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Lange lebte er in der Erinnerung der Leute

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Von d<strong>er</strong> Buchb<strong>in</strong>d<strong>er</strong>ei angetan<br />

ANFANG d<strong>er</strong> dreißig<strong>er</strong> Jahre zog e<strong>in</strong>e Familie Dills <strong>in</strong>s Haus; sie gehörte auch d<strong>er</strong><br />

freikirchlichen Geme<strong>in</strong>de an. Pet<strong>er</strong> Dills war gel<strong>er</strong>nt<strong>er</strong> Buchb<strong>in</strong>d<strong>er</strong> und hatte <strong>in</strong> Neuwied<br />

das Geschäft und die W<strong>er</strong>kstatt. Jeden Morgen fuhr <strong>er</strong> mit se<strong>in</strong>em Ford-Kastenwagen <strong>in</strong> die<br />

Kreisstadt. Er betrieb gleichzeitig e<strong>in</strong> Fahrunt<strong>er</strong>nehmen‘(<strong>in</strong> dem Kastenwagen waren Bänke<br />

aufgestellt, die d<strong>er</strong> P<strong>er</strong>sonenbeförd<strong>er</strong>ung dienten). Männ<strong>er</strong> aus me<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Dorf und<br />

aus Nachbardörf<strong>er</strong>n benutzten dieses Beförd<strong>er</strong>ungsmittel, um sich zur Arbeit <strong>in</strong> die<br />

Kreisstadt od<strong>er</strong> zum “Rasselste<strong>in</strong>“ (Blechwalzw<strong>er</strong>k) br<strong>in</strong>gen zu lassen.<br />

Als Gymnasiast -<strong>in</strong> den Schulf<strong>er</strong>ien - fuhr ich des Öft<strong>er</strong>en mit ihm nach Neuwied. D<strong>er</strong><br />

große Wagen mit dem kle<strong>in</strong>en Motorgehäuse stand <strong>in</strong> uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Scheune, und morgens <strong>in</strong><br />

all<strong>er</strong> Frühe entließ die zweckentfremdete Scheune das Gefährt.<br />

In se<strong>in</strong><strong>er</strong> W<strong>er</strong>kstatt sah ich dem Buchb<strong>in</strong>d<strong>er</strong> g<strong>er</strong>n bei d<strong>er</strong> Arbeit zu, wie <strong>er</strong> mit<br />

künstl<strong>er</strong>ischem Geschick und Talent Buchrücken beschriftete, Blattgold v<strong>er</strong>arbeitete, die<br />

Prägepresse bediente, mit d<strong>er</strong> Pappsch<strong>er</strong>e hanti<strong>er</strong>te und Rückenleimungen sowie Heftungen<br />

und Ausbess<strong>er</strong>ungen an Büch<strong>er</strong>n, Heften und Broschüren vornahm. Von se<strong>in</strong><strong>er</strong> Tätigkeit<br />

war ich noch mehr fasz<strong>in</strong>i<strong>er</strong>t als von d<strong>er</strong> des Wagn<strong>er</strong>meist<strong>er</strong>s <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Dorf.<br />

Auch hi<strong>er</strong> fiel für mich so e<strong>in</strong>iges ab, was beim Buchb<strong>in</strong>den übrig blieb: Pappe, Goldpapi<strong>er</strong>,<br />

Led<strong>er</strong>- und Le<strong>in</strong>enreste. E<strong>in</strong>mal blieb ich üb<strong>er</strong> Nacht <strong>in</strong> d<strong>er</strong> W<strong>er</strong>kstatt natürlich mit<br />

E<strong>in</strong>v<strong>er</strong>ständnis d<strong>er</strong> Me<strong>in</strong>en) und machte mir auf dem harten Arbeitstisch e<strong>in</strong> Lag<strong>er</strong> zum<br />

Schlafen zurecht.<br />

D<strong>er</strong> Grund: In d<strong>er</strong> Z<strong>in</strong>zendorf-Schule d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>rnhut<strong>er</strong> Brüd<strong>er</strong>geme<strong>in</strong>e fand e<strong>in</strong>e Hochzeit<br />

statt. Die Braut war e<strong>in</strong>e Kus<strong>in</strong>e zweiten Grades von mir, und me<strong>in</strong>e kurzfristig getroffene<br />

Entscheidung, an d<strong>er</strong> Festlichkeit teilzunehmen, <strong>er</strong>schw<strong>er</strong>te die B<strong>er</strong>eitstellung e<strong>in</strong>es<br />

Quarti<strong>er</strong>s.<br />

E<strong>in</strong> gew<strong>er</strong>blich<strong>er</strong> Betrieb im Wirtschaftsgebäude<br />

IN den dreißig<strong>er</strong> Jahren etabli<strong>er</strong>te sich e<strong>in</strong>e Rasi<strong>er</strong>kl<strong>in</strong>gen-Schleif<strong>er</strong>ei <strong>in</strong> uns<strong>er</strong>em<br />

Wirtschaftsgebäude. Im Stall, <strong>in</strong> dem schon seit vielen Jahren ke<strong>in</strong> Vieh mehr<br />

unt<strong>er</strong>gebracht war (an se<strong>in</strong>e früh<strong>er</strong>e Funktion <strong>er</strong><strong>in</strong>n<strong>er</strong>ten nur noch die Futt<strong>er</strong>krippen),<br />

wurden Arbeitsplätze für die Familienmitglied<strong>er</strong> des Unt<strong>er</strong>nehm<strong>er</strong>s sowie für die<br />

e<strong>in</strong>heimischen Arbeit<strong>er</strong> geschaffen. Spät<strong>er</strong> zog d<strong>er</strong> Karl Furtmann, so hieß d<strong>er</strong> Eigentüm<strong>er</strong><br />

des kle<strong>in</strong>en Betriebes, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neu <strong>er</strong>richtetes W<strong>er</strong>kstattgebäude um.<br />

E<strong>in</strong>käufe im Dorf<br />

GROßMUTTER musste nun schon viele Jahre ihre Lebensmittel im Dorf e<strong>in</strong>kaufen.<br />

Wenn wir K<strong>in</strong>d<strong>er</strong> da waren, halfen wir ihr natürlich, so gut es g<strong>in</strong>g, beim E<strong>in</strong>kaufen. Nach<br />

dem Mittagessen zog ich mit d<strong>er</strong> weißen Emaillekanne zu “Fritz-Henrichs“, um Milch zu<br />

holen. Manchmal musste ich im Stall warten, weil noch gemolken wurde. Wenn ich <strong>in</strong> d<strong>er</strong><br />

Küche auf die Milch wartete, saß ich d<strong>er</strong> alten Oma gegenüb<strong>er</strong>, die auf dem Kopf e<strong>in</strong><br />

Spitzenhäubchen trug.<br />

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