Fluss, Teich oder der See entnommen und<br />

dem Kondensator zugeführt. Frei von groben Verunreinigungen, mit Sauerstoff<br />

angereichert (z.T. leicht übersättigt durch gezielte Luftzufuhr), wird es über ein<br />

Auslaufbauwerk dem Gewässer wieder zugeführt. Das so erwärmte Wasser kühlt sich<br />

durch Strahlung und Verdunstung wieder ab (s.u.).<br />

Im folgenden soll an einem Beispiel der benötigte Volumenstrom an Kühlwasser<br />

berechnet werden. Dazu werden vereinfachende Annahmen getroffen:<br />

KKW mit 3 750 MW thermischer Leistung<br />

Wirkungsgrad () ca. 33,33%, damit 1 250 MWel<br />

Rest geht als Abwärme in das Kühlwasser (bei Kohlekraftwerken auch ein Teil<br />

über den Schornstein)<br />

Temperaturerhöhung des Kühlwassers um 10 °C = 41 MWs/m 3<br />

(1 Nm = 1 J = 1 Ws, Wärmekapazität von Wasser 4,1 kJ/kgK, Dichte 1 kg/dm 3 )<br />

Damit gilt dann:<br />

(abzuführende Wärmeleistung/Wärmeaufnahme pro m 3 ) =<br />

Kühlwasserbedarf in m 3 /s<br />

2 500 MW/41 MWsm -3 60 m 3 /s<br />

6


Standortwahl<br />

Die Flussmitteltemperatur darf normalerweise nur um 3 °C (verschmutzter Fluss) bzw. um<br />

5 °C (sauberer Fluss) erhöht werden. Demnach liegt das Minimum der Wasserführung bei<br />

ca. 200 m 3 /s bei 3 °C Erhöhung der Flusstemperatur.<br />

Abkühlung des Flusses auf Feuchtlufttemperatur geschieht von selbst<br />

(Wasserverdunstung senkt die Temperatur).<br />

Feuchtlufttemperatur: Temperatur, die ein Thermometer misst, welches mit einem<br />

feuchten Lappen umwickelt ist. Je trockener die Luft, desto größer ist die Differenz zur<br />

Trockenlufttemperatur. Wasser in Kontakt mit Luft tendiert stets zur Feuchtlufttemperatur.<br />

Beispiel: Ein Teich in der Wüste mit 30 °C wird durch Luft von<br />

40 °C abgekühlt! Bekannt auch: Weinkühlung in Spanien in porösen Tonkrügen.<br />

Als Beispiel für die Abkühlung soll hier der Rhein gelten, an dessen Ufern mehrere<br />

Kraftwerke und Industrieanlagen sein Wasser zur Kühlung benutzen. Er wird als<br />

verschmutzter Fluss angesehen.<br />

Flusstemperatur<br />

Abbildung 2: Temperaturverlauf Rhein<br />

Auch die Summe aller Einleiter darf die Temperatur nicht mehr als 3 °C über die<br />

natürliche Temperatur (angenommen: Feuchtlufttemperatur) erhöhen. Die zuständige<br />

Behörde erstellt einen sogenannten Wärmelastplan.<br />

Außer der maximalen Flusstemperaturerhöhung wird auch die maximal zulässige<br />

Flusstemperatur festgelegt, z.B. auf 28 °C. Oberhalb 25 °C darf der Fluss dann nicht mehr<br />

um 3 °C erwärmt werden. Gegebenenfalls sind Kühltürme zu installieren und<br />

zuzuschalten.<br />

7


Ablaufkühlung<br />

Standortwahl<br />

Wenn die Direktkühlung nicht ausreicht, wird häufig als Ergänzung die Ablaufkühlung<br />

eingesetzt:<br />

Abbildung 3: Ablaufkühlung [Dub99]<br />

Bei der Ablaufkühlung kann die Erwärmung des Wassers im Kondensator höher liegen,<br />

als oben bei der Direktkühlung angenommen, beispielsweise bei 15 °C. Das ergibt eine<br />

Kühlwassermenge von 40 m 3 /s (gleiche Rechnung wie oben).<br />

Die Temperaturerhöhung nach dem Kühlturm hängt stark von der Kühlturmgröße ab, die<br />

sich nach den Anforderungen richtet. Bei sehr großen Ablaufkühltürmen würde das<br />

Wasser fast auf Feuchtlufttemperatur abgekühlt und könnte u.U. (vor allem nachts) kälter<br />

sein als der Fluss.<br />

Auswirkungen auf die Ökologie:<br />

O2-Gehalt des Wassers nimmt zu, da dem Fluss immer O2-gesättigtes Wasser zugeführt<br />

wird. Die Sättigung erfolgt bei der Direktkühlung durch Überlaufwehre oder andere<br />

technische Maßnahmen, bei der Ablaufkühlung durch den Kühlturm.<br />

Direktkühlung meist vorteilhaft (die Temperaturerhöhung bewirkt allerdings eine<br />

beschleunigte O2-Zehrung, die bei ungünstigen Witterungsbedingungen die O2-Zufuhr<br />

übersteigen kann); sauberer wird der Fluss dadurch immer. Außerdem muss das<br />

Kühlwasser vor Eintritt in den Kondensator mechanisch gereinigt werden (s.o.). Noch<br />

günstiger ist die Ablaufkühlung: Spezifisch (nicht absolut) mehr O2-Eintrag, geringere<br />

Temperaturerhöhung.<br />

8


0 02-Gehalt 2-Gehalt<br />

2-Gehalt<br />

1<br />

3a<br />

Abbildung 4: Vermischungskurve<br />

3d<br />

2a<br />

2d<br />

z.B. 10°C Temperatur [°C]<br />

[1] Fluss vor dem Kraftwerk<br />

(O2-Gehalt nur bei Gebirgsbächen auf Sättigungslinie)<br />

|2a] Wasser nach Ablaufkühlturm<br />

[2d] Wasser nach Direktkühlung mit O2-Anreicherung<br />

[3a] Fluss nach Vermischung mit Wasser aus Ablaufkühlung<br />

[3d] Fluss nach Vermischung mit Wasser aus Direktkühlung<br />

Rückkühlung<br />

Eine weitere Möglichkeit bildet die sogenannte Rückkühlung:<br />

Abbildung 5: Rückkühlung [Dub99]<br />

Standortwahl<br />

9


Standortwahl<br />

Bei dieser Variante verdunstet ein Teil des Kühlwassers und es muss zur Einhaltung<br />

eines bestimmten Salzgehaltes abgeschlämmt werden.<br />

Zur Wärmeabfuhr wird hier die Verdampfungsenthalpie des Wassers (2 500 kWs/Liter)<br />

und die Abgabe fühlbarer Wärme (Erwärmung der Luft) benutzt.<br />

Näherungsweise kann man von einer abzuschlämmenden Wassermenge in Höhe von<br />

50% der Verdunstung ausgehen.<br />

Falls Wärme (fast) nur durch Verdunstung abgeführt wird (trockene, heiße Luft im<br />

Sommer) ergibt sich folgende Rechnung nach unserem Beispiel:<br />

2 500 MW/2 500 MWs/m 3 = 1 m 3 /s<br />

wird verdunsten, zusätzlich sind dann 0,5 m 3 /s abzuschlämmen, also ergibt sich ein<br />

gesamter Zusatzwasserbedarf von 1,5 m 3 /s.<br />

Falls Wärme beispielsweise zu einem Drittel zur Lufterwärmung genutzt wird (kalte,<br />

feuchte Luft), werden aber immer noch (1-1/3)*1,5 = 1 m 3 /s benötigt.<br />

Aus Lippe und Ems kann aber in trockenen Sommern selbst 1 m 3 /s nicht entnommen<br />

werden. Alternative Beschaffungsmethoden:<br />

an der Lippe<br />

Wasser wird vom Rhein über Kanalsystem mit Pumpen an Kanalwasserhaltungen<br />

(Schleusen) vorbei zu den Verbrauchern gebracht.<br />

An der Lippe sind auf ihrem Weg zum Rhein mehrere Kraftwerke und andere industrielle<br />

Wasserverbraucher, die gemeinsam das System betreiben.<br />

Rhein<br />

Abbildung 6: Zusatzwasser 1<br />

10


an der Ems<br />

Standortwahl<br />

Für das KKE (Kernkraftwerk Emsland, RWE) wird das Wasser aus dem extra dafür<br />

angelegten großen Speichersee im Bedarfsfall benutzt. Der positive Nebeneffekt ist ein<br />

Naherholungsgebiet. Der Kanal von der Weser (Mittellandkanal) konnte nicht genutzt<br />

werden, da die Werra aus DDR-Kaligruben viel Salz mit sich brachte und Obstbauern das<br />

Kanalwasser nutzen.<br />

Abbildung 7: Zusatzwasser 2<br />

Die Umwelteffekte sind bei Rückkühlung nur noch gering. Die Wasserführung wird leicht<br />

vermindert; das dem Fluss zurückgegebene (abgeschlämmte) Wasser ist besser gereinigt<br />

als bei der Direkt/Ablaufkühlung und zusätzlich entkarbonisiert (enthärtet).<br />

11


Hybridkühlung<br />

Eine weitere Möglichkeit bietet die Hybridkühlung.<br />

Standortwahl<br />

Abbildung 8: Hybridkühlung (Quelle: Power Engineering International – Aug/Sep 1997)<br />

In Abbildung 8 dargestellt ist ein Hybridkühler mit saugenden Ventilatoren und<br />

seitlich angeordneten Rippenrohren zur Lufterwärmung. Es gibt auch andere<br />

Anordnungen, beispielsweise mit drückenden Ventilatoren (siehe nächste Seite).<br />

Die Hybridkühlung mit Ventilator wird trotz zusätzlichem Energieverbrauch eingesetzt, um<br />

den Kühlturm niedrig halten zu können und das Landschaftsbild zu schonen.<br />

Durch die Nass/Trockenkühlung werden die Kühlturmschwaden unterdrückt (bis auf kleine<br />

Dampfwölkchen an kalten Tagen, siehe Mollier-Diagramm).<br />

Als gutes Beispiel gilt das Neckartal.<br />

Abbildung 9: Nass/Trockenkühlung<br />

12


Standortwahl<br />

Der Hybridkühlturm GKN II (Gemeinschaftkernkraftwerk Neckar, Block II), hat an der Basis<br />

einen Durchmesser von 160 m, eine Gesamthöhe von 51,22 m und eine Schlothöhe von<br />

24,97 m. Der Mündungsdurchmesser des Turms beträgt 73,6 m. Bei Nassbetrieb wird der<br />

benötigte Luftstrom durch 44 Ventilatoren mit einem Gesamtleistungsbedarf von 8,14 MW,<br />

bei Hybridbetrieb durch weitere 44 Ventilatoren mit einem zusätzlichen Leistungsbedarf von<br />

11,22 MW erzeugt.<br />

Quelle: Informationsbroschüre Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar GmbH 1999<br />

13


Standortwahl<br />

Trockenkühlung<br />

In Deutschland wurde bis zu seiner Sprengung auch die Bauform des Trockenkühlturmes<br />

verwendet (THTR in Hamm-Uentrop). In trockenen Gegenden gibt es die Trockenkühlung<br />

häufiger, oft mit Ventilatoren anstelle des Kühlturms.<br />

Trockenkühltürme benötigen eine erheblich größere Luftmenge als Nasskühltürme. Sie<br />

sind im Grundflächenbedarf und Bauvolumen entsprechend aufwändiger.<br />

Die Wasserführung erfolgt im geschlossenen Kreislauf (vergl. Autokühler).<br />

Der Kühlturm erzeugt den Zug und ersetzt damit den „Fahrtwind“.<br />

Der Nachteil an diesen Kühltürmen liegt in den hohen Baukosten und an der Problematik,<br />

dass die Kühlwassertemperatur immer über der Trockenlufttemperatur liegt (Bsp.: im<br />

Sommer 32 °C) und damit höher als die Feuchtlufttemperatur (Bsp.: selber Tag, aber<br />

18 °C).<br />

Damit sind Dampftemperatur und -druck am Ende der Turbine höher als beim<br />

Nasskühlturm, folglich der Wirkungsgrad bei gleicher thermischer Leistung kleiner und<br />

dadurch die Kraftwerksleistung geringer.<br />

Abbildung 10: Trockenkühlung [Dub99]<br />

Fazit:<br />

Kühlwasser ist ein wesentlicher Faktor bei der Standortauswahl.<br />

14


1.2 Infrastruktur<br />

Standort-Gegebenheiten für Betrieb:<br />

Standortwahl<br />

Menschen<br />

Bei Textilfabriken oder Elektronikartikeln beeinflusst das Vorhandensein von<br />

Menschen, die für relativ wenig Geld gute Arbeit leisten wollen und können, die<br />

Standortwahl.<br />

Beim KKW ist dies kein standortentscheidender Faktor; nicht spezialisiertes Personal<br />

(z.B. Schlosser) überall vorhanden; wenige Spezialisten ggf. von außen, oft<br />

„Heimkehrer" (Leute aus der Nachbarschaft, die zunächst dort keine Arbeit fanden);<br />

spezielle Ausbildung während KKW-Errichtung (steht vielen mit hinreichender<br />

Vorbildung offen).<br />

Bedarf an Menschen im KKW: inkl. Wachpersonal und Verwaltung ca. 300 Personen.<br />

Verkehrsanbindung (s.o.)<br />

Hilfsdienste außerhalb des KKW (Handwerker)<br />

Wohnungen, Geschäfte, Schulen, Kirchen etc.<br />

Kommunikationsmittel<br />

Die letzten vier Faktoren sind nicht standortentscheidend, da sie in der Regel vorhanden<br />

sind und die ergänzende Beschaffung keine Schwierigkeiten birgt.<br />

Hilfseinrichtungen am Kraftwerk:<br />

Zufahrten: Straße, Schiene, Wasserweg<br />

Zaun, Pförtner (Wachpersonal)<br />

Verwaltung: Verwaltungsgebäude, Sozialgebäude<br />

Werkstätten<br />

Lager (Ersatzteile)<br />

Versorgungsanschlüsse (Wasser, Strom, Kommunikation)<br />

Wasserfabrik: Deionat, Trinkwasser<br />

Feuerwehr, Fuhrpark etc..<br />

Fazit:<br />

Erschlossener Standort = wichtiger Standortfaktor, da vieles schon vorhanden ist und<br />

nicht neu errichtet, ggf. nur erweitert werden muss.<br />

15


1.3 Absatzmarkt<br />

Standortwahl<br />

1. Strom<br />

Strom-Verbundnetz von Norwegen bis Sizilien, von Portugal bis Ungarn; der Strom wird<br />

aber nicht so weit transportiert.<br />

In Deutschland (West) im Mittel ca. 60 km; im allgemeinen beeinflussen Transporte in der<br />

Größenordnung von ca. 100 km den Standort nicht.<br />

Größere Transporte (über 100 km) im Verbundnetz bewerkstelligt man häufig über<br />

„Parallelverschiebungen“.<br />

z.B. Südfrankreich → Turin → Genua → Rom → Neapel<br />

Netto-<br />

Zufluss<br />

Abbildung 11: Parallelverschiebung<br />

Transportweite z.B. 1 000 km<br />

Netto-<br />

Entnahme<br />

Die Summe der differentiellen Transportweitenzunahmen ist deutlich kleiner als die<br />

Entfernung Südfrankreich-Neapel. Manchmal wird der Strom auch über 1 000 km<br />

transportiert, aber nur wenn der Strom lokal billig erzeugt wird (Wasserkraft) und der<br />

Strombedarf weit entfernt ist (z.B. Kanada: Labrador - Montreal/Toronto). In solchen<br />

Fällen wird die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) bevorzugt. Gleichrichter<br />

und Wechselrichter sind zwar teuer, die Stromverluste auf der langen Strecke dafür<br />

vergleichsweise gering.<br />

HGÜ auch nötig bei Kabelstrecken über mehr als einige 10 km (insbesondere<br />

Meereskabel) wegen hoher elektrischer Kapazitäten (Blindleistungen) - am Ende geht<br />

kein Wechselstrom mehr durch.<br />

HGÜ zwingend für Verknüpfung von Netzen unterschiedlicher Frequenz (50/60 Hz in<br />

Japan) und unterschiedlicher Frequenzregelung (früher, z.T. noch Ost-Westeuropa).<br />

16


Standortwahl<br />

2. Wärme<br />

Prozessdampf für Industrie: KKW Stade (D); KKW Gösgen (CH); KKW Bruce<br />

(CDN): Bruce war mit Abstand größter Wärmelieferant der Welt, produzierte D2O für<br />

kanadische KKW; (inzwischen genug D2O erzeugt); dort siedelten sich<br />

zwischenzeitlich zusätzliche Wärmeverbraucher an.<br />

Fernwärme (KKW Beznau (CH), zahlreiche osteuropäische KKW).<br />

Standort bisher nicht wegen Wärmelieferung gewählt, ggf. vorhandenes KKW aber<br />

genutzt (Ausnahme auf dem Papier: KKW-Plan für BASF in Mannheim/Ludwigshafen in<br />

70er Jahren).<br />

Transportweiten (wirtschaftlich)<br />

zum Wärmekunden: einige km<br />

zum Wärmenetz oder großen Abnehmer: wenige 10 km (max. 30 km).<br />

Lokal verbrauchbare Wärme bei KKW ist viel kleiner als abgebbare Wärme (Ausnahme:<br />

Kleine KKW, z.B. Versuchsreaktoren, in Zukunft vielleicht extra dafür konzipierte Modul-<br />

Reaktoren).<br />

1.4 Wechselwirkungen des KKW mit der Umgebung<br />

1.4.1 Wirkung des KKW auf die Umgebung<br />

(a) Radioaktive Stoffe<br />

Pessimistische Berechnung der radioaktiven Belastung; Beispiel:<br />

Jod aus KKW-Kamin → Kuh → Milch → Kleinkind<br />

(Unrealistische Abluftfahne, Kuh am ungünstigsten Aufpunkt, Kind trinkt nur<br />

Milch von dieser Kuh).<br />

KKW wird so gebaut, dass die zulässigen Werte wesentlich unterschritten werden.<br />

→ nicht standortentscheidend (gilt für den Normalbetrieb).<br />

Evakuierung muss planbar sein (und geplant werden), schließt Standort aus, wo das nicht<br />

möglich ist (bei großen Unfällen); Ausnahme: Nachweis, dass im schlimmsten denkbaren<br />

Fall die Evakuierung nicht nötig ist.<br />

GaU: Größter anzunehmender Unfall, der noch beherrscht wird (keine wesentliche<br />

Auswirkung auf Umgebung).<br />

Super-GaU: schlimmster denkbarer Unfall → geht über GaU hinaus (nicht<br />

beherrschtes Ereignis, auslegungsüberschreitendes Ereignis).<br />

17


Standortwahl<br />

„Artikelgesetz“ (neues deutsches Gesetz 1994):<br />

Keine größeren Auswirkungen in der Umgebung beim Super-GaU<br />

→ interpretationsbedürftig: Interpretation steht noch aus, soll parallel zur Planung des<br />

EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) erfolgen: Welche Folgen<br />

(Evakuierung/Umsiedlung/Erntevernichtung) - quantitativ - wären noch gesetzeskonform?<br />

Welche Fälle soll man noch betrachten (Abschneide-Kriterium)? Risikoabschätzung in<br />

diesen Grenzfällen sinnvollerweise nur deterministisch (nicht probabilistisch) durchführbar.<br />

Falls das Gesetz erfolgreich eingehalten werden kann, wird man trotzdem nicht in<br />

Stadtmitte bauen.<br />

Denkbare Ausnahme: Kleine Hochtemperaturreaktoren in Stadtmitte/Industrienähe möglich<br />

und bei Wärmeauskopplung sinnvoll. Beim THTR (Hamm-Uentrop) bereits nachgewiesen,<br />

dass Evakuierung im schlimmsten denkbaren Fall nicht nötig gewesen wäre.<br />

Voraussetzung für stadtnahe Errichtung: Akzeptanz der Bevölkerung.<br />

(b) Lärmentwicklung<br />

Regelung ist Ländersache: In NRW Abstandserlass: Abstand von Wohngebieten muss<br />

eingehalten werden.<br />

Außerdem darf Lärmentwicklung durch Transformator, Kühlturm etc. vorgeschriebene<br />

Lärmentwicklung im Wohngebiet nicht überschreiten.<br />

Der Nachbarlärm (z.B. Autobahn) wird nicht berücksichtigt (Messung in<br />

verkehrsschwächster Zeit oder Berechnung).<br />

Die Bestimmungen müssen eingehalten werden → teurer Lärmschutz kann Standort<br />

benachteiligen.<br />

(c) Wärme<br />

Wärmeabgabe über Kühlsystem; hier ist der optische Eindruck nicht zu vernachlässigen.<br />

Beispiel: KKW im Neckartal (Neckarwestheim), siehe Abbildung weiter oben. Lösung mit<br />

Ventilator-Hybridkühlturm sehr teuer, falls anderer Standort zu finden gewesen wäre, wäre<br />

man dorthin gegangen.<br />

18


1.4.2 Wirkung der Umwelt auf das Kernkraftwerk<br />

Standortwahl<br />

(a) Natürliche Einflüsse<br />

Sturm (in den USA mit Telefonmast als Rammbock).<br />

Hochwasser: KKW darf nicht den Hochwasserabflussquerschnitt verengen.<br />

Erdbeben: Nicht standortbestimmend, da großräumig zu beachten. Abstand von<br />

Verwerfungen (D); Japan: Mögliche Erdbebenintensität aus Größe inaktiver<br />

Verwerfungen in der Umgebung abgeschätzt. KKW muss hier wie dort Erdbebenlasten<br />

aushalten; in D, bei relativ kleinen zu erwartenden Erdbeben<br />

z.T. stark übertriebene Anforderungen (Beispiel: Dübel für THTR-Kabelpritschen).<br />

(b) Zivilisatorische Einflüsse<br />

Flugzeugabsturz: Das KKW wird dagegen ausgelegt, trotzdem werden militärische<br />

Übungsgelände und Einflugschneisen von Flughäfen gemieden, letztere auch wegen<br />

Begrenzung der Bauhöhe.<br />

Explosionen: Munitionslager (geheim): Bundeswehr muss gefragt werden, teilt mit,<br />

ob KKW gebaut werden darf oder nicht.<br />

Chemieanlagen (vergl. 1.3, BASF): Ggf. Sondermaßnahmen oder hinreichende<br />

Entfernung nötig.<br />

Verkehrswege (Transport explosibler Stoffe): Abstand einzuhalten, abhängig von<br />

möglicherweise transportierter Menge explosibler Stoffe; wegen gewünschter<br />

Nähe zu Verkehrswegen evtl. Standortprobleme.<br />

Abbildung 12: Notwendig einzuhaltende Abstände<br />

Gegen den verbleibenden Explosionsdruck wird das KKW ausgelegt (siehe KPT I).<br />

19


1.5 Administrative und politische Einflüsse<br />

1.5.1 Administrative Einflüsse<br />

Standortwahl<br />

Folgende Pläne müssen vorliegen:<br />

Landesentwicklungsplan (LEP) in NRW und anderen (nicht allen) Bundesländern<br />

Gebietsentwicklungsplan (zuständig: Regierungsbezirk/-präsident)<br />

Flächennutzungsplan (zuständig: Gemeinde)<br />

Bebauungsplan (gibt an, wie viel % der Fläche im Mittel wie hoch bebaut werden<br />

darf) zuständig: Gemeinde<br />

Landesentwicklungsplan (LEP): In dichtbesiedelten Ländern (NRW) müssen für Vorhaben<br />

mit großem Flächenbedarf Flächen vorsorglich freigehalten werden.<br />

1. Schritt<br />

Landesministerium schlägt Flächen vor nach Rücksprache mit in Frage kommenden<br />

Unternehmen; es werden mehr Vorschläge als nötig unterbreitet.<br />

2. Schritt<br />

Gemeinden nehmen Stellung zu den Vorschlägen<br />

positiv: mögliche Steuereinnahmen, Arbeitsplätze<br />

negativ: Einschätzung, dass das Industrieunternehmen nicht kommt und<br />

die Fläche für andere Zwecke blockiert ist, z.B. für die Ansiedlung<br />

kleiner Gewerbe.<br />

Vorhaben, z.B. KKW abgelehnt: Wirtschaftliche Gründe, z.B. Tourismus gefährdet;<br />

allgemeine Ablehnung der Umweltbelastung/Kernkraft.<br />

3. Schritt<br />

Zurück an das Ministerium; das Ministerium wertet die Stellungnahmen aus und<br />

berücksichtigt diese; bei KKW Rücksichtnahme auf eine Ablehnung bisher problemlos, da<br />

andernorts Zustimmung.<br />

Bei Müllverbrennungsanlagen oder Deponien kann eine allgemeine Ablehnung vorliegen;<br />

hier macht das Ministerium ggf. einen Plan nach objektiven Gesichtspunkten. Plan wird im<br />

Landtag verabschiedet und damit Gesetz, wenn es gar nicht anders geht, auch gegen den<br />

Willen einer Gemeinde.<br />

20


1.5.2 Politische Einflüsse<br />

Falls der politische Wille gegen ein KKW ist, ist ein Standort nicht möglich.<br />

Standortwahl<br />

Problem: Änderung des politischen Willens (NRW)<br />

z.B. THTR Hamm-Uentrop:<br />

Nach kurzem Betrieb aus politischen Gründen stillgelegt.<br />

z.B. SNR Kalkar:<br />

Durch „Kalkarisierung“ (behördliche Prüfung ohne Aussicht auf Entscheidung)<br />

Inbetriebnahme verhindert.<br />

z.B. SWR Würgassen:<br />

Stillgelegt anlässlich anstehender Reparatur, da Kalkarisierung befürchtet; in<br />

anderen Ländern ähnliche Schäden an über 20 SWR, dort überall repariert<br />

(belegt Politik als Ursache für die Stillegung von Würgassen). Falls Ähnliches<br />

in Zukunft auch nur zu befürchten ist, kann KKW nicht errichtet werden (derzeit<br />

gültig für ganz D).<br />

Fazit:<br />

Politischer Einfluss hat große Bedeutung für den Standort.<br />

Folgerung: Standortverlagerung (innerhalb D oder D → Ausland)<br />

1. KKW Hamm NRW, 1975, neben THTR geplanter DWR; Problem<br />

„Kalkarisierung“ → Errichtung bei Lingen, Emsland (Niedersachsen)<br />

ab 1982, Inbetriebnahme 1988.<br />

2. Wiederaufarbeitungsanlage Gorleben: Hearing 1979 → Technik o.k. →<br />

Sicherheit o.k. → politische Durchsetzung nicht möglich (Ministerpräsident<br />

Albrecht, CDU).<br />

Alternative zunächst: Wackersdorf Bayern: Land (CSU-geführt), Gemeinde Wackersdorf<br />

(SPD-geführt) dafür → 800 000 Einsprüche aus Deutschland und Österreich,<br />

Demonstrationen u.ä. → Angebot der Wiederaufarbeitung aus Frankreich für 1/3 - 1/2<br />

der Kosten, die in Wackersdorf angefallen wären (Preis überhöht durch geringe<br />

Leistungsgröße und deutschen Perfektionismus, u.a. höchste Sicherheitsmaßnahmen, z.B.<br />

Rückhaltung von Krypton).<br />

Fazit:<br />

Transport nach und Wiederaufarbeitung in Frankreich oder Großbritannien, Rücktransport<br />

verfestigter Abfälle (seit 1996) .<br />

21


Randbedingungen an das Kernkraftwerk<br />

2 Randbedingungen an das Kernkraftwerk<br />

(siehe auch Vertrag)<br />

Technische Randbedingungen: „Qualität des Stroms“<br />

Abbildung 13: Strombedarf<br />

Kraftwerke werden im Sommerhalbjahr planmäßig vom Netz genommen und revidiert.<br />

Daher Reserveleistung (verfügbare Kraftwerksleistung abzüglich Spitzenstrombedarf)<br />

im Sommer ungefähr so groß wie im Winter. Reserveleistung auch durch Witterung<br />

(Wasserführung), unplanmäßige Ausfälle, politische Behinderung eines<br />

Wiederanfahrens von KKW, umwelt- und energiepolitische Gründe (z.B. möglichst<br />

kein Öl zur Stromerzeugung) eingeschränkt.<br />

Gas/Öl<br />

Laufwasser<br />

Abbildung 14: Jahresdauerlinie<br />

22


Randbedingungen an das Kernkraftwerk<br />

Wind- und Solarstromerzeuger tragen zur Leistung nicht bei, da sie nicht sicher dann<br />

zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden.<br />

In Abbildung 14 ist die Jahresdauerlinie der vom Netz geforderten Leistung<br />

dargestellt. Leistung in kurzen Zeitabschnitten gemessen und nach Größe geordnet<br />

(wie Bücher im Bücherschrank). Die Kraftwerke werden fast ausschließlich nach den<br />

momentanen Kosten, im wesentlichen Brennstoffkosten, eingesetzt.<br />

Abbildung 15: Abflachung der Lastkurve mit Hilfe von Pumpspeicherwerken<br />

Kraftwerksbetrieb im Tagesverlauf<br />

hier Bedeutung der Mindestlast (bei Mittellastkraftwerken) gut zu erkennen; es gibt<br />

aber auch Kraftwerke, die jede Nacht abgestellt werden, insbesondere dort, wo der<br />

Anteil an Grundlastkraftwerken höher ist, siehe Abbildung 16 unten.<br />

Abbildung 16: Lastabdeckung mit hohem Anteil an Grundlast-Kraftwerken<br />

23


Randbedingungen an das Kernkraftwerk<br />

KKW werden aus wirtschaftlichen Gründen meist nahe an der Vollast betrieben,<br />

müssen dem Strombedarfsverlauf aber folgen können.<br />

Wichtig: Mindestlast (wie weit kann ein Kraftwerk heruntergefahren werden, ohne<br />

dass es abgeschaltet werden muss) typische Werte 20 - (40)% der Nennlast.<br />

Ein Kraftwerk, das oft ab- und angefahren wird, unterliegt erheblichen<br />

Werkstoffbelastungen.<br />

1. Lastfolgeverhalten, Anforderungen<br />

(a) Rampen<br />

Abbildung 17: Rampen<br />

Steigerung 10%/min, aber nicht über den ganzen Bereich: 60% Erhöhung in ca. 1 Std.<br />

Problem: Werkstoffermüdung durch Temperaturdifferenzen in dickwandigen<br />

Bauteilen; falls ∆T/∆t zu groß: Sekundärspannungen, Plastifizierung, später Risse; ∆T<br />

in dicken Wänden gemessen, ∆T/∆t durch Regler begrenzt.<br />

24


(b) Bandfahren<br />

Abbildung 18: Bandfahren<br />

Randbedingungen an das Kernkraftwerk<br />

große Sprünge<br />

nach oben nötig bei Ausfall eines größeren Kraftwerkes nach unten nötig bei<br />

Ausfall eines Netzteiles.<br />

Früher: 10% Sprung/5 sec; Heute: 5% Sprung/5 sec (jeweils zwischen<br />

40% - 100%); 2. Sprung in gleicher Richtung nach 5 min, bei mehreren<br />

Sprüngen hintereinander ist die Begrenzung die Rampe (s.o.); ein Kraftwerk<br />

muss Sprünge zwischen 2% und 5 (10)% im Lastbereich von 40% - 100%<br />

100 000 mal ertragen.<br />

Wichtig ist ferner, dass sich das KKW bei einem Lastabwurf im Eigenbedarf fangen<br />

muss (Dampf zur Turbine abgesperrt, damit diese nicht durchdreht, dann wieder so<br />

viel Dampfzufuhr, dass der Generator genug Strom zur Deckung des<br />

Kraftwerkseigenbedarfs erzeugt); wegen schneller Temperaturänderung starke<br />

Werkstoffbeanspruchung; seltener Vorgang.<br />

Es wird vertraglich festgelegt:<br />

Auslegung (Berechnung) auf 40 Jahre; mit Liste, was das KKW in 40 Jahren<br />

aushalten muss, z.B. wie oft an- und abgefahren wird (aus welchem Zustand,<br />

kalt, warm, Nulllast, Volllast → in welchen Zustand); Liste von Störungen, z.B.<br />

Fangen im Eigenbedarf, große Störungen (selten), z.B. 1 Fall in 40 Jahren.<br />

→ Ermüdung berechnet; Ermüdung muss unterhalb des zulässigen<br />

Grenzwertes liegen; bei bestimmten Apparateteilen, z.B. Wassereinspritzung<br />

in Frischdampf oder kalte Ventile, die gelegentlich heißen Dampf abblasen, ist<br />

der Nachweis auf 40 Jahre nicht möglich; falls reale Belastung der<br />

pessimistischen Berechnung entspricht, ermüdetes Teil auszutauschen und<br />

falls Lieferer vertraglich 40 Jahre Standzeit pauschal zusagte, muss er ggf.<br />

Austausch vornehmen (Rückstellung dafür – Mehrkosten).<br />

25


Randbedingungen an das Kernkraftwerk<br />

2. Spannung<br />

Die Spannung darf für 0,3 sec auf 85% der Nennspannung abfallen; das KKW muss<br />

dabei funktionsfähig bleiben, mit 100% der Nennlast. Bei 90% der Spannung sollen<br />

Hilfsantriebe die Leistung nicht wesentlich verringern.<br />

Problem:<br />

Motorerwärmung → elektrische Isolierung<br />

Leistung P = const; P = U • l = 0,9 Uo•1,1 Io<br />

Erwärmung ~ R I 2 steigt also um<br />

1 2<br />

<br />

<br />

<br />

0,<br />

9 <br />

1<br />

<br />

23,<br />

4%<br />

Die Erwärmung muss durch die Auslegung der Motorwicklung (Isolierung) verkraftet<br />

werden. Diese Prämisse gilt nicht für Motoren beim Anlaufen, da hier der Motor ein<br />

Vielfaches an Strom zieht (der Zustand des Anlaufens ist nur kurz; mehrfaches<br />

Anlaufen hintereinander würde dagegen den Motor unzulässig erwärmen).<br />

3. Frequenz<br />

Normalzustand 50 Hz<br />

KKW muss bei 47,5 Hz funktionstüchtig bleiben mit 100% bis 10 min.<br />

KKW muss bei 48,0 Hz funktionstüchtig bleiben mit 100% bis 20 min.<br />

Problem: Turbine<br />

Eine Turbine ist ein vielfach schwingungsfähiger Körper: Schaufeln,<br />

Torsionsschwingungen, Achse usw. → Resonanzbereiche.<br />

Auslegung: bei 50 Hz ist ein Schwingungstal (Minimum).<br />

26


3 Vertrag<br />

3.1 Eckpunkte<br />

Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerks bestimmt durch:<br />

Preis (DM)<br />

Leistung (kW)<br />

Verfügbarkeit (h/a)<br />

Lieferzeit (a) (Bedeutung: wann verfügbar, wieviel Preissteigerung,<br />

Zinsen, Steuern, Personalkosten etc. bis Betriebsbeginn zu zahlen)<br />

Nettowirkungsgrad (kWhel/kWhth) oder Wärmeverbrauch (kWhth/kWhel)<br />

Vertrag<br />

Leistung, Preis, Lieferzeit, Wirkungsgrad im Vertrag festgehalten, Verfügbarkeit nur<br />

manchmal, nur bei neuartigen Anlagen und auch dies nur für eine begrenzte Zeit (z.B.<br />

4 Jahre); Grund: Verfügbarkeit auch durch Betreiber beeinflusst; Lieferer muss<br />

Verantwortung abgeben können, will Bücher schließen.<br />

Wenn Leistung oder Wirkungsgrad nicht erreicht, wenn Lieferzeit überschritten<br />

(Lieferer verantwortlich), Vertragsstrafe (Pönale) fällig; bei manchen Verträgen im<br />

umgekehrten Fall auch ein Bonus (z.B. halb so hoch wie Pönale).<br />

Wenn Leistung/Wirkungsgrad um mehr als z.B. 10% unterschritten, Lieferzeit um<br />

mehr als z.B. 10 Monate überschritten, dann vertraglich Rücktritt möglich, d.h.<br />

theoretisch: Kraftwerk zurück, Geld zurück. Praktisch versucht man, den Schaden zu<br />

minimieren; Interesse des Bestellers, den Lieferer wirtschaftlich überleben zu lassen.<br />

Besteller wirtschaftlich schwer geschädigt, dafür in starker Verhandlungsposition.<br />

3.2 Preis und Lieferumfang<br />

Preis für KKW von 1 250 MWel (netto) in den 80er Jahren rund 3,5 Mrd DM. Alles<br />

Wesentliche, was den Lieferumfang betrifft (auch: gewählte Werkstoffe u.v.a.m.), in<br />

mehrbändigem Angebot beschrieben.<br />

Im Vertrag allgemeine, klarstellende, abgrenzende und ergänzende Angaben zum<br />

Umfang der Lieferungen und Leistungen. Technische Angaben im Sicherheitsbericht,<br />

der die Grundlage der Genehmigung darstellt, sind ebenfalls zu erfüllen und insofern<br />

Vertragsbestandteil.<br />

Vollständigkeitsklausel: Was nirgendwo steht, weil es vergessen wurde oder eine<br />

geringe Bedeutung hat, was dennoch für die Funktion des KKW notwendig ist, muss<br />

auf Kosten des Lieferers zusätzlich erbracht werden. In Deutschland, im Gegensatz<br />

zu etlichen anderen Ländern, schlüsselfertige Bauweise des gesamten KKW (mit<br />

Ausnahme einiger definierter, meist peripherer Bereiche) üblich.<br />

27


Vertrag<br />

Qualität der Ausführung möglichst im Angebot und im Regelwerk (ggf. geforderte von<br />

mehreren Güteklassen angeben) festzuschreiben. Wo solcher Bezug fehlt, soll das<br />

KKW mindest so gut sein wie ein im Vertrag definiertes Referenzkraftwerk; gleiches<br />

gilt für nicht zwingend erforderliche Ausstattungen (ggf. entsprechend mehr zu<br />

liefern). Beispiel: Helligkeit der Turbinenhalle mit Bezug auf Referenzkraftwerk auf<br />

Kosten des Lieferers verdoppelt.<br />

Bei Verkehrswegen, Stromleitungen, Wasserzu- und -ableitungen u.ä. wird durch<br />

Liefergrenzen bestimmt, wer was bis wohin liefert. Beispiele: Kraftwerkszaun; Unteroder<br />

Oberspannungsseite des Transformators.<br />

Der Bauherr (oder von ihm beauftragte Dritte) erbringen in der Regel (oder oft)<br />

folgende Lieferungen und Leistungen:<br />

Grundstück, Vermessung, Planierung, Baugrunduntersuchung: Risiko, Zaun;<br />

Beweissicherung: Radioaktivität in Umgebung vor Baubeginn<br />

Genehmigungsverfahren; Standortteil des Sicherheitsberichtes; (begleitende<br />

Kontrolle auf der Baustelle: letztere, wenn vertraglich so vereinbart, und vom<br />

Lieferer gegen Mehrpreis)<br />

Betriebspersonal für Inbetriebnahme etc., oft mehrjähriger Vorlauf; ärztliche<br />

Überwachung<br />

Anschlüsse an Wasserweg, Schiene, Straße; Parkplätze, Stromanschlüsse mit<br />

Mess-, Steuer-, Schutzleitungen, Fernmelde- und Wasseranschlüsse:<br />

Versorgung, Entsorgung – alles bis zur jeweiligen Liefergrenze<br />

Lieferung von Strom für Bauzeit/Inbetriebnahme, Wässer verschiedener<br />

Qualität, in definierter Menge, Entsorgung von Abwässern und von<br />

radioaktiven Abfällen, sofern sie bei ordnungsgemäßer Inbetriebnahme<br />

anfallen<br />

Baubaracken für das eigene Personal, Verwaltungs- und Sozialgebäude,<br />

Kantine<br />

fast alles Mobile: Ausstattungen von Labors, Werkstätten, Wäscherei,<br />

Hygienetrakt: Spinde etc., Verwaltungs-, Sozialgebäude, Pförtnergebäude,<br />

Garagen, Feuerwehr; Transporteinrichtungen, Brennelementtransportbehälter;<br />

Schutzkleidung/Ausrüstung, Strahlenüberwachungsgeräte; Turbinenöl,<br />

Schmieröl (z.T. nach Erstfüllung), Kraftstoffe für ordnungsgemäße<br />

Inbetriebnahme; Sonderwerkzeuge, Hebebühnen, Prüfroboter u.v.a.m.,<br />

sofern nicht im Lieferumfang des Lieferers<br />

((große) Transformatoren)<br />

(Kühlturm).<br />

28


Vertrag<br />

Der Lieferer (oder von ihm beauftragte Dritte, ca. 700 Firmen) erbringen in der Regel:<br />

Errichtung, Inbetriebnahme, Probebetrieb des schlüsselfertigen KKW (außer<br />

Lieferungen und Leistungen des Bestellers)<br />

Sicherheitsbericht (Einbau Standortteil des Bestellers), Unterlagen für<br />

Genehmigungsverfahren, Unterstützung; begleitende Kontrolle in Werkstätten<br />

(nicht so oft: auf Baustelle)<br />

Angaben für Besteller: wann und wie dessen Leistungen zu erbringen sind;<br />

Ausbildung des Personals des Bestellers; Betriebsvorschriften; Anforderungen<br />

an Brennelemente (so dass auch die Konkurrenz liefern kann); <strong>Dokument</strong>ation<br />

Reserveteile (rechtzeitig mitzubestellen, dann billiger)<br />

bestimmte mobile Einrichtungen (meist im Angebot enthalten, wie<br />

Schraubenspannvorrichtungen, Einrichtungen für Brennelementwechsel etc.;<br />

zusätzlich z.B. Monitore, große Werkbänke).<br />

Regeln und Richtlinien bei Lieferungen stets einzuhalten. Falls im Entwurfsstadium: in<br />

Vertragsanhang definiert, was gilt (alte Fassung, neue Fassung im Entwurf, ganz oder<br />

teilweise - je nachdem, womit zu rechnen).<br />

Lieferungen und Leistungen können sich während der Bauzeit ändern durch:<br />

Forderungen der Genehmigungsbehörde (verbindliche Zusage, dass so<br />

ausgeführt, oder Auflage im Genehmigungsbescheid); Forderungen bei<br />

begleitender Kontrolle (Vorprüfung etc.); Änderung des Regelwerks gegenüber<br />

definiertem Stand (s.o.)<br />

Vorschläge des Lieferers (technisch bessere oder wirtschaftlichere Lösungen)<br />

Wünsche des Bestellers.<br />

Verantwortung bleibt beim Lieferer, kann deswegen ggf. Bestellerwünsche ablehnen.<br />

Besteller muss terminliche und preisliche Folgen tragen (auch Verbilligung möglich).<br />

Verteuerung durch Behördenforderungen vom Lieferer zum Teil (z.B. 1/3) bis zu<br />

bestimmter Maximalhöhe mitgetragen. Damit Blick für Angemessenheit einer<br />

Forderung geschärft; vom Lieferer keine Überperfektion angeboten (Ingenieur durch<br />

Kaufmann gezügelt).<br />

3.3 Gewährleistungen<br />

Dauer: normal 8 - 10 000 h Betrieb, 2 Kalenderjahre; bei Bauten 5 Jahre normal,<br />

angesichts 5 - 6jähriger Bauzeit (Bauten meist am Anfang) oft weniger vereinbart (z.B.<br />

3 Jahre ab Übergabe). Sonderregelungen, wenn Betrieb durch Behörden oder durch<br />

Störung unterbrochen. Auf jeden Fall gewisse Restgewährleistungszeit.<br />

29


Vertrag<br />

Kraftwerk soll über 40 Jahre halten (in Zukunft bis zu 60 Jahre, KKW Emsland 90<br />

Jahre); Planung auf Grundlage einer Liste von Vorgängen mit besonderer<br />

Materialbeanspruchung: An- und Abfahren, größere Laständerungen/Sprünge,<br />

Störungen etc.. Zulässige Materialermüdung, beim Reaktordruckbehälter zulässige<br />

Versprödung rechnerisch nachzuweisen. Falls Ermüdung rechnerisch unzulässig<br />

(etwas), realer, meist nicht so beanspruchender Betrieb abgewartet, notfalls<br />

Austausch auf Kosten des Lieferers, falls vertraglich so festgelegt. Aber keine<br />

Garantie (Grund wie bei Verfügbarkeit, s.o.).<br />

Ist ein Schaden prinzipieller Natur (tritt er innerhalb der Gewährleistungszeit immer<br />

wieder auf), muss grundsätzliche Abhilfe geschaffen werden. Bei Änderungen<br />

müssen Reserveteile mit geändert werden. Nimmt ein Hersteller zur Beseitigung<br />

eines Mangels Reserveteile vom Lager des Betreibers, muss er sie ersetzen (nicht:<br />

bezahlen). In Ausnahmefällen, falls der Betreiber zustimmt, ist Bezahlung möglich.<br />

Zeitraum und Methode, wann und wie Nennleistung und Wirkungsgrad zu messen,<br />

vertraglich festgelegt, ebenso Umrechnungskurve, falls Umgebungstemperatur von<br />

vertraglich unterstellter Temperatur abweicht. Werden Nennleistung/Wirkungsgrad<br />

nicht erreicht, muss Lieferer zunächst nachbessern (versuchen, die vertraglich<br />

garantierten Daten mit Zusatzmaßnahmen doch noch zu erreichen). Falls das nicht<br />

gelingt, ist Vertragsstrafe (Pönale) fällig. Pönale deckt nur kleinen Bruchteil des<br />

wirtschaftlichen Verlustes des Bestellers (1% Leistung entspräche etwa 60 Mio €),<br />

schmälert aber Gewinn des Herstellers erheblich. Damit Zweck (Hersteller strengt<br />

sich an) erreicht; auch wichtig: Verlust an Renommee. Bei Überschreiten<br />

gewährleisteter Werte in manchen Verträgen Bonus ausgelobt (üblich: halbe Höhe<br />

der Pönale); wirtschaftlicher Nutzen um ein Vielfaches größer.<br />

Geräuschpegel (im Kraftwerk und in der Umgebung) ebenfalls gewährleistet. Falls<br />

überschritten: Solange nachzubessern, bis zugesicherte Werte erreicht. Ausstieg aus<br />

solchem Bemühen mittels Pönale nicht möglich, da Betriebserlaubnis an Einhaltung<br />

der Geräuschpegel gekoppelt.<br />

Radiologische Fragen in Genehmigungsverfahren geregelt. Entsprechende Werte<br />

auch im Vertrag erwähnt. Auslegung und Berechnung mit großen Sicherheitsmargen.<br />

Reale Werte weit unterhalb zulässigen und garantierten Werten.<br />

30


3.4 Liefertermin<br />

Vertrag<br />

Falls Lieferer an Überschreitung schuld, Pönale fällig; üblich: je vollendete Woche<br />

Pönale zahlen, bei KKW mit mehrjähriger Bauzeit je vollendeten Monat.<br />

Wirtschaftliche Bedeutung der Pönale wie bei Leistung/Wirkungsgrad. Bei<br />

Unterschreitung der Lieferzeit manchmal Bonus, z.B. in Höhe der halben Pönale<br />

(KKE: Bonus bis 6 Monate Lieferzeitverkürzung vereinbart, tatsächlich 8 Monate<br />

erreicht).<br />

Summe aller Pönalen vertraglich begrenzt; Rücktrittsrecht (s.o.), wenn Summe<br />

überschritten werden würde.<br />

Lieferer entschuldigt (exkulpiert) bei Lieferverzug, in Fällen von<br />

höherer Gewalt<br />

Arbeitskämpfen (Streik, Aussperrung), Aufruhr, Sabotage<br />

Feuer, das Lieferer nicht zu vertreten hat (wird sehr eng ausgelegt)<br />

Temperaturen unter -5 °C bei einer bestimmten Bauphase (KKW: Montage der<br />

Sicherheitshülle)<br />

Eingreifen oder Nichttätigwerden der öffentlichen Hand (insbesondere<br />

Verzögerungen im Genehmigungsverfahren), sofern Lieferer nicht daran<br />

schuld ist (z.B. bei unzureichenden Unterlagen; letzteres wird von der<br />

Behörde, falls sie im Verzug ist, grundsätzlich behauptet, schon um<br />

Schadensersatzklagen vorzubeugen; es kann schwierig sein zu entscheiden,<br />

wer an einer Verzögerung schuld ist, bei erklärtem politischen Willen wie im<br />

Falle Kalkar war es leider nicht schwierig)<br />

Falls Besteller seine Leistungen nicht rechtzeitig erbringt (Lieferer muss ihm<br />

allerdings rechtzeitig vorher mitgeteilt haben, was er wann benötigt)<br />

Ausschusswerden eines terminbestimmenden Lieferteils; Hersteller muss<br />

allerdings nachweisen, dass er alles getan hat, um das zu vermeiden: Wahl<br />

hochqualifizierter Werkstatt, Beachtung aller Regeln, zumutbare Vorsorge: bei<br />

„Meterware“ (Rohrleitungen, Kabel) und „Massenware“ (kleine Ventile,<br />

Pumpen, Instrumente) Bestellung zusätzlicher Längen oder Stücke (ggf.<br />

später Ersatzteil), sonst Bestellung von Halbzeugen (z.B. Turbinenwelle in<br />

geschmiedetem Zustand; falls eine Welle auf der Drehbank zu stark abgedreht<br />

- Ausschuss, aus Schmiedestück schnell Ersatz zu schaffen; falls dieser Fall<br />

nicht eintritt, kann Schmiedestück später für einen anderen Auftrag genutzt<br />

werden)<br />

In manchen Verträgen auch Ausschusswerden beim Transport (z.B. Absturz<br />

eines wichtigen Teils ins Meer), wiederum alle Sorgfalt vorausgesetzt; wo das<br />

nicht steht, wird vorausgesetzt, dass mit eben dieser Sorgfalt ein Schaden<br />

auszuschließen ist (Restrisiko beim Hersteller).<br />

31


3.5 Preise, Zahlungsbedingungen<br />

Vertrag<br />

Der Preis, z.B. 3,5 Mrd DM, wird in Raten bezahlt, nach einem Zahlungsplan.<br />

Tatsächliche Zahlung oft an zahlungsauslösende Ereignisse gebunden (z.B. Beginn<br />

oder Abschluss bestimmter Betonierarbeiten, Fertigstellung wichtiger Komponenten),<br />

falls dadurch Endtermin beeinflusst. Hersteller legt gern zeitliche Puffer zwischen<br />

Ereignis und Zahlungstermin (in Maßen akzeptabel). Preis für Maschinen- und<br />

Elektrotechnik (MT/ET) und für Bautechnik (BT) gesondert ausgewiesen.<br />

Preisgleitung: Zum Zeitpunkt i zu zahlende Rate ändert sich nach folgender Formel:<br />

Wobei a + b + c = 1<br />

R<br />

R<br />

i<br />

i0<br />

M<br />

a<br />

b<br />

M<br />

L<br />

c<br />

L<br />

M: Preisindex für verschiedene Materialien, für<br />

MT/ET: Index für Eisen-, Stahl- und Temperguss<br />

(Statistisches Bundesamt)<br />

BT: verschiedene Indizes für Stabstahl, Bauhölzer, Sand/Kies,<br />

Zement, sonstige Stoffe (Formel hat hier fünf Glieder statt<br />

einem, die Summe aller Faktoren ist aber auch hier 1)<br />

L: Lohnindex, bei<br />

MT/ET: bestimmter Ecklohn in der Metallindustrie, einschließlich<br />

gesetzlicher und tariflicher Zuschläge<br />

BT: bestimmter Ecklohn eines Baufacharbeiters, mit Zuschlägen<br />

M0/L0: letzte bekannte Werte vor Vertragsabschluss<br />

Mi/Li: bei Ratenzahlung oder etwas davor (je nach Dauer statistischer<br />

Ermittlungen) gültige Werte. Im Vertrag Zeitpunkt jeweils genau<br />

definiert<br />

a: unveränderlicher Faktor; der Besteller hätte ihn gerne möglichst groß,<br />

der Hersteller möglichst klein; Beispiel 0,15<br />

b: Faktor für Materialanteil (bei BT, wie gesagt, mehrere Faktoren)<br />

c: Faktor für Lohnanteil.<br />

i<br />

0<br />

i<br />

0<br />

<br />

<br />

<br />

32


Vertrag<br />

Normalerweise sind das feste Faktoren, die den durchschnittlichen Kostenteilen<br />

möglichst gut entsprechen. Bei langlaufenden Verträgen wie beim KKW können sie<br />

sich auch verändern: Sinkender Materialanteil zum Ende der Lieferzeit, dann nur noch<br />

Endmontage und Inbetriebnahme; in diesem Fall wären auch die Faktoren zu<br />

indizieren, nach der Formel:<br />

R<br />

R<br />

i<br />

i0<br />

<br />

a<br />

b<br />

<br />

i<br />

Für den Fall, dass sich Verzögerungen ergeben (Nichteintreten auslösender<br />

Ereignisse), die vom Lieferer zu vertreten/nicht zu vertreten sind, enthält der Vertrag<br />

eine Reihe von Regelungen über Ratenzahlungen (verzögert/planmäßig) und über die<br />

Anwendung der Preisgleitung (ausgesetzt/nicht ausgesetzt). Bei größeren<br />

Verzögerungen ohne Schuld des Lieferers wird der Zahlungsplan neu verhandelt (mit<br />

Rücksicht auf den realen Kostenverlauf). Beeinflusst eine Verzögerung den Endtermin<br />

entgegen den Erwartungen nicht oder doch werden zu spät oder zu früh gezahlte<br />

Raten verzinst.<br />

Die Zahlung der letzten Rate wird stets an eine Bankbürgschaft, bei sehr großen<br />

Konzernen auch an eine Konzernbürgschaft gebunden. Sinn: Finanzielle Sicherung<br />

der Garantieleistungen. Manchmal wird vereinbart, dass der Besteller von der letzten<br />

Rate die erwarteten Kosten der Mängelbeseitigung zurückhalten kann. Bei KKW wird<br />

die Auszahlung eines Teils der letzten Rate (z.B. 10%) auch an die Lieferung der<br />

endgültigen Betriebsunterlagen gebunden (sehr wichtig, aber früher manchmal etwas<br />

zögerlich erstellt - Frage der Reife der Technik).<br />

3.6 Planung<br />

Projektleitungen, Besprechungen, Protokolle, Terminpläne etc. vertraglich geregelt.<br />

Besteller kann überall mitwirken, Verantwortung bleibt beim Hersteller. Bei Einigung<br />

über Kosten und Termin kann Besteller Wünsche durchsetzen.<br />

Wichtig: Auswahl der Unterlieferanten (UL) (Anzahl der UL ca. 700)<br />

Gesichtspunkte: Bewährung/Qualität; Service: Erreichbarkeit im deutschen<br />

Sprachraum, zumindest Servicetochter hier; Bereitschaft zum Einsatz in KKW (ggf.<br />

Strahlenbereich); Unterlieferer in KKW-Nähe (Umgebung soll Nutzen haben) oder im<br />

Stromversorgungsbereich des Bestellers; Kosten (Hersteller-lnteresse). Vorgehen:<br />

Liste der (wichtigen) Komponenten, wo Besteller gefragt sein will. Hierfür macht<br />

Hersteller Liste anzufragender Unterlieferanten (Besteller kann begründet streichen<br />

oder hinzufügen). Klausel: Bevorzugung UL in KKW-Nähe/Versorgungsbereich (muss<br />

natürlich wettbewerbsfähig sein). Teilnahme des Bestellers an technischen<br />

Besprechungen mit UL möglich (selten genutzt, Kapazitätsproblem). Besteller könnte<br />

teureren UL bevorzugen, falls er Differenz zahlt und Hersteller zustimmt (nie genutzt);<br />

Besteller kann aber billigen UL ablehnen, falls Qualität oder Service objektiv<br />

gefährdet.<br />

M<br />

M<br />

i<br />

0<br />

c<br />

i<br />

L<br />

L<br />

i<br />

0<br />

<br />

<br />

<br />

33


Vertrag<br />

Im Vertrag verlangt, dass gleichartige Komponenten in den von den verschiedenen<br />

UL gelieferten Systemen gleichartig sind, z.B. kleine Pumpen, Ventile, Motoren,<br />

Instrumente. Grund: Geringerer Aufwand bei Lagerhaltung. Methoden, um das zu<br />

erreichen: Ausschreibung gleichartiger Komponenten, Auswahl des Anbieters mit dem<br />

besten Preis-Leistungsverhältnis, danach:<br />

entweder Vorschrift an Lieferanten von Subsystemen, diese Komponenten zu<br />

den vereinbarten Bedingungen zu beziehen<br />

oder Großeinkauf und Verteilung der Komponenten in jeweils benötigter<br />

Stückzahl an einzelne UL.<br />

Fertigung, Montage: Besteller kann sich vom Fortgang, Qualität stets vergewissern,<br />

auch bei UL (das aber nur mit Hauptauftragnehmer); zusätzliche Prüfungen zahlt<br />

Hersteller nur, falls tatsächlich Mängel aufgedeckt.<br />

Zusammenarbeit Besteller/Hersteller auf Baustelle geregelt. Ebenso<br />

Inbetriebnahmeschritte, Probebetrieb (Voraussetzungen, Dauer, Fahrprogramm,<br />

Kriterien für Erfolg, ggf. Wiederholung), Übernahme (Besteller muss bei gegebenen<br />

Voraussetzungen übernehmen, auch bei Vorliegen nicht wesentlicher Mängel; diese<br />

in einer - bei einem 3,5 Mrd DM-Auftrag naturgemäß umfangreichen - Liste<br />

festgehalten, in Gewährleistungszeit und/oder Revisionen abgearbeitet).<br />

Besonderes Augenmerk: Sicherheitstechnisch wichtige Systeme und Komponenten.<br />

Von der ersten Idee bis zur Stilllegung von Regelwerk und sachverständigen Prüfern<br />

begleitet. In sog. Vorprüfung Konzept, Konstruktion, Schweißplan, Werkstoffwahl,<br />

Festigkeitsberechnungen etc. geprüft. Fertigung kontrolliert.<br />

Sonderkapitel Schweißungen: Schweißer selbst wiederkehrend geprüft;<br />

Verfahrensprüfung (Nachweis der Eignung beabsichtigter Schweißung);<br />

Schweißzusätze (Maßnahmen gegen Verwechslung); Schweißvorgang (alle<br />

wesentlichen Daten protokolliert), Fortsetzung des Schweißens in Probestücke (aus<br />

gleichen Werkstoffen) hinein, letztere zerstörend geprüft; Prüfung der fertigen<br />

Schweißnaht (Ultraschall u.a.); Nullatlas; Druck- und Dichtheitsprüfung; in Betrieb:<br />

wiederkehrende Prüfung der Schweißnaht, Vergleich mit Nullatlas, Bewertung anhand<br />

bruchmechanischer Erkenntnisse; wiederkehrende Druckproben; zerstörende Prüfung<br />

von Proben, die exakt wie die Reaktordruckgefäßwand geschweißt und einem leicht<br />

erhöhten Neutronenfluss ausgesetzt wurden (Anordnung etwas näher am<br />

Reaktorkern als Druckgefäßwand); damit Maß der Neutronen(Gamma)versprödung<br />

voreilend bekannt.<br />

Auch sonst: Qualitätssicherungssystem des Herstellers geprüft, Fertigung selbst,<br />

fertige Produkte, Montage, Inbetriebnahme, Druck und Dichtheit, Funktion;<br />

wiederkehrende Prüfungen; <strong>Dokument</strong>ation aller Schritte.<br />

Stilllegung: Auch hier jeder Schritt zur Genehmigung vorzulegen und von<br />

Sachverständigen geprüft.<br />

34


3.7 Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Vertrag<br />

(hier nur in Bezug auf den Vertrag)<br />

Genehmigungsverfahren: Verantwortlich Betreiber (zahlt Gutachten, Gebühren);<br />

Hersteller liefert Sicherheitsbericht, Unterlagen (große Zahl), unterstützt<br />

(Besprechungen, Gerichtsverhandlungen etc.).<br />

Begleitende Kontrolle: Verantwortlich Hersteller (zahlt Vorprüfungen, Prüfungen in<br />

Werkstätten, manchmal auf der Baustelle - je nach Vertrag; in der Mehrzahl der Fälle<br />

trägt der Betreiber die Kosten für letztere).<br />

Vertrag regelt auch Organisation und Abwicklung, soweit Besteller und Hersteller<br />

betroffen.<br />

3.8 Patente<br />

Bei Verletzung von Patenten kann KKW stillgelegt werden, sehr großer<br />

wirtschaftlicher Schaden. Hersteller muss alles tun, um so etwas abzuwenden:<br />

Maximale Sorgfalt, ggf. Befriedigung des Patentinhabers, notfalls Austausch<br />

betreffender Komponente. Besteller hilft.<br />

3.9 Wohlverhalten, Schiedsgericht<br />

Vertrag versucht alle Eventualitäten (z.B. Verzögerungen aus den verschiedensten<br />

Gründen) in ihren Konsequenzen zu regeln. Trotzdem nicht vorher geregelte<br />

Situationen denkbar. Dann Regelung »im Geiste des Vertrages« auszuhandeln.<br />

Prinzip Fairness.<br />

Mögliche Streitpunkte: Umfang und Qualität der Lieferungen und Leistungen,<br />

Vorgehen bei Aufholen einer Verzögerung, Mängelbeseitigung, Bezahlung von<br />

Mehraufwand u.v.a.m.. Fast immer gütliche Einigung auf mittlerer Ebene, gelegentlich<br />

auf höherer. Ganz selten, nur wenn es um viel geht, ernsthafter Streit. Dann laut<br />

Vertrag nicht ordentliches Gericht, sondern Schiedsgericht zu bemühen (Ausnahme:<br />

nukleare Haftung): Eine Partei verfasst Klageschrift und nennt Schiedrichter ihrer<br />

Wahl, andere Partei muss in bestimmter Frist ihrerseits Schiedsrichter nennen (sonst<br />

vom Oberlandesgericht ernannt); beide müssen zeitlich befristet Obmann (mit<br />

Richterbefähigung) wählen (ggf. wieder vom OLG);<br />

Entscheid nach Vertrag und deutschem Recht.<br />

3.10 Gefahrtragung, Haftung<br />

Stark verkürzt: Wessen Versicherung zahlt für wen in welchen Fällen.<br />

3.11 Kündigung, Sistierung<br />

Besteller kann immer kündigen, trägt finanzielle Folgen (möglichst klein zu halten).<br />

Besteller kann auch Unterbrechung (Sistierung) verlangen, Folgen wie bei Kündigung.<br />

35


Stromgestehungskosten k<br />

4 Berechnung der Stromgestehungskosten k<br />

Hinzu kommen Stromverteilungskosten, die je nach Spannungsebene stark<br />

differieren; bei Niederspannungsabnehmern sind die Verteilungskosten wesentlich<br />

höher als die Gestehungskosten; am meisten muss der städtische<br />

Niederspannungsabnehmer für Steuern und andere, vom Staat auferlegte Lasten<br />

bezahlen: Konzessionsabgabe (Abgabe an die jeweilige Gemeinde), Stromsteuer,<br />

Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien (bei Wind und Sonne um<br />

den Faktor 5 - 40 überhöht) und für Strom aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung<br />

(Unterstützung von Kommunen, die solche Anlagen aus politischen Gründen gebaut<br />

haben, Argument der CO2-Einsparung oft unzutreffend), auf alles dann die<br />

Mehrwertsteuer.<br />

Allgemein: Für jedes Produkt gibt es Kosten, die unabhängig von der Produktion<br />

anfallen und Kosten proportional der Menge der erzeugten Güter.<br />

Das gilt auch für die Stromerzeugung. Hier kostet die Herstellung einer kWh:<br />

F<br />

k = b<br />

N H<br />

F = Festkosten [€/a]<br />

N = Kraftwerksnennleistung [MW]<br />

H = Volllastbenutzungsstundenzahl [h/a]<br />

H =<br />

elektrische<br />

Jahresarbeit<br />

Kraftwerksnennleistung<br />

b =<br />

hängt ab von Verfügbarkeit des Kraftwerks (eingeschränkt durch<br />

Brennstoffwechsel, Revision, technische und politische Störungen)<br />

und vom Einsatz gemäß Strombedarf; letzterer richtet sich nach den<br />

Brennstoffkosten: Da die Brennstoffkosten bei Kernkraftwerken<br />

niedrig sind, werden diese bevorzugt eingesetzt.<br />

arbeitsabhängige Kosten, fast ausschließlich Brennstoffkosten<br />

[¢/kWh]<br />

(Umrechnungsfaktoren 10 x weggelassen).<br />

36


4.1 Festkosten F<br />

Stromgestehungskosten k<br />

F = A ( a + s + v + w + r ) + V + P + B<br />

A = Anlagekosten zum Zeitpunkt der Übergabe des Kraftwerks (DM)<br />

A = (P + BHEL) (1 + g + z)<br />

P = Anlagenpreis: 1982 ca. 3,5 Mrd DM für 1 250 MW oder<br />

rund 1 400 €/kW, 2001 ca. 2 Mrd. € für 1 500 MW, oder rund<br />

1 300 €/kW, die spezifischen Kosten sind also in 20 Jahren leicht<br />

gefallen (Wettbewerb und technischer Fortschritt überwiegen<br />

Lohnkostensteigerungen und weitere Erhöhung der Sicherheit)<br />

BHEL = Bauherreneigenleistungen: einige 100 Mio €, je nach<br />

Abgrenzung des Lieferumfanges: z.B. mit/ohne Kühlturm; mit/ohne<br />

TÜV auf Baustelle<br />

g = Faktor für Preisgleitung<br />

z = Faktor für Zinsen und Steuern während der Bauzeit.<br />

1. Rate (bei Vertragsabschluss) enthält keine Preisgleitung, muss aber über die ganze<br />

Bauzeit (z.B. 6 Jahre) verzinst und versteuert werden; letzte Rate (bei Übergabe)<br />

enthält nur Preisgleitung über die ganze Bauzeit. Mit den Inflationsraten in den letzten<br />

Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war in Deutschland:<br />

1+g+z 1,5<br />

Da der 1 überschreitende Teil dieses Faktors in erster Näherung der Bauzeit<br />

proportional ist und die Kosten erheblich steigert, gehen verstärkte Bemühungen<br />

dahin, die Bauzeit künftiger Kernkraftwerke zu verkürzen. Mit fortschreitender<br />

genehmigungstechnischer Reife ist das im Wesentlichen ein technisches Problem.<br />

Auch dank niedriger Inflationsraten und Zinsen wird der Faktor (1+g+z) in Zukunft<br />

deutlich geringer als 1,5 sein.<br />

genauere Berechnung der Preisgleitung Zinsen und Steuern<br />

P(1+g+z)= R i0(1+q) i (1+p) n-i<br />

Ri0 = Raten ohne Preisgleitung<br />

Q = mittlerer Prozentsatz der Preisgleitung<br />

i = Jahre ab Zahlung der 1. Rate<br />

p = mittlerer Satz für Zinsen und Steuern<br />

n = Jahre ab Zahlung der 1. Rate bis zur Übergabe<br />

37


Stromgestehungskosten k<br />

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kostete ein Kernkraftwerk bei Übergabe 1989<br />

weniger als 3 Mrd €. In Deutschland können Zinsen und Steuern während der Bauzeit<br />

abgeschrieben werden, d.h. 1989 standen weniger als 2,5 Mrd € zu Buch. In den USA<br />

dürfen Bauzinsen etc. erst nach vollständiger Fertigstellung des Kraftwerks<br />

abgeschrieben werden und belasten den Kunden dann stärker („rate shock").<br />

Das Geld dafür wird als Eigenkapital (EK) und Fremdkapital (FK) (von Banken,<br />

Versicherungen) aufgebracht. EK stammt primär von den Aktionären, wird investiert,<br />

fließt durch Abschreibung zurück und steht dann für neue Investitionen zur Verfügung;<br />

durch nicht ausgeschüttete Gewinne (Rücklagen) kann das EK erhöht werden.<br />

(Achtung: Rückstellungen sind etwas anderes, nämlich vorsorglich beiseite gelegte<br />

Gelder für sichere oder wahrscheinliche spätere Verpflichtungen, hier: für Pensionäre,<br />

Entsorgung, Stilllegung.) Kommt man mit dem EK nicht aus, gibt es eine<br />

Kapitalerhöhung. (Falls Aktionäre, z.B. Kommunen, das Geld dafür nicht aufbringen<br />

können, gibt es ersatzweise komplizierte Konstruktionen.)<br />

Abschreibungen (= rückfließendes Kapital) und Rückstellungen erhöhen die Liquidität,<br />

haben aber nichts mit dem Gewinn zu tun (wird im politischen Raum oft nicht<br />

verstanden). Da sie von den Einnahmen abgezogen werden, kann man auch sagen,<br />

dass Abschreibungen und Rückstellungen den Gewinn mindern. Das Geld, was dann<br />

in der Kasse liegt, gehört den Aktionären (ist das, was sie ursprünglich einbrachten,<br />

plus evtl. zurückliegendem Gewinn, auf den sie verzichteten, der aber schon hoch<br />

versteuert wurde) oder es gehört den Pensionären, Entsorgern und<br />

Abrissunternehmen.<br />

Die „Bedienung“ des Kapitals kann annuitätisch erfolgen:<br />

a = Annuität (%/a). Die Annuität dient dem Vergleich der<br />

Wirtschaftlichkeit zwischen verschiedenen Kraftwerken (z.B. Kohle –<br />

Kernenergie)<br />

= Abschreibung (Eigen- und Fremdkapital) bzw. Tilgung (Rückgabe von<br />

Fremdkapital) plus Dividende (Eigenkapitalrendite) bzw. Zinsen<br />

(Fremdkapital) gemittelt über die Abschreibungsdauer von n Jahren<br />

(Finanzamt: n = 19); die Mittelung erfolgt mit der Formel<br />

p<br />

a =<br />

(diese Formel gehört zur Allgemeinbildung)<br />

n<br />

1<br />

( 1<br />

p)<br />

p = Mischzinssatz für Eigen- und Fremdkapital. Eigenkapital muss mindestens<br />

1 / 3 betragen.<br />

38


Beispiel:<br />

p = 8%; n = 19;<br />

damit a=10,4%<br />

d.h. im ersten<br />

Jahr 8% Zinsen,<br />

2,4% Tilgung<br />

im 19. Jahr ca.<br />

0,8% Zinsen,<br />

9,6% Tilgung<br />

Abbildung 19: Tilgung 1<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Bei Fremdkapitalbelastungen von Immobilien (Hypotheken, Bauspardarlehen) wird<br />

üblicherweise annuitätisch verzinst und getilgt. (Hier und im Folgenden Begriffe<br />

verwendet, die für Fremdkapital üblich sind; die Methodik gilt gleichermaßen für das<br />

Eigenkapital.)<br />

Bedeutung des Zinssatzes:<br />

Der gewählte Mischzinssatz p für Eigen- und Fremdkapital ist bedeutend für die<br />

Bewertung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit von Kernkraftwerken (KKW).<br />

Das liegt daran, dass KKW spezifisch zwei bis drei Mal so viel kosten wie Kohle- und<br />

Gaskraftwerke.<br />

Der Vorteil der KKW liegt bei den niedrigen Brennstoffkosten. (Darüber hinaus ist zu<br />

erwarten, dass der historische Trend sinkender nuklearer und steigender fossiler<br />

Brennstoffkosten sich auch in Zukunft fortsetzen wird, letzteres insbesondere beim<br />

Erdgas.)<br />

Nimmt man nun hohe Kapitalkosten an (hohe, schnelle Kapitalrenditen), werden KKW<br />

gegenüber ihren Wettbewerbern benachteiligt. Bei längerem Zeithorizont, bei<br />

Berücksichtigung des sog. „goldenen Endes“ nach erfolgter Abschreibung<br />

(Stromerzeugung zu Kosten, die dann nur noch von großen, abgeschriebenen<br />

Wasserkraftwerken unterboten werden können) haben KKW dagegen komperative<br />

Vorteile.<br />

Manche Analysten rechnen die Inflationsraten vom Marktzins ab und rechnen mit sog.<br />

„realen“ Zinssätzen (Zinssätze, die sich bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen<br />

ohne Inflation ergeben würden). Hier wird mit Werten von beispielsweise 4,5%/a<br />

(Finnland) oder 6%/a (deutsche Studie) gerechnet, was beides relativ vorteilhaft für<br />

KKW ist.<br />

39


Stromgestehungskosten k<br />

40


Stromgestehungskosten k<br />

Auf der anderen Seite liegt eine Renditevorgabe des RWE von 11%/a vor Steuern<br />

(EK-Anteil 1/3) sowie ein Zinssatz von 7,5%/a hier Fremdkapital (Anteil 2/3),<br />

gerechnet über eine wirtschaftliche Lebensdauer von 30 Jahren. Der Annuitätsfaktor<br />

liegt damit in der gleichen Größenordnung wie in dem oben gewählten Beispiel. RWE<br />

hat 1998 trotzdem noch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Importkohle errechnet.<br />

Eine gewisse Inflation wurde insofern berücksichtigt, als bei Importkohle eine<br />

Kostensteigerung von 1%/a angenommen wurde. Die niedrigsten Kosten ergaben<br />

sich laut RWE 1998 für erdgasgefeurte GuD-Kraftwerke (siehe Abbildung Seite 39).<br />

Mit der Preissteigerung für Erdgas in den Folgejahren gilt das nicht mehr. Unabhängig<br />

davon zeigt die Abbildung die großen Unterschiede in den Fixkosten und damit die<br />

entsprechende Bedeutung des Zinssatzes, der die Fixkosten wesentlich mitbestimmt.<br />

Für die beschriebenen Vergleichsrechnungen wird eine annuitätische Zinsung und<br />

Tilgung zugrundegelegt.<br />

Realiter wird bei Kraftwerken anders abgeschrieben bzw. getilgt:<br />

Entweder linear<br />

Oder degressiv<br />

Abbildung 20: Tilgung 2<br />

41


Stromgestehungskosten k<br />

Degressiv: Tilgung in festem Prozentsatz vom Buchwert, z.B. 10% davon; das gäbe<br />

im 1.Jahr eine Tilgung von 10%, im 2. Jahr von 9%, im 3. von 8,1%. Wenn man an<br />

diesem Verfahren festhalten würde, wäre die Tilgungszeit unendlich mit immer<br />

kleineren Tilgungsraten. Daher geht man dann auf lineare Tilgung über, wenn die so<br />

errechneten Tilgungsraten größer werden als die degressiv errechneten. (Bei 10%/a<br />

sind das 10 Jahre vor Tilgungsende, bei Tilgung über 19 Jahre also ab dem 9. Jahr<br />

nach Tilgungsbeginn; im 10. Jahr selbst ist die degressive Abschreibung gleich der<br />

linearen und entspricht 3,874% des Buchwertes zu Beginn.) Die Zinsen – z.B. mit 8%<br />

des Buchwertes – nehmen rasch ab. Die (nicht zwingend auszunutzende) Erlaubnis<br />

zur degressiven Abschreibung wird vom Gesetzgeber manchmal gewährt, wenn die<br />

Konjunktur angekurbelt werden soll.<br />

Da lineare und degressive Abschreibung jedes Jahr unterschiedliche Zahlen liefern,<br />

sind sie für vergleichende Berechnungen von Stromgestehungskosten nicht geeignet.<br />

s = Steuersatz (%/a)<br />

s hängt ab von Dividende und Fremdkapitalzinsen; da die<br />

Steuersätze hierfür unterschiedlich sind, hängt s auch vom Verhältnis<br />

Eigen-/Fremdkapital ab. Früher gab es auch kapitalabhängige,<br />

ertragsunabhängige Steuern (heute nur noch für Grundstücke)<br />

Größenordnung: s = 2,5 bis 3%/a<br />

v = Versicherungssatz für Sachversicherung<br />

(sog. nukleare Feuerversicherung und Maschinenschaden-<br />

Versicherung) stark abhängig von Art und Umfang der Versicherung<br />

z.B. v = 0,5%/a<br />

w = Prozentsatz für Wartung und Instandhaltung und anderen extern<br />

bezogenen Leistungen (z.B. Wachpersonal) (Erfahrungswert)<br />

Größenordnung: w = 1%/a (traditionell bei Kohlekraftwerken etwas<br />

höher, da dort Verschleiß größer)<br />

r = Rückstellungen für Kraftwerksstilllegung und Nachbetriebsphase<br />

(einschl. kaufmännischer Sicherheit) 1996 mit ca. 0,6 Mrd €<br />

angesetzt, das sind 1,2 Mrd DM/19a = 63 Mio DM/a oder rund 1%<br />

von A; mit beginnenden Rückstellungen können Zinsen daraus gegen<br />

weitere Kosten-Steigerungen aufgerechnet werden; Überschüsse<br />

sind selbstverständlich zu versteuern.<br />

Mit den hier gewählten Zahlen (s sei = 2,7%) ergab sich (alle Zahlen bezogen auf ein<br />

sog. Konvoi-Kernkraftwerk der 1980er Jahre):<br />

A[a + s + v + w + r] = 3 Mrd € × 0,156/a = 468 Mio €/a<br />

(wegen der vorgezogenen Bezahlung der Bauzinsen, s.o., ist es realiter rund 1 / 6<br />

weniger).<br />

42


Stromgestehungskosten k<br />

Die übrigen Festkosten umfassen:<br />

V = Haftpflichtversicherung, weniger als 1 Mio €/a.<br />

Auch dieser relativ geringe Betrag ist, gemessen am realen Risiko<br />

noch viel zu hoch; Annahme: 10 000 Reaktorbetriebsjahre (bisher) <br />

1 Mio €/Reaktorbetriebsjahr = 10 Mrd € Prämieneinnahmen.<br />

Ausgaben demgegenüber um Größenordnungen geringer (mit<br />

Harrisburg, ohne das technisch nicht vergleichbare Tschernobyl)<br />

P = Personalkosten (ohne externes Personal): 300 x 80 T€/a 24 Mio €/a<br />

(einschließlich aller Nebenkosten, Pensionsrückstellungen etc.),<br />

Stand 2000<br />

B = Brennstoff-Festkosten; in etwa die Abschreibung und Verzinsung des<br />

im Reaktorkern investierten verzinsten Kapitals plus Rückstellung für<br />

den aperiodischen Teil der Entsorgung des Letztkerns. Berechnung<br />

wie folgt: Abzinsung/Aufzinsung aller Brennstoffkosten von vor<br />

Inbetriebnahme bis nach Stilllegung auf den Zeitpunkt der Übergabe<br />

(Barwertbildung), Substraktion der abgezinsten arbeitsabhängigen<br />

Brennstoffkosten, annuitätische Gleichverteilung der Differenz.<br />

Größenordnung B 15 Mio €/a<br />

Bei der Berechnung von B wird eine bestimmte Jahresstromerzeugung zugrunde<br />

gelegt;<br />

B ist dann<br />

B Z p a b N H a<br />

ni i ( 1 ) - <br />

a<br />

worin<br />

Zi = alle Zahlungen für den Brennstoffkreislauf vom Natururan für den<br />

Erstkern bis zur Endlagerung des Letztkerns zu den jeweiligen<br />

Zahlungszeitpunkten ni<br />

p = Satz für Zinsen und Steuern für Auf- und Abzinsungen<br />

(wie bei der Annuität, s.o.)<br />

ni = Zeit in Jahren vor einem Stichzeitpunkt (positiv) bzw. nach<br />

einem Stichzeitpunkt (negativ), zu dem die Zahlung Zi geleistet wird;<br />

Stichzeitpunkt zweckmäßigerweise = Übergabe<br />

Der Ausdruck in eckigen Klammern ist der Barwert aller Brennstoffkosten zum<br />

Stichzeitpunkt.<br />

43


a = Annuität (s.o.)<br />

b = arbeitsabhängige Brennstoffkosten (s.u.)<br />

NH = Jahresstromerzeugung (s.o.)<br />

Stromgestehungskosten k<br />

a/a = soll andeuten: gleichmäßig angenommene Jahresbeträge können in<br />

gleicher Weise aufgezinst und (annuitätisch) verteilt werden<br />

Gesamte Festkosten:<br />

F 500 Mio €/a<br />

das sind etwa 1,5 Mio € pro Tag, an dem das Kraftwerk verfügbar ist.<br />

Bei den Festkosten ist noch zu unterscheiden zwischen<br />

Kapitalkosten, die eines Tages zu Null werden und zwar nach erfolgter<br />

vollständiger Abschreibung (Amortisation) und nach erfolgter Ansammlung der<br />

Stilllegungskosten (Verteuerungen der Stilllegung nach diesem Zeitpunkt<br />

werden in aller Regel durch Zinsgewinne aus diesen Fonds mehr als<br />

ausgeglichen)<br />

sonstige Festkosten. In Anlehnung an die angelsächsische Praxis werden sie<br />

auch in Deutschland als O&M-Kosten (für operation and maintenance)<br />

bezeichnet.<br />

Viele Autoren unterscheiden noch zwischen festen und variablen O&M-Kosten. Zu<br />

den letzten werden manchmal Brennelement-Entsorgungskosten gerechnet. (Hier<br />

werden sie den arbeitsabhängigen Brennstoffkosten zugeschlagen, mit Ausnahme<br />

des aperiodischen Anteils am Ende der Betriebszeit).<br />

Dann gibt es O&M-Kosten, die sich z.B. je nach Wartungsaufwand ändern können,<br />

die aber kaum etwas mit der Menge des erzeugten Stroms zu tun haben, also<br />

praktisch nicht arbeitsabhängig sind. (Hier werden sie den festen O&M-Kosten<br />

zugerechnet.)<br />

44


Stromgestehungskosten k<br />

45


Stromgestehungskosten k<br />

46


Stromgestehungskosten k<br />

47


Stromgestehungskosten k<br />

48


Stromgestehungskosten k<br />

49


4.2 . Brennstoffkosten b (ohne Entsorgung)<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Zusammensetzung der Kosten siehe „Brennstoffkreislauf“ vom Nov. 1979 (qualitativ).<br />

Quantitativ (Nachlade-Brennelement); Zahlen andauernden Änderungen unterworfen;<br />

hier beispielhafte Werte, die die Methodik zeigen:<br />

a) Natururan:<br />

kg Natururan<br />

kg Uran mit 4,0% U235<br />

9,137 3 8<br />

12 $<br />

<br />

lb U O<br />

3<br />

8<br />

1,178 lb U O<br />

<br />

lb U<br />

(unterstellt: Abreicherung des Natururans auf 0,3%)<br />

b) Konversion: 5 €/kg Unat 46 €/kg U (4,0%)<br />

c) Anreicherung:<br />

5,356 Trennarbeitseinheiten<br />

(TAE)<br />

kg U (4,0%) bei Abreicherung<br />

auf 0,3 %<br />

d) Herstellung: ca. 380 €/kg U<br />

2,2 lb U 1,1Euro<br />

<br />

kg U $<br />

82 Euro<br />

<br />

TAE<br />

439 Euro<br />

kg U (4,0%)<br />

313 Euro<br />

kg U (4,0%)<br />

Bei Erniedrigung der Abreicherung (z.B. auf 0,2%) wird weniger Natururan und mehr<br />

Trennarbeit benötigt. Für jedes Natururan-Trennarbeit-Preisverhältnis gibt es eine<br />

kostenoptimale Abreicherung. In dem gewählten Beispiel entspricht der relativ hohe<br />

Wert von 0,3% dem niedrigen Uranpreis.<br />

Uran und Dienstleistungen müssen vor Einsatz im Reaktor gekauft werden, so dass<br />

noch nennenswerte Zinskosten anfallen. Ein fertiges Brennelement mit 4,0%<br />

Anreicherung kostet daher mit diesen Zahlen zum Einsatzzeitpunkt etwa<br />

1 200 €/kg U.<br />

Hiermit werden ca. 50 MWd/kg U (thermisch) erzeugt, das sind bei 33,8%<br />

Wirkungsgrad<br />

50 MWd 24 h<br />

0,338 405 600<br />

kWh el/kg<br />

U<br />

kg U d<br />

Damit ergeben sich Brennstoffkosten (ohne Wiederaufarbeitung) von rund<br />

0,3 cent/kWh.<br />

50


4.3 Entsorgung<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Für die Entsorgung gibt es zwei Pfade, mit und ohne Wiederaufbereitung (WA). Bis<br />

1994 war die WA Pflicht. 1994 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen,<br />

zwischen den Pfaden mit und ohne WA zu wählen. Der Weg ohne WA ist billiger,<br />

konnte aber wegen vorhandener, langfristiger Verträge nicht gleich begangen werden.<br />

Die seit 1998 amtierende Bundesregierung will die WA bis zum Jahr 2005 beenden<br />

und dann nur noch die „Direkte Endlagerung“ als Entsorgungspfad zulassen<br />

(Stand 2001).<br />

4.3.1 Pfad mit Wiederaufbereitung WA<br />

Dieser Pfad umfasst folgende Kostenbestandteile, mit in etwa folgenden Kosten<br />

(Stand 2000):<br />

WA einschließlich Transport zur WA (Bei der WA werden Uran, z.B. 94%, Plutonium,<br />

z.B. 1%, und Spaltprodukte, z.B. 5%, voneinander getrennt.)<br />

1 400 €/kg U<br />

Fertigung von Uran-Plutonium-Mischoxid-Brennelementen (MOX-BE):<br />

2 200 €/kg MOX-BE, das sind noch 1 820 €/kg Mehrkosten gegenüber einem Uran-<br />

BE (s.o.); da das Plutonium für rund ein Viertel einer Nachladung ausreicht, betragen<br />

die gemittelten Mehrkosten 1 820/4 =<br />

455 €/kg U<br />

Fertigung von Brennelementen aus rezyklierbarem Uran (auch WAU genannt):<br />

660€/kg U. Das sind rund 280 €/kg U Mehrkosten gegenüber einem BE aus frischem<br />

Uran. Da das „WAU“ wieder angereichert werden muss, reicht die Menge nur für rund<br />

ein Sechstel einer Nachladung; daraus ergeben sich gemittelte Mehrkosten von<br />

280/6 =<br />

47 €/kg U<br />

Endlagerung der verglasten Spaltprodukte (einschließlich Transport,<br />

Zwischenlagerung u.a.)<br />

Gesamtkosten der Entsorgung via WA rund<br />

1 050 €/kg U<br />

2 950 €/kg U<br />

Da die Kosten wesentlich später liegen als der Zeitpunkt der Verursachung (Abbrand<br />

im Reaktor) und der dann bereits kaufmännisch pflichtgemäß erfolgenden<br />

Rückstellung von Geldmitteln, müssten die Kosten um einen Zinsgewinn vermindert<br />

werden. Hier wird vorsichtshalber angenommen, dass spätere Kostensteigerungen<br />

den Zinsgewinn kompensieren.<br />

Bezogen wieder auf 405 600 kWh/kg U ergeben sich auf dem beschriebenem Wege<br />

Entsorgungskosten von über 0,7 cent/kWh. Das ist mehr als das Doppelte des<br />

Aufwandes, der für frische Uran-BE aufzubringen ist.<br />

51


4.3.2 Pfad mit Direkter Endlagerung<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Im Jahr 2000 wurde mit folgenden Kosten gerechnet:<br />

Zwischen- und Endlagerbehälter, diverse Transporte und Zwischenlagerung<br />

zusammen rund<br />

580 €/kg U<br />

Konditionierung zum Zwecke der Endlagerung<br />

520 €/kg U<br />

Endlagerung selbst<br />

660 €/kg U<br />

Summe<br />

1 760 €/kg U<br />

Hinsichtlich des möglichen Zinsgewinnes gilt das zuvor Gesagte. Wieder auf<br />

405 600 kWh/kg U bezogen, kostet die direkte Endlagerung über 0,4 cent/kWh, also<br />

auch hier mehr als das „vordere Ende“.<br />

Im Jahr 2000 wurden noch etwas mehr als die Hälfte der Brennelemente<br />

aufgearbeitet, weniger als die Hälfte für die Direkte Endlagerung zwischengelagert.<br />

Für die gemittelten Entsorgungskosten wurden daher 0,6 cent/kWh angegeben. Mit<br />

den Kosten für das „vordere Ende“ ergeben sich insgesamt arbeitsabhängige<br />

Brennstoffkosten von<br />

0,3 cent/kWh + 0,6 cent/kWh = 0,9 cent/kWh.<br />

Diskussion<br />

Es sei vermerkt, dass für das „vordere Ende“ bereits eine ausgereifte, dem<br />

Wettbewerb ausgesetzte Praxis existiert. Für das „hintere Ende“, die Entsorgung, fehlt<br />

es z.T. am Wettbewerb, z.T. an Praxis, z.T. an beidem. Die oben angegebenen<br />

Kosten sind sehr vorsichtig gerechnet, die Annahme weiterer Kostensteigerungen (in<br />

Höhe der Zinsgewinne) ist vermutlich falsch. Eher ist, wie die Erfahrung mit dem<br />

„vorderen Ende“ zeigt, mit fallenden Kosten zu rechnen.<br />

Die Kosten für das „vordere Ende“ haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als<br />

halbiert. Berücksichtigt man die Geldentwertung, ist der Rückgang sogar noch<br />

deutlicher.<br />

Dazu hat die Steigerung des Abbrandes von damals typischerweise 33 MWd/kg U auf<br />

rund 50 MWd/kg U zu Anfang des neuen Jahrtausends wesentlich beigetragen. Dafür<br />

musste die Anreicherung, der Natururaneinsatz und auch der Fertigungsaufwand<br />

erhöht werden, wenn auch in einem größeren Verhältnis als 50/33.<br />

Weitere Kostensenkungen ergaben sich bei allen vorgelagerten Prozessen;<br />

besonders auffällig war der technische Fortschritt bei der Anreicherung.<br />

Die Entsorgungskosten sind in erster Näherung umgekehrt proportional zum Abbrand.<br />

Auch sie sind also, trotz aller kaufmännischen Vorsicht, deutlich gefallen. Der<br />

Übergang vom Pfad mit Wiederaufbereitung zum Pfad mit Direkter Endlagerung trägt<br />

52


Stromgestehungskosten k<br />

weiter dazu bei. Weder beim einem, noch beim anderen Entsorgungspfad sind aber<br />

die Kostensenkungspotentiale (ohne Verminderung der Sicherheit, oft mit Erhöhung<br />

der Sicherheit) ausgeschöpft. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist mindestens eine<br />

Halbierung möglich.<br />

Was auf jeden Fall für eine Kostensenkung sorgt, ist die weitere, kontinuierliche<br />

Erhöhung des Abbrandes: 60 MWd/kg U werden konkret angestrebt, erste<br />

Versuchserfahrungen mit 70 MWd/kg U sind bereits gewonnen (2001).<br />

Langfristig lassen sich Gesamtkosten von 0,5 cent/kWh erwarten.<br />

4.4 Gesamte Stromgestehungskosten<br />

Hier ist, wie gesagt, zwischen voll abgeschriebenen und neuen Kernkraftwerken zu<br />

unterscheiden. Ferner ist zu zeigen, inwiefern unterschiedliche Kraftwerkstypen für<br />

unterschiedliche Aufgaben (Grund-, Mittel-und Spitzenlast) die bestgeeigneten sind.<br />

4.4.1 Stromgestehungskosten bei abgeschriebenen Kraftwerken<br />

Hier sind neben Brennstoffkosten einschließlich Entsorgung nur die laufenden Kosten<br />

für eigenes und Fremdpersonal (z.B. für Bewachungsdienstleistungen), Revisionen<br />

(viel Fachpersonal), Wartung und Instandhaltung, Sach- und Haftpflichtversicherung<br />

etc. zu bezahlen. Oft kommen Nachrüstungen und Abschreibungen auf<br />

Nachrüstungen dazu.<br />

Gewinne und damit auch gewinnabhängige Steuern werden hier nicht berücksichtigt.<br />

Sie ergeben sich erst aus der Differenz zwischen Marktpreis und Kosten.<br />

Früher, bevor der Markt liberalisiert war, wurde ein fester Gewinn einkalkuliert, der<br />

Preis danach berechnet und der Strompreis-Aufsichtsbehörde (für Tarifabrechner) zur<br />

Genehmigung vorgelegt.<br />

Die Festkosten (alles außer Brennstoffkosten) sind auf die erzeugte Strommenge zu<br />

beziehen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die deutschen KKW nach ihrer<br />

Inbetriebnahme mit verbesserten Turbinen ausgerüstet wurden, was den<br />

Wirkungsgrad und – bei gleicher thermischer Reaktorleistung – die elektrische<br />

Leistung erhöht.<br />

Bei wenigen (einigen?) Reaktoren wird auch die Reaktorleistung nach einem<br />

umfänglichen Genehmigungsverfahren gesteigert.<br />

Die beschriebenen Festkosten unterliegen naturgemäß gewissen Schwankungen.<br />

Nehmen wir beispielsweise einen Betrag von 100 Mio €/a an und beziehen ihn auf die<br />

bei grossen KKW typischerweise erzielten 11 Mrd kWh/a, ergibt sich ein<br />

Festkostenanteil von<br />

100 Mio Euro<br />

<br />

0,<br />

9 cent/kWh<br />

11 Mrd kWh<br />

Zusammen mit den Brennstoffkosten in gleicher Höhe ergeben sich gesamte<br />

Stromgestehungskosten von<br />

0,9 cent/kWh + 0,9 cent/kWh = 1,8 cent/kWh.<br />

53


4.4.2 Stromgestehungskosten bei neuen Kernkraftwerken<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Technik und Wettbewerb haben bei allen Kraftwerken und auch bei den Brennstoffen<br />

seit den 1980er Jahren zu erheblichen Preissenkungen geführt. Auch die Zinsen sind<br />

heute oft niedriger als damals. Daher sind die alten Zahlen heute nicht mehr<br />

brauchbar. Neuere Daten sind oft theoretisch, teils überholt, teils zu niedrig.<br />

Wirklichkeitsnah ist man nur dann, wenn man eigenes Geld für ein Kraftwerk<br />

auszugeben beabsichtigt. Das ist in Westeuropa, soweit KKW betroffen sind zu<br />

Anfang des Jahrhunderts nur in Finnland der Fall.<br />

Eine Kurzfassung der dort berechneten Stromgestehungskosten im Vergleich mit<br />

GuD-, Kohle- und Torfkraftwerken ist vollständig als Anlage beigefügt.<br />

Dazu ist folgendes zu bemerken:<br />

Die Investitionskosten beinhalten Bauzinsen, aber keine Steuern und keine<br />

Preisgleitung. Der Erstkern wird hier den Investitionskosten zugeschlagen. (Das führt<br />

zu ähnlichen Ergebnissen wie die genauere Methode, die im Skript weiter oben<br />

dargestellt wurde.)<br />

Die spezifischen Investitionskosten zwischen den verglichenen Kraftwerken<br />

differieren, wie gezeigt, enorm.<br />

Für die Kernenergie vorteilhaft ist der niedrige Zinssatz von 4,5%/a. Offenbar wird hier<br />

mit einem inflationsbereinigtem Wert gerechnet.<br />

Die nuklearen Brennstoffkosten enthalten nur das „vordere Ende“, die zu Grunde<br />

gelegten Zahlen sind ähnlich wie die im Skript und führen daher zu einem nahezu<br />

identischem Ergebnis. Die Entsorgungskosten (wie auch die Stilllegungskosten)<br />

wurden zu den variablen O&M-Kosten zugeordnet.<br />

In Finnland muss man dafür eine von der Regierung festgesetzte Summe pro kWh<br />

(damit arbeitsabhängig) in einen Fonds einzahlen, während in Deutschland der<br />

Betreiber verpflichtet ist, dafür Rückstellungen zu bilden.<br />

Kaufmännische Vorsicht und preistreibende politische Praxis führen in Deutschland<br />

zu wesentlich höheren Werten für diese Posten als in Finnland.<br />

54


Stromgestehungskosten k<br />

55


Stromgestehungskosten k<br />

56


Stromgestehungskosten k<br />

57


Stromgestehungskosten k<br />

Tafel 2 (in der Abbildung Seite 55) gibt die Gesamtkosten in €/MWh wieder. Streicht<br />

man eine Stelle ab, so erhält man c/kWh (z.B. 30 €/MWh = 3 c/kWh).<br />

Bemerkenswert ist, dass die Vollkosten bei 8 000 h/a (das entspricht etwa den o.g.<br />

11 TWh/a für ein großes deutsches KKW) mit 2,145 c/kWh nur wenig über den o.g.<br />

1,8 c/kWh für ein voll abgeschriebenes deutsches KKW liegen.<br />

Die wesentlichen Ursachen dafür wurden schon genannt:<br />

Niedriger Zinssatz und niedrigere Entsorgungs-und Stilllegungskosten. (Für die<br />

Stilllegung geplant: Nutzung der Endlager für schwach radioaktive Teile, die für<br />

jeweils weniger als 20 Mio € an den beiden finnischen Standorten in den Granit<br />

getrieben wurden.)<br />

Aus den Zahlen der Tafel 2 kann man rückwärts die Formel ermitteln, mit der die<br />

einzelnen Werte ausgerechnet wurden.<br />

Sie lautet:<br />

121450<br />

Euro/a<br />

k <br />

6,27 Euro/MWh<br />

MW H (h/a)<br />

Darin entspricht H (h/a) der Volllast-Ausnutzung des Kraftwerks.<br />

Diese Formel entspricht derjenigen, die ganz am Anfang des Kapitels 4 genannt<br />

wurde.<br />

Rechnet man weiter zurück, ergeben sich Festkosten für ein 1250 MW-KKW von<br />

121450<br />

Euro/a<br />

MW<br />

<br />

1250<br />

MW<br />

151,8<br />

Mio Euro/a<br />

das ist ein knappes Drittel des Wertes, der oben mit anderen Zahlen für ein KKW der<br />

1980er Jahre errechnet wurde.<br />

Die variablen Kosten von 6,27 €/MWh sind die Summe der Brennstoffkosten<br />

(2,86 €/kWh) und der variablen O&M-Kosten (3,41 €/kwh), die, wie gesagt,<br />

Entsorgung und Stilllegung umschließen.<br />

Auch in Deutschland kommt man bei künftigen KKW (1 528 MW-EPR) zu deutlich<br />

niedrigeren Kosten als früher.<br />

58


Aus der Abbildung Seite 39 lässt sich in etwa ablesen:<br />

oder<br />

360 000 DM/a<br />

k <br />

10<br />

DM/MWh<br />

MW H (h/a)<br />

185 000 Euro/a<br />

k <br />

5,13 Euro/MWh<br />

MW H (h/a)<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Die letztere Zahl enthält, im Gegensatz zu Finnland, keine Stilllegungskosten. Die<br />

bereits diskutierte, deutliche Senkung der Entsorgungskosten ist für ein solches,<br />

zukünftiges KKW schon eingerechnet.<br />

4.4.3 Vergleich verschiedener Kraftwerkstypen<br />

Darstellungsweise: Die finnische und die deutsche Studie vergleichen das KKW mit<br />

anderen Kraftwerken. Das lässt sich graphisch darstellen. Üblich ist die Auftragung<br />

der €/MWh oder c/kWh über der Volllaststundenzahl H (h/a), was typischerweise so<br />

aussieht:<br />

Abbildung 21: Kraftwerkstypenvergleich 1<br />

59


Stromgestehungskosten k<br />

Darin ist (a) ein Kraftwerk mit hohen Kapital- und niedrigen Brennstoffkosten, (b) ein<br />

Kraftwerk mit mittleren Werten und (c) ein Kraftwerk mit niedrigen Kapital- und hohen<br />

Brennstoffkosten.<br />

Eine andere Darstellung zeigt den Aufwand in €/kWa wieder über der<br />

Volllaststundenzahl:<br />

Abbildung 22: Kraftwerkstypenvergleich 2<br />

Hier kann man mit Geraden arbeiten und geht bei H = 0 nicht gegen . Trotzdem ist<br />

die entsprechende Darstellung häufiger anzutreffen.<br />

Unabhängig von der Darstellungsweise: Unterhalb von x (h/a) ist das Kraftwerk (a)<br />

das wirtschaftlichste (Spitzenlast), zwischen x und y (h/a) ist das Kraftwerk (b) das<br />

optimale (Mittellast), oberhalb von y (h/a) kostet das Kraftwerk (c) (Grundlast) am<br />

wenigsten.<br />

Ein Energieversorger, der alle Lastarten zu bedienen hat, ist daher gut beraten, alle<br />

drei (oder mehr) in seinem Kraftwerkspark vorzuhalten.<br />

Im finnischen Beispiel (Tafel 2) erzeugt das KKW den Strom oberhalb von 5 650 h/a<br />

(siehe Text) billiger als das Kohlekraftwerk (Punkt y). Unterhalb von etwa 4 300 h/a<br />

(Punkt x) ist das Gaskraftwerk wiederum billiger als das Kohlekraftwerk. (Mit hohen<br />

Gaspreisen würde sich der Punkt x nach unten verschieben.)<br />

Hier nicht dargestellt sind Gasturbinen, die in der Anschaffung noch billiger sind als<br />

ein gasgefeuertes GuD-Kraftwerk, aber aufgrund ihres relativ schlechten<br />

Wirkungsgrades hohe Brennstoffkosten aufweisen. Bei sehr niedrigen<br />

Benutzungstundenzahlen sind sie aber die wirtschaftlichsten Stromerzeuger.<br />

Gar keinen Schnittpunkt mit den übrigen Kraftwerken hat das Torfkraftwerk. Es ist<br />

also in allen Lastbereichen teurer und hat daher keine Chancen verwirklicht zu<br />

werden (außer es ist politisch gewollt und wird entsprechend subventioniert).<br />

60


4.4.4 Ergänzende methodische Bewertung<br />

Stromgestehungskosten k<br />

Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen gehen meist davon aus, dass sich die<br />

Verhältnisse nach Inbetriebnahme nicht wesentlich ändern. Falls sie das in<br />

voraussehbarer Weise doch tun, kann man das kaufmännisch durch die<br />

Barwertmethode (ähnlich der Berechnung der Brennelement-Festkosten von KKW)<br />

berücksichtigen: Alle Kosten und Stromerträge der Jahre i nach Übergabe werden mit<br />

(1 + q) -1 auf das Jahr der Übergabe umgerechnet und die so ermittelte Summe der<br />

Kosten durch die ebenso ermittelte Summe der Stromerträge geteilt; q = fester<br />

Abzinsungsfaktor, dem meist ein Betrag für Steuern zugerechnet wird; z.B. q = 10%.<br />

So lässt sich beispielsweise berücksichtigen, dass die Brennstoffkosten von KKW<br />

voraussichtlich weiter sinken werden (technischer Fortschritt in allen Bereichen des<br />

Brennstoffkreislaufs bei weiter gesteigertem Abbrand), während die Kohlepreise doch<br />

wieder steigen werden. Am Ende der Abschreibungszeit profitiert das KKW zudem<br />

von einer größeren Kostenentlastung als das (billigere) Kohlekraftwerk.<br />

4.5 Wind und Sonne<br />

Da Wind und Sonne nicht zuverlässig zur Verfügung stehen, ersetzen sie keine<br />

Leistung, sondern nur arbeitsabhängige Betriebskosten. Der Wert von Wind- und<br />

Solarstrom liegt daher bei 1-2 cent/kWh. In anderen Ländern, wo die Erzeugung von<br />

Strom aus Wind und Sonne ungefähr dem Bedarf folgt (z.B. für Klimatisierung und<br />

Pumpen von Wasser), ist der Wert der so erzeugten kWh entsprechend höher<br />

(Leistungsbeitrag).<br />

61


5 Genehmigungsverfahren und<br />

begleitende Kontrolle<br />

Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Genehmigungsverfahren:<br />

Verfahren, in dem entschieden wird, ob und wie (mit welchen Modifikationen) ein<br />

beantragtes Vorhaben ausgeführt werden darf.<br />

Die Zuständigkeit liegt bei der Genehmigungsbehörde (Land).<br />

Begleitende Kontrolle:<br />

Verfahren, wodurch sichergestellt wird, dass ein Vorhaben regelgerecht und wie<br />

genehmigt ausgeführt (und später betrieben und stillgelegt) wird; zuständig ist hier die<br />

Aufsichtsbehörde (Land).<br />

5.1 Genehmigung von Kernkraftwerken<br />

(1) Nach §7 Atomgesetz (AtG): Im folgenden ausführlich behandelt.<br />

(2) Baurechtliche Genehmigungen.<br />

In mehreren Bundesländern ist das atomrechtliche Verfahren integriert, nicht aber<br />

beispielsweise in Bayern. Verwaltungsgebäude und ähnliche unterliegen in jedem Fall<br />

einer gesonderten Baugenehmigung. Zuständig: Kreis oder Stadt.<br />

Verfahren nach §4 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).<br />

Im wesentlichen Kühlturm; Transformatoren (wegen Lärm) nur außerhalb von<br />

Kraftwerken nach BImSchG zu genehmigen; Notstromdiesel zeitweilig auch<br />

Gegenstand des BImSchG.<br />

Früher war der Kühlturm oft in das atomrechtliche Verfahren integriert. Nach Meinung<br />

des Bundesverwaltungsgerichtes: Fehlerhaftes Ermessen der Behörde.<br />

Das KKW Mühlheim-Kärlich stand wegen dieses Formfehlers 9 Monate still,<br />

währenddessen der Kühlturm ein 2. Mal ohne jede sachliche Änderung genehmigt<br />

wurde. Volkswirtschaftlicher Schaden: Mehrere 100 Mio DM, je nachdem wie<br />

gerechnet (Vollkosten oder Differenzkosten). Der Kühlturm wurde noch für andere<br />

KKW zweimal genehmigt, jedoch während der Bauzeit.<br />

Zuständig: Landesbehörde, in NRW die gleiche wie für das Verfahren nach AtG.<br />

62


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

(3) Wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung nach §2, §3<br />

Wasserhaushaltsgesetz (WHG)<br />

Wasserentnahme aus Fluss und Grundwasser, Wassereinleitung vor/nach Beginn<br />

des Reaktorbetriebes: Welche Mengen mit welchen organischen, anorganischen und<br />

radioaktiven Stoffen, mit welcher Temperatur und welchem Sauerstoffgehalt;<br />

Grundwasserabsenkung zur Gebäudegründung (samt Ableitung); Beherrschung des<br />

schnelleren Regenabflusses (Bodenversiegelung durch Gebäude und Straßen);<br />

Verfahren parallel zu den Verfahren (1) bis (3); zuständig Wasserbehörden der<br />

Länder.<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Noch keine Praxis<br />

5.2. Atomrechtliches Genehmigungsverfahren<br />

Aufteilung in folgende Schritte üblich:<br />

1. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG):<br />

Umfasst Konzept der Anlage als Ganzes sowie einen großen Teil der Gebäude.<br />

Besonderheit: Einbeziehung der Öffentlichkeit, um deren berührte Interessen, die der<br />

Genehmigungsbehörde unbekannt sein können, kennen zu lernen.<br />

Weitere TEG, früher recht viele, in der jüngeren Vergangenheit nur noch zwei bis drei<br />

z.B.:<br />

2. TEG für Maschinen- und Elektrotechnik und weitere Gebäude<br />

3. TEG für Beladen des Kerns.<br />

Abschließend: 4. TEG-Betriebsgenehmigung, früher oft vorläufig oder auch in<br />

Teilschritten, heute meist eine Genehmigung mit Freigabevorbehalten für die<br />

einzelnen Inbetriebnahmeschritte. In Zukunft angestrebt: Nur noch eine Genehmigung<br />

für Errichtung und Betrieb, falls nicht durchsetzbar: nur noch eine Genehmigung für<br />

die Errichtung. Vorteil: größere politische Sicherheit, geringere Gefahr der<br />

Verzögerung während der Errichtung; Nachteil: Alle sicherheitstechnischen<br />

Unterlagen müssen vor Baubeginn fertiggestellt sein, und zwar um so viel eher, dass<br />

Begutachtung und Bearbeitung durch die Behörde einschließlich<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung möglich ist.<br />

63


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Am Genehmigungsverfahren beteiligt sind (allgemein):<br />

Behörden<br />

Gutachter<br />

Betreiber (als Antragsteller)<br />

Hersteller (ggf. als Mitantragsteller- je nach Wunsch der Behörden, auf jeden<br />

Fall als Quelle der meisten bedeutsamen Informationen)<br />

Öffentlichkeit (bei der 1. TEG); bei Änderung von wesentlichen<br />

Genehmigungsvoraussetzungen, die der 1. TEG zugrunde lagen, muss die<br />

Öffentlichkeit erneut beteiligt werden; was wesentlich ist, ist bundesbehördlich<br />

festgelegt.<br />

Federführend ist die eigentliche Genehmigungsbehörde, eine Landesbehörde; in<br />

NRW das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie, dem auch die<br />

Förderung der Kernenergie obliegt. In anderen Bundesländern sind die beiden<br />

Funktionen auf unterschiedliche Ministerien aufgeteilt, was prinzipiell besser ist.<br />

Die Landesbehörde wird im Auftrag des Bundes tätig, vertreten durch das<br />

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU (früher<br />

Bundesministerium des Innern, BMI); das BMU ist gegenüber der Landesbehörde<br />

weisungsberechtigt; bei den einzelnen Genehmigungsschritten teilt das BMU der<br />

Landesbehörde per Weisung mit, welche Punkte aus seiner Sicht bei der<br />

Genehmigung berücksichtigt werden müssen. Die Weisungsberechtigung gilt auch<br />

gegenüber den Aufsichtsbehörden des Landes; in jüngerer Zeit, bei unterschiedlichen<br />

politischen Auffassungen über die Kernenergie, hat das BMU einige Male<br />

Landesbehörden angewiesen, anders zu verfahren, als diese wollten (z.B. einer<br />

Wiederinbetriebnahme zuzustimmen). Zur Klärung, wie weit der Bund dabei gehen<br />

darf, wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen; dieses urteilte, dass der<br />

Weisung des Bundes auch dann zu folgen ist, wenn diese (tatsächlich oder nur nach<br />

Meinung des Landes) rechtswidrig sei (Frage der Verantwortung).<br />

Neben den federführenden Landesministerien und dem BMU werden zahlreiche<br />

andere Behörden und Ämter in das Genehmigungsverfahren einbezogen, u.a.<br />

Bundeswehr (mögliche Kollisionen)*<br />

Bundespost (Kommunikation)*<br />

Bundesbahn<br />

Wasser- und Schifffahrtsdirektion/Ämter unter Mitwirkung der Wasserverbände<br />

Landes-Innenministerium mit unterer Baubehörde für den Bauteil sowie für<br />

Katastrophenschutz/Objektschutz<br />

Landesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit<br />

zugeordneten Ämtern, Kammern und Anstalten (Ökologie, Wasser, und Abfall)<br />

u.a. für Natur- und Landschaftsschutz<br />

Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (in NRW früher für das<br />

Genehmigungsverfahren zuständig)<br />

64


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

das für Raumplanung zuständige Landesministerium samt zugeordneten<br />

Planungsräten, Siedlungsverband etc.<br />

Flugsicherung<br />

Straßenbauämter<br />

Staatliches Materialprüfungsamt<br />

Zuständiger Regierungspräsident mit zugeordnetem Gewerbeaufsichtsamt<br />

und Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft<br />

Alle betroffenen Kreisverwaltungen und Gemeinden (zumindest so weit in<br />

Katastrophenschutz-Planung einzubeziehen).<br />

Diese Liste ist ein Beispiel und kann in konkreten Fällen (anderen Bundesländern)<br />

anders aussehen.<br />

* gilt für 1980er Jahre, neuere Praxis liegt noch nicht vor<br />

Diese anderen Behörden und Ämter verhandeln grundsätzlich nur mit der<br />

Genehmigungsbehörde (Kanalisierung), Anforderungen zusätzlicher Unterlagen<br />

werden über die Genehmigungsbehörde an die Unterlagenersteller weitergegeben;<br />

ebenso kann die Genehmigungsbehörde die Erstellung zusätzlicher Gutachten<br />

veranlassen. Die abschließende Stellungnahme der anderen Behörden und Ämter<br />

kann Forderungen oder Wünsche enthalten, was alles bei der Genehmigung des<br />

KKW zu berücksichtigen sei (z.B. spezielle Messgeräte oder ganze wissenschaftliche<br />

Messprogramme). Im Ermessen der Genehmigungsbehörde liegt es, das in den<br />

Genehmigungsbescheid zu integrieren oder auch nicht.<br />

Im späteren Verlauf der Abwicklung gibt es auch direkte Kontakte zwischen<br />

Betreiber/Hersteller und anderen Behörden und Ämtern, z.B. der unteren<br />

Baubehörde, dem Gewerbeaufsichtsamt, der Feuerwehr etc..<br />

Zur Beurteilung der Genehmigungsunterlagen zieht die Behörde Gutachter zu (die<br />

der Antragsteller bezahlen muss, ebenso wie Gebühren zur Abdeckung der Kosten<br />

der Behörde). Zu den Gutachtern gehören:<br />

TÜV (für Maschinen- und Elektrotechnik)<br />

Baustatiker<br />

Baugrundgutachter<br />

Seismologen<br />

Meteorologen (meist Deutscher Wetterdienst)<br />

Hydrologen<br />

Radiobiologen (Land, Fluss)<br />

Brandschutz-Gutachter<br />

Schallschutz-Gutachter<br />

Landschaftsschutz-Gutachter<br />

Sabotageschutz-Gutachter<br />

Gutachter für Einwirkungen von außen<br />

65


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Ergonomie-Experten (Mensch-Maschine-Wechselwirkung, insbesondere auf<br />

der Warte)<br />

(Gutachter für die letzten drei Punkte meist Gesellschaft für Anlagen- und<br />

Reaktorsicherheit, GRS)<br />

Ggf. noch weitere (z.B. Nuklearmediziner).<br />

Der nach BImSchG zu genehmigende Kühlturm wird ebenfalls in vieler Hinsicht<br />

begutachtet (Wärme, Feuchte, Schatten, Geruch, Lärm, Salze, Bakterien). Weitere<br />

Gutachten sind für das wasserrechtliche Verfahren zu erstellen, z.B. Einleitung von<br />

Kühlwässern in Flüsse.<br />

Die GRS (mit Sitz in Köln und München, neuerdings auch mit einem Büro in Berlin)<br />

wird getragen vom Bund (46,1%), den Ländern NRW und Bayern (je 3,85%) und allen<br />

TÜV sowie dem Germanischen Lloyd („Schiffs-TÜV“ und auch Brandschutz-Gutachter<br />

beim KKW Emsland), zusammen 46,2%. Die GRS finanziert sich durch<br />

Behördenaufträge (keine auftragsunabhängige Beschäftigung).<br />

Schwerpunkte der GRS-Tätigkeit sind:<br />

Analytische Bewertung der international gemeldeten Störfälle durch die WANO<br />

(World Association of Nuclear Operators - jetzt einschließlich der KKW des<br />

ehemaligen Ostblocks) hinsichtlich ihrer möglichen Bedeutung für deutsche<br />

KKW; ohne diese Dienstleistungen könnten wichtige Informationen in der Flut<br />

des für uns nicht Bedeutsamen untergehen. Häufig wird aufgrund dieser<br />

Informationen, die auch alle Betreiber erhalten, noch einmal von der<br />

zuständigen Aufsichtsbehörde nachgefragt.<br />

Beobachtung und Auswertung besonderer Ereignisse im Ausland (z.B.<br />

Harrisburg oder Tschernobyl)<br />

Vergleich und Harmonisierung international verschiedener Regelwerke (oft<br />

formale Punkte)<br />

Gutachterliche Begleitung des in der Planung befindlichen französischdeutschen<br />

Druckwasserreaktors (EPR=„European Pressurised Water<br />

Reactor“); dafür Gründung eines Büros in Paris. Zusammenarbeit mit dem<br />

französischen IPSN (Institute de Protection et Sureté Nucléaire), derzeit<br />

(2001) unterbrochen<br />

Unterstützung russischer und ukrainischer Behörden, dafür Büros in Moskau<br />

und Kiew<br />

Sicherheitstechnische Grundsatzuntersuchungen: Probabilistik, Fehler aus<br />

gemeinsamer Ursache, menschliches Versagen; sog. Accident Management;<br />

Einwirkungen von außen; Sabotageschutz (wie gesagt) u.a.<br />

Durchführung eigener Forschung und Entwicklung in diesem Zusammenhang,<br />

z.B. mathematische Modellierung schwerer Störfälle<br />

wissenschaftliche und administrative Betreuung sicherheitstechnischer<br />

Forschung von Dritten (Projektträgerschaft im Auftrag des BMBF oder BMWi);<br />

u.a. Beurteilung, ob bestimmte Forschungen sinnvoll sind, vernünftig<br />

durchgeführt und dokumentiert werden und ob der finanzielle Aufwand dafür<br />

angemessen ist.<br />

Weitere Funktionen wie Sekretariate für RSK, SSK, KTA (s.u.) wurden 1990 an das<br />

Bundesamt für Strahlenschutz abgegeben.<br />

66


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Die Aufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz sind in der Anlage 1 zu<br />

Kapitel 5 dargestellt.<br />

Der BMU hat zwei eigene Beraterkreise und zwar<br />

die Reaktorsicherheitskommission (RSK) mit diversen Unterausschüssen und<br />

die Strahlenschutzkommission (SSK).<br />

Die RSK befasst sich mit allen sicherheitstechnischen Aspekten der Reaktortechnik<br />

und des -betriebs, die SSK mit Strahlenmesstechnik, biologisch-medizinischen<br />

Fragen der Strahlung und dergleichen, nicht nur hinsichtlich der Kerntechnik.<br />

Im Gegensatz zu den vorher genannten Gutachtern und Institutionen sind die<br />

Mitglieder der RSK und SSK ehrenamtlich tätige Spitzenfachleute (z.B. für<br />

sicherheitstechnische Analysen, Thermodynamik, Werkstoffwissenschaften,<br />

Reaktorbetrieb, Strahlemesstechnik, Strahlenmedizin). Sie sorgen dafür, dass<br />

sicherheitstechnisch wichtige Fragestellungen von hauptamtlich tätigen Fachleuten<br />

aufbereitet (s.o.) werden, dass RSK oder SSK dazu ein begründetes Urteil fällen<br />

können.<br />

Die RSK nimmt zu wesentlichen Genehmigungschritten Stellung (zumindest 1. TEG<br />

und Betriebsgenehmigung) sowie zu anderen wichtigen Fragen (z.B. Nachrüstungen,<br />

neue Reaktorkonzepte). Diese Stellungnahmen bilden im Genehmigungsverfahren<br />

die Grundlage der jeweiligen Weisung des BMU an die zuständige Landesbehörde.<br />

In Grundsatzfragen wird auch die GRS vom BMU zu Rate gezogen. Die beiden<br />

Begutachtungsstränge in Richtung BMU und Landes-Genehmigungsbehörde<br />

ergänzen sich mehr, als dass sie sich überschneiden.<br />

5.3 Ablauf des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens, 1.TEG<br />

Antrag durch Betreiber (oder Betreiber plus Hersteller, je nach Wunsch der<br />

Behörde) an die Behörde; der Hersteller liefert in jedem Fall den größten Teil<br />

der Informationen und unterstützt den Betreiber.<br />

Als <strong>Dokument</strong> beigefügt: Der Sicherheitsbericht mit Standortteil (Besiedelung,<br />

Wirtschaft, Verkehrswege, Meteorologie etc.), KKW-Beschreibung mit<br />

Betonung der sicherheitstechnischen Einrichtungen, radioaktive Stoffe und<br />

Strahlenschutz, Kraftwerksbetrieb, Störfallanalysen, schließlich Entsorgung<br />

und Stilllegung.<br />

Ergänzend beigefügt: Kurzsicherheitsbericht, mehrfach gedruckt, für Beteiligte,<br />

die nur Teilaspekte interessieren, wofür ein Überblick über das Ganze genügt;<br />

das gilt insbesondere für die „anderen Behörden und Ämter“.<br />

Ferner: Angaben zu den übrigen Genehmigungsvoraussetzungen nach AtG<br />

(s.u.).<br />

Im Laufe des Genehmigungsverfahrens werden für die diversen Gutachter<br />

noch viele hundert weitere Detailarbeitsberichte geliefert, die mehrere<br />

Aktenschränke füllen.<br />

67


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Dem entsprechen Kosten des Genehmigungsverfahrens. In den 80er Jahren<br />

rund 40 Mio DM einschließlich Gebühren (ca. 10%); hinzu kommen die<br />

ebenfalls nicht unerheblichen Kosten für die übrigen Genehmigungsverfahren.<br />

Dem Antrag folgt die Information der anderen Behörden und Ämter, die um<br />

Stellungnahme gebeten werden, die Informationen der Öffentlichkeit und die<br />

Beauftragung der diversen Gutachter.<br />

5.4 Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

Im amtlichen Veröffentlichungsblatt (Hinweis im Bundesanzeiger), vor allem in der<br />

Tagespresse, wird der Bevölkerung mitgeteilt:<br />

der nach Art und Ort bezeichnete Antrag<br />

die Möglichkeit, sich wo (z.B. im Rathaus) wann (zwei Monate lang) durch<br />

Einsicht in den Sicherheitsbericht zu informieren<br />

die Möglichkeit, innerhalb dieser Frist schriftliche (oder zur Niederschrift<br />

mündlich vorgebrachte) Einwände an die Genehmigungsbehörde (oder eine<br />

andere angegebene Behörde) zu richten<br />

die geplante Erörterung (möglichst schon mit Angabe von Zeit und Ort).<br />

Gestritten wird oft über die Anfertigung von Kopien aus dem Sicherheitsbericht und<br />

Einsicht in weiterführende Unterlagen (Problem des Know-how-Schutzes).<br />

Diesbezügliches Ermessen wird nicht überall gleich gehandhabt.<br />

Einwände können von juristischen Personen (z.B. Firmen) und natürlichen Personen<br />

erhoben werden. Absicht des Gesetzgebers war, der Behörde auf diese Weise<br />

Kenntnis von speziellen Gegebenheiten zu verschaffen, die durch das Vorhaben<br />

beeinträchtigt werden könnten. Heute ist daraus eine überwiegend plesbizitäre<br />

Veranstaltung geworden, mit Sammeleinsprüchen aus dem gesamten Bundesgebiet<br />

und dem benachbarten Ausland und Standardbegründungen allgemeiner Art.<br />

Nach Auswertung der Einsprüche lädt die Genehmigungsbehörde die Einsprecher,<br />

die sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen können, nicht aber etwa „die<br />

Bevölkerung“ zu einer Erörterung ein. Die Erörterung ist also nicht öffentlich;<br />

interessierte Personen (Presse, Schulklassen) werden jedoch in der Regel<br />

zugelassen, sofern sie nicht stören.<br />

Gestritten wird oft, ob die Gutachten vorher vorliegen sollen und ob die Einsprecher<br />

(genauer: die für den plebiszitären Teil der Einsprecher sprechenden professionellen<br />

Einsprecher von sogenannten Ökoinstituten, der Universität Bremen etc.) vorher<br />

Einsicht in die Gutachten bekommen sollten. Das hat, mit dem oben genannten, vom<br />

Gesetzgeber beabsichtigten Zweck der Erörterung nichts zu tun; zweitens<br />

beanspruchen die professionellen Einsprecher damit eine Rolle als Obergutachter, zu<br />

der sie trotz Fachkenntnissen keinesfalls qualifiziert sind (m.W. gibt es keinen<br />

einzigen Gedanken zur Verbesserung der Sicherheit, der zuerst von jener Seite<br />

geäussert worden wäre); drittens verzögert sich das Verfahren, weil Gutachten,<br />

Einsicht, Erörterung nacheinander statt parallel abgewickelt werden. Trotzdem hat es<br />

Minister gegeben, die dem Begehren auf Einsicht in Gutachten zumindest teilweise<br />

stattgegeben haben.<br />

68


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

In der Regel werden die Gutachter sowie betroffene Fachbehörden zur Erörterung<br />

beigeladen, um die Genehmigungsbehörde, falls die Situation es ergibt, in freier Rede<br />

sachkundig zu unterstützen.<br />

Der Antragsteller nimmt gemäß Atomverfahrensordnung auf jeden Fall an der<br />

Erörterung teil, der Hersteller wird stets beigeladen, auch wenn er nicht<br />

Mitantragsteller ist.<br />

Nur ein winziger Teil der Einwender, die allgemeine Gesichtspunkte vorbrachten, ist<br />

an einer sachlichen Diskussion der Einwände interessiert; um Unwillen kundzutun und<br />

dafür möglichst wenig Zeit zu opfern hat sich in den 80er Jahren folgende<br />

Vorgehensweise entwickelt: möglichst viele Einwender (z.B. über 1 000) sind bei<br />

Beginn dabei, dann wird ausschließlich über Verfahrensfragen diskutiert<br />

(erfindungsreich-obstruktiv), früher oder später wird der Antrag gestellt, den<br />

Versammlungsleiter wegen Befangenheit abzulehnen, der lehnt, nach Rücksprache<br />

mit seinem Minister, diesen Antrag ab.<br />

Bei dieser oder einer anderen Gelegenheit verlassen fast alle Einwender unter Protest<br />

den Saal; übrig bleiben die professionellen Einwender, die einmal mehr die Antworten<br />

einsammeln, die sie schon kennen (oft über mehrere Tage), mit einigen wenigen<br />

interessierten Bürgern als Zuhörer und einer Handvoll Einwender im Sinne des<br />

Gesetzgebers (s.o).<br />

Die Konzentration auf die Verfahrensfragen hat den weiteren Vorteil, dass die<br />

Kernenergie erfahrungsgemäß so leichter auszuhebeln ist als mit Sachfragen<br />

(Kühlturm Mühlheim-Kärlich u.a.). Sorgfalt in Verfahrensfragen ist daher sehr wichtig.<br />

Die beschriebene Strategie wird durchaus nicht nur bei der Kernenergie angewandt.<br />

Die Sachfragen können, je nach Ermessen des Versammlungsleiters, auf zwei<br />

verschiedene Weisen abgehandelt werden:<br />

Einmal geordnet nach Einwendern, in der Reihenfolge des Eingangs der<br />

Einwendungen. Sollten sich Einwände wiederholen, kann auf frühere, im Protokoll<br />

nachlesbare Aussagen dazu verwiesen werden.<br />

Zum anderen geordnet nach Sachgebietspunkten, was bei vielen Einwänden<br />

übersichtlicher ist, aber Einwender mit mehreren ganz bestimmten Anliegen zwingt<br />

länger als nötig dabeizubleiben. Die professionellen Einwender bleiben sowieso die<br />

ganze Zeit da, ihnen ist das zweite Verfahren lieber. Die ganze Anhörung wird, wie<br />

gesagt, protokolliert. Eine Kopie der meist recht voluminösen Niederschrift wird jedem<br />

Einwender auf Wunsch zugesandt.<br />

Die Genehmigungsbehörde wertet die Niederschrift aus; faktisch werden nur die vom<br />

Gesetzgeber gemeinten speziellen Belange berücksichtigt (z.B. zusätzliches<br />

Messinstrument), da die allgemeinen Belange, sofern sie zu berücksichtigen sind,<br />

ohnehin berücksichtigt werden. (Es sei vermerkt, dass andere Beobachter auch dem<br />

allgemeinen Teil der Erörterung einen gewissen, für mich allerdings nicht<br />

erkennbaren, sachlichen Nutzen zusprechen.)<br />

69


5.5 Weiteres Verfahren<br />

Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Der Behörde liegen am Ende dieser Phase vier (Gruppen von) Stellungnahmen vor:<br />

die Weisung des BMU samt zugehörigen Bedingungen, unter denen die<br />

Anlage zu genehmigen wäre<br />

die diversen Gutachten mit Auflagenvorschlägen<br />

die Stellungnahmen der sonstigen Behörden und Ämter mit Forderungen und<br />

Wünschen nach Zusatzeinrichtungen oder -leistungen<br />

die Ergebnisse der Erörterung mit den Einwendern, aus denen ggf. auch<br />

zusätzliche Forderungen abzuleiten wären.<br />

Da ein großer Teil der Forderungen auf unzureichender Information beruht und<br />

ohnehin erfüllt würde, andererseits Verwaltungsaufwand zum Nachhalten der<br />

Erfüllung von Forderungen minimiert werden soll, werden die diversen, zu erfüllenden<br />

Ansprüche dem Antragsteller/Hersteller vor Erteilung der Genehmigung mitgeteilt.<br />

Dieser hat Gelegenheit schriftlich zu bestätigen und darzulegen, dass er die<br />

Forderungen ohnehin zu erfüllen gedachte, manchmal auch auf etwas anderen<br />

Wegen, als der Fordernde meinte, aber mit demselben Ergebnis. Er darf auch<br />

versuchen, seines Erachtens unangemessene Auflagenvorschläge (z.B.<br />

wissenschaftliche Untersuchungen, die mit der Anlage nur entfernt zu tun haben)<br />

abzuwehren.<br />

Schließlich wird der Genehmigungsbescheid geschrieben. Er enthält den<br />

Genehmigungsumfang, das Verzeichnis der zugrunde gelegten <strong>Dokument</strong>e (einschl.<br />

z.B. nachträglicher Zusagen), Beschränkungen, Bedingungen, Auflagen (ggf. mit<br />

Terminen), Begründung der Genehmigung, eine Aussage über die sofortige<br />

Vollziehbarkeit (s.u.) und eine Rechtsmittelbelehrung. Der Bescheid wird an den<br />

Antragsteller und an sämtliche Einwender versandt. Bei sehr vielen Einwendern darf<br />

die Zusendung durch öffentliche Bekanntmachung (und Einsichtnahme) ersetzt<br />

werden. Auf schriftliche Anforderung hin wird der Bescheid bis zum Ablauf der<br />

Klagefrist aber jedem Einwender zugestellt.<br />

5.6 Gerichtsverfahren<br />

In der Regel wird die Genehmigung als sofort vollziehbar erklärt. Das heißt, die<br />

Anlage kann errichtet werden, auch wenn dagegen Klage erhoben wird. Errichtung<br />

und Prozess laufen dann parallel. Wird der Sofortvollzug nicht ausgesprochen, hat<br />

eine Klage aufschiebende Wirkung (viele Monate bis etliche Jahre).<br />

Durch die Errichtung werden, mit vielen Milliarden DM, Fakten geschaffen. Hier<br />

besteht nicht zu Unrecht die Sorge, dass es einem Richter zu einem späteren<br />

Zeitpunkt schwerfällt, eine an sich aufzuhebende Genehmigung dann noch<br />

aufzuheben (obwohl auch das im Falle Mülheim-Kärlich, im wesentlichen aus<br />

formalen Gründen, zweimal vorgekommen ist); es besteht daher die (häufig genutzte)<br />

Möglichkeit, Klage gegen die sofortige Vollziehbarkeit zu erheben (ohne<br />

aufschiebende Wirkung). Diese Klage kann vergleichsweise schnell entschieden<br />

werden. Der Richter muss hier abwägen, welche Erfolgsaussichten in der Sache<br />

bestehen (d.h. in einer Klage gegen die Genehmigung selbst); kann er aufgrund<br />

vorangegangener Gerichtsurteile annehmen, dass der Kläger in der Sache<br />

unterliegen wird, wird der Richter den Sofortvollzug bestätigen; räumt er dem Kläger<br />

70


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

jedoch Erfolgsaussichten in der Sache ein, wird er den Sofortvollzug aufheben, d.h.:<br />

erst wird prozessiert, dann gebaut oder auch nicht.<br />

Im übrigen kann auch der Antragsteller klagen, z.B. gegen eine seines Erachtens<br />

ungerechtfertigte Auflage.<br />

5.7. Weitere Genehmigungen<br />

Die weiteren Genehmigungsschritte laufen im Prinzip genauso ab, nur ohne<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung (außer, wie gesagt, bei wesentlichen Änderungen).<br />

5.8 Begleitende Kontrolle (Aufsicht nach §19 AtG)<br />

Was das ist, wurde einleitend gesagt, wie umfassend sie ist, wurde bereits in Kapitel<br />

„Vertrag“ dargelegt. Die Kosten (Personal/<strong>Dokument</strong>ationsaufwand) liegen deutlich<br />

über 100 Mio DM (vielleicht bei 120 Mio DM; schwierig zu erfassen, da z.gr.T. in<br />

Preisen der Unterlieferanten enthalten).<br />

5.9 Randbedingungen für Gutachter<br />

Gutachter sind in der Regel abhängig Beschäftigte und könnten Pressionen<br />

ausgesetzt sein, bei der Begutachtung etwas weniger kritisch zu sein, als es der<br />

Aufgabenstellung angemessen wäre.<br />

Dem steht nicht nur die Berufsehre und das Streben nach Erfolgserlebnissen<br />

(insbesondere durch das Finden von Schwachpunkten) entgegen - durch deutsches<br />

Perfektionsstreben oft und manchmal unangemessen verstärkt -, sondern auch die<br />

Haftung. Der Gutachter steht als Person mit seiner Unterschrift für den Inhalt des<br />

Gutachtens grade. Wenn später etwas passiert und wenn das nachweisbar mit einem<br />

fehlerhaften Gutachten zusammenhängt, wird er vermögens- oder strafrechtlich zur<br />

Rechenschaft gezogen.<br />

Ein Fehler liegt nur dann vor, wenn der Gutachter den Stand der Technik in seinem<br />

Fachgebiet, bei der Kernenergie den Stand von Wissenschaft und Technik, sowie die<br />

einschlägigen Gesetze und Regelwerke nicht gebührend beachtet hat. (Er muss nicht<br />

mehr wissen als die „Zunft“.)<br />

Gesetze und Regeln sind hierarchisch gestuft. Bei der Kernenergie sind zu<br />

unterscheiden:<br />

Das Atomgesetz (AtG) von 1959, inzwischen mehrfach novelliert und die<br />

Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), die auch Gesetzesrang hat; letztere soll<br />

2001 (ebenfalls zum wiederholten Mal) novelliert werden und wird dann wohl<br />

anders abgekürzt werden.<br />

Die Richtlinien des BMU (früher BMI).<br />

Die Leitlinien der RSK.<br />

Die Regeln des Kerntechnischen Ausschusses (KTA).<br />

71


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

Hierarchie der Vorschriften im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />

Atomgesetz<br />

Verordnungen<br />

Sicherheitskriterien<br />

Regeln des KTA und<br />

Richtlinien der Behörden<br />

Sonstige Regeln und Richtlinien<br />

Spezifikationen<br />

Darüber hinaus sind eine Fülle weiterer Regeln (DIN, Dampfkessel, Druckbehälter,<br />

Brandschutz etc.) zu beachten.<br />

Das AtG hatte bis 2001 den Zweck, die Nutzung der Kernenergie zu fördern und hat<br />

unverändert den Zweck, vor ihren Gefahren zu schützen. Es regelt das<br />

Genehmigungsverfahren (§7) und verlangt allgemein: Zuverlässigkeit des<br />

Antragstellers, Zuverlässigkeit und Fachkunde der verantwortlichen Personen,<br />

Kenntnis des gesamten Betriebspersonals über Gefahren und Schutzmaßnahmen,<br />

Vorsorge gegen Schäden (nach dem Stand von Wissenschaft und Technik – nicht nur<br />

nach dem Stand der Technik, wie sonst üblich), Vorsorge für den Ausgleich von<br />

Schäden, Schutz gegen Einwirkungen Dritter, Berücksichtigung öffentlicher<br />

Interessen (Wasser, Luft, Boden) bei der Standortwahl. Die Genehmigung darf bei<br />

Vorliegen o.g. Voraussetzungen erteilt werden, sie muss nicht, wie sonst im<br />

Baurecht, erteilt werden. Das AtG regelt ferner Umgang mit und Aufbewahrung von<br />

radioaktiven Stoffen (einschließlich Endlagerung), Bedingungen für Genehmigungen<br />

(einschließlich Widerruf), Zuständigkeiten, Haftung etc..<br />

Die StrlSchV ist schon etwas spezifischer; sie gibt beispielsweise an, welche<br />

Personengruppen unter welchen Umständen welche Strahlendosis erhalten dürfen.<br />

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es noch die<br />

Deckungsvorsorgeverordnung gibt (regelt die Haftpflicht) und die Atomrechtliche<br />

Verfahrensverordnung (regelt das Genehmigungsverfahren im Einzelnen).<br />

Die BMU-Richtlinien bilden die erste Stufe der Konkretisierung des AtG; z.B. legten<br />

sie fest, welche Störfälle einer Sicherheitsanalyse zugrunde zu legen sind. Anfang der<br />

70er Jahre entschied das damals zuständige BMI, dass auch Flugzeugabstürze zu<br />

berücksichtigen sind. Das ist ein typischer Ermessensentscheid, da ein<br />

Flugzeugabsturz mit katastrophalen Folgen schon ein „Punkttreffer“ sein muss, was<br />

sehr unwahrscheinlich ist und durch administrative Maßnahmen, d.h. Flugverbote,<br />

noch unwahrscheinlicher gemacht werden kann. Das Risiko auf der Erde stehend<br />

direkt durch ein abstürzendes Flugzeug getötet zu werden, ist größer als das Risiko,<br />

72


Genehmigungsverfahren und begleitende Kontrolle<br />

indirekt aufgrund eines Flugzeugabsturzes auf ein ungeschütztes KKW<br />

umzukommen. Trotzdem hat das BMI damals so entschieden.<br />

Die BMU-Richtlinien legen beispielsweise auch das Inhaltsverzeichnis von<br />

Sicherheitsberichten fest, die im Genehmigungsverfahren zu erbringende Information,<br />

die erforderliche Fachkunde zum Betrieb eines Kernkraftwerkes, das Vorgehen bei<br />

Wartung und Instandhaltung, zahlreiche Aspekte des Strahlenschutzes und so fort.<br />

Die RSK-Leitlinien setzen die Konkretisierung fort. Sie legen insbesondere fest,<br />

welche Sicherheitseinrichtungen ein Kernkraftwerk haben muss. Sie definieren<br />

darüber hinaus beispielsweise, was ein Flugzeugabsturz ist (Last-Zeitdiagramm,<br />

Trefferfläche).<br />

Die KTA-Regeln gehen sehr ins Detail, sie legen Auslegung, Berechnung, Werkstoffe,<br />

Fertigung, (wiederkehrende) Prüfungen etc. für sicherheitstechnisch wichtige<br />

Komponenten fest, ebenso allgemeine Grundsätze des Qualitätswesens, für das<br />

Betriebshandbuch etc..<br />

An der Erstellung der KTA-Regeln wirken alle Fachkundigen mit; stets dabei sind<br />

Vertreter von:<br />

Behörden<br />

Gutachtern<br />

Herstellern und<br />

Betreibern,<br />

da jeder seine typischen Erfahrungen mit dem jeweiligen Gegenstand hat. Darüber<br />

hinaus können noch andere Experten hinzugezogen werden, z.B. Seismologen für<br />

Erdbebenberechnungen oder Gewerkschaftsvertreter, wenn es um die Gestaltung der<br />

Arbeitsplätze geht.<br />

Die Regeln durchlaufen mehrere Stadien: Zunächst ist festzustellen, ob ein<br />

Regelungsbedarf besteht und ob eine Sache regelungsfähig ist (ob genügend Wissen<br />

und Erfahrung vorliegt). Dann werden von den vier „Fraktionen“ Fachleute in die<br />

regelerstellende Arbeitsgruppe delegiert, die insgesamt drei Fassungen der geplanten<br />

Regel erstellen:<br />

Aufgrund des Vorberichtes (1. Fassung) wird das weitere Vorgehen beschlossen<br />

(prinzipiell möglich auch: Nichtweiterverfolgung), der sog. Gründruck wird der<br />

gesamten Fachwelt zur Stellungnahme gegeben. Die endgültige Fassung, der sog.<br />

Weißdruck, wird bei hinreichendem Konsens vom KTA als Regel verabschiedet. In<br />

den Entscheidungsgremien sind wie in den Arbeitsgruppen die vier „Fraktionen“ und<br />

als fünfte Fraktion die „Sonstigen“ (z.B. auch DIN, Versicherer....) vertreten.<br />

73


Anlage 1: Aufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)<br />

Anlage 1 zu Kapitel 5<br />

Aufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)<br />

Zentralabteilung, Salzgitter<br />

Atom- und Strahlenschutzrecht (u.a. hinsichtlich Sicherstellung und<br />

Endlagerung radioaktiver Abfälle)<br />

Internationale Zusammenarbeit<br />

Zentrale Datenverarbeitung, Verwaltung<br />

Organisatorisch der Zentralabteilung angegliedert, nicht weisungsgebunden:<br />

RSK- und SSK-Geschäftsstellen, Bonn: Vor-, Zu-, Nacharbeit von Beratungen,<br />

Mitarbeit an der Formulierung der Stellungnahmen für den BMU.<br />

Fachbereich Strahlenhygiene<br />

Institut für Strahlenhygiene, Neuherberg<br />

Forschung: Wirkung (nicht)ionisierender Strahlung, gesundheitliche Bewertung;<br />

natürliche/künstliche Radioaktivität, daraus sich ergebende Dosis,<br />

genetisch/somatische Risiken. Erfassung medizinischer Strahlenbelastung (mit<br />

Qualitätssicherung; Weiterentwicklung: gleiche Wirkung mit weniger Belastung);<br />

lückenlose <strong>Dokument</strong>ation beruflicher Strahlenbelastung; Überwachung der<br />

Umweltradioaktivität mit „Integriertem Mess- und Informationssystem“ (IMIS).<br />

Institut für Atmosphärische Radioaktivität, Freiburg<br />

Spurenanalyse radioaktiver Stoffe in Luft und Niederschlag (Datendienst,<br />

Warndienst).<br />

Fachbereich nukleare Entsorgung und Transport, Braunschweig<br />

Errichtung und Betrieb von Endlagern (auch Abfalldokumentation)<br />

staatliche Verwahrung von Kernbrennstoffen (KBS)<br />

Genehmigung der Verwahrung von KBS andernorts<br />

Transportgenehmigung für KBS und Großquellen (einschließlich berg- und<br />

kerntechnischer Sicherheitsfragen)<br />

74


Anlage 1: Aufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)<br />

Fachbereich kerntechnische Sicherheit, Salzgitter<br />

Übergreifende Fragen kerntechnischer Sicherheit<br />

Sicherheit und Sicherung der kerntechnischen Einrichtungen<br />

kerntechnische Sicherheit von Anlagen im Beitrittsgebiet (ehemalige DDR)<br />

Thematisch ähnlich GRS, jedoch aus behördlichem Blickwinkel (GRS mehr aus<br />

gutachterlichem Blickwinkel); als nachgeordnete Behörde direkte Unterstützung des<br />

BMU als oberste Behörde. Angeschlossen:<br />

KTA-Geschäftsstelle, Salzgitter.<br />

Fachbereich Strahlenschutz, Berlin<br />

Fachpersonal vom SAAS der ehemaligen DDR<br />

Strahlenschutz in bergbaulichen Anlagen und deren Umgebung<br />

(Altlastenaufarbeitung)<br />

Strahlenexposition durch kerntechnische Anlagen (außer Zwischen- und Endlager)<br />

(Vorschriften, Messmethoden, Bewertung etc.)<br />

Berufliche Strahlenexposition (Vorschriften, Messmethoden, Bewertung etc.).<br />

75


Anlage 2 zu Kapitel 5<br />

Kernkraftwerk Emsland (KKE)<br />

Anlage 2: Kernkraftwerk Emsland (KKE)<br />

Daten und Angaben zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />

Tabelle 1: Anträge, Inhalte, Genehmigungen<br />

Antrag Inhalt Genehmigungen<br />

17.08.1978 1. TG Standort, Konzept, Hauptbauwerke 04.08.1982<br />

06.12.1982 2. TG Maschinen-, Elektro- und Leittechnik,<br />

Warmprobebetrieb I<br />

28.02.1984 TG 1.1 Nebenbauwerke: (aus 2.TG<br />

ausgegliedert)<br />

12.03.1984 2. TG Änderungen: Entfall<br />

Ausschlagsicherungen an<br />

Hauptkühlmittelleitungen und<br />

Speisewasserleitungen; Entfall<br />

Stoßdämpfer im<br />

Transportbehälterbecken; Maschinen-,<br />

Elektro- und Leittechnik,<br />

Warmprobebetrieb I<br />

28.01.1985 3. TG Umgang mit Kernbrennstoffen und<br />

sonstigen radioaktiven Stoffen,<br />

Warmprobebetrieb II<br />

20.08.1986 4. TG Nukleare Inbetriebsetzung und<br />

Probebetrieb, Betrieb<br />

Summe der eingereichten Unterlagen: 20 m dick, Schriftverkehr 10 m.<br />

21.05.1984<br />

20.09.1984<br />

04.05.1987<br />

30.03.1988<br />

76


Tabelle 2: Gutachter<br />

TÜV Norddeutschland,<br />

Hannover<br />

Hauptgutachter<br />

RW TÜV<br />

TÜV Rheinland<br />

Anlage 2: Kernkraftwerk Emsland (KKE)<br />

Sicherheitsgutachten: Standort, Konzept der Anlage,<br />

Errichtung und Betrieb der Anlage. 200 000 Stunden<br />

Gutachten = 3 700 Seiten<br />

Unterstützend<br />

Unterstützend<br />

Müller BBM Schalltechnische Begutachtung<br />

GRS Anlagensicherung, Stellungnahmen zu Einwendungen<br />

betreffend allgem. Fragen der Reaktorsicherheit,<br />

Radioökologie (Luftpfad, Wasserpfad)<br />

Prof. Streffer Synergismen; Strahlenbiologie<br />

Prof. Drescher Mikrobiologische Auswirkungen des Kühlturmbetriebes<br />

Ing.-Büro Lambrecht Ökologische Datensammlung, Ermittlung land- und<br />

forstwirtschaftlicher Nutzungsparameter,<br />

pflanzensoziologische Kartierung, Landschaftspflege<br />

LUFA, Oldenburg Standortspezifische Parameter für Böden und Bewuchs<br />

DWD, Essen Meteorologie, Klimatologie, Deutscher Wetterdienst<br />

ZSI Auslegungsbedingungen für sicherheitstechnisch<br />

wesentliche Baukonstruktionen. Baubarkeit der<br />

sicherheitstechnisch wesentlichen Gebäude<br />

NLfB Erdbau-<br />

laboratorium, Essen<br />

(KLE-Gutachter)<br />

Baugrund- und Gründungsverhältnisse<br />

Prof. Ahorner Seismologe, Erdbebenauslegung<br />

Germanischer Lloyd Brandschutz<br />

Summe der Gutachten: ca. 1m dick (Kosten, nur Atomrecht: = 40 Mio DM<br />

einschließlich Gebühren ( = 10%)).<br />

77


Tabelle 3: Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

Anlage 2: Kernkraftwerk Emsland (KKE)<br />

28.08. - 23.10.1979 Auslegung der Antragsunterlagen zur 1. TG<br />

02.01. - 02.03.1981 Erneute Auslegung der Antragsunterlagen zur 1. TG<br />

Aufgrund der Umstellung der Konvoi-Abwicklung<br />

Einwendungen:<br />

1. Auslegung<br />

2. Auslegung<br />

17 000<br />

3 200<br />

20 200<br />

12.05. - 15.05.1981 Erörterung<br />

davon 222 individuell begründet<br />

12.04. - 12.06.1985 Auslegung der Antragsunterlagen zu Änderungen im<br />

Rahmen der 2.TG<br />

Einwendungen: 610<br />

davon 1 individuell begründet<br />

16.07.1984 Erörterung<br />

Tabelle 4: RSK-Empfehlung<br />

11.11.1981 170. RSK-Sitzung<br />

Empfehlung zu Standort und Konzept<br />

21.10.1987 226. RSK-Sitzung<br />

Empfehlung zu Inbetriebnahme und Betrieb<br />

Tabelle 5: (BMI) BMU-Weisungen<br />

12.02.1982 Standort, Konzept, 1. TG<br />

30.06.1982 Ergänzung<br />

21.03.1988 Inbetriebnahme und Betrieb<br />

78


Tabelle 6: Beteiligte Behörden<br />

(BMI) BMU<br />

Wasser- und Schifffahrtsdirektion West, Münster<br />

Bundesbahndirektion Hannover<br />

Oberpostdirektion Bremen<br />

Wehrbereichsverwaltung II, Hannover<br />

DWD, Offenbach<br />

NRW (MAGS) MWMT<br />

Nds. MI Innenminister von Niedersachsen<br />

Nds. MWV Minister für Wirtschaft und Verkehr von Niedersachsen<br />

Nds. MELF Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />

Bezirksregierung Weser-Ems, Oldenburg<br />

Nds. Landesverwaltungsamt, Hannover<br />

Nds. Landesamt für Bodenforschung, Hannover<br />

Nds. Wasseruntersuchungsamt, Hildesheim<br />

GAA Osnabrück (Gewerbeaufsichtsamt)<br />

Wasserwirtschaftsamt Meppen<br />

Staatliches Forstamt Lingen<br />

Wasser- und Schifffahrtsamt Meppen<br />

Veterinäruntersuchungsamt Hannover<br />

Landkreis Emsland, Meppen<br />

Landkreis Grafschaft-Bentheim, Nordhorn<br />

Landkreis Osnabrück, Osnabrück<br />

Stadt Lingen (Ems)<br />

Straßenbauamt Lingen<br />

Landwirtschaftskammer Weser-Ems (Oldenburg)<br />

Handwerkskammer Osnabrück<br />

Industrie- und Handelskammer Osnabrück<br />

Vereinigung des Emsländischen Landvolkes e.V.<br />

Kreisverein Lingen<br />

Anlage 2: Kernkraftwerk Emsland (KKE)<br />

Niederländisch-Deutsche Kommission für grenznahe kerntechnische Einrichtungen<br />

79

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