Sprachkontakt: Pidgin und Kreole - Universität Konstanz
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(zit. aus: Dittmar/Kuhberg 1988: 315)<br />
(3) jaa, misc zä gec güüdcrabfärdig)q l<br />
(= Ja, da müssen Sie zur Güterabfertigung nach L. gehen.)<br />
(zit. aus: Jakovidou 1993: 60)<br />
(4a) ich nicht komme Deutschland – Spanien immer Bauer arbeite<br />
(4b) ich alleine – nicht gut<br />
(4c) dieses Jahr Winter gut, nicht kalt, nicht Schnee, verstehst du – immer fort, Zement fort;<br />
vielleicht Schnee, vielleicht kalt, Zement nicht fort – keine Arbeit<br />
(zit. aus: Dittmar 1982: 22f.)<br />
5) Kreolistik: <strong>Pidgin</strong>s <strong>und</strong> Creoles<br />
Ganz kurz formuliert, beschäftigt sich die Kreolistik mit den Resultaten extremer<br />
<strong>Sprachkontakt</strong>-Situationen (s. unten), welche dem Schema aus (1c) am Anfang entsprechen:<br />
innerhalb kurzer Zeit (2-3 Generationen) entsteht aus dem Miteinanderwirken zweier oder<br />
mehrerer Kontaktsprachen eine Varietät, welche Eigenschaften beider (aller) von ihnen<br />
aufweist <strong>und</strong> insofern eine Mischform darstellt. Strukturell gleichen die dabei zu<br />
beobachtenden Sprachvarietäten in vielem den gerade erwähnten Ausländerregistern.<br />
Gemäß einer aus den 70er Jahren stammenden Lehrmeinung entstehen Kreolsprachen aus<br />
<strong>Pidgin</strong>s. Letztere wiederum sind das Ergebnis extremer Formen von <strong>Sprachkontakt</strong>, in<br />
welchen man von einer „lexifizierenden“ Sprache ausgehen kann, deren Grammatik<br />
gegenüber den Kontaktsprachen in radikaler Art vereinfacht ist: sie entspricht dem<br />
isolierenden Typ (d.i. weist praktisch keine grammatischen Morpheme auf) <strong>und</strong> gehorcht am<br />
ehesten kognitiv privilegierten Diskursprinzipien. Die lexifizierende Sprache ist diejenige, aus<br />
welcher der wesentliche Bestand der lexikalischen Morpheme stammt, d.i. in diesem Fall<br />
praktisch alle Morpheme (denn es gibt ja fast keine anderen); s. dazu weiter unten.<br />
In jedem Fall entstehen <strong>Pidgin</strong>s, wenn Sprecherkollektive aufeinandertreffen, die sich<br />
gegenseitig nicht über eine bereits bestehende Sprache verständigen können. In diesen Sinne<br />
sind <strong>Pidgin</strong>s Sprachen ohne Muttersprachler; sie können aber zum Ausgangspunkt für die<br />
Entwicklung einer komplexeren <strong>und</strong> stärker konventionalisierten Grammatik (mit eigener<br />
Norm) werden, die schließlich sogar standardisiert <strong>und</strong> zur Basis muttersprachlichen (d.i.<br />
eines natürlichen Erstsprach-)Erwerbs werden kann. Wenn das geschieht, spricht man von<br />
Kreolsprachen (Creoles). Dieser traditionellen Auffassung über das Verhältnis von <strong>Pidgin</strong>s<br />
<strong>und</strong> Kreolsprachen entspricht das folgende Schema:<br />
Schema 1:<br />
PIDGIN CREOLE<br />
(i) reduzierter Code → expandiert zu<br />
(ii) Zweitsprache für alle Sprecher → Erstsprache für neue Sprechergenerationen<br />
Dieses Schema beschreibt die Entwicklung für die erste Hauptform eines <strong>Pidgin</strong>s. Man kann<br />
wohl zwei Hauptformen von <strong>Pidgin</strong>s unterscheiden 7 : die verbreitetere Form scheint diejenige<br />
gewesen zu sein, bei der eine europäische Prestigesprache (Portugiesisch, Spanisch, Englisch,<br />
Französisch, Deutsch, Niederländisch) von Einheimischen oder Sklaven in entfernteren<br />
Weltgegenden als Lingua Franca akzeptiert werden musste. Die L1 der Sprecher war dabei in<br />
der Regel nicht einheitlich. Der Erwerb der L2 (= der europäischen Kolonialsprache) war sehr<br />
rudimentär; das lexikalische Material stammte aus dieser Prestigesprache (sie stellte deshalb<br />
7<br />
Zur Entstehung <strong>und</strong> den Arten von <strong>Pidgin</strong>s <strong>und</strong> Kreolsprachen gibt es verschiedene, zum Teil divergierende<br />
Standpunkte. Für gute Überblicke vgl. Bechert/Wildgen (1991: 129ff.), Thomason/Kaufman (1991: Kap. 7); am<br />
umfassendsten <strong>und</strong> aktuellsten vgl. jedoch Lefebrve (2004: Kap. 2).<br />
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