Rede von Alexej Mordaschow - Deutsch-Russisches Forum eV
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<strong>Alexej</strong> <strong>Mordaschow</strong><br />
Vorsitzender des Vorstands, OAO Sewerstal<br />
<strong>Rede</strong> anlässlich der Verleihung des Dr. Friedrich Joseph Haass-Preises<br />
am 18. März 2009 in Berlin<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
sehr geehrter Herr Dr. <strong>von</strong> Studnitz,<br />
sehr geehrter Herr Professor Biedenkopf!<br />
Ich möchte dem <strong>Deutsch</strong>-Russischen <strong>Forum</strong> und allen Vorstandsmitgliedern des<br />
<strong>Forum</strong>s persönlich dafür danken, dass Sie meinen Beitrag zur Entwicklung der Beziehungen<br />
zwischen unseren beiden Ländern so hoch einschätzen.<br />
In der Geschichte der neueren Beziehungen unserer Länder nimmt das <strong>Deutsch</strong>-<br />
Russische <strong>Forum</strong> eine wichtige Rolle ein, und sein Einfluss auf alle Bereiche der deutschrussischen<br />
Beziehungen wird immer bedeutsamer.<br />
Es ist eine besondere Ehre für mich, der erste russische Unternehmer zu sein, der<br />
mit dem Dr. Friedrich Joseph Haass-Preis ausgezeichnet wird. Ich freue mich vor allem,<br />
diese Auszeichnung aus den Händen <strong>von</strong> Vertretern der deutschen Gesellschaft zu erhalten,<br />
deren Kultur und Philosophie wesentlich zur Entwicklung des Konzepts der sozialen<br />
Verantwortung der Unternehmen in Russland und in der Welt beigetragen haben.<br />
Beispiele aus der deutschen Geschichte lassen uns die Entstehung und die Entwicklung<br />
der Konzepte zum Thema soziale Verantwortung beobachten.<br />
Eines der auffälligsten derartigen Beispiele in der Geschichte <strong>Deutsch</strong>lands ist die<br />
Siedlung «Fuggerei» in der Stadt Augsburg. Im 16. Jahrhundert <strong>von</strong> Jakob Fugger aus<br />
religiösen Motiven als eine Siedlung für «arme, bedürftigte Augsburger Bürger, Handwerker,<br />
Arbeiter und andere Unbemittelte, die nicht in aller Öffentlichkeit betteln» gestiftet,<br />
ist dies die älteste Sozialeinrichtung nicht nur in Europa, sondern auch weltweit.<br />
In Russland bildeten sich eigene Traditionen der sozialen Verantwortung heraus.<br />
Die Geschichte der russischen Gesellschaft bewahrt Erinnerungen an die Wohltätigkeit<br />
der Vertreter solcher edlen aristokratischen Familien, wie z.B. Scheremetjew, und <strong>von</strong><br />
Kaufleuten und Fabrikanten wie Tretjakow, Bachruschin, Soldatenkow. Bis heute dienen<br />
den Leuten die am Ende des 19. Jahrhunderts auf Kosten der Moskauer Kaufmannschaft<br />
erbauten Gebäude der Tretjakow-Galerie und die Krankenhäuser der Moskauer<br />
Sanitätsakademie, die zu ihrer Zeit zu den besten Krankenhäusern Europas gehörten.<br />
Im Laufe der Zeit entstanden neben den individuellen Formen der Philanthropie auch<br />
Vereine, die die Sammlung <strong>von</strong> Spenden in beliebiger Höhe übernahmen und Freiwillige<br />
für die Lösung <strong>von</strong> sozialen Problemen bereitstellten.<br />
Diese Traditionen sind auch in der jüngsten Vergangenheit wieder zum Vorschein<br />
gekommen. Nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft übernahmen viele<br />
neue russische Privatfirmen unter schwierigen Bedingungen wesentliche Teile der aus<br />
Sowjetzeiten verbliebenen sozialen Einrichtungen.<br />
Während der letzten zehn Jahre nehme ich aktiven Anteil an der Tätigkeit des<br />
Russischen Verbandes der Industriellen und Unternehmer und bin der Meinung, dass die
Entwicklung der sozialen Verantwortung der Unternehmen in der russischen Wirtschaft<br />
im Allgemeinen übereinstimmt mit dem globalen Trend zur schrittweisen Integration<br />
ihrer Grundsätze in die Unternehmensstrategie und zum Übergang zur Ideologie<br />
der sozialen Investition, die den langfristigen Interessen sowohl der Gesellschaft, als<br />
auch des Unternehmens entsprechen soll.<br />
Wir sehen eine steigende Bedeutung der sozialen Verantwortung der Unternehmen<br />
und der Nachhaltigkeit der unternehmerischen Tätigkeit als Mittel zur Gewinnung<br />
eines strategischen Vorteils und der Sicherung <strong>von</strong> dauerhaften Beziehungen mit<br />
externen Stakeholdern.<br />
Eine ehrliche, konstruktive Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern – Menschen<br />
und Organisationen, deren Interessen auf die eine oder andere Art mit der Tätigkeit der<br />
Sewerstal AG verbunden sind, betrachte ich als wichtige Basis für eine dynamische Entwicklung<br />
unseres Unternehmens und die Steigerung seines Ansehens in der Gesellschaft.<br />
Ich kann mit Genugtuung bemerken, dass diese Prinzipien auch der Tätigkeit der<br />
russisch-deutschen Arbeitsgruppe für die strategische Partnerschaft auf dem Gebiet der<br />
Wirtschaft und Finanzen zugrunde liegen, an der ich schon fast acht Jahre teilnehme.<br />
Ich bin vollkommen überzeugt, dass der langfristige Erfolg jedes Unternehmens<br />
ohne Berücksichtigung der jeweiligen Interessen aller Stakeholder unmöglich ist – nicht<br />
nur der Aktionäre, sondern auch der Mitarbeiter, der Lieferanten, der Verbraucher, der<br />
Gemeinden, des Staates, der Nichtregierungsorganisationen und der Umwelt. Wir folgen<br />
diesen Grundsätzen in allen Ländern, in denen unser Unternehmen vertreten ist –<br />
sei es Russland, die USA, Frankreich oder Italien.<br />
Wir haben aber eine Reihe absoluter Prinzipien, ohne die wir uns kein Unternehmen<br />
vorstellen können. Das betrifft vor allem: Arbeitssicherheit unserer Mitarbeiter,<br />
Umweltschutz, das Bestreben, die besten Leuten anzuziehen und der bevorzugte Arbeitgeber<br />
in unseren Regionen zu sein. Die Arbeitssicherheit behält einen absoluten<br />
Vorrang trotz der schwierigen Wirtschaftssituation in der Welt; alle erforderlichen Investitionen<br />
in den Arbeitsschutz werden gemacht, unabhängig da<strong>von</strong>, ob wir gezwungen<br />
sind, andere Budgetpositionen zu kürzen.<br />
Seit drei Jahren realisieren wir zusammen mit der Firma Dupont ein Großvorhaben<br />
zum Thema Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit in allen Werken unserer<br />
Bergbaudivision. Im vergangenen Jahr verabschiedete Sewerstals Verwaltungsrat unsere<br />
Unternehmensleitlinie für Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz.<br />
Unser Unternehmen beschäftigt rund 100.000 Mitarbeiter. Hochqualifiziertes<br />
Personal sehen wir als Schlüsselfaktor für die stabile Entwicklung <strong>von</strong> Sewerstal. Das Unternehmen<br />
leistet einen spürbaren Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung<br />
der Regionen, in denen wir tätig sind. Die vorrangigen Bereiche unserer<br />
philanthropischen Aktivitäten sind Programme für Kinder, Sport und die Erhaltung des<br />
historischen und kulturellen Erbes. Im Rahmen unserer kulturellen Projekte unterstützen<br />
wir aktiv Initiativen zur Förderung des kulturellen Dialogs zwischen Russland<br />
und anderen Ländern, darunter <strong>Deutsch</strong>land. Unter unseren fast zehn russischdeutschen<br />
Projekten finden Sie große internationale Ausstellungen wie «Kubismus. Ein<br />
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künstlerischer Aufbruch in Europa», «<strong>Russisches</strong> München», «Realität der Utopie. Russische<br />
Plakat-Kunst des 20. Jahrhunderts» und viele andere. 2007 war Sewerstal Partner<br />
bei der Organisation eines Mstislaw-Rostropowitsch-Gedenkkonzertes, das in Frankfurt<br />
am Main stattfand.<br />
Die Sorge um unsere Beschäftigten, die Umwelt und andere Aspekte der<br />
korporativen sozialen Verantwortung sind, unabhängig <strong>von</strong> der wirtschaftlichen<br />
Situation, immer wichtig für Unternehmen. Ich bin da<strong>von</strong> überzeugt dass das soziale<br />
Element der Unternehmenstätigkeit in der Zeit der Krise besonders relevant ist.<br />
Aktuelle Untersuchungen führender internationaler Forschungseinrichtungen zeigen,<br />
dass sozial verantwortliche Unternehmen eine höhere Profitabilität und Wertsteigerungen<br />
erzielen und damit weniger anfällig sind für die negativen Auswirkungen des<br />
globalen wirtschaftlichen Wandels.<br />
Im Hinblick auf die bestehende globale Finanz- und Wirtschaftskrise gewinnt<br />
die Partnerschaft zwischen Unternehmen und Staat bei der Umsetzung <strong>von</strong> wichtigen<br />
Restrukturierungsmaßnahmen eine besondere Bedeutung. Der Anteil der besonders<br />
flexiblen kleinen und mittleren Unternehmen an der Wirtschaftsleistung<br />
beträgt in Russland, soviel ich weiß, nur 12 Prozent, in den entwickelten Ländern<br />
hingegen 40–50 Prozent. Dies macht uns sozial wesentlich anfälliger bei externen<br />
Schocks, wenn Großunternehmen gezwungen sind, Produktionsumfang und Belegschaftszahlen<br />
zu reduzieren. Die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Entwicklung<br />
<strong>von</strong> Unternehmen und die Förderung <strong>von</strong> Kleinunternehmen erscheint<br />
uns deshalb als einer der primären Bereiche der Zusammenarbeit mit dem Staat. So<br />
wurde zum Beispiel in Tscherepowez, wo sich Sewerstals größtes Stahlwerk befindet,<br />
wo ich geboren wurde, in Partnerschaft mit der Stadt im Jahre 2001 eine spezielle<br />
Organisation zur Unterstützung <strong>von</strong> Kleinunternehmen gegründet, die so<br />
genannte „Stadtentwicklungsagentur“. Die bis heute erfolgreiche Agentur fördert<br />
die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und die Schaffung hunderter Arbeitsplätze<br />
bei kleinen und mittleren Unternehmen.<br />
Die Lösung der wichtigsten strategischen Fragen der Entwicklung Russlands<br />
– des demographischen Problems, Gesundheitswesens, der Ausbildung und im Allgemeinen<br />
der Entwicklung des Humankapitals – benötigt gemeinsame Anstrengungen<br />
<strong>von</strong> drei Seiten: Staat, Privatwirtschaft und Non-Profit-Organisationen.<br />
Nur durch eine enge und abgestimmte Zusammenarbeit lassen sich die schwierigsten<br />
Herausforderungen der wirtschaftlichen Entwicklung überwinden. Ein<br />
Beispiel dafür ist unser Wohltätigkeitsprojekt «Heimweg» zur Vorbeugung der<br />
Verwahrlosung <strong>von</strong> Kindern, das gemeinsam mit der Stadtverwaltung Tscherepowez<br />
und mit der Beteiligung <strong>von</strong> Non-Profit-Organisationen realisiert wird.<br />
Ich habe entschieden, dass der Geldpreis in Höhe <strong>von</strong> 5.000 Euro, den ich heute<br />
erhalten habe, an die Stiftung «Heimweg» gehen soll. Möge dieser Beitrag der<br />
Lösung einer für uns alle wichtigen Aufgabe dienen und zwar der Sorge um die<br />
zukünftige Generation.<br />
Zum Abschluss möchte ich noch einmal der Leitung des <strong>Deutsch</strong>-Russischen<br />
<strong>Forum</strong>s für die hohe Auszeichnung und allen Anwesenden für ihre Aufmerksamkeit<br />
danken.<br />
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