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Frauenbetriebe von Männern geführt? - Städtisches Klinikum München

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>?<br />

Zur Situation <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> in Führungspositionen in Kliniken<br />

Impulsvortrag zum Workshop<br />

Dr. Andrea Rothe<br />

Stabsstelle Betriebliche Gleichbehandlung<br />

<strong>Städtisches</strong> <strong>Klinikum</strong> <strong>München</strong> GmbH (StKM)<br />

20. Qualitätsforum im <strong>Klinikum</strong> Schwabing<br />

19.11.2010<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 1


Inhalt<br />

1. Einführung 3<br />

2. Die Städtische <strong>Klinikum</strong> <strong>München</strong> GmbH (StKM) 4<br />

3. Frauen und Männer in Führungspositionen in Kliniken und<br />

Krankenhäusern am Beispiel der Ist-Situation in der StKM 4<br />

3.1 Frauen und Männer in Führungspositionen 4<br />

3.2 Frauen und Männer im ärztlichen Bereich 6<br />

3.3 Frauen und Männer in der Pflege 7<br />

3.4 Ergebnisse unterschiedlicher Befragungen 9<br />

4. Instrumente zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen 12<br />

5. Formen des organisationalen Lernens 13<br />

6. Innovationstheorien 15<br />

7. Fazit und Diskussionsansätze 16<br />

7.1 Barrieren und Hindernisse für Frauen auf dem Weg zur Führungsposition 17<br />

7.2 Konsequenzen der mangelnden Teilhabe <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen 19<br />

7.3 Strukturen der Vernetzung 20<br />

8. Kontaktdaten 20<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 2


1. Einführung<br />

In Krankenhäusern und Kliniken arbeiten traditionell wesentlich mehr Frauen als Männer.<br />

Betrachtet man aber ihren Anteil unter den Führungskräften, so sind Frauen dort unterproportional<br />

vertreten und mit steigender Hierarchieebene nimmt ihr Anteil in der Regel weiter<br />

ab. Das bedeutet, dass ihr Einfluss auf strategisch bedeutsame Entscheidungen für das Gesamtunternehmen<br />

vergleichsweise gering ist.<br />

In den nächsten 20 Minuten möchte ich Ihnen als Grundlage für unsere Diskussion Folgendes<br />

vorstellen:<br />

• Die derzeitige Situation <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> in Führungspositionen am Beispiel<br />

der StKM,<br />

• die Instrumente zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, die größtenteils<br />

gut bekannt sind.<br />

• Außerdem möchte ich mit Ihnen zwei Ansätze aus der Wissenschaft ansehen, die sich<br />

damit beschäftigen, wie Neues in Organisationen implementiert wird. Zu diesem Zweck<br />

möchte ich Ihnen<br />

o zum Einen die Theorie über die lernende Organisation vorstellen sowie<br />

o zum Anderen den klassischen Innovationsverlauf, wie ihn die Innovationsforschung<br />

abbildet, darstellen.<br />

• Anschließend möchte ich zusammen mit Ihnen die Frage stellen, warum ausgerechnet<br />

bei dem Thema „gleichberechtigte Teilhabe <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen“ die Fortschritte<br />

in den letzten 30 Jahren so minimal waren. Diskutieren möchte ich:<br />

o die Barrieren, die eine zumindest paritätische Beteiligung <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen<br />

in Krankenhäusern und Kliniken, so erschweren,<br />

o die Konsequenzen, die das Fehlen einer Geschlechterdiversität in den Führungspositionen<br />

in Kliniken hat,<br />

o und schließlich soll es darum gehen, wie wir uns als an der Thematik Interessiert<br />

besser vernetzen können, um ein „Lernen <strong>von</strong> anderen“ und „Lernen am guten<br />

Beispiel“ sowie eine langfristige Vernetzung zu ermöglichen.<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 3


2. Die Städtische <strong>Klinikum</strong> <strong>München</strong> GmbH (StKM)<br />

Die StKM ist der größte Anbieter <strong>von</strong> Gesundheitsleistungen im süddeutschen Raum.<br />

Sie besteht aus vier Akutkliniken der Maximalversorgung in den Stadtteilen Bogenhausen,<br />

Harlaching, Neuperlach und Schwabing sowie einer dermatologischen Fachklinik in der<br />

Thalkirchner Straße. Zudem hat sie vier Eigenbetriebe: die Akademie, den Blutspendedienst,<br />

das Medizet und das Facility Management.<br />

Gesamt arbeiten in der StKM ca. 8.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ohne Beurlaubte),<br />

<strong>von</strong> denen 73% Frauen sind.<br />

3. Frauen und Männer in Führungspositionen in Kliniken und<br />

Krankenhäusern am Beispiel der Situation in der StKM<br />

Die Analyse der derzeitigen Situation und des Verhältnisses <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> in den<br />

unterschiedlichen Bereichen und Hierarchieebenen (Gender-Analyse), gibt Aufschluss über<br />

den Stand der Chancengleichheit und ist eine wesentliche Grundlage für die Konzeption <strong>von</strong><br />

Projekten und Maßnahmen.<br />

Festzuhalten ist, dass die StKM bezüglich der vergleichsweise geringen Beteiligung <strong>von</strong><br />

Frauen in Führungspositionen kein Sonderfall ist und die Verhältnisse in den meisten anderen<br />

Krankenhäusern und Kliniken vergleichbar sind. Die StKM soll hier nur als Beispiel dienen,<br />

da sie über gute Analysedaten zur Situation <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> in Führungspositionen<br />

verfügt.<br />

3.1 Frauen und Männer in Führungspositionen<br />

Wie andere Krankenhäuser und Kliniken auch, ist die StKM mit über 70% ein <strong>von</strong> Frauen<br />

dominierter Betrieb. Es wäre daher zu erwarten, dass Frauen und Männer entsprechend ihren<br />

Anteilen in den Berufsgruppen auch in den Führungspositionen vertreten sind, und damit<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 4


ei allen strategischen Entscheidungen mitwirken können. Die tatsächliche Verteilung <strong>von</strong><br />

Frauen und <strong>Männern</strong> in Führungspositionen zeigt folgende Grafik: 1<br />

Grafik: Frauen und Männer in Führungspositionen in der StKM: 2008 und 2009<br />

im Vergleich<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Frauen und Männer in Führungspositionen - Vergleich 2008 zu 2009<br />

(Stand: Dez. 2008 bzw. Dez. 2009; FE = Führungsebene)<br />

6. FE 5. FE 4. FE 3. FE 2. FE 1. FE<br />

Frauenanteil 2008 66% 29% 22% 21% 22% 0%<br />

Männeranteil 2008 34% 71% 78% 79% 78% 100%<br />

Frauenanteil 2009 69% 29% 29% 21% 22% 0%<br />

Männeranteil 2009 31% 71% 71% 79% 78% 100%<br />

Führungsebenen (FE) im Detail:<br />

6. FE (Nr. 1) = Teamleitungen<br />

(u.a. Stationsleitungen, Teamleitungen im med.-techn. Dienst sowie im Verwaltungsbereich)<br />

5. FE (Nr. 2) = Standortleitungen, im med. Bereich Leitung Teil- oder Funktionsbereich<br />

(u.a. Personalleitungen der Häuser, Oberärzte/-innen)<br />

4 FE (Nr. 3) = Abteilungsleitungen, im med. Bereich Vertretung der Gesamtleitung<br />

(u.a. Pflegedienst- bzw. Bereichsleitungen, Abteilungsleitungen der Verwaltung, leitende Oberärzte/innen,)<br />

3. FE (Nr. 4) = Gesamt- bzw. Bereichsleitungen<br />

(u.a. Chefärztinnen und -ärzte, Pflegedirektorinnen und -direktoren, Bereichsleitung Finanzen, Personal<br />

etc.)<br />

2. FE (Nr. 5) = Klinikdirektorinnen/-direktoren, Betriebsleitungen<br />

1. FE (Nr. 6) = Geschäftsführung<br />

1<br />

Diese nachfolgende Statistik bezieht sich auf die Jahre 2008 und 2009. Im Jahr 2010 sind durch die<br />

Interimsbesetzung auch hoher Positionen mit Frauen Veränderungen aufgetreten.<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 5


Im internationalen Kontext geht man da<strong>von</strong> aus, dass es eine so genannte „kritische Masse“<br />

<strong>von</strong> ca. 30% braucht, ab der Frauen spürbar Einfluss auf die (Unternehmens-)Politik nehmen<br />

können. Mindestens diese kritische Masse gilt es auf allen Hierarchieebenen und in<br />

allen Berufsgruppen zu erreichen.<br />

3.2 Frauen und Männer im ärztlichen Bereich<br />

Der „Run“ der Frauen auf das Medizinstudium ist seit vielen Jahren ungebrochen. Unter den<br />

Studierenden gibt es inzwischen mehr als 60% Frauen und auch unter denen, die die Humanmedizin<br />

erfolgreich abschließen sind etwas mehr als 60% Frauen. Wenn es aber um die<br />

echten Karrieren im Krankenhausbetrieb geht, also um oberärztliche oder gar chefärztliche<br />

Positionen, sinkt der Anteil der Frauen mit steigender Hierarchiestufe immer weiter ab.<br />

In der StKM gab es 2009 1.387 Ärztinnen und Ärzte, da<strong>von</strong> 57,2% Männer und 42,8% Frauen.<br />

Was auf den ersten Blick vergleichsweise paritätisch aussieht, differenziert sich auch hier<br />

stark, wenn nach der Teilhabe <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> in den unterschiedlichen Hierarchieebenen<br />

differenziert wird:<br />

Grafik 3: Verteilung der Ärztinnen und Ärzte in der StKM und der Humanmedizin<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

Ärztinnen und Ärzte in der StKM und in der Humanmedizin<br />

(Datenquelle: StKM 08/09 und Stat. Bundesamt 06/08)<br />

0%<br />

Studierende<br />

(allgemein)<br />

Studienabschlüsse<br />

(bundesweit)<br />

Promotionen<br />

(allgemein)<br />

AÄ<br />

StKM<br />

FÄ<br />

StKM<br />

OÄ<br />

StKM<br />

Habilitationen<br />

allg.<br />

Ltd. OÄ<br />

StKM<br />

CÄ<br />

StKM<br />

Frauenanteil 2008 63% 53% 55% 44% 25% 21% 13% 10%<br />

Männeranteil 2008 37% 48% 45% 56% 75% 79% 87% 90%<br />

Frauenanteil 2009 63% 60% 53% 54% 44% 24% 22% 13% 12%<br />

Männeranteil 2009 37% 40% 47% 46% 56% 76% 78% 87% 88%<br />

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 6


Das in der Grafik dargestellt Phänomen, das zeigt, wie Frauen im Karriereverlauf verloren<br />

gehen, wird in der wissenschaftlichen Literatur als „leaky pipeline“ oder als „Geschlechterschere“<br />

bezeichnet. Als Kennzahl zur Berechnung der Chancen <strong>von</strong> Frauen im Vergleich zu<br />

den Chancen <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> in eine Führungsposition zu gelangen (sei es innerhalb einer<br />

Organisation, eines Bereiches oder einer Berufsgruppe), wird im europäischen Kontext der<br />

„Glasdecken-Index“ (Glass Ceiling Index GCI) verwendet. Er wird nach der Formel berechnet:<br />

P<br />

GCI = ---------<br />

Pa<br />

P = Anteil der Frauen in der Grundgesamtheit<br />

Pa = Anteil der Frauen in der jeweiligen Hierarchieebene für die der GCI errechnet werden<br />

soll. 2<br />

3.3 Frauen und Männer in der Pflege<br />

Erwartungsgemäß arbeiten nach wie vor erheblich mehr Frauen als Männer in der Pflege. In<br />

der StKM betrug das Verhältnis 2009 85,7% Frauen zu 14,3% <strong>Männern</strong>. Betrachtet man die<br />

Situation nach Geschlecht und Hierarchie, zeigt sich, dass auf den Ebenen Stations- und<br />

Bereichsleitung mit einem Frauenanteil <strong>von</strong> 80,5% bzw. 86,5% der Gesamtanteil der Frauen<br />

in der Pflege gut repräsentiert ist. Bei den vergleichsweise gut eingewerteten Matrixstellen<br />

(siehe Positionen 8 bis einschließlich 11) ist der Anteil der Männer mit 50% bis 60% überproportional<br />

hoch (Ausnahme: Prozessmanagement mit „nur“ 30%).<br />

Auch die Leitung Pflege- und Servicemanagement (LPSM; vergleichbar mit der Position der<br />

Pflegedirektorin bzw. des Pflegedirektors) liegt in zwei <strong>von</strong> fünf Häusern bei <strong>Männern</strong>, so<br />

dass es auch hier zu einer Verteilung <strong>von</strong> 40% <strong>Männern</strong> zu 60% Frauen kommt. Und dies<br />

trotz der Tatsache, dass es in der Pflege – im Gegensatz zu den Verhältnissen bei den Ärztinnen<br />

und Ärzten – eklatant an qualifiziertem männlichen Nachwuchs fehlt (siehe nachfolgende<br />

Grafik).<br />

2<br />

Bei der Berechnung des Glassdecken-Indexes (GDI) wird also das Geschlechterverhältnis in der<br />

Grundgesamtheit in Relation gesetzt zum Geschlechterverhältnis auf der jeweiligen Hierarchieebene:<br />

http://ec.europa.eu/research/science-society/pdf/she_figures_2006_en.pdf Seite 52 (26.11.2010)<br />

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 7


Grafik: Verteilung der weiblichen und männlichen Pflegekräfte in der StKM nach<br />

Hierarchiestufe<br />

Prozent<br />

Verteilung der weiblichen und männlichen Pflegekräfte in der StKM<br />

nach Hierarchiestufe (Stichtag 25.08.2010)<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

Frauen 91,1 84,3 86,6 100 90 80,5 86,5 50 66 50 40 60<br />

Männer 8,9 15,7 13,4 0 10 19,5 13,5 50 33 50 60 40<br />

Erläuterung der Grafik zur Pflege:<br />

1 = Schülerinnen und Schüler der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Krankenpflegehilfe<br />

2 = Gesundheits- und Krankenpflegehelferinnen und -helfer und Stationsassistenz<br />

3 = (Kinder-) Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger sowie Altenpflegerinnen und -<br />

pfleger und Hebammen<br />

4 = Casemanagement<br />

5 = Stellvertretende Stationsleitungen<br />

6 = Stationsleitungen<br />

7 = Bereichs- bzw. Pflegedienstleitung (PDL)<br />

8 = Servicemanagement (sog. Matrixstelle)<br />

9 = Prozessmanagement (sog. Matrixstelle)<br />

10 = Belegungsmanagement (sog. Matrixstelle)<br />

11 = Personalkoordination (sog. Matrixstelle)<br />

12 = Leitung Pflege- und Servicemanagement (Pflegedirektion)<br />

Diese Auswertung und der Vergleich zwischen der Situation in der Pflege und im ärztlichen<br />

Bereich zeigen, dass das Vordringen <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen keine quasi automatische<br />

demografische Entwicklung ist. Auch widerlegt die Situation in der Pflege die These,<br />

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 8


dass, wenn es nur einen genügend großen Anteil <strong>von</strong> Frauen unter dem qualifizierten Nachwuchs<br />

gäbe, diese unweigerlich in die Führungspositionen „hinein wachsen“ würden. Inzwischen<br />

hat sich die Erkenntnis weitgehend durchgesetzt, dass das Vorhandensein einer großen<br />

Anzahl qualifizierter Frauen auf den unteren Hierarchieebenen allein keine hinreichende<br />

Voraussetzung für eine höhere Beteiligung <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen ist. Die Situation<br />

in der Pflege zeigt, dass es nicht einmal eine notwendige Voraussetzung ist, dass das in<br />

der Führung unterrepräsentierte Geschlecht unter dem Nachwuchs in hoher Zahl vorhanden<br />

ist. Denn in der Pflege reicht bereits ein kleiner Anteil Männer in den unteren Ebenen aus,<br />

um trotzdem eine hohe Beteiligung ihrer Geschlechtsgruppe in den Führungspositionen zu<br />

erreichen.<br />

3.4 Ergebnisse unterschiedlicher Befragungen<br />

2009 wurde erstmal die Mitarbeiterbefragung auch hinsichtlich der Frage ausgewertet, ob<br />

es Unterschiede in den Antworten <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> im Pflege- und Servicebereich<br />

sowie im ärztlichen Dienst gibt. Die Auswertung zeigte, dass nicht zu allen, aber zu einigen<br />

wichtigen Fragestellungen markant unterschiedliche geschlechts- und berufsgruppenspezifische<br />

Einschätzungen vorliegen.<br />

Auffälligkeiten gab es z.B. beim Thema Führungsverhalten und Führungskompetenz.<br />

Hier zeigte sich u. a., dass die fachliche Kompetenz der Führungskräfte sowohl im ärztlichen<br />

als auch im pflegerischen Bereich mit 80% bis 90% mit gut und sehr gut bewertet wird. Anders<br />

ist die Einschätzung der sozialen Kompetenz der Führungskräfte. Diese wird in beiden<br />

Berufsgruppen schlechter bewertet und ist sowohl geschlechtsspezifisch als auch nach Berufsgruppen<br />

unterschiedlich. Immerhin 70% der weiblichen Pflegekräfte beurteilen die soziale<br />

Kompetenz ihrer Vorgesetzten als sehr gut oder gut, aber nur 60,3% der Pfleger. Im ärztlichen<br />

Bereich liegt die Einschätzung ähnlich niedrig, unterscheidet sich aber mit 60,8% bei<br />

den Ärzten und 59,3% bei den Ärztinnen geschlechtsspezifisch nicht so auffallend wie in der<br />

Pflege.<br />

Auch im Bereich der sozialen Fürsorge gab es Auffälligkeiten. Das betraf die Themen Gesundheitsschutz<br />

am Arbeitsplatz und die Fragen nach der Vereinbarkeit <strong>von</strong> Arbeit und Privatleben.<br />

Erwartungsgemäß antwortete der ärztliche Dienst mit wenig Zufriedenheit über die<br />

Möglichkeiten der Vereinbarkeit. Lediglich 42,3% der Ärztinnen und nur 40,3% der Ärzte sind<br />

mit der Vereinbarkeit <strong>von</strong> Arbeit und Privatleben zufrieden oder sehr zufrieden. In der Pflege<br />

ist die Einschätzung insgesamt besser, allerdings sind hier die Unterschiede zwischen Frauen<br />

und <strong>Männern</strong> noch größer – hinsichtlich der Unzufriedenheit der Männer! Während 64%<br />

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 9


der weiblichen Pflegekräfte mit der Vereinbarkeit zufrieden oder sehr zufrieden sind, sind es<br />

bei den Pflegern nur 52,3%. Das heißt, Männer beider Berufsgruppen sind mit den Möglichkeiten<br />

der Vereinbarkeit <strong>von</strong> Arbeit und Privatleben tendenziell unzufriedener als ihre Kolleginnen.<br />

Hinsichtlich des Themenblocks Benachteilungen, Belästigung und Aggressionen am<br />

Arbeitsplatz zeigte die Befragung, dass Ärzte <strong>von</strong> diesen Themen am wenigstens betroffen<br />

sind. Unter den Pflegenden fühlen sich ca. 11 % der Frauen und Männer und unter den Ärztinnen<br />

sogar 18 % auf die eine oder andere Art aufgrund eines AGG-Merkmales 3 benachteiligt.<br />

Da in dieser Frage gleichzeitig nach acht Merkmalen gefragt wurde, ist es schwierig,<br />

konkrete Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen entwickeln zu können.<br />

Speziell für die Karriereförderung <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> relevant waren die geschlechtsunterschiedlichen<br />

Antworten auf die Frage nach dem Vertrauen in die langfristige Sicherheit<br />

des Arbeitsplatzes in der StKM. Im Pflege- und Servicebereich halten 55 % der Frauen<br />

und 57 % der Männer ihren Arbeitsplatz für langfristig gesichert. Bei den Ärzten sind es mit<br />

58 % ähnlich viele Männer. Sehr niedrig ist dagegen mit 44,3 % der Prozentsatz der Ärztinnen,<br />

die da<strong>von</strong> überzeugt sind, dass ihr Arbeitsplatz langfristig sicher ist. Das bestätigt den<br />

statistischen Trend, dass es nach wie vor schlecht gelingt, Ärztinnen nach der fachärztlichen<br />

Ausbildung in den Kliniken zu halten und in ihrer Karriere zu befördern.<br />

Insgesamt zeigt die Auswertung, dass Ärztinnen diejenigen zu sein scheinen, die viele Aspekte<br />

ihres Arbeitsumfeldes kritisch sehen. Für diese Gruppe gilt, dass sie statistisch bisher<br />

in Führungspositionen weniger vertreten sind und sie deshalb wenig in Entscheidungen über<br />

die zukünftige inhaltliche und betriebliche Ausgestaltung des Unternehmens einbezogen<br />

sind. Hier sind, auch im Hinblick auf den drohenden Ärztinnen- und Ärztemangel, ergänzende<br />

Untersuchungen sowie gezielte Maßnahmen sinnvoll. 4<br />

Dieses Ergebnis bestätigt sich auch in qualitativen Einzelinterviews mit zehn Ärztinnen<br />

und Ärzten im Jahr 2010 zu Karriereplanung und -aussichten und der Einschätzung der Vereinbarkeit<br />

des ärztlichen Berufs mit dem Familienleben. Die befragten jüngeren Ärztinnen<br />

3<br />

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG verbietet Benachteiligung und Belästigung aufgrund<br />

des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Alters, der sexuellen Identität oder der<br />

Religion oder Weltanschauung.<br />

4<br />

Die zweite Gruppe, die die eigene Situation kritisch sieht, sind die männlichen Pflegekräfte. Sie sind<br />

bisher in ihrer Berufsgruppe deutlich unterrepräsentiert, in den pflegerischen Führungspositionen allerdings<br />

verhältnismäßig sehr gut vertreten. In Anbetracht des Mangels an Pflegekräften sollten Konzepte<br />

entwickelt werden, die es ermöglichen, mehr männliche Pflegekräfte zu akquirieren und die<br />

vorhandenen besser zu motivieren.<br />

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 10


waren an einer Karriere im Krankenhaus interessiert, waren aber nicht mehr bereit, zugunsten<br />

der Karriere auf Kinder, oder zugunsten der Kinder auf eine Karriere zu verzichten. Und<br />

auch die jüngeren Ärzte forderten mehr Zeit für ein Leben mit der Familie. Ärztinnen und Ärzte<br />

wollen, so könnte man die Ergebnisse zusammenfassen, für ihre Leistung bei der Versorgung<br />

der Patientinnen und Patienten anerkannt werden, und verstehen nicht, warum Qualität<br />

oft noch über die Quantität der Zeit gemessen wird, die sie anwesenden sind.<br />

Zitat einer Ärztin in der fachärztlichen Ausbildung:<br />

„Dadurch dass ich jetzt Teilzeit arbeite, ist es eben schwieriger in bestimmte Funktionen zu<br />

kommen. Da wollen die Oberärzte eben hauptsächlich Vollzeitkräfte haben. Insofern ist die<br />

Rotation schwierig. Deshalb werde ich jetzt in Teilzeit primär meinen Facharzt fertig machen.<br />

Danach werde ich eher nicht versuchen hier weiterzukommen, sondern mich irgendwo niederlassen,<br />

denn ich möchte weiterhin in Teilzeit arbeiten und ich denke, das kann man hier<br />

nicht unbedingt vereinbaren mit einer höheren Position.“<br />

Ein Arzt in fachärztlicher Ausbildung meint, er wisse nicht, ob er bleiben will,<br />

„weil man vielleicht irgendwann genug hat <strong>von</strong> der Klinik und den ständigen Hierarchien und,<br />

dass einer einem sagt, wie Medizin funktioniert. Den einen nervt das früher, den anderen<br />

später.“ Wegen seiner zwei noch nicht schulpflichtigen Kinder wünscht er sich eine bessere<br />

Vereinbarkeit, „aber das will ein Vorgesetzter nicht, weil ihm dann seine Mitarbeiter aus den<br />

Händen geraten und aus der Kontrolle. Das ist klar, dass man maximale Verfügbarkeit sucht<br />

als Vorgesetzter. Das kann ich verstehen, aber zur Mitarbeiterzufriedenheit wäre es sicher<br />

interessanter, sich die Arbeit zu teilen. Wir sprechen jetzt nur <strong>von</strong> der beruflichen Seite, aber<br />

auch zu Hause wäre es ein Traum, wenn ich mich mehr einbringen könnte.“<br />

Und ein Oberarzt sagt: „Wenn man will, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen,<br />

müsste man überlegen, dass Frauen dem Beruf nachgehen und die Männer sich um die<br />

Familie kümmern. Oder man müsste dann für beide, für die Männer und die Frauen, es so<br />

gestalten, dass sie insgesamt mit weniger auskämen.“<br />

Ein wichtiger Aspekt, der hier angesprochen wird, ist, dass Organisationen lernen müssen,<br />

mit veränderten Anforderungen ihrer Mitarbeitenden umzugehen, worauf weiter unten noch<br />

eingegangen wird.<br />

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 11


4. Instrumente zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungs-<br />

positionen<br />

Die Instrumente, die den Anteil <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen erhöhen können, sind<br />

längst bekannt und viele da<strong>von</strong> sind im September 2010 auf europäischer Ebene in der sogenannten<br />

„Strategie für die Gleichstellung <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> 2010-2015“ nochmals<br />

in einer eigenen Charta festgeschrieben worden. 5 Hierzu zählen:<br />

• ein kontinuierliches gleichstellungsorientiertes Berichtswesen (Gender Controlling),<br />

• die Fortsetzung der Umsetzung der Strategie Gender Mainstreaming, die unter anderem<br />

die unbedingte Unterstützung aller Gleichstellungsbemühungen durch die oberste Hierarchieebene<br />

fordert,<br />

• die Einrichtung <strong>von</strong> Stellen für Expertinnen und Experten zu Fragen der Gleichstellung in<br />

jeder Organisation sowie<br />

• Maßnahmen zur Sensibilisierung für das Thema durch Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen<br />

etc.<br />

Zudem verweist die Charta darauf, dass neben personellen Ressourcen auch finanzielle<br />

Ressourcen notwendig sind, um Chancengleichheit erfolgreich voran zu treiben.<br />

Andere bekannte Instrumente sind u.a.:<br />

• Mentoring-Programme und Coachings für Frauen,<br />

• Vorgaben bei Bewerbungsverfahren, einen bestimmten Prozentsatz Bewerberinnen einzuladen,<br />

• eine bindende Quote für den Anteil <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen bzw. auf den unterschiedlichen<br />

Führungsebenen,<br />

• innovative Arbeitszeitmodelle,<br />

• monetäre Incentives (finanzielle Anreize, Zielvorgaben, die an Gelder gekoppelt sind etc.)<br />

sowie<br />

• flankierende familienfreundliche Maßnahmen.<br />

All diese Maßnahmen sind seit vielen Jahren bekannt, werden auch zum Teil schon umgesetzt.<br />

Dennoch zeigen die statistischen Daten, dass die Erfolge bezüglich der Erhöhung des<br />

5<br />

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschaftsund<br />

Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Brüssel. 21.9.2010:<br />

http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=89&newsId=890&furtherNews=yes (09.11.2010)<br />

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<strong>Frauenbetriebe</strong> <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>geführt</strong>? Dr. Andrea Rothe 12


Frauenanteils in Führungspositionen nur sehr schleppend voran geht – und das auch in Kliniken<br />

und Krankenhäusern, wo der Anteil der Frauen unter den Beschäftigten besonders<br />

hoch ist.<br />

5. Formen des organisationalen Lernens<br />

Wenn wir wissen wollen, warum es so mühsam ist, eine Geschlechterdiversität in Führungspositionen<br />

umzusetzen, ist zu fragen, wie Organisationen überhaupt vorgehen, wenn es darum<br />

geht, sich neuen Herausforderungen und Anforderungen zu stellen. Ein Ansatz ist, dass<br />

Neuerungen <strong>von</strong> Organisationen gelernt werden müssen, dass also Lernen nicht nur auf der<br />

Mikroebene der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattfindet, sondern die ganze<br />

Organisation lernen muss. Man spricht deshalb auch <strong>von</strong> der lernende Organisation. Wie<br />

lernt eine Organisation?<br />

Nach Argyris und Schön 6 gibt es in Organisationen folgende Stufen des Lernens:<br />

Einfaches Lernen – Modell des defensiven Verhaltens und Einschleifenlernens<br />

Der Prozess des Lernens lässt sich bei dieser Form mit einfachen Worten wie folgt beschreiben:<br />

Es gibt neue Bestimmungen/Vorgaben. Die Mitarbeitenden halten sich mehr oder weniger<br />

genau daran und verändern ihr Handeln – wenn es sich nicht vermeiden lässt. Es wird<br />

aber nicht reflektiert, warum es die neuen Vorgaben gibt, ob also ggf. vorher in der Organisation<br />

gelebt Werte unrichtig, ineffizient, gesetzeswidrig etc. waren.<br />

Doppeltes Lernen - Modell der Offenheit und Selbstreflexion<br />

Der Prozess des Lernens lässt sich bei dieser Form wie folgt beschreiben. Es gibt neue Bestimmungen/Vorgaben.<br />

Die Mitarbeitenden halten sich mehr oder weniger genau daran und<br />

verändern ihr Handeln. In diesem Fall ist die Motivation das eigene Handeln zu verändern<br />

aber nicht nur die neue Vorgabe, sondern es findet eine Reflexion über die Ursachen und<br />

Gründe für die neuen Regeln statt. Das heißt, der Sinn der neuen Regeln wird verstanden<br />

und akzeptiert. Diese Veränderung des Handels durch Reflexion ermöglicht ein Lernen der<br />

Organisation.<br />

6<br />

Chris Argyris, Donald A. Schön: Die lernende Organisation, 3. Auflage, Klett-Cotta 2008<br />

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Lernen lernen – als ergänzende Sonderform<br />

Argyris und Schön differenzieren die zweite Stufe des Lernens nochmals und sprechen vom<br />

Doppelschleifenlernen. Damit ist gemeint, dass eine Organisation sich verändert, wie oben<br />

beschreiben, weil es neuen Vorgaben gibt, die verstanden werden, weswegen sich das Verhalten<br />

der Einzelnen, und damit der Organisation bezüglich dieses Punktes verändert. In<br />

einem weiteren Schritt kann dieses Verstehen dazu führen, dass die Beschäftigten selbständig<br />

weiter reflektieren, welche anderen Vorgaben oder Verhaltensmuster in der Organisation<br />

außerdem geändert werden müssten, und dass sie diese in der Folge auch ändern. Das<br />

heißt eine lernende Organisation kann nicht nur alte Verhaltensweisen aufgeben, sondern<br />

das ganze Wertesystem ändern und so zu neuen Handlungsstrukturen gelangen.<br />

Hier ist der idealtypische Verlauf des Lernens in Organisationen dargestellt, der als Leitbild<br />

genutzt werden kann, um deutlich zu machen, worum es bei der Implementierung <strong>von</strong> neuen<br />

Herausforderungen oder Werten in der Organisation gehen muss.<br />

Organisationales Lernen und Chancengleichheit für Frauen und Männer<br />

Betrachten wir den Aspekt Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit in Organisationen,<br />

können wir feststellen, dass es in den letzten 30 Jahren gelungen ist, neue Vorgaben zu<br />

formulieren. Für alle Einrichtungen des öffentlichen Dienstes wurden z.B. Gleichstellungsgesetze<br />

verabschiedet und für die Privatwirtschaft wurde mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />

(AGG) <strong>von</strong> 2006 ein Anfang gemacht. Auch besteht weitgehend gesellschaftlicher<br />

Konsens, dass offen frauendiskriminierende Vorgaben oder Verhaltensweisen unerwünscht<br />

sind.<br />

Der Blick in die Statistiken der Organisationen zeigt jedoch, dass ein Doppeltes Lernen, also<br />

ein Lernen auf Grundlage <strong>von</strong> Selbstreflexion und Einsicht, bisher offensichtlich zum Thema<br />

durchgehende Chancengleichheit für Frauen und Männer nicht erfolgt ist. Wenn überhaupt,<br />

fand im Wesentlichen ein einfaches Lernen statt. Das heißt, einige Prozesse und Routinen<br />

wurden den neuen Vorgaben angepasst, haben aber die grundsätzliche Orientierung, die<br />

Kultur bzw. die Werte der Organisationen in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit kaum verändert.<br />

Welche Barrieren und Widerstände dafür verantwortlich sind, möchte ich nachher mit<br />

Ihnen diskutieren.<br />

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6. Innovationstheorien<br />

Vorher möchte ich Ihnen noch einen anderen Ansatz bezüglich der Frage vorstellen, wie<br />

Neuerungen bzw. Innovationen in Organisation implementiert werden. Der Wissenschaftsbereich,<br />

der sich damit beschäftigt, ist die Innovationsforschung.<br />

Folgt man einem der namhaften Innovationsforscher, Wolfgang Zapf, kann die Forderung<br />

nach Chancengleichheit für Frauen und Männer bzw. nach Einführung der Strategie Gender<br />

Mainstreaming als soziale Innovationen bezeichnet werden. Ihm zufolge definiert sich soziale<br />

Innovation wie folgt:<br />

„Soziale Innovationen sind neue Wege, Ziele zu erreichen, insbesondere neue Organisationsformen,<br />

neue Regulierungen, neue Lebensstile, die die Richtung des sozialen Wandels<br />

verändern, Probleme besser lösen als frühere Praktiken, und die deshalb wert sind, nachgeahmt<br />

und institutionalisiert zu werden.“ (Zapf 1994: 33)<br />

Der klassische Innovationsprozesses<br />

Wie funktioniert der Innovationsprozess in Organisationen? Das klassische und idealtypische<br />

Modell geht da<strong>von</strong> aus, dass der Innovationsprozess nach linearen zeitlich aufeinander folgenden,<br />

eindeutig definierten und <strong>von</strong>einander abgrenzbaren Phase und Einheiten verläuft. 7<br />

In der Realität ist dieser Verlauf nicht immer so linear und eindeutig.<br />

Entdeckung/<br />

Invention<br />

Erfindung/<br />

Innovation<br />

Verbreitung/<br />

Diffusion<br />

Die Phase der Entdeckung/Invention wird in der Regel durch die Forschung geprägt. Die<br />

Einführung der Frauen- und Geschlechterforschung an den Hochschulen und die wissenschaftliche<br />

Analyse fast aller gesellschaftlichen Bereiche hinsichtlich ihrer Geschlechterrelevanz,<br />

kann als die Phase der Entdeckung/Invention bezeichnet werden.<br />

In der Phase der Erfindung bzw. Innovation wird die Endeckung für die Anwendung in der<br />

Praxis vorbereitet und angepasst. Bezüglich Chancengleichheit kann das heißen, dass Konzepte<br />

erarbeitet werden, wie sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die gleichstellungs-<br />

7<br />

Vgl. u.a. nach Werner Rammert S. 161 ff übernommen <strong>von</strong> Wolfgang Burr 2003, Baur-Thürmann<br />

2004, S. 36ff<br />

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politische Praxis übersetzen lassen. Beispiele sind Gleichstellungsgesetze, Einführung der<br />

Strategie Gender Mainstreaming etc.<br />

Als Ende des Innovationsprozesses wird die Phase der Diffusion bzw. die Verbreitung<br />

gesehen. In dieser Phase entscheidet sich, ob eine Innovation <strong>von</strong> den Nutzerinnen und<br />

Nutzern, also in unserem Fall den Organisationen, angenommen wird. In dieser Phase wird<br />

die Innovation institutionalisiert und ist dann also auch keine Innovation mehr.<br />

Chancengleichheit für Frauen und Männer als Innovation<br />

Bezüglich des Themas Chancengleichheit hat man in Deutschland oft den Eindruck, man<br />

kann sich weder auf der politischen, noch auf der betrieblichen Ebene entscheiden, ob diese<br />

soziale Innovation nun durchgesetzt werden soll oder nicht.<br />

Was die Entdeckung/Invention angeht, also die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit<br />

dem Thema, hat die Wissenschaft inzwischen umfangreiche Erkenntnisse gewonnen, die<br />

zeigen, dass die Beteiligung <strong>von</strong> Frauen in allen Führungsebenen Vorteile für die Arbeitszufriedenheit,<br />

aber auch für die Arbeitsergebnisse bringt. So zeigt die junge Disziplin der Gender-Medizin,<br />

die bisher noch weitgehend <strong>von</strong> Medizinerinnen betrieben wird, Wege auf, die<br />

Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern.<br />

Auch die Erfindungen bzw. Innovationen, die <strong>von</strong> den Entdeckungen für die gleichstellungspolitische<br />

Praxis abgeleitet werden, sind inzwischen zahlreich und gut. Nur die durchgängige<br />

Diffusion bzw. die Verbreitung in alle Bereiche und Ebenen erweist sich als sehr zäh.<br />

7. Fazit und Diskussion<br />

Damit möchte ich die Frage <strong>von</strong> oben wieder aufgreifen: Warum gelingt die letzte Phase des<br />

Innovationsprozesses beim Thema „paritätische Teilhabe <strong>von</strong> Frauen und <strong>Männern</strong> in Führungspositionen“<br />

so schlecht, bzw. warum tun sich die Organisationen bei diesem Thema so<br />

schwer, durch Einsicht zu lernen?<br />

Gerne möchte ich nun mit Ihnen folgende Aspekte diskutieren:<br />

• Welche Barrieren machen es Frauen insgesamt und Frauen in Krankenhäusern und<br />

Kliniken im Speziellen, so schwer, in Führungspositionen zu gelangen?<br />

• Welche Konsequenzen hat das?<br />

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• Und welche Strukturen könnten wir als Interessierte und Engagierte in dem Thema für<br />

eine langfristige Vernetzung aufbauen?<br />

7.1 Barrieren und Hindernisse für Frauen auf dem Weg zur Führungsposition<br />

Wie lässt sich erklären, dass wir nach wie vor so wenige Frauen in Führungspositionen haben,<br />

selbst in Betrieben wie Kliniken und Krankenhäusern, in denen ganz mehrheitlich Frauen<br />

tätig sind?<br />

Von betrieblicher Seite möchte ich zum Beispiel folgende Barrieren benennen:<br />

• Homosoziale Reproduktion der Verhältnisse bei der Personalauswahl,<br />

• Führungskulturen sind immer noch sehr männlich geprägt, was Frauen oft ausschließt.<br />

• Auch Führungsstile sind noch stark durch männliche Rollenmuster geprägt und lassen<br />

individuellen Abweichungen wenig Raum, was Frauen oft verunsichert.<br />

• Die gerechte Teilhabe <strong>von</strong> Frauen in Führungsstrukturen bedeutet immer auch eine Verschiebung<br />

tradierter männlicher Machtverhältnisse.<br />

• Frauen fehlen vielfach die Netzwerke mit und zu anderen Frauen in mächtigen Positionen,<br />

schon allein deshalb, weil es bisher nur wenige Frauen mit entsprechendem Einfluss<br />

gibt. Die meisten Männer in Führungspositionen dürften dagegen in sogenannte<br />

„Old boys networks“ eingebunden sein.<br />

• Qualität in der Führung wird oft noch quantitativ über lange Arbeits-/Anwesenheitszeiten<br />

definiert, was Frauen eher abschreckt als Männer, weil dieser Anspruch den Wünschen<br />

und der Notwendigkeit vieler Frauen nach einer guten Work-Life-Balance entgegen steht.<br />

Auch <strong>von</strong> gesellschaftlicher Seite gibt es für Frauen Barrieren, die speziell in Deutschland<br />

stärker sind als in anderen Ländern: Es existiert immer noch das Bild der „Rabenmutter“,<br />

was viele Mütter mit kleinen Kindern in ethische Konflikte bringt, wenn sie ihre Karriereambitionen<br />

weiter verfolgen wollen. Dem entspricht ein überhöhtes Ideal der Frau als Mutter, das<br />

den Rückzug <strong>von</strong> Frauen auf die reine Mutterrolle gesellschaftlich sanktioniert und akzeptiert.<br />

Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, merkte auf einer<br />

Veranstaltung im HypoVereinsbank Forum am 08.11.2010 an, die im internationalen Vergleich<br />

in Deutschland vergleichsweise niedrige Partizipation <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen<br />

sei wohl auch eine Spätfolge des in der Nazizeit verklärten „deutschen Mutterideals“.<br />

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Weitere Barrieren wurden <strong>von</strong> den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops<br />

benannt (Auswahl):<br />

• Besonders in der Pflege bietet die Übernahme <strong>von</strong> Führungspositionen kaum finanzielle<br />

Anreize.<br />

• Vielen Frauen ist der Machtzuwachs alleine nicht Anreiz genug, eine Führungsposition zu<br />

übernehmen (finanzielle Anreize und die Möglichkeit einer guten Work-Life-Balance sind<br />

vielen Frauen ebenfalls wichtig).<br />

• Es bewerben sich zu wenig Frauen auf Führungspositionen.<br />

• Trotz hoher Qualifikation fehlt Frauen öfter das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein,<br />

sich auf Führungspositionen zu bewerben, sie überschätzen eher die Leistungsanforderungen<br />

einer Position und unterschätzen eher ihr eigenes Potenzial.<br />

• Frauen brauchen deshalb mehr Ansporn und Aufforderung, sich auf eine Führungsposition<br />

zu bewerben, sie erfahren aber immer noch zu wenig diesbezügliche Förderung.<br />

• Frauen müssen tatsächlich oft besser sein als ihre männlichen Mitbewerber, um die gleichen<br />

Chancen zu haben.<br />

• Wegen mangelnder Vorbilder fehlt Frauen trotz hoher Qualifikation manchmal das<br />

Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein, sich auf Führungspositionen zu bewerben.<br />

• Frauen in Führungspositionen erhalten weniger Anerkennung als männliche Kollegen in<br />

vergleichbarer Position und zwar sowohl durch Männer als auch durch Frauen.<br />

• Führungspositionen haben immer noch den Ruf, dass sie nicht in Teilzeit erledigt werden<br />

könnten, geteilte Führung also nur „zweite Wahl“ sei.<br />

• Männer in der Pflege könnten eine höhere Motivation zur Erlangung einer Führungsposition<br />

haben, da sie oft noch das tradierte Rollenkonzept des „Alleinernährers“ habe und<br />

eine Familie mit dem Einkommen einer „normalen“ Pflegekraft nur schwer zu finanzieren<br />

ist.<br />

• Flankierende Strukturen für eine zuverlässige, flexible und den Arbeitszeiten im Krankenhaus<br />

angepasste Kinderbetreuung sind noch nicht ausreichend vorhanden.<br />

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7.2 Konsequenzen der mangelnden Teilhabe <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen<br />

(Auswahl):<br />

Welche Konsequenzen hat die mangelnde Teilhabe <strong>von</strong> Frauen in Führungspositionen?<br />

Innovationsfähigkeit wird durch mangelnde Vielfalt behindert. Studien zeigen einerseits,<br />

dass Routinen in geschlechtshomogenen Gruppen manchmal besser laufen, als in heterogenen<br />

Gruppen. Andererseits können geschlechtsheterogene Gruppen besser auf Veränderungen<br />

reagieren, sind also innovationsfähiger als geschlechtshomogene Gruppen. Besonders<br />

Krankenhäuser müssen innovativ sein, um sich auf dem immer härter umkämpften Gesundheitsmarkt<br />

zu behaupten. Geschlechtsheterogene Führungsgruppen könnten demzufolge<br />

auch ökonomische Vorteile bieten.<br />

(Un)zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Wie weiter oben am Beispiel der Ärztinnen<br />

gezeigt wurde, fühlen sich viele hochqualifizierte Frauen wenig wertgeschätzt und verlassen<br />

die Kliniken, um in Unternehmen zu gehen oder sich als Ärztinnen niederzulassen<br />

oder in die Pharmaindustrie zu wechseln etc., weil und wenn sich die Arbeitsbedingungen für<br />

sie dort besser darstellen. Die Folge ist, dass Krankenhäuser vielfach nicht aus dem Pool der<br />

Besten wählen, sondern aus der Gruppe derer, welche die oft schlechten Arbeitsbedingungen<br />

hinnehmen. Das schließt sehr viele Frauen aus, zunehmend aber auch Männer, die<br />

Verantwortung für die Familienarbeit übernehmen wollen. 8<br />

Gender-medizinische Ansätze können sich kaum durchsetzen. Obwohl inzwischen zahlreiche<br />

Beispiele bekannt sind, die zeigen, dass eine geschlechtsdifferenzierte Medizin die medizinischen<br />

Erfolge verbessert, finden sie bisher in der Krankhausroutine kaum Eingang. Es<br />

mangelt noch an (klinischer) Forschung, für die Gelder zur Verfügung gestellt werden müssten.<br />

Der Anteil der Frauen auf chefärztlichen Positionen oder unter den C4/W3-Professuren<br />

in der Medizin, die Zugriff auf finanzielle Forschungsförderung haben, ist aber gering (siehe<br />

oben). Gleichzeitig besitzt der gender-medizinische Ansatz noch geringe wissenschaftliche<br />

Reputation, weswegen sich selbst die wenigen Medizinerinnen, die in einer entsprechenden<br />

leitenden Position tätig sind, meist nur sehr zurückhaltend mit dem Thema beschäftigen. 9<br />

8<br />

Übrig bleiben (vor allem in den Führungspositionen) oft Männer, die nach traditionellen Rollenmustern<br />

leben, also eine nicht oder nur Teilzeit arbeitenden (Ehe-) Frau haben, die die Sorgearbeit für<br />

Haushalt, Versorgung und Kinder weitgehend alleine trägt und die eigene Karriere der des Mannes<br />

nachordnet.<br />

9<br />

Weitere Information zur Gender-Medizin: Johanna Zebisch, Fachstelle Gender in Medizin und Pflege,<br />

<strong>Städtisches</strong> <strong>Klinikum</strong> <strong>München</strong> GmbH: www.klinikum-muenchen.de<br />

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7.3 Strukturen der Vernetzung: Vorschläge<br />

Welche Strukturen der Vernetzung könnten wir uns als Interessierte und Engagierte in dem<br />

Thema geben?<br />

Vernetzung durch Austausch der Kontaktdaten<br />

Die Mailingliste kann genutzt werden, um interessante Infos zu kommunizieren, interessante<br />

Stellen weiter zu geben, ggf. existierende Vereinbarungen zu Fragen der Gleichstellung zur<br />

Verfügung zu stellen, etc.<br />

Arbeitskreis Gender und Gleichstellung im Krankenhaus<br />

Im Oktober 2010 hat sich der Arbeitskreis Gender und Gleichstellung im Krankenhaus gegründet.<br />

Telnehmerinnen dieses bundesweiten Arbeitskreises sind vor allem ehemals kommunale<br />

Großkrankenhäuser. Die Probleme sind dort insofern ähnlich, als dass sie als privatwirtschaftliche<br />

Unternehmen aus den Kommunen ausgegliedert wurden und es deshalb in<br />

diesen Unternehmen für die Gleichstellungsarbeit keine gesetzliche Grundlage mehr gibt.<br />

Schwerpunktsetzung zu Gender und Gleichstellung im Krankenhaus<br />

(Selbst-)Bewusstere Schwerpunktsetzung der Themen Gender und Gleichstellung im Krankenhaus:<br />

Bei allen größeren Tagungen in den Krankenhäusern und Kliniken wird darauf geachtet,<br />

dass immer mindestens ein Vortrag/Workshop zum Thema Gender oder Gleichstellung<br />

angeboten wird.<br />

8. Kontaktdaten<br />

Dr. Andrea Rothe<br />

Stabsstelle Betriebliche Gleichbehandlung<br />

Geschäftsführung Personal und Soziales<br />

<strong>Städtisches</strong> <strong>Klinikum</strong> <strong>München</strong> GmbH<br />

Kölner Platz 1<br />

80804 <strong>München</strong><br />

Tel. +49 (0) 89 3068 – 5718<br />

Fax +49 (0) 89 3068 – 7521<br />

andrea.rothe@klinikum-muenchen.de<br />

www.klinikum-muenchen.de<br />

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