4 - Kulturnews
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Mai 2010 // Nr. 235 // kulturnews.de<br />
buch //<br />
„Zehn Tipps, das Morden<br />
zu beenden und<br />
mit dem Abwasch<br />
zu beginnen“<br />
von Hallgrímur Helgason<br />
kino //<br />
„Baarìa“<br />
von Giuseppe<br />
Tornatore<br />
musik //<br />
Amanda<br />
Jenssen<br />
David<br />
Rhodes<br />
Train<br />
Lunik<br />
Marina &<br />
The Diamonds<br />
kulturnews Highlight<br />
Fertig, Los!<br />
Foto: Frank Eidel<br />
Der Takt des Herzens<br />
Toni<br />
Braxton<br />
40 Seiten magazin // platten // bücher // krimispecial // kino // dvds // tourtipps // citymag<br />
Foto: WMG
#05<br />
neu<br />
Jetzt am Kiosk!<br />
GESCHLECHTERSPIEL<br />
Die Folkschwestern CocoRosie verwandeln Stil in Statements<br />
FOALS Die Angst vorm Erfolg und die Folgen<br />
HEIDE NORD Schmerz ohne Pathos: Neue Kunst aus Leipzig<br />
NICO SEMSROTT Der (Anti-)Star des Poetry Slam<br />
FRIEDRICH VON BORRIES Architekt der Zukunft<br />
MASHUP Genial – aber leider nicht legal<br />
KÜNSTLERSTADT BERLIN Aus für das Kreativparadies
musik //<br />
6<br />
Titelstory<br />
Toni Braxton<br />
Der Takt des Herzens<br />
8 Train<br />
Wieder im Gleis<br />
10 Harper Simon<br />
Ganz der Papa<br />
12 David Rhodes<br />
300 Alben später<br />
14 Sophie Hunger<br />
Treib gut<br />
15 Fertig, Los!<br />
Stilvoll fies<br />
16 Amanda Jenssen<br />
Alte Seele<br />
18 Lunik<br />
Auf großer Suche<br />
20 Hamel<br />
Starke Schwächen<br />
21 Tok Tok Tok<br />
Universelle Gefühle<br />
22 Marina And The Diamonds<br />
Unamerikanische Träume<br />
leute //<br />
4 onstage<br />
Bacon Brothers<br />
Joe Bonamassa<br />
Amanda Seyfried<br />
Clemens Meyer<br />
Foto: Steve Double<br />
Foto: Autumn de Wilde<br />
91 Abo 98 Impressum<br />
Tickets, News und<br />
das komplette Kinoprogramm<br />
www.kulturnews.de<br />
kulturnews 5/10 // inhalt 3<br />
Foto: Sony Music<br />
live //<br />
28 Auf Tour<br />
Tipps und Interviews<br />
67 Entertainment<br />
Kabarett, Comedy + Show<br />
Programm-Magazin<br />
35 citymag<br />
Tipps und Termine<br />
aktion //<br />
79 3 Day-Of-Song-Pakete<br />
98 1 Berlin-Weekend-Package<br />
1 Platz in JACK’s Roadie Team<br />
magazin //<br />
68–79 Platten<br />
Pop, Rock + Dance<br />
Foals: „Total Life Forever“<br />
Band Of Horses: „Infinite Arms“<br />
Jazz + Classics<br />
W. Muthspiel & M. Goodrick:<br />
„Live at the Jazz Standard“<br />
80–85 Bücher<br />
Hallgrímur Helgason<br />
Lachen im Keller<br />
Krimi-Special<br />
Josh Bazell: „Schneller als der Tod“<br />
Yishai Sarid: „Limassol“<br />
Jan Seghers: „Die Akte Rosenherz“<br />
86–93 Kino<br />
„The Crazies –<br />
Fürchte deinen Nächsten“<br />
Unsere kleine Mörderstadt<br />
„Baarìa“ Es war einmal in Sizilien<br />
„Vertraute Fremde“ von S. Gabarski<br />
„The exploding Girl“ von B. R. Gray<br />
94–97 DVDs<br />
„Triangle“ von Christopher Smith<br />
Foto: Clare Shilland<br />
_<br />
premium<br />
Selbst wenn sie<br />
schläft, sieht sie<br />
schuldig aus ...<br />
Originalausgabe<br />
_ premium<br />
340 Seiten ¤ 13,90<br />
ISBN 978-3-423-24781-8<br />
Wencke Tydmers hat sich in den USA<br />
als Profilerin ausbilden lassen und<br />
arbeitet jetzt beim LKA in Hannover.<br />
Ihr erster Fall führt sie zu einem<br />
scheinbar klassischen Ehrenmord:<br />
Die Kurdin Shirin Talabani wird erwürgt<br />
aufgefunden. Gegen alle Dienstvorschriften<br />
stürzt sich Wencke in die Ermittlungen.<br />
Denn sie fühlt, dass Shirins Bruder<br />
den Mord nicht begangen hat.<br />
www.dtv.de
4 leute //<br />
Hollywood singt<br />
Bruce Willis liebt es, Kevin Costner auch, Scarlett Johansson, Charlotte<br />
Gainsbourg und Juliette Lewis sowieso, selbst Johnny Depp, Adam<br />
Sandler, Jared Leto, Zooey Deschanel und Joaquin Phoenix können<br />
nicht widerstehen, und auch Minnie Driver, Dennis Quaid oder Robert<br />
Pattinson tun es längst: nein, nicht koksen (das vielleicht auch), sondern<br />
singen. Eher selten beglücken die Hollywoodstars allerdings auch die deutschen<br />
Fans mit Album und Tour. Zu den Ausnahmen gehört Kevin Bacon<br />
(„Mystic River“, „Frost/Nixon“), der gemeinsam mit seinem Bruder Michael<br />
schon seit 1995 die Rockband Bacon Brothers betreibt. Am 21. Mai<br />
kommt ihre CD „New Year’s Day“ in den Handel, ab September marodieren<br />
sie dann durch deutsche Städte. Alle Daten unter www.baconbros.com.<br />
(mw)<br />
Die Falschmacher<br />
Die Jury des Berliner Theatertreffens tut mir leid. Alles machen die sieben Herren und<br />
Damen falsch. Auch dieses Jahr wird wieder auf sie eingeprügelt, zu wenig aus dem Osten<br />
hätten sie vom 7. bis 24. Mai eingeladen, zu wenig Frauen, zu wenig Provinz. Zu wenig avanciertes<br />
Theater, zu wenig Tradition, überhaupt könne man mit einem Festival deutschsprachigen<br />
Theaters die Internationalität der Szene nicht angemessen würdigen. Stimmt ja alles. Was<br />
uns aber nicht daran hindern soll, uns auf Stücke wie Elfriede Jelineks „Die Kontrakte des<br />
Kaufmanns“ (Schauspiel Köln/Thalia Hamburg, unsere Abbildung) zu freuen. Ehrlich. (fis)<br />
Bonamassas Klampfenmassen<br />
Wie wird man eigentlich zu einem der besten Bluesgitarristen der Welt? Anscheinend hängt<br />
das auch mit der Zahl der Gitarren zusammen, die man besitzt. Joe Bonamassa jedenfalls<br />
hat Massen davon angehäuft – doch er legte ja auch schon mit 12 los, als sein Vater ihm<br />
eine maßstabsgetreu verkleinerte Chiquita-Klampfe in die kleinen Hände drückte. Am 8.<br />
Mai wird der New Yorker Saitenstar 33, und das schönste Geschenk,<br />
das man ihm machen kann, ist mit Sicherheit – keine<br />
weitere Gitarre, sondern ein temperiertes, feuchtigkeitsreguliertes<br />
und bewachtes Lagerhaus …<br />
(mw)<br />
kulturnews 5/10<br />
Foto: Hypertension Music<br />
Foto: David Baltzer/bildbuehne.de<br />
Foto: Rick Gould
Comeback des Schmollmunds<br />
Jede Dekade hat ihre Lolitas. Die 70er: Jodie Foster und Nastassja Kinski. Die<br />
80er: Vanessa Paradis und Brooke Shields. Die 90er: Christina Applegate und<br />
Natalie Portman. Im vergangenen Jahrzehnt füllten dann Britney Spears und<br />
Mena Suvari die regelmäßig aufreißende Lücke. Und wer ist es aktuell?<br />
Amanda Seyfried – und das, obwohl die Blonde aus Pennsylvania schon 24<br />
ist. Doch ihre Rollen schwanken höchst Lolita-kompatibel zwischen Kindlichkeit<br />
und Koketterie, ihr Kullerblick erzählt von Unschuld und Verruchtheit, und<br />
Seyfrieds Schmollmund kündet von Babyspeck und Sinnlichkeit zugleich. Ihren<br />
Ruhm aus „Mamma Mia!“ nutzt sie zurzeit geschickt, um sich in den wichtigsten<br />
Genres zwischen Thriller und Schnulze unentbehrlich zu machen. In Atom<br />
Egoyans Meisterwerk „Chloe“ (seit Ende April im Kino) gibt sie mit frühreifer<br />
Perfidie eine Verführerin, die vor keinem Geschlecht und keiner Altersgruppe<br />
Halt macht, und in der Fernbeziehungsschnulze „Das Leuchten der Stille“ (Start:<br />
6. Mai) stürzt sie als Unschuld vom Lande einen Irak-GI ins größte Glück und<br />
(natürlich) die größte Krise. Das Tolle an Seyfried: Auch in den falschen Filmen<br />
macht sie alles richtig. Sie könnte eine Große werden – selbst wenn ihr das<br />
Lolitöse bald abhandenkommt und wir notgedrungen nach der nächsten Nymphe<br />
suchen müssen. (mw)<br />
Foto: Jürgen Bauer<br />
DIESES JAHR BEGINNT DER<br />
SOMMER ETWAS<br />
FRÜHER.<br />
Das Sommeralbum.<br />
HAMEL. NOBODY‘S TUNE.<br />
Ab 14.5. im Handel.<br />
Kostenloser Download zum Kennenlernen<br />
und alle Tourdaten unter: www.hamelmusic.de<br />
Foto: Kinowelt<br />
// leute 5<br />
„Ich glaube, bei Leuten, die sich<br />
bewusst einen Vollbart wachsen lassen,<br />
stimmt irgendwas nicht.“<br />
Der Autor Clemens Meyer zeigt in der Zeitschrift uMag wenig Verständnis für Menschen mit<br />
Gesichtsbehaarung. Meyers neues Buch „Gewalten. Ein Tagebuch“ ist vor kurzem bei<br />
Fischer erschienen.
6 musik // R’n‘B<br />
kulturnews 5/10<br />
Foto: WMG<br />
Toni Braxton<br />
Der Takt des Herzens<br />
R’n’B-Star Toni Braxton muss mal was klarstellen –<br />
zum Beispiel warum Diven toll sind, sie ihre Karriere doch nicht<br />
hingeschmissen hat und am liebsten ihre eigene Realityshow schwänzt.<br />
kulturnews: Ehrlich gesagt, Ms Braxton, habe ich mir bisher ein völlig falsches Bild von<br />
Ihnen gemacht.<br />
Toni Braxton: Was haben Sie denn erwartet?<br />
kulturnews: Eine Diva – und keine nette, total normale Person.<br />
Braxton: Ich verrate Ihnen was: Ich gehöre zu den wenigen Leuten, die den Begriff Diva<br />
durchaus als Kompliment empfinden. Weil ich da keine arrogante Zicke vor Augen habe,<br />
sondern eine selbstbewusste Frau, die ganz genau weiß, was sie will. Wer keinen Kampfgeist<br />
hat, der wird auf Dauer nicht im Musikgeschäft überleben.<br />
kulturnews: Finden Sie nicht, dass zum Beispiel jemand wie Mariah Carey da oft übers<br />
Ziel hinausschießt?<br />
Braxton: Nun, eine Frau muss manchmal ein Stück weit bitch sein, um in einer Männerdomäne<br />
den nötigen Respekt zu kriegen. Aber das darf selbstverständlich kein Dauerzustand<br />
werden.<br />
kulturnews: Trotzdem frage ich mich: Wo sind die Grenzen? Seine gesamte Umgebung zu<br />
terrorisieren ist ja wohl übertrieben, oder?<br />
Braxton: Ach, wissen Sie, als Frau drückt man Ihnen schnell den Stempel „launisch“ auf, bloß<br />
weil Sie sich über irgendwas aufregen. Gibt ein Mann dagegen contra, dann heißt es: Supertyp,<br />
der steht wenigstens zu seiner Meinung. Das ist doch nicht fair!<br />
kulturnews: Hat man Sie denn ständig bevormundet, als Sie Ihre jüngste CD aufgenommen haben?<br />
Braxton: Gott sei Dank nicht. Dass ich keine Newcomerin bin, hat die Sache natürlich enorm erleichtert.<br />
Als gestandene Sängerin werde ich ernst genommen. Überhaupt musste ich mich kein bisschen verbiegen,<br />
um den Vorstellungen meiner Plattenfirma zu entsprechen.<br />
kulturnews: Dennoch kann sich Ihre erste Single „Yesterday“ bisher nicht mit dem Erfolg Ihres Hits „Unbreak<br />
my Heart“ messen.<br />
Braxton: So war das auch gar nicht gedacht. Ich sehe das Lied eher als eine Art Intro, nach dem<br />
Motto: Hey, hier bin ich wieder! Abgesehen davon glaube ich ganz fest an mein Comeback. Das 21.<br />
Jahrhundert gehört nämlich den Diven: Whitney Houston ist zurückgekehrt, Mariah Carey und Mary<br />
J. Blige sind immer noch im Geschäft – jetzt füge ich mich in diese Riege ein.<br />
kulturnews: Ist das ein lang gehegter Wunsch?<br />
Braxton: Nicht unbedingt. Eigentlich wollte ich ja in den Ruhestand gehen.<br />
kulturnews: Sie scherzen!<br />
Braxton: Nein, ernsthaft. Es gab viele Gründe, die dafür gesprochen haben. Zuallererst wurde<br />
bei meinem jüngsten Sohn Diesel Autismus diagnostiziert. Dann bekam ich Herzprobleme.<br />
Meine Krankheit hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Ich traute mich gar nicht mehr, das<br />
Haus zu verlassen, weil ich Angst hatte, diese schlimmen Schmerzen könnten jederzeit wiederkommen.<br />
kulturnews: Wie haben Sie Ihre Panikattacken überwunden?<br />
Braxton: Während meiner Kur lernte ich eine ältere Frau kennen. Obwohl sie gerade ihren<br />
vierten Herzinfarkt hinter sich hatte, war sie unglaublich dynamisch. Ich habe von ihr<br />
gelernt, dass ich einfach leben muss und mich nicht von meiner Furcht einschränken lassen<br />
darf. Jetzt bin ich wieder im Einklang mit meinem Herzschlag – und darum heißt meine<br />
CD „Pulse“.<br />
kulturnews: Sie haben ein typisches R’n’B-Album eingespielt. Dabei müsste Ihnen doch als Pastorentochter<br />
der Gospel wesentlich näherstehen.<br />
Braxton: Jedenfalls war es unmöglich, diesen spirituellen Liedern in meiner Kindheit aus dem Weg
zu gehen … Im Ernst: Ich denke tatsächlich darüber nach, demnächst mit<br />
meinen Schwestern eine richtige Gospelplatte aufzunehmen. Dabei wollte ich<br />
als Teenager unbedingt weltliche Musik hören. Die war bei uns daheim allerdings<br />
absolut tabu. Zum Glück hatte der Fahrer meines Schulbusses immer<br />
sein Radio eingeschaltet. Durch ihn habe ich Steely Dan, Journey oder<br />
Chicago entdeckt. Das war für mich wie eine Erleuchtung.<br />
kulturnews: Und dann haben Sie gegen das Verbot Ihrer Eltern rebelliert?<br />
Braxton: Ich hörte zu Hause heimlich Radio – bis mich meine Mutter dabei<br />
erwischt hat. Das gab ziemlichen Ärger … Erst auf dem College konnte ich<br />
meinen Musikgeschmack frei entfalten. Weil meine Eltern endlich akzeptiert<br />
hatten, dass ich erwachsen war und meinen eigenen Weg gehen wollte.<br />
kulturnews: Haben Sie sich trotzdem ein bisschen von Ihrer religiösen Erziehung<br />
bewahrt?<br />
Braxton: Nun, ich bin seit Jahren nicht mehr in die Kirche gegangen. Ich hatte<br />
immer Schwierigkeiten damit, mir von jemand vorschreiben zu lassen, wie<br />
ich meinen Glauben zu leben habe. Deswegen trenne ich Religion und Spiritualität<br />
strikt voneinander. Ich bin spirituell, aber eben nicht religiös.<br />
kulturnews: Sie sind also das schwarze Schaf der Familie.<br />
Braxton: Ach was! Meine Geschwister ticken ähnlich wie ich. Und auch meine<br />
Eltern haben sich etwas von ihren Traditionen gelöst. Meine Mum wird sogar<br />
mit meinen Schwestern in der Serie „Braxton Family Values“ zu sehen sein.<br />
kulturnews: Das klingt nach einer Realityshow.<br />
Braxton: Genau. Ich selbst werde aber nur sporadisch dort auftreten, weil ich<br />
mich mit diesem Format sehr schwertue. Als ich schwanger war, hatte ich<br />
ein VH-1-Team an meiner Seite. Ich fand es fürchterlich, ständig eine Kamera<br />
in meiner Privatsphäre zu haben. Deswegen nehme ich mich jetzt ein bisschen<br />
zurück.<br />
kulturnews: Hatten Sie denn mehr Spaß daran, vor dem gesetzteren Publikum<br />
in Las Vegas aufzutreten?<br />
Braxton: Sie machen sich ein völlig falsches Bild von Vegas! Die Stadt hat ihre<br />
Rat-Pack-Zeiten längst hinter sich gelassen. Heute zieht sie gerade junge<br />
Leute an, es gibt dort tolle Einkaufsmöglichkeiten und die besten Restaurants<br />
der Welt.<br />
kulturnews: Aber ist es nicht langweilig, Abend für Abend die gleiche Show<br />
abzuspulen?<br />
Braxton: So läuft das nicht! Das Publikum ist ja immer anders, darauf muss<br />
man sehr, sehr spontan reagieren. Wenn ich gemerkt habe, dass etwas nicht<br />
ankam, habe ich mich schnell auf die Wünsche der Zuschauer umgestellt.<br />
Sonst wäre das Konzert ein totaler Reinfall geworden.<br />
Pulse erscheint am 4. Mai.<br />
R’n‘B // musik 7<br />
Interview: Dagmar Leischow<br />
kulturnews 5/10<br />
FAITHLESS<br />
THE DANCE<br />
FAITHLESS<br />
THE DANCE<br />
ALBUM OUT MAY 14<br />
Incl. the Hit Single<br />
“NOT GOING HOME”<br />
LIVE<br />
29.04 - München - Tonhalle<br />
01.05 - Köln - E Werk<br />
02.05 - Berlin - Huxley’s<br />
18.06 - Southside Festival<br />
20.06 - Hurricane Festival<br />
WWW.FAITHLESS.CO.UK<br />
WWW.PIAS.COM
8 musik // Poprock<br />
Train<br />
Wieder im Gleis<br />
Wenn Train-Sänger Patrick Monahan sich weiter so um Kopf und<br />
Kragen redet, könnte die Band auch in Deutschland das werden,<br />
was sie in den USA schon ist: ganz groß.<br />
kulturnews: Patrick, euer Album heißt „Save me, San Francisco“. Wovor soll<br />
die Stadt dich retten?<br />
Patrick Monahan: Wir haben uns 1995 in Los Angeles getroffen, Train gegründet<br />
und schnell beschlossen, dass wir nach San Francisco ziehen. Weil<br />
die Stadt nicht so überfüllt ist mit Leuten, die dasselbe wollen wie wir. Die<br />
Entscheidung war damals goldrichtig, die Stadt war stets wundervoll zu uns.<br />
Uns fiel das anfangs nicht in den Schoß mit der Musik, wir hatten echt zu<br />
kämpfen, aber es waren die Bewohner von San Francisco, die unsere Band am<br />
stärksten unterstützten. Und als wir 2001 diesen Megahit mit „Drops of Jupiter“<br />
hatten, dachten wir, wir hätten es geschafft und zogen zurück nach L. A.<br />
kulturnews: Blöder Fehler …<br />
Monahan: Genau. Mittlerweile sind wir wieder zurück, und mit diesem Album<br />
wollen wir San Francisco, dem wir so viel verdanken, unsere Referenz<br />
erweisen. Und wir bleiben nun hier, das kann ich versprechen.<br />
kulturnews: Die neuen Songs hören sich frisch an. Eine Rückkehr zur alten<br />
Form?<br />
Monahan: Sehr richtig! Wir hatten vor dieser Platte eine Pause von vier Jahren,<br />
wir mussten zu uns kommen. Wir haben viele Fehler gemacht, uns zum<br />
Beispiel nach „Drops of Jupiter“ nicht mehr um Europa gekümmert, wir waren<br />
nicht mehr bei euch auf Tour. Wir dachten, alles läuft jetzt von selbst so<br />
weiter. Tat es natürlich nicht. Also musste ein neuer Anfang her. Und neue<br />
Grundregeln.<br />
kulturnews: Welche Regeln waren das?<br />
Monahan: Entspannen. Damit aufhören, krampfhaft Hits schreiben zu wollen.<br />
Das wird nämlich nie was. Stattdessen schrieben wir fröhlich drauflos, und<br />
auf einmal hatten wir „Hey, Soul Sister“, unseren möglicherweise größten Hit<br />
aller Zeiten.<br />
kulturnews: Klingt trivial.<br />
kulturnews 5/10<br />
Monahan: Ist aber so. Jedes Mal, wenn ich probiert habe, ein Lied auf Erfolg<br />
und auf Radioeinsätze zu trimmen, ging das voll in die Hose. Was ich den<br />
Hörern nicht verübeln kann. Wie sollen die etwas ins Herz schließen, das nicht<br />
von Herzen kommt? Ich bin ein Popsänger, ich liebe Popsongs, die auf der<br />
ganzen Welt gehört werden. Aber auch Mainstreampop kann, darf und muss<br />
Klasse haben.<br />
kulturnews: In „Hey, Soul Sister“ schwärmst du von der Band Mr. Mister, die<br />
vor 25 Jahren mit „Broken Wings“ einen Welthit hatte und schon damals als<br />
uncool galt.<br />
Monahan: Ich war 16 und habe diesen Song und diese Band über alles geliebt.<br />
Train waren außerdem auch nie die coolsten Kids von nebenan.<br />
kulturnews: Hat dich das je gestört?<br />
Monahan: Eine Zeit lang haben wir uns danach gesehnt, cool und angesagt<br />
zu sein. So ein Quatsch! Heute sind wir stolz darauf, wer wir sind. Wir verrenken<br />
uns nicht mehr. Wir geben uns mit dem zufrieden, was wir haben,<br />
und sind nicht mehr neidisch auf die Trendykids. Was uns wiederum cooler<br />
macht, denke ich …<br />
kulturnews: Du bist 41. Macht dich auch das Alter ruhiger?<br />
Monahan: Ach, alt werden ist Mist, aber die Alternative ist sterben, und das will<br />
ich erst recht nicht. Nein, ich habe nicht vor, jung von dieser Welt zu verschwinden.<br />
Zum Glück erlaubt es mir mein Beruf, mich ungefähr wie 24 zu benehmen.<br />
kulturnews: Guckt man sich deine Texte näher an, dann scheinst du ein Vollblutromantiker<br />
zu sein.<br />
Monahan: Danke. Man gibt sich Mühe. Meine Frau, wie alle Frauen auf diesem<br />
Planeten, verdient einen romantischen Mann. Als Musiker und Mensch tue<br />
ich mein Bestes. Ob ich damit Erfolg habe, weiß ich nicht.<br />
kulturnews: Du bist also bereits glücklich verheiratet. An wen wendest du<br />
dich denn im Song „Marry me“?<br />
Monahan: An alle Frauen, mit denen ich nicht verheiratet bin. Wir Männer verlieben<br />
uns an jeder Straßenecke. Im Kopf überlegen wir uns dann, wie es<br />
wäre, diese Frau zu einer Tasse Kaffee einzuladen und sie nach einer Minute<br />
zu fragen, ob sie uns heiraten möchte.<br />
kulturnews: Okay, ich nehme das mit dem Vollblutromantiker zurück … Du<br />
scheinst mir eher der Tiger Woods des Softrock zu sein.<br />
Monahan: Oh nein! Der war ich mal, in einem früheren Leben. Meiner Frau<br />
Amber bin ich zu hundert Prozent treu. Kleine Fluchten in die Welt der wilden<br />
Affären erlaube ich mir höchtens noch in meiner Musik.<br />
Interview: Steffen Rüth<br />
Save me, San Francisco erscheint Ende April.<br />
Von Herzen uncool: Patrick Monahan (M.) mit Bandkollegen<br />
Foto: Mark Holthusen
»HAPPYLAND«<br />
Der Newcomer-Geheimtipp mit der Hammerstimme –<br />
Amanda Jenssen, eine alte Seele in einem jungen Körper!<br />
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10 musik // Folkpop<br />
Harper Simon<br />
Ganz der Papa<br />
Harper Simon legt sein Debütalbum in<br />
einem Alter vor, in dem andere bereits<br />
auf Oldiepartys spielen. Der Grund heißt<br />
Paul – und ist sein Vater.<br />
Harper Simon ist wütend und lässt Dampf ab.<br />
„Ich habe leider keinerlei Kontrolle darüber, was<br />
manche Journalisten für einen Dreck ablassen“,<br />
wettert er und wirkt plötzlich gar nicht mehr so<br />
entspannt, wie man es seinem Naturell nachsagt.<br />
Es ist halt immer das Gleiche: Harper Simon versucht<br />
sein Debütalbum zu thematisieren – und<br />
bekommt stets Fragen über Papa Paul serviert.<br />
„Es haben tolle Musiker mitgespielt, es war ein<br />
toller Prozess für mich. Ich weiß nur nicht, warum<br />
alle immer über meinen Vater schreiben, wo er<br />
doch für diese Platte so gut wie keine Relevanz<br />
kulturnews 5/10<br />
besitzt“, zetert Harper. Und er habe seinen Vater<br />
bitte sehr auch nicht als 12-Jähriger auf dessen<br />
„Graceland“-Tour begleitet, wie der Spiegel kürzlich<br />
aus dem Internet abschrieb.<br />
Wahr ist aber, dass der heute 38-Jährige eine<br />
interessante künstlerische Entwicklung durchlaufen<br />
hat. Nicht schnell, aber eigen. Als Spross<br />
eines der stilprägendsten Folkies der 60er verbot<br />
es sich schließlich quasi qua Geburt von selbst,<br />
die Akustische zu klampfen, geschweige auch noch<br />
dazu zu singen. Er wäre natürlich sofort als Papas<br />
Plagiat medial gesteinigt worden. Also studierte<br />
Harper Musik, statt sie zu spielen, verweigerte sich<br />
dem Folksound und hörte sich woanders um. Vornehmlich<br />
bei den Ramones, Blondie und Television.<br />
„Ich war gerade mal zwei Jahre an der Uni<br />
und mit meinen Gedanken eigentlich ganz woanders“,<br />
gesteht er. Sein Handwerkszeug hat er<br />
trotzdem mitbekommen: Harmonielehre, Gehörbildung,<br />
Notation. Gitarre hatte er ja schon als<br />
Kind gelernt, sie aber lieber nur heimlich gespielt.<br />
Jahrelang lud der Promisohn auf der winzigen<br />
Bühne des Club Largo in Los Angeles zu seiner<br />
„Harper Simon & Friends“-Show, bei der ihn an-
fangs Papas Freunde wie Benmont Tench, Gillian<br />
Welch und David Rollins unterstützten. „Ich spielte<br />
mittwochs und samstags, viele Monate lang“, erinnert<br />
sich Simon. „Der Raum war ziemlich klein,<br />
aber die Konzerte immer rappelvoll. Ich hatte drei<br />
Gäste pro Show, aber dadurch heute einen guten<br />
Draht zur Musikszene“, sagt Junior stolz. Das zeigt<br />
auch sein Debüt, für das er eine exzellente Riege<br />
hochkarätiger Studiomusiker anheuern konnte –<br />
unter der Aufsicht von Produzent Bob Johnson,<br />
der pikanterweise bereits für Simon & Garfunkels<br />
„Sound of Silence“ an den Reglern saß.<br />
Als Gast schaute Kumpel Sean Lennon vorbei.<br />
„Uns verbindet eine lange Freundschaft“, berichtet<br />
Simon. Und wittert sofort neue Kritik. „Bestimmt<br />
gibt es wieder Journalisten, die daraus ein Projekt<br />
reicher Promisöhnchen machen.“ Nun, schlimmer<br />
wäre wohl ein Duett mit Arthur James gewesen,<br />
dem Sohn von Art Garfunkel … Natürlich steht<br />
die Frage des privilegierten Slackers im Raum, der<br />
jahrelang auf Papas Kreditkarte durch die Welt<br />
reist, es sich gutgehen lässt und 38 werden muss,<br />
ehe er sein Debüt hinkriegt. Am Know-how kann<br />
es kaum gelegen haben. Schließlich erklärte der<br />
kleine Harper bereits als vierjähriger Dreikäsehoch<br />
Folkpop // musik 11<br />
mit seinem Daddy in der Sesamstraße, wie man<br />
eine Platte aufnimmt. „Es ist eine Sache, ein Album<br />
aufzunehmen“, seufzt er, „und eine andere,<br />
seinen Platz in der Musikwelt zu finden.“ Den hat<br />
er jetzt gefunden. Harper Simon steht ab sofort<br />
für verträumte, sanfte Songs zwischen Tradition<br />
und Moderne, zwischen Pop, Rootsrock und Americana-Flair.<br />
„With a steel guitar and a microphone/I<br />
hope that you will find your way“, singt er in<br />
„Shooting Star“. Ist ihm zu wünschen.<br />
Starthilfe hat er auch noch bekommen, obwohl<br />
er diesen special guest am liebsten verschwiegen<br />
hätte: Papa Paul. „Ich hätte nie vermutet, dass er<br />
ins Studio kommt, noch hätte ich ihn von mir aus<br />
darum gebeten mitzumachen“, schwört Junior.<br />
Doch ganz am Ende, beim letzten Song, lässt Harper<br />
ihn dann doch noch raus, den Sound des Seniors,<br />
in der Akustikgitarrenballade „Berkeley Girl“.<br />
Erstaunlich, wie ähnlich Harper Paul plötzlich<br />
klingt. Wenn er will.<br />
Stefan Woldach<br />
Harper Simon erscheint am 7. Mai.<br />
Foto: Autumn de Wilde<br />
kulturnews 5/10<br />
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12 musik // Artrock<br />
David Rhodes<br />
300 Alben<br />
später<br />
Der Gitarrist David Rhodes prägt seit<br />
25 Jahren den Sound von Peter Gabriel,<br />
und das schlägt sich auch in seinem<br />
brillanten Soloalbum „Bittersweet“ nieder.<br />
Auf Gabriel ist er dennoch im Moment<br />
nicht gut zu sprechen.<br />
kulturnews: David, ein Freund von mir hat deine<br />
CD gehört und gesagt: „Mann, das klingt wie das<br />
beste Peter-Gabriel-Album seit zwei Dekaden!“<br />
Ist das unvermeidlich, wenn man seit 25 Jahren<br />
für Gabriel arbeitet?<br />
David Rhodes: Sehr schmeichelhaft. Ich bin aber<br />
definitiv kein Klon, ein genauer Vergleich zwischen<br />
uns würde das sehr deutlich machen. Aber sind<br />
kulturnews 5/10<br />
wir nicht eh alle geprägt von unseren Genen und<br />
der Umgebung?<br />
kulturnews: In Wahrheit bist du wahrscheinlich<br />
heimlich verantwortlich für das ganze Peter-Gabriel-Ding.<br />
Hier ist deine Chance, dieses Riesenmissverständnis<br />
endlich aufzuklären …<br />
Rhodes: Hmm, würde ich mir das wünschen?<br />
Eher nicht. Andererseits wäre es schon schön,<br />
wenn ich mehr wäre als nur ausführendes Organ<br />
seiner Kreativität.<br />
kulturnews: Gabriel hat sein aktuelles Coveralbum<br />
„Scratch my Back“ erstmals seit einem Vierteljahrhundert<br />
ohne dich aufgenommen. Erinnerst<br />
du dich daran, wie er dir das beigebogen hat?<br />
Rhodes: Das hat alles sehr langsam angefangen,<br />
und ich war in seine Pläne eingeweiht, da gab<br />
es also nichts beizubiegen. Kurz nach Ankündigung<br />
der Tour wurde die alte Garde allerdings in<br />
einer ziemlich förmlichen Mail darüber informiert,<br />
dass unsere Dienste nicht benötigt würden. Ich<br />
empfand das als schäbig.<br />
kulturnews: Dann bin ich mal gespannt, ob ihr<br />
eure Zusammenarbeit fortsetzt … Träumt eigentlich<br />
jeder Studiomusiker davon, selbst irgendwann<br />
als Star im Rampenlicht zu stehen?<br />
Rhodes: Jeder hat mal das Gefühl, nicht genug<br />
gewürdigt zu werden. Ich weiß aber nicht, ob man<br />
das mit dem Wunsch verwechseln sollte, ein Star
zu sein. Du müsstest dein komplettes Verhalten<br />
ändern – der Letzte sein, der das Hotel verlässt,<br />
lang aufbleiben wegen Proben und Soundchecks,<br />
all so was.<br />
kulturnews: Neben deinem Gitarrenspiel für unzählige<br />
Künstler arbeitest du auch als Sänger, Produzent<br />
und Komponist. Gibt es eigentlich künstlerische<br />
Felder, vor denen du zurückschreckst?<br />
Rhodes: Man sollte niemals Angst davor haben,<br />
etwas Neues auszuprobieren. Gleichwohl gibt es<br />
für mich eine Grenze: das Improvisieren. Ich mag<br />
Jazz, habe mich aber noch nicht in der Lage<br />
gefühlt, da mitzumachen.<br />
kulturnews: Als du dein Soloalbum angingst, hast<br />
du mal erwogen, eine Art Patchwork deiner Fähigkeiten<br />
auszubreiten, die sich bisher hinter all den<br />
großen Namen verstecken mussten?<br />
Rhodes: Ich habe die Songs zwar über einen größeren<br />
Zeitraum zusammengestellt, aber es klingt<br />
nicht nach einem Patchwork. Das Album soll kein<br />
Schaufenster für meine beschränkten Fähigkeiten<br />
sein, sondern einfach nur ehrliches Singen und<br />
Gitarrieren …<br />
kulturnews: Du spielst auf fast 300 Alben. Eins davon<br />
ist Scott Walkers rätselhaftes Werk „Tilt“. Ist<br />
es eigentlich immer wichtig für einen Studiomusiker,<br />
das Ziel einer Komposition komplett zu verstehen,<br />
um seinen Part bestmöglich zu bewältigen?<br />
Artrock // musik 13<br />
Rhodes: Uff, darüber habe ich noch nie nachgedacht<br />
… Für mich ist „Tilt“ jedenfalls nicht rätselhaft.<br />
Es ist ein sehr wagemutiges Album, und ich<br />
bin glücklich, dabei gewesen zu sein. Aufregender<br />
Stoff! Scott sagt dir, welcher emotionale Grundton<br />
ihm vorschwebt, und er tut das oft sehr plastisch.<br />
Es war ein großes Vergnügen und eine Herausforderung,<br />
für ihn zu arbeiten.<br />
kulturnews: Du kommst jetzt mit sehr melodischem,<br />
softem Progrock um die Ecke, mit sehr eingängigen<br />
Songs wie „Monster Monster“ oder „Reality<br />
slips“. Was würde es dir bedeuten, wenn Peter<br />
Gabriel einen davon auf „Scratch my Back Part<br />
2“ covern würde?<br />
Rhodes: „Melodischer, softer Progrock“: mein Gott,<br />
was für eine Schublade … Nun, ich würde den<br />
Einkommensschub sicher freudig begrüßen – und<br />
ihn dann zu einem tollen Dinner einladen.<br />
Interview: Matthias Wagner<br />
Tour 1. 5. Münster, 2. 5. Köln, 3. 5. Aschaffenburg,<br />
4. 5. Stuttgart, 6. 5. Karlsruhe, 11. 5. Hamburg,<br />
13. 5. Berlin<br />
Bittersweet ist über die Website<br />
www.davidrhodes.org erhältlich.<br />
Foto: Music Matters<br />
kulturnews 5/10<br />
08.06. BERLIN / POSTBAHNHOF<br />
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25.05. Nürnberg / Löwensaal<br />
26.05. Potsdam / Waschhaus<br />
27.05. Bremen / Modernes<br />
28.05. Hannover / Capitol<br />
29.05. Leipzig / Halle 2<br />
30.05. Berlin / Astra<br />
01.06. Dortmund / FZW<br />
02.06. Linz / Posthof<br />
03.06. Augsburg /Kantine<br />
05.06. Stuttgart / LKA Longhorn<br />
06.06. Worms / Jazz + Joy Festival<br />
07.06. Köln / Live Music Hall<br />
08.06. Ulm / Ulmer Zelt<br />
07.09. Trier / Ex-Haus Open Air Bühne<br />
08.09. Offenbach/Main / Capitol<br />
09.09. K‘lautern / Kammgarn<br />
10.09. Haslach / Stadthalle<br />
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präsentiert ////////////////
14 musik // Chansonpop<br />
Sophie Hunger<br />
Treib gut<br />
Die Schweizerin Sophie Hunger hat kein Ziel – und findet trotzdem<br />
immer dorthin. Das Porträt einer Musikerin, die nicht mal weiß,<br />
was das ist.<br />
Vielleicht wird die Veränderung, die Sophie Hunger in den letzten ein, zwei<br />
Jahren durchlebt hat, am deutlichsten beim direkten Vergleich der Songtitel.<br />
Sang sie auf ihrem zweiten Album „Monday’s Ghost“ 2008 noch den „Walzer<br />
für niemand“, so stimmt sie nun den „Lovesong to everyone“ an. Umarmt<br />
die spröde Songschreiberin also jetzt die ganze Welt?<br />
„Sicher“, sagt Sophie Hunger, „bin ich nicht mehr ganz so stark in mich gekehrt.<br />
Doch je stärker und selbstbewusster ich mich nach außen richte, desto<br />
mehr fällt das auch wieder auf mich selbst zurück.“ Sie verweist auf das<br />
Covermotiv ihres neuen Albums „1983“. Darauf hält sie die Hände wie zwei<br />
Pistolen: Die rechte auf den Betrachter, die linke an die eigene Schläfe. Inspiration<br />
war das Bild „Du oder ich“, auf dem sich die österreichische Malerin<br />
Maria Lassnig als nackte alte Frau in gleicher Pose präsentiert. „Ich liebe das<br />
Bild, aber der Titel ist falsch“, behauptet sie. „Für mich bedeutet es ,Du UND<br />
ich‘. Denn wenn ich auf jemanden schieße, dann treffe ich auch mich selbst.“<br />
Wer sich mit der in Bern als Diplomatentochter geborenen und seit früher<br />
Kindheit umhergereisten Musikerin unterhält, wird nicht immer schlau aus<br />
ihren Aussagen – in dieser Hinsicht ist sich Sophie Hunger treu geblieben.<br />
Sie begreift sich selbst als wandelnden Widerspruch. „Ich habe meine Widersprüche<br />
akzeptiert“, sagt Hunger, „denn ich habe verstanden, dass ich sie nicht<br />
verhindern kann und dass sie zu mir gehören.“ Auch Musikmachen ist für<br />
diese Frau ein Rätsel. Und zwar eines, dessen Geheimnisse sie gar nicht ergründen<br />
möchte. Sie tut es einfach. Vor gut fünf Jahren nahm sie ihre erste<br />
Demokassette auf, machte sich in der kleinen Schweiz schnell einen Namen<br />
und begann live aufzutreten. Das Studium ließ sie sausen, sie schien ihre Be-<br />
kulturnews 5/10<br />
stimmung gefunden zu haben. Oder? „Ich weiß nicht, ob ich wirklich eine<br />
Musikerin bin“, sagt Hunger. „Ich weiß auch nicht, wie Songschreiben geht.<br />
Ich glaube, es wäre das Ende, wenn ich die Wegbeschreibung dorthin finden<br />
würde. In der Musik braucht man keine Regeln, man braucht nur Freiheit.“<br />
Sophie Hunger ist eine Frau, die sich treiben lässt und keine Angst dabei<br />
empfindet, wenn sie nicht weiß, wo sie landet. Ihre liebste Freizeitbeschäftigung<br />
ist anlassunabhängiges Zugfahren, während dessen sie am liebsten gar<br />
nichts macht außer aus dem Fenster zu schauen. Bei den neuen Stücken,<br />
die sie zumeist während der langen letztjährigen Tournee verfasste, hat sich<br />
Hunger stilistisch noch breiter aufgestellt. Pop, Volkslied, Folk, Jazz und Chanson<br />
sind allesamt noch vertreten auf „1983“, auch ihren vier Sprachen (Hochdeutsch,<br />
Schweizer Mundart, Englisch, Französisch) hält sie die Treue. Neu<br />
in Sophies Welt sind jedoch die Beats, das HipHoppige, etwa im Stück „Invisible“.<br />
„Zum ersten Mal habe ich ein Album selbst produziert und dabei<br />
einfach diese Lust verspürt, an den Beats herumzuschnipseln. Das hat mir<br />
Spaß gemacht.“<br />
Sie macht im Gespräch einen eher sanften Eindruck, kann aber auch<br />
fuchtig werden – noch so ein Kontrast. Als Hunger den Text ihres Liedes<br />
„Your personal Religion“ erklärt, in dem sie sich sehr über Menschen aufregt,<br />
die „nach ihren eigenen, egoistischen Regeln leben“, fliegen einem die nicht<br />
druckbaren Worte nur so um die Ohren.<br />
Dafür, dass ihre Musik vergleichsweise unkommerziell ist, hat Sophie<br />
Hunger großen Erfolg. „Monday’s Ghost“ verkaufte sich 60 000-mal, es war<br />
außer in der Schweiz vor allem in Frankreich und Deutschland erfolgreich.<br />
„1983“ stieg vor kurzem direkt auf Rang eins der Schweizer Albumcharts<br />
ein. Dass der Titel – ihr Geburtsjahr – kein Statement à la „Generation Sophie“<br />
sein soll, versteht sich von selbst. „Jeder, der 1983 geboren ist, ist typisch<br />
– und nicht typisch für 1983. Die Summe ist der Typus.“<br />
Ein typischer Sophie-Hunger-Satz.<br />
Steffen Rüth<br />
Tour 17. 5. Frankfurt, 18. 5. Leipzig, 19. 5. Hannover, 22. 5. Bremen, 23. 5. Köln,<br />
27. 5. Berlin, 28. 5. Dresden, 29. 5. Ulm, 30. 5. Ludwigsburg<br />
1983 erscheint Ende April.<br />
Foto: Indigo
Fertig, Los!<br />
Stilvoll fies<br />
Julia Viechtl, Philipp Leu und Florian Wille von Fertig, Los! spielen<br />
gewieften Deutschpop und studieren nebenbei – aber nur unter<br />
einer Bedingung.<br />
kulturnews: Florian, Philipp, warum braucht ihr eigentlich Synchronfrisuren?<br />
Florian Wille: Wir wollen, dass es auch optisch eine sinnvolle Einheit ergibt.<br />
Wenn wir da mit unseren Trainingsjacken ständen, würde vermutlich niemand<br />
solche Musik dahinter vermuten, wie wir sie machen. Wir haben auch sehr<br />
viel Wert darauf gelegt, wie unser Album aussieht, wie wir uns optisch präsentieren<br />
wollen. Nämlich mit rosa und schwarzen Dreiecken auf dem Cover<br />
und Julia ohne Nase.<br />
kulturnews: Lieder und Haare wirken inspiriert von den 80ern.<br />
Philipp Leu: Ohne Zweifel. Bei mir waren Depeche Mode sehr prägend, aber<br />
auch Devo. Wir haben auch viel mit 80er-Equipment aufgenommen.<br />
kulturnews: Euer zweites Album klingt poppiger als das drei Jahre alte Debüt<br />
„Das Herz ist ein Sammler“.<br />
Leu: Ja. Unser Stil hat sich geändert, seitdem unser Gitarrist ausgestiegen ist.<br />
Der kam eher aus der Hardrockfraktion. Seit ich selbst die ganzen Gitarren<br />
spiele, ist der Sound androgyner und feingliedriger geworden. Wir haben keinen<br />
Bock mehr gehabt auf Gibson-Gitarre mit Marshall-Verstärker. Das ist der<br />
Ultraprolosound, bei dem ich kotzen könnte. Wir haben eine komplett Marshall-<br />
und Gibson-freie Platte aufgenommen. Weil wir es gern stilvoll mögen.<br />
kulturnews: Weniger stilvoll, nämlich richtig gemein ist die Art und Weise, auf<br />
die du im Text des Titelstücks Schluss machst. Ist das wirklich so passiert, dass<br />
du dir von deiner Freundin, von der du dich trennen wolltest, Konzertkarten<br />
hast schenken lassen, mit ihr beim Konzert warst und ihr es erst danach gesagt<br />
hast?<br />
Leu: Ja, das war schon blöd … Ich steckte damals echt in der Zwickmühle<br />
zwischen Etikette und dem Drang, meinen Gefühlen aus dem Weg zu gehen.<br />
kulturnews: Ihr seid vor drei Jahren gut gestartet, habt 200 Konzerte gespielt,<br />
aber dann war es lange still um euch. Wo steht ihr?<br />
Leu: Man fängt immer wieder von vorne an, das gilt auch für größere Bands<br />
wie die Sportfreunde oder Wir Sind Helden. Man fragt sich immer wieder<br />
Dinge wie: Spielt uns das Radio oder spielt es uns nicht? Wir fühlen uns<br />
nicht etabliert.<br />
kulturnews: Kann man davon leben?<br />
Leu: Reich werden kann man nicht. Aber man kommt auf Tour nicht zum<br />
Geldausgeben. Du kriegst Essen, hast einen Kühlschrank mit Bier und am<br />
nächsten Morgen Frühstück. Das ist ein Leben, für das andere Leute Geld bezahlen<br />
würden. Oder du fliegst mal schnell für ein paar Interviews nach Berlin.<br />
Was auch cool ist. Nebenbei studieren wir aber auch noch.<br />
kulturnews: Was denn?<br />
Wille: Ich studiere Medizin. Mir macht es auch echt Spaß, mich mit meinem<br />
Studium zu beschäftigen. Natürlich hat man nicht so viel Zeit zu lernen wie<br />
die meisten anderen, aber solange mich niemand rausschmeißt, will ich das<br />
gerne weitermachen. Julia studiert Grundschullehramt mit Hauptfach Musik.<br />
Leu: Ich studiere Kunstgeschichte und beschäftige mich speziell mit Rumänien.<br />
kulturnews: Wieso ausgerechnet Rumänien?<br />
Leu: Meine Eltern sind Rumänen, sie sind unabhängig voneinander vor dem<br />
Kommunismus geflohen und haben sich in Deutschland kennengelernt. Ich<br />
bin also früh schon mit politischen Fragen konfrontiert worden. Mein Vater ist<br />
damals über die Türkei geflohen, meine Mutter musste ihre Mutter in Rumänien<br />
zurücklassen und hat sie 15 Jahre lang nicht gesehen. Du kannst dir<br />
das gar nicht vorstellen. Die dürfen ja nichts mitnehmen, was ihnen wichtig<br />
ist, denn sonst wärst du aufgefallen: Du gehst also mit dem Koffer weg und<br />
kommst nicht wieder.<br />
Wille: Unserem Manager mussten wir übrigens versprechen, dass wir mit<br />
dem Studieren aufhören, falls wir in die Top Ten kommen.<br />
Pläne für die Zukunft ist ab Mitte Mai erhältlich.<br />
Deutschpop // musik 15<br />
Auf die Plätze: Florian Wille, Julia Viechtl, Philipp Leu<br />
Foto: Frank Eidel<br />
Interview: Steffen Rüth<br />
kulturnews 5/10
16 musik // Retropop<br />
Amanda Jenssen<br />
Alte Seele<br />
Retropop aus Schweden: Amanda Jenssen (21) kann sich<br />
locker mit Duffy & Co. messen. Sie muss nur noch ein kleines<br />
Imageproblem lösen.<br />
kulturnews: Amanda, wer bei einer Castingshow antritt, hat schnell einen<br />
schlechten Ruf …<br />
Amanda Jenssen: Äh … ja. Was meine Teilnahme bei „Idol“ betrifft: Ich habe<br />
mich nicht freiwillig beworben. Ein Freund hat mich einfach angemeldet. Mir<br />
blieb also gar nichts anderes übrig, als mitzumachen.<br />
kulturnews: Du hättest auch ablehnen können.<br />
Jenssen: Hab ich aber nicht … Wäre auch ziemlich dumm gewesen, so eine<br />
Chance sausen zu lassen. Aber es stimmt: Ich hatte vorher gewisse Vorbehalte<br />
gegen diese Show. Weil ich geglaubt habe, eine Musikerin wie ich gehört<br />
da eigentlich nicht hin. Ich sehe mich nämlich in erster Linie als Songwriterin<br />
und nicht als Interpretin.<br />
kulturnews: Ich könnte mir vorstellen, dass du dich während des gesamten Wettbewerbs<br />
unwohl gefühlt hast.<br />
Jenssen: Nein. Ich habe mir ganz fest vorgenommen, keinesfalls meinen Stil<br />
aufzugeben und mir treu zu bleiben. Natürlich war das nicht immer leicht. Es<br />
gab jedes Mal ein Motto, zu dem wir aus einer Liste ein Lied aussuchen<br />
konnten. Manchmal dachte ich: Eigentlich will ich keins dieser Stücke singen.<br />
Aber für irgendwas musste ich mich ja entscheiden.<br />
kulturnews: Warum fiel deine Wahl meist auf Klassiker wie etwa Leonhard<br />
Cohens „Hallelujah“?<br />
Jenssen: Weil ich fast nur die alten Sachen höre. Edith Piaf, Johnny Cash,<br />
Cab Calloway, Billie Holiday, Tom Waits, Bob Dylan – das sind meine Helden.<br />
Sie haben mich dazu gebracht, Musikerin zu werden.<br />
kulturnews: Ich weiß nicht, ob du bei diesen Leuten mit einem zweiten Platz<br />
bei „Idols“ punkten könntest. Wie zufrieden warst du denn damit?<br />
Jenssen: Ich war stolz – sehr stolz, um genau zu sein. Dass ich so weit kommen<br />
würde, hätte ich mir nämlich nicht träumen lassen. Abgesehen davon ist<br />
für uns Schweden ein Sieg nicht das einzig Erstrebenswerte. Übertriebener<br />
Ehrgeiz ist bei uns eher untypisch, wir gehen die Dinge lieber entspannt an.<br />
kulturnews: Trotzdem hast du dein Debütalbum „Killing the Darlings“ dann<br />
recht schnell veröffentlichen müssen.<br />
Jenssen: Ja, und deshalb hatte ich leider nicht die Zeit, alle Lieder selbst zu<br />
schreiben. Aber ich habe mich schwer damit getan, fremde Songs zu interpretieren.<br />
Konsequenz: Ich wollte nur noch eigene Titel auf meinen CDs haben.<br />
Das muss meine Plattenfirma akzeptieren.<br />
kulturnews: Und? Hat sie das getan?<br />
Jenssen: Na klar! Die Leute von meinem Label haben mich bei „Happyland“<br />
einfach machen lassen. Nur für die Musik habe ich mir Unterstützung geholt:<br />
bei Pär Wiksten, dem Gitarristen der Wannadies. Etwa die Hälfte der Nummern<br />
haben wir gemeinsam komponiert.<br />
kulturnews: Deine Stücke klingen ziemlich nostalgisch, finde ich.<br />
Jenssen: Kein Wunder, ich habe mich vom Jazz der 20er- bis 40er-Jahre inspirieren<br />
lassen. Ich wollte diesen Big-Band-Sound: rau, unpoliert, nicht zu<br />
retro. Meine Musik soll durchaus einen Bezug zur Gegenwart haben, ohne<br />
dabei ihre Wurzeln zu verleugnen.<br />
kulturnews: Wie kommt es, dass dich aktuelle Trends so wenig reizen?<br />
Jenssen: Ich bin zwar erst 21, aber meine Seele ist sehr viel älter. Vielleicht<br />
haben alte Dinge deswegen einen ganz besonderen Charme für mich. Das gilt<br />
kulturnews 5/10<br />
übrigens für Musik und Mode gleichermaßen. Ich liebe es, in Vintageläden<br />
zu stöbern. Dort habe ich schon manchen Schatz entdeckt.<br />
kulturnews: Zum Beispiel das passende Outfit für einen Abend im „Happyland“<br />
…?<br />
Jenssen: Ach, das existiert doch gar nicht. Ich habe es für den Titelsong erfunden.<br />
Wobei ich ein klares Bild vor Augen hatte: einen Nachtclub aus den<br />
30ern, mit roten Samtvorhängen und Kronleuchtern. Er ist ein bisschen runtergekommen,<br />
genau wie die Gäste, die dort für ein paar Stunden vor der<br />
Realität fliehen wollen.<br />
kulturnews: Würdest du dich dort wohl fühlen?<br />
Jenssen: Auf jeden Fall. Auch wenn das nur ein Ort des temporären Glücks<br />
ist, würde er mich geradezu magisch anziehen. Vielleicht sollte ich ernsthaft<br />
darüber nachdenken, ein „Happyland“ in Stockholm zu eröffnen …<br />
Happyland ist seit Ende April auf dem Markt.<br />
Foto: Sony Music<br />
Interview: Dagmar Leischow
16 musik // Retropop<br />
Amanda Jenssen<br />
Alte Seele<br />
Retropop aus Schweden: Amanda Jenssen (21) kann sich<br />
locker mit Duffy & Co. messen. Sie muss nur noch ein kleines<br />
Imageproblem lösen.<br />
kulturnews: Amanda, wer bei einer Castingshow antritt, hat schnell einen<br />
schlechten Ruf …<br />
Amanda Jenssen: Äh … ja. Was meine Teilnahme bei „Idol“ betrifft: Ich habe<br />
mich nicht freiwillig beworben. Ein Freund hat mich einfach angemeldet. Mir<br />
blieb also gar nichts anderes übrig, als mitzumachen.<br />
kulturnews: Du hättest auch ablehnen können.<br />
Jenssen: Hab ich aber nicht … Wäre auch ziemlich dumm gewesen, so eine<br />
Chance sausen zu lassen. Aber es stimmt: Ich hatte vorher gewisse Vorbehalte<br />
gegen diese Show. Weil ich geglaubt habe, eine Musikerin wie ich gehört<br />
da eigentlich nicht hin. Ich sehe mich nämlich in erster Linie als Songwriterin<br />
und nicht als Interpretin.<br />
kulturnews: Ich könnte mir vorstellen, dass du dich während des gesamten Wettbewerbs<br />
unwohl gefühlt hast.<br />
Jenssen: Nein. Ich habe mir ganz fest vorgenommen, keinesfalls meinen Stil<br />
aufzugeben und mir treu zu bleiben. Natürlich war das nicht immer leicht. Es<br />
gab jedes Mal ein Motto, zu dem wir aus einer Liste ein Lied aussuchen<br />
konnten. Manchmal dachte ich: Eigentlich will ich keins dieser Stücke singen.<br />
Aber für irgendwas musste ich mich ja entscheiden.<br />
kulturnews: Warum fiel deine Wahl meist auf Klassiker wie etwa Leonhard<br />
Cohens „Hallelujah“?<br />
Jenssen: Weil ich fast nur die alten Sachen höre. Edith Piaf, Johnny Cash,<br />
Cab Calloway, Billie Holiday, Tom Waits, Bob Dylan – das sind meine Helden.<br />
Sie haben mich dazu gebracht, Musikerin zu werden.<br />
kulturnews: Ich weiß nicht, ob du bei diesen Leuten mit einem zweiten Platz<br />
bei „Idols“ punkten könntest. Wie zufrieden warst du denn damit?<br />
Jenssen: Ich war stolz – sehr stolz, um genau zu sein. Dass ich so weit kommen<br />
würde, hätte ich mir nämlich nicht träumen lassen. Abgesehen davon ist<br />
für uns Schweden ein Sieg nicht das einzig Erstrebenswerte. Übertriebener<br />
Ehrgeiz ist bei uns eher untypisch, wir gehen die Dinge lieber entspannt an.<br />
kulturnews: Trotzdem hast du dein Debütalbum „Killing the Darlings“ dann<br />
recht schnell veröffentlichen müssen.<br />
Jenssen: Ja, und deshalb hatte ich leider nicht die Zeit, alle Lieder selbst zu<br />
schreiben. Aber ich habe mich schwer damit getan, fremde Songs zu interpretieren.<br />
Konsequenz: Ich wollte nur noch eigene Titel auf meinen CDs haben.<br />
Das muss meine Plattenfirma akzeptieren.<br />
kulturnews: Und? Hat sie das getan?<br />
Jenssen: Na klar! Die Leute von meinem Label haben mich bei „Happyland“<br />
einfach machen lassen. Nur für die Musik habe ich mir Unterstützung geholt:<br />
bei Pär Wiksten, dem Gitarristen der Wannadies. Etwa die Hälfte der Nummern<br />
haben wir gemeinsam komponiert.<br />
kulturnews: Deine Stücke klingen ziemlich nostalgisch, finde ich.<br />
Jenssen: Kein Wunder, ich habe mich vom Jazz der 20er- bis 40er-Jahre inspirieren<br />
lassen. Ich wollte diesen Big-Band-Sound: rau, unpoliert, nicht zu<br />
retro. Meine Musik soll durchaus einen Bezug zur Gegenwart haben, ohne<br />
dabei ihre Wurzeln zu verleugnen.<br />
kulturnews: Wie kommt es, dass dich aktuelle Trends so wenig reizen?<br />
Jenssen: Ich bin zwar erst 21, aber meine Seele ist sehr viel älter. Vielleicht<br />
haben alte Dinge deswegen einen ganz besonderen Charme für mich. Das gilt<br />
kulturnews 5/10<br />
übrigens für Musik und Mode gleichermaßen. Ich liebe es, in Vintageläden<br />
zu stöbern. Dort habe ich schon manchen Schatz entdeckt.<br />
kulturnews: Zum Beispiel das passende Outfit für einen Abend im „Happyland“<br />
…?<br />
Jenssen: Ach, das existiert doch gar nicht. Ich habe es für den Titelsong erfunden.<br />
Wobei ich ein klares Bild vor Augen hatte: einen Nachtclub aus den<br />
30ern, mit roten Samtvorhängen und Kronleuchtern. Er ist ein bisschen runtergekommen,<br />
genau wie die Gäste, die dort für ein paar Stunden vor der<br />
Realität fliehen wollen.<br />
kulturnews: Würdest du dich dort wohl fühlen?<br />
Jenssen: Auf jeden Fall. Auch wenn das nur ein Ort des temporären Glücks<br />
ist, würde er mich geradezu magisch anziehen. Vielleicht sollte ich ernsthaft<br />
darüber nachdenken, ein „Happyland“ in Stockholm zu eröffnen …<br />
Happyland ist seit Ende April auf dem Markt.<br />
Foto: Sony Music<br />
Interview: Dagmar Leischow
18 musik // Rockpop<br />
Lunik<br />
Auf großer Suche<br />
Bei uns muss man immer noch dazuschreiben, dass Jaël Krebs<br />
und ihre drei Schweizer Jungs von Lunik feinsten Pop im Stile der<br />
Cardigans spielen. Doch das wird sich jetzt ändern.<br />
kulturnews: Jaël, bist du wirklich so traurig, wie du dich anhörst in vielen<br />
Liedern eures neuen Albums? Eins der Stücke heißt ja sogar „Born to be sad“.<br />
Jaël Krebs: (lacht) Den Song sollte man jedoch besser nicht wortwörtlich auf<br />
mich anwenden … Als ich den geschrieben habe, lief bei mir gerade gar<br />
nichts so, wie es sollte und ich wollte. Ich habe mich gesuhlt im Selbstmitleid.<br />
Wenn du mich heute fragst, dann glaube ich nicht, dass ich geboren bin,<br />
um traurig zu sein. Es geht mir eigentlich ganz gut. Aber als Momentaufnahme<br />
trifft „Born to be sad“ zu. Traurige Gefühle sind ja nichts, was man an die<br />
große Glocke hängt. Das geschieht eher hinter verschlossener Tür. Ich hole<br />
diese Stimmung aus dem Dunkeln und bringe sie ans Licht.<br />
kulturnews: Was war denn der Auslöser für deine Deprimiertheit?<br />
Krebs: Die große Suche. Bei mir fand das extrem zwischen 20 und 27 statt.<br />
Im Job, in der Beziehung, überall stellten sich mir die Fragen: Was will ich<br />
eigentlich hier? Wo möchte ich hin? Was erwarte ich vom Leben? In den letzten<br />
zwei, drei Jahren habe ich gemerkt, dass bei mir und auch im Freundeskreis<br />
Ruhe einkehrt. Die eine hat einen Job, die anderen haben geheiratet, man<br />
kommt so langsam an den Ort, an den man hingehört. Die Wellen sind nicht<br />
mehr so hoch. Ich genieße das.<br />
kulturnews: Du bist jetzt 29, hast auf Grundschullehramt studiert und singst<br />
seit zwölf Jahren bei Lunik. Das hört sich recht gefestigt an.<br />
Krebs: Die Selbstzweifel sind trotzdem immer wieder gekommen. Nach meinem<br />
Studium habe ich ein Jahr als Vertretungslehrerin gearbeitet, aber das ging<br />
nicht neben der Band, weil das jeweils Jobs sind, die ich nicht mit halber<br />
kulturnews 5/10<br />
Zu groß für die Schweiz: Sängerin Jaël mit ihren Kollegen von Lunik<br />
Kraft machen konnte. Dann habe ich jahrelang irgendwelche Geldjobs gemacht<br />
neben Lunik, am Existenzminimum gelebt, kaum die Miete zahlen können.<br />
Gleichzeitig aber war ich Nummer eins mit Lunik und wurde von den Leuten<br />
angehimmelt. Das war eigenartig, aber so ist das bei uns in der kleinen Schweiz.<br />
kulturnews: Mittlerweile kannst du von der Musik aber leben.<br />
Krebs: Ja, das passt ganz gut. Aber ich und wir alle in der Band spüren<br />
schon immer wieder den Drang rauszugehen. Lunik muss größer werden.<br />
Wir fühlen uns wie in einer Dose, bei der endlich mal jemand den Deckel<br />
heben und uns rauslassen muss. Manchmal ist das frustrierend.<br />
kulturnews: Du schreibst sehr viele Texte übers Zwischenmenschliche. Hast<br />
du auch liebestechnisch zu dir gefunden?<br />
Krebs: Ja, ich hoffe … Seit anderthalb Jahren sind mein Freund und ich wieder<br />
zusammen, inklusive gemeinsamer Wohnung. Ich bin froh, dass wir<br />
unserer Liebe noch eine zweite Chance gegeben haben.<br />
kulturnews: Und um welche Gefühle geht es in „Everything means nothing“?<br />
Krebs: Den Song habe ich nach einem anstrengenden Tag im Zug geschrieben.<br />
Zürich–Bern, 56 Minuten. Ich fahre das andauernd, weil ich in Bern<br />
lebe, aber oft in Zürich zu tun habe. In dem Stück geht es – wie in meinem<br />
Leben – um die sehr notwendige Entschleunigung. Man will ja immer alles<br />
noch irgendwie hinkriegen, alles reinquetschen, auf nichts verzichten. Ich<br />
hatte durch den Stress schlimme körperliche Effekte – vor allem ein so heftiges<br />
Asthma, dass mir eine Rippe gebrochen ist und ich eines Nachts dachte,<br />
ich müsste ersticken.<br />
kulturnews: Ich habe gelesen, dass du eine ziemlich wilde Jugend hattest.<br />
Kann man sich gar nicht vorstellen.<br />
Krebs: Ich war immer das Brävchen, das aufgepasst hat, dass meine Freunde<br />
nicht total abstürzten. Mit 14 kam der Moment, als ich mit meinem großen<br />
Bruder mitgehen durfte. Meine Eltern meinten, der passt auf mich auf. Ja –<br />
so lernte ich Kiffen und Kotzen kennen. Im Moment bin ich wieder auf dem<br />
Gesundheitstrip. Rauchen geht wegen des Asthmas sowieso nicht, aber ich<br />
trinke auch keinen Alkohol mehr, laufe fast jeden Morgen und ernähre mich<br />
vegan. Die Entscheidung für die Musik bedeutet gleichzeitig eine Entscheidung<br />
gegen das wilde Rockerleben.<br />
Interview: Steffen Rüth<br />
Small Lights in the Dark ist Anfang Mai erhältlich.<br />
Foto: Steve Double
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20 musik // Popjazz<br />
Hamel<br />
Starke<br />
Schwächen<br />
Triste Vergangenheit, glänzende Zukunft?<br />
Mit eigenen Songs will sich das holländische Landei<br />
Wouter Hamel in die Liga von Jamie Cullum<br />
hochsingen.<br />
kulturnews: Wouter, es heißt, am Konservatorium solltest<br />
du zum nächsten Sinatra aufgebaut werden …<br />
Wouter Hamel: Ganz so war das nicht. Als ich mein<br />
Studium begonnen habe, da hatte ich eine ziemlich<br />
dünne Stimme. Mein erster Lehrer wollte, dass ich kräftiger<br />
singe. Darum gab er mir einige Sinatra-Kassetten.<br />
Sie haben mir tatsächlich geholfen, einen männlicheren<br />
Klang zu entwickeln.<br />
kulturnews: Trotzdem hast du dich auf deinem Album<br />
nicht an die Standards rangetraut.<br />
Hamel: Wenn man ein Faible für Jazz hat, ist es fast<br />
unmöglich, den Klassikern aus dem Weg zu gehen. Also<br />
hatte ich anfangs sehr viel von Horace Silver im Repertoire.<br />
Oder von Nina Simone. Bis mir klar geworden ist:<br />
Ich kann nur mit meinen eigenen Liedern ein richtig guter<br />
Musiker werden.<br />
kulturnews: Warum das denn?<br />
Hamel: Na ja, bei diesen Nummern aus dem American<br />
Songbook hatte ich ständig das Gefühl, einer unter vielen<br />
zu sein. Sicher kann Michael Bublé mit seiner tollen<br />
Stimme aus diesen alten Sachen etwas wirklich Einzigartiges<br />
machen. Leider habe ich diese Gabe nicht.<br />
kulturnews 5/10<br />
Darum singe ich lieber etwas völlig Neues.<br />
kulturnews: Dass jemand eine Schwäche eingesteht, ist<br />
eher ungewöhnlich.<br />
Hamel: Wieso? Was kann einem Besseres passieren, als<br />
sich auf verschiedenen Gebieten auszuprobieren? Dabei<br />
greift man eben auch mal daneben. Zum Beispiel<br />
haben mir meine zwei Semester Journalismus überhaupt<br />
nichts gebracht. Immer nur Nachrichten schreiben,<br />
das hat mich tödlich gelangweilt.<br />
kulturnews: Weshalb hattest du dich überhaupt für dieses<br />
Fach eingeschrieben?<br />
Hamel: Weil ich total fasziniert von den Zeitschriften<br />
Interview oder Vanity Fair war. Ich habe ja auf dem Land<br />
gewohnt, deshalb waren diese Magazine mein Tor zur<br />
Welt. Das Leben in der Großstadt schien mir so viel aufregender<br />
als mein eigenes tristes Dasein, wenn ich<br />
diese witzig-ironischen Artikel las.<br />
kulturnews: Mit anderen Worten: Du warst ein völlig frustrierter<br />
Teenager …<br />
Hamel: Jein. Daheim habe ich nur in meinem Zimmer<br />
gehockt und Radiohead gehört. Das war ziemlich deprimierend.<br />
Andererseits: In der Schule stürzte ich mich<br />
mit jugendlichem Enthusiasmus in diverse Aktivitäten.<br />
Ich habe in einer Band gespielt, bei der Schülerzeitung<br />
mitgemacht und so weiter. Eigentlich war mir jedes<br />
Projekt recht, das mich davon abgehalten hat, nach<br />
Hause radeln zu müssen.<br />
Interview: Dagmar Leischow<br />
kulturnews präsentiert<br />
Tour 14. 7. Jena, 15. 7. Kassel, 1. 9. Braunschweig<br />
(weitere Termine in Planung für November)<br />
Nobody’s Tune erscheint Anfang Mai.<br />
Rezension auf Seite 78<br />
Foto: Kai Z Feng
Tok Tok Tok<br />
Universelle<br />
Gefühle<br />
Morten Klein hatte das Rote Album, Tokunbo<br />
Akinro das Blaue – und beide schon lange den<br />
Plan, mit ihrer Band Tok Tok Tok Beatles-Cover<br />
aufzunehmen. Braucht das die Welt? Klar!<br />
kulturnews: Coversongs habt ihr schon in der Frühzeit<br />
eurer Band gespielt. Weshalb jetzt die Beatles?<br />
Morten Klein: Wir machen keine Beatles-Platte, weil unsere<br />
Ideen für eigene Stücke erschöpft wären. Die Lieder<br />
begleiten uns einfach schon lange, viel länger, als es die<br />
Band gibt.<br />
Tokunbo Akinro: Das ist ja so spannend: Da lernt man<br />
sich viele Jahre später kennen und entdeckt dann immer<br />
mehr gemeinsame Vorbilder. Und die perfekte Verschmelzung<br />
von Melodie und Text bei den Beatles und<br />
die Vielseitigkeit der Stile haben uns beide schon immer<br />
inspiriert.<br />
kulturnews: Dies ist also ein ebenso persönliches Album<br />
wie eure Platten mit eigenen Stücken?<br />
Akinro: Das Interessante ist ja: Wenn man eine bestimmte<br />
Musik sehr früh kennen gelernt hat und sie mit einer<br />
bestimmten Lebensphase verbindet, dann geht das so<br />
richtig rein. Wenn man die Songs wieder hört, findet da<br />
emotional etwas anderes statt, als wenn ich heute etwas<br />
Neues entdecke.<br />
Klein: Stimmt. Bei den Beatles schwingt immer die Kindheit<br />
mit.<br />
Popjazz // musik 21<br />
The Fab Two: Morten Klein und Tokunbo Akinro auf den Spuren der Beatles<br />
Akinro: Als ich Lennons „Help!“ als Teenager hörte, dachte<br />
ich, dass der mein Leben beschreibt, die Zerrissenheit,<br />
die ich damals gefühlt habe.<br />
kulturnews: Obwohl der kulturelle Hintergrund der katholischen<br />
Jungs aus Liverpool ja kaum unterschiedlicher<br />
sein könnte …<br />
Akinro: Das Gefühl ist universell, und deswegen hat ihre<br />
Musik auch so eine Tragweite, weil die Identifikation so<br />
stark ist.<br />
kulturnews: Jeder verbindet mit diesen Liedern etwas. Ist<br />
es da nicht eine besonders große Herausforderung, mit<br />
einer eigenen Interpretation zu kommen?<br />
Klein: Ja, du kannst nicht einfach aufkreuzen und sagen:<br />
So, jetzt machen wir mal ein Beatles-Album, das ist eine<br />
total neue Superidee. Auf der anderen Seite hat uns das<br />
schon lange vorgeschwebt. Dem stand im Wege, dass wir<br />
erst einmal unsere eigenen Sachen machen wollten, aber<br />
jetzt, zum 50-jährigen Beatles-Jubiläum, haben wir uns<br />
gesagt, jetzt setzen wir es endlich um. Ja, und dann steht<br />
man da …<br />
Akinro: Wir wollten, dass die Songs die Songs bleiben. Die<br />
Quintessenz sollte Bestand haben.<br />
Klein: Das hat natürlich von Stück zu Stück ganz unterschiedliche<br />
Formen angenommen, aber es musste eben<br />
auch zu uns passen. Wir könnten nun schlecht Beatmusik<br />
machen. Und weil die Beatles am Anfang ja eine reine<br />
Gitarrenband waren, haben wir ganz klar gesagt: Gitarre<br />
findet auf dieser Platte einfach nicht statt.<br />
kulturnews: Manche Stücke habt ihr auf diese Weise radikal<br />
verändert.<br />
Klein: Das alles genau wie die Beatles zu spielen, hätte<br />
sicher auch Spaß gemacht, aber uns war schon klar: Das<br />
braucht die Welt jetzt gar nicht …<br />
Revolution 69 ist Anfang Mai im Handel.<br />
Foto: BHM Music<br />
Interview: Rolf von der Reith<br />
kulturnews 5/10
22 musik // Dramapop<br />
kulturnews 5/10<br />
Fotos: Clare Shilland
Marina And The Diamonds<br />
Unamerikanische Träume<br />
„Hollywood“ ist großer Pop – und Marinas erster großer Hit. Wer<br />
deswegen aber denkt, die 24-jährige Waliserin mit der außergewöhnlichen<br />
Stimme sei bloß die nächste Mainstreamnudel, täuscht<br />
sich gewaltig.<br />
kulturnews: Marina, gerade ist dein Debütalbum fertig geworden, nachdem<br />
du vor über zwei Jahren die ersten Demos in Eigenregie aufgenommen hast.<br />
Bist du erleichtert, dass das geschafft ist?<br />
Marina: Nee. Jetzt ist das Album zwar fertig, und die Leute können es sich<br />
anhören – aber ich weiß, dass ich nicht in der Lage bin aufzuhören, mir den<br />
Hintern abzuarbeiten, bis die Sache auch ein Erfolg geworden ist. Schließlich<br />
wissen die meisten Menschen doch noch nicht mal, dass ich existiere.<br />
Eigentlich fängt jetzt alles erst richtig an. Und: Ich bin bereit dafür! Ich freue<br />
mich drauf.<br />
kulturnews: Du bist auch in den vergangenen Jahren schon aufgetreten, doch<br />
jetzt kann man Vergleiche ziehen – und feststellen, dass die Platte im Gegensatz<br />
zu deinen Live-Gigs verdammt poppig geworden ist. Hast du keine Angst,<br />
dass die alten Fans abspringen? Und die neuen beim Konzert ratlos dastehen?<br />
Marina: Nein. Überhaupt nicht! Ich mag beides, und es wird den Leuten<br />
schon gefallen, mich auch mal allein am Piano zu sehen. Bei den akustischen<br />
Live-Versionen kann ich meine Stimme viel stärker einsetzen.<br />
kulturnews: Und einfach ganz auf die runtergekochteren Versionen zu setzen,<br />
auch auf der Platte, war keine Option?<br />
Marina: Also, wenn ich Pop nicht mögen würde, hätte ich das Album ja ganz<br />
bestimmt nicht so produziert! Ich stehe einfach auf ein bisschen Drama. Ich<br />
mag akustische Versionen, und wenn ich komponiere, bin ich ganz allein mit<br />
meinem Klavier. Also wird diese Seite an mir immer wieder durchkommen,<br />
und ein wirklich guter Song funktioniert auch immer ohne große Produktion<br />
und technische Spielereien. Andererseits hat man im Studio so viele Möglichkeiten,<br />
mit seinem Sound zu experimentieren, dass es eine Schande wäre,<br />
es nicht zu tun. Du kannst dort ganz neue Welten erschaffen.<br />
kulturnews: Schreibst du alle deine Songs selbst?<br />
Marina: Wenn es nach mir geht schon. Für das Album habe ich bei „Champagne“,<br />
„Girls“ und „Oh no“ mit anderen zusammengearbeitet, und ich finde,<br />
das hört man auch. Der Sound ist irgendwie simpler, während ich mich bei<br />
meinen eigenen Songs beim Schreiben der Melodien einfach gehenlassen<br />
kann und auch mal richtig durchdrehe, wenn keiner neben mir sitzt, der mich<br />
stoppt.<br />
kulturnews: Auch mit deiner Stimme experimentierst du gern.<br />
Marina: Ja, das wäre doch auch eine Schande, immer nur in einem Stil zu<br />
singen! Die Stimme ist ein Instrument, dessen verschiedene Klangfarben<br />
man erforschen sollte. Ich habe lange überhaupt kein Instrument gespielt, und<br />
meine Stimme war das Einzige, womit ich experimentieren konnte.<br />
kulturnews: Die hohen Töne haben dir – noch nachvollziehbar – Vergleiche<br />
mit Kate Bush eingebracht. Aber warum bitte finden Leute, du klängest wie<br />
Lady Gaga?<br />
Marina: Ehrlich? Ich habe keine Ahnung. Ich verstehe den Vergleich nicht mal.<br />
Ich finde Lady Gaga zwar unglaublich, aber mehr, als dass wir beide Frauen<br />
sind, haben wir nun wirklich nicht gemeinsam. Den Kate-Bush-Vergleich verstehe<br />
ich schon eher, wenn es um Stimmumfang geht. Der ist schon ähnlich.<br />
Allerdings bin ich angesichts ihres Erfolgs ein Krümel – noch.<br />
kulturnews: Ist der Text von „Hollywood“ eigentlich eine Reaktion auf die<br />
ewigen Vergleiche?<br />
Marina: Gar nicht! „Hollywood“ ist sogar der älteste Song, der es auf die<br />
Platte geschafft hat. Es ist zweieinhalb Jahre her, dass ich ihn geschrieben<br />
habe. Deswegen kann ich nur lachen über Kommentare wie: „Oh, Marina ist<br />
so kommerziell geworden, seit sie einen Plattenvertrag hat.“ Das kannst du<br />
im Internet zuhauf lesen. Ich war echt abgebrannt, als ich den Song geschrieben<br />
habe, und es wollte einfach nicht vorangehen in meinem Leben.<br />
Das genaue Gegenteil einer Erfolgsgeschichte! Ich war das Gegenteil des<br />
amerikanischen Traums. Deswegen habe ich einen Song drüber geschrieben.<br />
kulturnews: Hört sich ja fast magisch an. Was du schreibst, wird wahr?<br />
Marina: (lacht) Manchmal! Meist schaffe ich mir mit meinen Songs irgendwelche<br />
Sorgen vom Hals. So hat es der Song „Oh no“ mit den Zeilen „I know<br />
exactly what I want and who I want to be“ noch in letzter Minute aufs Album<br />
geschafft. Als ich das vor drei Monaten geschrieben habe, hatte ich mich<br />
nämlich selbst ein halbes Jahr lang so unter Druck gesetzt, dass ich unbedingt<br />
erfolgreich sein muss, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte,<br />
als an einen möglichen Misserfolg. Und zum Glück scheinen Probleme tatsächlich<br />
zu verschwinden und ihre Macht über mich zu verlieren.<br />
Family Jewels erscheint am 14. Mai.<br />
Dramapop // musik 23<br />
Interview: Katharina Behrendsen<br />
// Mehr von Marina gibt’s auf den folgenden Seiten<br />
kulturnews 5/10
24 musik // Dramapop<br />
kulturnews 5/10
Marina & The Diamonds<br />
„Oh my god, you look just like Shakira<br />
No no, you’re Catherine Zeta<br />
Actually, my name’s Marina.“<br />
aus „Hollywood“<br />
Dramapop // musik 25<br />
kulturnews 5/10
26 musik // Dramapop<br />
kulturnews 5/10<br />
Marina & The Diamonds<br />
„Ich hatte nie einen Plan B.<br />
Ich fand es zu gefährlich,<br />
schon im Hinterkopf zu<br />
haben, dass man auch<br />
scheitern könnte. Scheitern<br />
war für mich überhaupt<br />
keine Option! Ich habe<br />
meine Mutter echt<br />
wütend gemacht mit<br />
dieser Einstellung.“
Dramapop // musik 27<br />
kulturnews 5/10
28 live // kulturnews präsentiert<br />
Stanfour<br />
4. 5. // Recklinghausen, Vest Arena<br />
6. 5. // München, Theaterfabrik<br />
7. 5. // Berlin, Huxleys Neue Welt<br />
Klingen tun sie ja wie eine typische Amirockband<br />
– und das, obwohl sie von der<br />
Nordseeinsel Föhr kommen. Ihr US-Sound<br />
kommt in Deutschland gut an: Erst holte Til<br />
Natalie Merchant<br />
12. 5. // Köln, Kulturkirche<br />
14. 5. // Hamburg, Uebel & Gefährlich<br />
15. 5. // Berlin, Admiralspalast<br />
17. 5. // München, Freiheiz<br />
Die kreative Pause, die Natalie Merchant<br />
nach der Geburt ihrer Tochter einlegte, ist<br />
endgültig vorbei: Mit „Leave your Sleep“<br />
legte die Mittvierzigerin aus den Staaten<br />
ein Doppelalbum vor, für das sie Gedichte<br />
und Sagen aus verschiedenen Jahrhunderten<br />
vertonte. Zudem kommt die ehemalige<br />
10 000-Maniacs-Sängerin nach langer<br />
Zeit wieder auf Europatournee, um die<br />
Fans mit ihren Folkpopsongs zu erfreuen.<br />
Silly<br />
11. 5. // Köln, Gloria<br />
12. 5. // Stuttgart, Theaterhaus<br />
15. 5. // Berlin, Huxleys Neue Welt<br />
16. 5. // Hamburg, Fabrik<br />
16. 7. // Mainz, Volkspark Mainz<br />
Kein leichtes Erbe, das die Schauspielerin<br />
und Sängerin Anna Loos da in der Ostpopband<br />
Silly angetreten hat: Sie ersetzt die<br />
legendäre, 1996 leider verstorbene Sängerin<br />
Tamara Danz. Aber das Experiment ist<br />
kulturnews 5/10<br />
8. 5. // Hamburg, Docks<br />
11. 5. // Köln, E-Werk<br />
12. 5. // Stuttgart, LKA Longhorn *<br />
Schweiger sie auf den „Zweiohrküken“-Soundtrack,<br />
nun wurde die Tour in größere Hallen<br />
verlegt, und im Sommer dürfen sie Popstar<br />
P!nk auf Tour begleiten. Nicht schlecht!<br />
23. 7. // Chemnitz,<br />
Wasserschloss Klaffenbach<br />
22. 8. // Braunschweig,<br />
Volksbank BraWo Bühne<br />
27. 8. // Berlin, Zitadelle *<br />
geglückt. Nicht nur auf dem ersten Silly-<br />
Album namens „Alles rot“ seit vierzehn Jahren,<br />
sondern auch bei Liveauftritten weiß<br />
Loos bisher zu überzeugen.<br />
Foto: Philip Lethen<br />
Foto: Mark Seliger<br />
Foto: Jim Rakete<br />
Whitney Houston<br />
12. 5. // Berlin, O2 World<br />
17. 5. // Hamburg, O2 World Hamburg<br />
21. 5. // München, Olympiahalle<br />
22. 5. // Stuttgart, Schleyer-Halle<br />
26. 5. // Oberhausen, König-Pilsener-Arena<br />
27. 5. // Nürnberg,<br />
Arena Nürnberger Versicherung<br />
29. 5. // Mannheim, SAP Arena<br />
31. 5. // Frankfurt, Festhalle *<br />
Stimmprobleme, eine Atemwegserkrankung,<br />
abgesagte Konzerte – die<br />
Rückkehr auf die Bühne läuft für<br />
Whitney Houston bisher nicht so gut<br />
wie ihr gefeiertes Plattencomeback.<br />
Aber die US-Sängerin gibt sich kämpferisch,<br />
und wer weiß: Vielleicht braucht<br />
Houston nur ein bisschen Anlaufzeit,<br />
um zu ihrer alten Form zurückzufinden.<br />
Runrig<br />
10. 5. // München, Zenith<br />
28. 8. // Hamburg, Stadtpark<br />
11. 5. // Frankfurt, Jahrhunderthalle 31. 8. // Berlin, Zitadelle<br />
12. 5. // Münster, Halle Münsterland 2. 9. // Köln, Theater am Tanzbrunnen<br />
13. 5. // Saarbrücken, E-Werk<br />
15. 5. // Oberhausen, König-Pilsener-Arena<br />
27. 8. // Gelsenkirchen, Amphitheater<br />
3. 9. // Stuttgart,<br />
Freilichtbühne Killesberg *<br />
Mit Dudelsack und Rockgitarren hat sich<br />
das schottische Sextett Runrig in den letzten<br />
dreißig Jahren eine treue Fangemeinde erspielt.<br />
Auch hierzulande stößt ihr Folkrock<br />
mit gälisch-keltischen Einschlägen auf offe-<br />
Richard Hawley<br />
19. 5. // Berlin, Passionskirche<br />
20. 5. // Hamburg, Gruenspan<br />
21. 5. // Köln, Gloria<br />
Als Richard Hawley seine Musikerkarriere<br />
begann, spielten in seiner Heimatstadt<br />
Sheffield alle Bands plötzlich nur<br />
noch elektronisch. Ein kleines Wunder,<br />
dass der Sänger mit seinem sanften<br />
Folkrock dort trotzdem Erfolge feiern<br />
konnte. Die neue Platte „Trueloves<br />
Gutter“ bleibt diesem Sound treu. Im<br />
Mai tourt Hawley damit auch durch<br />
Deutschland. Hier spielte er bereits im<br />
Alter von 14 zum ersten Mal.<br />
ne Ohren: Die deutschen Fans, genannt Riggies,<br />
halten sogar Stammtische ab und lassen<br />
kein Konzert aus. Umso größer ist die<br />
Freude, dass nach der abgesagten Tournee<br />
2009 nun doppelt Nachschub kommt.<br />
* Die vollständigen Tourtermine für ganz Deutschland, Tickets und weitere Konzerthighlights gibt es auf www.kulturnews.de/onstage.<br />
Foto: Patrick Demarchelier<br />
Foto: Joe Dilworth<br />
Foto: Harald Hoffmann
The Baseballs<br />
25. 5. // Nürnberg, Hirsch<br />
26. 5. // Potsdam, Waschhaus<br />
27. 5. // Bremen, Modernes<br />
30. 5. // Berlin, Astra Kulturhaus<br />
1. 6. // Dortmund, FZW<br />
// live 29<br />
5. 6. // Stuttgart, LKA Longhorn<br />
6. 6. // Worms, Jazz + Joy Festival<br />
7. 6. // Köln, Live Music Hall<br />
8. 6. // Ulm, Ulmer Zelt<br />
23. 7. // München, Tollwood Festival*<br />
Die Rockabilly-Jungspunde Sam, Digger und Basti sehen zwar aus wie Elvisse, in<br />
Sachen Rock’n’Roll-Lifestyle brauchen sie aber dringend Nachhilfe.<br />
kulturnews: Basti, wie bekommt man so eine schöne Tolle hin?<br />
Basti: Unterschiedlich. Digger baut seine Tolle ausschließlich mit Fön und Haarspray.<br />
Sam benutzt sehr viel Pomade. Und ich schmiere ins nasse Haar erst so einen Kleber,<br />
um Struktur reinzubekommen, dann föhne ich in Tollenrichtung und schließe mit Pomade<br />
und Spray ab.<br />
kulturnews: Wie lange dauert die Verwandlung?<br />
Basti: Das geht schnell. Innerhalb einer halben Stunde sind wir bühnenfertig.<br />
kulturnews: Neulich bei der „Echo“-Verleihung, bei der ihr den Preis als „Beste Newcomer“<br />
erhalten habt, war auch Rihanna anwesend. Kennt sie eure Version von<br />
„Umbrella“?<br />
Basti: Wir hätten ihr unser Lied sehr gerne vorgesungen, aber an Rihanna war absolut<br />
kein Rankommen. Die hatte mehr Bodyguards als wir Musiker in unserer Band.<br />
Wer uns wirklich nett begrüßt hat, waren Udo Lindenberg und Sasha.<br />
kulturnews: Noch erfolgreicher als in Deutschland seid ihr in Skandinavien, vor allem<br />
in Finnland. Euer Album „Strike“ stand dort zwölf Wochen lang auf Platz 1 der<br />
Charts.<br />
Basti: Genau. Warum die Finnen so ausflippen? Wir haben da eine Vermutung. Der<br />
Rock’n’Roll, den Finnen gemeinhin hören, ist sehr düster. Wir dagegen kommen mit<br />
unserer sehr fröhlichen Rockmusik daher. Wir besetzen dort wohl eine Nische. Und<br />
mit Haartollen kennt der Finne sich seit den Leningrad Cowboys ohnehin bestens aus.<br />
kulturnews: Geht ihr drei euch eigentlich manchmal auf den Sack?<br />
Basti: Auf Tour sind wir mit Musikern und Crew immer so elf bis zwölf Leute im Bus.<br />
Wenn du da auf den einen mal keinen Bock hast, dann unterhältst du dich halt mit<br />
dem nächsten. Klar gibt es Reibereien, aber dann trinkt man am nächsten Tag trotzdem<br />
wieder seine Limonade zusammen.<br />
kulturnews: Mit Schnaps drin?<br />
Basti: Dem Klischee von Sex, Drugs & Rock’n’Roll entsprechen wir nur in sehr geringem<br />
Maße. Wir trinken mal ein Glas Bier nach der Show, aber dabei belassen wir es auch.<br />
kulturnews: Ihr seid ausschließlich Jungs im Tourbus. Wie sieht es mit Mädchen aus?<br />
Basti: Die Goldene Regel lautet: Im Bus sind Frauen verboten. Das ist quasi unser<br />
Wohnzimmer, da liegen auch alle unsere Sachen rum. Mädchen stören da. Außer der<br />
Mama, die darf vielleicht mal kurz reingucken. Dass einer von uns ein Mädchen<br />
abgeschleppt hat, das habe ich sowieso noch nicht erlebt. Meist bleibt es bei einem<br />
netten Gespräch.<br />
kulturnews: Wärt ihr denn bereit für Schweinereien?<br />
Basti: Das kommt wirklich sehr darauf an, wer fragt.<br />
Interview: Steffen Rüth<br />
Foto: Sven Sindt<br />
kulturnews 5/10<br />
KARSTEN JAHNKE KONZERTDIREKTION GMBH<br />
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In Zusammenarbeit mit ENGELHARDT PROMOTIONS GmbH<br />
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Buena Vista Social Club® is a registered trademark of World Circuit Ltd<br />
<br />
Echo-Gewinner „Sänger des Jahres international“<br />
17.&18.07. Stuttgart // Jazzopen<br />
31.07. Berlin // Jazz in Town Festival<br />
01.08. Dortmund // Domicil<br />
03.08. Bremen // Schlachthof<br />
05.08. Dresden // Neumarkt<br />
(vor der Frauenkirche)<br />
16.09. Braunschweig // Kultur im Zelt<br />
CURTIS STIGERS<br />
Curtis Stigers (voc, sax), Matthew Fries (p), Cliff Schmitt (b), Keith Hall (dr)<br />
TICKETS: 01805 - 62 62 80* und 040 - 413 22 60** • www.karsten-jahnke.de<br />
und an allen bekannten Vorverkaufsstellen. *( 0,14/Min. aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk max. 0,42/Min) **(Mo–Fr, 10–18 Uhr)<br />
10.05.2010 HAMBURG - COLOR LINE ARENA KARTEN AN DEN BEK. VORVERKAUFSSTELLEN. TICKETHOTLINE FÜR<br />
HAMBURG & BERLIN: 0 18 05 - 57 00 70* (*14 Ct./Min aus dem deutschen Festnetz-<br />
Mobilfunkpreise max. 42. Ct/Min.)<br />
11.05.2010 BERLIN - O2 WORLD<br />
TICKETHOTLINE FÜR<br />
(*14 Ct./Min aus dem deutschen Festnetz-<br />
OBERHAUSEN: 0 18 05 - 9 69 00 00* Mobilfunkpreise max. 42. Ct/Min.)<br />
24.05.2010 OBERHAUSEN - KÖNIG-PILSENER-ARENA TICKETS IM INTERNET: WWW.LIVENATION.DE<br />
LADYGAGA.COM • MYSPACE.COM/LADYGAGA<br />
Produced by Live Nation Global Touring
30 live // kulturnews präsentiert<br />
Lyambiko & Band<br />
22. 7. // München, Residenz<br />
18. 9. // Berlin, Postbahnhof<br />
20. 9. // Münster, Hot Jazz Club<br />
23. 9. // Hamburg, Stage Club<br />
25. 9. // Osnabrück, Lagerhalle<br />
Die Wurzeln von Sängerin Lyambiko liegen<br />
in Tansania, doch geboren wurde sie in<br />
Thüringen. Gemeinsam mit ihren drei<br />
Kollegen bildet sie seit Jahren das gleichnamige<br />
Jazzquartett. Zusammen schreiben<br />
Oh No Ono<br />
22. 5. // Hamburg, Prinzenbar<br />
23. 5. // Berlin, Comet Club<br />
24. 5. // Köln, Studio 672<br />
Bei Oh No Ono gibt’s einiges, was abschrecken<br />
könnte: das Micky-Maus-Falsett<br />
von Sänger Malte Fischer. Oder der psychedelische<br />
Irrsinn und die ständigen Tempowechsel<br />
des zweiten Albums „Eggs“. Aber<br />
kulturnews 5/10<br />
26. 9. // Düsseldorf, Savoy Theater<br />
29. 9. // Mainz, Frankfurter Hof<br />
1. 10. // Stuttgart, BIX Jazzclub<br />
6. 10. // Kaiserslautern, Kammgarn<br />
7. 10. // Freiburg, Jazzhaus *<br />
sie eigene Stücke und gönnen sich zuweilen<br />
auch den Spaß, Soul- und Popklassiker<br />
auf ihre Weise neu zu interpretieren. Wie<br />
zum Beispiel auf dem neuen Album den<br />
Grunge-Hit „Black Hole Sun“. Spannend.<br />
Shakespear’s Sister<br />
25. 5. // Frankfurt, Nachtleben<br />
26. 5. // München, 59:1<br />
gibt man den fünf Jungs aus dem dänischen<br />
Aalborg erst mal eine Chance, wird<br />
man merken: Die sind zwar nicht einfach,<br />
aber dafür richtig, richtig gut!<br />
Foto: Uwe Arens<br />
1. 6. // Köln, Tsunami<br />
2. 6. // Hamburg, Fabrik<br />
3. 6. // Leipzig, Moritzbastei<br />
4. 6. // Berlin, C-Club<br />
1988 trennte sich Siobhan Fahey von ihrer<br />
damaligen Band Bananarama und nahm die<br />
Arbeit an ihrem Soloprojekt „Shakespear’s<br />
Sister“ auf. Unterstützt wurde sie dabei von<br />
Musikerin Marcella Detroit. Zusammen landeten<br />
sie Hits wie „Hello (Turn your Radio<br />
on)“. Bald kam, was kommen musste: die<br />
Auflösung. 2009 meldete sich Fahey mit<br />
neuer Platte, aber ohne Marcella Detroit als<br />
Shakespear’s Sister zurück.<br />
Foto: Rasmus Weng Karlsen-Klein<br />
Al Jarreau<br />
5. 7. // Paderborn, Paderhalle<br />
8. 7. // Köln, Philharmonie<br />
24. 7. // Osnabrück, Osnabrückhalle<br />
25. 7. // Braunschweig, Stadthalle<br />
29. 7. // Nürnberg, Serenadenhof<br />
3. 8. // Hanau, Amphitheater<br />
Bevor Jazzstar Al Jarreau sich ganz der<br />
Musik widmete, war er erfolgreicher Basketballspieler<br />
und Psychologiestudent. In<br />
den 60ern entschied er sich aber für<br />
den musikalischen Weg und gründete<br />
zusammen mit dem Gitarristen Julio<br />
Martinez die Band „Jarreau“. Heute kann<br />
das 70-jährige Stimmwunder aus Amerika<br />
auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken<br />
– und denkt anscheinend noch<br />
nicht ans Aufhören.<br />
Switchfoot<br />
2. 6. // Köln, Luxor<br />
3. 6. // Berlin, Postbahnhof<br />
Mit neuem Album im Gepäck touren die<br />
fünf Kalifornier von Switchfoot gerade<br />
durch Nordamerika und kommen im Juni<br />
auch für drei Konzerte nach Deutschland.<br />
Spirituelle, sozialkritische Texte und der<br />
rockig-alternative Sound sind seit Grün-<br />
Dawn Landes<br />
5. 6. // Köln, Studio 672<br />
6. 6. // Hamburg, Knust<br />
7. 6. // Berlin, C-Club<br />
Die US-Amerikanerin Dawn Landes ist<br />
eine jener Musikerinnen, die zwei<br />
unterschiedliche Welten vereinen: Sie<br />
liebt die Country- und Folkeinflüsse aus<br />
ihrer Heimat Kentucky, ist den<br />
Indiesounds ihres Wohnortes New York<br />
aber ebenfalls nicht abgeneigt, was<br />
auch ihr drittes Album „Sweet Heart<br />
Rodeo“ auszeichnet. Auf Tour mag sie<br />
es abwechslungsreich: Immerhin war<br />
sie schon mit Feist, The Weakerthans<br />
und Nada Surf unterwegs.<br />
8. 6. // Hamburg, Knust<br />
dung Aushängeschild der Band. Sie bleiben<br />
sich treu auf ihrer neuen Platte<br />
„Hello Hurricane“; Fans können sich live<br />
also auf Klassiker und neue Hits freuen.<br />
* Die vollständigen Tourtermine für ganz Deutschland, Tickets und weitere Konzerthighlights gibt es auf www.kulturnews.de/onstage.<br />
Foto: Neuland Concerts<br />
Foto: Alex Solmss
Agnes Obél<br />
13. 5. // Hamburg, Prinzenbar<br />
14. 5. // Berlin, Admiralspalast<br />
Manche reißen sich ein Bein aus für die Karriere. Die Dänin<br />
Agnes Obél musste nichts weiter tun als abwarten, bis ihr<br />
Song „Just so“ von einem Mobilfunkanbieter entdeckt wurde.<br />
kulturnews: Agnes, deinen Song „Just so“ sollst du in deinem<br />
Schlafzimmer in deiner Wahlheimat Berlin produziert haben.<br />
Agnes Obél: Dort gab es nur mich, mein Piano und einen<br />
Computer. Ich schrieb das Stück ein Jahr bevor es auf MySpace<br />
für die Mobilfunkwerbung entdeckt wurde. Mittlerweile gibt es<br />
aber ein richtiges Studio, wo ich mein erstes Album aufnehme.<br />
kulturnews: Hattest du beim Schreiben passend zum Werbespot<br />
auch ein Bett aus Rosenblättern im Kopf?<br />
Obél: Nein, die eigentliche Idee dahinter war überhaupt nicht<br />
romantisch. Ich habe den Song für meinen Vater geschrieben,<br />
der zu der Zeit depressiv war und nicht mehr aus dem Bett aufstehen<br />
wollte. Diese Gefühlswelt beschreibt das Lied. Es sollte<br />
ihm aber auch zeigen, dass es gute Gründe gibt aufzustehen.<br />
kulturnews: Und dass „Just so“ nun in einem so positiven<br />
Kontext eingesetzt wird, stört dich nicht?<br />
Obél: Es ist schon merkwürdig, wenn ich dazu glückliche<br />
Menschen in einem Meer von Rosen herumspringen sehe. Aber<br />
mir gefällt die Ambivalenz von Traurigem und Positivem.<br />
kulturnews: Bist du so zerbrechlich wie deine Songs?<br />
Obél: Ich selbst empfinde die Songs gar nicht als zerbrechlich.<br />
Meine Stücke sind langsam. Aber um sie rüberzubringen,<br />
braucht es Stärke. Es wäre einfacher, sich hinter einem coolen<br />
Genre zu verstecken. Und offensichtlich ermutigt es viele Mädchen,<br />
selbst mit ihrer Gitarre Coverversionen davon für YouTube<br />
aufzunehmen.<br />
18. 5. // Köln, Studio 672<br />
20. 5. // München, Cord<br />
// live 31<br />
kulturnews: Würdest du deine Musik als Folk bezeichnen?<br />
Obél: Man könnte sie als Folk- oder Popmusik definieren. Ich<br />
mag die Simplizität am Folk. Und auch die Art, wie man in den<br />
Songs eine Story erzählt. Aber ich bin auch sehr inspiriert von<br />
klassischer Musik – wo das Piano wie eine Stimme funktioniert.<br />
kulturnews: Das Credo für deine Musik scheint „Weniger ist<br />
mehr“ zu sein!<br />
Obél: Das war keine bewusste Entscheidung. Da ich alles selber<br />
mache, keine fette Rockband oder ein Orchester zur Verfügung<br />
habe, gibt es nun mal Beschränkungen.<br />
kulturnews: Bei deinen Konzerten wirst du aber von Anne<br />
Ostsee am Cello begleitet.<br />
Obél: Wir haben Spaß! Wenn ich eine Band hätte, wären das<br />
auch nur Mädchen. Ich war früher mal das einzige Mädchen in<br />
einer Jungsband – das wollte ich anders haben. Das Musikbusiness<br />
wird schließlich genug von Männern dominiert.<br />
kulturnews: Hat es eine besondere Bewandtnis mit dem Eulen-<br />
Foto?<br />
Obél: Ich mag den Hitchcock-Film „Die Vögel“. Die haben<br />
damals fantastische Fotografien dazu gemacht, wo man die<br />
Darstellerin Tippi Hedren mit den Tieren sieht. Tierfotos haben<br />
immer irgendwie eine Symbolik, die nicht einfach zu entschlüsseln<br />
ist. Die Augen der Eule sehen aus, als wäre das Tier am<br />
Leben gewesen. Dabei war es ausgestopft.<br />
Foto: ASS Concerts<br />
Interview: Katja Schwemmers<br />
kulturnews 5/10
32 live // kulturnews präsentiert<br />
Jessica Gall<br />
15. 9. // Darmstadt, Centralstation<br />
16. 9. // Stuttgart, BIX Jazzclub<br />
17. 9. // Dortmund, Domicil<br />
18. 9. // Köln, Studio 672<br />
Die Musikalität liegt bei Jessica Gall in der<br />
Familie. Vater, Mutter und Großmutter singen<br />
oder spielen Klavier, da wundert es<br />
nicht, dass Jessica den gleichen Weg einschlug.<br />
Durch Pianist Bene Aperdannier<br />
Curtis Stigers<br />
Foto: Andy Lawless<br />
17.+18. 7. // Stuttgart, Jazz Open<br />
31. 7. // Berlin, Jazz in Town Festival<br />
1. 8. // Dortmund, Domicil<br />
3. 8. // Bremen, Schlachthof<br />
5. 8. // Dresden, Frauenkirche<br />
Als Jazzsaxofonist und -sänger zu großer<br />
Bekanntheit aufzusteigen, ist gar<br />
nicht so einfach. Aber Curtis Stigers<br />
hat ein Rezept gefunden, das aufgeht:<br />
Jazzstandard + Rockhit = Erfolg. Mit<br />
seinen verjazzten Klassikern begeistert<br />
der US-Amerikaner seit Jahren, aber<br />
vergangenes Jahr hat er mit seinem<br />
Album „Lost in Dreams“ nochmals ein<br />
ansehnliches Scherflein an musikalischem<br />
Gespür draufgelegt.<br />
23. 9. // München, Unterfahrt<br />
28. 9. // Hamburg, Fabrik<br />
29. 9. – 1. 10. // Berlin, A-Trane *<br />
wurde die Berlinerin endgültig vom Jazz<br />
überzeugt, und zusammen mit Bene und<br />
anderen Musikern gründete sie ihre eigene<br />
Jazzpopband. Im Mai erscheint bereits<br />
das zweite Album.<br />
Kris Kristofferson<br />
17. 7. // Tuttlingen, Honberg-Sommer<br />
18. 7. // München, Tollwood Festival<br />
19. 7. // Nürnberg, Serenadenhof<br />
Foto: Bremme & Hohensee Konzerte<br />
Eigentlich könnte er schon in Rente<br />
sein. Doch wer sollte an seiner Stelle so<br />
klassische Countrymusik machen, mit<br />
Mundharmonika und Gitarre und umjubelten<br />
Texten? Eben. Deshalb wird der<br />
74-jährige Kris Kristofferson auch dieses<br />
Jahr mit neuen Songs wie Klassikern<br />
im Gepäck auf Tournee gehen,<br />
und, wenn noch Zeit bleibt, sich auch<br />
seiner zweiten Leidenschaft widmen:<br />
dem Schauspiel.<br />
Dockville 2010<br />
13. 8. – 15. 8. // Hamburg, Hamburg-Wilhelmsburg<br />
2010 geht das Hamburger Dockville Festival<br />
bereits in die vierte Runde. Das stetig<br />
wachsende Festival ist eine Mischung aus<br />
Kunst und Musik und findet auf Hamburgs<br />
Elbinsel Wilhelmsburg statt. Im von<br />
Joe Jackson<br />
2. 11. // Mainz, Phönix-Halle<br />
5. 11. // Leipzig, Haus Auensee<br />
8. 11. // Köln, Gloria<br />
Joe Jackson hat schon viele verschiedene<br />
Arten von Musik gemacht: Punk, Klassik,<br />
Jive und Pop. Immer dabei jedoch ist sein<br />
Piano. Für sein aktuelles Album „Rain“<br />
setzt der Wahl-Berliner auf Minimalismus:<br />
Künstlern gestalteten Umfeld spielen Bands<br />
aus der ganzen Welt. Dieses Jahr mit dabei:<br />
Klaxons, Jan Delay & Disko No.1, Wir Sind<br />
Helden, Portugal. The Man (Foto), The<br />
Whip, Jamie T., Delphic und viele mehr.<br />
The Hold Steady<br />
15. 6. // Köln, Gebäude 9<br />
16. 6. // Berlin, Frannz-Club<br />
17. 6. // München, 59:1<br />
Obwohl The Hold Steady erst seit 2003 in<br />
jeder gut sortierten Indierock-Sammlung zu<br />
finden sind, bringen sie 2010 mit „Heaven<br />
is whenever“ schon ihr fünftes Album auf<br />
den Markt. Auch auf dieser Platte liefern<br />
uns die vier New Yorker wieder feinsten<br />
Indierock, der sofort ins Herz und vor allem<br />
in die Beine geht. Im Juni machen sie für<br />
drei Konzerte Halt bei uns in Deutschland.<br />
10. 11. // Hamburg, Fabrik<br />
11. 11. // Berlin, Postbahnhof<br />
14. 11. // München, Muffathalle<br />
Foto: Peter Rieger Konzertagentur<br />
Nur Schlagzeug, Bass und natürlich Klavier<br />
begleiten seine Stimme. Und der Titel<br />
kommt auch nicht von irgendwoher: Regen<br />
war während der Arbeit an der neuen<br />
Platte Jacksons ständiger Begleiter.<br />
kulturnews 5/10 * Die vollständigen Tourtermine für ganz Deutschland, Tickets und weitere Konzerthighlights gibt es auf www.kulturnews.de/onstage.<br />
Foto: www.x-why-z.eu<br />
Texte: kat/mss
Jim Kerr<br />
25. 5. // Hamburg, Knust<br />
26. 5. // Köln, Stadtgarten<br />
// live 33<br />
Nach einer Weltkarriere mit den 80er-Heroen Simple Minds, die zuletzt wieder<br />
deutlich an Schwung gewann, will der schottische Sänger Jim Kerr es nun auch<br />
solo endgültig wissen. Dazu hat sich der 50-Jährige eine zweite Identität<br />
geschaffen: Lostboy! A.K.A. Und die ist schon erklärungsbedürftig …<br />
kulturnews: Jim, wer oder was um alles in der Welt ist denn „Lostboy! A.K.A“?<br />
Jim Kerr: „Lostboy!“ ist ein echtes Alter Ego von Jim Kerr, ein zweites Ich oder – um<br />
es einfacher zu sagen – eine Persona innerhalb einer Person. Und „Lostboy! A.K.A“<br />
ist die Musik, durch die die Vision dieser Persona gekennzeichnet ist.<br />
kulturnews: Aha … Was war denn der Auslöser, diese Persona zu entwickeln?<br />
Kerr: Ich habe mich danach gesehnt, etwas Brandneues zu schaffen, etwas, das mir<br />
eine Rückkehr zu meinen Wurzeln ermöglicht – und das nicht von dem Ruhm abhängt,<br />
den ich erreicht habe.<br />
kulturnews: … nämlich mit den Simple Minds. Bedeutet dieses Soloprojekt, dass deine<br />
Zeiten in der Band jetzt vorbei sind?<br />
Kerr: Nein! Lostboy! A.K.A kann und wird eine Zukunft parallel zur Geschichte der<br />
Simple Minds haben, die ebenfalls weitergeht. Ich bin überzeugt, dass sich beide musikalischen<br />
Säulen eher ergänzen und gegenseitig befruchten, als dass sie sich behindern.<br />
kulturnews: Und dieser Lostboy! A.K.A wird also auch auf Tour gehen.<br />
Kerr: Ja, wird er. Lostboy! A.K.A ist geradezu für die Bühne gemacht, und seine Musik<br />
schreit danach, live gehört zu werden.<br />
kulturnews: Und wie klingt er?<br />
Kerr: Nach großen Melodiebögen, nach Turborhythmen, nach schimmernden Gitarren.<br />
Eine lärmige, jugendliche Explosion, verursacht von einem weisen Kopf und einem<br />
Herzen mit Erfahrung. Rasselnder Rock’n’Roll mit Sequenzern und versteckten Sinfonien.<br />
Retro und futuristisch – Lostboy! A.K.A klingt in meinen Ohren völlig zeitlos.<br />
Lostboy! A.K.A Jim Kerr erscheint Mitte Mai.<br />
Foto: Ear Music<br />
Bearbeitung: Matthias Wagner<br />
kulturnews 5/10<br />
Tickethotline: 01805 - 447044<br />
Booking GmbH präsentiert: (0,14 /Min. aus dem dt. Festnetz. Mobilfunk max. 0,42 /min)<br />
09.11. Ch-Zürich – Hallenstadion 10.11. Mannheim – Sap Arena 11.11. Bremen – Arena 13.11. Dresden – Messehalle<br />
14.11. Karlsruhe – Europahalle 15.11. Kempten – Big Box 16.11. A-Graz – Stadthalle 18.11. Trier – Arena<br />
20.11. Frankfurt – Festhalle 21.11. Oberhausen – König Pilsener Arena 22.11.Berlin – O2 World 23.11. Hamburg – Color Line Arena<br />
24.11. Köln – Lanxess Arena 26.11. München – Olympiahalle 27.11. Nürnberg – Arena 28.11. Würzburg – S. Oliver Arena<br />
09.05. Tübingen – Sudhaus 10.05. Heidelberg – Karlstorbahnhof<br />
11.05. Karlsruhe – Tollhaus 13.05. CH-Solothurn – Kofmehl<br />
14.05. CH-Schafhausen – Kammgarn 15.05. Soest – Alter Schlachthof<br />
17.05. A-Salzburg – Rockhouse 18.05. Erlangen – E-Werk<br />
19.05. Düsseldorf – Zakk 20.05. Hannover – Faust<br />
21.05. Potsdam – Lindenpark<br />
& Band<br />
27.05. Darmstadt – Schlossgrabenfest<br />
05.06. Buchenheim – Southern Vibes 16.06. Görlitz – Campus Open Air<br />
18.06. Heidenheim a d. Brenz – Brenzpark Open Air<br />
02.07. Köln – Summerjam 03.07. S - Borlänge – Peace & Love festival<br />
17.07. Cuxhaven – Deichbrand Festival<br />
22.07. Tübingen – Sudhaus Open Air @ Waldbühne<br />
23.07. Freiburg – ZMF 24.07. Münster – Sommer Fieber Open Air<br />
25.07. Mülheim a.d. Ruhr – Ruhr Reggea Summer<br />
06.08. A - Lustenau – Szene Open Air<br />
14.08. Aschaffenburg – Afrika Karibik Festival<br />
20.08 Wirges – Spack Festival 27.08. Übersee – Chiemsee Reggea Summer<br />
29.08. Fulda – Schlosshof Open Air 04.09. Trier – Kaiserthermen<br />
12.09. Rastatt – Murgtal Open Air<br />
Neues Album „Sky Rider“ im Frühsommer 2010!<br />
04.05.<br />
Hamburg – Knust<br />
05.05.<br />
Berlin – Festsaal Kreuzberg<br />
07.05.<br />
München – Ampere<br />
08.05.<br />
Mülheim A. D. Ruhr – Ringlokschuppen<br />
17.05. Köln – Luxor<br />
19.05. Berlin – Magnet<br />
20.05. München – Atomic Café<br />
07.05. Kassel – Alter Schlachthof<br />
08.05. Erfurt – Mehlhose<br />
12.05. Dresden – Scheune<br />
13.05. Frankfurt – Das Bett<br />
14.05. Magdeburg – Projekt 7<br />
15.05. Hamburg – Übel & Gefährlich<br />
16.05. Krefeld – Kulturfabrik<br />
18.05. Stuttgart – Schocken<br />
20.05. Augsburg – Schwarzes Schaf<br />
21.05. Heidelberg – Karlstorbahnhof<br />
23.05. A-Wien – B 72<br />
25.05. München – Ampere<br />
26.05. Berlin – Comet Club<br />
27.05. Leipzig – UT Connewitz<br />
28.05. Köln – Gebäude 9<br />
07.05.<br />
Dortmund – FZW @ Visions Party<br />
08.05.<br />
Köln – Werkstatt @ Visions Party<br />
12.05.<br />
Berlin – Bang Bang Club
34 live // Ruhr Kultur<br />
RUHR.2010: Hier kommt der Beweis!<br />
Das Ruhrgebiet trägt jetzt den Titel „Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010“.<br />
Zum ersten Mal erhält eine ganze Region diese Auszeichnung. 53 Ruhrstädte<br />
haben sich zu einer kulturellen Pilgerstätte für ganz Europa zusammengeschlossen<br />
und bieten das ganze Jahr über ein gigantisches Programm.<br />
Es war schon lange an der Zeit, den vollzogenen Imagewechsel des<br />
Potts – weg vom Industriestandort hin zur Kulturmetropole – nach außen zu<br />
transportieren. So präsentiert sich die Metropole Ruhr nun selbstbewusst<br />
und mit massig kultureller Erfahrung aus vergangenen Jahren. Und falls<br />
Wie schön: Ein Stau!<br />
Still-Leben Ruhrschnellweg // 18. 7., 11–17 Uhr<br />
Autobahn A40/B1 // Infos und Tischvergabe unter: www.ruhr2010.de/still-leben<br />
Stau auf der A40? Das ist normal, denkt<br />
jeder, der sich jemals auf der Autobahn<br />
zwischen Duisburg und Dortmund bewegt<br />
hat. Stauverursacher sind am 18.<br />
Juli jedoch keine Baustellen und zum<br />
Glück auch keine Unfälle, sondern feiernde<br />
Menschen. Da wird nämlich kurzerhand<br />
die Hauptverkehrsader des Ruhrgebietes<br />
gesperrt, und statt einer miefenden<br />
Blechschlange findet man an diesem<br />
Tag eine Tafel aus 20 000 Tischen<br />
auf 60 Kilometern zwischen Duisburg<br />
Henze-Hommage<br />
und Dortmund, wobei jeder Tisch eine<br />
kleine Bühne ist. Am Programm kann sich<br />
jeder Bürger beteiligen und mit Bands,<br />
Tanzgruppen, Vereinen und allem, was<br />
einem sonst einfällt und gefällt, aufwarten.<br />
Zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit anderen<br />
motorlosen Gefährten – Menschen<br />
aller Generationen und Nationen sind eingeladen,<br />
ein rauschendes Fest zu feiern,<br />
das aus der Vogelperspektive wie ein überdimensionales<br />
Stillleben aussehen wird.<br />
Das Henze-Projekt. Neue Musik für eine Metropole<br />
ganzjährig in der Metropole Ruhr // www.ruhr2010.de/henze-projekt<br />
Die Metropole Ruhr hat sich für eine<br />
Hommage an Hans Werner Henze zusammengeschlossen:<br />
Der in Gütersloh<br />
geborene Künstler gehört zu den wichtigsten<br />
Komponisten der Gegenwart. Er<br />
war einer der Ersten, der in den 60ern<br />
Förderprojekte für junge Talente gegründet<br />
und geleitet hat. Seine Musik appelliert<br />
an die Gemeinschaft der Menschen<br />
und spiegelt die Haltung von RUHR.2010<br />
kulturnews 5/10<br />
Grafik: RUHR.2010 GmbH /<br />
TAS Emotional Marketing GmbH<br />
wider, wenn es darum geht, sich miteinander<br />
zu verbinden und gemeinsam<br />
kreativ zu sein. Das ganze Jahr lang werden<br />
Henzes Werke in über 40 Institutionen<br />
gespielt, wird sein gesellschaftliches<br />
Handeln geehrt. Ob in Opern und<br />
Balletten, Konzerten, Tanzaufführungen,<br />
Lesungen oder Filmen – die Botschaft<br />
Henzes wird im ganzen Ruhrpott zu spüren<br />
sein.<br />
Foto: RUHR.2010/Ursula Kaufmann<br />
es doch noch nicht bis in den letzten Winkel Europas vorgedrungen sein<br />
sollte, dass der Ruhrpott sich zwar seinen Industriecharme erhalten hat,<br />
doch schon lange nicht mehr nur aus rauchenden Schornsteinen und<br />
Steinkohlenbergwerken besteht: Hier kommt der Beweis!<br />
Weitere Informationen: www.ruhr2010.de<br />
Info-Hotline RUHR.2010: Tel. +49 (0) 1805-45-2010*<br />
* Festnetztarif 0,14 EUR/Min., Mobilfunkpreis max. 0,42 EUR/Min.<br />
Wo alles begann<br />
SchachtZeichen // 22.–30. 5, Metropole Ruhr<br />
Ein Bild für den Wandel in der Metropole Ruhr // www.ruhr2010.de/schachtzeichen<br />
Noch bevor die allerletzten Steinkohlenzechen<br />
im Ruhrgebiet geschlossen werden,<br />
kann man sich durch RUHR.2010<br />
die Geschichte des Bergbaus und den<br />
einhergehenden Wandel der Region auf<br />
einzigartige Weise vor Augen führen lassen.<br />
Und zwar werden bis zu 350 ehemalige<br />
Schachtanlagen mit gelben Heli-<br />
Alte Schätze<br />
umballonen markiert, die bis zu 80 Meter<br />
weit in den Himmel ragen. Somit ergibt<br />
sich nicht nur eine 4 000 qkm große<br />
Kunstinstallation, sondern ein imposantes<br />
Bild der Geschichte, wenn die Ballone<br />
wie Stecknadeln die ehemaligen<br />
Zechenanlagen markieren.<br />
„Das schönste Museum der Welt“ // 20. 3.–25. 7., Museum Folkwang, Essen<br />
www.ruhr2010.de/das-schoenste-museum-der-welt<br />
Im Neubau des Museum Folkwang findet<br />
die erste große Sonderausstellung statt,<br />
die der Folkwang-Sammlung und ihrer<br />
Geschichte gewidmet ist. Der Ausstellungstitel<br />
„Das schönste Museum der Welt“<br />
beruht auf einem Zitat von Paul J. Sachs,<br />
dem Mitbegründer des New Yorker Museum<br />
of Modern Art. Als er 1932 das Museum<br />
Folkwang mit diesem Kompliment<br />
Foto © Jesiorkowski/<br />
Moos/SchachtZeichen<br />
bedachte, hingen dort noch die Meisterwerke<br />
von Künstlern wie Kandinsky, Matisse<br />
und Kirchner, welche wenige Jahre<br />
später von den Nazis konfisziert wurden.<br />
Nun ist eine Rekonstruktion der Museumsgeschichte<br />
zu sehen, und für vier Monate<br />
sind auch die Werke der ganz Großen<br />
wieder nach Essen zurückgekehrt.<br />
Foto: Museum Folkwang, Essen
Michael Ehnert<br />
Das Tier in mir – Deutschland primat<br />
6.–8. 5. // Vorpremieren in Aachen, Göttingen, Plön<br />
ab 8. 6. // Hamburger Kammerspiele<br />
Er ist der Meister des epischen Form:<br />
Wie bisher kein anderer Kabarettist hat er<br />
bereits in seinem ersten Soloprogramm<br />
„Mein Leben“ klargemacht, warum er mit<br />
klassischem Kabarett nichts mehr anfangen<br />
kann, wieso er keinen eindeutig beziehbaren<br />
Standpunkt mehr einnehmen<br />
kann und warum er dennoch auf die Bühne<br />
geht. Ehnert ist außerdem einer der<br />
wenigen seiner Zunft, die gerne plötzlich<br />
mit jeglicher Ironie brechen. Das sind die<br />
Matze Knop<br />
Momente, in denen sein Programm zum<br />
Stillstand kommt und Ehnert völlig ernst<br />
wird – aber eben nicht kitschig-pathetisch.<br />
Er zwingt sein Publikum in die Vollbremsung,<br />
und mit einem Schreck fährt<br />
diesem ein Erkenntnismehrwert in die<br />
Glieder. Im neuen Programm will sich der<br />
Ehnert mit der zunehmenden Relativierung<br />
von Standpunkten kritisch auseinandersetzen<br />
– bahnt sich da etwa erneut<br />
ein Paradigmenwechsel an?<br />
Operation Testosteron (DVD, Spassgesellschaft!)<br />
Operation Testosteron (Live) 3. 6.– 20. 11. // Hildesheim, Wipperfürth, Aschaffenburg,<br />
Bremen, Aurich, Cloppenburg, Kaiserslautern, Mendig, Bad Harzburg,<br />
Malsch, Hennef, Witten, Basel, Hückeswagen, Mülheim, Schwerte, Bünde<br />
Obwohl er in den letzten Jahren bis zu<br />
250 000 Besucher in seine Shows locken<br />
konnte, ist Matze Knop den meisten<br />
Menschen schlicht nicht bekannt. Und<br />
das, wo auch sie ihn so oft sehen. Knop<br />
imitiert und persifliert gerne Personen des<br />
öffentlichen Lebens. Nein, Politiker nicht,<br />
er ist schließlich Comedian. Knop geht<br />
dahin, wo er sich auskennt: ins TV-Showbizz,<br />
und hier dorthin, wo es weh tut.<br />
Gerne und oft war er Partner von Oliver<br />
Pocher in dessen Einspielern aus der FC-<br />
Bayern-WG, wo er den Comedy-Titanen<br />
immer an die Wand spielte. In seiner Paraderolle<br />
als Franz Beckenbauer wird er<br />
gar in Talkshows eingeladen. Live auf der<br />
Bühne und jetzt auch auf DVD hingegen<br />
gibt Matze Knop den klassischen Comedian,<br />
der, wie Mario Barth auch, sein Leben<br />
zum Zentrum des Programms macht.<br />
Wem das zu wenig ist: Aufgelockert wird<br />
der Abend immer wieder durch Videoeinspieler,<br />
in denen Knop sein phänomenales<br />
Sprachgefühl, seine treffsichere Körpersprache<br />
und sein Einfühlungsvermögen<br />
in die Ticks und Absonderheiten seiner<br />
kopierten Helden unter Beweis stellt.<br />
Knop hat im Vergleich zu einem Mario<br />
Barth so verdammt viel Talent. Er hat es<br />
bei weitem noch nicht ausgeschöpft.<br />
Buddy Ogün<br />
V.I.P. Was’ los! (DVD, Spassgesellschaft!)<br />
„V.I.P. Was’ los!“-Tour 7. 5.–9. 10. // Deutschlandtournee<br />
Buddy Ogün ist ein Phänomen. Über den<br />
Menschen, der diese Kunstfigur erschaffen<br />
hat, weiß man nichts, der war in diesem<br />
Punkt bereits absolut professionell,<br />
als seine Videoclips ab 2007 zuerst nur<br />
von wenigen, dann aber in atemberaubender<br />
Geschwindigkeit von immer mehr<br />
YouTube-Schauern angeklickt wurden. Was<br />
macht Ogün? Zunächst: Er kann Milieuzugehörigkeit<br />
auf ein Klingelzeichen hin<br />
perfekt wechseln, von tumb auf intelligent<br />
umschalten, von aggro auf kuschelig-unterwürfig.<br />
Die Parodie z. B. auf das Klischee<br />
eines Möchtegerngangsters entwickelt<br />
sich weniger in der Rolle des Ogün<br />
Bastürk selbst als vielmehr im rasanten<br />
Rainald Grebe<br />
Wechsel hin zu den anderen Rollen: der<br />
von Alman, dem Bruder von Denise, der<br />
Rolle von Sönkes Freund oder der von<br />
Florian, der in der WG von Sönkes Freund<br />
wohnt. Die schnellen Wechsel der Rollen<br />
erfolgen ausschließlich am Telefon und<br />
funktionieren perfekt über die Sprache,<br />
die in unserer Gesellschaft (fast) alles<br />
bestimmt – und auch verrät. In all diesen<br />
Fällen ist es das Aufgesetzt-Affektierte,<br />
das uns zeigt: Hier stimmt nix, hier ist<br />
alles nur Fassade, und alle sind gleich.<br />
Der Türke aus dem Hamburger Vorort hat<br />
mit kulturell interessierten und im Asta<br />
aktiven Studenten in der Innenstadt mehr<br />
gemein, als beiden lieb sein dürfte.<br />
Rainald Grebe: Die besten Lieder meines Lebens (DVD, Broken Silence)<br />
Rainald Grebe und die Kapelle der Versöhnung: Sommer spezial<br />
1.–30. 6. // Hamburg, Münster, Köln, Darmstadt, Karlsruhe, Mülheim, Bremen,<br />
Oldenburg, Hannover, Leipzig<br />
Ganz alleine am Klavier hat Rainald Grebe<br />
im Berliner Admiralspalast vor vollem<br />
Haus die DVD eingespielt, die laut Titel<br />
die besten Lieder seines Lebens enthält.<br />
Ein paar Songs fehlen – leider. So die legendäre<br />
Präsidenten-Nummer, in der Grebe<br />
das Unnütze, Lächerliche und Selbstbetrügerische<br />
einer Repräsentationsfigur<br />
wie der des Bundespräsidenten offenbart.<br />
Es kann nur einen Grund geben: Sie lässt<br />
sich ohne Band nicht adäquat spielen.<br />
Apropos Band: Nur noch diesen Monat<br />
müssen Grebe-Fans sich mit der DVD-<br />
Konserve begnügen, dann kommt der<br />
Entertainment // live 67<br />
Meister der Mischung aus Nonsens und<br />
Liedermaching wieder auf Tour – mit Unterstützung<br />
seiner Kapelle. Im Interview<br />
auf der DVD erklärt Grebe, wie ihm, der<br />
seine Jugend fast komplett ohne die Sozialisation<br />
von Rock und Pop verbrachte,<br />
die Band neue Wege eröffnete. Das<br />
stimmt: Grebe rockt. Er rockt immer mehr,<br />
je länger er sich dem Band-Experiment<br />
hingibt. Der Entlarver des Spießigen im<br />
Alternativbürgerlichen („30jährige Pärchen“)<br />
entwickelt sich eben immer weiter.<br />
Mal seh’n, wo das noch hinführt!<br />
kulturnews 5/10
68 musik // Pop, Rock + Dance<br />
Platte des Monats<br />
Andrew Collberg<br />
On the Wreath<br />
SONGWRITER-<br />
POP<br />
Groove<br />
Attack<br />
Kaum steigt die Temperatur in wohlige<br />
Plusbereiche, sitzen die Filzmützen wieder<br />
lockerer und die Cordhosen auf Hochwasser.<br />
Und weil die jungen Liedermacher<br />
meist noch wenig zu erzählen haben, beklampfen<br />
sie natürlich die Schönheit der<br />
Mädchen. Andrew Collberg reiht sich hier<br />
mit seinen 21 Lenzen tadellos ein, mixt<br />
Saitengesäusel, sandige Pedal-Steels und<br />
entspannte Bläser so reibungslos, dass<br />
man seinen Dolch schon im Herzen von<br />
Jason Mraz stecken sieht. Der gebürtige<br />
Schwede transportiert jene verträumte Vielschichtigkeit<br />
der frühen Shout Out Louds<br />
in seine neue Heimat Arizona. Klar, das<br />
gibt’s wie Sand am Meer, aber warum diskutieren,<br />
wenn als einzige Antwort käme:<br />
„Chill, Dude!“ Collberg bedient diese<br />
Nische äußerst gekonnt. Und die nächste<br />
Chilloutsession mit seufzenden Girls kommt<br />
bestimmt. (ms)<br />
kulturnews 5/10<br />
-Bewertung<br />
4//<br />
Foals<br />
Total Life forever<br />
DANCEROCK<br />
Warner<br />
Angus & Julia Stone<br />
Down the Way<br />
FOLKPOP<br />
Rough<br />
Trade<br />
5//<br />
Die Foals haben den Sound von 2008 definiert,<br />
indem sie auf ihrem Debüt die Dynamik elektronischer Clubmusik ins Bandformat<br />
übersetzten. Songs wie „Cassius“ und „Balloons“ wurden zu Hits, obwohl sie zugunsten<br />
mathematischer Rhythmusarbeit auf eingängige Refrains verzichteten. Beim Nachfolger<br />
hätte sich das Quintett aus Oxford alles erlauben können. Stattdessen orientieren sie<br />
sich an konventionellen Songstrukturen und emotionalen Popmomenten – für die Querdenker<br />
der denkbar mutigste Schritt. Nachdem er beim Debüt meist dem Sprechgesang<br />
verfiel, croont sich Yannis Philippakis plötzlich durch Songs wie „Blue Blood“ und erinnert<br />
oft an Cure-Sänger Robert Smith. Stadionhymnen wie „Miami“ sind Bloc Party seit<br />
ihrem ersten Album schuldig geblieben, und der melancholische Siebenminüter „Spanish<br />
Sahara“ ist ein radikaler Befreiungsschlag. Passend dazu sind auch Philippakis’ Texte<br />
sehr viel persönlicher: Zwar gibt es mit den Bezügen auf den US-Futuristen Raymond<br />
Kurzweil noch immer einen gedanklichen Überbau, doch zwischen den Zeilen versteckt<br />
der Foals-Sänger komplett uncodierte Gedanken. Sie hätten grandios scheitern können,<br />
doch weil sie bei aller Eingängigkeit die komplexen Untertöne und ihren charakteristischen<br />
Sound nie ganz aus den Augen verlieren, sind die Foals über jeden Banalitätsverdacht<br />
erhaben. „Total Life forever“ definiert ganz sicher nicht den Sound von 2010,<br />
doch es zählt zu den besten Alben des Jahres. (cs)<br />
1=grausig bis 6= genial<br />
5//<br />
Nur zwei weitere Gründe, um sich in<br />
Angus & Julia Stone zu verlieben: „If you<br />
love me, I’ll make you a star in my universe,<br />
you’ll never have to go to work, you’ll<br />
spend everyday shining your light my way“,<br />
verspricht Julia mit ihrer kantig-prägnanten<br />
Stimme in „For you“. Und Angus<br />
steht ihr in nichts nach, wenn er zu Beginn<br />
von „Hush“ mit klarer Jungsstimme<br />
haucht: „If you wake to find you’re alone,<br />
call me up on the telephone, and I’ll say<br />
,Come on ’round, kick up your feet, I’ll<br />
check to see if your heart still beats.‘“<br />
Nachdem das Geschwisterpaar aus Sydney<br />
mit seinem Debüt „A Book like this“ die<br />
Folkfans in aller Welt erobert hat, legen<br />
sie jetzt nach. Wirklich verändern mussten<br />
sie nichts; mal versetzen sie ihre Akustiksongs<br />
mit Pop, mal mit sanftem Rock.<br />
Dabei bleiben die Stones ihrer strikten<br />
Arbeitsteilung treu: Wer den Song geschrieben<br />
hat, übernimmt das Mikro, während<br />
sich der andere um die Arrangements kümmert,<br />
die ihre herzerweichenden Kompositionen<br />
abrunden. Weil „Down the Way“<br />
während ihrer Dauertour in den letzten<br />
zwei Jahren entstand, spielten sie das Album<br />
an so kuriosen Orten wie einem Sägewerk<br />
in Cornwall oder einem riesigen Wassertank<br />
im australischen Coolangatta ein,<br />
und auch den Produzentenjob übernahmen<br />
sie gleich selbst. (cs)<br />
Band Of Horses<br />
Infinite Arms<br />
INDIEPOP<br />
Sony<br />
Music<br />
Wer so schwelgt wie die Band Of Horses,<br />
wer sich so lustvoll suhlt im Epischen und<br />
die Nüstern derart weitet, um Melancholie<br />
einzusaugen, bis sie sich in ein Aphrodisiakum<br />
verwandelt, dem kann keine Krise<br />
etwas anhaben, im Gegenteil: Sie ist sein<br />
Elixier. Schon das Eröffnungsstück „Factory“<br />
glänzt mit geschlagenen Akustikgitarren<br />
vor einem Meer aus Streichern, in dem die<br />
hohe, durchweg in die Ferne gemischte<br />
Stimme Ben Bridwells schwerelos schwebt.<br />
Nicht immer strebt der Sound so entschlossen<br />
nach Übergröße, doch alle Songs, auch<br />
die streicherlosen, feiern konsequent die<br />
Emphase. Das alles ist produziert mit viel<br />
Retropatina. Es riecht und schmeckt nach<br />
Popunschuld, nach 60ern (man beachte<br />
die Beats in „Compliments“ oder die E-<br />
Sitar in „Trudy“), manchmal nach dem versonnenen<br />
Harmonypop von America („Infinite<br />
Arms“), nach großen Fluchten also –<br />
und jener Aufbruchseuphorie, die eigentlich<br />
nur frischen Bands eigen ist. Doch die<br />
Band Of Horses aus South Carolina entstand<br />
bereits 2004, und das auch noch<br />
aus den Trümmern einer Vorgängerband.<br />
Dieses Quintett ist schon da, wo die Fleet<br />
Foxes erst hinkommen müssten – wenn<br />
sie jetzt überhaupt noch wollten. (mw)<br />
Booka Shade<br />
More<br />
ELEKTROPOP<br />
Universal<br />
5//<br />
5//<br />
Anfang des Jahrtausends waren Arno<br />
Kammermeier und Walter Merziger Musikberater<br />
für Star Search, sie komponierten<br />
für die Werbung und belieferten Acts wie<br />
Culture Beat und No Angels mit Radiohits.<br />
Dann gründeteten sie ihr Label Get Physical,<br />
auf dem sie als Produzenten für die<br />
Etablierung von Elektrohouse und Minimal<br />
Techno sorgten. Doch so sehr sich die<br />
beiden mit ihrem eigenem Projekt Booka<br />
Shade auch bemühten, düstere und sperrige<br />
Alben zu veröffentlichen: Um Clubund<br />
Szenehits wie „Body Language“ kamen<br />
sie nicht herum. Heute zählen Booka<br />
Shade zu den weltweit erfolgreichsten<br />
Elektroacts, die sowohl in den größten<br />
Clubs als auch auf Rockfestivals funktionieren.<br />
Mit ihrem vierten Album trauen<br />
sie sich jetzt endlich, all die Erfahrungen<br />
ihrer Chartspopzeit zu nutzen. Sie wissen<br />
mit der ganz großen Studiotechnik umzugehen,<br />
und auf „More“ setzen sie sie ein,<br />
um das Maximum an unpeinlicher Tanzbarkeit<br />
rauszuholen. Da ist der von Chelonis<br />
R Jones gesungene Neohouse-Ohrwurm<br />
„Bad Love“, das atmosphärische<br />
„Teenage Spaceman“ und vor allem mit<br />
„Regenerate“ die Ravehymne dieses Sommers.<br />
Doch Booka Shade sorgen sich<br />
auch um die Albumdramaturgie, indem<br />
sie die Tanzflächenfüller etwa mit einem<br />
Soft-Cell-Zitat oder einer Hommage ans<br />
Schweizer Duo Yello durchsetzen. Und<br />
genau das hievt „More“ auf eine Ebene<br />
mit Genreklassikern von Underworld, Daft<br />
Punk oder den Chemical Brothers. (cs)<br />
Broken Social Scene<br />
Forgiveness Rock Record<br />
INDIEROCK<br />
Rough<br />
Trade<br />
5//<br />
Sie verraten den Kollektivgedanken – und<br />
man hört es nicht. Als Kanada vor etwa<br />
zehn Jahren zu einem der wichtigsten Länder<br />
auf der Indiepopkarte wurde, lag das<br />
nicht zuletzt an Broken Social Scene. So<br />
ziemlich jeder, der in den Musikszenen<br />
von Montreal und Toronto wichtig war,<br />
mischte bei dem Bandprojekt kreativ mit,<br />
und sowohl „You forgot it in People“ als<br />
auch „Broken Social Scene“ zählen zu den<br />
wichtigsten Alben des letzten Jahrzehnts.<br />
Jetzt, nach fünf Jahren Plattenpause, hat<br />
sich um die beiden Initiatoren Kevin Drew<br />
und Brendan Canning erstmals ein eingespieltes<br />
Kernsextett gebildet, das sogar mit<br />
John McEntire (Tortoise) einen Produzenten<br />
zur Seite hatte. Natürlich sind trotzdem<br />
unzählige Gäste dabei; neben den üblichen<br />
Verdächtigen auch Jason Tait (Weakerthans)<br />
oder Sebastian Grainger. Und trotz der<br />
Stammformation bleiben BSS unberechen-
ar: Mit nahezu jedem Song wechseln sie<br />
das Genre, selbst innerhalb der Songs bieten<br />
sie unverschämt viele Hooks und Richtungswechsel.<br />
Da konzentriert sich „Chase-<br />
Scene“ mit Discostreichern voll auf den<br />
Groove, während „Water in Hell“ dem<br />
schraddeligen Alternativesound der 90er<br />
Referenz erweist. Da haben sie mit dem<br />
Instrumentalsong „Meet me in the Basement“<br />
ein Krautrockmonster, während sich<br />
„Romance to the Grave“ in einen Ambientkokon<br />
hüllt. Und für den absoluten Höhepunkt<br />
der Platte schauen noch mal alle<br />
Genossen der guten alten Zeit vorbei: Feist,<br />
Amy Millan und Metrics’ Emily Haines befeuern<br />
die flirrende Indiepophymne „Sentimental<br />
X’s“. (cs)<br />
Chapelier Fou<br />
613<br />
Pop, Rock + Dance // musik 69<br />
ELEKTROPOP<br />
Cargo<br />
5//<br />
Chapelier fou bedeutet frei übersetzt „verrückter<br />
Hutmacher“. Und schon ploppen<br />
Assoziationen auf wie Werbe-Pop-ups für<br />
Lewis Carrolls unendliche Märchenwelt.<br />
Aber damit hat Chapelier Fou alias Louis<br />
Warynski im wahrsten Sinne des Wortes<br />
nichts am Hut. Der 24-jährige Franzose<br />
geht zum Glück ganz eigene Wege. „613“<br />
ist sein erstes Album auf Yann Tiersens<br />
Hauslabel „Ici d’ailleurs“. Warynski verschmilzt<br />
Klassik und Elektronik, schafft<br />
verspielte Klänge und aufbrausende Melodien.<br />
Ständig pendelt man zwischen Orchesterraum<br />
und Traumland hin und her<br />
und fühlt sich mal erinnert an kurvenreiche<br />
Vespafahrten durch Paris oder ans<br />
Dahingleiten in einer venezianischen Gondel.<br />
Eine Metapher vom Wunderland –<br />
vom Wunderland des Kompositionstalents<br />
Warynski. Keins seiner Stücke fällt qualitativ<br />
ab, alle haben sie Tiefgang, sind<br />
packend und ein wenig verrückt. Und so<br />
passt sein Name dann doch wieder. (ml)<br />
St. Pauli Einhundert (Indigo) umfasst 100 Songs von<br />
100 Bands sowie ein 100-seitiges Buch mit 100<br />
Künstlerstatements, und das alles zum 100. Geburtstag<br />
des Hamburger Kultvereins. So ein Projekt<br />
gab’s noch nie für einen Kickerclub. Von den<br />
Dickies bis Turbonegro sind alle dabei. Jetzt muss<br />
der FC St. Pauli nur noch aufsteigen …<br />
Geschichten, Interviews, Porträts:<br />
Noch mehr online unter<br />
www.kulturnews.de<br />
Deftones<br />
Diamond Eyes<br />
ALTERNATIVE<br />
METAL<br />
Warner<br />
Um die Deftones war es in den letzten<br />
Jahren auffällig still geworden. Was zum<br />
einen an der sowieso eher langsamen Produktionsweise<br />
der Kalifornier lag, zum<br />
anderen aber auch daran, dass Bassist<br />
Chi Cheng nach einem Autounfall lange<br />
im Koma lag. Vorübergehend schrubbt<br />
nun Quicksands Sergio Vega den Bass.<br />
Möglicherweise eine Initialzündung, denn<br />
dieses sechste Album ist wieder eine ganze<br />
Spur härter als seine Vorgänger. Ein<br />
tiefengesättigter Sound, wuchtige Gitarren<br />
und eine durchaus wieder hörbare Metalattitüde<br />
– die Deftones graben sich schnurgerade<br />
zu ihren Wurzeln zurück und wildern<br />
mit gestöhntem Sprechgesang und<br />
Schnarrgitarren sogar zeitweise in alten<br />
Korn-Revieren. Dazu werden die zeitweise<br />
übermächtig gewordenen Synthies vom<br />
verschwurbelten Artrockniveau wieder auf<br />
hymnische Refrains heruntergebrochen.<br />
Das tut gut: „Diamond Eyes“ fräst sich in<br />
Windeseile in die Gehörgänge und könnte<br />
damit ein würdiger Nachfolger für den<br />
Meilenstein „White Pony“ werden. (es)<br />
Dirtmusic<br />
BKO<br />
AFROROCK<br />
Indigo<br />
4//<br />
4//<br />
Page & Plant dürften sich wie Ideengeber<br />
fühlen. Denn auch das Rocktrio Dirtmusic<br />
– bestehend aus den drei bekannten<br />
Nasen Chris Eckman (Walkabouts), Chris<br />
Brokaw (Lemonheads) und Hugo Race –<br />
reiste nach Afrika und hatte dort derart<br />
viel Spaß mit einheimischen Musikern,<br />
dass flugs ein gemeinsames Album aufgenommen<br />
wurde, welches genauso erdig<br />
klingt wie das Cover aussieht. Die Gäste –<br />
allen voran das Tuareg-Trio Tamikrest –<br />
liefern zum Glück mehr als nur exotischen<br />
Zierat. Mit Gesängen, Juchzen, Afrogitarre<br />
und viel Perkussion bepinseln sie den<br />
elektrischen Rocksound, bis wirklich ein<br />
schön anzuschauendes Ethnorockgemälde<br />
entsteht, wenn auch mit manch<br />
schriller Farbkombination („Niger Sundown“).<br />
Das Konzept funktioniert sogar<br />
kulturnews 5/10
17.11. Wien Stadthalle<br />
19.11. Dresden Kulturpalast<br />
20.11. Nürnberg Meistersingerhalle<br />
21.11. Berlin Tempodrom<br />
23.11. Hannover Theater am Aegi<br />
24.11. Hamburg CCH 2<br />
25.11. Bochum RuhrCongress<br />
26.11. Trier Arena<br />
28.11. Frankfurt Jahrhunderthalle<br />
30.11. München Philharmonie<br />
Shooter Promotions präsentiert<br />
Tour 2010<br />
www.someren.de<br />
01.12. Stuttgart Liederhalle<br />
02.12. Zürich Kongresshaus<br />
04.12. Ravensburg Oberschwabenh.<br />
05.12. Freiburg Konzerthaus<br />
06.12. Rosenheim Ku‘Ko<br />
08.12. Münster Halle Münsterland<br />
09.12. Heilbronn Harmonie<br />
10.12. Düsseldorf Philipshalle<br />
11.12. Bielefeld Stadthalle<br />
Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen!<br />
Telefonische Kartenreservierung: 01805-570070<br />
(0,14 €/Min. aus dem deutschen Festnetz Mobilfunkpreise max. 0,42 €/Minute)<br />
Im Internet unter: www.eventim.de<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
70 musik // Pop, Rock + Dance<br />
bei Covers wie Velvet Undergrounds „All<br />
tomorrow Parties“, dem exotisches Geklöppel<br />
jede urbane Düsternis austreibt.<br />
Ry Cooder wird sich jedenfalls in den Hintern<br />
beißen, weil er nicht eingeladen war.<br />
Als Bonus gibt es eine DVD mit Dokumentation<br />
und Liveaufnahmen. (mw)<br />
Diverse<br />
Kitsuné Maison Compilation 9:<br />
The Cotton Issue<br />
FRENCH<br />
ELEKTRO<br />
Rough<br />
Trade<br />
Die „Kitsuné Maison“-Sampler lassen<br />
uns jedes Jahr aufs Neue wissen, wer gerade<br />
angesagt ist in Sachen Elektro und<br />
Indierock. Das französische Label ist berühmt<br />
dafür, Trends früh zu erkennen und<br />
zu prägen. Für die neunte Ausgabe der<br />
Kompilation reisten die Macher nun zurück<br />
in die 90er und ließen sich dort von Lounge<br />
und Chillout inspirieren. Steht uns also<br />
ein Comeback der Daunenklänge bevor?<br />
Auf der „Cotton Issue“ jedenfalls werden<br />
diese Genres geschickt mit feinstem Elektropop<br />
von Yuksek, Crookers und Two Door<br />
Cinema Club verbunden, und fürs Abhängen<br />
nach durchtanzten Nächten sorgen<br />
dann Feldberg, The Good Natured und<br />
Monarchy, die mit sanften Beats und Stimmen<br />
das Tempo runterregulieren. (mss)<br />
Ellie Goulding<br />
Lights<br />
ELEKTROPOP<br />
Universal<br />
Was für eine süße Popzuckerschnute! Das<br />
ist der erste Gedanke beim Hören des Debüts<br />
der 23-jährigen Britin. Das geht schon<br />
rein. Was aber wichtiger ist: Ellie Goulding<br />
geht nicht gleich wieder raus. Trotz reichlich<br />
Beats und elektronischen Effekten<br />
auch auf der Stimme steckt im Partyoutfit<br />
nämlich eine echte Songwriterin mit Gespür<br />
für Melodien und Texte. In soften<br />
Soundscapes sinniert Goulding über Beziehungen,<br />
die eigentlich nie eine Chance<br />
haben, oder über die Sinnlosigkeit romantischer<br />
Konventionen. Anders als Kolleginnen<br />
wie Kate Nash oder Lily Allen setzt<br />
sie dabei aber nicht auf einen direkten<br />
Clash von Form und Inhalt. Goulding er-<br />
kulturnews 5/10<br />
5//<br />
4//<br />
zählt keine Alltagsgeschichten, es wird<br />
auch nicht „Fuck“ gesagt. Nein, poetisch<br />
sind ihre Texte, und sie fahren die gleiche<br />
Taktik wie der Sound: Was Ellie Goulding<br />
macht, drängt sich nicht auf – es bleibt<br />
hängen. (kab)<br />
Gisbert zu Knyphausen<br />
Hurra! Hurra! So nicht.<br />
LIEDER-<br />
MACHER<br />
Rough<br />
Trade<br />
Der Erfolg seines Debüts war eine der<br />
größten Überraschungen 2008: ausverkaufte<br />
Konzerte mit textfestem Publikum<br />
und überall nur Lob für den kauzigen<br />
Songwriter, der mit melancholischen Akustiksongs<br />
für eine Renaissance der Berufsbezeichnung<br />
Liedermacher sorgte. Umso<br />
erfreulicher, dass Gisbert zu Knyphausen<br />
mit dem Nachfolger jetzt nicht auf den<br />
großen Durchbruch schielt. Unter der<br />
Regie von Tobias Levin hat er ein düsteres<br />
und introvertiertes zweites Album aufgenommen.<br />
Es ist zwar komplexer arrangiert<br />
und überrascht etwa beim Opener „Hey“<br />
mit einem noisigen Gitarrensturm, doch<br />
auf dem Weg zum echten Bandalbum ist<br />
diese CD nur ein Zwischenschritt. Unverständlich<br />
nur, warum man in seinen Texten<br />
auf so viel Selbsthass stößt. Mit „Melancholie“<br />
beschimpft er sich selbst –<br />
dabei schimmert selbst aus seinen hoffnungslosesten<br />
Zeilen immer noch ein bisschen<br />
Hoffnung. Und „Ich bin ein Freund<br />
von Klischees und …“ muss man fast als<br />
Absicherung verstehen – wo doch gerade<br />
zu Knyphausen wie derzeit kein Zweiter<br />
mit überraschenden Bildern aufwartet.<br />
Vielleicht sollte er sich selbst mal wieder<br />
„Kräne“ anhören: Der unangefochtene<br />
Albumhöhepunkt zählt zu den besten<br />
Songs, die je über Hamburg geschrieben<br />
wurden. (cs)<br />
Grovesnor<br />
Soft Return<br />
ELEKTROPOP<br />
Alive<br />
4//<br />
3//<br />
Wenn einer von Hot Chip was am Start<br />
hat, ist man immer geneigt, das präventiv<br />
gut zu finden. Bei Grovesnor, dem Projekt<br />
von Rob Smoughton, sollte man trotzdem
Pop, Rock + Dance // musik 71<br />
Der in Berlin lebende Schweizer Robi<br />
Insinna ist ein gefragter DJ und Produzent,<br />
remixt Bands wie The Gossip und Franz<br />
Ferdinand, veröffentlicht unter den Pseudonymen<br />
Manhead und Headman Dancealben,<br />
betreibt sein eigenes Nu-Disco-<br />
Label „Relish“ und ist nebenbei auch<br />
noch Grafiker und Maler. Uff. Von Stress<br />
ist auf seinem viertem Album aber nichts<br />
zu spüren. „1923“ versprüht das kühle<br />
Flair der frühen 80er und soll die musikalische<br />
Umsetzung der klaren Linien des<br />
Bauhaus-Stils sein. Das klappt: Disco,<br />
Postpunk und Techno laufen zu einer reduzierten<br />
Tanzplatte zusammen, die von ,<br />
düsteren Bässen und fragmentarischen<br />
Textzeilen gleichermaßen lebt. Die Verbeugung<br />
vor den 80ern gipfelt in „Gimme“,<br />
wo Yello-Sänger Dieter Meier als grummeliger<br />
Alter gegen flotte Beats ansingt – was<br />
man ironisch nehmen oder hassen kann.<br />
Dafür veredelt Steve Mason von der Beta<br />
Band das flirrende „Private Show“, während<br />
„Blue Boys“ sich in dunkler Zurückhaltung<br />
übt und „Assassin“ freudig vor sich<br />
hinknarzt. Auch wenn es für den großen<br />
Wurf etwas zu abstrakt ist und die zwingenden<br />
Hooks fehlen: Als puristische Danceperle<br />
geht „1923“ allemal durch. (kat)<br />
Jamie Lidell<br />
Compass<br />
genauer hinhören – oder eben auch nicht.<br />
Wenn schon auf dem Beipackzettel gefragt<br />
wird, ob diese auf Disco getunte<br />
Fahrstuhlmusik (die dort viel eleganter<br />
„Future Pop“ heißt) ernst gemeint ist –<br />
dann ist sie es vielleicht. Oder auch nicht.<br />
Im Endeffekt egal: Ernst nehmen kann und<br />
FUNKPOP<br />
muss man sie nicht. Was uns Grovesnor<br />
hier als „Soft Return“ unterjubeln will, ist<br />
nämlich nichts weniger als eine unsanfte<br />
Rough<br />
Trade 5//<br />
Rückkehr der 80er, inklusive ihrem Jeder Versuch, Jamie Lidell anhand sei-<br />
Kitsch. Das kann auch mal gutgehen. nes Werdegangs so zu beschreiben, dass<br />
„Nitemoves“ zum Beispiel haftet eine an- auch nur ein halbwegs richtiges Bild<br />
rührende Zerbrechlichkeit und Unentschlos- dabei entsteht, muss scheitern. Zu vielseisenheit<br />
an. „Dragon Tree“ verhebt sich tig, der Mann! Vom Dancefloorproduzen-<br />
stimmlich so sehr, dass es verdammt ten wurde er zum Retrosouler, doch auch<br />
charmant klingt. Und der instrumentale das war nur eine Episode im Leben Lidells.<br />
Titeltrack darf gar als jazzig bezeichnet „Compass“ hat mit seinem Vorgängeralbum<br />
werden. Insgesamt gehen diese Schman- „Jim“ nämlich nur noch wenig zu tun.<br />
kerl dann aber doch zu sehr unter in Syn- Soul und Funk bleiben zwar Bestandteile<br />
thiegeblubber und Banalbeats. (kab) von Lidells Musik – alles andere wäre<br />
auch ein Jammer gewesen bei einem, der<br />
schon mit Prince verglichen wurde. Doch<br />
Headman<br />
Elektro und schräges Songwriting grät-<br />
1923<br />
schen in den Sound und bewahren ihn<br />
vor jeder Form von Gefälligkeit. Dieser<br />
NEW WAVE<br />
Groove<br />
Attack<br />
Kompass zeigt keine Richtung auf, sondern<br />
zelebriert vielmehr das Suchen danach<br />
in relaxter Selbstverständlichkeit – und<br />
auf höchstem musikalischen Niveau. (kab)<br />
4//<br />
Juan MacLean<br />
DJ-Kicks<br />
ELEKTROROCK<br />
Alive<br />
3//<br />
Zur Ehre, eine „DJ-Kicks“-CD zu gestalten,<br />
kamen seit jeher nur ausgewählte<br />
Musiker. Namen wie Booka Shade oder<br />
Kruder & Dorfmeister standen für eine<br />
Qualität der Mixes, wie sie eben nicht<br />
jeder Dorf-DJ zustande bringt. Jetzt darf<br />
sich als 32. auch Juan MacLean, Gründer<br />
des Dancelabels DFA, zum erlauchten<br />
Kreis zählen. Seinem alten Hang zum<br />
Dancepunk frönt er hier aber nicht, sondern<br />
konzentriert sich auf House. Dieser<br />
Wechsel klingt interessant, doch beim<br />
Reinhören stellt man fest: Die Songauswahl<br />
ist, gutmütig betrachtet, zwar konzeptionell<br />
konsequent, bei kritischer Beobachtung<br />
aber durchwachsen. Sie reißt<br />
kaum mit, klingt manchmal zu kitschig,<br />
stimmlastig, zu luftig-leicht. Dem Mix hätten<br />
ein, zwei Songs mehr von der Sorte<br />
„Like a Child“ – der uns in den Magen boxt<br />
und auf die Tanzfläche zieht – gut zu Gesicht<br />
gestanden. So allerdings bleibt das<br />
Wichtigste eines DJ-Sets, die Interaktion<br />
mit dem Hörer, leider auf der Strecke. (ml)<br />
kulturnews 5/10<br />
DAS ALBUM <br />
AB JUNI IM HANDEL<br />
DIE SINGLE <br />
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Das Album „PLÄNE FÜR DIE ZUKUNFT“<br />
inkl. der SINGLE „WENN DU MICH BRAUCHST“<br />
ab Mai überall im Handel<br />
25.05.10 Leipzig Moritzbastei<br />
26.05.10 Berlin Magnet<br />
27.05.10 Hamburg Grüner Jäger<br />
28.05.10 Köln MTC<br />
29.05.10 Darmstadt Schlossgrabenfest<br />
30.05.10 Wien Chelsea<br />
31.05.10 München Backstage<br />
02.06.10 Hannover Capitol*<br />
04.06.10 Nürburgring Rock am Ring<br />
05.06.10 Nürnberg Rock im Park<br />
08.06.10 Zürich Hafenkneipe<br />
09.06.10 Stuttgart Universum<br />
10.06.10 Paderborn Sommerfestival<br />
12.06.10 Kirchanschöring Im Grünen Festival<br />
17.07.10 Aubing Open Air am Lußsee<br />
10.08.10 München Theatron<br />
21.08.10 Hannover Bootboohook Festival<br />
23.10.10 Bayreuth Komm<br />
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Fertig, Los! präsentiert von Prinz, Intro und Piranha.<br />
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72 musik // Pop, Rock + Dance<br />
Julia A. Noack<br />
69.9<br />
FOLKPOP<br />
Timezone<br />
Im Sommer 2007 überzeugte die Berliner<br />
Musikerin Julia A. Noack auf ihrem Album<br />
„Piles & Pieces“ als zupfende Folklady. Mit<br />
schlichtschönen Songs wie damals wartet<br />
sie auch diesmal auf, doch nun stecken<br />
sie dank der ambitionierten Produktion (verantwortlich:<br />
Gerald Oppermann und die<br />
Künstlerin selbst) in einem erheblich vielfältigeren<br />
Klangkleid. Dem programmatischen<br />
„Redefine“ fahren elektronische Störer<br />
in die Parade, in „Sudden Twist“ dräut<br />
die Orgel unheilvoll, und das geheimnisvoll<br />
geraunte Titelstück verzichtet zwar<br />
auf den Beat, nicht aber auf geisterhafte<br />
Stimmen, die dem Song die Aura eines<br />
japanischen Gruselfilms verleihen. „Me &<br />
the AD“ will dann fast schon Schunkelpop<br />
sein, doch Noacks wahre Persona ist noch<br />
immer die der zupfenden Folklady; das<br />
vermögen auch die Soundtricksereien nicht<br />
zu verbergen. Sehr ohrenfällig wird das<br />
im Genremix „Bee buzzin’“, wo der intime<br />
Charme ihres Folks auf Passagen im fast<br />
schon Smith’schen Indiepopstil trifft – und<br />
gewinnt. (mw)<br />
LCD Soundsystem<br />
This is happening<br />
DANCE-<br />
CROSSOVER<br />
Capitol<br />
Er ist eine Liebeserklärung ans Jetzt,<br />
doch vor allem ist der Titel des neuen Albums<br />
eine Drohung: James Murphy hat<br />
erklärt, nach dem dritten Album und der<br />
anschließenden Welttour mit LCD Soundsystem<br />
Schluss zu machen. Besonders<br />
bitter, denn der New Yorker Dancepunkerfinder<br />
und Gründer des DFA-Labels ist so<br />
gut wie nie zuvor. „You wanted a hit, but<br />
maybe we don’t do hits, I try and try, it<br />
ends up kind of wrong“, heißt es in „You<br />
wanted a Hit“ – gelogen! Schon „Dance<br />
yrself clean“ ist eine dramaturgische Meisterleistung<br />
in neun Minuten, die mit Perkussion<br />
und verhaltenem Singalong beginnt<br />
und natürlich auf der Tanzfläche<br />
endet. Die Single „Drunk Girls“ schrammelt<br />
mit ihrer Anlehnung an den Blur-Hit<br />
„Parklife“ haarscharf am Trash vorbei und<br />
kulturnews 5/10<br />
4//<br />
5//<br />
wird gerade deshalb in diesem Sommer<br />
zu den Höhepunkten jeder Clubnacht<br />
zählen. „All I want“ klingt wie einer der<br />
besten Strokes-Songs – wenn die Band<br />
nur jemals Mut zum Experimentieren<br />
gehabt hätte. Und der Sprechgesang von<br />
„Pow Pow“ dockt an LCD-Klassiker wie<br />
„Losing my Edge“ oder „Daft Punk is<br />
playing at my House“ an und wird wegen<br />
seiner verspielten Prolligkeit vor allem in<br />
England für Aufregung sorgen. Wir sollten<br />
einfach mit dem LCD Soundsystem tanzen<br />
– solange wir noch können. (cs)<br />
Le Le<br />
Le Classics<br />
ELEKTROFUNK<br />
Groove<br />
Attack<br />
Statt neue Songs aufzunehmen, wühlten<br />
die drei Niederländer von Le Le in ihrer<br />
Diskografie herum und kramten zehn<br />
Stücke von einstigen EPs und des 2008<br />
in Benelux erschienen Debütalbums „Flage“<br />
heraus. Daraus entstand das Quasi-Bestof<br />
„Le Classics“, in dem sich die gesamte<br />
Skurrilität der Band spiegelt – angefangen<br />
bei „Esperantology“, einer Mixsprache aus<br />
Deutsch, Englisch, Niederländisch, Französisch<br />
und Kauderwelsch, die den funkigen,<br />
durchgeknallten Elektro begleitet, bis<br />
hin zur merkwürdigen Besetzung aus Rapper,<br />
Elektrosurfer und Illustrator. Letzterer<br />
heißt Parra und ist bekannt für seine farbenfrohen<br />
Entwürfe. Natürlich quillt auch<br />
der Sound vor Farbe und Witz nur so<br />
über, wie man auch am Highlight des<br />
Albums, „Skinny Jeans“, erkennen kann.<br />
Der Song war 2008 ein Clubhit in Benelux,<br />
man kann kaum verstehen, was gesungen<br />
wird, doch es klingt wunderbar<br />
entspannt, und die Beats quietschen dazu<br />
angemessen trashig. Überhaupt: Bei „Le<br />
Classics“ kommt Freude auf – auch wenn<br />
die Songs nicht brandneu sind. (ml)<br />
Matthew Herbert<br />
One One<br />
EXPERIMENTAL<br />
POP<br />
Rough<br />
Trade<br />
4//<br />
4//<br />
Pssst, seid mal leise! Habt Ihr das gehört?<br />
Wir befinden uns in Whitstable, Kent, und<br />
da drüben ist das Studio von Matthew
Herbert. Schaut, da sitzt er ja, ganz allein<br />
in einem schwarzen Smoking, umgeben<br />
von zahlreichen Instrumenten und einer<br />
Flasche Rotwein. Muss er sich etwa Mut<br />
antrinken? Schließlich hat er für dieses<br />
Album nicht nur geschrieben und produziert,<br />
sondern auch alles eigenhändig gespielt<br />
und eingesungen. Dabei konnte er<br />
viele der Instrumente anfangs kaum bedienen<br />
und war sehr unsicher, wie sich<br />
sein Gesang machen würde. Doch du<br />
kannst beruhigt sein, lieber Matthew, alles<br />
bestens, auch ohne den Bombast der<br />
2 000 Samples, die wir aus deinen Big-<br />
Band-Zeiten gewohnt sind. Und somit<br />
haben wir hier den wohl persönlichsten<br />
Matthew-Herbert-Moment seit seinem<br />
ersten Auftritt 1995 als Wishmountain,<br />
damals lediglich in Begleitung einer Pfeffermühle.<br />
„One One“ ist der erste Teil einer<br />
Trilogie, deren Abschluss „One Pig“ bilden<br />
wird. Darauf sollen dann wieder Samples<br />
zu hören sein, und zwar die eines Schweins,<br />
das auf einer Farm in Kent aufgezogen,<br />
geschlachtet und verarbeitet wird … Peta<br />
hat sich dazu auch bereits geäußert. Doch<br />
dazu dann später mehr. (suz)<br />
Noisia<br />
Split the Atom<br />
Pop, Rock + Dance // musik 73<br />
DRUM & BASS<br />
Alive<br />
5//<br />
„Split the Atom“ ist Noisias erstes Album,<br />
doch die drei Holländer gehören schon<br />
länger zur ersten Liga im Drum & Bass.<br />
Das verdanken sie ihren Remixen für namhafte<br />
Künstler wie The Prodigy oder Moby,<br />
dem eigenen Label Vision und weltweiten<br />
DJ-Sets. Ihr Debüt ist ein Mix aus Drum &<br />
Bass, Dub und Elektronika; die englische<br />
Band Foreign Beggars steuert auf zwei<br />
Tracks Raps bei, und Noisia gelingt es,<br />
die Grenzen zwischen den verschiedenen<br />
Genres zu verwischen. Sie beweisen damit,<br />
wie variabel und vielfältig Elektronik<br />
sein kann, und greifen Ansätze von Bands<br />
wie Aphex Twin und Massive Attack auf,<br />
die schon in den 90ern anfingen, diese<br />
Genres zu mischen. Die Rückbesinnung<br />
auf 90er-Elektro und dessen Weiterentwicklung<br />
scheint ein aufkommender Trend zu<br />
sein, dem auch Noisia folgt. Und da „Split<br />
the Atom“ eben kein reines Dancealbum<br />
ist, besteht die Platte auch abseits der<br />
Tanzfläche. Insgesamt ein Debüt mit durchweg<br />
eigenständigen Tracks, deren Wirkung<br />
sich jedoch erst dann komplett entfaltet,<br />
wenn man sie am Stück durchhört. (mss)<br />
Ólafur Arnalds<br />
And they have escaped<br />
the Weight of Darkness<br />
KLASSIKPOP<br />
Indigo<br />
Wer Sigur Rós’ Weg in die Fröhlichkeit<br />
nicht mitmachen will und nach Jonsis poppigem<br />
Soloalbum kurz vor der Verzweiflung<br />
steht, kann sich von Ólafur Arnalds<br />
die Seele streicheln lassen. Nicht gerade<br />
zufällig war der 23-Jährige aus Reykjavík<br />
vor zwei Jahren mit Sigur Rós auf Tour,<br />
um sein Debüt „Eulogy for Evolution“ vorzustellen.<br />
Zwar spricht auch Arnalds von<br />
positiver Energie und größerer Zugänglichkeit,<br />
um sein neues Album zu charakterisieren<br />
– doch da hat er selbst wohl eine<br />
sehr eigene Bewertungsskala. Okay, inzwischen<br />
hat er Songtitel, doch da die auf<br />
Isländisch sind, dürfte das für deutsche<br />
Fans nicht viel verändern. Und auch subtil<br />
eingesetzte Synthies oder die Gastauf–<br />
tritte von Bassist Tony Levin bedrohen<br />
weder die majestätische Wirkung der<br />
Streicher noch Arnalds fragiles Pianospiel.<br />
Nur Islandklischees sollte man besser im<br />
Schrank lassen. Einige der Songs entstanden<br />
auf Tour – in München und Braunschweig.<br />
(cs)<br />
Ougenweide<br />
Herzsprung<br />
FOLK<br />
Indigo<br />
4//<br />
5//<br />
Vor einigen Jahren entdeckte ich bei einem<br />
Konzert (wohl von Laurie Anderson)<br />
Frank Wulff unter den Begleitmusikern und<br />
sprach ihn in der Pause an auf die großen<br />
Ougenweide-Zeiten der späten 70er, die<br />
wir geteilt hatten – er auf der Bühne, ich<br />
anonym davor. Er war traurig, dass der<br />
Backkatalog in den Archiven verdämmerte,<br />
trotz des Erfolges aktueller Mittelalterbands,<br />
denen Ougenweide jede denkbare Vorlage<br />
geliefert hatten. Nach 15 Jahren Pause<br />
und neun Jahren Arbeit erscheint nun ein<br />
neues Ougenweide-Album, Frank Wulff<br />
hatte dem Termin entgegengefiebert – und<br />
erlebt nun die Veröffentlichung nicht mehr.<br />
Am 19. März starb er, mit 57, und das<br />
melancholische Werk wird zum Erbe des<br />
grandiosen Multiinstrumentalisten. Es vereint<br />
alle Stärken der Folkband: die instru-<br />
kulturnews 5/10
74 musik // Pop, Rock + Dance<br />
mentale Exotik (was ist eine Nyckelharpa???);<br />
das Verschmelzen von gestern und<br />
heute; die tiefe Verwurzelung in der Folktradition,<br />
die von Tümelei so weit entfernt<br />
ist wie Woody Guthrie von Rednecks –<br />
und natürlich die pure Freude an Klängen,<br />
Melodien und Ensemblespiel. Die<br />
hatte das Hamburger Virtuosenensemble<br />
selbst in den 80ern nicht verloren, als es<br />
sich zu sehr an den Zeitgeist schmiegte<br />
und so an Bedeutung verlor. „Herzsprung“<br />
ist ein großartiges Vermächtnis, das sich<br />
mit Verlust und Vergänglichkeit beschäftigt<br />
und dabei immer den richtigen Ton trifft.<br />
Vielleicht entdeckt ja jetzt jemand den Archivschatz<br />
der alten Ougenweide-Alben<br />
und remastert sie anständig. Man wäre<br />
es dem großen Frank Wulff schuldig. (mw)<br />
Rufus Wainwright<br />
All Days are Nights: Songs for Lulu<br />
PIANOPOP<br />
Universal<br />
4//<br />
Zuletzt trug Rufus Wainwright ganz dick<br />
auf: Mit dem üppig arrangierten Studioal-<br />
bum „Release the Stars“, der Judy-Garland-<br />
Hommage „Milwaukee at last!!!“ und<br />
seiner Oper „Prima Donna“ machte er in<br />
Gigantomanie. Jetzt folgt die radikale Abkehr,<br />
denn mit „All Days …“ vertraut er<br />
nur auf seinen Gesang und das Klavier –<br />
auch wenn der gedankliche Überbau natürlich<br />
trotzdem wieder in den Himmel<br />
ragt: Wainwright will einen klassischen<br />
Kunstliedzyklus à la Franz Schubert schaffen,<br />
mit den Songs verarbeitet er den Tod<br />
seiner Mutter, der Bezug auf Wedekinds<br />
literarische Gestalt Lulu soll den Kampf<br />
mit den inneren Dämonen symbolisieren,<br />
und indem er auch drei Shakespeare’sche<br />
Sonette vertont, kämpft er mal eben mit<br />
Komponisten wie Verdi. Natürlich zeigt<br />
der unverstellte Blick auf seine Songs,<br />
was für ein herausragender Songwriter er<br />
ist. Nicht nur persönliche Bezüge sorgen<br />
für Gänsehaut, etwa wenn er mit „Martha“<br />
seine Schwester anfleht, den Schmerz<br />
über den Verlust der Mutter gemeinsam<br />
durchzustehen. Wainwright brilliert auch<br />
bei den ganz hochgesteckten Zielen, und<br />
so ist das herzergreifende „Sonnet 20“<br />
der Höhepunkt des Albums. Doch die freie<br />
Sicht macht auch deutlich, wie wichtig<br />
bei ihm die Glitzershow ist, um seine Vielseitigkeit<br />
zu unterstreichen: Mit Pomp ist<br />
Wainwright einfach noch ein klein bisschen<br />
besser. (cs)<br />
Sarah Blasko<br />
As Day follows Night<br />
INDIEPOP<br />
Universal<br />
3//<br />
Diese süßsanfte Stimme, eine reduzierte<br />
Instrumentierung, luftigleicht arrangiert:<br />
Dem ersten Song kann man einiges abgewinnen.<br />
Genauso wie den restlichen elf<br />
auf dem dritten Album der Australierin<br />
Sarah Blasko – vorausgesetzt, man hört<br />
sie einzeln. Denn im Paket bietet die 33-<br />
Jährige zu wenig Abwechslung. Klar, was<br />
Blasko da mit Björn Yttling in Schweden<br />
aufgenommen hat, ist kunstvoll angejazzter<br />
Pop, der durchaus Qualitäten hat: Der<br />
Gesang wiegt sich mal bluesig, mal unschuldig<br />
im Ryhthmus von Streichern,<br />
Banjo, Bläsern, alle aufs Nötigste reduziert.<br />
„As Day …“ ist Blaskos erstes Album<br />
ohne Keyboards und E-Gitarren, und die<br />
reduzierte Ästhetik steht ihrer Stimme gut.<br />
Nur baut sie kein eindeutiges Stimmungsbild<br />
auf: Die Songs sind weder fröhlich<br />
noch traurig, weder zornig noch nachdenklich<br />
– und komplett durchgehört fast schon<br />
meditativ langweilig. (kat)<br />
Sennen<br />
Age of Denial<br />
<br />
<br />
SHOEGAZER<br />
Broken<br />
Silence<br />
4//<br />
Shoegaze fällt immer wieder auf die Füße.<br />
Immer wenn man glaubt, der Drops mit<br />
den unzähligen Klangspuren, Soundwabereien<br />
und Effektpedalgetrete sei gelutscht,<br />
kommen wieder Vertreter auf den Plan,<br />
die das Genre neu rechtfertigen. Sennen<br />
könnte eine dieser Bands sein, wenn ihre<br />
Variante, die überraschend geradlinig am<br />
Dreampop vorbeischrammt, sich noch<br />
konsequenter zum Shoegaze bekennen<br />
würde. In süßen Momenten hört man im<br />
dritten Album der Briten leise Asobi Seksu<br />
trapsen, dann wieder Ride vorbeidonnern,<br />
siehe das hervorragend für die Autobahn<br />
geeignete „Can’t see the Light“. Zum<br />
Genredefibrillator fehlen ihnen zwar noch<br />
ein paar Volt, etliche wohlige, kleine Schübe<br />
kann man sich aber durchaus abholen.<br />
Beim nächsten Album einfach noch<br />
ein paar Gitarren mehr dazu, und dem<br />
nächsten Shoegazerevival steht nichts<br />
mehr im Weg. (ms)
The Marble Man<br />
Later, Phoenix<br />
SINGER/<br />
SONGWRITER<br />
Broken<br />
Silence<br />
5//<br />
Er war das deutsche Wunderkind des Jahres<br />
2007. Sein Debüt „Sugar Rails“ brachte<br />
dem Marble Man den Titel eines bayerischen<br />
Conor Obersts ein. Bevor er sich<br />
versah, verschlug es den blutjungen Chiemgauer<br />
vom Dachbodenheimstudio bei seinen<br />
Eltern auf die große Bühne. Josef<br />
Wirnsdorfer scheint das alles ganz gut weggesteckt<br />
zu haben – zumindest ist sein<br />
Songwriting zwar reifer geworden, doch<br />
immer noch genauso unprätentios und<br />
ergreifend wie damals. Die Zutaten sind<br />
ebenfalls dieselben geblieben: Anleihen bei<br />
großen Traurigen wie Elliot Smith und Nick<br />
Drake, kombiniert mit der Lust an verspielten,<br />
doch stets einfachen Arrangements.<br />
Gerade der Hang zum Einfachen ist ihm<br />
beim Arbeiten an Album Nummer zwei<br />
im Profistudio zugutegekommen: Die elf<br />
Songs haben dadurch nichts von ihrem<br />
simplen Charme verloren, und fast jeder<br />
ist ein Anwärter auf den Titel „persönli-<br />
cher Favorit“. Das leicht rockige „Holden“,<br />
das traurige „At the Beach“ oder das fast<br />
freudige „Beautiful Morning“: Alle treffen<br />
sie schnörkellos ins Schwarze. (kat)<br />
The National<br />
High Violet<br />
INDIEPOP<br />
Indigo<br />
5//<br />
National-Sänger Matt Berninger wollte<br />
endlich mal ein fröhliches Album machen<br />
und pflasterte seine Umgebung mit Notizzettelchen,<br />
auf die er lebensbejahende<br />
Botschaften schrieb. Hat nicht funktioniert,<br />
denn die fünfte Platte des aus Ohio stammenden<br />
Exil-New-Yorkers startet gleich<br />
mit „Terrible Love“, und im folgenden „Sorrow“<br />
singt Berninger: „I live in a city sorrow<br />
built, it’s in my honey, it’s in my milk.“<br />
Weil die poetische Schwarzseherei bei<br />
ihm längst auf Autopilot läuft, frohlockt<br />
Berninger lieber melodisch. Zwar ist „High<br />
Violet“ das musikalisch komplexeste National-Album,<br />
bei dem sie ohne Zeitdruck<br />
im eigenen Studio Schicht um Schicht<br />
perfektionieren konnten, doch gleichzeitig<br />
klang das Quartett nie zuvor so eingängig<br />
und hymnenhaft. So bekommen The National<br />
jetzt wohl endlich die verdiente Anerkennung,<br />
und selbst Auskenner, die sie<br />
bereits für „Alligator“ und den meditativen<br />
Vorgänger „Boxer“ als beste Baritonband<br />
der Welt gefeiert haben, werden sich an<br />
Hits wie „Bloodbuzz Ohio“ und „Conversation<br />
16“ nicht satthören können. (cs)<br />
Unbunny<br />
Moon Food<br />
Pop, Rock + Dance // musik 75<br />
FOLKROCK<br />
Indigo<br />
5//<br />
Beim Krisengerede über die Musikindustrie<br />
ist immer wieder zu hören, Plattenfirmen<br />
seien längst überflüssig geworden. Ausgerechnet<br />
vom Hamburger Einmannlabel<br />
Affairs Of The Heart kommt jetzt der überzeugendste<br />
Gegenbeweis. Betreiber Jan<br />
Schewe veröffentlichte hierzulande bereits<br />
vor zwei Jahren mit „Snow Tires“ das Meisterwerk<br />
aus dem Backkatalog des US-Singer/Songwriters<br />
Unbunny alias Jarid del<br />
Deo. Der führt in den USA ein Nomadendasein<br />
und bekommt sein Leben nicht<br />
auf die Reihe. Eigentlich schlecht für Unbunny,<br />
doch gut für seine Kreativität –<br />
und für Schewe. Als er eine Postkarte erhielt,<br />
Unbunny habe nach über sechs<br />
Jahren Plattenpause wieder genug Material<br />
für ein neues Album, entschied er sich<br />
ohne zu zögern, die zehn wunderschönen<br />
Tränendrüsendrücker zwischen Gitarrenfolk<br />
und Lo-Fi-Pop zu verbreiten. Und weil<br />
Unbunny auch gewillt ist, „Moon Food“<br />
mit einer Deutschlandtour vorzustellen, sich<br />
aber die Flugkarten für eine komplette Band<br />
nicht leisten kann, ist es Schewe natürlich<br />
eine Herzensangelegenheit, zusammen<br />
mit Unbunny und ein paar Freunden selbst<br />
auf die Bühne zu steigen. (cs)<br />
Unkle<br />
Where did the Night fall<br />
ELEKTROROCK<br />
Indigo<br />
5//<br />
Drei Jahre und etwa 40 neue Songs sind<br />
seit dem letzten Album „War Stories” ins
76 musik // Pop, Rock + Dance<br />
Land gegangen – und mit seinem vierten<br />
Werk gelingt James Lavelle ein sicherer<br />
Anwärter auf den Titel „Album des Jahres“.<br />
Sein neu gegründetes Label Surrender All<br />
scheint ihm nicht nur alle Freiheiten einzuräumen,<br />
sondern hat auch eine unglaubliche<br />
Produktivität freigesetzt. 14 von 40<br />
Stücken haben es auf dieses bombastische<br />
Meisterwerk geschafft, und der fette, tiefer<br />
gelegte Unkle-Sound wildert in Krautrock,<br />
Techno oder Psychedelic Pop – und<br />
wird gekrönt von großartigen Sängern.<br />
Bereits Track 1, „Follow me down“ mit<br />
Sleepy Sun aus San Francisco, ist ein Highlight<br />
und wird nicht nur in Londons Underground<br />
abgehen. Die Single „Natural<br />
Selection“ mit The Black Angels galoppiert<br />
nostalgisch über ein Synthierockbett,<br />
während ein New-Order-Schredderbass<br />
brummt – einer, der auch bei „On a Wire“<br />
New-Wave-Gefühle zum Leben erweckt.<br />
Zu guter Letzt kommt auch Meister Lavelle<br />
selbst auf dem streichersatten „Ablivion“<br />
zu Wort – großartig. Weitere Gäste: Gavin<br />
Clark, Elle J. oder Autolux. Eine Perle von<br />
einem Album, das vor Intensität und Vielseitigkeit<br />
aus allen Nähten platzt. (suz)<br />
Kick-Ass (Universal) ist eine Kinokomödie über Superhelden,<br />
deren Soundtrack ebenfalls Ungewöhnliches<br />
gelingt: nämlich The Prodigy, Ellie Goulding<br />
und Elvis auf eine Platte zu packen. Passt aber. //<br />
Melissa Etheridge nullt erst wieder nächstes Jahr<br />
– was ihr Alter angeht. Bei den Alben macht sie<br />
mit „Fearless Love“ (Universal) die zehn voll und ist<br />
vor allem in jener Hinsicht ohne Angst, ihr altbewährtes<br />
Rezept aus Rock und Reibeisenstimme zu<br />
benutzen. Fans können also schon mal (vor-)feiern.<br />
We Have Band<br />
WHB<br />
INDIEPOP<br />
Indigo<br />
5//<br />
We Have Band haben sich endlich bequemt,<br />
ihr Debüt zu veröffentlichen! Schon<br />
im Sommer 2008 drohte die britische Tageszeitung<br />
The Guardian: „Wenn die Band<br />
nicht bald jemand unter Vertrag nimmt,<br />
dann machen wir es.“ Seit zwei Jahren<br />
liefert das Londoner Trio mit Songs wie<br />
der Dancefunkhymne „Oh!“ und der Disco-<br />
Reaktivierung „Hear it in the Cans“ die<br />
Höhepunkte so ziemlich jeder Clubnacht,<br />
doch statt überstürzt im Studio zu verschwinden,<br />
waren das Ehepaar Thomas<br />
und DeDe WP und Sänger Darren Bancroft<br />
ununterbrochen auf Tour. Die Verzögerungstaktik<br />
zahlt sich jetzt aus: Mit Gareth Jones<br />
(Grizzly Bear, These New Puritans) konnten<br />
sie einen der derzeit angesagtesten Produzenten<br />
gewinnen, und unter den zwölf<br />
Songs sind nicht nur alle bereits bekannten<br />
Hits, sondern auch viele neue Tanzflächenfüller.<br />
Vor allem aber sind ihnen<br />
auch ruhigere Töne gelungen. Wenn im<br />
Eröffnungsstück „Piano“ ebenjenes dräut<br />
und Bancrofts Stimme bei „Buffet“ an Damon<br />
Albarn erinnert, bekommt man melancholische<br />
Ohrwürmer, auf die man seit<br />
Blur-Zeiten warten musste. 2008 hätten<br />
sie vielleicht ein Debüt mit Hits und durchschnittlichem<br />
Füllmaterial abliefern können.<br />
Doch „WHB“ hat Dramaturgie – und<br />
keinen einzigen Ausfall. (cs)<br />
Willie Nelson<br />
Country Music<br />
COUNTRY<br />
Universal<br />
4//<br />
Der Albumtitel „Country Music“ trifft bei<br />
einigen Songs nur aufs Ursprungsgenre<br />
dieser Covers zu, nicht auf die Stilistik, mit<br />
der Produzent T Bone Burnett und die<br />
knorrige Eiche Willie Nelson sie umsetzen.<br />
So geben sie der ausweglosen Selbstanklage<br />
„Nobody’s fault but mine“ und dem<br />
trotzigen Gospel „Satan, your Kingdom must<br />
come down“ etwas Gotisches, wenn Twangund<br />
Steelgitarre traurig durch einen von<br />
Bass und Geige gedehnten Hallraum<br />
schlurfen. Ansonsten wird es meist hübsch<br />
bluegrassig, Studiocracks wie der Mandolinist<br />
Ronnie McCoury sorgen für jenes Maß<br />
an Locker- und Lässigkeit, das nur Virtuosen<br />
hinkriegen, die nicht mehr über jeden<br />
Rhythmuswechsel erst mal nachdenken<br />
müssen. Nelson steht dieses direkt aus<br />
dem Mutterboden der amerikanischen Traditionen<br />
herausgewachsene Klangoutfit<br />
weit besser als das großorchestrale von<br />
„American Classic“. Die wahre amerikanische<br />
Klassik ist eh der Country, und das<br />
hat Willie anscheinend jetzt auch gemerkt.<br />
(mw)<br />
The Coal Porters spielen ihren modernen Bluegrass<br />
so gut, dass sie praktisch kein schlechtes Album<br />
aufnehmen können. Gilt auch für „Durango“ (Rough<br />
Trade), das neben eigenen Songs auch klasse Klassiker<br />
wie Neil Youngs „Like a Hurricane“ ins Appalachische<br />
übersetzt.<br />
<br />
<br />
Jim Kerr, Stimme und Mastermind von SIMPLE MINDS, einer der einflussreichsten<br />
Musiker der letzten 30 Jahre mit seinem ersten Soloprojekt.<br />
<br />
<br />
Erhältlich als CD, limitierte CD mit 3 Bonustracks<br />
sowie der streng limitierten und handsignierten<br />
„Collector’s Edition” mit zwei bisher unveröffentlichten<br />
Tracks auf einer 7“-Vinyl<br />
Archiv + Repertoire<br />
Dire Straits<br />
Alchemy live<br />
POPROCK<br />
// DVD<br />
Warner<br />
Nach ihrem Erscheinen im März 1984 hielt<br />
sich die VHS „Alchemy live“ über drei Jahre<br />
in den Top 100 der britischen Charts. Es<br />
war die Zeit, als die Dire Straits mit „Brothers<br />
in Arms“ zu Megastars aufstiegen. Erstaunlicherweise<br />
feiert dieser Chartsknüller<br />
erst jetzt sein DVD/Blu-ray-Debüt. Wenn<br />
man sich ansieht, was Restaurator Dick<br />
Carruther aus dem Material gemacht hat,<br />
fragt man sich schon, wie mies das einst<br />
auf VHS ausgesehen haben muss. Das<br />
Bild grisselt, die Konturen fransen bisweilen<br />
aus, Lichtschlieren überlappen Details. Tontechnisch<br />
klingt das aber hervorragend –<br />
und musikalisch ist eh nichts zu sagen gegen<br />
eine Band im Zenit ihres Schaffens,<br />
die sich mit Furor und handwerklich perfekt<br />
durchs brillante Repertoire spielt. Mode<br />
und Frisuren sind zum Schmunzeln (ah,<br />
die 80er!), doch wessen Hände, bitte schön,<br />
tänzelten seither je wieder so lässig-leichtfingrig<br />
übers Gitarrenbrett wie die des dylanesk<br />
grummelnden Mark Knopfler? Die<br />
Deluxeedition enthält zusätzlich zu Konzertfilm,<br />
TV-Auftritten und einer einstündigen<br />
Dokumentation noch die Audio-Doppel-CD;<br />
und wer die Blu-ray-Fassung kauft, kann<br />
sich die MP3s aus dem Web ziehen. (mw)<br />
WE LET THE MUSIC DO THE TALKING.<br />
WWW.LOSTBOYAKA.COM WWW.EAR-MUSIC.NET<br />
4//
Jazz-Platte des Monats<br />
Anne Hartkamp Quintet<br />
Momentum<br />
-Bewertung<br />
VOCAL JAZZ<br />
Rough<br />
Trade<br />
5//<br />
Anne Hartkamp singt eigenständig, aber<br />
traditionsbewusst eigene und fremde Titel<br />
Wolfgang Muthspiel &<br />
Mick Goodrick<br />
Live at the Jazz Standard<br />
GITARRENJAZZ<br />
Harmonia Mundi<br />
1=grausig bis 6= genial<br />
6//<br />
Der bedeutende New Yorker Gitarrenguru<br />
Mick Goodrick, Lehrer von Pat Metheny oder<br />
John Scofield, sagte über seinen Schüler<br />
Wolfgang Muthspiel: „Ich habe die Vergangenheit der Gitarre kennengelernt, und jetzt<br />
kenne ich auch die Zukunft.“ Die CD gibt 45 von 90 Minuten eines in jeder Hinsicht<br />
einmaligen Konzerts 2008 im New Yorker Club Jazz Standard wieder, das klanglich perfekt<br />
aufgenommen wurde (rechter Kanal: Goodrick, linker: Muthspiel). Die Musik verschafft<br />
Gitarrenfreaks und Jazzperfektionisten eine euphorische Klangerfahrung, fast<br />
möchte man eher von Gitarren-„Philosophie“ als von Gitarrenmusik sprechen. Das<br />
Können der beiden ist so exorbitant, dass sie reine Virtuosität nicht mehr nötig haben,<br />
wenn sie über altbekannte und im variantenreich reharmonisierten Akkordkleid kaum<br />
wiederzuerkennende Jazzstandards wie „All the Things you are“ oder „Stella by Starlight“<br />
improvisieren. Die ohne Drums swingend musizierte CD ist randvoll mit zeitlos modernem<br />
Jazz an der Grenze zu moderner Kammermusik, wie man sie in ähnlicher Qualität<br />
vielleicht vor langer Zeit einmal vom Modern Jazz Quartet gehört hat. (jn)<br />
(u. a. von Bill Evans und Thelonius Monk),<br />
und dabei hat man einerseits das Gefühl,<br />
der alte Bebop lebte weiter und der Free<br />
Jazz sei wiederauferstanden; andererseits<br />
spricht und singt Anne Hartkamp ihre<br />
eigene moderne Musiksprache, die von<br />
tief bluesigen Stimmungen wie in der<br />
Eigenkomposition „Paper Bird“ bis zu virtuoser<br />
perkussiver Mundakrobatik in „Für<br />
und wider“ reicht. Hervorragend ist das<br />
Zusammenspiel mit der Band. Claudius<br />
Valk findet mitreißende Soli mit und ohne<br />
Mairegen<br />
Vokalbeteiligung auf Sopran-, Tenorsax<br />
und Bassklarinette. Die Rhythmusgruppe<br />
mit Thomas Rückert (Piano), André Nendza<br />
(Bass) und Oliver Rehmann (Drums) hält<br />
das Quintett ständig äußerst kreativ auf<br />
Trab und zählt sicherlich mit zu den derzeit<br />
besten in Deutschland. (jn)<br />
Chris Gall Trio feat. Enik<br />
Hello Stranger<br />
INDIEJAZZ<br />
Edel<br />
Harmonisch jazzaffines Pianospiel an die<br />
Kandare straighter Rockrhythmen zu nehmen:<br />
Das kennen wir mittlerweile zur Genüge.<br />
Chris Gall gibt sich damit nicht zufrieden,<br />
sondern beschreitet mit Indiepopsänger<br />
Enik seit zwei Jahren andere Pfade.<br />
Wenn die beiden lustvoll die Rockgeschichte<br />
plündern, klingt’s mal tonal nach<br />
Lou Reeds „Walk on the wild Side“, mal<br />
textlich nach Zappas Faible für surreale<br />
Untiefen. Galls Problem: Pop und Rock<br />
sind vom klassischen Hörverständnis her<br />
unumstößlich gitarrendefinierte Stile, und<br />
so bleibt „Hello Stranger“ allein durch die<br />
Dominanz des Tasteninstruments ein gehöriges<br />
Stück Jazzanmutung erhalten. Gall<br />
und Enik haben ihre musikalischen Welten<br />
zur größtmöglichen Kongruenz gebracht<br />
und vielleicht die sprachlichen Vorgaben<br />
eines im Entstehen begriffenen Genres<br />
geschaffen. (ron)<br />
Jazz + Classics // musik 77<br />
5//<br />
Esperanza Spalding<br />
Junjo<br />
GROOVEJAZZ<br />
In-<br />
Akustik<br />
5//<br />
Wer die Faszination beschreiben will, die<br />
von Esperanza Spalding ausgeht, faselt<br />
meist von einer schönen Frau, die sinnlich<br />
mit ihrem mindestens ebenso schönen<br />
Instrument verschmilzt. Zu hinreißend,<br />
ungewöhnlich und innig ist ja auch die<br />
Beziehung der Musikerin zu ihrem Kontrabass,<br />
als dass sie unerwähnt bleiben<br />
könnte. Doch „Junjo“ wäre auch dann ein<br />
wunderbares Album, hätte es ein buckliger<br />
90-Jähriger eingespielt. Sanft und<br />
geradezu selbstvergessen perlen Klavier<br />
und Kontrabass ineinander, Drums komplettieren<br />
das Trio, ab und zu setzt Spalding<br />
ihre Stimme wie ein viertes Instrument<br />
ein. Gespielt werden Eigenkompositionen<br />
von Spalding und ihren Mitmusikern<br />
Aruán Ortiz und Francisco Mela,<br />
aber auch Interpretationen von Jimmy<br />
Rowles, Egberto Gismonti und Chick<br />
Corea. Mit „Cantora de Yala“ von Gustavo<br />
Leguizamón und Manuel Castilla lässt<br />
sich Spalding sogar auf Melodie und Text<br />
ein und zeigt, dass sie auch hier zu brillieren<br />
versteht. Angesichts ihrer sensiblen<br />
Instrumentalstücke mag man es ihr allerdings<br />
keineswegs übelnehmen, dass sie<br />
sich in der Regel lieber abseits des Vocal<br />
Jazz bewegt. (kab)<br />
„Lieder sind meine Chronik.<br />
Sie sind mein Leben,<br />
meine Arbeit, meine Freude,<br />
Anfechtung und Trost…“<br />
Mairegen www.reinhard-mey.de<br />
Das neue Album<br />
Ab 7. Mai überall erhältlich o
78 musik // Jazz + Classics<br />
Etta Cameron<br />
Etta<br />
VOCAL JAZZ<br />
Sunny<br />
Moon<br />
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie<br />
stark Etta Cameron vor knapp einem Jahr<br />
gespürt haben mag, dass sie zum letzten<br />
Mal Studioboden unter den Füßen haben<br />
würde. Fest steht, dass die auf den Bahamas<br />
geborene Wahldänin an der Seite<br />
ihres Pianisten Nikolaj Hess den letzten<br />
Winkel ihrer Seele öffnete, um Balladenklassiker<br />
wie „Summertime“, „Love me or<br />
leave me“ oder „God bless the child“ zu<br />
interpretieren. Entscheidenden Anteil an<br />
der spirituellen Tiefe dieser Aufnahmen<br />
haben die Begleitmusiker: Marilyn Mazur<br />
etwa, deren Perkussion an keinem Punkt<br />
die vokale Phrasierung einengt; oder aber<br />
Palle Mikkelborgs überirdischer Trompetenton,<br />
der sich an Camerons erdiges Timbre<br />
schmiegt. Nun ist aus diesen Momenten<br />
großer, leiser Emotion ein inniges Vermächtnis<br />
geworden: Anfang März erlag<br />
die Sängerin einem Krebsleiden. (ron)<br />
Françoise Hardy<br />
La Pluie sans Parapluie<br />
CHANSON<br />
5// Capitol 2//<br />
Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Und<br />
wer erinnert sich noch an „Tous les Garçons<br />
et les Filles“ von 1962, als die französische<br />
Yé-yé-Girls-Welle mit France Gall,<br />
Sylvie Vartan oder Rita Pavone ganz Europa<br />
überrollte? Es ehrt Françoise Hardy,<br />
Jahrgang 1944, dass sie später alles Mögliche<br />
unternommen hat, um diese Zeit<br />
ihrer Karriere vergessen zu machen. Sie<br />
besang je eine Plattenseite von drei Udo-<br />
Jürgens-LPs, mimte 1970 in einen Clip<br />
Marlene Dietrich („Träume“), sang mit<br />
Iggy Pop im Duett und war in Frankreich<br />
weiterhin erfolgreich. Trotzdem erschien<br />
2001 eine Kompilation mit 50 frühen<br />
Liedern. Den unschuldigen Teeniecharme<br />
der Jungen und Mädchen, die sich nach<br />
Liebe sehnen, kann ihre neue Produktion<br />
indes keineswegs durch musikalische<br />
Reife ersetzen. Im Gegenteil: Françoise<br />
Hardy ist mit ihren Songs ergraut – und<br />
ihre Stimme versinkt müde und oft unsauber<br />
in den orchestralen Weichspülklängen<br />
eines geschickten Arrangeurs. (jn)<br />
Hamel<br />
Nobody’s Tune<br />
JAZZPOP<br />
Universal<br />
Wouter heißt der junge Mann mit Vornamen<br />
– das ist schon ganz nah dran an<br />
der Simpsons-Witzfigur Uter. Der lieber<br />
unter seinem Nachnamen Hamel singende<br />
Niederländer ist zwar jung, aber kein<br />
kleiner, dicker, gelber Junge. Und Austauschschüler<br />
ist er auch höchstens in dem Sinne,<br />
dass er zwischen Pop und Jazz herumreist.<br />
Popcrooner, Swing- und Posterboy<br />
in einem: Hamel hat wirklich gute Chancen,<br />
auch außerhalb seiner Heimat mit<br />
schaumigem, romantischem Sommerjazzpop<br />
in den Charts heimisch zu werden.<br />
Die Konkurrenz ist überschaubar. Mit<br />
den Big-Band-Jungs legt er sich nämlich<br />
gar nicht erst an, und neben Jamie Cullum<br />
Foto: Uwe Arens<br />
4//<br />
ist noch viel Platz. Fehlende Tiefe könnte<br />
man bemängeln. Existenzielles Kratzen,<br />
unbequeme Zwischentöne: So was spart<br />
sich der Jungspund. Somit ist „Nobody's<br />
Tune“ vielleicht nicht für den Auftakt einer<br />
heißen Nacht geeignet, sondern eher für<br />
den Ausklang eines heißen Tages, doch<br />
als Karriereauftakt funktioniert es bestens.<br />
(kab)<br />
Jacques Schwarz-Bart<br />
Rise above<br />
Lyambiko & Band<br />
SOULJAZZ<br />
Soulfood<br />
4//<br />
Saxofonist Jacques Schwarz-Bart und<br />
seine singende Partnerin Stephanie McKay<br />
riskieren viel: „Rise above“ ist vom Konzept<br />
her ein ausgesprochen songorientiertes<br />
Album, kommt allerdings mit einer so<br />
faustdicken Loungeattitüde daher, dass es<br />
Gefahr läuft, als dezente Soundtapete in<br />
Szeneläden sein Dasein zu fristen. Das<br />
hätte Barts Songwriting ebenso wenig verdient<br />
wie sein expressives Tenorspiel, das<br />
präsentiert<br />
22. 7. // München Brunnenhof der Residenz<br />
17. 9. // Dresden Jazztage<br />
18. 9. // Berlin Postbahnhof<br />
20. 9. // Münster Hot Jazz Club<br />
21. 9. // Oldenburg Kulturetage<br />
22. 9. // Kiel KulturForum<br />
23. 9. // Hamburg Stage Club<br />
24. 9. // Worpswede Music Hall<br />
25. 9. // Osnabrück Lagerhalle<br />
26. 9. // Düsseldorf Savoy Theater<br />
28. 9. // Bonn Harmonie<br />
29. 9. // Mainz Frankfurter Hof<br />
30. 9. // Trier Varieté Chat Noir<br />
1. 10. // Stuttgart Bix<br />
2. 10. // Pforzheim Kulturhaus Osterfeld<br />
6. 10. // Kaiserslautern Kammgarn<br />
7. 10. // Freiburg Jazzhaus<br />
11.10. // Illingen Konzerthaus „Illipse“<br />
Tickets und mehr über<br />
Lyambiko & Band auf kulturnews.de
er schon im „D’angelo“-Projekt und an der<br />
Seite Roy Hargroves an den Tag legte. Immerhin<br />
setzt der Musiker aus Guadeloupe<br />
auf seinem aktuellen Album auch so viele<br />
starke solistische Akzente („Busted“), dass<br />
die Angst vorm Muzakschicksal vielleicht<br />
doch überzogen ist. (ron)<br />
Meshell Ndegeocello<br />
Devil’s Halo<br />
JAZZ-<br />
CROSSOVER<br />
Ndegeocellos Stücke, schieben Stimmen<br />
und Sound übereinander, bis manchmal<br />
am Ende bloß entspanntes Dröhnen übrig<br />
bleibt – aber nur, um im Gegenzug so<br />
melodisch zu werden, dass ein Song wie<br />
„Mass Transit“ auch von einer Band wie<br />
Bloc Party stammen könnte. Ihr Album ist<br />
wie eine Reise vom sicheren Ufer in unbekannte<br />
Gewässer. Es nimmt dich mit,<br />
lässt dich alleine, um sich nur noch um<br />
sich selbst zu drehen – und lässt dich<br />
doch nicht los. (kab)<br />
Moreland & Arbuckle<br />
Flood<br />
Zigarrenkiste den Deltablues reanimiert.<br />
Was dereinst Bands wie Canned Heat zur<br />
Kunstform hochstilisieren wollten, bringen<br />
Moreland & Arbuckle konsequent zurück<br />
auf die Straße: nervös pulsierende Geschichten<br />
von der Unmöglichkeit der<br />
Liebe, Songs mit Tränen in der Seele und<br />
Dreck unter den Fingernägeln. Das alles<br />
klingt auf „Flood“ so authentisch, als könne<br />
man jederzeit in einem schlechteren Viertel<br />
irgendeiner US-Großstadt hinter der<br />
nächsten Ecke über die beiden stolpern –<br />
auf dem Bürgersteig, mit ihren Instrumenten<br />
in der Hand und einem Hut vor sich,<br />
der weder Nickels noch Dimes verdient<br />
hat, sondern ganz große Scheine. (ron)<br />
Jazz + Classics // musik 79<br />
und Barockmusik, die Blockflöte, wird hier<br />
ihrer natürlichen Umgebung entzogen und<br />
outet sich als vollwertiges Rockjazzinstrument.<br />
Vom braven Kuckucksuhrton bleibt<br />
nichts mehr übrig, wenn Nadja Schubert<br />
(Blockflöte), Denis Cosmar (Keyboards),<br />
Ulli Brodersen (Gitarre), Sascha Delbrouck<br />
(Bass, Loops) und Oliver Rehmann (Drums)<br />
loslegen. Diese Blockflöte schreit, jault,<br />
zischt und spuckt, wenn der Ausdruck es<br />
nötig macht, erzeugt flächige Ambientsounds<br />
oder improvisiert lustig drauflos.<br />
Nadja Schubert ist dabei durchaus die<br />
Attraktion der Band, deren eingängiger<br />
elektrischer Rockjazz nicht unbedingt ungewöhnlich,<br />
aber gut konsumierbar ist. (jn)<br />
Universal 5//<br />
Meshell Ndegeocello hatte nie vor, es<br />
DELTABLUES<br />
Nadja Schubert &<br />
Electric Band<br />
MoreorlessJazz Seven (Wavemusic) serviert uns<br />
Songperlen auf dem Silbertablett des stilvollen<br />
Easyjazz. Neben Jacqui Taylor oder Gare Du Nord<br />
sich und ihren Hörern leicht zu machen.<br />
Back on the Block<br />
taucht auch der grandiose Jeb Loy Nichols auf. //<br />
Rock und Jazz paart sie, ohne Jazzrock<br />
zu fabrizieren, Soul und Funk fließen ein,<br />
In-Akustik 4//<br />
ROCKJAZZ<br />
Snowball funk- und jazzrockten sich 1979 auch<br />
dank ihres damals neuen Gitarristen Frank Diez<br />
doch wer versucht, sie auf ein Genre fest-<br />
mit Furor durchs zweite Album „Cold Heat“<br />
zunageln, muss scheitern. So ist es viel- Dustin Arbuckle atmet vorzugsweise in<br />
(Broken Silence). Die Wiederauflage kommt ohne<br />
leicht am ehesten ihre Verweigerung, durch- tiefen Zügen Straßenstaub ein und aus<br />
Boni aus, steckt aber in einem schicken Digipakkommerzialisierte<br />
Songs zu schreiben, die<br />
sie dem Jazz als Sammelbecken alles<br />
und filtert den ganzen Highwaysiff durch<br />
die Metallzungen seiner Bluesharp. Seit<br />
Broken<br />
Silence 4//<br />
Klappcover.<br />
Virtuos-Undefinierbaren zufallen lässt. einer Session in Wichita ist Aaron Moreland<br />
Und natürlich ihr E-Bass, den sie beherrscht an seiner Seite, der vom Bluesrock kam Diese CD hat den Charme einer neuen<br />
wie kaum eine Zweite. Vielschichtig sind und jetzt am liebsten auf einer viersaitigen Erfindung. Denn der Inbegriff von Schul-<br />
Foto: © Sonja Werner<br />
Musikalische Bürgerbewegung<br />
Die Botschaft des DAY OF SONG ist einfach: Jeder kann singen! Damit<br />
das Ganze dann auch noch gut klingt, wird RUHR.2010 dieses<br />
Jahr ein Gesangsprojekt in völlig neuer Dimension entstehen lassen.<br />
Gesungen wird überall: auf der Straße, in Kaufhäusern, in Parks, Cafés,<br />
auf Wiesen und auf dem Rhein-Herne-Kanal. Ob Profi oder Amateur:<br />
Jeder kann teilnehmen und in die Songs aus den Bereichen Pop,<br />
Volksmusik, Klassik oder Jazz einstimmen.<br />
Höhepunkt ist ein großes Konzert am 5. Juni in der VELTINS-Arena in<br />
Gelsenkirchen. Mit mehr als 65 000 Sängerinnen und Sängern wird<br />
an diesem Abend der größte Chor auftreten, der je mehrstimmig in<br />
Deutschland gesungen hat. Mit dabei sind außerdem die Wise Guys,<br />
Bobby McFerrin und Opernstar Vesselina Kasarova.<br />
kulturnews verlost 3 x 2 Tickets für das große Abendkonzert des DAY<br />
OF SONG am 5. Juni um 20.30 Uhr in der VELTINS-Arena in Gelsenkirchen.<br />
Zusätzlich bekommen die Gewinner das Ruhrbuch (erschienen<br />
im dtv-Verlag) sowie das passende Outfit: ein schönes T-Shirt aus<br />
dem Onlineshop: www.ruhr2010-shop.de<br />
Wer gewinnen möchte, schickt einfach bis zum 25. Mai eine E-Mail mit<br />
dem Betreff „RUHR.2010“ an info@bunkverlag.de. Wir drücken die Daumen!<br />
Aktion
Tatort Großstadt<br />
Die Krimi-Highlights 2010<br />
Jochen Senf<br />
Kindswut<br />
......................................<br />
Tatort Berlin · 322 S. · € 11,90<br />
Berlin-Charlottenburg. Fritz<br />
Neuhaus gerät in einen merkwürdigen<br />
Fall: Der 17-Jährige<br />
Sohn seiner Nachbarin sitzt<br />
verstört in einem Schrank,<br />
trägt eine Pitbull-Maske und<br />
äußert sich nur in Tierlauten.<br />
Und bald ist klar: Zwischen<br />
Sohn und Mutter tobt ein<br />
mörderischer Zweikampf …<br />
Klaus Erfmeyer<br />
Tribunal<br />
......................................<br />
Tatort Ruhrgebiet · 324S.· 11,90<br />
Der Dortmunder Anwalt<br />
Stephan Knobel sitzt in der<br />
Falle: Eine Führung durch<br />
Deutschlands größte unterirdische<br />
Bunkeranlage wird<br />
zur Entführung – und für die<br />
Geiseln zur Konfrontation mit<br />
einem Täter, der eine zynische<br />
Abrechnung zelebrieren<br />
will …<br />
Bärbel Böcker<br />
Henkersmahl<br />
......................................<br />
Tatort Köln · 371 S. · € 11,90<br />
Florian Halstaff, Redakteur<br />
einer TV-Talkshow, bereitet<br />
eine Sendung über unerklärliche<br />
Krankheits- und Todesfälle<br />
vor, die ganz Köln in<br />
Atem halten. Als er einen<br />
dubiosen Drohanruf erhält<br />
und daraufhin die Show abgesagt<br />
wird, klingeln bei Florian<br />
sämtliche Alarmglocken …<br />
Edi Graf<br />
Bombenspiel<br />
......................................<br />
Tatort Stuttgart · 324 S. · 11,90<br />
Die ganze Welt fiebert der<br />
Fußball-WM 2010 in Südafrika<br />
entgegen, doch Journalistin Linda<br />
Roloff steckt in der Klemme:<br />
Ein Mann, der sie in Stuttgart<br />
treffen wollte, liegt jetzt erschossen<br />
vor ihr. Der Ingenieur war<br />
beim Bau des Stadions in Durban<br />
offenbar auf ein tödliches<br />
Geheimnis gestoßen …<br />
Martin Mucha<br />
Papierkrieg<br />
......................................<br />
Tatort Wien · 372 S. · € 11,90<br />
Arno Linder, Anfang dreißig,<br />
schlägt sich als lausig bezahlter<br />
Sprachwissenschaftler der Uni<br />
Wien mehr schlecht als recht<br />
durchs Leben. Als ihm eines<br />
Nachts ein betrunkenes Mädchen<br />
mit geladenem Revolver in<br />
die Arme fällt, hat Arno kurze<br />
Zeit später einen Haufen ernsthafter<br />
Probleme am Hals …<br />
Wir machen’s spannend<br />
80 bücher // Neue Literatur<br />
Hallgrímur Helgason<br />
Lachen<br />
im Keller<br />
„101 Reykjavík“-Autor Hallgrímur Helgason<br />
wollte ein lustiges Buch schreiben –<br />
raus kam ein Roman über den Balkankrieg.<br />
kulturnews: Herr Helgason, in Ihrem Roman flüchtet ein amerikanischer<br />
Auftragskiller kroatischer Abstammung nach<br />
Island – getarnt als Priester. Wie kamen Sie auf diese abstruse<br />
Kombination?<br />
Hallgrímur Helgason: Das war eigentlich ein Mix aus zwei<br />
Ideen. Ich saß mal im Flugzeug nach Norwegen neben einer<br />
Priesterin, die auf dem Weg zu einer Konferenz in Oslo<br />
war. Kurz vor der Landung ging sie auf die Toilette und ließ<br />
all ihre Sachen auf dem Sitz liegen, auch die Ausweise für<br />
die Konferenz. Ihr Name klang klang ziemlich maskulin, und<br />
ich dachte mir: Ich könnte ihre Sachen nehmen und für eine<br />
Woche sie sein – und keiner würde es merken. Die Story<br />
habe ich dann zwei Jahre hin und her gewälzt, und auf<br />
Lesereise in Berlin kam mir schließlich spontan der Einfall,<br />
noch einen kroatischen Auftragskiller in die Geschichte<br />
einzubinden.<br />
kulturnews: In Island fliegt seine Täuschung dann jedoch<br />
auf, und der Killer wird ungewollt von christlichen Fernseh-<br />
kulturnews 5/10<br />
predigern unter die Fittiche genommen. Ein ganz schönes<br />
Kontrastprogramm …<br />
Helgason: Ja, ich fand das sehr lustig. Wir haben in Island<br />
diesen religiösen Fernsehsender, und da wir so wenige Programme<br />
haben, landet man irgendwann immer auf diesem<br />
Kanal. Diese Leute haben sicherlich ihre Fehler, doch<br />
im Grunde repräsentieren sie das Gute. Und auch wenn<br />
mein Protagonist kein gläubiger Mensch ist und seine Retter<br />
eigentlich drollig und dumm findet, muss er zugeben, dass<br />
sie ein besseres Leben führen als er.<br />
kulturnews: Auch in Ihrem Erfolgsroman „101 Reykjavík“<br />
stand der Protagonist an einem Wendepunkt in seinem Leben.<br />
Ist das Ihre Masche?<br />
Helgason: Es ist nun mal so: Erst wenn Menschen etwas<br />
Schlimmes passiert, sieht man, wie sie wirklich sind. Meine<br />
Charaktere sind tatsächlich oft ziemlich extrem. (lacht) Vielleicht<br />
sollte ich mal anfangen, über normale Leute zu schreiben.<br />
Eigentlich wollte ich auch unbedingt ein lustiges Buch<br />
machen. Doch dann schlich sich wieder ein ernstes Thema<br />
ein. Das Leben kann auf eine traurige Weise sehr lustig<br />
sein. Das hat auch Shakespeare schon so gemacht, da werden<br />
Leute begraben und trotzdem macht noch einer Witze.<br />
kulturnews: Im Buch sagen Sie: „Wenn es schwule Nationen<br />
gäbe, gäbe es weniger Krieg.“<br />
Helgason: Ich fand vor allem die Idee schön, dass es ein<br />
ganzes Land von Homosexuellen gäbe. (lacht) Ich glaube,<br />
solche Nationen hätten einfach mehr Spaß daran, zu tanzen<br />
oder sich den Eurovision Song Contest anzuschauen,<br />
statt in den Krieg zu ziehen.<br />
Interview: Ellen Stickel<br />
„Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem<br />
Abwasch zu beginnen“ ist auf www.kulturnews.de besprochen.<br />
Foto: Marijan Murat
Krimi des Monats<br />
Max Bronski<br />
Nackige Engel<br />
Krimi-Special // bücher<br />
KRIMI<br />
Kunstmann, 2010<br />
206 S.<br />
16,90 Euro<br />
3//<br />
Dass München mit Nackerten kein Problem<br />
hat, ist spätestens jedem Touri klar,<br />
wenn er einmal durch den Englischen Garten<br />
gelatscht ist. Bei Max Bronskis viertem<br />
Krimi ist der Name aber nicht Programm,<br />
sondern vielmehr Marketingstrategie. Hierum<br />
geht es wirklich: Trödelhändler Gossec<br />
ist in schnapsseliger Laune als Hitler verkleidet<br />
durchs Schlachthofviertel getapert –<br />
und wurde prompt fotografiert. Glücklicherweise<br />
wird die Tat einem bekannten Kabarettisten<br />
in die Schuhe geschoben, doch<br />
der wird ein paar Tage später tot aufgefunden.<br />
Für Hobbyermittler Gossec ein gefundenes<br />
Fressen. Nach und nach kommen<br />
noch ein Nazi-Geheimbund, korrupte Beamte<br />
und diverse Prügeleien hinzu. Die<br />
Geschichte überzeugt im ersten Teil vorrangig<br />
durch Wortwitz und wunderbar krea-<br />
Josh Bazell<br />
Schneller als der Tod<br />
THRILLER<br />
Aus d. Amerik. v. Malte Krutzsch<br />
Fischer, 2010<br />
304 S., 19,95 Euro 5//<br />
Mafiathriller: Wie langweilig ist das denn! Doch<br />
der Amerikaner Josh Bazell verleiht dem Hypegenre<br />
der letzten Jahre mit seinem Debütroman<br />
tatsächlich neuen Schwung. Zum einen durch<br />
seinen ungewöhnlichen Icherzähler: Peter Brown<br />
ist ein zynischer Exmafioso, der dank Zeugenschutzprogramm<br />
mittlerweile als Arzt arbeitet;<br />
ein Beruf, der dem des Killers an Brutalität in<br />
nichts nachsteht. Als Dr. Brown eines Tages einen alten Mobster-Kollegen behandelt,<br />
fliegt seine Deckung auf, und zwischen OP-Tisch und Chefarztvisite muss er sich mit<br />
seiner blutigen Vergangenheit herumschlagen. Zweiter Pluspunkt: Josh Bazell pflegt einen<br />
Schreibstil, der eher nach Quentin-Tarantino-Drehbuch als nach Krimi-Einheitskost klingt.<br />
Bitterböse, extrem explizit und zugleich irre komisch sind die Beschreibungen des Klinikalltags<br />
und die Rückblenden in Peter Browns Auftragsmörderdasein. „Alle lieben Notrufe“,<br />
lässt Bazell seinen Helden sagen, „weil man sich dann aufführen kann wie im<br />
Fernsehen. Wenn man nicht dazu kommt, an den Defibrillatorpaddeln ,Zurück!‘ zu schreien,<br />
kann man vielleicht wenigstens den Beatmungsbeutel drücken.“ Ganz klar: Nach<br />
diesem Roman möchte man definitiv lieber zur Mafia als jemals wieder in irgendein<br />
Krankenhaus eingeliefert werden. (jul)<br />
-Bewertung<br />
1=grausig bis 6= genial<br />
tive Sprache, diverse Seiten später verliert<br />
sich diese dann aber im struppigen Dickicht<br />
der Handlung. Da helfen leider auch die<br />
nackten Engel nicht weiter. (es)<br />
Yishai Sarid<br />
Limassol<br />
KRIMI<br />
Aus d. Hebr. v.<br />
Helene Seidler<br />
Kein & Aber, 2010<br />
240 S.<br />
16,90 Euro<br />
5//<br />
Yishai Sarid ist kein Gegner der harten<br />
Hand, wenn es um die Verteidigung Israels<br />
durch Mordkommandos des Geheimdienstes<br />
geht. Das machte der im Hauptberuf<br />
als Staatsanwalt tätige Israeli in einem Interview<br />
unmissverständlich klar. Der Held<br />
seines Debüts verliert aber gleich zu Beginn<br />
die Nerven. Immer wieder wendet<br />
Inlandsgeheimdienstler Schabak Verhörmethoden<br />
an, die seit 1999 vom Obersten<br />
Gericht Israels für illegal erklärt wurden,<br />
weil sie schlicht Folter sind. Als er den<br />
Aufenthaltsort eines Selbstmordattentäters<br />
kulturnews 5/10<br />
81 Humor ist, wenn<br />
man trotzdem fliegt<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Lach oder stirb!
Es mag zufall sein, dass<br />
Gerade du diese<br />
kulturnews in den<br />
.. ..<br />
HAnden hAlst.<br />
Vielleicht aber auch nicht.<br />
Vielleicht habe ich dich<br />
schon lange im Visier und<br />
beobachte dich, wAhrend<br />
du diese zeilen liest.<br />
Ich kenne dein<br />
kleines geheimnis.<br />
Es lastet wie ein dunkler<br />
Schatten auf deiner Seele.<br />
Keine Angst.<br />
Ich werde dich<br />
davon erlösen!<br />
ISBN 978-3-404-16421-9 | € 9,99 [D] (UVP)<br />
ISBN 978-3-7857-3690-6 |<br />
€ 19,99 [D] (UVP)<br />
..<br />
www.luebbe.de<br />
82 bücher // Krimi-Special<br />
ermitteln soll, kommt ein Palästinenser bei einem Verhör<br />
ums Leben, und der Agent wird vom Dienst im Verhörraum<br />
suspendiert. Sarid hat den Druck, unter dem sein<br />
Protagonist steht, hervorragend herausgearbeitet. Sein<br />
Chef will Ergebnisse sehen, und seine Frau möchte Israel<br />
verlassen. Derweil steckt der Agent längst in seinem<br />
nächsten Fall, und der ist genau ein Fall zu viel. Undercover<br />
erwirbt er sich das Vertrauen der israelischen Schriftstellerin<br />
Daphna, weil die mit dem Vater eines palästinensischen<br />
Terroristen befreundet ist … Lakonisch und knapp<br />
schildert Yishai Sarid eine israelische Gesellschaft, deren<br />
Mitglieder zwischen Selbstverteidigung und Rechtsstaat<br />
zerrieben werden. (jw)<br />
Francisco González Ledesma<br />
Der Tod wohnt nebenan<br />
KRIMI<br />
Aus d. Span. v. Sabine Giersberg<br />
Ehrenwirth, 2010<br />
336 S.<br />
19,90 Euro<br />
Außergewöhnlich: Von Anfang an ist klar, wer den Mord<br />
begangen hat, an dem der alternde, verbitterte Inspector<br />
Mendez ermittelt. Umso unklarer ist jedoch, wann und<br />
wo der unausweichliche zweite Mord stattfinden wird, dem<br />
genauso wie dem ersten ein bestechendes Rachemotiv<br />
zugrunde liegt. Der Gejagte wiederum weiß von der Gefahr,<br />
und versucht dem Täter zuvorzukommen. Es beginnt<br />
eine Jagd durch das von käuflichem Sex, Armut und Kapitalismus<br />
geprägte Barcelona. Francisco González Ledesma<br />
räumt mit seiner Mendez-Serie seit nunmehr 25 Jahren<br />
regelmäßig spanische Buchpreise ab. Das erste seiner<br />
Bücher, „Der Tod wohnt nebenan“, neunter Teil der Reihe,<br />
erscheint nun auf Deutsch. Daraus ergibt sich eine logische<br />
Schwäche. Mendez selbst wird von Ledesma nur<br />
noch am Rande eingeführt, das Hauptaugenmerk liegt<br />
auf seinen Gegenspielern. Ledesma selbst kann man dafür<br />
freilich keinen Vorwurf machen. Er schafft einfach eine<br />
gekonnte und pointierte Story mit schnörkelloser Kulisse,<br />
der man letztendlich doch erliegt. Bleibt nur die Forderung<br />
nach der Übersetzung der ersten acht Bände. (ml)<br />
Martin Cruz Smith<br />
Die Goldene Meile<br />
KRIMI<br />
4//<br />
Aus d. Amerik. v. Rainer Schmidt<br />
C. Bertelsmann, 2010<br />
256 S.<br />
19,95 Euro<br />
5//<br />
Arkadi Renko ermittelt wieder: Martin Cruz Smith führt<br />
uns im siebten Roman über den russischen Chefinspektor<br />
in den Moskauer Untergrund und zeichnet dabei ein<br />
kulturnews 5/10<br />
detailliertes und erschreckendes Gesellschaftsbild. Handlungsort<br />
sind die „Drei Bahnhöfe“, eine Welt aus Korruption,<br />
Kinderprostitution und Kriminalität. Arkadi und sein<br />
Kollege Viktor ermitteln im Fall einer jungen Frau, die<br />
dort tot aufgefunden wurde. Eine zweite Geschichte dreht<br />
sich um die 15-jährige Maja, deren Baby auf der Zugreise<br />
nach Moskau gestohlen wurde. Sie begibt sich zusammen<br />
mit dem Straßenjungen Schenja, dessen sich Arkadi<br />
angenommen hat, auf die gefahrvolle Suche nach dem<br />
Kind. Als beide Handlungen zusammenlaufen, scheint<br />
die Gefahr gebannt. Mit nüchternen Worten beschreibt<br />
der „Deutsche Krimipreis“-Gewinner 2008 Schicksale<br />
von Kinderprostituierten wie Maja. Die schrecklichen Tatsachen<br />
wirken noch bedrückender durch den sachlichen<br />
Erzählstil, der die Ereignisse selbstverständlich erscheinen<br />
lässt und die Resignation der Menschen sehr deutlich<br />
vermittelt. (mss)<br />
Liza Marklund/James Patterson<br />
Letzter Gruß<br />
THRILLER<br />
Aus d. Schwed. v.<br />
Anne Bubenzer u. Dagmar Lendt<br />
Limes, 2010<br />
352 S.<br />
19,95 Euro<br />
3//<br />
Auch zwei Vollprofis können ein gemeinsames Projekt<br />
vermurksen. Den Beweis treten Liza Marklund und James<br />
Patterson mit ihrem transatlantischen Gemeinschaftsthriller<br />
„Letzer Gruß“ an. Ein amerikanisches Serienmörderpaar<br />
reist durch Europa und schneidet frisch Verheirateten<br />
die Kehlen durch, um die toten Körper anschließend nach<br />
dem Vorbild bekannter Kunstwerke zu arrangieren. Zudem<br />
schicken sie anonyme Postkarten und ein Foto der Leichen<br />
an Tageszeitungsjournalisten. Ihre Verfolger: eine bisexuelle<br />
schwedische Reporterin und ein amerikanischer Cop,<br />
dessen Tochter auf ihrer Hochzeitsreise zum Opfer der<br />
Killer wurde. In ultrakurzen Kapiteln lassen Marklund<br />
und Patterson als allwissende Erzähler ihr Duo den ziemlich<br />
abstrusen Fall lösen, dichten den beiden noch fix<br />
eine Liebes- und den Verbrechern eine Inzestgeschichte<br />
an. Das Ganze ist zwar schnell zu lesen und kurzweilig,<br />
strotzt aber vor logischen Lücken und Oberflächlichkeiten.<br />
Nach 350 Seiten werden die Mörder von dem besessenen<br />
Vater und Polizisten in Schwarzenegger-Manier zur<br />
Strecke gebracht; Fall gelöst, alles gut. Einzeln sind Marklund<br />
mit ihren Annika-Bengtzon-Krimis und Patterson<br />
mit der Alex-Cross-Reihe definitiv besser. (jul)<br />
anderseits. ist das erste Hamburger Literaturfestival der unabhängigen<br />
Verlage. Vom 9. bis zum 11. Mai gibt es im Kulturhaus 73 neben<br />
klassischen Lesungen auch alternative Vortragsformen, Poetryclips,<br />
Kurzfilme, Ausstellungen und Musik. Inhaltlich im Zentrum des Festivals<br />
steht die Zukunft des Buchs: Werden bald nur noch E-Books<br />
verkauft, oder kann sich das haptische Erleben des Lesens behaupten?<br />
Dabei sind u.a. Ina Bruchlos, Andreas Stichmann und Almut<br />
Klotz.
Ulf Miehe<br />
Puma<br />
THRILLER<br />
DuMont, 2010<br />
464 S.<br />
11,95 Euro<br />
Es gab mal Zeiten, da verkauften sich deutsche Krimis<br />
in den USA wie geschnitten Brot. Ulf Miehes „Puma“ z. B.<br />
ging in den Staaten 200 000-mal über den Ladentisch.<br />
Jetzt wurde der 1976 erschienene Krimi in Deutschland<br />
wieder aufgelegt, und die Frage ist berechtigt: Bietet<br />
Miehes Krimi-Erstling heute noch den nötigen Thrill? Die<br />
Antwort ist ein klares Ja. Die Geschichte von Franz<br />
Morgenroth, der nach neun Jahren Knast in Frankreich<br />
seinen Teil von der Beute eintreiben will, dann aber doch<br />
auf Plan B ausweichen muss und die Tochter eines deutschen<br />
Waffenhändlers entführt, ist brillant. „Puma“ glänzt<br />
mit einer kargen, präzisen Sprache, einer realistischen<br />
Schilderung und erfrischend knappen Dialogen. Kenner<br />
der 70er-Jahre sehen diese vor den eigenen Augen wiederauferstehen,<br />
Nichtkennern werden sie präzise nahegebracht.<br />
Die Helden aber, allesamt nicht auf der Seite<br />
des Gesetzes, werden psychologisch gut ausgeleuchtet,<br />
ohne dass wir ihnen zu nahe kommen könnten. Ein<br />
Stockholm-Syndrom entsteht eben nur im echten Verbrechen<br />
oder im Romangeschehen selbst. (jw)<br />
Alexandra Kui<br />
Wiedergänger<br />
KRIMI<br />
Hoffmann & Campe, 2010<br />
320 S.<br />
18 Euro<br />
5//<br />
3//<br />
Eigentlich ist es von Vorteil, sich den Klappentext durchzulesen,<br />
bevor man ein Buch kauft. Schließlich will man<br />
ja wissen, was einen erwartet. Bei Alexandra Kuis neuem<br />
Roman „Wiedergänger“ sollte man es allerdings lieber lassen.<br />
Denn dann wäre es eine Geschichte über zwei charakterstarke<br />
Frauen, deren Wege sich wegen eines archaischen<br />
Fluchs kreuzen. Es wäre eine Geschichte, die die<br />
isländische Welt der Geister und Flüche der technisierten<br />
deutschen Rationalität gegenüberstellt. Kuis Soziologiestudium,<br />
zahlreiche Islandreisen und Erfahrungen im<br />
Bereich Reisereportagen spiegeln sich in einem anschaulichen<br />
Bild von Landschaft und Leuten wider. Doch von<br />
einem spannenden Roman, in dem die Protagonisten gemäß<br />
Klappentext „um ihr Leben kämpfen“, erwartet man<br />
definitiv mehr Nervenkitzel. Ein Isländer mag sich vor der<br />
Auferstehung eines Toten fürchten. Aber womöglich sind<br />
unter den deutschen Lesern einige, die unter den Geistern<br />
der Vergangenheit etwas Realeres verstehen. (bs)<br />
Krimi-Special // bücher 83<br />
Philip Kerr<br />
Die Adlon Verschwörung<br />
KRIMI<br />
Aus d. Engl. v. Axel Merz<br />
Wunderlich, 2010<br />
704 S.<br />
19,95 Euro<br />
Mit seinem Helden Bernie Gunther hat sich Philip Kerr<br />
schon so manchen Zeitsprung und Ortswechsel erlaubt.<br />
Spielte das Erstlingswerk des britischen Krimiautors noch<br />
im Berlin des Nazi-Deutschschland, so zogen die Kerr-<br />
Leser mit den folgenden Büchern in die Nachkriegszeit,<br />
wo Gunther mal in München als Privatdetektiv arbeitet,<br />
mal in Buenos Aires im Auftrag von Peróns Geheimdienst.<br />
Jetzt sind wir wieder in Berlin und diesmal ganz am<br />
Anfang: im Jahr 1934. Bernie Gunther hat die Kriminalpolizei<br />
verlassen, weil er für deren neue Aufgabenstellung<br />
im Hitler-Regime nicht zur Verfügung stehen wollte. Obwohl<br />
nur Privatdetektiv im Hotel Adlon, hat Gunther sehr<br />
schnell einen möglichen Mord an einem jüdischen Boxer<br />
am Hals. Seine Auftraggeberin: Noreen Charalambides.<br />
Die amerikanische Journalistin ist Jüdin und will mit<br />
einem entlarvenden Artikel über die antisemitische Politik<br />
Deutschlands verhindern, dass Berlin die Olympiazusage<br />
bekommt. Warum sie ihr Ziel nicht erreicht, wird hier<br />
nicht verraten, aber Bernie Gunther erhält erst Jahrzehnte<br />
später im zweiten Teil des Krimis auf Kuba die Gelegenheit,<br />
sich für das zu revanchieren, was ihm in den wenigen<br />
Wochen seiner Recherchen widerfährt. Die einzige Schwäche<br />
des genialen Thriller-Autors Kerr sind die Charaktere:<br />
Selbst Held Gunther verkommt immer wieder mal zu<br />
einem Abziehbild seiner selbst, von den Gegenspielern<br />
ganz zu schweigen. (jw)<br />
Elly Griffiths<br />
Totenpfad<br />
THRILLER<br />
Aus d. Engl. v. Tanja Handels<br />
Wunderlich, 2009<br />
320 S.<br />
19,90 Euro<br />
4//<br />
5//<br />
Was für ein Debüt! Okay, Elly Griffiths erfindet den britischen<br />
Thriller nicht neu, in dem nur auf den ersten Blick<br />
die Landschaft schön und das Leben lauschig ist. Aber<br />
der Nebel des Salzmoors, an dessen Rand die Archäologin<br />
Ruth sich in ihrem winzigen Cottage bisher so wohl gefühlt<br />
hat, kriecht einem unter die Haut. Denn Ruths Gelassenheit<br />
schwindet nach und nach – und mit ihm das<br />
Vertrauen in Freunde und Bekannte. Denn das erste entdeckte<br />
Skelett ist zwar eine historische Sensation. Hinter<br />
dem zweiten Fund jedoch verbirgt sich eine Tragödie. Und<br />
obwohl Ruth mit frischen Leichen eigentlich nichts zu tun<br />
hat, wird sie in den mysteriösen Fall hineingezogen,<br />
kulturnews 5/10<br />
Countdown<br />
in<br />
Kapstadt<br />
470 S. Geb. D (D) 19,95<br />
ISBN 978-3-352-00779-8<br />
»Einer der besten<br />
Krimiautoren<br />
weltweit.«<br />
Antje Deistler, WDR<br />
Inspektor Griessel hat 13 Stunden um<br />
2 Morde aufzuklären – und sein Leben<br />
wieder in Ordnung zu bringen.<br />
Der bisher rasanteste und hintergründigste<br />
Thriller von Deon Meyer!<br />
www.deon-meyer.de
84 bücher // Krimi-Special<br />
dessen Spuren immer tiefer ins Salzmoor,<br />
in die Frühgeschichte und letztlich in den<br />
eigenen Bekanntenkreis führen. Schnörkellos<br />
wie seine Hauptfigur ist „Totenpfad“,<br />
legt seine (teils natürlich falschen) Fährten<br />
auffällig und geschickt zugleich und verzichtet<br />
zum Glück darauf, die 316 Seiten personell<br />
zu überfrachten. Val McDermid<br />
bekommt hier eindeutig Konkurrenz. (kab)<br />
Andreas Franz<br />
Eisige Nähe<br />
kulturnews 5/10<br />
KRIMI<br />
Knaur, 2010<br />
592 S.<br />
16,95 Euro<br />
4//<br />
Andreas Franz behauptet, kein Verschwörungstheoretiker<br />
zu sein. Kann er ja ruhig.<br />
Tatsache ist aber: In seinem neuesten Kiel-<br />
Krimi wird verschworen, was das Zeug<br />
hält. Es gibt Filz und High Society, organisierte<br />
Kriminalität, Menschenhandel, das<br />
BKA, den Verfassungsschutz und dazwischen<br />
Verbindungen, dick wie Drahtseile<br />
– und einen Fall, der sich für die<br />
ehrlichen Ermittler Sören Henning und<br />
Freundin Lisa Santos als wahrer Drahtseilakt<br />
herausstellt. Dabei sieht es anfangs<br />
eigentlich noch nicht ganz so aussichtslos<br />
aus für das Paar aus Schleswig-Holstein.<br />
Der erfolgreiche Musikproduzent Bruhns –<br />
ein Egozentriker und Ehebrecher, so viel<br />
ist sattsam bekannt – wird ermordet. Bei<br />
ihm: eine junge Frau. Als die Ermittler<br />
allerdings herausfinden, dass die 18-Jährige<br />
altersmäßig schon an Bruhns Obergrenze<br />
lag und plötzlich Spuren im längst<br />
ad acta gelegten Mordfall der kleinen Nele<br />
zu dem Millionär führen, begeben sie sich<br />
in einen Sumpf, aus dem es bald kein<br />
Entkommen mehr gibt. Manchmal ist es<br />
ärgerlich, wie Henning und Santos sich<br />
voranstochern, Vertrauen verteilen, entziehen,<br />
und aus dem meisten, was passiert,<br />
nicht so recht schlau werden. Aber vielleicht<br />
ist auch das eine Portion Realitätsnähe,<br />
auf die der als Polizeikenner bekannte<br />
Franz trotz teils hanebüchen wirkender<br />
Wendungen großen Wert legt. Und<br />
letztlich ist es die Menschlichkeit der Ermittler,<br />
die „Eisige Nähe“ nicht in die Falle<br />
des abgehobenen Gangsterthrillers tappen<br />
lässt, in dem es nur noch darum<br />
geht, möglichst viele Leichen zu hinterlassen<br />
– auch wenn etwa Auftragskiller Hans<br />
Schmidt durchaus für eine anständige<br />
Totenquote in Kiel und Umgebung sorgt.<br />
(kab)<br />
Cody McFadyen<br />
Ausgelöscht<br />
THRILLER<br />
Aus d. Engl. v.<br />
Angela Koonen u.<br />
Dietmar Schmidt<br />
Lübbe, 2010<br />
459 S.<br />
19,99 Euro<br />
Cody McFadyen hat es mit den Kranken<br />
und Perversen, den seelisch verkrüppelten<br />
Serienmördern und Psychopathen. Um<br />
sie zu fangen, schickt er seine Superermittlerin<br />
Smoky Barrett nun schon zum vierten<br />
Mal in den Kampf gegen das Verbrechen<br />
in all seiner nur vorstellbaren Abscheulichkeit<br />
– und zum vierten Mal auch<br />
in den Kampf mit sich selbst und ihren<br />
Gefühlen. Doch weil Smoky sich langsam<br />
aber sicher von ihrem eigenen Schicksal<br />
zu erholen droht (Mann und Kind ermordet,<br />
sie selbst entstellt und dem Selbstmord<br />
nah), muss neuer Zündstoff her. Irgendein<br />
gefährlich gefühlloser Spinner entführt<br />
Frauen und hält sie über Jahre, Jahrzehnte<br />
gar in lichtlosen Kerkern gefangen. Warum?<br />
Weil es skrupellose Ehemänner gibt,<br />
die sich nichts sehnlicher wünschen, als<br />
die unfolgsame Frau aus dem Weg zu schaffen.<br />
Der Entführer ist also nicht das einzige<br />
Ekel, auf das Barrett im Zuge ihrer Ermittlungen<br />
stößt … Ihn jedoch lernt sie –<br />
nein, es ist nicht zu viel verraten, denn es<br />
ist fürchterlich voraussehbar – aus nächster<br />
Nähe kennen. Und die Voraussehbarkeit<br />
des Plots ist dann auch das große Problem<br />
von „Ausgelöscht“, das einfach nicht die<br />
Spannung seines Vorgängers erreichen<br />
will. Quälend lange hält McFadyen sich<br />
mit Smoky und Tommy auf – und ihren<br />
Frühstücksgewohnheiten. Das wirkt zu<br />
banal gegen die unglaubliche Gewalt des<br />
Psychopathen und banalisiert andererseits<br />
den Thrillerteil der Geschichte. (kab)<br />
Bernhard Jaumann<br />
Die Stunde des Schakals<br />
THRILLER<br />
Kindler, 2010<br />
320 S.<br />
19,95 Euro<br />
3//<br />
5//<br />
Jaumann ist eindeutig mehr als Lieferant<br />
von Spannungsliteratur: Er beobachtet seine<br />
Protagonisten, erforscht ihr Verhalten<br />
und packt das alles in eine fesselnde Kriminalgeschichte.<br />
Der Politthriller „Die Stunde<br />
des Schakals“ spielt im Süden Afrikas,<br />
im Grenzgebiet von Namibia, Botswana<br />
und Südafrika, und erzählt von einer Attentatserie<br />
auf südafrikanische Agenten im<br />
Ruhestand. Die junge Ermittlerin Clemencia<br />
Garises kennt die Apartheid nur noch<br />
aus Erzählungen, aber bei diesem Fall<br />
werden offensichtlich alte Rechnungen<br />
beglichen. (am)<br />
Martin Mucha<br />
Papierkrieg<br />
THRILLER<br />
Gmeiner, 2010<br />
380 S.<br />
11,90 Euro<br />
4//<br />
„Das war nicht der rechte Zeitpunkt, mir<br />
blöd zu kommen. Mit der Linken ließ ich<br />
den Butterfly des Russen aufschnappen,<br />
mit der Rechten packte ich Mike im Nacken.<br />
Wenn man auf den Schlachthöfen Rinderhälften<br />
schleppt, hat man Kraft.“ Die Kraft<br />
hat Arno Linder sich nur im Nebenjob<br />
geholt. Eigentlich ist der Dreißigjährige<br />
nämlich ein miserabel bezahlter Philologe<br />
an der Uni Wien. So miserabel bezahlt,<br />
dass er sofort Geld wittert, als er eines<br />
Nachts ein volltrunkenes Mädchen mit<br />
rauchender Pistole in ihre Luxuskarre stolpern<br />
sieht. Von da an setzt Martin Mucha<br />
seinen intellektuellen Debüthelden in<br />
feinster Hard-boiled-Manier allen möglichen<br />
Torturen aus: Gebrochene Nasen,<br />
üble Typen und eine Leiche nach der<br />
anderen kreuzen Linders Weg zur Kohle.<br />
Die Grobheiten verpackt Mucha aber in<br />
ein feinsinniges, humorvolles Wienporträt<br />
voller katzbuckelnder Kellner, unfähiger<br />
Beamter, Bierdosenprolls und übler Machenschaften<br />
der oberen Zehntausend. Kleine<br />
Seitenhiebe in alle Richtungen dürfen<br />
nicht fehlen: Da gibt es Louis-Vuitton-<br />
Kokstäschchen, die österreichische Polizei<br />
wird mit der Taliban verglichen, und sogar<br />
die Türken in Wien sind xenophob. Ein<br />
Riesenvergnügen für alle Wienfans oder<br />
jene, die es werden wollen. (kat)<br />
Georg Klein stellt sein frisch mit dem Preis der<br />
Leipziger Buchmesse prämiertes Werk „Roman unserer<br />
Kindheit“ bei mehreren Lesungen vor: 18. 5.<br />
Münster, 19. 5. Marburg, 25. 5. Kiel<br />
Veit M. Etzold<br />
Das große Tier<br />
THRILLER<br />
KiWi, 2010<br />
496 S.<br />
9,95 Euro<br />
Normalerweise ist der Kölner Verlag Kiepenheuer<br />
& Witsch eine recht geschmackssichere<br />
Instanz. Wie also hat es ein Buch<br />
wie dieses ins Verlagsprogramm geschafft?<br />
Vielleicht fühlte man sich angesichts der<br />
globalen Finanzkrise verpflichtet, auch<br />
mal was zum Thema Wirtschaftskriminalität<br />
zu machen – und möchte zugleich<br />
vom kommerziellen Erfolg der Verschwörungsthriller<br />
im Stile Dan Browns profitieren.<br />
Veit M. Etzold erzählt in seinem Debüt<br />
von brutalen Verbrechen in ganz<br />
hohen Wirtschaftskreisen, die im Zusammenhang<br />
stehen mit einem uralten Geheimbund.<br />
Logisch, dass der Vatikan<br />
auch mitmischen darf … Dass „Das große<br />
Tier“ zu vorsätzlich an Vorbildern wie<br />
„Sakrileg“ orientiert ist, ist ein Manko. Hinzu<br />
kommen sprachliche Mängel: Manche<br />
Satzwendungen tauchen immer wieder<br />
auf, als hätte der Autor bei sich selbst kopiert,<br />
und viele der Dialoge klingen absurd<br />
konstruiert. Schlussendlich lässt Veit M.<br />
Etzold sein Ermittlerduo – eine hübsche<br />
Berliner Hauptkommissarin und einen<br />
schüchternen Kunststudenten – zwar in<br />
den Untiefen weltumspannender Verschwörungen<br />
wühlen; simple Details vernachlässigt<br />
er dabei aber. So entdeckt die<br />
Polizei gleich zu Beginn des Buchs an<br />
einem Tatort einen lateinischen Spruch –<br />
kommt aber erst viele, viele Seiten später<br />
darauf, diesen zu übersetzen. Dass KiWi<br />
das Ganze nicht als teures Hardcover,<br />
sondern als preiswertes Paperback auf<br />
den Markt bringt, ist womöglich ein Signal<br />
dafür, dass man doch geahnt hat: Ein<br />
Knaller ist das hier nicht … (jul)<br />
Ken Follett<br />
Der Modigliani-Skandal<br />
2//<br />
KRIMI // CD<br />
Gelesen v.<br />
Simon Roden<br />
Lübbe Audio, 2010<br />
4 CDs<br />
19,99 Euro<br />
2//<br />
Es ist so eine Unsitte, altes Zeug irgendwann<br />
als Hörbuch auf den Markt zu bringen,<br />
und beim „Modigliani-Skandal“ han-
delt es sich um gehörig olle Kamellen.<br />
Folletts Erstling von 1976 hat mit späteren<br />
Büchern eigentlich nur eins gemein: Der<br />
Waliser neigt dazu, sich mit dem Personal<br />
nicht zurückzuhalten. Hier allerdings werden<br />
die Geschichten der zahlreichen Einzelnen<br />
noch nicht minutiös, sondern eher<br />
schlampig verknüpft, und die zugrunde<br />
liegende Handlung steht auf so wackligen<br />
Füßen, dass sie Folletts Wust an Ungereimtheiten<br />
nicht tragen kann. Studentin Dee<br />
erfährt in Paris, dass es irgendwo in Italien<br />
ein unbekanntes Bild von Modigliani geben<br />
soll und begibt sich mit Freund Mike<br />
auf die Suche. Zeitgleich versuchen in<br />
London ein abgebrannter Künstler und<br />
sein bester Freund, die verlogene Kunstszene<br />
reinzulegen, und ein junger Galerist<br />
bekommt weder privat noch geschäftlich<br />
ein Bein auf die Erde. Hier werden die<br />
Klischees so reichlich gedroschen, dass es<br />
weh tut, und wahrscheinlich auch vor 34<br />
Jahren schon mau war. Heute kommt<br />
erschwerend hinzu, dass man mit der Botschaft,<br />
im Kunstmarkt gehe es mehr um<br />
den Profit als um die Künstler, keinen<br />
mehr hinter dem Ofen hervorlockt. (kab)<br />
Jan Seghers<br />
Die Akte Rosenherz<br />
KRIMI // CD<br />
Gelesen v.<br />
Miroslav Nemec<br />
Argon, 2010<br />
5 CDs<br />
19,95 Euro<br />
5//<br />
Die Akte Rosenherz ist längst geschlossen.<br />
Und Hauptkommissar Marthaler hat<br />
auch genug eigene Sorgen, denn seine<br />
schwangere Freundin Tereza wurde bei<br />
einem Überfall auf einen Kunsttransport<br />
schwer verletzt. Und doch drängt sich<br />
ihm der in den 1960ern begangene Mord<br />
an der Edelprostituierten Karin Rosenherz<br />
auf. Es scheint Verbindungen zum aktuellen<br />
Verbrechen zu geben – darum setzt<br />
Marthaler alles daran, den Schuldigen zu<br />
finden. Dabei kommt ihm Journalistenschülerin<br />
Anna in die Quere, die ihre ganz<br />
eigenen Gründe hat, sich für die Aufklärung<br />
des alten Falls in Gefahr zu begeben.<br />
Je mehr Fehler Anna und der Kommissar<br />
in den alten Akten zutage fördern, desto<br />
brutaler versucht man sie von den Nachforschungen<br />
abzuhalten. Der heute noch<br />
ungelöste Mord an Helga Matura im Jahr<br />
1966 inspirierte Seghers, und er wühlte<br />
sich durch 10 000 Seiten alter Polizeiakten.<br />
Dieser Hintergrund und die genauen<br />
Frankfurt-Kenntnisse des Autors<br />
machen „Die Akte Rosenherz“ nicht nur<br />
spannend, sondern authentisch – und<br />
dass „Tatort“-Schauspieler Miroslav Nemec<br />
liest, ist das Tüpfelchen auf dem i der gelungenen<br />
Hörbuchadaption. (kab)<br />
Fred Vargas<br />
Das Orakel von Port-Nicolas<br />
KRIMI // CD<br />
Gelesen v. Suzanne<br />
von Borsody<br />
Der Audio Verlag,<br />
2010, 4 CDs<br />
19,99 Euro<br />
4//<br />
Die besten Krimis sind oft jene, bei denen<br />
man eine halbe Ewigkeit braucht, um zu<br />
erkennen, dass es sich überhaupt um einen<br />
Krimi handelt. Es sind eher Geschich-<br />
ten, die sich mehr oder weniger lose um<br />
die Aufklärung eines Verbrechens drehen.<br />
Und manchmal ist nicht mal von Anfang<br />
an klar, dass es überhaupt ein Verbrechen<br />
gibt – so geht es in „Das Orakel von Port-<br />
Nicolas“ nicht nur dem Zuhörer, sondern<br />
fast jedem. Außer dem ausgemusterten<br />
Kommissar Kehlweiler, der zwar aus einer<br />
Mücke keinen Elefanten, aber aus einem<br />
in Hundekot gefundenen Zehenknochen<br />
gleich mal einen Mord macht. Diesen<br />
klärt er dann, behäbig und am Rande der<br />
Allwissenheit, in guter alter Detektivroman-<br />
Manier, also gemeinsam mit ein paar arbeitslosen<br />
jungen Wissenschaftlern auf.<br />
Das skurrile Personal, inklusive der Exhure<br />
Marthe und Kehlweilers Kröte, gehört<br />
ebenso in einen echten Vargas wie<br />
das poetische Herumscharwenzeln. Mit<br />
Suzanne von Borsody hat der Audio Verlag<br />
auch die richtige Sprecherin ausgesucht:<br />
Spröde und gelassen führt sie den<br />
Zuhörer durch die autorisierte Lesefassung.<br />
(kab)<br />
Simon Beckett<br />
Voyeur<br />
AUFREGEND, PROVOKANT, EHRLICH<br />
THRILLER<br />
Nina Hagen nimmt die Maske ab und erzählt die wirkliche Geschichte ihres rasanten<br />
Lebens. Sie gefällt sich nicht in äußeren Abenteuern und Erfolgen; ihr geht es um den<br />
roten Faden, die Wahrheit ihres Lebens, ihre innere, spirituelle Reise. Auf dieser Reise<br />
hat sie der Liebe, den Drogen und dem Tod ins Auge geschaut.<br />
+++ Nina Hagen singt und liest Bekenntnisse: 11.05.2010 Kassel | 12.05.2010 Nürnberg | 13.05.2010 Stuttgart | 17.05.2010 Friedberg<br />
Bayern|19.05.2010 Berlin|20.05.2010 Mainz|21.05.2010 Köln|23.05.2010 Annaberg-Buchholz|24.05.2010 Annaberg-Buchholz|02.06.2010<br />
Rheinsberg | 04.06.2010 Neubrandenburg | 05.06.2010 Schwerin | 06.06.2010 Rostock | alle Infos unter www.droemer-knaur.de +++<br />
Krimi-Special // bücher 85<br />
Aus d. Amerik. v.<br />
Andree Hesse<br />
rororo, 2010<br />
384 S.<br />
9,95 Euro<br />
3//<br />
Beckett schreibt Bestseller – zumindest<br />
seit er den Pathologen David Hunter ermitteln<br />
lässt. Nur konsequent also, dass<br />
man auch versucht, Becketts Archivmaterial<br />
unter die Leute zu bringen. Nach<br />
„Flammenbrut“ und „Obsession“ ist „Voyeur“<br />
der dritte Alt-Beckett, eigentlich aber der<br />
erste Beckett überhaupt. Ein Muss ist die<br />
Geschichte vom missgünstigen Galeristen<br />
Donald Ramsey, der seine Assistentin mit<br />
allen, wirklich allen (!) Mitteln an sich reißen<br />
will, deswegen aber noch nicht. Klasse<br />
und Hochspannung hat Beckett nämlich<br />
erst viel später erreicht. (kab)<br />
Ilkka Remes<br />
Tödlicher Sog<br />
THRILLER<br />
Aus d. Finn.<br />
Stefan Moster<br />
dtv, 2010<br />
464 S.<br />
14,90 Euro<br />
4//<br />
Ilkka Remes aus Finnland ist einer der<br />
produktivsten Krimi-Autoren der Welt.<br />
Wahrscheinlich beschäftigt er ein ganzes<br />
Team von Assistenten, die ihm zuarbeiten,<br />
sonst könnte Remes niemals so fundierte<br />
Verschwörungsthriller wie am Fließband<br />
schreiben. Mit „Tödlicher Sog“ bringt<br />
er einen hoffnungsvollen jungen Rennfahrer,<br />
dessen ermordete Freundin, den<br />
Untergang der Estonia und einen Waffenschmugglerring<br />
in einem Buch unter –<br />
und es funktioniert. Erneut überzeugt<br />
Remes mit einem spannenden Thriller<br />
über ein globalisiertes Verbrechen, das<br />
sich mehr und mehr mit unserer Zivilgesellschaft<br />
vermischt. (am)<br />
296 Seiten | € [D] 18,- | ISBN 978-3-629-02272-1
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zeeitt!! zeit!<br />
Aber wie werden<br />
Rippchen, Huhn oder<br />
auch Lamm perfekt?<br />
Aus welchen Zutaten<br />
rührt man die ultimative<br />
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zusammen? Und was<br />
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86 kino //<br />
„The Crazies – Fürchte<br />
deinen Nächsten“<br />
Unsere kleine<br />
Mörderstadt<br />
Remakes von Horrorfilmen sind meist<br />
furchtbar. Breck Eisner jedoch gelingt mit<br />
„The Crazies“ ein Kabinettstück: Seine postapokalyptische<br />
Vision ist um Längen besser<br />
als das Original.<br />
Es geht um das Leben und Sterben (Letzteres vor allem)<br />
in einer US-Kleinstadt. Sheriff Duton (Timothy Olyphant)<br />
und seine Frau Judy (Radha Mitchell) leben im beschaulichen<br />
Ogden Marsh in Iowa. Die Kleinstadtidylle beginnt<br />
zu bröseln, als es bei einem Baseballspiel zu einem<br />
Amoklauf kommt und bald weitere Bürger anscheinend<br />
den Verstand verlieren. Sie fackeln ihre Familien samt Farm<br />
ab oder überfahren die Liebsten mit dem Mähdrescher.<br />
Zusammen mit seinem Deputy (Joe Anderson) findet Duton<br />
die Ursache heraus: Ein Militärflugzeug ist in den<br />
nahe gelegenen Sümpfen abgestürzt, an Bord ein Virus<br />
namens „Trixie“, das biedere Bürger in rasende Mordmaschinen<br />
verwandelt. Die wahre Gefahr aber geht weniger<br />
von den Infizierten aus als vom Katastrophenmanagement<br />
der Regierung. Deren Vertreter wirken mit ihren<br />
Gasmasken und Schutzanzügen anonym und unmensch-<br />
kulturnews 4/10<br />
lich. In mit Stacheldraht umzäunten Internierungslagern<br />
treiben sie die Bevölkerung wie Vieh zusammen.<br />
Ein guter Horrorfilm erzählt stets von den Ängsten, die<br />
zum Zeitpunkt seiner Entstehung in der Gesellschaft umgehen.<br />
So lässt sich die Fülle außerirdischer Invasionen<br />
im amerikanischen Kino der 50er und 60er als Reflexion<br />
der vermeintlichen Bedrohung durch kommunistische Unterwanderung<br />
lesen. Breck Eisners Bilder erinnern eher<br />
an das Versagen der Behörden beim Hurrikan Katrina in<br />
New Orleans, an Guantánamo Bay oder die Verbrechen der<br />
Bush-Regierung.<br />
Ein solcher Subtext funktioniert aber nur, wenn der<br />
Horror angemessen Spannung und Schrecken erzeugt.<br />
Was das angeht, legt „The Crazies“ ein ungeheures Tempo<br />
vor. Seine wenigen Hauptfiguren skizziert er knapp, aber<br />
glaubwürdig. Hier gibt es keine klischeehaften Beziehungsprobleme,<br />
der Film stürmt und drängt unablässig vorwärts<br />
und schildert den Zusammenbruch der Gesellschaft in<br />
ebenso schmutzigen wie drastischen Bildern: Da wird im<br />
Leichenschauhaus mit rotierenden Kreissägen hantiert,<br />
Mistgabeln kommen zum Einsatz, und in der Waschanlage<br />
findet eine blutige Autoreinigung statt. Das Remake<br />
ist dadurch wesentlich stringenter und effektiver als das<br />
durchwachsene Original von 1973, damals inszeniert von<br />
George A. Romero, dem Großmeister des Zombiefilms.<br />
Am Ende sind die Straßen von Ogden Marsh übersät mit<br />
Leichen und brennenden Autos, die Regierung greift zur<br />
nuklearen Endlösung. Der amerikanische Traum steht wieder<br />
einmal in Flammen. Selten hat ein Film das so überzeugend<br />
in Bilder gekleidet wie dieser.<br />
Alexander Rolf Meyer<br />
The Crazies – Fürchte deinen Nächsten startet am 27. Mai.
„Baarìa“<br />
Es war einmal<br />
in Sizilien<br />
Giuseppe Tornatore hat sich viel vorgenommen:<br />
In „Baarìa“ packt er eine umfassende Familiengeschichte<br />
und ein halbes Jahrhundert italienische<br />
Geschichte in einen Film. Kann das gutgehen?<br />
Es beginnt mit einem Kartenspiel. Ein Spieler spuckt auf den Boden, schickt den jungen<br />
Peppino zum Zigarettenholen und verspricht ihm 20 Lire, wenn er es schafft, wiederzukommen,<br />
ehe die Spucke getrocknet ist. Der Junge rennt los, vorbei an sizilianischen<br />
Matronen, Gemüsekarren und einem beinlosen Bettler. Dann erhebt er sich in die Lüfte,<br />
und mit ihm setzt die Kamera zu einem Panoramaflug an, der uns den Hauptdarsteller des<br />
Films vorführt: Baarìa, eine Kleinstadt vor den Toren von Palermo.<br />
Seht her, welche Zaubermacht das Kino besitzt!, ruft uns Giuseppe Tornatore in dieser<br />
Eröffnungssequenz zu. Es kann Menschen fliegen lassen und vergangene Zeiten heraufbeschwören.<br />
Zweieinhalb Stunden dauert diese Beschwörung, die um 1930 einsetzt und<br />
erst in den 80ern endet. Durch die Zeitläufe lebt, liebt und streitet sich die Familie Torrenuova,<br />
in der Peppino (Francesco Scianna) als Sohn eines Schafhirten aufwächst. Als junger<br />
Mann tritt er in die Kommunistische Partei ein und kämpft für die bitterarme Landbevölkerung<br />
gegen Großgrundbesitzer und Mafiosi. Doch die politischen Umbrüche handelt<br />
der Film seltsam verklärt ab. Die Faschisten sind Operettenschurken, und statt von den<br />
Hintergründen der Mafia zu erzählen, schwelgt Tornatore in Aufnahmen pittoresker Skulpturen<br />
im Garten des Gangsterbosses.<br />
// kino 87<br />
Nicht die politische Geschichte treibt diesen Film voran, sondern die private. Da geht<br />
es um Liebesleid und finanzielle Sorgen, um Zitronendiebstähle und Spaghetti mampfende<br />
Wahrsagerinnen. Diese Verklärung italienischer Lebenslust erinnert an Tornatores Oscargekrönten<br />
„Cinema Paradiso“ von 1988. Diesmal aber verliert sich der Regisseur im<br />
Durcheinanderwogen seiner Figuren und reißt eine Fülle von Themen an, ohne sie zu Ende<br />
zu erzählen. Und doch entfaltet dieser üppig überquellende Film einen bildmächtigen<br />
Zauber. Es gibt imposante Kamerafahrten, wildbewegte Massenszenen und Gestalten, die so<br />
knorrig sind wie hundertjährige Korkeichen: nostalgisch verklärtes Heimatkino, das zwischen<br />
magischem Realismus und burleskem Schelmenstück schwankt.<br />
„Warum glaubt eigentlich jeder, dass Sizilianer Heißsporne wären?“, fragt Peppinos Sohn<br />
am Ende. „Weil wir stets versuchen, die Welt zu umarmen, aber unsere Arme zu kurz sind“,<br />
entgegnet der Vater. Giuseppe Tornatores Arme sind lang genug, um die Vergangenheit<br />
zu umarmen.<br />
Alexander Rolf Meyer<br />
Baarìa startet am 29. April.<br />
DIE BEEINDRUCKENDE KINO-DOKUMENTATION – JETZT AUF DVD UND BLU-RAY!<br />
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D ie unglaubliche Reise<br />
der Meeresschildkröte<br />
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88 kino //<br />
Film des Monats<br />
Vertraute Fremde<br />
DRAMA<br />
BE/LU/D 2010, 100 Min.<br />
R: Sam Gabarski<br />
D: Pascal Gréggory, Léo Legrand, Alexandra Maria Lara<br />
ab 20. 5. (Warner Bros.) 5//<br />
Am Anfang steht ein Wunder: Den Comiczeichner Thomas (Pascal Gréggory) verschlägt<br />
es auf einer Reise in sein Heimatdorf zurück in die Vergangenheit. Er steckt wieder im<br />
Körper seines 14-jährigen Alter Ego (Léo Legrand), doch er besitzt noch immer die Erinnerungen<br />
eines Erwachsenen. So beiläufig Regisseur Sam Garbarski („Irina Palm“)<br />
diese Verfilmung der Graphic Novel von Jir Taniguchi beginnt, so stilsicher erzählt er<br />
sie zu Ende. In klaren, kühlen Bildern lässt er die französische Provinz der 1960er<br />
wiederauferstehen und Mann/Kind ein zweites Coming-of-Age erleben. Das führt zu<br />
surrealen Momenten: Da prophezeit Thomas seinen irritierten Eltern den Fall der Berliner<br />
Mauer oder erzählt der Schulfreundin im Schwimmbad, dass sie zu jung für ihn<br />
sei. Als der Vater sich anschickt, ihn und die Mutter (Alexandra Maria Lara) zu verlassen,<br />
beschließt Thomas, die Vergangenheit zu ändern. Was als Zeitreisemärchen begann, ist<br />
da längst zu einer tiefschürfenden Suche nach der verlorenen Zeit geworden. (arm)<br />
Mit dir an meiner Seite<br />
ROMANZE<br />
USA 2011, 107 Min.<br />
R: Julie Anne Robinson<br />
D: Miley Cyrus, Liam Hemsworth,<br />
Greg Kinnear<br />
ab 29. 4. (Walt Disney)<br />
Verfilmungen von Nicholas-Sparks-Romanen<br />
sind die reinste Kitschgrütze.<br />
Immer ist irgendwo ein Strand, an dem<br />
Romantik und Melancholie Hand in Hand<br />
gehen. Aber ob „Message in a Bottle“ oder<br />
„Wie ein einziger Tag“: Die Adaptionen<br />
kulturnews 5/10<br />
-Bewertung<br />
2//<br />
1=grausig bis 6= genial<br />
haben immer einen menschlichen, geerdeten<br />
Kern, der es schwer macht, sich<br />
ihrer emotionalen Gewalt zu entziehen.<br />
Dieses Konzept, das bisher vornehmlich<br />
auf Altstars wie Kevin Costner und Diane<br />
Lane zugeschnitten war, überträgt Julie<br />
Anne Robinson nun auf die Welt des<br />
Teenagerfilms: Veronica (Miley Cyrus<br />
alias Hannah Montana) muss einen<br />
Sommer bei ihrem Vater verbringen, dem<br />
sie die Scheidung von der Mutter übel<br />
nimmt. In einer Hütte am Meer schmollt<br />
die 17-Jährige, liest Tolstoi (!), bewacht<br />
Schildkröteneier (!!) und lernt einen traumatisierten<br />
Millionärssohn (!!!) kennen.<br />
Schließlich sitzt sie, im weichen Gegenlicht,<br />
wieder am Klavier, denn, logisch,<br />
eigentlich ist sie ein potenzieller Superstar.<br />
Auch hier: Grütze, die aber recht<br />
gut funktioniert. Bis im letzten Drittel<br />
Veronicas Launen für Spannung sorgen<br />
sollen, aber nur den Rest an Glaubwürdigkeit<br />
pulverisieren. (rk)<br />
Start 29. 4.<br />
Die Konkurrenten –<br />
Russlands Wunderkinder 2<br />
DOKUMENTATION<br />
D 2010, 98 Min.<br />
R: Irene Langemann<br />
ab 29. 4. (GM Films)<br />
Finger hasten im Zeitraffer über die Tasten,<br />
verlieren sich auf der schwarz-weißen<br />
Klaviatur, die Körper der Pianisten sind<br />
angespannt. Zehn Jahre nach ihrem Dokumentarfilm<br />
„Russlands Wunderkinder“<br />
holt Irene Langemann die vier Protagonisten<br />
von damals noch einmal vor die<br />
Kamera. Wahllos wechseln Schauplätze,<br />
Personen, Ort und Zeit, reihen sich Aufnahmen<br />
der inzwischen jugendlichen<br />
Klaviervirtuosen Elena, Dmitri, Irina und<br />
Nikita aneinander. Ohne eine konkrete<br />
Aussage verwebt Langemann Fragmente<br />
aus dem Leben der jungen Pianisten mit<br />
Rückblenden aus dem ersten Film und<br />
dokumentiert so lediglich die vergangene<br />
Zeit. Fragen nach der kaum gelebten<br />
Kindheit, nach den physischen und seelischen<br />
Schmerzen und nach der Konkurrenz<br />
zwischen den Pianisten bleiben<br />
offen und treten in den Hintergrund angesichts<br />
der Fülle an Detailaufnahmen.<br />
Keine Pausen, um Luft zu holen. (ud)<br />
I love you Phillip Morris<br />
TRAGIKOMÖDIE<br />
USA 2009, 98 Min.<br />
R: Glenn Ficarra, John Requa<br />
D: Jim Carrey, Ewan McGregor<br />
ab 29. 4. (Alamode)<br />
2//<br />
2//<br />
Eine Trickbetrüger-Dramödie mit schwuler<br />
Liebe im Gefängnis: nicht gerade der<br />
Stoff, den man Hollywood zutraut. Und<br />
man kann sich auch eine Recht-gehabt-<br />
Kerbe in die Lehne des Kinosessels<br />
schnitzen. Zu Beginn möchte man das<br />
Scheitern des Films Jim Carrey, dem personifizierten<br />
Overacting, in die Schuhe<br />
schieben. Der grimassiert sich wild<br />
durch die Geschichte des notorischen<br />
Schwindlers Steven Russell (den es übrigens<br />
wirklich gibt). Aber auch wenn<br />
Carrey den Karren in den Dreck fährt:<br />
Weder Leslie Mann als naive (Ex-)Ehefrau<br />
noch Ewan McGregor als Russells<br />
große Liebe Phillip Morris hindern ihn daran.<br />
Glatt wie ein Babypopo ist McGregors<br />
Morris, Schwulsein reduziert das Regieduo<br />
Ficarra/Requa auf Tuckigkeit und<br />
markige Sprüchen übers Ficken. Am<br />
Anfang lacht man noch über diese Diskrepanz<br />
zwischen der verbalen Offenheit<br />
und den verklemmten Bildern. Aber wenn<br />
Carrey zum zigten Mal mit dem gleichen<br />
Witzschema und den gleichen Posen zu<br />
punkten versucht, keimt der Verdacht<br />
auf, dass Jim Carreys Filme nicht an<br />
schlechten Geschichten scheitern – sondern<br />
an Jim Carrey. (kab)<br />
Sin Nombre<br />
DRAMA<br />
MX/USA 2009, 96 Min.<br />
R: Cary J. Fukunaga<br />
D: Edgar Flores, Paulina Gaitán,<br />
Kristyan Ferrer<br />
ab 29. 4. (Prokino)<br />
3//<br />
Zu hohe Erwartungshaltungen machen<br />
es Filmemachern nicht leicht. Über das<br />
Debüt des 32-jährigen Regisseurs Cary<br />
Joji Fukunaga hieß es im Vorfeld, es sei<br />
so gut wie „Amores Perros“. Dabei ist<br />
das mexikanische Drama viel eher eine<br />
fulminante Mischung aus Gangsterfilm,<br />
Roadmovie, traditioneller Liebesgeschichte<br />
und modernem Western. Weil er aus<br />
Blutrache den eigenen Gangboss getötet<br />
hat, muss El Casper (Edgar Flores) vor<br />
der Mara-Salvatrucha-Bande um sein<br />
Leben rennen. Er schließt sich einem
Haufen Flüchtlinge an, die illegal auf<br />
Zugdächern Richtung amerikanischer<br />
Grenze rumpeln, auf der Suche nach<br />
einem besseren Leben. Stark beeinflusst<br />
vom Genremeilenstein „City of God“ verhandelt<br />
der Film Moralfragen um Ehre,<br />
Schuld und Sühne, während die Kamera<br />
mit dem gefühlten Tempo einer abgefeuerten<br />
Kanonenkugel hinter den minderjährigen<br />
Darstellern hinterherjagt. Visuell<br />
zwar berauschend, mangelt es „Sin<br />
Nombre“ auf der inhaltlichen Ebene an<br />
Originalität. Der Wettlauf eines jungen<br />
Mannes mit dem Tod bleibt dann doch<br />
zu eindimensional und vorhersehbar.<br />
(ds)<br />
Verrückt nach Steve<br />
ROMANTISCHE KOMÖDIE<br />
USA 2009, 101 Min.<br />
R: Phil Trail<br />
D: Sandra Bullock, Bradley Cooper,<br />
Thomas Haden Church<br />
ab 29. 4. (20th Century Fox)<br />
4//<br />
„Diese Frau nervt“, war das übereinstimmende<br />
Argument vieler Verrisse dieses<br />
Films in den USA. Aber was nervt<br />
eigentlich? Mary (Sandra Bullock) ist<br />
Kreuzworträtselerfinderin, redet wie ein<br />
Wasserfall und hat ein gewisses Nähe-<br />
Distanz-Problem. So führt das erste Date<br />
mit dem Kameramann Steve (Bradley<br />
Cooper) zur spontanen Nummer auf dem<br />
Beifahrersitz. Von Marys ungestümer<br />
Leidenschaft überfordert, verabschiedet<br />
sich Steve zu einem weit entfernten Job.<br />
„Ich wünschte, du würdest mitkommen.“<br />
Die verliebte Mary nimmt das wörtlich<br />
und reist Steve hinterher. … Na gut,<br />
Mary nervt. Aber sie ist vor allem eine<br />
intelligente, temperamentvolle Frau, die<br />
sich nach Liebe sehnt. Aus dieser Fallhöhe<br />
macht Phil Trail eine Screwball-Komödie,<br />
die genauso schnell und gewitzt<br />
ist wie ihre Hauptfigur. Natürlich kommen<br />
die Kreuzworträtselwitze in der deutschen<br />
Fassung nicht so gut rüber, und beim<br />
Versuch, die Kurve zum Klischee-Happy-<br />
// kino 89<br />
End zu bekommen, schrammt der Film<br />
mächtig an der Leitplanke entlang. Trotzdem:<br />
„Verrückt nach Steve“ ist besser als<br />
der Ruf, der ihm vorauseilt. (rk)<br />
Zu scharf, um wahr zu sein<br />
KOMÖDIE<br />
USA 2009, 105 Min.<br />
R: Jim Field Smith<br />
D: Jay Baruchel, Alice Eve, Míke Vogel<br />
ab 29 4. (Paramount Pictures)<br />
4//<br />
Zu blöd, um wahr zu sein: Die Übersetzung<br />
von Filmtiteln ist eine schwere<br />
Kunst. Dabei ist „She’s out of my League“<br />
viel besser als sein deutscher Name. Kirk<br />
(Baruchel) wollte eigentlich Pilot werden,<br />
doch es hat nur zum Sicherheitsbeamten<br />
an der Flughafenschleuse gereicht.<br />
Dort trifft er die schöne Molly (Alice Eve),<br />
und plötzlich tun sich in seinem festgefahrenen<br />
Leben ungeahnte Möglichkeiten<br />
auf. Den altbekannten Durchschnittstyp-trifft-Traumfrau-Plot<br />
erzählt Regisseur<br />
Smith durchaus originell. Es gibt Witzchen<br />
über Schamhaarrasur und frühzeitige<br />
Ejakulation, doch meist glänzt der<br />
Film mit stillem Humor. Da wird der unscheinbare<br />
Kirk beim ersten Date von<br />
allen für einen Kellner gehalten und<br />
seine unflätige White-Trash-Familie als<br />
besitzergreifendes Monster karikiert. Wie<br />
Molly sich zögernd in den linkischen<br />
Jungen verliebt, ist so glaubhaft geschildert<br />
wie Kirks Minderwertigkeitskomplex,<br />
der die Beziehung immer wieder auf die<br />
Probe stellt. Diese ernsten Untertöne<br />
heben den Film über das Niveau einer<br />
gewöhnlichen romantischen Komödie.<br />
(arm)<br />
Noch mehr Lust auf Kino?<br />
Viele weitere Filmkritiken<br />
und Interviews<br />
unter www.kulturnews.de<br />
kulturnews 5/10<br />
NOKAN<br />
Die Kunst des Ausklangs<br />
Wunderbar!<br />
HEUTE JOURNAL<br />
Ab 1. Mai auf DVD!
90 kino //<br />
Start 6. 5.<br />
Ayla<br />
LIEBESDRAMA<br />
D 2009, 85 Min.<br />
R: Su Turhan<br />
D: Pegah Ferydoni, Mehdi Moinzadeh,<br />
Timur Isik<br />
ab 6. 5. (Zorro Film)<br />
Die Münchner Türkin Ayla (Pegah Ferydoni)<br />
verliebt sich in den Fotografen<br />
Ayhan (Mehdi Moinzadeh). Schnell merkt<br />
sie zu ihrem Erschrecken, dass der aus<br />
einer streng muslimischen Familie stammende<br />
Mann seine Schwester Hatice<br />
umbringen soll, weil die ihren Mann verlassen<br />
hat. Ayla stellt sich auf Hatice’<br />
Seite … Gut gemeint ist nicht immer gut<br />
gemacht, möchte man Regisseur Su<br />
Turhan zurufen. Ayla ist eine türkische<br />
Superfrau: Sie musste zu Hause ausziehen,<br />
hat sich mit ihrem Vater überworfen,<br />
arbeitet als Erzieherin, verdient sich<br />
als Garderobiere im nuttigen Outfit was<br />
dazu und macht Kampfsport. Fehlt nur<br />
noch, dass sie nachts als Catwoman<br />
durch die Straßen streift … Immerhin ist<br />
ihre Rolle nur grotesk überzeichnet – die<br />
Figur des Ayhan ist dagegen unverzeihlich<br />
eindimensional. Und das, obwohl<br />
der Mann mit der Entscheidung ringt,<br />
einen Mord zu begehen! Dass der Film<br />
oft unnötig dialoglastig ist, weil Turhan<br />
seinem Publikum offenbar nicht zutraut,<br />
Zusammenhänge zu verstehen, ist der<br />
Sargnagel für diesen „Ehrenmord“-Film.<br />
(jw)<br />
kulturnews 5/10<br />
2//<br />
Das Leuchten der Stille<br />
ROMANZE<br />
USA 2010, 105 Min.<br />
R: Lasse Hallström<br />
D: Amanda Seyfried,<br />
Channing Tatum, Richard Jenkins<br />
ab 6. 5. (Kinowelt)<br />
Noch mehr Lust auf Kino?<br />
2//<br />
Sie lernen sich kennen an einem perfekten<br />
Strandtag: der surfende Berufssoldat<br />
John (Channing Tatum) und<br />
Savannah (Amanda Seyfried), die gut<br />
situierte Unschuld vom Lande. Nach<br />
zwei gemeinsamen Sommerwochen<br />
zeigt uns Regisseur Lasse Hallström in<br />
Großaufnahme Johns Armeejacke: Ja,<br />
er muss in den Irakkrieg, und was den<br />
Verliebten bleibt, sind nur Briefe. Aus<br />
dem Off bekommen wir sie vorgelesen,<br />
während zu sinfonischem Pianokitsch<br />
die getrennten Leben der Liebenden<br />
vorüberziehen – bis hin zu seiner Verwundung<br />
und ihrer Verlobung (mit<br />
einem anderen) … Nach einem romantischen<br />
Melodram sollte man das Kino<br />
mit einem dicken Kloß im Hals verlassen;<br />
Zeit, sich dafür zu schämen, bleibt<br />
ja später noch. Doch dafür ist Hallströms<br />
Geschichte zu simpel und die<br />
Reinheit der Gefühle – trotz einer falschen<br />
Fährte – zu ungetrübt. Auch die<br />
Mimen patzen; Tatum mahlt meist nur<br />
wortkarg mit den Kiefern, während<br />
Seyfried die kulleräugige Güte in Person<br />
gibt. Eine züchtige, tempoarme Romanze<br />
für die Generation Twilight, die sich nichts<br />
traut: weder Sex noch echte Tragik. (mw)<br />
Viele weitere Filmkritiken, Interviews, Storys<br />
und Kinonews gibt es online<br />
unter www.kulturnews.de"
Das Summen der Insekten<br />
DOKUMENTATION<br />
CH 2009, 88 Min.<br />
R: Peter Liechti<br />
ab 6. 5. (FilmKinoText)<br />
Peter Liechtis dokumentarische Verfilmung<br />
von Shimada Masahikos titelgebendem<br />
Roman ist die qualvolle Chronik<br />
eines angekündigten Todes. Ein Mann<br />
geht in den Wald und hungert sich zu<br />
Tode. Gesprochene Tagebucheinträge<br />
protokollieren die letzten acht Wochen<br />
im Leben eines 40-Jährigen, der schreibt:<br />
„Diese Welt hat keine Bedeutung für mich.<br />
Mein langsamer, schmerzvoller Selbstmord<br />
gibt mir aber das Gefühl, etwas<br />
Eigenes geschafft zu haben.“ Der schweizerische<br />
Regisseur erzählt das in meditativen<br />
Bildern: Waldbäume, die sich im<br />
Wind wiegen, ein Boot, das verlassen<br />
auf dem Meer treibt, oder Regenwasser,<br />
das auf eine Plastikplane klatscht, die<br />
dem Mann vor seinem Tod als Dach<br />
dient. Da es sich nicht um einen fiktionalen<br />
Stoff handelt, fühlt man sich beim<br />
Betrachten dieses filmischen Essays wie<br />
ein Voyeur des Todes. Und der Tod wird<br />
hier nicht zum spirituellen Erlebnis erklärt,<br />
sondern ist schmerzvolles und einsames<br />
Ende des Lebens. Wie deprimierend.<br />
(ds)<br />
Die Eleganz der<br />
Madame Michel<br />
TRAGIKOMÖDIE<br />
F 2010, 100 Min.<br />
R: Mona Achache<br />
D: Josiane Balasko,<br />
Garance Le Guillermic, Togo Igawa<br />
ab 6. 5. (Senator)<br />
3//<br />
3//<br />
Die Verfilmung von Muriel Barberys Bestseller<br />
„Die Eleganz des Igels“ ist das Por-<br />
trät dreier Einzelgänger, die für einen<br />
kurzen Moment den Zauber des Lebens<br />
wiederentdecken. Madame Michel (Josiane<br />
Balasko) arbeitet als Concierge in<br />
einem noblen Pariser Apartmenthaus, in<br />
dem auch der japanische Witwer Kakuro<br />
(Togo Igawa) und die elfjährige Paloma<br />
(Garance Le Guillermic) wohnen.<br />
Letztere, entfremdet von der Distanz und<br />
Hochnäsigkeit ihrer bourgeoisen Eltern,<br />
will am zwölften Geburtstag Selbstmord<br />
begehen. Der brisanten Thematik begegnet<br />
Regisseurin Mona Achache mit<br />
einem unbeholfenen Sprung zwischen<br />
den Genres: Der Liebesgeschichte zwischen<br />
Witwer und Concierge setzt sie die<br />
Coming-of-Age-Story des jungen Mädchens<br />
entgegen – beide Geschichten<br />
werden so in ihrer Intensität und Tiefe<br />
nur angedeutet. Die zarten Annäherungsversuche<br />
und der langsame Erzählfluss<br />
machen den Film zu einem Äquivalent<br />
von Gesprächen mit Nachbarn im<br />
Treppenhaus: gepflegte Langeweile, die<br />
man trotzdem gerne kultiviert. (ds)<br />
Survival of the Dead<br />
// kino<br />
HORROR<br />
USA 2010, 90 Min.<br />
R: George A. Romero<br />
D: Alan van Sprang, Kenneth Welsh,<br />
Kathleen Munroe<br />
ab 6. 5. (Splendid)<br />
2//<br />
George A. Romeros künstlerisches Leben<br />
ist praktisch identisch mit seinen Zombiefilmen.<br />
Sie heißen „Night of …“ (1968),<br />
„Dawn of …“ (1978), „Day off …“ (1985),<br />
„Land of …“ (2005), „Diary of …“ (2006)<br />
und nun „Survival of the Dead“. Manche<br />
waren stilbildend – und alle besser als<br />
der neue. Während Romeros Nachfolger<br />
im Zombiegenre gerade postindustrielle<br />
Ängste durchdeklinieren, inszeniert der<br />
70-jährige Altmeister ein steril ausgeleuchtetes<br />
B-Movie ohne jede Atmosphäre,<br />
das auf einer netten Insel spielt und fatal<br />
an den hölzernen Stil des 50er-Jahre-<br />
Kinos erinnert. Immer wieder löst er<br />
kulturnews 5/10<br />
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92 kino //<br />
Szenen dadurch auf, dass sich jemand<br />
überraschend einmischt, der die ganze<br />
Zeit unbemerkt am Rand des Sets herumstand,<br />
was die Protagonisten eigentlich<br />
hätten merken müssen. Da war sogar<br />
„Lassie“ eleganter inszeniert. Der Grundkonflikt,<br />
den die Parteien auf der Insel<br />
blutig ausfechten – soll man Zombies<br />
abknallen oder am „Leben“ erhalten, bis<br />
ein Heilmittel gefunden ist? –, geht da<br />
völlig unter. Ein Film so untot wie die<br />
meisten seiner Figuren. Nur schießt man<br />
denen gnädigerweise die Schädel weg.<br />
(mw)<br />
The exploding Girl<br />
LOVESTORY<br />
USA 2009, 79 Min.<br />
R: Bradley Rust Gray<br />
D: Zoe Kazan, Mark Rendall,<br />
Franklin Pipp<br />
ab 6. 5. (Peripher)<br />
Sommer in New York. Die Menschen<br />
sitzen in den Parks, spielen Karten, hören<br />
Musik, vertrödeln die Tage. Mittendrin:<br />
die Studenten Ivy (Zoe Kazan) und Al<br />
(Mark Rendall), die sich in den Ferien<br />
nach längerer Zeit wiedersehen. Während<br />
Al feststellt, wie sehr er Ivy mag, wird sie<br />
am Telefon von ihrem Freund verlassen.<br />
Ivy leidet stumm, sie raucht und betrinkt<br />
sich, obwohl für sie als Epileptikerin eigentlich<br />
beides tabu ist. Al ist für sie da,<br />
auch, als sie einen Anfall bekommt. Regisseur<br />
Bradley Rust Gray beobachtet<br />
seine Protagonisten beim bloßen Sein<br />
und erzählt eine zarte Liebesgeschichte,<br />
die ganz ohne Sex, Romantik und zur<br />
Schau gestellte Leidenschaft auskommt.<br />
Viel geredet wird nicht, die meisten Aussagen<br />
treffen die Bilder selbst, die den<br />
Flug eines Taubenschwarms ausgiebig<br />
dokumentieren, während Ivys Telefonate<br />
mit ihrem Exfreund im Lärm der Stadt<br />
untergehen. Man könnte „The exploding<br />
Girl“ als ereignislos und langweilig abtun.<br />
Besser aber man genießt das kleine<br />
Stückchen Glück, das einem hier serviert<br />
wird. (jul)<br />
kulturnews 5/10<br />
5//<br />
Start 13. 5.<br />
Der fantastische Mr. Fox<br />
ANIMATION<br />
USA 2009, 87 Min.<br />
R: Wes Anderson<br />
ab 13. 5. (20th Century Fox)<br />
Regisseur Wes Anderson ist der Mann<br />
für speziell gelagerte und sonderbare Filme,<br />
die immer von der abstrusen Dynamik<br />
scheinbar dysfunktionaler Familien handeln.<br />
Nach seinem poetischen Brüderporträt<br />
„Darjeeling Limited“ geht er nun<br />
sprichwörtlich in den Untergrund und<br />
zeigt in konservativer und liebevoller<br />
Stop-Motion-Technik die Abenteuer einer<br />
Familie im Fuchsbau – da werden Erinnerungen<br />
an „Wallace & Gromit“ wach.<br />
Papa Fox (im Original gesprochen von<br />
George Clooney) klaut gerne Federvieh<br />
auf dem Land der drei benachbarten<br />
Bauern Grob, Grimm und Gräulich, die<br />
wiederum alles daran setzen, den rotfüchsigen<br />
Hühnerdieb auszuräuchern.<br />
Philosophisch, fintenreich und voller<br />
kindlicher Fantasie: Das Bilderbuchmärchen<br />
ist viel mehr als nur ein Animationsfilm<br />
– es ist eine Fabel über den<br />
jahrhundertealten Krieg zwischen Mensch<br />
und Tier, mit der Aussage, dass animalische<br />
Instinkte stets über menschliches<br />
Kalkül siegen. Zumindest in der fantasievollen<br />
Welt von Wes Anderson, wo es<br />
keine Nahrungsketten gibt, sondern nur<br />
pure Poesie. (ds)<br />
Plan B für die Liebe<br />
ROMANTISCHE KOMÖDIE<br />
USA 2010, Min.<br />
R: Alan Poul<br />
D: Jennifer Lopez, Alex O’Loughlin, Eric<br />
Christian Olsen,<br />
ab 13. 5. (Concorde)<br />
4//<br />
3//<br />
New Yorker sind merkwürdige Menschen:<br />
trinken ihren Starbucks-Kaffee auf dem<br />
Laufband im Fitnessclub, lassen Rotwein<br />
nach dem Öffnen nicht atmen und bezeichnen<br />
ihre Taxis als zweites Zuhause.<br />
Das kann man zumindest als soziokulturelle<br />
Erkenntnis aus diesem Film mitnehmen,<br />
der von einer gestressten Single-<br />
Businessfrau (typisch Großstadt) erzählt,<br />
die sich künstlich befruchten lässt, dann<br />
aber doch noch auf den moralisch unverdorbenen<br />
Mr Right (typisch Landei)<br />
trifft. Cleveres Kalkül: Zwillingsmutter<br />
Jennifer Lopez erwartet auch auf der<br />
Leinwand zwei Kinder. Dass sie, über<br />
die George Clooney einst sagte, man<br />
könne auf ihrem Hintern ein Glas Wasser<br />
abstellen, kritisch über ihre schwangerschaftsbedingten<br />
Rundungen sinniert<br />
(„Ich vermisse meinen alten Po!“), zeugt<br />
von gesunder Selbstironie. Das bewahrt<br />
den Film davor, im genreüblichen Kitsch<br />
zu versinken. Eine erfrischende Abwechslung<br />
im sonstigen Einerlei der romantischen<br />
Komödien. (ds)<br />
Schock Labyrinth 3D<br />
HORRORTHRILLER<br />
JP 2009, Min.<br />
R: Takashi Shimizu<br />
D: Yuya Yagira, Ai Maeda,<br />
Suzuki Matsuo<br />
ab 13. 5. (Senator)<br />
2//<br />
Ein verfluchtes Haus, in dessen dunklen<br />
Fluren und toten Winkeln das Böse<br />
lauert – mit seinen „The Grudge“-Filmen<br />
hat Takashi Shimizu mustergültig vorgeführt,<br />
wie man mit geringen Mitteln<br />
effektiv Spannung erzeugt. Dazu zählt<br />
vor allem, dem Zuschauer viel Platz für<br />
den eigenen Horror im Kopf zu lassen.<br />
Dazu zählt nicht die 3-D-Technik, wie sein<br />
neuer Film beweist. In „Schock Labyrinth“<br />
geht es um vier junge Erwachsene, die<br />
noch immer davon traumatisiert sind,<br />
dass vor Jahren ihre Freundin Yuki bei<br />
einem gemeinsamen Geisterbahnausflug<br />
auf geheimnisvolle Weise zu Tode kam.<br />
Nun holt Yukis Geist sie an den einstigen<br />
Tatort zurück, um sich Recht zu verschaffen<br />
und durchaus originell inszenierte<br />
Rache zu nehmen. Wieder lauert<br />
in dunklen Fluren der Tod – und lässt<br />
total kalt, weil der Blick durch die 3-D-<br />
Brille die Dinge greifbarer machen soll.<br />
Das passt aber nicht zum Horror, der vor<br />
allem aus der Angst vor dem Unfassbaren<br />
entsteht. Eine filmhistorisch interessante<br />
Erkenntnis in einem unfreiwillig<br />
komischen Film. (rk)<br />
Start 20. 5.<br />
Der Vater meiner Kinder<br />
DRAMA<br />
D/F 2010, 110 Min.<br />
R: Mia Hansen-Løve<br />
D: Louis-Do de Lencquesaing,<br />
Chiara Caselli<br />
ab 20. 5. (Farbfilm)<br />
3//<br />
2005 nahm sich Humbert Balsan das<br />
Leben. Ein Jahr zuvor lernte Mia Hansen-<br />
Løve den Filmproduzenten kennen; mit<br />
ihrem Spielfilm will die Regisseurin ihm<br />
ein Denkmal setzen. Sie erzählt die<br />
Geschichte des Produzenten Grégoire,<br />
der sich umbringt, weil seiner Firma der<br />
Bankrott droht. Der Film zerfällt in zwei<br />
Hälften: Die erste Stunde zeigt Grégoire<br />
als eifrigen Geschäftsmann und liebevollen<br />
Vater. Dann ist er tot, und Sylvia und<br />
die älteste Tochter Clémence rücken in<br />
den Mittelpunkt. Was sich nicht verändert,<br />
ist die Ästhetik des Films: lichte<br />
Bilder von Stadt und Land, die „Es geht<br />
voran“ zu rufen scheinen. Ansonsten ist<br />
„Der Vater meiner Kinder“ eher sprunghaft<br />
denn konstant. Hansen-Løve eröffnet<br />
zahlreiche Nebenhandlungen, die sie<br />
nicht zu Ende bringt und deren Funktion<br />
sich nicht erschließt. So lässt einen das<br />
Drama eher ratlos zurück. In Cannes gewann<br />
der Film 2009 dennoch einen<br />
Spezialpreis – wohl eher aus sentimentalen<br />
Gründen als für seine eigentlichen<br />
Qualitäten. (jul)
Du sollst nicht lieben<br />
DRAMA<br />
IL/F/D 2009, 90 Min.<br />
R: Haim Tabakman<br />
D: Zohar Strauss, Ran Danker,<br />
Tinkerbell<br />
ab 20. 5. (Edition Salzgeber)<br />
Erst sind es nur Blicke und zufällige<br />
Berührungen, bis Aaron (Strauss) und<br />
Ezri (Danker) schließlich ihre Gefühle<br />
füreinander nicht mehr unterdrücken<br />
können. Was zwischen dem angesehenen<br />
Fleischer in der ultra-orthodoxen<br />
jüdischen Gemeinde in Jerusalem und<br />
dem Talmudstudenten geschieht, ist in<br />
ihrer Welt nicht vorgesehen. Wenn sich<br />
dort zwei Männer lieben, können sie<br />
keine Toleranz erwarten … Der israelische<br />
Regisseur Haim Tabakman hat mit<br />
seinem Debüt für heftige Diskussionen<br />
gesorgt. Sein Film bricht ein Tabu und<br />
thematisiert ein gesellschaftspolitisches<br />
Problem, für das es keine einfachen<br />
Lösungen gibt. Die Geschichte zollt<br />
dabei in ihrer feinfühligen Inszenierung<br />
dem Glauben und der Liebe gleichermaßen<br />
Respekt. Und: Ganz beiläufig hat<br />
man Teil am orthodoxen Alltagsleben,<br />
einer befremdlichen, archaischen Welt,<br />
die ihren Mitgliedern durch ein festes<br />
Regelwerk sozialen Halt gibt, aber auch<br />
völlige Kontrolle bedeutet. (ascho)<br />
Die Beschissenheit der Dinge<br />
TRAGIKOMÖDIE<br />
BE 2010, 108 Min.<br />
R: Felix van Groeningen<br />
D: Kenneth Vanbaeden,<br />
Koen De Graeve, Wouter Hendrickx<br />
ab 20. 5. (Camino)<br />
4//<br />
4//<br />
Die Mutter abgehauen, der Vater ein<br />
Säufer, die Onkel Säufer, und alle woh-<br />
nen zusammen bei der Oma, deren Mann<br />
sich totgesoffen hat. Mit dieser Kindheit<br />
wird man entweder selber Säufer – oder<br />
schreibt einen Roman drüber. Die Verfilmung<br />
von Dimitri Verhulsts autobiografischem<br />
Roman erzählt die Geschichte<br />
des 13-jährigen Gunther Strobbe (Kenneth<br />
Vanbaeden) und wie er sich aus dem<br />
asozialen 80er-Jahre-Umfeld befreit, das<br />
von Bier, Schnaps, Freiluftkacken und<br />
Saufwettbewerben geprägt ist. Die heruntergekommenen<br />
Trinker, denen die<br />
Katze morgens die Kotze vom Kopfkissen<br />
schleckt, glorifiziert der Film nie, er sentimentalisiert<br />
aber auch Gunthers Situation<br />
nicht. Das Leben mit seiner Sippe<br />
ist so trist wie die belgische Kleinstadt,<br />
in der die Strobbes hausen, und so deprimierend<br />
wie das Schlafzimmer, in<br />
dem sein Onkel reihenweise Frauen vor<br />
Blümchentapeten vernascht, während<br />
Gunther schlafen muss. Eine Parallelhandlung<br />
zeigt den erwachsenen Gunther,<br />
der sich die Vergangenheit buchstäblich<br />
von der Seele schreibt, nie ganz frei von<br />
Rausch und Rücksichtslosigkeit. Ein<br />
authentischer Blick in die Gosse Belgiens,<br />
nach dem man eins sicher nicht braucht:<br />
einen Drink. (vs)<br />
Keep Surfing<br />
DOKUMENTATION<br />
D 2010, 94 Min.<br />
R: Björn Richie Lob<br />
ab 20. 5. (Prokino)<br />
4//<br />
Wer surfen möchte, muss nicht unbedingt<br />
zum nächsten Ozean fahren – da<br />
reicht auch ein Ticket zum Münchner<br />
Eisbach. Wie dort Enthusiasten auf einer<br />
stehenden Welle reiten und artistische<br />
Kapriolen schlagen, hat Björn Richie Lob,<br />
selbst leidenschaftlicher Surfer, über<br />
Jahre mit der Kamera festgehalten. Weil<br />
surfende Menschen in der Stadt nicht<br />
abendfüllend sind, porträtiert er sechs<br />
dieser Fanatiker und begleitet sie auch<br />
auf andere Surftrips: in Hochwassergebiete<br />
nach Frankreich etwa oder zu<br />
lebensgefährlichen Stromschnellen in<br />
Kanada. Manches ist wackelig und<br />
unscharf mit der Digitalkamera gedreht,<br />
anderes aufwändig mit der High-Speed-<br />
Kamera inszeniert und vermag so bestens<br />
die Faszination dieses Sports zu<br />
transportieren. Doch Lob traut seinem<br />
Material und seinen Protagonisten nicht<br />
immer und will mit vielen Schnitten und<br />
Sprüngen das Interesse der Zuschauer<br />
permanent hochhalten. Für einen Surfer<br />
ist offensichtlich nichts erschreckender<br />
als ein Moment der Ruhe. (ascho)<br />
Start 27. 5.<br />
Die Eroberung<br />
der inneren Freiheit<br />
DOKUMENTATION<br />
D 2009, 85 Min.<br />
R: Silvia Kaiser,<br />
Aleksandra Kumorek<br />
ab 27. 5. (Real Fiction)<br />
4//<br />
Der Philosoph als Hebamme, die dem<br />
Menschen hilft, Erkenntnisse zu gebären:<br />
Nach dieser Vorstellung führen zwei<br />
Philosophen im Gefängnis Berlin-Tegel<br />
sokratische Gespräche mit den Gefangenen.<br />
Silvia Kaiser und Aleksandra<br />
Kumorek haben das Modellprojekt mit<br />
der Kamera begleitet. Abwechselnd zeigt<br />
ihr Film die lebhaften und sehr persönlichen<br />
Gesprächsrunden (Wie entsteht<br />
Moral?), begleitet die Teilnehmer auf ihre<br />
Zellen, wo sie über ihren bisherigen Lebensweg<br />
sprechen, und hält minutenlang<br />
in unbewegten Nahaufnahmen fest,<br />
wie die Männer schweigen und rauchen<br />
oder durch Gitterstäbe in den Schnee<br />
hinausblicken. Wer im Knast sitzt, hat<br />
viel Zeit, zum Nachdenken und zur<br />
Selbstreflexion. Nicht alle Inhaftierten<br />
können sich auf die philosophischen Gespräche<br />
einlassen; das zeigt der Film,<br />
ohne seine Protagonisten vorzuführen.<br />
Im Gegenteil: „Die Eroberung der inneren<br />
Freiheit“ räumt auf mit gängigen<br />
Klischees von Gefängnisinsassen und<br />
ihrem Alltag. Das ist eine große Qualität,<br />
auch wenn der Dokumentation oft die<br />
Zeit zum Nachfragen fehlt. (jul)<br />
Tandoori Love<br />
// kino 93<br />
LIEBESKOMÖDIE<br />
CH 20008 92 Min.<br />
R: Oliver Paulus<br />
D: Lavinia Wilson, Vijay Raaz,<br />
Martin Schick<br />
ab 27. 5. (Arsenal)<br />
3//<br />
Klingt eigentlich vielversprechend: Eine<br />
indische Filmtruppe reist ins Berner<br />
Oberland, um vor himmelblauer Alpenkulisse<br />
eine Bollywood-Schmonzette zu<br />
drehen. Rajah, der Koch des Teams, verliebt<br />
sich in die einheimische Kellnerin<br />
Sonja (Lavinia Wilson), Tandoori trifft auf<br />
Rösti, und Liebe geht durch den Magen.<br />
Und doch lässt einen diese Culture-Clash-<br />
Komödie so kalt wie eine Runde Nacktski.<br />
Die Witze über knorrige Schwyzer<br />
und heißblütige Inder bleiben im Klischee<br />
verhaftet, die Charaktere oberflächlich<br />
und die Geschichte so unentschlossen<br />
wie die rehäugige Sonja, die<br />
ewig braucht, um sich zwischen Rajah<br />
und ihrem Verlobten zu entscheiden. Zudem<br />
nutzen die Figuren jede mögliche<br />
und unmögliche Gelegenheit, um in hölzern<br />
choreografierte Tanzeinlagen auszubrechen.<br />
In Fahrt kommt der Film nur in<br />
den Kochszenen. Da schneiden, reiben,<br />
rühren und sieden die Figuren in grandios<br />
rhythmisierten Sequenzen, Südfrüchte<br />
tanzen im Takt der Musik, und<br />
die Sinnlichkeit des Kochens wird erfahrbar.<br />
Satt macht das aber nicht. (arm)<br />
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kulturnews 5/10
94 dvds //<br />
DVD des Monats<br />
Die allein erziehende Mutter Jess (Melissa<br />
George) hat ein ungutes Gefühl, als sie mit<br />
Freunden auf einen Segeltörn geht. Mit Recht:<br />
Das Boot kentert, sie retten sich auf einen<br />
vermeintlich menschenleeren Ozeanriesen –<br />
wo die Schiffbrüchigen allerdings nach und<br />
nach dezimiert werden. Und Jess weiß plötzlich auch, von wem … Was klingt wie ein handelsüblicher<br />
10-kleine-Negerlein-Langweiler, entpuppt sich unter der Regie des „Severance“-<br />
Machers Christopher Smith als hochkomplexer Zeitschleifenthriller mit vielen Spiegelallegorien,<br />
der geschickt klassische Motive des Horrorkinos wie z. B. aus „Dr. Jekyll und<br />
Mr. Hyde“ oder „Shining“ miteinander verschmilzt. Das Drehbuch ist von teuflischer<br />
Raffinesse – eine mörderische Variante von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ –, und<br />
wie der Regisseur uns im Lauf des Films nonchalant über alle Zeitparadoxa hinwegsehen<br />
lässt, das ist meisterlich. Eine mithilfe von Zeitsprüngen und Perspektivenwechseln multipel<br />
erzählte Schreckensgeschichte über Determinismus, aus der es keinen Ausweg gibt –<br />
auch nicht, wenn der Film längst zu Ende ist. (mw)<br />
Film 5<br />
Extras Making of, Interviews, Beim Dreh, Trailer, Trailershow<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Dr. House – Season 5<br />
TV-SERIE<br />
USA 2008<br />
D: Hugh Laurie,<br />
Lisa Edelstein,<br />
Robert Sean<br />
Leonard<br />
Vö: 6. 5.<br />
(Universal)<br />
„Enjoy yourself, it’s later than you think.“<br />
Als die längst tote Ärztin Amber ihm in einer<br />
Halluzination diesen ursprünglich von Doris<br />
Day locker-fröhlich interpretierten existenzialistischen<br />
Song vorträgt, und zwar auf eine<br />
erschreckende Weise sanft und eiskalt<br />
spöttisch, bittet House seinen Freund Wilson<br />
erstmals um Hilfe. Er ist am Tiefpunkt angelangt.<br />
Wann das passiert ist? Wird nicht<br />
verraten. Vorher aber agiert das brillante<br />
Ekelpaket, aufgeputscht von Schmerzmitteln,<br />
wie eh und je: House spioniert im<br />
Privatleben seiner ihm untergebenen Ärzte<br />
herum und natürlich auch in dem von<br />
Freund Wilson, stellt sogar auf Krankenhauskosten<br />
einen Privatdetektiv ein, beerdigt<br />
seinen Vater, mobbt seine Chefin Dr.<br />
Cuddy, wo es ihm nur möglich ist, löst<br />
zwischendurch hoffnungslose Fälle oder<br />
kulturnews 5/10<br />
-Bewertung<br />
Triangle<br />
HORRORTHRILLER<br />
UK/AU 2009<br />
R: Christopher Smith<br />
D: Melissa George, Liam Hemsworth, Emma Lung<br />
Vö: 6. 5. (Ascot Elite)<br />
1=grausig bis 6= genial<br />
auch nicht, kurz: Es ist wie immer auf eine<br />
erfrischende Art kurzweilig, und das mit<br />
Tiefgang. Und doch: Man merkt, dass es<br />
bald nicht mehr so weitergehen kann. Der<br />
Schmerzmittelmissbrauch kann in einer<br />
derart realistisch angelegten Serie über<br />
Krankheiten nicht ohne Folgen bleiben. (jw)<br />
Film 5<br />
Extras Gäste-Casting, Featurettes,<br />
Kommentare der Drehbuchschreiber und<br />
Produzenten<br />
Zombieland<br />
ZOMBIEFILM<br />
USA 2009<br />
R: Ruben Fleischer<br />
D: Woody<br />
Harrelson,<br />
Jesse Eisenberg,<br />
Abigail Breslin<br />
Vö: 20. 5. (Sony)<br />
Am amerikanischen Softgebäck Twinkie<br />
scheiden sich bekanntlich die Geister: Was<br />
für die einen genial ist, auch wenn der<br />
Nährstoffgehalt und der Nährwert meilenweit<br />
auseinanderklaffen, ist für andere nur<br />
widerlich. Woody Harrelson als Twinkie-<br />
süchtiger Zombiekiller ist natürlich auf der<br />
Seite des Trashigen – und der Film, in dem<br />
er selbigen spielt, ist es auch. Der Plot ist<br />
zombiemäßig simpel: Die lebenden Toten<br />
breiten sich seuchenartig aus, die letzten<br />
Menschen wehren sich mit allen Mitteln. Im<br />
Film von Regisseur Ruben Fleischer nerven<br />
sich die Lebenden aber auch gegenseitig<br />
reichlich an – sich und ihre Zuschauer.<br />
Film 2<br />
Extras Entfallene Szenen, Kommentare,<br />
Blicke hinter die Kulissen, Demo-Trailer,<br />
Visuelle Effekte /Entstehungsszenen<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Die vierte Art<br />
MYSTERY-<br />
HORROR<br />
USA 2009<br />
R: Olatunde Osunsanmi<br />
D: Milla Jovovich, Elias<br />
Koteas, Will Patton<br />
Vö: erschienen<br />
(Ascot Elite)<br />
Wenn man mal davon absieht, dass dieser<br />
Film die Verschwörungstheorien der UFO-<br />
Überzeugten nicht nur als Gerüst verwendet,<br />
sondern sogar noch massiv propagiert;<br />
wenn man als rational veranlagter Mensch<br />
also mal über seinen Schatten springt,<br />
dann, ja dann ist dieser Film echt zu empfehlen!<br />
Milla Jovovich („Resident Evil“,<br />
„Das fünfte Element“) brilliert in der Rolle<br />
der Psychologin Abigail Tyler, die nicht nur<br />
gerade ihren Mann verloren hat, sondern<br />
in der Stadt Nome in der Wildnis Alaskas<br />
auch noch mit einer Massenpsychose<br />
konfrontiert wird. Immer mehr Menschen<br />
berichten von Schlaflosigkeit, quälender<br />
Angst und etwas Undefinierbarem, das sie<br />
verfolgt. Der Versuch, durch Hypnose mehr<br />
zu erfahren, entwickelt sich zu einem tödlichen<br />
Fiasko, und plötzlich muss sich Dr.<br />
Tyler vor der Polizei verantworten. Das<br />
Perfide des Films steckt in der Parallelmontage<br />
von vermeintlich echten Aufnahmen<br />
im „Blair Witch Project“-Wackelstil und<br />
nachträglich hinzugefügtem, spielfilmähnlichem<br />
Material; bis zu sechs Bildschirme<br />
tun sich bei dramaturgischen<br />
Höhepunkten im Splitscreenverfahren auf<br />
und ziehen den Zuschauer in den Film<br />
wie einen Entführten ins UFO: Man hat<br />
keine Chance auf Entkommen. Getragen<br />
wird die Grundstimmung des Films aber<br />
nicht von den Horrorelementen, sondern<br />
von der tiefen Verzweiflung Dr. Tylers, die<br />
miterleben musste, wie ihr Mann neben<br />
ihr im Bett ermordet wurde. (jw)<br />
Film 4<br />
Extras Entfallene Szenen, Featurette,<br />
TV-Spots, Kinotrailer<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Boston Legal 5<br />
TV-SERIE<br />
USA 2008<br />
R: Mike Listo u. a.<br />
D: James Spader,<br />
William Shatner,<br />
Candice Bergen<br />
Vö: 14. 5. (Twentieth<br />
Century Fox)<br />
Eine Männerfreundschaft wird abgewickelt:<br />
Denny Crane (nie war er so gut:<br />
William „Captain Kirk“ Shatner) und Alan<br />
Shore (James „Sex, Lügen und Videos“<br />
Spader) sitzen noch genau 13-mal abends<br />
bei einer Zigarre und einem Scotch auf<br />
der Terrasse, dann ist für immer Schluss<br />
mit der Anwaltskanzlei Crane, Poole &<br />
Schmidt. Zum letzten Mal sehen wir in<br />
origineller und bisweilen spektakulärer<br />
Inszenierung aktuelle zivil- und strafrechtliche<br />
Fälle der US-Justiz, warten auf die<br />
Auseinandersetzungen zwischen dem<br />
Republikaner Crane und dem Demokraten<br />
Shore. „Boston Legal“ ist aber nicht nur<br />
eine Gerichtsserie mit Realitätsbezug, sie<br />
ist in der Komik ihrer Dialoge fast schon<br />
eine in Handlung gepackte Stand-up-<br />
Comedy. Dass Komik und ernster Ansatz,<br />
der in dieser letzten Staffel sogar ins<br />
Tragische kippt, zusammen funktionieren,<br />
dass die Serie diesen Spagat hinkriegt,<br />
macht „Boston Legal“ so verdammt wertvoll.<br />
(jw)<br />
Film 5<br />
Extras entfallene Szenen, Featurettes<br />
Fatso<br />
KOMÖDIE<br />
NO 2008<br />
R: Arild Fröhlich<br />
D: Nils Jørgen<br />
Kaalstad, Josefin<br />
Ljungman,<br />
Kyrre Hellum<br />
Vö: 7. 5. (Sunfilm)<br />
Rino (Nils Jørgen Kaalstad) ist ein Wichser.<br />
Das wird in dieser norwegischen Komödie<br />
nicht nur ausgiebig thematisiert,<br />
sondern auch gezeigt. Anfangs ist es noch<br />
zum Lachen, wenn der Typ, der angesichts<br />
seiner Schüchternheit, Leibesfülle und Stillosigkeit<br />
verständlicherweise Dauersingle<br />
ist, sich an echten Melonen abreagieren<br />
muss. Solchen pubertären Jungsfantasien<br />
wird aber leider keine sonderlich gute Story<br />
zur Seite gestellt, und die Wohnung der<br />
verstorbenen Oma ist zwar ein scheußlichschöne<br />
Kulisse, aber das alleine ist ja nicht<br />
genug. Rinos Verliebtheit in seine Mitbewohnerin<br />
grenzt an Stalking, und die Comicsequenzen,<br />
in denen der Dicke seine
Ängste und Fantasien in Nashorngestalt<br />
auslebt, kann man nur pornografisch<br />
nennen. Da wird aus Sympathie ziemlich<br />
schnell Mitleid – und ein bisschen Ärger.<br />
Film 3<br />
Extras Trailer<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Nokan –<br />
Die Kunst des Ausklangs<br />
DRAMA<br />
JP 2008,<br />
R: Yojiro Takita<br />
D: Masahiro Motoki,<br />
Ryoko Hirosue,<br />
Tsutomu Yamazaki<br />
Vö: erschienen<br />
(good!movies)<br />
Einen Toten waschen? Ihn ankleiden,<br />
schminken? Dafür sorgen, dass keine<br />
Leichenflüssigkeit austritt? Wer den diesjährigen<br />
Oscar-Preisträger für den besten<br />
fremdsprachigen Film sieht, kriegt genau<br />
mit, wie das alles geht. Der arbeitslose<br />
Cellist Daigo ist Aufbahrer und kotzt erst<br />
einmal geraderaus, weil seine erste Leiche<br />
schon seit zwei Wochen tot ist und entsprechend<br />
aussieht … Keine Sorge: Re-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
gisseur Yojiro Takita setzt grotesk-komische<br />
Momente wie diesen selten und genau<br />
pointiert ein. Den Film dominiert etwas<br />
ganz anderes: die vollkommene Entschleunigung<br />
und der Blick in die Gesichter –<br />
lebendige wie tote. Daigo (grandios in seinem<br />
zärtlichen Umgang mit den Körpern:<br />
Masahiro Motoki) beginnt, seinen neuen<br />
Beruf mit Passion auszuüben. Jede Geste,<br />
jeder Handgriff wird von den trauernden<br />
Angehörigen und der Kamera gleichermaßen<br />
eingefangen; Trauer und Anteilnahme<br />
übertragen sich auf den Zuschauer, sodass<br />
eine seltene Intimität entsteht – eine<br />
Intimität mit dem Tod. Ach: Und „Nokan“<br />
ist außerdem eine perfekte Liebesgeschichte<br />
und ein Film über ein extrem gestörtes<br />
Vater-Sohn-Verhältnis. (jw)<br />
Film 5<br />
Extras Trailershow, Interview<br />
Lust auf mehr Heimkino?<br />
Über 1 000 DVD-Kritiken<br />
online lesen unter<br />
www.kulturnews.de<br />
„Ein ganz gemeiner Horrorfilm.“<br />
NEON<br />
„Ein echter Gruselschocker, der die Nerven<br />
blank legt und zu Tode erschreckt.“<br />
ROLLING STONE<br />
„Regie führt die Fantasie, die Stille macht Angst.“<br />
BILD AM SONNTAG<br />
<br />
<br />
<br />
13 Semester –<br />
Der frühe Vogel kann mich mal<br />
STUDENTEN-<br />
KOMÖDIE<br />
D 2009<br />
R: Frieder Wittich<br />
D: Max Riemelt,<br />
Alexander Fehling<br />
Vö: 7. 5. (Twentieth<br />
Century Fox)<br />
Mit Max Riemelt und Alexander Fehling<br />
an Bord kann nichts mehr schiefgehen?<br />
Nun ja, grundsätzlich talentierte Schauspieler<br />
brauchen trotzdem noch ein anständiges<br />
Drehbuch. Das von „13 Semester“<br />
hat aber leider den Fehler, dass es jedes,<br />
aber auch wirklich jedes Studentenklischee<br />
abfeiern muss. Zwischen Party, Lerngruppe<br />
und WG-Trott hätte gern mehr Raum für<br />
ernsthaftes studentisches Coming-of-Age<br />
sein können. Ein paar Gaudipunkte greift<br />
Regisseur Wittichs Kinodebüt trotzdem ab.<br />
Film 3<br />
Extras Entfallene & erweiterte Szenen,<br />
Interview, Spaß am Set, Live-Musikvideo<br />
„Too Much“ von Bonaparte, Hinter den<br />
Kulissen<br />
Avatar<br />
// dvds 95<br />
SCI-FI<br />
USA 2009<br />
R: James Cameron<br />
D: Sam Worthington,<br />
Zoë Saldaña,<br />
Sigourney Weaver<br />
Vö: erschienen<br />
(Twentieth Century Fox)<br />
Was, „Avatar“ jetzt schon auf DVD? Lief<br />
der nicht grad noch im Kino? Ja – und ja.<br />
Für das außerordentlich erfolgreiche 3-D-<br />
Märchen wirkt die übliche Blockbuster-Zweitverwertungsfrist,<br />
die mittlerweile bei unter<br />
einem halben Jahr liegt, absurd. Noch absurder<br />
ist allerdings, den Film vor der bald bevorstehenden<br />
Einführung der 3-D-Technik<br />
fürs Heimentertainment in 2-D zu veröffentlichen.<br />
Nun gut, die Sci-Fi-Story von den<br />
edlen Wilden auf einem fernen, naturverbundenen<br />
Planeten und den menschlichen<br />
Ausbeutern und Kriegstreibern funktioniert<br />
auch ohne Effekte. Ob einen die sattgrünen<br />
Dschungelfantasien Camerons aber<br />
daheim ebenso flashen, hängt wohl auch<br />
von der vorhandenen Bildschirmdiagonale<br />
ab.<br />
Film 5<br />
Extras keine<br />
Auch als Blu-ray-Disc!
Ein Polizist, der unschuldig<br />
im Gefängn is saß.<br />
50 Millionen Dollar Entschädigung.<br />
Eine Vorliebe für Obst.<br />
Film © 2008/2009 Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten. Artwork © 2010 Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.<br />
96 dvds //<br />
Gesetz der Rache<br />
ACTIONTHRILLER<br />
USA 2009<br />
R: F. Gary Gray<br />
D: Gerard Butler,<br />
Leslie Bibb, Jamie<br />
Foxx<br />
Vö: 20. 5.<br />
(Paramount)<br />
Als seine Familie ermordet wird, hofft Clyde<br />
(Gerard Butler) noch auf Gerechtigkeit.<br />
Doch Staatsanwalt Nick (Jamie Foxx) lässt<br />
sich auf eine zweifelhafte Absprache ein.<br />
Was als Auseinandersetzung mit dem US-<br />
Justizsystem beginnt, wird zu einem blutigen<br />
Racheepos. Das ist moralisch bedenklich,<br />
weil Regisseur F. Gary Gray einerseits<br />
Gewalt kritisiert, sie aber zugleich<br />
ebenso drastisch wie konsumierbar in bester<br />
„Saw“-Tradition inszeniert. Clyde wird<br />
wegen Selbstjustiz verurteilt und verübt<br />
aus dem Gefängnis heraus Anschläge auf<br />
Richter und Anwälte, und letztlich wird der<br />
fintenreiche Thriller zum Duell zweier Männer.<br />
Die Inszenierung setzt auf Explosionen<br />
und rasante Helikopterflüge und entwickelt<br />
die größte Wucht doch gerade dann, wenn<br />
sie auf Konventionen verzichtet und nichts<br />
außer zwei Köpfen zeigt: Butler und Foxx,<br />
bildschirmfüllend vor Gitterstäben und graublau<br />
verschwimmenden Wänden, verstrickt<br />
in einen tödlichen Streit der Worte.<br />
Film 4<br />
Extras Featurettes, Making-of, Interviews,<br />
Audiokommentar, Darstellerinfos<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Tortuga – Die unglaubliche<br />
Reise der Meeresschildkröte<br />
DOKUMENTATION<br />
GB/AT 2009<br />
R: Nick Stringer<br />
Vö: erschienen<br />
(Polyband)<br />
Die Unechte Karettschildkröte hat nur ein<br />
Ziel: Sie schlüpft am Strand von Florida<br />
und schwimmt über die Sargassosee und<br />
den Nordatlantik mehrere Jahre lang bis<br />
zu den Azoren – um dann umzukehren<br />
kulturnews 5/10<br />
und über die Karibischen Inseln an ihren<br />
Heimatstrand zurückzukehren, weil sie dort<br />
ihre Eier legen will. Das ist eine der längsten<br />
Wanderungen, die in der Natur überhaupt<br />
vorkommen, und nur eine von 10 000<br />
Schildkröten überlebt sie. Regisseur Nick<br />
Stringer dokumentiert die Reise der Caretta<br />
caretta dank moderner HD-Technik in einzigartigen<br />
Bildern: Im Großformat gleiten<br />
Buckelwale, Blauhaie oder Seepferdchen<br />
in den verschiedensten Farben schillernd<br />
durch das weite Meer, das in sämtlichen<br />
Schattierungen von Lichtreflexen durchzogen<br />
leuchtet. Ein faszinierender Einblick<br />
in Naturwelten und das Leben eines 150<br />
Millionen Jahre alten Geschöpfes, das so<br />
vorher noch nie zu sehen war.<br />
Extras Making-of, Interviews, Trailer<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Schreibe mir –<br />
Postkarten nach Copacabana<br />
FAMILIENDRAMA<br />
BO/D 2009<br />
R: Thomas Kronthaler<br />
D: Júlia Hernández<br />
Fortunato, Friedrich<br />
Mücke, Carla Ortiz<br />
Vö: 12. 5.<br />
(Eurovideo)<br />
Bayern, so lässt sich die Botschaft des<br />
Films kurz zusammenfassen, sind die<br />
besseren Männer – selbst in Bolivien.<br />
Enkelin Alfonsina, Mutter Rosa und Oma<br />
Elena leben in Copacabana, einem Wallfahrtsort<br />
am Ufer des auf 3 800 Meter gelegenen<br />
Titicacasees. Die einheimischen<br />
Kerle sind entweder dumme Machos oder<br />
vorzeitig verschieden. Richtig glücklich<br />
werden die Heldinnen mit lederbehosten<br />
Immigranten von der anderen Seite der<br />
Welt. Regisseur Thomas Kronthaler ist ein<br />
modernes Märchen gelungen, in dem die<br />
verschiedenen Handlungsstränge, Zeitebenen<br />
und Realitäten kunstvoll ineinander<br />
verwoben sind.<br />
Film 3<br />
Extras keine<br />
Lust auf mehr Heimkino?<br />
Über 1 000 DVD-Kritiken online lesen unter<br />
www.kulturnews.de
Texte (wenn nicht anders angegeben): kab<br />
Charlie Chaplin –<br />
Frühe Meisterwerke 1<br />
Küss den Frosch<br />
TRICKFILM<br />
USA 2009<br />
R: John Musker,<br />
Ron Clements<br />
Vö: erschienen<br />
(Walt Disney)<br />
Disney macht mit seinem jüngsten Trickfilm<br />
nicht nur ästhetisch einen Ausflug in gute<br />
alte Zeiten. Auch der jazzige Soundtrack des<br />
umgedrehten Märchens vom Froschkönig<br />
erinnert an Klassiker wie „Das Dschungelbuch“.<br />
Extras Musikvideo „Never knew I needed“<br />
mit Cassandra Steen & Ne-Yo, Zusätzliche<br />
Szenen, Interaktives Spiel<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
This is Love<br />
STUMMFILM<br />
USA 1918-1923<br />
R: Charles Chaplin<br />
D: Charles Chaplin,<br />
Edna Purviance, Tom<br />
Wilson<br />
Vö: 6. 5. (Kinowelt)<br />
Animierdamen, streunende Hunde, Käse<br />
als Kriegswaffe und ein unorthodoxer Gottesdienst<br />
mit einem falschen Pfarrer: In den<br />
drei frühen Filmen „Ein Hundeleben“, „Gewehr<br />
über!“ und „Der Pilger“, entstanden<br />
zwischen 1918 und 1923, ging es noch<br />
derbe zu.<br />
Extras Chaplin-ABC, Trailer, Fotogalerien<br />
DRAMA<br />
D 2009<br />
R: Matthias Glasner<br />
D: Corinna Harfouch,<br />
Jens Albinus, Lisa<br />
Nguyen<br />
Vö: 20. 5.<br />
(Kinowelt)<br />
Polizistin Maggie (Corinna Harfouch) kommt<br />
nach 16 Jahren immer noch nicht mit dem<br />
Verschwinden ihres Mannes klar, und Chris<br />
(Jens Albinus) ist am Zerbrechen, weil er<br />
getötet hat. Das Verhör ist von Regisseur<br />
Matthias Glaser („Der freie Wille“) als undurchsichtiges<br />
Rückblenden-Drama inszeniert.<br />
Extras Deleted Scenes, Audiokommentar,<br />
Fotogalerie, Interviews, Trailer<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
// dvds 97<br />
Barbapapa Classics Box<br />
TV-SERIE<br />
JP ab 1973<br />
Vö: 28. 5.<br />
(Universum)<br />
Die bunten, unförmigen Barbapapas sind<br />
Kult, seit den 70ern aus keinem Kinderzimmer<br />
mehr wegzudenken, und auch Erwachsene<br />
finden sie verdammt süß. Die<br />
Gesamtübersicht all ihrer Filmchen zeigt<br />
allerdings: Da spielt zumindest bei den<br />
Großen auch eine Menge Nostalgie mit.<br />
Extras keine<br />
Sherlock Holmes<br />
ACTIONKOMÖDIE<br />
GB 2009<br />
R: Guy Ritchie<br />
D: Robert Downey<br />
Jr., Jude Law,<br />
Rachel McAdams<br />
Vö: 28. 5.<br />
(Warner)<br />
Während „Avatar“ noch immer die 3-D-Säle<br />
der Kinos belegt, war die Actionvariante<br />
von Sir Conan Doyles klassischer Detektivfigur<br />
dort nur kurz zu Besuch. Ob das auf<br />
Effekte getrimmte Abenteuer im Heimkino<br />
mehr überzeugen kann, ist fraglich.<br />
Extras Featurette<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
Surrogates – Mein zweites Ich<br />
SCI-FI-ACTION<br />
USA 2009<br />
R: Jonathan Mostow<br />
D: Bruce Willis,<br />
Radha Mitchell,<br />
Rosamund Pike<br />
Vö: 20. 5.<br />
(Walt Disney)<br />
In einer Welt voller Roboter ist Bruce<br />
Willis der Einzige, der sich noch mit seinem<br />
echten Körper prügelt. Sci-Fi-Action<br />
nach der gleichnamigen Graphic Novel; gut<br />
umgesetzt, wenn auch nicht so tiefsinnig<br />
wie die Vorlage.<br />
Extras Audiokommentar, Musikvideo<br />
Auch als Blu-ray-Disc!<br />
kulturnews 5/10<br />
Wilco<br />
präsentiert<br />
20. 9. // Düsseldorf Tonhalle<br />
21. 9. // Offenbach Capitol<br />
24. 9. // München Circus Krone<br />
26. 9. // Hamburg Laeiszhalle<br />
27. 9. // Berlin Admiralspalast<br />
Tickets und mehr<br />
über Wilco auf<br />
kulturnews.de
98 aktion //<br />
Karibisches Wochenende in Berlin<br />
Die Black Eyed Peas stehen für einen individuellen und kreativen Musikstil, der Lebenslust<br />
vermittelt. Passender könnte die Wahl der Band also nicht sein, die sich Bacardi<br />
für ein karibisches Feeling in Berlin ausgesucht hat. Das Konzert der alternativen Hip-<br />
Hopper am 15. Mai ist längst ausverkauft? Richtig, doch Bacardi hat noch zwei Karten<br />
inklusive Hotelübernachtung und Aftershowparty in petto. Auf der Party dürfen die<br />
Gewinner dann kostenfreie Bacardi-Cocktails trinken und den offiziellen Tour-Cocktail<br />
Bacardi V.I.Pea genießen. Und um schon richtig auf den Cocktailgeschmack zu kommen,<br />
besuchen die Ehrengäste am Vortag die Bacardi-Cocktailschulung in der Casa Bacardi<br />
in Berlin-Friedrichshain, zu der eigentlich nur professionelle Bartender Zugang haben.<br />
kulturnews und Bacardi verlosen ein Berlin-Weekend-Package inklusive An- und<br />
Abreise sowie eine Hotelübernachtung in Berlin. Die Gewinner dürfen am 15. Mai<br />
zum Konzert der Black Eyed Peas mit anschließender Aftershowparty und machen<br />
einen Cocktailkurs in der Casa Bacardi. Einfach bis zum 10. Mai unter unserer<br />
Gewinnhotline 0137-989 89-81 (0,50 Euro/Anruf) anrufen und mit etwas Glück<br />
gewinnen. Viel Erfolg!<br />
Teilnahme ab 18 Jahren<br />
Impressum //<br />
kulturnews erscheint monatlich und wird herausgegeben<br />
und verlegt von der bunkverlag GmbH<br />
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WEITERE BEITRÄGE DIESER AUSGABE<br />
Ulrike Dinse (ud), Suzen Flauers (suz),<br />
Ron Haller (ron), Ralf Krämer (rk),<br />
Dagmar Leischow, Marten Lorenzen (ml),<br />
Alexander Rolf Meyer (arm), Albert Munz (am),<br />
Dr. Justus Noll (jn), Rolf von der Reith, Steffen<br />
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Bernadett Skala (bs), Stefan Woldach<br />
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Online-Praktikantin:<br />
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Leben wie ein Rockstar, aber kein Talent? Dann ist Roadie der perfekte Beruf!<br />
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ART DIRECTION Nils Heuner<br />
GRAFIK Inke Cron, Anna Diem<br />
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ANZEIGENBERATUNG Mathias Harringer<br />
fon -15 | E-Mail mharringer@bunkverlag.de<br />
ANZEIGENBERATUNG Gunnar Lampe<br />
fon -19 | E-Mail glampe@bunkverlag.de<br />
ANZEIGENBERATUNG Jürgen Peters<br />
fon -21 | E-Mail jpeters@bunkverlag.de<br />
ANZEIGENBERATUNG Skadi Schmidt<br />
fon -18 | E-Mail sschmidt@bunkverlag.de<br />
AKTIONEN + DISPOSITION Esther Ahrens<br />
fon -27 | E-Mail eahrens@bunkverlag.de<br />
ABO/LESERSERVICE Sarah Schneider (sas)<br />
fon -10 | E-Mail sschneider@bunkverlag.de<br />
ANZEIGENSCHLUSS 6/10: 14. 05. 10<br />
Es gilt Anzeigenpreisliste XVII v. 1. 1. 2010<br />
Printed in Germany.<br />
Der Bezug per Abonnement beträgt für<br />
zwölf Ausgaben 21 Euro (inkl. Porto & MwSt.).<br />
NÄCHSTE AUSGABE 6/10: 27. 05. 10
Kinogutschein *<br />
Für Filme, Drinks oder Snacks<br />
ab €5,00<br />
9. Mai<br />
Muttertag<br />
Liebe in Dosen **<br />
2x Kino<br />
2x Getränke<br />
1x Snack<br />
€22,50<br />
Verschenken Sie schöne Momente mit Liebe in Dosen oder einem Kinogutschein.<br />
Dazu empfehlen wir die Verfilmung von Nicholas Sparks’ Bestseller Das Leuchten<br />
der Stille. Mehr Infos und teilnehmende Kinos unter www.cinestar.de<br />
*Die Gutscheine sind an der Kinokasse und am Snacktresen einlösbar. **Aus unserem<br />
speziellen Muttertagsangebot am Snacktresen. Einlösbar ab 09.05.10. Gilt nicht für<br />
3D-Vorführungen und nur in teilnehmenden Kinos.<br />
Unser<br />
Filmtipp<br />
Für die Frau<br />
Deines Lebens!<br />
Die Geschenkideen zum Muttertag.