Sprachkontakt: Pidgin und Kreole - Universität Konstanz
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1) Beispiele für eine Lingua Franca:<br />
• Englisch (weltweit)<br />
• diverse Sprachen im Kaukasus (d.i. in einem Gebiet mit sehr hoher „Dichte“ an<br />
verschiedenen Sprachen <strong>und</strong> einem hohen Prozentsatz an aktiver Mehrsprachigkeit)<br />
• Russisch auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR<br />
• Latein im Römischen Imperium<br />
• Kolonialsprachen in ehemaligen Kolonien westlicher Großmächte (Großbritannien,<br />
Niederlande, Spanien, Portugal etc.)<br />
2) Die Sprecher der „niedrigen“ Varietät stellen zugleich die hauptsächlichen „Träger“ des<br />
<strong>Pidgin</strong>s bzw. entstehenden Creoles dar.<br />
3) Bei der Übernahme der semantischen Struktur geht es darum, dass Worte (bzw.<br />
Wortformen) der Lexifizierer-Sprache semantisch an die Verwendung eines ihrer Äquivalente<br />
in der anderen Kontaktsprache (in der Regel einer der „niedrigen“ Varietäten) angepasst<br />
werden. Wenn dieses Äquivalent eine breitere semantische Struktur aufweist als das Wort aus<br />
der Lexifizierer-Sprache, wird diese Struktur auf Worte aus dieser übertragen.<br />
Beispiel: Media Lengua, ML (Südamerika: Spanisch + Quechua)<br />
(5a) span. sentarse ‘sich hinsetzen’<br />
(5b) → ML sinta-ri: ‘sitzen’ (span. estar sentado) ← Quechua tiya-ri<br />
‘leben’ (span. vivir)<br />
‘sich befinden’ (span. estar)<br />
‘es gibt...’ (span. hay)<br />
„Technisch“ kann man hier davon sprechen, dass die phonologische Form des Wortes aus der<br />
Lexifizierer-Sprache stammt, die semantische Repräsentation jedoch derjenigen aus der<br />
Quechua-Sprache entspricht (vgl. Lefebvre 2004: 24).<br />
Relexifizierung<br />
Der gerade dargestellte Vorgang der Übernahme einer semantischen Struktur stellt einen Teil<br />
eines Prozesses dar, den man als ‘Relexifizierung’ bezeichnet. Dieser kann nämlich aus zwei<br />
verschiedenen Vorgängen bestehen.<br />
Zum einen erfolgt eben das, was wir unter (5a-b) als ‘Übernahme der semantischen<br />
Struktur’ bezeichnet haben.<br />
Zum anderen werden bei der Relexifizierung Formen von Wörtern, die zu den<br />
gr<strong>und</strong>legenden syntaktischen Kategorien (Wortklassen) gehören, aus der „hohen“ Varietät in<br />
den <strong>Pidgin</strong>/das Creole überführt. Gleichzeitig jedoch stammen Markierungen syntaktischer<br />
Relationen (z.B. Kasus am Substantiv, Person am Verb) bzw. sonstiger grammatischer<br />
Kategorien (z.B. Numerus beim Substantiv, Tempus am Verb) aus der „niedrigen“ Varietät.<br />
Diese Markierungen können entweder geb<strong>und</strong>ene Morpheme sein (Affixe) oder freie<br />
Morpheme (Klitika, Funktionswörter wie etwa Präpositionen).<br />
Vgl. dazu wiederum die Media Lengua in Südamerika. In den folgenden Beispielen sind<br />
die lexikalischen Morpheme, d.i. diejenigen, welche aus dem Spanischen in die Media<br />
Lengua (ML) gelangt sind, <strong>und</strong> ihre Äquivalente im Quechua, unterstrichen(vgl. Lefebvre<br />
2004: 24):<br />
(6a) span. No sé.<br />
NEG wissen.1.SG.PRS<br />
‘Ich weiß nicht.’<br />
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