Das Psychosramm
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Das Psychosramm
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* E.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Psychosramm</strong><br />
Ein Psychogramm ist das Resultat einer gegenstandsfreien bildneri-<br />
schen Projektion psychomentaler Inhalte. Dabei werden diejenigen<br />
Gefühle, Gedanken und Vorstellungen in die gegenstandsfreien<br />
Malhandlungen projiziert, die sich beim Klienten einstellenr wenn er<br />
seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Person focussiert.<br />
Psychogranune erscheinen thematisiert als Projektionen des Kli-<br />
enten über sich selbst oder einen anderen Menschen. Folgende Va-<br />
riatinnen sind möglich:<br />
Egogramm, (das Selbstbild des Ktienten).<br />
Matergramm, (das Inbild des Klienten aom Mütterlichen).<br />
Patergramm, (das Inbild des Klienten aom Väterlichen).<br />
Heterogramm, (das Inbild des Klienten aom Elrcpartner, uon Geschwis-<br />
tern oder einer anderen, fir<br />
ihn wichtigen Bezugsperson).<br />
<strong>Das</strong> Arbeiten mit Psychogramrnen kann in Gruppen und als<br />
Einzelarbeit erfolgen, wobei sie nach meinen Erfahrungen im<br />
Gruppenfeld lebendiger, interessanter, überraschender und inten-<br />
siver isü bei psychisch instabilen Klienten ist jedoch die Einzelarbeit<br />
unbe din gt v or zuziehen.<br />
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Mit einem Psychograilun läßt sich nur dann sinnvoll umgehen,<br />
wenn die gegenstandsfteie Bildgestalt (aus der es besteht) halbwegs<br />
durchgearbeitet (gestaltet) ist und nicht bloß Andeutungen anbietet.<br />
Auf der visuellen Grundlage eines solchen Bildes können wir uns in<br />
weiteren Schritten den - teils unbewußten, teils bewußten - Inhalten<br />
des Klienten nähern, die er auf (in) sein Bild projiziert hat.<br />
Weil solche Projektionen ins gegenstandsfreie Gestalten hinein<br />
erfolgen, deshalb hat der Klient (oder Patient) in den seltensten<br />
Fällen die Möglichkeit genau zu zuissen, was er tut. Er handelt<br />
intuitiv und kann sich mit seinen Absichten nicht am gegen-<br />
ständlich Bekannten orientieren. Dadurch ist er auch dem Unmit-<br />
telbaren äußerst nahe, weil zwischen seiner Malhandlung und<br />
seinen psychomentalen Impulsen kein an der Gegenstandswelt<br />
orientiertes Begriffsdenken stattfindet (wenn doch, dann hat es<br />
kaum Einfluß auf die gegenstandsfreie Projektion).<br />
Jedes Psychogranun laßt sich in drei varianten projizieren: Als<br />
positiuer Aspekt, als negatiaer und als kornplexer Aspekt. Der Klient<br />
malt beim positiven Aspekt nur das, uras er an sogenannten posi-<br />
tiven Eigenschaften zu sehen meint; umgekehrt gilt dasselbe für<br />
dieienigen Attribute, die ftir ihn (im Kontext seiner Subjektivität) als<br />
negativ gelten. Beim komplexen Aspekt wird das Inbild als Ganzes<br />
projeziert. Aus dieser Differenzierung ergeben sich viermal drei ver-<br />
schiedene Möglichkeiten des Bearbeitens (vom "weißen Schatten,'<br />
über den "dunklen Schatten" zur Ganzheit des Selbst):<br />
+ <strong>Das</strong> positive Inbild des lch-Selbst,<br />
45
I das negatives Inbild des Ich-Selbst<br />
I das komplexes Inbild des Ich-Selbst.<br />
r <strong>Das</strong> positives Inbild des Mütterlichen,<br />
I das negatives Inbild des Mütterlichen,<br />
c das komplexes Inbild des Mütterlichen.<br />
r <strong>Das</strong> positives Inbild des Väterlichen,<br />
r das negatives Inbild des Väterlichen,<br />
o das komplexes Inbild des Väterlichen.<br />
r <strong>Das</strong> positives Inbild einer Bezugsperson,<br />
r das negatives Inbild einer Bezugsperson,<br />
r d"as komplexes Inbild einer Bezugsperson.<br />
Im Kontext einer Gruppe wird das Psychogramm intuitiv ana-<br />
lysiert. Dafür ist das gesamte Spektrum der Subjektivität der Teil-<br />
nehmer wichtig. Die subjektivität ist wie ein Meßinstrument, das<br />
auf die diversen Impulse des im Psychografiun Sichtbaren reagiert.<br />
Die subjektive vielfalt der Wahrnehmungen a1ler Gruppenteil-<br />
nehmer wird schließlich mit den Mitteln ihrer kritischen An-<br />
schauung überprüft. Im Bemühen um Konsens 1lißt sich daraus ein<br />
tendenzielles Übereinstimmen destillieren, das nun intersubjektia<br />
und dadurch ftir alle nachvollziehbar ist. Eine solche intuitive<br />
Analyse wird in folgenden Schritten durchgeführt:<br />
+ Bildbetraclttung und B rainstorming.<br />
t Überprufen und Auszoählen des gewonnenen Materiats im Hinblick auf<br />
dessen Übereircstirwnung mit derc aisuellen Aussagen der Bitdgestalt.<br />
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,<br />
s Ubersetzen dieser lruhqlte in psychologisclrc Formulierungen, die je-<br />
dem aerständlich sind.<br />
. Synthetisieren der auf diese Weise erarbeiteten Details in zusaftxmen-<br />
hängende Aussagen über das dem Psychogramm zugrunde liegende<br />
Thema.<br />
Der Exponent ist an diesem Vorgang nur als Zuhörer beteiligt. Er<br />
komrnt erst dann wieder ins Spiel, wenn die Gruppe ihre intuitive<br />
Analyse abgeschlossen hat. Dann ist es natürlich wichtig, daß der<br />
Schöpfer des Psychogramms seine Reaktionen auf das Mitgeteilte<br />
und Gehörte einbringt:<br />
: Feedbsck des Exponenten (aon dem das Psychgramm stammt).<br />
t Üherpilfen der durch diese intuitiae Analyse gezoonnenen Einsichten<br />
rnit den Feedbacks des Exponenten (Figur 7).<br />
Durch das Malen eines Psychogranurrs beschäftigt sich der Klient<br />
mit den Aspekten seiner eigenen seelisch-geistigen (psychomenta-<br />
len) Beschaffenheit oder derjenigen, die er bei anderen fur ihn<br />
wichtigen Menschen wahrzunehmen meint. Im gegenstandsfreien<br />
Gestalten begibt er sich auf eine neue, von starren Begriffen oder<br />
Syrnbolismen freie Ebene des Ausdrucks. Von der ihm bekannten<br />
und vertrauten Gegenständlichkeit seiner Erlebniswelt unbelastet<br />
kann er so in Bereiche seines selbstseins eindringen, die ihm mög-<br />
licherweise noch unbekannt und durch seine Denkgewohnheiten<br />
nicht zugänglich geworden sind.<br />
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Gegenstandsfreie<br />
bildnerische<br />
Projektionen<br />
Analyse<br />
:: ::<br />
:: Bildbetrachtung :i<br />
i:"""""""""""'-'-.*.*'::<br />
:: Brainstorming ::<br />
i Selektieren ::<br />
:: ...''...'..'.','...'............'','.'.....,............'.'.'.'.'...'.::<br />
.: Transponieren ::<br />
:: ::<br />
::'-* ---"'---"""""""""""""""""":i<br />
Synthese<br />
GRUPPE Feedback<br />
EXFONENT<br />
Vergleichen<br />
Überprüfen ftgur 5<br />
4B
Mit Flilfe der Gruppe und/oder des Therapeuten wird das<br />
Psychogrammr das aus tendenziell nicht bewußten psychomentalen<br />
Einstellungen heraus geschaffen wurde, in die vertraute begriffliche<br />
Wortwelt übersetzt und dadurch auch dem Denken zugänglich<br />
gemacht. So kommt zur sinnlichen Wahrnehmung und Wirkung der<br />
visuellen Botschaft auch noch das Begriffliche in Form der<br />
psychologischen Aussagen durch die intuitive Analyse der Gruppe<br />
dazu.<br />
Der Klient wird mit seinen psychomentalen Mustern konfrontier!<br />
einerseits durch sein gegenstandsfrei geschaffenes Bild (ent-<br />
sprechend der Psychogramme) und andererseits über die intuitive<br />
Analyse dieses Bildes durch die Gruppe. Beides fließt sowohl inn<br />
Bewußtsein wie auch im Nicht-Bewußten des Klienten zusauunen.<br />
Im Laufe der folgenden stunden, Tage, wochen werden diese<br />
erfahr- und erkennbar gewordenen Strukturen in ihm nachrnirken,<br />
rnit seinen Alltagssituationen in Zusammenhang gebracht und<br />
dadurch weiter reifen.<br />
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Eine ungegliederte Anhäufung von lnformationen<br />
über diese oder jene Merkmale der Situation vermehrt allenfatts noctt<br />
die Unübersichtlichkeit und ist keine Entscheidungshilfe.<br />
Es muß alles irgendwie zusammenpassen; ffian braucttt keinen<br />
lnformationshaufen, sondern ein "Bild" von der sache, damit man wichtiges<br />
von unwichtigem trennen kann und weiß, was zusammengehört und<br />
was nicht. Man braucht das, was wir..., als "strukturwissen,,<br />
bezeichnet haben, alsa ldeen darüber, wie die Dinge<br />
zusammenhängen.<br />
Die Komplexität ernes Realitätsausschnittes isf a/so um so höher,<br />
je mehr Mekmale vorhanden sind und je mehr diese voneinander abhangig<br />
sind. Der Grad der Komplexität ergibt srch aus dem Ausmaß, in dem<br />
verschiedene As pekte eines Realitätsau ssch nittes u nd ih re Verbi nd u ngen<br />
beachtet werden müssen, um eine Situatian in dem jeweitigen<br />
Realitätsausschnitt zu erfassen und Handlungen zu planen.<br />
Eine hohe Komptexität stellt hahe Anforderungen an die Fättigkeit<br />
des Akteurs, lnformationen zu sammeln, zu integrieren<br />
und Handlungen zu planen.<br />
DiETRICH DÖRNER<br />
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Ein spiegel ist leer; er zeigt von sich aus nichts, deshalb zeigt er<br />
immer das, was vor ihm ist (die gegenständliche welt). Mit dem<br />
gegenstandsfreien Malen ist es ähnlich wie mit einem Spiegel.<br />
Auch das Gegenstandsfreie zeigt von sich aus nichts; es spiegert<br />
uns nur etwas Unbekanntes oder Bekanntes von uns selbst (ln-<br />
nenwelt).<br />
Dieser unterschied ist bedeutsam: Der Spiegel spiegelt uns lmmer<br />
einen Gegenstand der äußeren Welt. <strong>Das</strong> gegenstandsfreie Gebilde<br />
spiegelt uns ein Bild (keinen Gegenstand) der seelisch-geistigen<br />
Welt.<br />
lm spiegel sehen wir nur unser gegenständliches Gesicht. lm<br />
gegenstandsfreien Bild (Psychogramm) sehen wir unser lnbild von<br />
uns selbst oder einem anderen Menschen in Form von Eigenschaf-<br />
ten.<br />
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sobald wir im Spiegel (des Lebens) ein Gesicht sehen, entfaltet<br />
sich unsere spontane lntuition derart, daß wir einen Eindruck haben.<br />
Sympathie und Antipathie sind Regungen in uns, die sich einstellen,<br />
ob wir wollen oder nicht.<br />
Wir haben solche Eindrticke, weil wir seelisch-geistig lebendig<br />
sind. lnnerlich abgestorben ist niemand durch irgendetwas zu be-<br />
eindrucken. Deshalb benutzen wir in der intuitiven Analyse unsere<br />
Fähigkeit beeindruckbar zu sein.<br />
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