Download - beim Spitalverbund Appenzell Ausserrhod
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PSYCHIATRISCHES ZENTRUM HERISAU<br />
Psychische Krankheiten sind ein Tabu<br />
Dr. Bruno Kägi, Chefarzt Psychiatrisches Zentrum Herisau, berichtet<br />
wenn sich einer ein bein bricht, ein<br />
anderer ein künstliches Hüftgelenk erhält, und<br />
einem Dritten die Mandeln operiert werden,<br />
machen sie in der Regel alle drei kein Geheimnis<br />
aus ihrer Krankheitsgeschichte. Warum aber spricht<br />
so selten ein Schizophrener über seine gesundheitlichen<br />
Probleme? Warum verstecken sich manisch<br />
depressive Menschen hinter dicken Mauern? Und<br />
weshalb ist es fast unmöglich, einen ehemaligen<br />
Patienten des Psychiatrischen Zentrums Herisau<br />
zu finden, der im Jahresbericht des <strong>Spitalverbund</strong>es<br />
AR über seine psychischen Probleme spricht?<br />
Dabei haben wissenschaftliche Untersuchungen<br />
ergeben, dass in der Schweiz jeder zweite Bewohner<br />
in seinem Leben mindestens einmal psychische Störungen<br />
erleidet und einer entsprechenden spezialisierten<br />
Behandlung bedarf. Das heisst nun nicht,<br />
dass jeder zweite <strong>Appenzell</strong>er, jede zweite <strong>Appenzell</strong>erin<br />
einmal bei uns vorbeikommen wird. Viele<br />
Störungen treten zumeist einmalig auf und bleiben<br />
– richtig behandelt – folgenlos.<br />
Nur ein kleiner Teil nimmt ärztliche Betreuung in<br />
Anspruch. Für die beiden <strong>Appenzell</strong>er Halbkantone<br />
nimmt das Psychiatrische Zentrum Herisau eine<br />
wichtige Funktion wahr. Wir betreuen hier nicht<br />
nur die traditionellen psychischen Krankheitsbilder<br />
wie Schizophrenie oder manische Depressionen.<br />
Immer häufiger haben uns in den letzten Jahren<br />
auch Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen<br />
beschäftigt. Das können Konsumenten von<br />
legalen und illegalen Drogen sein, junge Menschen<br />
mit Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />
oder Opfer von Gewaltverbrechen. Gegen<br />
zehn Prozent oder knapp jeder Zehnte unserer<br />
Patientinnen und Patienten sind weniger als 20<br />
Jahre alt.<br />
Fakten, die aufschrecken müssten, in der Öffentlichkeit<br />
aber kaum wahrgenommen werden. Psychisch<br />
Kranke verstecken sich häufig vor anderen<br />
Menschen. Das Gipsbein kann keiner verbergen –<br />
eine schlechte Gemütslage dagegen schon. Und jene<br />
Menschen, die mit einem psychisch Kranken in<br />
Kontakt stehen, wissen sehr oft selber nicht, wie sie<br />
reagieren sollen. «Reiss dich zusammen!», ist eine<br />
häufig gehörte Antwort. Nur hilft die keinem. Viel<br />
wichtiger ist es, wenn wir solche Menschen in ihr<br />
soziales Umfeld einbetten, schonungsvoll mit ihnen<br />
umgehen, mit ihnen sprechen, sie und ihre Probleme<br />
ernst nehmen. Leider wird in der Bevölkerung<br />
immer noch zu häufig auf das Stereotyp des gefährlichen<br />
und bedrohlichen Verrückten zurückgegriffen.<br />
Dabei wäre gerade im Umgang mit psychisch<br />
Kranken der gesunde Menschenverstand oft mehr<br />
Wert als viel therapeutisches Wissen.<br />
Mit der modernen Medizin haben wir in den letzten<br />
Jahren viel Positives für den psychisch Kranken<br />
erreichen können. Ich denke an moderne Behandlungsmethoden<br />
oder therapeutische Möglichkeiten,<br />
aber auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse für<br />
das psychiatrische Krankheitsverständnis.<br />
Wenn es uns auch noch gelingt, zu einer dauerhaften<br />
Steigerung des Ansehens der Psychiatrie und<br />
damit zu einer eigentlichen Entstigmatisierung psychisch<br />
Kranker beizutragen, haben wir viel erreicht.<br />
Dann werden in Zukunft auch psychisch kranke<br />
Menschen im Jahresbericht des <strong>Spitalverbund</strong>es AR<br />
offen zu ihrer Krankheit stehen können.<br />
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