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16<br />
pferdetherapie ewu info<br />
Serie: Therapien für Pferde (Teil 10)<br />
Gegen jedes Zipperlein<br />
ist ein Kraut gewachsen<br />
Die Kräutermedizin ist eine der ältesten Heilmethoden überhaupt. Gerade beim<br />
Pferd als Pfl anzenfresser ist diese Therapieform recht erfolgreich und praktisch<br />
anzuwenden. Zudem bietet die Phytotherapie viele Varianten von Zubereitungen<br />
und Verabreichungsmöglichkeiten, dass sich die Pfl anzenheilkunde gerade im<br />
Pferdebereich als eine sehr erfolgreiche Zusatztherapie etabliert hat.<br />
Es ist bekannt, dass schon in prähistorischer Zeit<br />
Pfl anzen als Heilmittel verwendet wurden. In<br />
den Ruinen von Nippur in Mesopotamien fand<br />
man Tontafeln der Sumerer, auf denen die Anwendung<br />
von Heilpfl anzen geritzt waren. Diese<br />
ersten schriftlichen Zeugnisse der Pfl anzenheilkunde<br />
stammen aus dem dritten Jahrtausend<br />
vor Christus. Bis in die heutige Zeit hat sich<br />
die Phytotherapie weiterentwickelt. Neben der<br />
Verabreichung von Kräutern in Reinform oder<br />
als Tee werden heutzutage auch sogenannte<br />
Phytopharmaka hergestellt. Diese Arzneimittel<br />
haben eine große therapeutische Wirkungsbreite<br />
und sind oft nebenwirkungsärmer als synthetisch<br />
hergestellte Arzneimittel.<br />
Alle Arzneimittel, die wir aus der Medizin kennen,<br />
haben ihren Ursprung in der Pfl anzenmedizin.<br />
So ist das bekannte Mittel Aspirin<br />
ursprünglich aus der Weidenrinde entstanden.<br />
Weidenrinde – so auch das Aspirin – hilft vor<br />
allem gegen Kopf- und Gliederschmerzen.<br />
Kräuter – ein Teil der<br />
ganzheitlichen Behandlung<br />
Bei der Phytotherapie handelt es sich um die<br />
Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten<br />
und Befi ndlichkeitsstörungen durch Pfl anzen,<br />
Pfl anzenteile und deren Zubereitungen. Dabei<br />
kommen nicht nur ungiftige, sondern als giftig<br />
geltende Pfl anzen zur Anwendung. Schon Paracelsus<br />
jedoch erkannte, dass die entsprechende<br />
Menge einer Substanz erst zu einem Gift<br />
wird: „Die Dosis macht das Gift“ ist ein vielzitierter,<br />
treffender Ausspruch.<br />
Hauptsächlich in den fernöstlichen traditionellen<br />
Medizinformen wird die Phytotherapie als<br />
Brennnessel<br />
Teil einer ganzheitlichen Krankheitsbehandlung<br />
angesehen. Die Kräutermedizin ist stark ursachen-<br />
und konstitutionsbezogen, das bedeutet,<br />
dass sie individuell auf den jeweiligen Patienten<br />
ausgerichtet sein muss. Der Behandler muss<br />
demnach viel Erfahrung mitbringen, um die<br />
richtigen Pfl anzen und deren Zubereitungen zu<br />
wählen.<br />
Mit dem Aufkommen der Antibiotikatherapie<br />
verlor die Kräutermedizin in Europa an Bedeutung.<br />
Doch durch die enormen Nebenwirkungen<br />
von chemisch hergestellten Arzneimitteln<br />
erleben die naturheilkundlichen Therapien eine<br />
Wiederbelebung – sowohl in der Human- als<br />
auch in der Tiermedizin.<br />
Rotölherstellung aus Johanniskraut<br />
Damit stehen heute zur Therapie neben den<br />
synthetischen Arzneimitteln drei Hauptpräparateformen<br />
aus Pfl anzen zur Verfügung: 1. die<br />
Rohdroge, 2. daraus hergestellte Mono- bzw.<br />
Poly-Extraktpräparate und 3. isolierte Reinstoffe.<br />
Alle drei Präparateformen fasst man mit dem<br />
Begriff Phytotherapeutika oder Phytopharmaka<br />
zusammen.<br />
Die Phytotherapie gehört zu den Naturheilverfahren,<br />
ist aber keine „Alternative Medizin“,<br />
sondern ein Teil der heutigen naturwissenschaftlich<br />
orientierten Medizin. Zu den Hauptindikationen<br />
gehören Befi ndlichkeitsstörungen, für<br />
die alleinige Therapie leichte bis mittelschwere<br />
Erkrankungen und ganz besonders die weitgehend<br />
chemotherapieresistenten chronischen<br />
Erkrankungen wie Allergien, Arthrose und Ekzeme.<br />
Angewendet wird die Phytotherapie aber<br />
WESTERNREITER – September – Mai 2007 2008<br />
Johanniskraut<br />
auch bei degenerativen Krankheitsbildern und<br />
geriatrische Erkrankungen, zur Prophylaxe von<br />
Infektions-, degenerativen und Stoffwechselerkrankungen<br />
sowie zur Nachbehandlung und in<br />
der Rekonvaleszenz. Die Wirkungen von Phytopharmaka<br />
sind auch experimentell und klinisch<br />
gut belegt.<br />
Ganze Pfl anze besser als<br />
einzelne Wirkstoffteile<br />
Die Heilpfl anzen werden hinsichtlich ihrer Wirkstoffe<br />
klassifi ziert. So enthalten die Pfl anzen<br />
Bitterstoffe, Gerbstoffe, Schleimstoffe, Saponine<br />
oder Scharfstoffe. Auch ätherische Öle haben<br />
als Inhaltsstoff ein großes Wirkungsspektrum.<br />
Viele weitere Wirkstoffe wie Alkaloide, Glykoside,<br />
Harze, Enzyme, Vitamine, Eiweiß und so<br />
weiter sind wichtige Bestandteile, die in ihrem<br />
exakt funktionierenden Zusammenspiel für die<br />
medizinische Wirkung einer Pfl anze ausschlaggebend<br />
sind. Die gesamte Pfl anze (Droge) wirkt<br />
immer besser als nur Teile davon.<br />
Pfl anzen mit überwiegendem Bitterstoffanteil<br />
wirken refl ektorisch über den Zungengrund auf<br />
die Organe des Verdauungstraktes – den Magen,<br />
den Darm, die Leber und Bauchspeicheldrüse<br />
– regulierend und regen die Bildung und<br />
Ausschüttung der verdauungsfördernden Säfte<br />
an. Für die Aufschlüsselung der Nahrungsinformationen<br />
sind die in den Bitterstoffpfl anzen<br />
enthaltenen Enzyme unerlässlich. Deshalb wirken<br />
Bitterstoffe appetitanregend, verdauungsfördernd<br />
und -regulierend.<br />
In einem Futter für Pfl anzenfresser wie das Pferd<br />
sollten deshalb viele bitterstoffhaltige Pfl anzen<br />
vertreten sein. Gezielt werden sie eingesetzt bei<br />
Appetitmangel, bei fütterungsbedingten Verdauungsstörungen,<br />
die oft mit Blähungen oder<br />
Verstopfung verbunden sind, aber auch bei<br />
Leber- oder Bauchspeicheldrüsen-Insuffi zienzen.<br />
Bitterstoffpfl anzen kann man Pferden am besten<br />
über Kräutermischungen oder Extrakte verabreichen.<br />
Sie sollten vor der Kraftfuttergabe<br />
gefüttert werden. Besonders viele Bitterstoffe<br />
enthalten beispielsweise Wermut, Spitzwegerich,<br />
Löwenzahn, Hufl attich, Salbei, Schafgarbe,<br />
Tausendgüldenkraut, Enzian und Kalmus.