Reaktion und Reflexion - Gymnasium Neuenbürg
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Documenta 12 <strong>und</strong> wie die Kunstwerke<br />
von unseren SchülerInnen erlebt wurden<br />
2007 ist das Jahr der Superlativen in der Gegenwartskunst. Neben den Skulpturenprojekten in<br />
Münster <strong>und</strong> der Biennale in Venedig öffnete in diesem Jahr auch die Documenta 12 ihre Pforten<br />
für alle Kunstinteressierten. „Da dürfen wir nicht fehlen!“ dachten sich die vier KunstlehrerInnen<br />
vom <strong>Gymnasium</strong> <strong>Neuenbürg</strong> <strong>und</strong> traten am 23./24. Juli mit 84 OberstufenschülerInnen die<br />
säkularisierte Pilgerfahrt nach Kassel zum künstlerischen Megaevent an.<br />
108 Künstler lassen hier auf über 20000 qm „die Formen ihrer Werke migrieren“, ganz nach dem<br />
Geschmack der künstlerischen Leitung: R. Buerghel <strong>und</strong> seiner Lebensgefährtin R. Noack. Im<br />
Vorfeld der Ausstellung zerbrachen sich die Autoren der „100 Magazines“ ausgiebig die Köpfe über<br />
die von ihm ausgegebenen drei Leitfragen:<br />
Ist die Moderne unsere Antike? Was ist das bloße Leben? Was tun? Da ist dann zu lesen: „Was<br />
grenzenlos zerstört werden kann, ist das, was sich grenzenlos überleben kann“ oder „happiness is<br />
nothing more than a good health and a bad memory“ oder „Asi, incluso en esta breve fase de<br />
politizatión, la práctica..“, schon gut, die chinesischen Schriftzeichen ersparen wir an dieser Stelle<br />
dem Leser. Der Besucher hat schließlich in seinen ein bis zwei Besuchstagen auch nicht die Zeit<br />
noch drei Fremdsprachen zu lernen.<br />
Lassen wir also für einen Moment den theoretischen Überbau im Entrée der Documentahalle hinter<br />
uns <strong>und</strong> stürzen uns mit „Blitzlichtern“ ins Hier <strong>und</strong> Jetzt der Kunsterfahrung. Lassen wir die<br />
SchülerInnen über „ihre“ Künstler sprechen:<br />
Lidwien van de Veen: document (2007)<br />
Ein Werk, welches mich fasziniert hat, ist eines der vielen Digitaldrucke von de Veen. Es zeigt im<br />
Vordergr<strong>und</strong> eine recht verwüstete Häuserlandschaft <strong>und</strong> im Hintergr<strong>und</strong> eine neu errichtete Gruppe<br />
von eintönigen Reihenhäusern. Das Bild wurde wohl in einer Gegend aufgenommen, in der der<br />
Zwist zwischen Arm <strong>und</strong> Reich sehr groß ist. .An einer Stelle werden Häuser geradewegs zerstört,<br />
an anderer Stelle wachsen Blockbauten – dieses Bild macht mich etwas wütend, wütend auf den<br />
Umgang mit unserer Umgebung, <strong>und</strong> es scheint mir auch nicht als wäre es ganz weit weg, sondern<br />
überall auf der Welt zu finden. Altes wird verstoßen, missachtet, ja sogar abgerissen <strong>und</strong> irgendwo<br />
wird etwas erreichtet, das neuer <strong>und</strong> besser sein soll. Ist das nun das bloße Leben? Das Alte geht<br />
<strong>und</strong> das Neue kommt? (Lena Schlittenhardt)
Foto: Lena Schlittenhardt<br />
Inigo Manglano-Ovalle: The Radio (2007)<br />
oder wie wir uns fühlen würden wenn die Welt unterginge.<br />
Mangano-Ovalles „The Radio“ ist kein typisches Kunstwerk. Kein Gemälde, keine Skulptur, kein...<br />
. Zu sehen gibt es hier nicht viel, zu erleben dafür umso mehr.<br />
Wer die wenigen Stufen in den kleinen, vom Künstler in grelles <strong>und</strong> durch Folien rot gefärbtes<br />
Tageslicht getauchten Raum nimmt, der wird vom Nichts bedrängt. Der Raum ist leer – bis auf eine<br />
einfache Nachbildung eines Radios die in Originalgröße lapidar auf dem Boden steht. Der<br />
Betrachter ist eingetaucht in eine Welt aus rotem Licht <strong>und</strong> einem <strong>und</strong>efinierbaren, stetigen<br />
Rauschen <strong>und</strong> dieses Erlebnis ist unangenehm. Eigentlich nahe liegende schöne Assoziationen – die<br />
rote Brille etwa, der des Rauschen des Meeres, bleiben aus <strong>und</strong> wie in eine Schicht dicker Watte<br />
gepackt, isoliert, fühlen wir uns unserer Wahrnehmungsfähigkeit beraubt.<br />
Das zunächst <strong>und</strong>efinierte, anfängliche Gefühl des Unwohlseins, wird zudem zu einer Ohnmacht,<br />
steigert sich womöglich ins panische.<br />
Auch wenn man den Raum verlässt, bedeutet das doch nicht den Ausweg aus der vorher<br />
unangenehm vorherrschenden Stimmung. Stattdessen stolpert man in einen Raum, der einem nach<br />
dem grellen, roten Licht zunächst vollkommen dunkel erscheint. Während die Augen noch<br />
angestrengt darum bemüht sind, sich an das schummrige Licht zu gewöhnen, hält einen die<br />
Geräuschkulisse aus dem „Radio“ des Nachbarraums weiter in Unruhe. Die vermeidliche<br />
Informationsquelle trägt hier (<strong>und</strong> sonst?) nichts zur Erhellung bei.<br />
Die Unwissenheit ist beklemmend. Sie verschwindet auch nicht, wenn man langsam die<br />
schemenhaften Umrisse eines „Phatomtrucks“ erahnt. Fässer <strong>und</strong> Kisten mit glatten, kalten<br />
Oberflächen auf einem einfachen LKW-Anhänger zeichnen sich ab. Das Bild hat man schon einmal<br />
gesehen – doch wo? Langsam arbeitet die Erinnerung <strong>und</strong> gräbt aus der medialen Bilderflut das fast<br />
schon Verschüttete hervor: Wir stehen vor Sadam Husseins angeblichen Biowaffenlabor! Das<br />
gesuchte Bild ging 2003 durch die Medien <strong>und</strong> diente damals als „Beweismaterial“ vor der UNO.<br />
Und dann: Der Irakkrieg.<br />
Was sehen wir wirklich, wenn wir allabendlich die Nachrichten schauen? Was hören wir wirklich,<br />
wenn wir das Radio einschalten? (Anna-Lena Rieck, Marie Wallis)
Foto: Caroline Sekula<br />
Als ich den Raum mit der Arbeit “The Radio” betrat, war ich zuerst wie betäubt. Das grelle Licht,<br />
der Druck, der auf einmal auf den Ohren zu lasten scheint <strong>und</strong> das Rauschen <strong>und</strong> Knacken aus den<br />
Lautsprechern, wirkt sich auf den gesamten Körper <strong>und</strong> auch auf das eigene Befinden aus.<br />
Zu Beginn ungewohnt, bedrückend <strong>und</strong> unangenehm, entwickelt sich das Gefühl weiter. Schon<br />
nach wenigen Minuten gewöhnte ich mich an die Umgebung <strong>und</strong> empfand die Eindrücke nicht<br />
mehr als störend. Den Blick zurück in die Documentahalle vermied ich allerdings, da der<br />
Farbkontrast zu den blauen Wänden sehr unangenehm für die Augen war. Im Gegensatz zu vielen<br />
anderen Betrachtern, hatte ich nicht unbedingt das Gefühl, dass hier die Möglichkeit zu hören oder<br />
zu sehen getrübt oder genommen werden soll, sondern viel mehr, dass man sich an so gut wie alles<br />
gewöhnen kann <strong>und</strong> es auch zwangsläufig tut, ob man will oder nicht. Doch so oder so machen wir<br />
uns in diesem Raum Gedanken über die Manipulation durch unsere Medienwelt.<br />
(Lisa Neitzert)<br />
Foto: Katharina Seraphin Zeichnung: Lisa Neitzert
Ines Doujak: Siegesgärten (2007)<br />
Das Werk „Siegesgärten“ von Ines Doujak besticht durch die gelungene Verbindung von origineller<br />
Darstellung mit erschreckenden Informationen über Biopiraterie <strong>und</strong> Genmanipulation. Ein langes,<br />
von weißen Baumästen getragenes Blumenbeet auf dem, neben einigen Pflanzen, 69 aufgestellte<br />
Samenpäckchen präsentiert werden. Die „Äste, auf denen das Beet steht, sind in einem sterilen weiß<br />
gehalten <strong>und</strong> erinnern an Wurzeln. Diese ergaben für uns aus Distanz betrachtet zwar ein<br />
ansprechendes Bild, aber keinen wirklichen Sinn. Erst bei näherer Betrachtung entfalteten die<br />
schockierenden <strong>und</strong> absurden Bilder, verb<strong>und</strong>en mit den wissenschaftlichen Texten, ihre volle<br />
Wirkung. Für uns drückt sich darin das tiefe Eingreifen des Menschen in die Natur aus. Wir fühlten<br />
uns angesprochen, da uns dadurch bewusst wurde, dass wir als Verbraucher vor die Wahl gestellt<br />
werden <strong>und</strong> wenigstens teilweise die Macht haben etwas zu verändern.<br />
(Laura Kopf, Marléen Kett)<br />
Zeichnung: Sina Knebel<br />
Nedko Solakov: Fears (2007)<br />
In einem kleinen Kabinett der Neuen Galerie sehen wir auf drei benachbarten Wänden eine kleine<br />
aber feine Serie gerahmter Tuschezeichnungen. Scheinbar kindlich-naiv nähern sie sich der<br />
Thematik der menschlichen Ängste. Sie spiegeln für mich so viel Humanes wider, wie es nur<br />
wenige Werke tun. Angst ist ein ständiger Begleiter der Menschen. Angst ist in allen Kulturen<br />
gegenwärtig – so wie Liebe Hass <strong>und</strong> Freude: Gefühle, die wahnsinnig persönlich aber doch<br />
allgemein sind.<br />
Mich hat auch deshalb das Werk so fasziniert, weil ich denke, dass Angst in manchen Bereichen<br />
unseres Lebens tabuisiert wird – völlig zu unrecht! Einerseits rennt heute „jeder“ zum Psychologen,<br />
um sich von seinen Ängsten befreien zu lassen, so dass es teilweise schon lächerlich wird (wenn<br />
Clausi Angst vor Clowns hat – muss der dann mit seinen drei Jahren therapiert werden?),<br />
andererseits darf ich nicht über Ängste wie Tod, Aids, Schwangerschaft etc. in der Öffentlichkeit<br />
reden, ohne seltsam beäugt zu werden! Genau durch diese Enttabuisierung alltäglicher, völlig<br />
verständlicher <strong>und</strong> wie gesagt, gr<strong>und</strong>legend menschlicher Ängste, hat mir „Fears“ aus der Seele<br />
gesprochen.<br />
Während ich das Kunstwerk betrachtete, kamen mir viele Dinge in den Sinn, mit denen ich beim<br />
Besuch der Documenta nicht gerechnet hätte, begleitet von den unterschiedlichsten Gefühlen: In<br />
mir wurde eine gewisse Wut ausgelöst, als mir durch Solakov´s Arbeit wieder bewusst wurde, wie<br />
viele Tabus sich über „unangenehme“ Ängste in unserer Gesellschaft gelegt haben. Gleichzeitig<br />
kam so etwas wie Trauer <strong>und</strong> Mitleid auf mit den Menschen, die wirklich Gr<strong>und</strong> zur Angst haben<br />
(Bsp. AIDS) oder Menschen, die durch ihre Ängste ihre Persönlichkeit zu sehr einschränken,
Chancen nicht nutzen, keine Risiken eingehen. Anderseits fühlte ich auch Freude, Freude, dass es<br />
Ängste gibt, die man mit anderen teilen kann, die verbinden (z.B. Angst im Dunkeln oder ähnliches).<br />
Schließlich empfand ich auch Spott, Spott über das Schaffen von Angst, von „Panikmache“,<br />
wie es z.B. durch die Medien geschieht. Und all das durch ein paar einfache Tuschestriche...<br />
(Katharina Seraphin)<br />
Zeichnung: Katharina Seraphin<br />
Durch Zufall stießen wir während unseres R<strong>und</strong>gangs durch die Neue Galerie auf Solakovs 99<br />
Zeichnungen. Zunächst wussten wir nichts damit anzufangen. Doch nach eingehender Betrachtung<br />
konnte sich jeder schon bald mit einer Zeichnung identifizieren <strong>und</strong> sich die Realität jener Ängste<br />
vor Augen führen. Auch stach uns sofort das Erdrückende <strong>und</strong> die Enge des Ausstellungsraumes in<br />
die Augen. Dies wurde auf gravierende Weise von einer Art „zentralperspektivischen Sog“<br />
verstärkt, weswegen die Wände schräg wirkten. So wurde unser erster Eindruck von Enge <strong>und</strong><br />
Furcht noch einmal bestätigt; sodass wir auch unbedingt andere Meinungen hören wollten.<br />
Ein Besucher: „Der Raum ist sehr amüsiert gestaltet <strong>und</strong> die Bilder mit ihren kurzen erklärenden<br />
Texten erzählen uns Anekdoten aus dem täglichen Leben!“<br />
Eine Besucherin: „Ich war sehr neugierig, also begann ich, auch die Texte unter den Zeichnungen<br />
zu lesen. Erst so erkannte ich die hier beschriebenen Ängste.“<br />
(Jessica Traub, Annika Kern, Lena Diefenbach)
Tseng Yu – Chin: Who´s listening? (2003-04)<br />
Fotos: Caroline Sekula<br />
Besonders interessant fanden wir die Videoarbeit, in der einzelne lachende Kinder mit weißem<br />
Yoghurt bespritzt werden, weil sie zunächst sehr lustig auf uns <strong>und</strong> die anderen Betrachter wirkte.<br />
Bei längerem Beobachten <strong>und</strong> Reflektieren wurde uns jedoch eine traurige Botschaft bewusst, so<br />
dass uns das Lachen plötzlich „im Hals stecken blieb“. Eine Anspielung auf Kindesmissbrauch<br />
wurde uns schlagartig deutlich, so dass unsere anfängliche Heiterkeit eher in Bedrücktheit<br />
umschlug. Plötzlich hörten wir neben dem Lachen, auch leise wimmernde Stimmen der Kinder.<br />
Einige Bemerkungen von Besuchern, die wir zu dieser Arbeit mit der Frage: „Wie wirkte dieses<br />
Video auf sie?“ interviewt haben:<br />
„Lustig, musste lachen, weil die Gesichter alle lachen“<br />
„Wie fühlen sich wohl die Kinder? Würde das meinem fünfjährigen Sohn gefallen? Die sexuelle<br />
Anspielung ist zu erkennen, aber die Kinder auf dem Band wurden bestimmt nicht mit diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> konfrontiert.“<br />
„Ich finde es lustig, den Moment zu beobachten, wie die Kinder ihre Anspannung verlieren <strong>und</strong><br />
anfangen darüber zu lachen.“<br />
Zusammengefasst kann man sagen, dass das Video größtenteils positiv aufgefasst <strong>und</strong> keine<br />
sexuellen Anspielungen damit verb<strong>und</strong>en wurden. (Caroline Sekula, Anna-Lena Lutzweiler)<br />
Zeichnung: Caroline Sekula
Auszug aus einem Cadavre Exquis, das bei der Betrachtung des Videos durch die SchülerInnen<br />
entstand:<br />
Mit weißer Flüssigkeit kann man viel Spaß haben<br />
Spaß<br />
Spaß ist ein großer Bestandteil des Films.<br />
Bestandteil<br />
Bestandteil an natürlichem Material ist sowohl Joghurt, als auch Kinder.<br />
Joghurt<br />
Joghurt ist es wahrscheinlich nicht, im übertragenen Sinne.<br />
wahrscheinlich<br />
Wahrscheinlich schmeckt das weiße Zeugs furchtbar.<br />
Zeugs<br />
Zeugs wird verspritzt, soll das lustig sein?<br />
Lustig<br />
Lustig, lustig, lustig, die Kinder lachen?
Imogen Stidworthy: I hate (2007)<br />
Ein schwarzer Halbkreis. Eine stotternde Stimme. Und du stehst mittendrin. Die Stimme kommt<br />
mal von rechts, mal von links, von hinten, von beiden Seiten, vervielfältigt sich, kreuzt sich <strong>und</strong><br />
nimmt dich vollkommen ein. Die männliche Stimme sagt: „And they will built it up again“. Er hat<br />
Schwierigkeiten die Worte richtig zu artikulieren, aber er gibt nicht auf. Du fühlst dich unwohl <strong>und</strong><br />
umzingelt. Du verstehst den Sinn der Worte nicht. Durch die andauernde Wiederholung der Worte<br />
fühlst du dich bedrängt, beunruhigt.<br />
Das Ganze kommt dir geheimnisvoll vor <strong>und</strong> macht dir Angst.<br />
Du willst weg.<br />
Doch hinter dem nächsten Wandschirm lauert die Stimme wieder, diesmal mit dem Gesicht eines<br />
alten Mannes. Du hörst ein zögerliches: „I hate“. Du überlegst. Willst du den Raum fluchtartig<br />
verlassen oder den Vorgang verstehen?<br />
Und dann verstehst du es. Du wirst genau an diesem Wegrennen wollen gepackt: Dass man nicht<br />
den Mut hat, Themen wie Behinderung gegenüber zu treten. Dass sie nicht den Mut haben, sich<br />
ihren Ängsten zu stellen. Dass wir nicht den Mut haben, die Leistung derjenigen anzuerkennen, die<br />
die Probleme angehen. Und dass ich nicht den Mut habe hinzuschauen. Mir persönlich hätte als<br />
Titel „And they will built it up again“ besser gefallen.<br />
(Svenja Kalms)<br />
Zeichnung: Svenja Kalms
Cosima von Bonin: Seasons in the Abyss (2006)<br />
An der Arbeit von Cosima von Bonin beeindruckte mich am meisten die Schlichtheit ihrer Arbeiten.<br />
Als Besucher steht man in der Documentahalle plötzlich vor einem riesigen Stofftier, das die Form<br />
einer Krake hat. Die Materialien sind sehr einfach <strong>und</strong> nicht außergewöhnlich, dennoch besitzen sie<br />
sehr gegensätzliche <strong>und</strong> repräsentative Eigenschaften:<br />
Zum einen das Glas, das künstlich, glatt <strong>und</strong> kalt ist, zum anderen der braune Stoff, der natürlich,<br />
weich <strong>und</strong> einladend wirkt. Die gläsernen Spitzen der Tentakel wirken gegenüber der organischen<br />
Form der Krakenbeine gefährlich <strong>und</strong> störend. Ich sehe die Arbeit als eine Kritik an den vielen<br />
Eingriffen der Menschheit in die Natur. Ich denke , dass auch der Titel „Seasons in the Abyss“ uns<br />
vor einem Leben im Abgr<strong>und</strong> warnen möchte. Das ist, denke ich, auch der Gr<strong>und</strong> warum mich diese<br />
Arbeit so beschäftigt hat, da wir mit unserer derzeitigen Lebensweise unweigerlich auf einen<br />
Abgr<strong>und</strong> zusteuern. (Sebastian Beblawy)<br />
Foto: Sebastian Beblawy<br />
Romuald Hazoumé: Dream (2007)<br />
Auf der Documenta hat mir ganz besonders das Kunstwerk “Dream” von Hazoumé, das sich im<br />
Aue-Pavillon befindet, gefallen. In dieser Arbeit entdecke ich vor allem die Documenta – Leitfrage<br />
„Was tun?“, die mich selbst am meisten beschäftigt hat. Das Boot ist aus Ölkanistern gebaut <strong>und</strong><br />
steht vor einer Stellwand, auf der Palmen, Strand <strong>und</strong> Meer zu sehen sind. Man denkt sofort an die<br />
unzähligen afrikanischen Flüchtlinge, die mit Hilfe der Menschenschlepper nach Europa fliehen<br />
wollen. Dadurch dass das Boot vor der Strandkulisse steht, scheint die Thematik greifbarer <strong>und</strong><br />
näher: Die Flucht aus dem Paradies? Oder führt die Flucht ins ersehnte Paradies? Wo bin ich, als<br />
Europäer, in dieser Szenerie?<br />
Die Kanister erinnern mich an die Vorstädte Frankreichs: Kanister = franz.: bidon, bidonville =<br />
Vorstädte...<br />
Mir gefällt vor allem, dass sich aus der Arbeit immer mehr Fragen ergeben: „Ist es besser<br />
irgendetwas zu tun, anstatt gar nichts? Was, wenn man das Falsche tut, ist dann gar nichts tun<br />
besser?“<br />
(Yvette Nann)<br />
Foto: Yvette Nann
Empfehlung:<br />
Wenn man auf der Documenta sich <strong>und</strong> auch andere dabei beobachtet, auf welche Art <strong>und</strong> Weise die<br />
Werke der Künstler betrachtet werden, so hat man das Gefühl, dass durch den Drang in so kurzer<br />
Zeit alle Werke sehen zu wollen, es fast unmöglich wird, sich eingehend auch nur mit einem Werk<br />
auseinandersetzen zu können. Bei einer Besuchszeit von zwei Tagen sollte man sich also im Klaren<br />
sein, dass man sich auf einzelne Werke beschränken muss <strong>und</strong> nicht jedes Werk „nur ein bisschen“<br />
anschauen sollte. Dadurch könnte sonst auch ein falscher Eindruck entstehen, der so manchen<br />
Besucher bei ernsthaften Themen aus Unverständnis, wie beobachtet, zum Lachen bringen kann.<br />
(Dennis Gnad)<br />
Zeichnung: Carolin Wolf (inspiriert durch Agnes Martin <strong>und</strong> Nasreen Mohamedi)<br />
<strong>Reaktion</strong>en auf Iole de Freitas “Installation”:
<strong>und</strong> noch mehr Fotos: