Lamellenverstärkte Biegeträger - Ulaga Partner AG
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<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong><br />
Nachweis der Tragsicherheit<br />
Tomaž <strong>Ulaga</strong>, Zürich<br />
1 EINFÜHRUNG<br />
Schon in den 70er Jahren wurden Klebebewehrungen<br />
verwendet für die Verstärkung von<br />
Tragwerken mit mangelhaftem Biegewiderstand.<br />
Wegen der Einfachheit und der Wirksamkeit<br />
wurde das Verfahren in Forschung und<br />
Praxis weiterentwickelt, so dass es sich auch<br />
heute noch um eine aktuelle Verstärkungsmethode<br />
handelt. Trotz dieser langen Geschichte<br />
hat es der projektierende Ingenieur nicht unbedingt<br />
einfach bei seiner Bemessungsarbeit.<br />
Viele Normdokumente, Produktempfehlungen<br />
und Computerprogramme geben sehr widersprüchliche<br />
Angaben und lassen oft gestellte<br />
Fragen offen.<br />
Die Vornorm SIA 166 enthält ein Bemessungskonzept<br />
für <strong>Biegeträger</strong>, das die heute<br />
herrschenden Bedürfnisse deckt. Das Vorgehen<br />
ist transparent, enthält die wichtigsten Parameter,<br />
berücksichtigt neue Erkenntnisse und verlangt<br />
keine Ermessensüberlegungen. Durch die<br />
Umsetzung wird eine Vereinheitlichung erreicht,<br />
die den Dialog zwischen Fachleuten<br />
vereinfacht, die Akzeptanz bei der Bauherrschaft<br />
erhöht und viele mögliche Fehlerquellen<br />
eliminiert.<br />
Das Vorgehen wird anhand eines Beispiels<br />
erläutert.<br />
2 BEISPIEL<br />
In Bild 3.1 ist ein einfach gelagerter Plattenstreifen<br />
mit Auskragung dargestellt. Die Werkstoffe<br />
und deren Eigenschaften sind in Tabelle<br />
3.1 enthalten.<br />
Bild 3.1 Plattenstreifen mit Auskragung<br />
Werkstoff Bezeichnung Eigenschaften<br />
Beton C25/30 f cd = 16,5 N/mm 2<br />
τcd = 1,0 N/mm 2<br />
fctm = 2,6 N/mm 2<br />
Betonstahl B500B fsd = 435 N/mm 2<br />
Tabelle 3.1 Werkstoffeigenschaften<br />
E sd = 205 kN/mm 2<br />
Einwirkung bisher neu γ F (SIA 260)<br />
q g [kN/m] 7,0 7,0 0,8…1,35<br />
q A [kN/m] 1,0 2,0 0,8…1,35<br />
q N [kN/m] 2,0 5,0 1,5<br />
Tabelle 3.2 Einwirkungen Beispiel 1, bisher und<br />
neu<br />
Das System sei einem Hochbautragwerk entnommen,<br />
das Jahre nach der Erstellung eine<br />
Umnutzung erfährt. Die ursprünglich festgelegten<br />
Auf- und Nutzlasten werden entsprechend<br />
Tabelle 3.2 verändert, so dass neu für<br />
den Nachweis der Tragsicherheit die Grenzwertlinien<br />
in Bild 3.3(e) massgebend werden.<br />
Unter Vernachlässigung der Druckbewehrung<br />
19
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
folgt der Biegewiderstand entsprechend (3.1).<br />
Die Gegenüberstellung in (3.2) zeigt, dass der<br />
Nachweis der Tragsicherheit nicht erbracht<br />
werden kann.<br />
20<br />
As<br />
⋅ fsd<br />
x =<br />
0,<br />
85⋅<br />
b ⋅ fcd<br />
= 24 mm<br />
M Rd = ( ds<br />
− 0,<br />
5⋅<br />
0,<br />
85⋅<br />
x)<br />
⋅ As<br />
⋅ f<br />
= 83,<br />
6 kNm<br />
sd<br />
(3.1)<br />
( M 114,<br />
5 kNm)<br />
> ( M = 83,<br />
6 kNm)<br />
! (3.2)<br />
d = Rd<br />
Zur Erhöhung des Biegewiderstands wird der<br />
Querschnitt mit Klebebewehrung verstärkt. Die<br />
Anordnung der Lamellen ist in Bild 3.2 dargestellt,<br />
deren technische Eigenschaften folgen<br />
aus Tabelle 3.3.<br />
Bild 3.2 Plattenstreifen mit Auskragung, verstärkt<br />
mit Klebebewehrung<br />
Werkstoff Eigenschaften<br />
CFK-Lamellen bl = 50 mm<br />
tl = 1,2 mm<br />
fld = 2200 N/mm 2<br />
El = 165 kN/mm 2<br />
Tabelle 3.3 Eigenschaften der CFK-Lamellen<br />
Der Nachweis der Tragsicherheit am verstärkten<br />
System wird nach Vornorm SIA 166 erbracht.<br />
3 ANALYSE<br />
3.1 Vorgehen<br />
Die einzelnen Schritte zur Analyse des Systems<br />
sind in Bild 3.3 dargestellt. Der ganze<br />
Ablauf lässt sich im Wesentlichen zu folgenden<br />
Punkten zusammenfassen:<br />
1. Ermittlung der Schnittgrössen<br />
2. Systematische Unterteilung des Tragwerks<br />
3. Ermittlung der inneren Kräfte<br />
4. Führen der Nachweise<br />
3.2 Schnittgrössen<br />
Die Grenzwerte der Schnittgrössen wurden<br />
schon für die Verifizierung des unverstärkten<br />
Plattenstreifens verwendet. Da es sich um ein<br />
statisch bestimmtes System handelt, können sie<br />
mit einfachen Gleichgewichtsbetrachtungen<br />
ermittelt werden. Die grafische Auswertung<br />
liefert den Verlauf entsprechend Bild 3.3(e).<br />
3.3 Systematik<br />
Im betrachteten Beispiel hat die Klebebewehrung<br />
die Aufgabe, die Biegezugbewehrung im<br />
Feld zu ergänzen. Dieser Bereich wird daher<br />
als Wirkungszone bezeichnet, Bild 3.3(c). An<br />
den Enden der Wirkungszone herrscht eine<br />
Zugkraft, die in der Verankerungszone aufgenommen<br />
wird. Der auskragende Teil des Plattenstreifens<br />
erfährt keine Verstärkung durch<br />
die applizierten Lamellen und wird daher als<br />
unverstärkter Bereich bezeichnet.<br />
Die Unterscheidung dieser Bereiche gibt einen<br />
ersten Überblick über das Tragverhalten und<br />
vereinfacht das systematische Vorgehen beim<br />
Führen der Nachweise.
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
Bild 3.3: Analyse des Bemessungsbeispiels 1: (a) Querschnitt; (b) statisches System und Einwirkungen;<br />
(c) Systematik; (d) Querschnittszustände (I: ungerissen; II: gerissen; III: innere Bewehrung<br />
fliesst); (e) Grenzwertlinien; (f) Dehnungen in charakteristischen Querschnitten;<br />
(g) Zugkraftverlauf in den Bewehrungen<br />
21
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
3.4 Innere Kräfte<br />
3.4.1 Vereinfachung<br />
Es wird angenommen, dass die Applikation der<br />
Lamellen im spannungsfreien Zustand aller<br />
Bauteilkomponenten erfolgt. Dies ist näherungsweise<br />
der Fall, wenn die Struktur vor dem<br />
Kleben um den Betrag der herrschenden Verformung<br />
angehoben wird.<br />
Diese Vereinfachung soll eine Beschränkung<br />
des Analyseaufwands bewirken und damit die<br />
Verständlichkeit für das Vorgehen verbessern.<br />
Im Fall wirklicher Tragwerksverstärkungen ist<br />
jedoch die Berücksichtigung initialer Verformungen<br />
und Spannungen zu empfehlen.<br />
3.4.2 Grundlagen<br />
Die inneren Kräfte werden mit Hilfe der Querschnittsanalyse<br />
ermittelt. Das Vorgehen basiert<br />
auf der Kombination der gängigen Grundlagen<br />
für die Modellierung von Stabtragwerken:<br />
- Das Verhalten der Werkstoffe wird mit<br />
Hilfe von idealisierten Stoffgesetzen beschrieben,<br />
Bild 3.4(a), die den entsprechenden<br />
Tragwerksnormen entnommen<br />
werden können (z.B. [3.4]).<br />
- Die Verträglichkeit im Querschnitt lässt<br />
sich mit der Annahme über das Ebenbleiben<br />
der Querschnitte beschreiben, Bild<br />
3.4(b).<br />
- Die inneren und äusseren Kräfte stehen im<br />
Gleichgewicht zueinander, Bild 3.4(c).<br />
22<br />
3.4.3 Charakteristische Stellen<br />
Entlang der Trägerachse gibt es einige charakteristische<br />
Stellen, die für das Führen der<br />
Nachweise gefunden und mittels Querschnittsanalyse<br />
untersucht werden müssen. Diese Stellen<br />
sowie die wesentlichen Resultate sind in<br />
Tabelle 3.4 und Bild 3.3(f) zusammengestellt.<br />
Bild 3.4: Grundlagen der Querschnittsanalyse:<br />
(a) Stoffgesetze; (b) Ebenbleiben der<br />
Querschnitte; (c) Gleichgewicht<br />
Stelle ξξξξ M d x εεεε s εεεε" s εεεε l εεεε" l<br />
[mm] [kNm] [mm] [‰] [‰] [‰] [‰]<br />
Reissen des Querschnitts 1) 350 22.2 60 0.36 0.51 0.41 0.46<br />
Fliessen der inneren Bewehrung 2) 1790 88.7 64 1.48 2.12 1.68 1.87<br />
Hilfsstelle 3) 1990 94.6 55 2.26 3.23 2.54 2.82<br />
Maximum der Biegebeanspruchung 4) 3410 114.5 44 5.19 7.41 5.80 6.44<br />
1) Reissen des Querschnitts: Md = M rd = (b·h 2 )/6·f ctH/γ M ≈ (b·h 2 )/6·f ctm/γ M = 22.2 kNm<br />
2) Fliessen der inneren Bewehrung: Md = M yd = 88.7 kNm<br />
3) Hilfsstelle, 200 mm neben Querschnitt mit Fliessbeginn: Md = 94.6 kNm<br />
4) Maximum der Biegebeanspruchung: Md = M dmax = 114.5 kNm<br />
Tabelle 3.4: Charakteristische Stellen Beispiel 1
3.4.4 Kraftverlauf in der Bewehrung<br />
Aus den Dehnungen in Tabelle 3.4 kann direkt<br />
die Zugkraft in den Bewehrungen ermittelt<br />
werden. Die Ergänzung mit weiteren Werten<br />
liefert den Verlauf in Bild 3.3(g).<br />
Für eine kurze Diskussion empfiehlt sich die<br />
Unterscheidung der Zustände I (Träger ungerissen),<br />
II (Träger gerissen) und III (Träger<br />
gerissen, innere Bewehrung fliesst), vgl. Bild<br />
3.3(d). Im Zustand I erfährt die Bewehrung<br />
praktisch keine Dehnung und dementsprechend<br />
auch keine Zugkraft. Hier befindet sich die<br />
Verankerungszone der Lamelle. Im Zustand II<br />
steigt die Bewehrungszugkraft affin zum Verlauf<br />
des Biegemoments, die Aufteilung auf<br />
Stab- und Lamellenbewehrung erfolgt proportional<br />
zu deren Steifigkeiten und Dehnungen.<br />
Im Zustand III fliesst die innere Bewehrung<br />
und die Klebebewehrung wird überproportional<br />
beansprucht.<br />
3.5 Nachweise<br />
3.5.1 Biegung im unverstärkten Bereich,<br />
Formel (166/19)<br />
Im betrachteten Beispiel wird der Träger verstärkt,<br />
weil die neue Nutzung eine höhere<br />
Tragwerksbeanspruchung bewirkt. Die Klebebewehrung<br />
wird aber nur im Feld angebracht,<br />
der Kragarm bleibt unverändert. Im Stützenquerschnitt<br />
muss daher ein herkömmlicher<br />
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
Biegetragsicherheitsnachweis geführt werden.<br />
Der Bemessungswert der Beanspruchung folgt<br />
aus Bild 3.3(e), der Widerstand wurde bereits<br />
in (3.1) ermittelt. Der Vergleich führt zu Nachweis<br />
(3.3).<br />
( M 83.<br />
6kNm)<br />
M −19<br />
. 3kNm<br />
< = (3.3)<br />
d = Rd<br />
3.5.2 Querkraft, Formel (166/20)<br />
Der Querkraftwiderstand bleibt auch nach der<br />
Applikation der Klebebewehrung unverändert.<br />
Es handelt sich um ein Bauteil ohne Querkraftbewehrung<br />
nach Norm SIA 262 Ziffer 4.3.3.2<br />
[3.4] mit dem Widerstand nach (3.4). Der<br />
Nachweis wird entsprechend (3.5) erbracht.<br />
1<br />
=<br />
M d 1+<br />
2,<br />
2⋅<br />
M Rd<br />
= 225,<br />
8 kN<br />
⋅ τcd<br />
⋅ d<br />
⋅ ds<br />
⋅b<br />
VRd s<br />
( V 225,<br />
8 kN)<br />
(3.4)<br />
V −71<br />
, 5 kN < =<br />
(3.5)<br />
d<br />
= Rd<br />
3.5.3 Verankerung, Formel (166/8)<br />
Die Verankerung der Klebebewehrung erfolgt<br />
durch das Ankleben des Lamellenendes im<br />
ungerissenen Bereich des Trägers. Solche Verankerungen<br />
haben die Eigenschaft, dass der<br />
maximale Widerstand mit der wirksamen Verankerungslänge<br />
lb0d erreicht wird. Ist sie grösser,<br />
verändert sich der Widerstand nicht [3.1],<br />
[3.7].<br />
l = ( 350 −150)<br />
mm = 200mm<br />
(3.6)<br />
bd<br />
2<br />
1 fctH<br />
1 fctm<br />
1 2,<br />
6 N mm<br />
G Fbd = ⋅ ≈ ⋅ = ⋅<br />
= 0,<br />
22 N mm<br />
(3.7)<br />
8 γ 8 γ 8 1.<br />
5<br />
τ<br />
l0d<br />
4 f<br />
= ⋅<br />
3 γ<br />
M<br />
M<br />
ctH<br />
4 f<br />
≈ ⋅<br />
3 γ<br />
M<br />
ctm<br />
M<br />
4 2<br />
= ⋅<br />
3<br />
, 6<br />
2<br />
N mm<br />
1,<br />
5<br />
=<br />
2,<br />
3<br />
N<br />
π GFbd<br />
⋅ El<br />
⋅tl<br />
π 0,<br />
22 N mm ⋅165<br />
kN mm ⋅1,<br />
2 mm<br />
l b0<br />
d = ⋅ 2⋅<br />
= ⋅ 2⋅<br />
= 199 mm<br />
(3.9)<br />
2<br />
2<br />
2 τ 2<br />
l0d<br />
mm<br />
2<br />
2 ( 2,<br />
3 N mm )<br />
F b ⋅ 2⋅<br />
G ⋅ E ⋅t<br />
= 2⋅<br />
50 mm ⋅ 2⋅<br />
0,<br />
22 N mm ⋅165<br />
kN mm ⋅1,<br />
2 mm = 49,<br />
2 kN (3.10)<br />
b0<br />
, Rd = l Fbd l l<br />
( , 1 kN)<br />
< ( F = 49,<br />
2 kN)<br />
F (3.11)<br />
bd = 9 b0<br />
, Rd<br />
2<br />
2<br />
(3.8)<br />
23
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
Im Fall des vorliegenden Beispiels ist der Bemessungswert<br />
der Verankerungslänge quasi<br />
identisch mit dem Bemessungswert der wirksamen<br />
Verankerungslänge, (3.6)….(3.9).<br />
Der Widerstand nimmt demnach das Maximum<br />
an und folgt aus (3.10). Mit dem Nachweis<br />
(3.11) wird gezeigt, dass die Zugkraft am<br />
Ende der Wirkungszone aufgenommen werden<br />
kann.<br />
3.5.4 Zugkraft, Formel (166/21)<br />
Die Lamellenzugkraft beansprucht primär die<br />
Klebebewehrung selbst. Die dadurch verursachte<br />
Dehnung führt aber auch zu einem Verträglichkeitskonflikt<br />
mit der Betonoberfläche,<br />
weil dort die Zugverformungen in den Rissen<br />
konzentriert sind. Aus diesem Grund wird die<br />
Lamellenzugkraft entsprechend (3.12) beschränkt.<br />
Der Vergleich mit der herrschenden<br />
Zugkraft führt zum Nachweis (3.13).<br />
24<br />
F<br />
A<br />
E<br />
l,<br />
Rd = l ⋅ l ⋅εl<br />
,lim, d<br />
2<br />
= 2⋅<br />
60 mm ⋅165kN<br />
mm ⋅0,<br />
008 (3.12)<br />
= 158,<br />
4 kN<br />
( 127 , 5 kN)<br />
< ( F , = 158,<br />
4 kN)<br />
F (3.13)<br />
ld = l Rd<br />
3.5.5 Zugkraftänderung, Formel (166/21)<br />
Die Änderung der Zugkraft in den Lamellen ist<br />
gleichbedeutend mit der Existenz von Verbundschubspannungen<br />
zwischen Klebebewehrung<br />
und Betonoberfläche [3.6]. Zur Verhinderung<br />
eines Verbundversagens wird daher der<br />
Zugkraftänderungswiderstand entsprechend<br />
(3.14) und (3.15) definiert. Der Nachweis wird<br />
an der Stelle des Trägers geführt, wo die Zugkraftänderung<br />
(bzw. die Steigung des Zugkraftverlaufs)<br />
maximal ist. Diese liegt dort, wo<br />
das Fliessen die innere Stabbewehrung beginnt<br />
(Übergang Zustand II-III). Für die Ermittlung<br />
der Zugkraftänderung werden zwei benachbarte<br />
Querschnitte analysiert (vgl. Tabelle 3.1),<br />
(3.16). Es folgt der Nachweis (3.17).<br />
τl , lim, d = 2,<br />
5⋅<br />
τcd<br />
=<br />
=<br />
2,<br />
5<br />
2,<br />
5<br />
⋅1,<br />
0 N<br />
N<br />
mm<br />
mm<br />
2<br />
2<br />
2<br />
(3.14)<br />
⎛ ∆F<br />
⎞<br />
⎜<br />
⎝ ∆x<br />
∆<br />
∆x<br />
l<br />
⎟ = τl,<br />
lim, d ⋅bl<br />
⎠Rd<br />
=<br />
2,<br />
5<br />
N<br />
= 250 N<br />
mm<br />
2<br />
mm<br />
Fld ld<br />
⋅ 2⋅<br />
50 mm<br />
(3.15)<br />
∆Fld<br />
( x + ∆x)<br />
− ∆F<br />
( x)<br />
=<br />
∆x<br />
(3.16)<br />
55,<br />
9 kN − 36,<br />
9 kN<br />
=<br />
= 95 N mm<br />
200 mm<br />
⎛ ∆Fld<br />
⎞<br />
⎜ = 95 N mm⎟<br />
⎝ ∆x<br />
⎠<br />
⎛<br />
⎞<br />
⎜<br />
⎛ ∆Fl<br />
⎞<br />
< ⎜ ⎟ = 250 N mm<br />
⎟<br />
⎝⎝<br />
∆x<br />
⎠Rd<br />
⎠<br />
(3.17)<br />
4 ERGÄNZENDE ERLÄUTERUNGEN<br />
4.1 Verbund Bewehrung - Beton<br />
4.1.1 Verbund, Ziffer 3.1.6<br />
Bei der Modellierung (unverstärkter) Stahlbetontragwerke<br />
wird üblicherweise dem Verbund<br />
zwischen Beton und Bewehrung keine besondere<br />
Beachtung geschenkt. Bei steigender Beanspruchung<br />
kommt die Bewehrung ins Fliessen,<br />
danach verharren sowohl die Spannung in<br />
der Bewehrung als auch die Verbundschubspannung<br />
auf (näherungsweise) konstantem<br />
Niveau.<br />
Bei lamellenverstärkten Tragwerken sind die<br />
Verhältnisse anders. Nur bei dünnen Stahllamellen<br />
wird ein Fliessen erreicht, ansonsten<br />
führt jede Erhöhung der Tragwerksbeanspruchung<br />
zu einer Erhöhung der Verbundschubspannungen.<br />
Das Verbundversagen ist dementsprechend<br />
ein gängiger Versagensmechanismus.<br />
Die Wirkung des Verbunds kann an einem<br />
Risselement illustriert werden, Bild 3.5. Im<br />
Riss wird die ganze Biegezugkraft durch die<br />
Bewehrung übertragen, zwischen den Rissen<br />
dagegen bewirkt der Verbund ein Mitwirken<br />
des Betons. Der Mittelwert der Bewehrungsdehnung<br />
wird mit ε bezeichnet. Die Formulierung<br />
der Verträglichkeit (Ebenbleiben der
Querschnitte) erfolgt mit diesem Wert. Das<br />
Gleichgewicht der inneren Kräfte erfolgt dagegen<br />
im Riss, daher wird die maximale Bewehrungsdehnung<br />
ε" gebraucht. Die Dehnungen<br />
sind entsprechend (3.18) mit dem Verbundbeiwert<br />
κ verknüpft. Dieser kann zwischen 0<br />
und 1 liegen, wobei Beträge um 0 einen sehr<br />
guten Verbund bedeuten, Beträge um 1 dagegen<br />
einen schwachen bzw. stark geschädigten.<br />
ε<br />
κ =<br />
(3.18)<br />
ε"<br />
Bild 3.5: Verbundwirkung: Dehnung der Bewehrung<br />
im Mittel (ε) und im Riss<br />
(ε").<br />
4.1.2 Spezielle Parameter<br />
Mittelwert der Haftzugfestigkeit, fctH:<br />
Für die erfolgreiche Wirkung von Klebebewehrungen<br />
ist die Zugfestigkeit des bestehenden<br />
Betonuntergrunds von zentraler Bedeutung.<br />
Da im Allgemeinen „alte“ Tragwerke<br />
verstärkt werden, ist diese Grösse mittels Haftzugversuchen<br />
zu bestimmen. Die Resultate<br />
dienen dann als Grundlage für die Ermittlung<br />
weiterer Parameter. Im zuvor analysierten Beispiel<br />
wurde stellvertretend der in [3.4] festgelegte<br />
Mittelwert der Zugfestigkeit fctm verwendet.<br />
Im Rahmen der Projektierung ist eine solche<br />
Annahme sinnvoll, sie ist aber am Bau zu<br />
verifizieren und allenfalls in der Statik zu korrigieren.<br />
Bemessungswert der spezifischen Verbundbruchenergie,<br />
GFbd:<br />
Der Parameter quantifiziert die Verbundfestigkeit<br />
bei Schubbeanspruchung. Es handelt sich<br />
um die Arbeit pro Flächeneinheit, die für die<br />
Gefügetrennung benötigt wird. Die zugehörige<br />
Einheit [J/mm 2 ] kann zu [N/mm] umgeformt<br />
werden. Der Parameter korreliert mit der Zug-<br />
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
festigkeit und ist in der Vornorm SIA 166 daher<br />
mit fctH verknüpft.<br />
Bemessungswert der vom Untergrund maximal<br />
aufnehmbaren Schubspannung, τl0d:<br />
Dieser Schubspannungswert ist ein Eckwert<br />
des Verbundgesetzes. Die physikalische Umsetzung<br />
liegt im Allgemeinen an einer genau<br />
definierten Stelle, so dass der Wert höher liegt<br />
als der Bemessungswert der Schubfestigkeit,<br />
τcd. Wie GFbd korreliert auch τl0d mit der Zugfestigkeit,<br />
daher erneut eine Verknüpfung mit<br />
fctH in der Vornorm SIA 166.<br />
4.2 Hilfsmittel<br />
Das Gros der Analyse bzw. der Nachweisführung<br />
kann mit einfachen Hilfsmitteln (z.B.<br />
Taschenrechner) durchgeführt werden. Für die<br />
Durchführung der Querschnittsanalyse dagegen<br />
empfiehlt sich die Verwendung eines<br />
Computers mit Tabellekalkulation oder mit<br />
einem kommerziellen Programm für Spannungsnachweise.<br />
Letztere haben oft den Nachteil,<br />
dass der Verbundbeiwert κ nicht im Parametersatz<br />
vorkommt. Das Problem kann auf<br />
einfache Weise behoben werden, indem die<br />
Zugbewehrung mit dem erhöhten Elastizitätsmodul<br />
(E/κ) eingegeben wird.<br />
4.3 Situation bei Einzellasten<br />
Zuvor wurde ein Träger mit verteilter Belastung<br />
betrachtet. Im Fall von dominanten Einzellasten<br />
ergeben sich aber Zonen, wo sowohl<br />
die Biege- als auch die Querkraftbeanspruchung<br />
hohe Werte annehmen. Die Analyse<br />
zeigt, dass in solchen Situationen oft der<br />
Nachweis der Zugkraftänderung kritisch wird<br />
[3.6].<br />
Einwirkung γ F (SIA 260)<br />
q g [kN/m] 7,0 0,8…1,35<br />
Q 1 [kN] 50,0 0,8…1,35<br />
Q 2 [kN] 4,0 0,8…1,35<br />
Tabelle 3.5: Einwirkungen Beispiel 2<br />
25
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
Bild 3.6: Analyse des Bemessungsbeispiels 2: (a) Querschnitt; (b) statisches System und Einwirkungen;<br />
(c) Systematik; (d) Querschnittszustände (I: ungerissen; II: gerissen; III: innere Bewehrung<br />
fliesst); (e) Grenzwertlinien; (f) Dehnungen in charakteristischen Querschnitten;<br />
(g) Zugkraftverlauf in den Bewehrungen.<br />
26
Das Beispiel 2 in Bild 3.6 ist vergleichbar mit<br />
Beispiel 1, der Träger wirkt aber hier als Abfangkonstruktion<br />
für die Einzellasten Q1 und<br />
Q2, Tabelle 3.5.<br />
Bezüglich folgender Nachweise ändern sich<br />
die Zahlenwerte gegenüber Beispiel 1 nur unwesentlich:<br />
- Biegung im unverstärkten Bereich<br />
- Querkraft<br />
- Verankerung<br />
- Zugkraft<br />
Anders verhält es sich bei der Zugkraftänderung.<br />
Die maximale Beanspruchung in Beispiel<br />
2 folgt aus (3.19), der Widerstand<br />
bleibt entsprechend (3.15) unverändert. Der<br />
Vergleich der Werte in (3.20) zeigt, dass der<br />
Nachweis nicht erbracht werden kann.<br />
∆<br />
Fld ld<br />
∆x<br />
∆Fld<br />
( x + ∆x)<br />
− ∆F<br />
=<br />
∆x<br />
93,<br />
6 kN − 36,<br />
9 kN<br />
=<br />
200 mm<br />
= 284 N mm<br />
( x)<br />
⎛ ∆Fld<br />
⎞<br />
⎜ = 284 N mm⎟<br />
⎝ ∆x<br />
⎠<br />
⎛<br />
⎞<br />
⎜<br />
⎛ ∆Fl<br />
⎞<br />
< ⎜ ⎟ = 250 N mm<br />
⎟<br />
⎝⎝<br />
∆x<br />
⎠Rd<br />
⎠<br />
4.4 Durchlaufträger<br />
(3.19)<br />
(3.20)<br />
Der Durchlaufträger kann als allgemeiner<br />
Stellvertreter eines statisch unbestimmten Systems<br />
betrachtet werden. Die Applikation der<br />
Verstärkung ist denkbar in den Feldern, über<br />
den Stützen, oder sowohl in den Feldern als<br />
auch über den Stützen. Die Stützenverstärkung<br />
ist jedoch aus zwei Gründen ungünstig: Die<br />
Verhältnisse entsprechend denjenigen bei Einzellasten<br />
und die Bildung plastischer Gelenke<br />
wird verhindert. Die reine Feldverstärkung ist<br />
deshalb zu bevorzugen [3.5].<br />
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
5 BEZEICHNUNGEN<br />
Lateinische Grossbuchstaben<br />
A Querschnittsfläche<br />
E Elastizitätsmodul<br />
F Kraft<br />
G spezifische Energie<br />
M Biegemoment<br />
Q Einzellast<br />
V Querkraft<br />
Lateinische Kleinbuchstaben<br />
b Breite<br />
d statische Höhe<br />
f Werkstofffestigkeit<br />
h Höhe<br />
l Länge<br />
q verteilte veränderliche Einwirkung<br />
t Dicke<br />
x Druckzonenhöhe; Koordinate<br />
Griechische Grossbuchstaben<br />
∆ Differenz<br />
Griechische Kleinbuchstaben<br />
γ Beiwert<br />
ε Dehnung<br />
κ Verbundbeiwert<br />
ξ Koordinate<br />
σ Normalspannung<br />
τ Schubspannung<br />
Indizes<br />
A Auflast<br />
b Verbund bzw. Verankerung<br />
c Beton<br />
d Bemessung<br />
F bruchmechanische Grösse<br />
G ständige Einwirkung<br />
H Haftzug<br />
inf unten<br />
l Lamelle<br />
lim Grenzwert<br />
M kombinierte Eigenschaft von Werkstoff und<br />
Widerstandsmodell<br />
m Mittelwert<br />
N Nutzlast<br />
R Widerstand<br />
s Stahl(stab)<br />
t Zug<br />
u Bruch<br />
y Fliessen<br />
0 Grundwert<br />
1 Index<br />
2 Index<br />
I Zustand I<br />
II Zustand II<br />
III Zustand III<br />
27
<strong>Lamellenverstärkte</strong> <strong>Biegeträger</strong>, Nachweis der Tragsicherheit<br />
Kopfzeiger<br />
' auf Druck beansprucht<br />
" Bewehrungsspannung und -dehnung im Riss<br />
6 LITERATUR<br />
Verweise auf die Vornorm SIA 166 erfolgen in kursiver<br />
Schrift.<br />
[3.1] Holzenkämpfer, P. (1997). Ingenieurmodelle<br />
des Verbunds geklebter Bewehrung für Betonbauteile;<br />
Deutscher Ausschuss für Stahlbeton,<br />
Heft 473; Beuth Verlag GmbH, Berlin,<br />
1997; pp. 109-209.<br />
[3.2] Norm SIA 260 (2003). Grundlagen der<br />
Projektierung von Tragwerken; 2003;<br />
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein,<br />
Zürich; 44 pp.<br />
[3.3] Norm SIA 261 (2003). Einwirkungen auf<br />
Tragwerke; 2003; Schweizerischer Ingenieur-<br />
und Architektenverein, Zürich, 110 pp.<br />
[3.4] Norm SIA 262 (2003). Betonbau; 2003,<br />
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein,<br />
Zürich, 90 pp.<br />
[3.5] <strong>Ulaga</strong>, T. (2000). Analytical Analysis of<br />
Simply Supported and Continuous Beams<br />
Strengthened with CFRP Laminates; Proceedings;<br />
3 rd International PhD Symposium<br />
in Civil Engineering, Volume 2; Vienna, October<br />
2000; pp. 19…28.<br />
[3.6] <strong>Ulaga</strong>, T. (2003). <strong>Lamellenverstärkte</strong> Stahlbetonträger:<br />
experimentelle Erfahrung, Analyse,<br />
Bemessung; Festschrift zum 60. Geburtstag<br />
von Professor Urs Meier, „CFK im<br />
Bauwesen – heute Realität!“, EMPA Dübendorf,<br />
9.1.2003; pp. 35-41.<br />
[3.7] <strong>Ulaga</strong>, T. (2003). Betonbauteile mit Stab-<br />
und Lamellenbewehrung: Verbund- und<br />
Zuggliedmodellierung; Dissertation ETH<br />
Nr. 15062, 2003; 161 pp.<br />
28