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S-Bahn Berlin: Der Absturz - derFahrgast

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<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

Gegenspielers zu Mehdorn dringend bedurft. Doch keiner<br />

der seit Mehdorn agierenden Verkehrsminister, ob Reinhard<br />

Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe oder Wolfgang<br />

Tiefensee (alle SPD), kam seiner Aufsichtspflicht hinreichend<br />

nach, ganz abgesehen davon, dass die Genannten dem durchsetzungsstarken<br />

Mehdorn auch menschlich nicht gewachsen<br />

waren.<br />

■ Mehdorn-Weltbahn versus ruppert-S-<strong>Bahn</strong><br />

Mehdorns straffer und überzogener Renditekurs traf<br />

auf eine <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>, die auf die neuen Konzernvorgaben<br />

nicht vorbereitet war. Chef der <strong>Berlin</strong>er<br />

S-<strong>Bahn</strong>, oder korrekt: Sprecher des Vorstands der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />

GmbH, war seit Mai 1998 Günter Ruppert. Bereits in der<br />

Projektgesellschaft ab 1994 und anschließend in der GmbH<br />

als Technischer Vorstand tätig, folgte er dem ehemaligen<br />

CDU-Politiker und Treuhandmanager Axel Nawrocki. Nach<br />

außen galt Ruppert Mitarbeitern wie Eisenbahnfreunden als<br />

S-<strong>Bahn</strong>er von altem Schrot und Korn, der „seinen Laden“<br />

kannte. „Unter Ruppert wäre das alles nicht passiert“ – das<br />

wurde im Sommer 2009 zum geflügelten Wort.<br />

Tatsache ist, dass er die technologischen und betrieblichen<br />

Abläufe immer im Blick hatte. Es ist ihm lange Zeit gelungen,<br />

die schlimmsten Sparorgien von der S-<strong>Bahn</strong> abzuwenden,<br />

und mehr noch: Unter Rupperts Verantwortung erlebte die<br />

<strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> den bisher stärksten Aufschwung ihrer Geschichte.<br />

Seit 1998 stiegen die jährlichen Fahrgastzahlen von<br />

100 auf rund 370 Millionen. Die Kundenzufriedenheit erreichte<br />

2006 den besten Wert seit der Erfassung und selbst der<br />

Umsatz ließ sich von 422 Millionen Euro (1998) auf 487 Millionen<br />

Euro (2005) steigern.<br />

Und doch müssen auch Hintergründe in der Ära von Günter<br />

Ruppert hinterfragt werden, will man den Ursachen für das<br />

heutige Dilemma näher kommen. Die Kehrseite von Rupperts<br />

Unternehmensführung war nämlich, dass sich die<br />

S-<strong>Bahn</strong> in Teilbereichen einer Modernisierung und Neustrukturierung<br />

entzog, in denen dies ohne Aufgabe technischer<br />

Vorgaben möglich gewesen wäre.<br />

Zwar wurde die Werkstatt in Wannsee modernisiert und in<br />

Grünau schuf man von 1996 bis 1998 eine neue Werkstatt<br />

speziell für die Baureihe 481/482. Zwar wurde auch mit dem<br />

22. August 2005 Günter Ruppert warnt in der „<strong>Berlin</strong>er Zeitung“:<br />

„Ausschreibung der Nord-Süd-Linien könnte ein Drittel der derzeit<br />

rund 3.700 Stellen kosten.“<br />

2006 Das Programm „Optimierung S-<strong>Bahn</strong>en“ läuft an: längere<br />

Wartungsintervalle, Abbau von Arbeitsplätzen und Material, Verschrottung<br />

von Zügen<br />

November 2006 Wegen rutschiger Schienen fährt im <strong>Bahn</strong>hof<br />

Papestraße (heute: Südkreuz) ein 481-Planzug auf einen Arbeitszug<br />

auf.<br />

3. Mai 2007 Günter Ruppert wird als Sprecher des Vorstands der<br />

<strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> verabschiedet; Nachfolger ist Tobias Heinemann.<br />

Abbau von Personal begonnen. Doch während sich andere<br />

Werke der Deutschen <strong>Bahn</strong> AG zunehmend nach Drittaufträgen<br />

umsehen mussten, um ihre Existenz zu sichern, und<br />

dies mit zunehmendem Erfolg bis heute tun – siehe Cottbus,<br />

Dessau und Meiningen – , hatten die S-<strong>Bahn</strong> und ihr Chef<br />

nichts anderes im Sinn, als die große Hauptwerkstatt in Schöneweide<br />

ausschließlich für die eigenen S-<strong>Bahn</strong>-Züge vorzuhalten.<br />

Sie gehörte auch nie zum DB-Konzernbereich<br />

Werke, sondern blieb stets integraler Bestandteil der S-<strong>Bahn</strong><br />

<strong>Berlin</strong> GmbH.<br />

Mit den Drittaufträgen flossen nicht nur Einnahmen in die<br />

anderen Werke der Konzernmutter. Alle Beschäftigten, ob<br />

Ablaufplaner, Ingenieure oder die Facharbeiter an den Fahrzeugen,<br />

mussten sich auf neue Technik einstellen und lernten<br />

somit permanent dazu. Nicht so in Schöneweide. Die letzten<br />

Fremdaufträge datierten vom Ende der DDR; für die neuen<br />

Baureihen waren das Werk in Wannsee (480) und Grünau<br />

vorgesehen und da die 481 mit höherer Einsatzzuverlässigkeit<br />

sowie längeren Instandhaltungsintervallen konzipiert war,<br />

war auch für jene Züge, die die Hauptwerkstatt in Schöneweide<br />

anliefen, nicht mehr derselbe, vor allem aber ein anders<br />

qualifizierter Personalbestand vonnöten als für die älteren<br />

Baureihen. Die Hauptwerkstatt selbst war für die neuen, voll<br />

mit Elektronik bestückten Züge der Baureihen 480 und vor<br />

allem 481/482 nicht mehr so optimal einzurichten, wie sie es<br />

für die Altbau-Züge gewesen war.<br />

Ruppert, so der Vorwurf durchaus wohlmeinender Kritiker,<br />

habe die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH einschließlich ihrer Hauptwerkstatt<br />

weiter wie einen volkseigenen Betrieb wirtschaften<br />

lassen. <strong>Der</strong> wartungstechnologisch sinnvolle Neubau einer<br />

Zentralwerkstatt, der notwendigerweise die Schließung von<br />

Schöneweide zur Folge gehabt hätte, wurde nach Kräften und<br />

mit Berufung auf die reichhaltigen Erfahrungen der Schöneweider<br />

immer wieder verzögert und verschleppt. Gedanken<br />

wie die Vergabe von Haupt- und Zwischenuntersuchungen<br />

an zertifizierte Fremdwerke, bei anderen <strong>Bahn</strong>en längst gang<br />

und gäbe, durften bei der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> nicht einmal laut<br />

gedacht werden.<br />

So blieben als einzige Rationalisierungspotenziale der Abbau<br />

von Arbeitsplätzen und die Streckung von Wartungsintervallen.<br />

Dabei wurde, so hört man es aus dem Betriebsrat und von<br />

weiteren Beschäftigten, nicht immer nach (ablauf-)techni-<br />

Februar 2008 Die Geschwindigkeit der Baureihe 481 wird wegen<br />

schlechter Bremsleistung erneut von 100 km/h auf 80 km/h herabgesetzt.<br />

Januar 2009 Innerhalb von vier Tagen kommt es zu etwa<br />

2.500 Zugausfällen; am 6./7. Januar fährt nur jeder vierte Zug<br />

pünktlich; als Grund gibt die S-<strong>Bahn</strong> einen Schalterfehler an den<br />

Fahrsperren der Züge an.<br />

27. Januar 2009 <strong>Der</strong> ehemalige S-<strong>Bahn</strong>-Chef Günter Ruppert<br />

wird mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.<br />

Februar 2009 Radio <strong>Berlin</strong>-Brandenburg (RBB) berichtet in einem<br />

„Klartext“-Beitrag unter dem Titel „Hohe Gewinne auf Kosten der<br />

Kunden“ über die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>; Tenor: Unpünktlichkeit und<br />

8 <strong>derFahrgast</strong> · 4/2009

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