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Sprachkontakt: Pidgin und Kreole - Universität Konstanz

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solchen Parametern wie Alter, Geschlecht <strong>und</strong> soziale Zugehörigkeit (vgl. Chambers 1995:<br />

17f.). Dialektologie stellt in diesem Sinne nur eine Teildisziplin der Soziolinguistik dar (vgl.<br />

dazu Chambers/Trudgill 1980).<br />

In anderen Traditionen (vor allem außerhalb des angelsächsischen Raums) lässt sich hinter<br />

der Gegenüberstellung von Soziolinguistik <strong>und</strong> Dialektologie oft noch eine (zumindest<br />

implizite) Unterscheidung zwischen sozial bedingter Variation im städtischen Bereich (→<br />

Soziolinguistik) vs. ländlichen Bereich (→ Dialektologie) erkennen, welche aber zunehmend<br />

verschwindet. Man könnte demnach auch sagen, daß – in Anlehnung an eine gängige<br />

Unterscheidung von Coseriu (1988: 25) – die Soziolinguistik sich primär mit diastratischer (=<br />

durch soziale Schichten bedingter) Variation beschäftigt, die Dialektologie dagegen vorrangig<br />

mit diatopischer (= regional differenzierter) Variation. Ursprünglich besitzt die Dialektologie<br />

ihre Wurzeln in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts 5 <strong>und</strong><br />

diente nicht zuletzt als „Materiallieferant“ für die Ermittlung sprachgenetischer<br />

Zusammenhänge, da man in Dialekten oft archaische Züge entdeckte, welche bei der<br />

Rekonstruktion früherer Sprachzustände hilfreich sein konnten.<br />

Man kann sowohl Dialektologie (im engen, „diatopischen“ Sinne) wie auch Soziolinguistik<br />

ebenso unter dem Gesichtspunkt von <strong>Sprachkontakt</strong>en betrachten, <strong>und</strong> zwar sowohl<br />

hinsichtlich Kontakten zwischen Varietäten einer Sprache wie auch über Sprachgrenzen<br />

hinweg (s. dazu auch die oben erwähnte Areallinguistik).<br />

4) Mehrsprachigkeit, Zweitsprach-Erwerb<br />

Da <strong>Sprachkontakt</strong>e (<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene sprachliche Veränderungen) über zwei- oder<br />

mehrsprachige Sprecher erfolgen, sind die Berührungspunkte der <strong>Sprachkontakt</strong>-Forschung<br />

mit Mehrsprachigkeit <strong>und</strong> Zweitsprach-Erwerb offensichtlich. Diese gehen aber in jedem Fall<br />

über eine bloße „Fehleranalyse“ hinaus. Vor allem deshalb, weil es aus der Sicht des<br />

<strong>Sprachkontakt</strong>s (<strong>und</strong> seiner strukturellen Folgen) unangemessen wäre, von „Fehlern“ zu<br />

sprechen. Man sollte besser von Abweichungen gegenüber einer jeweiligen Standardnorm<br />

einer der Kontaktsprachen (Lekte) reden.<br />

Spezielle Phänomene, die im Rahmen der Forschung sowohl zu <strong>Sprachkontakt</strong>en als auch<br />

zur Mehrsprachigkeit behandelt werden, sind das Code-Switching <strong>und</strong> das sog.<br />

„Ausländerregister“ (eng. „foreigner talk“ u.ä.). Dem Code-Switching wird die letzte<br />

Vorlesung gewidmet sein.<br />

Unter einem Ausländerregister versteht man in der Regel eine Varietät einer Sprache Lx<br />

(z.B. des Deutschen), die aufgr<strong>und</strong> unvollständigen L2-Erwerbs in grammatischen<br />

Kernbereichen (sowie eines relativ rudimentären Wortschatzes) zu gegenüber der<br />

Standardnorm dieser Sprache stark vereinfachten Strukturen führt 6 . Diese Strukturen gleichen<br />

in Extremfällen denen eines <strong>Pidgin</strong>s (s. unten). In ihnen fehlen vor allem morphologische<br />

Markierungen innerhalb von Wortformen (Kasus- oder Tempusendungen u.ä.) <strong>und</strong><br />

Funktionswörter (Artikel, Konjunktionen, Präpositionen etc.), <strong>und</strong> die lineare Gliederung der<br />

Äußerung (Abfolge der Wortformen) richtet sich nach sprachübergreifenden pragmatischen<br />

Regeln der Topic-Comment-Regelung. Vgl. dazu folgende Beispiele:<br />

(2) meine Dorf Malatya gehen, Malatya Zug nehmen <strong>und</strong> weg, Berlin kommen <strong>und</strong> hier<br />

wohnen<br />

5<br />

Darin gleicht sie der Typologie.<br />

6<br />

Dem „foreigner talk“ steht die Erscheinung gegenüber, dass kompetente L1-Sprecher („Muttersprachler“) sich<br />

einer solchen Sprechweise anpassen <strong>und</strong> damit auch zur Verfestigung einer derartig simplifizierten Grammatik<br />

beitragen (vgl. dazu u.a. Jakovidou 1993). Man bezeichnet diese Erscheinung auch als ‘Xenolekte’ (vgl. Roche<br />

1989). Xenolekte kann man somit quasi als das soziolinguistische „Spiegelbild“ des Ausländerregisters<br />

betrachten.<br />

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