Mitteilungen - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland
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keine Einweihungsstufen. Es geht<br />
um die Geistesgegenwart zu merken,<br />
dass man in einer Frage um<br />
die Individualität nicht versucht,<br />
die anderen zu überstimmen.<br />
Es geht auch in Wirtschaftsfragen<br />
nicht darum, die anderen zu<br />
überstimmen, sondern man sollte<br />
versuchen, zu einem Konsens<br />
zu gelangen. Bei Rechtsfragen<br />
geht es um das Stimmen, nicht<br />
das Überstimmen. Es ist auch<br />
eine pädagogische Aufgabe, einen<br />
selbstverwalteten Betrieb zu<br />
führen.<br />
Ein Argument ist die Entlastung der Lehrkräfte durch eine Schulleitung. Diese leitet<br />
die <strong>Schule</strong> administrativ, so hätten die Lehrkräfte mehr Zeit für ihr Kerngeschäft,<br />
nämlich die Arbeit mit den Kindern.<br />
Es gibt viele Leute an unserer <strong>Schule</strong>, die sich beruflich mit der Existenz dieser<br />
<strong>Schule</strong> beschäftigen. Es ist ihr Unternehmen, und ich hätte es nicht gerne gesehen,<br />
wenn man da Hierarchien schaffen und eine Schulleitung wählen würde. Ich glaube<br />
eben nicht, dass das Argument, die Lehrer zu entlasten, wirklich ein ehrliches Argument<br />
ist. Ich habe das Gefühl, es sei einerseits ein vorgeschobenes Argument von<br />
denen, die keine Lust haben, sich um alles zu kümmern, und andererseits ein Argument<br />
von denen, die gerne mehr Macht ausüben würden. Das ist ein Instinkt. Dies<br />
ist die Gefahr einer Schulleitung, dass sie hinter den Kulissen ein bisschen etwas<br />
mischt und dann mit gemischten Karten in die nächste Versammlung kommt und<br />
dort ihre Vorschläge präsentiert. Ich glaube, dass dieser Ruf nach Schulleitung,<br />
auch wenn er aus einem ehrlichen Bedürfnis nach Entlastung entsteht, aus einem<br />
Mangel an Geistesgegenwart entspringt. In jeder <strong>Schule</strong> gibt es einige Lehrkräfte<br />
die während den Konferenzen gerne nichts sagen, vielleicht gelegentlich einmal<br />
auf die Uhr schauen und denken: «Wäre das nur schon zu Ende.» Das ist ein Mangel<br />
an Geistesgegenwart, ein Mangel an gutem Willen.<br />
Was denkst du über die Idee, gewisse Arbeitsbereiche an Mandatsgruppen zu<br />
delegieren?<br />
Das ist ein berechtigter Wunsch, gewisse Bereiche an eine kleine Mandatsgruppe<br />
abzugeben. Aber diese Mandatsgruppen müssen rotieren. Wenn diese Arbeit zehn<br />
Jahre von denselben Personen gemacht wird, besteht die Gefahr, dass dabei nicht<br />
erklärte Machtzirkel entstehen. <strong>Steiner</strong> hat einmal über das «Sekretieren» gespro-<br />
chen, das heisst, sich abzutrennen von der übrigen Gesellschaft. Und da hat er<br />
ganz deutlich gesagt: «Sekretierung schafft Macht, und Öffnung schafft Freiheit,»<br />
Als ich das gelesen habe, hat es mich «tschuderet», und ich dachte, das sei genau<br />
das, was hinter allem steckt.<br />
Gibt es bei <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> konkrete Hinweise auf die Art und Weise, wie sich eine<br />
<strong>Schule</strong> organisieren soll?<br />
<strong>Steiner</strong> machte nie viele Vorschläge zur Dreigliederung, weil er diese wachsen<br />
sehen wollte. Er sagte immer: «Realisiert einmal irgendetwas aus meinen Vorschlägen.<br />
Beginnt irgendwo und schaut dann, wie sich diese Idee der Dreigliederung des<br />
Sozialorganismus einfügt, probiert es aus!»<br />
Woher kommt es, dass generell die Tendenz herrscht, von einer nicht-hierarchischen<br />
Selbstverwaltung wegzukommen? Ist es eine Überforderung?<br />
Ich habe das Gefühl, es habe mit einem gewissen Widerwillen der Menschen zu<br />
tun, sich mit ihren persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen<br />
zu befassen, kurz mit den Grundlagen des Zusammenlebens. Sie wollen, dass<br />
man ihnen sagt, wie sie es machen sollen.<br />
Ich habe die <strong>Schule</strong> bis 1997 begleitet und habe gemerkt, dass der Herdentrieb,<br />
nämlich die Tendenz, sich einem Hütehund zu unterwerfen, stärker wurde. Ich<br />
weiss nicht, ob dies generell eine Tendenz ist beim Übergang von einer Pionierphase<br />
in eine Plateauphase. Alles läuft in geregelten Bahnen, man beginnt, Details zu<br />
regeln, die vielleicht nicht nötig sind. Diese Entwicklung hat sicher auch mit dem<br />
strukturellen Alter einer <strong>Schule</strong> zu tun.<br />
Man will keine Genies, sondern mittelmässige Leute! Diese kann man führen, Genies<br />
nicht. Es hat zu wenige originelle Persönlichkeiten, die den Mut haben, sich<br />
bemerkbar zu machen. Deshalb bin ich begeistert von diesem Oberstufenprojekt,<br />
wo die Schülerinnen und Schüler regelmässig auswärts in einem Betrieb arbeiten,<br />
ich finde das etwas Originelles.<br />
Bist du ein Anarchist? Weder Gott noch Staat?<br />
Ich bin ein Anarchist im Sinne des individualistischen Anarchismus, wie ihn <strong>Rudolf</strong><br />
<strong>Steiner</strong> in der «Philosophie der Freiheit» beschreibt. Ich hatte mein eigenes Geschäft<br />
gegründet, als ich aus Amerika zurückkam, ich wollte nie mehr einen Chef,<br />
der mir zudem noch die Forschungsresultate vorgibt! Dann sass ich viele Jahre<br />
allein im Büro, ohne Chef und nur mit meiner Schreibhilfe.<br />
Gibt es in unserer <strong>Schule</strong> Entwicklungen, die du nicht gut findest?<br />
Das Berechtigungswesen, das heisst Abschlüsse für die Zeit nach der <strong>Schule</strong> zu<br />
schaffen, finde ich problematisch. Dies hat sich bei uns auch eingeschlichen in die-<br />
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