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S-Bahn Berlin: Der Absturz - derFahrgast

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Von Jürgen Neuhaus<br />

➢ Das Jahr 2009 wird für die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> und ihre<br />

Fahrgäste in katastrophaler Erinnerung bleiben. Noch<br />

nie mussten in Friedenszeiten so massive Angebotseinschränkungen<br />

hingenommen werden wie im Juli<br />

dieses Jahres. Kaum schien die schlimmste Zeit<br />

überstanden und das Problem der rissigen Achsen<br />

sich einer Lösung zu nähern, da brachte der 7. September<br />

erneut den Stillstand eines großen Teils der<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Wagen – diesmal wegen unzureichend gewarteter<br />

Bremsen und ohne Zeitplan für die Wiederherstellung<br />

der Normalität. Als maßgebliche Ursache<br />

ist der von der Konzernmutter DB AG verordnete Gewinnabführungsplan<br />

für den geplanten Börsengang<br />

nicht von der Hand zu weisen – doch der ist es nicht<br />

allein. Dabei hatte die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> noch 2006 in<br />

Umfragen eine seit Jahrzehnten nicht mehr vorhandene<br />

Popularität.<br />

■ S-<strong>Bahn</strong> in der größten Krise<br />

S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong>:<br />

Die Geschichte der aktuellen S-<strong>Bahn</strong>-Krise beginnt nicht<br />

mit der Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes<br />

(EBA), aufgrund von Sicherheitsbedenken Anfang Juli<br />

dieses Jahres rund drei Viertel aller S-<strong>Bahn</strong>-Züge aus dem Verkehr<br />

zu ziehen. Sie beginnt auch nicht mit den Entgleisungen<br />

Anfang Mai in Kaulsdorf und Lichtenberg. Und sie war auch<br />

<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

Größte Krise begann vor vier Jahren<br />

Fahrgäste vor dem gesperrten Zugang zu den S-<strong>Bahn</strong>steigen im Hauptbahnhof.<br />

Thema<br />

bei der Entlassung des langjährigen S-<strong>Bahn</strong>-Chefs Günter<br />

Ruppert Anfang Mai 2007 bereits in vollem Gange.<br />

Die Geschichte nimmt im August 2005 richtig Fahrt auf und<br />

startet, wie bei der Mehdorn-<strong>Bahn</strong> üblich, hinter verschlossenen<br />

Türen, fernab öffentlicher Kontrolle. <strong>Der</strong> DB-Vorstand<br />

beriet den Börsengang und fasste seine Maßnahmen in einem<br />

Strategiepapier zusammen, das er „Quality & Quality Plus- n<br />

Portfolio“ nannte. Das Kapitel „Projekt X: Optimierung i<br />

S-<strong>Bahn</strong>en“ sah genau das vor, was der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> aktuell<br />

auf die Füße fällt: Anpassung der Zuglängen an den „tatsäch- l<br />

lichen Bedarf“, Optimierung der Instandhaltung, Gewinnsteigerung<br />

der S-<strong>Bahn</strong> auf 125,1 Millionen Euro für 2010. r<br />

Diese Pläne der DB AG von August 2005 blieben aber nicht e<br />

lange geheim: Am 18. August 2005 machte sie eine Initiative<br />

im Betriebsrat der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH öffentlich und B n<br />

Wann es wieder einen regelmäßigen und stabilen<br />

Betrieb gibt, konnte bisher kein S-<strong>Bahn</strong>- oder h<br />

DB-Manager sagen. Und niemand aus demselben A<br />

Personenkreis konnte bisher überzeugend darlegen, B<br />

dass sich eine solche Katastrophe wie im Sommer -<br />

2009 nicht wiederholen wird. S<br />

<strong>derFahrgast</strong> · 4/2009 5<br />

Foto: Engel


<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

gründete das Aktionsbündnis „<strong>Berlin</strong>er! Schützt eure<br />

S-<strong>Bahn</strong>!“. In einem Informationsblatt wird der damalige<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Chef Ruppert zitiert: „Alle Bereiche der S-<strong>Bahn</strong><br />

sind gleich wichtig. Unser System ist nur so gut wie seine<br />

schwächs te Komponente. In diesem System müssen die<br />

<strong>Bahn</strong>höfe genauso gut wie die Betriebsleitung, die Zugtechnik,<br />

der Vertrieb funktionieren. Die Kunst besteht darin, das<br />

System in allen Komponenten zu entwickeln.“ Das Aktionsbündnis<br />

ergänzte: „Insoweit hat der Betriebsrat [...] auch Verantwortung<br />

dafür, dass in diesem System u.a. auch die <strong>Bahn</strong>höfe<br />

funktionieren und die Komponenten im System<br />

tatsächlich entwickelt und nicht abgewickelt werden.“<br />

Und heute, vier Jahre später? Heidi Bodewald, Aufsicht bei<br />

der S-<strong>Bahn</strong>, sagt in der Transnet-Zeitschrift „inform“ von<br />

August: „Da haben wir einige düstere Szenarien entwickelt.<br />

Und jetzt ist alles noch schlimmer gekommen, als wir es je<br />

geahnt haben.“<br />

■ Die Vorgeschichte<br />

Seit dem 1. Januar 1995 ist die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH eine<br />

Tochtergesellschaft der am 1. Januar 1994 gegründeten<br />

Deutschen <strong>Bahn</strong> AG. Die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH trat,<br />

seit Januar 1994 zunächst noch als Projektgesellschaft, die<br />

Nachfolge der zur DR-Ost gehörenden S-<strong>Bahn</strong> mit den zur<br />

<strong>Berlin</strong>er Verkehrs-Gesellschaft (BVG) gehörenden Fahrzeugen<br />

an. Die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> stand vor gewaltigen Aufgaben,<br />

die allein von ihr nicht zu stemmen waren und deshalb öffentliche<br />

Gelder in erheblicher Höhe erforderten. In zweistelliger<br />

Milliardenhöhe wurde seit 1990 allein in die Infrastruktur –<br />

Gleise, Stromversorgung, Sicherungstechnik, Wartungsanlagen<br />

– investiert; das Bundesschienenwegeausbaugesetz von<br />

1992 sah eigens für das <strong>Bahn</strong>netz in <strong>Berlin</strong> gesonderte Mittel<br />

vor. Auch die neuen Fahrzeuge wurden mit öffentlichen Mitteln<br />

gefördert.<br />

Während das S-<strong>Bahn</strong>-Netz im ehemaligen Ost-<strong>Berlin</strong> ständig<br />

unterhalten und fallweise ausgebaut wurde, war in West-<br />

<strong>Berlin</strong> nur noch ein Rumpfnetz vorhanden. <strong>Der</strong> Ring war<br />

1994 außer Betrieb, ebenso etliche Außenäste. Trotz neu<br />

gefertigter Fahrzeuge der Baureihen 270 (heute 485) und 480<br />

stand der Fahrzeugpark vor einer noch nicht dagewesenen<br />

Erneuerungswelle. Kurz und gut: Die Aufgabe lautete in den<br />

<strong>Der</strong> Weg in den Abgrund<br />

Chronik einer vermeidbaren Katastrophe<br />

8. Januar 1984 Die <strong>Berlin</strong>er Verkehrs-Gesellschaft (BVG) übernimmt<br />

von der Deutschen Reichsbahn (DR) den Betrieb der S-<strong>Bahn</strong><br />

in West-<strong>Berlin</strong>.<br />

1990 Eine Arbeitsgruppe der BVG und der DR erarbeitet einen<br />

Anforderungskatalog für eine neue gemeinsame S-<strong>Bahn</strong>-Baureihe.<br />

1990 – 1992 Die Baureihe 270/485 wird in Serie gefertigt, es entstehen<br />

85 Viertelzüge; parallel werden 80 Viertelzüge der Baureihe<br />

480 ausgeliefert.<br />

1990er-Jahren Neu- und Wiederaufbau, um die S-<strong>Bahn</strong> wieder<br />

zu dem zu machen, was sie zumindest bis 1961 war.<br />

<strong>Der</strong> Aufbau schritt voran, auch wenn sich mancher <strong>Berlin</strong>er<br />

ein höheres Tempo gewünscht hätte. Bereits 1990 gab es<br />

wieder durchgehenden Betrieb auf der Stadtbahnstrecke und<br />

allein 1992 wurden mit den Außenästen nach Potsdam<br />

(1. April), Hohen Neuendorf (31. Mai) und Blankenfelde<br />

(31. August) drei traditionelle Verbindungen ins nähere<br />

Umland reaktiviert. Die (zunächst provisorische) Vollring-<br />

In betriebnahme am 16. Juni 2002, die Neubaustrecke nach<br />

Teltow Stadt (24. Februar 2005) und schließlich das neue<br />

Vollring-Konzept seit dem 28. Mai 2006 markieren den<br />

vorläufigen Abschluss der Neu- und Wiederinbetriebnahmen.<br />

Viele <strong>Berlin</strong>er nahmen 1997 traurig Abschied von den „Stadtbahnen“,<br />

jener Baureihe 275/475, die seit 1928 den S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Verkehr prägte. Und doch war dies ein sichtbares Zeichen für<br />

die Erneuerung des Fahrzeugparks, denn seit 1996 werden die<br />

neuen Züge der Baureihe 481/482 in Serie gefertigt.<br />

■ Sturm zieht auf: Die Mehdorn-<strong>Bahn</strong> kommt<br />

Im Dezember 1999 wurde Hartmut Mehdorn von der (rotgrünen)<br />

Bundesregierung zum Vorstandsvorsitzenden der<br />

Deutschen <strong>Bahn</strong> AG berufen. Er folgte dem skandalfrei, aber<br />

ohne Fortune agierenden Johannes Ludewig, in dessen Amtszeit<br />

der ICE-Unfall von Eschede (Juni 1998) fiel und der vor<br />

allem als Kohl-Vertrauter galt. Mehdorn begann zunächst mit<br />

schonungslosen Analysen und einer von einem DB-Chef bis<br />

dato ungewohnten Agilität. Sein Ziel: aus der defizitären<br />

<strong>Bahn</strong> einen effizienten und gewinnbringenden Logistikkonzern<br />

zu machen – und diesen irgendwann an die Börse zu<br />

bringen. Die Bundespolitik, mit den bis dahin erreichten Ergebnissen<br />

der <strong>Bahn</strong>reform alles andere als zu frieden, traute<br />

Mehdorn den Sanierungskurs und den Umbau zu – und ließ<br />

ihn machen.<br />

Leider verabschiedete sie sich damit nahezu völlig aus ihrer<br />

Aufsichtsfunktion. <strong>Bahn</strong>politik interessierte allenfalls als<br />

Haushaltspolitik und die <strong>Bahn</strong> kostete noch immer. Auch die<br />

Besetzung mit dem jeweiligen Verkehrsminister folgte in erster<br />

Linie politischem Proporz – dabei hätte es eines starken<br />

Lesen Sie auf Seite 8 weiter.<br />

1993 Vorstellung des 481-Prototyps durch die Deutsche Waggonbau<br />

Aktiengesellschaft<br />

1. Januar 1995 Gründung der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH als Tochter<br />

der DB AG, erster Geschäftsführer: Axel Nawrocki; die GmbH ist seit<br />

2004 dem Geschäftsfeld Stadtverkehr der DB AG zugeordnet.<br />

Ab 1996 Beginn der Serienfertigung der Baureihe 481/482, der<br />

größten Serie gleichartiger Triebfahrzeuge seit den Stadtbahnen<br />

von 1928; bis 2004 erhält die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> 500 Viertelzüge dieser<br />

BR.<br />

Mai 1998 Günter Ruppert folgt Axel Nawrocki als Sprecher des<br />

Vorstands der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH.<br />

6 <strong>derFahrgast</strong> · 4/2009


Die informationskrise<br />

Bestens informiert? Auf größeren Stationen (Foto oben:<br />

Südkreuz) soll man auf die Ansage achten, auf kleinen<br />

Stationen (Foto rechts: Mexikoplatz) hängen Blechschilder.<br />

Die Ziel anzeigen hinter den Panoramascheiben der<br />

Führerstände sind oft nicht erkennbar.<br />

Dezember 1999 Hartmut Mehdorn wird Vorstandsvorsitzender<br />

der DB AG.<br />

2001 Ein Gutachten bescheinigt den in den Baureihe 481/482<br />

verwendeten Rädern „mangelnde Eignung“; das Gutachten bleibt<br />

unter Verschluss.<br />

Herbst 2003 In der Werkstatt wird an einem problembehafteten<br />

Zug der Baureihe 481 ein Radsatz entdeckt, der zu 5/6 durchgerissen<br />

war; ein Gutachten nennt Hersteller- oder Transportprobleme<br />

als Ursache.<br />

2004 Die DB AG legt einen Börsengang planerisch an und legt<br />

Renditeziele fest.<br />

26. März 2004 <strong>Der</strong> <strong>Berlin</strong>er Senat schließt mit der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />

GmbH einen Verkehrsvertrag, der regulär bis 2017 läuft.<br />

15. Januar 2005 Ein 25-jähriger Triebfahrzeugführer lässt einen<br />

16-jährigen Schüler seinen Zug über den Ring fahren und wird daraufhin<br />

fristlos entlassen.<br />

August 2005 DB AG-Vorstand berät und beschließt das „Qualify &<br />

Qualify Plus-Portfolio“, darin: „Projekt X – Optimierung S-<strong>Bahn</strong>en“;<br />

das Projekt sieht für <strong>Berlin</strong> die Reduktion von über 700 auf<br />

637 Fahrzeuge (Viertelzüge) vor.<br />

18. August 2005 Im S-<strong>Bahn</strong>-Betriebsrat wird das Aktionsbündnis<br />

„<strong>Berlin</strong>er! Rettet eure S-<strong>Bahn</strong>!“ gegründet.<br />

Thema<br />

S - B A h n B e r l i n<br />

<strong>derFahrgast</strong> · 4/2009 7


<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

Gegenspielers zu Mehdorn dringend bedurft. Doch keiner<br />

der seit Mehdorn agierenden Verkehrsminister, ob Reinhard<br />

Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe oder Wolfgang<br />

Tiefensee (alle SPD), kam seiner Aufsichtspflicht hinreichend<br />

nach, ganz abgesehen davon, dass die Genannten dem durchsetzungsstarken<br />

Mehdorn auch menschlich nicht gewachsen<br />

waren.<br />

■ Mehdorn-Weltbahn versus ruppert-S-<strong>Bahn</strong><br />

Mehdorns straffer und überzogener Renditekurs traf<br />

auf eine <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>, die auf die neuen Konzernvorgaben<br />

nicht vorbereitet war. Chef der <strong>Berlin</strong>er<br />

S-<strong>Bahn</strong>, oder korrekt: Sprecher des Vorstands der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />

GmbH, war seit Mai 1998 Günter Ruppert. Bereits in der<br />

Projektgesellschaft ab 1994 und anschließend in der GmbH<br />

als Technischer Vorstand tätig, folgte er dem ehemaligen<br />

CDU-Politiker und Treuhandmanager Axel Nawrocki. Nach<br />

außen galt Ruppert Mitarbeitern wie Eisenbahnfreunden als<br />

S-<strong>Bahn</strong>er von altem Schrot und Korn, der „seinen Laden“<br />

kannte. „Unter Ruppert wäre das alles nicht passiert“ – das<br />

wurde im Sommer 2009 zum geflügelten Wort.<br />

Tatsache ist, dass er die technologischen und betrieblichen<br />

Abläufe immer im Blick hatte. Es ist ihm lange Zeit gelungen,<br />

die schlimmsten Sparorgien von der S-<strong>Bahn</strong> abzuwenden,<br />

und mehr noch: Unter Rupperts Verantwortung erlebte die<br />

<strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> den bisher stärksten Aufschwung ihrer Geschichte.<br />

Seit 1998 stiegen die jährlichen Fahrgastzahlen von<br />

100 auf rund 370 Millionen. Die Kundenzufriedenheit erreichte<br />

2006 den besten Wert seit der Erfassung und selbst der<br />

Umsatz ließ sich von 422 Millionen Euro (1998) auf 487 Millionen<br />

Euro (2005) steigern.<br />

Und doch müssen auch Hintergründe in der Ära von Günter<br />

Ruppert hinterfragt werden, will man den Ursachen für das<br />

heutige Dilemma näher kommen. Die Kehrseite von Rupperts<br />

Unternehmensführung war nämlich, dass sich die<br />

S-<strong>Bahn</strong> in Teilbereichen einer Modernisierung und Neustrukturierung<br />

entzog, in denen dies ohne Aufgabe technischer<br />

Vorgaben möglich gewesen wäre.<br />

Zwar wurde die Werkstatt in Wannsee modernisiert und in<br />

Grünau schuf man von 1996 bis 1998 eine neue Werkstatt<br />

speziell für die Baureihe 481/482. Zwar wurde auch mit dem<br />

22. August 2005 Günter Ruppert warnt in der „<strong>Berlin</strong>er Zeitung“:<br />

„Ausschreibung der Nord-Süd-Linien könnte ein Drittel der derzeit<br />

rund 3.700 Stellen kosten.“<br />

2006 Das Programm „Optimierung S-<strong>Bahn</strong>en“ läuft an: längere<br />

Wartungsintervalle, Abbau von Arbeitsplätzen und Material, Verschrottung<br />

von Zügen<br />

November 2006 Wegen rutschiger Schienen fährt im <strong>Bahn</strong>hof<br />

Papestraße (heute: Südkreuz) ein 481-Planzug auf einen Arbeitszug<br />

auf.<br />

3. Mai 2007 Günter Ruppert wird als Sprecher des Vorstands der<br />

<strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> verabschiedet; Nachfolger ist Tobias Heinemann.<br />

Abbau von Personal begonnen. Doch während sich andere<br />

Werke der Deutschen <strong>Bahn</strong> AG zunehmend nach Drittaufträgen<br />

umsehen mussten, um ihre Existenz zu sichern, und<br />

dies mit zunehmendem Erfolg bis heute tun – siehe Cottbus,<br />

Dessau und Meiningen – , hatten die S-<strong>Bahn</strong> und ihr Chef<br />

nichts anderes im Sinn, als die große Hauptwerkstatt in Schöneweide<br />

ausschließlich für die eigenen S-<strong>Bahn</strong>-Züge vorzuhalten.<br />

Sie gehörte auch nie zum DB-Konzernbereich<br />

Werke, sondern blieb stets integraler Bestandteil der S-<strong>Bahn</strong><br />

<strong>Berlin</strong> GmbH.<br />

Mit den Drittaufträgen flossen nicht nur Einnahmen in die<br />

anderen Werke der Konzernmutter. Alle Beschäftigten, ob<br />

Ablaufplaner, Ingenieure oder die Facharbeiter an den Fahrzeugen,<br />

mussten sich auf neue Technik einstellen und lernten<br />

somit permanent dazu. Nicht so in Schöneweide. Die letzten<br />

Fremdaufträge datierten vom Ende der DDR; für die neuen<br />

Baureihen waren das Werk in Wannsee (480) und Grünau<br />

vorgesehen und da die 481 mit höherer Einsatzzuverlässigkeit<br />

sowie längeren Instandhaltungsintervallen konzipiert war,<br />

war auch für jene Züge, die die Hauptwerkstatt in Schöneweide<br />

anliefen, nicht mehr derselbe, vor allem aber ein anders<br />

qualifizierter Personalbestand vonnöten als für die älteren<br />

Baureihen. Die Hauptwerkstatt selbst war für die neuen, voll<br />

mit Elektronik bestückten Züge der Baureihen 480 und vor<br />

allem 481/482 nicht mehr so optimal einzurichten, wie sie es<br />

für die Altbau-Züge gewesen war.<br />

Ruppert, so der Vorwurf durchaus wohlmeinender Kritiker,<br />

habe die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH einschließlich ihrer Hauptwerkstatt<br />

weiter wie einen volkseigenen Betrieb wirtschaften<br />

lassen. <strong>Der</strong> wartungstechnologisch sinnvolle Neubau einer<br />

Zentralwerkstatt, der notwendigerweise die Schließung von<br />

Schöneweide zur Folge gehabt hätte, wurde nach Kräften und<br />

mit Berufung auf die reichhaltigen Erfahrungen der Schöneweider<br />

immer wieder verzögert und verschleppt. Gedanken<br />

wie die Vergabe von Haupt- und Zwischenuntersuchungen<br />

an zertifizierte Fremdwerke, bei anderen <strong>Bahn</strong>en längst gang<br />

und gäbe, durften bei der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> nicht einmal laut<br />

gedacht werden.<br />

So blieben als einzige Rationalisierungspotenziale der Abbau<br />

von Arbeitsplätzen und die Streckung von Wartungsintervallen.<br />

Dabei wurde, so hört man es aus dem Betriebsrat und von<br />

weiteren Beschäftigten, nicht immer nach (ablauf-)techni-<br />

Februar 2008 Die Geschwindigkeit der Baureihe 481 wird wegen<br />

schlechter Bremsleistung erneut von 100 km/h auf 80 km/h herabgesetzt.<br />

Januar 2009 Innerhalb von vier Tagen kommt es zu etwa<br />

2.500 Zugausfällen; am 6./7. Januar fährt nur jeder vierte Zug<br />

pünktlich; als Grund gibt die S-<strong>Bahn</strong> einen Schalterfehler an den<br />

Fahrsperren der Züge an.<br />

27. Januar 2009 <strong>Der</strong> ehemalige S-<strong>Bahn</strong>-Chef Günter Ruppert<br />

wird mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.<br />

Februar 2009 Radio <strong>Berlin</strong>-Brandenburg (RBB) berichtet in einem<br />

„Klartext“-Beitrag unter dem Titel „Hohe Gewinne auf Kosten der<br />

Kunden“ über die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>; Tenor: Unpünktlichkeit und<br />

8 <strong>derFahrgast</strong> · 4/2009


schen Notwendigkeiten verfahren – es galt Quoten zu erfüllen:<br />

Zwischen 2002 und 2007 sank die Zahl der Werkstattbeschäftigten<br />

von rund 760 auf rund 450. Und nicht nur das:<br />

Seit 2004 arbeitete die (verbliebene) Belegschaft statt 38 nur<br />

noch 37 Wochenstunden – offiziell und ohne Lohnausgleich.<br />

Ein 2006 ausgehandeltes, bis 2010 geltendes „betriebliches<br />

Bündnis“ senkte die Wochenarbeitszeit nochmals auf<br />

35 Stunden – ebenfalls ohne Lohnausgleich.<br />

Hinweisen von Beschäftigen auf technische Mängel wird nur<br />

halbherzig nachgegangen. Wartungsintervalle der eingesetzten<br />

Triebzüge werden bis zur Grenze ausgereizt, überschritten<br />

oder – im Fall der Bremsen – per Federstrich verlängert: von<br />

44.000 auf 48.000 Kilometer, wie das ARD-Magazin „Kontraste“<br />

Ende Juli 2009 herausfand. Gleiches geschah bei den<br />

Radsätzen: Die Grenzlaufleistung von 1,1 Millionen Kilometern<br />

setzten S-<strong>Bahn</strong>-Manager auf 1,4 Millionen Kilometer<br />

herauf. Begründung der S-<strong>Bahn</strong>-Führung für diese Fristverlängerungen:<br />

Sie habe nicht genug Reservefahrzeuge.<br />

Auch die Belegschaft spricht nicht mit einer Stimme. Im Jahr<br />

2006 kandidierten Vertreter von neun Listen für den Betriebsrat.<br />

Dem Betriebsratsvorsitzenden Heiner Wegner, Mitglied<br />

der Gewerkschaft Transnet, wird vorgeworfen, intern zu<br />

sehr der Linie des Vorstands – erst Ruppert, dann Heinemann,<br />

aber auch Finanzgeschäftsführer Ulrich Thon – gefolgt<br />

Unsauberkeit in den Zügen nehmen zu, Züge fahren gekürzt,<br />

(einzelne) technische Ausfälle passen ins Gesamtbild.“<br />

1. Mai 2009 Rüdiger Grube tritt sein Amt als neuer Vorstandsvorsitzender<br />

der DB AG an.<br />

1. Mai 2009 In Kaulsdorf bricht bei einem S-<strong>Bahn</strong>-Zug der Baureihe<br />

481 ein Rad.<br />

12. Mai 2009 Schreiben von VBB-Geschäftsführer Hans-Martin<br />

Franz an Rüdiger Grube zur „Problematik S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong>“.<br />

19. Mai 2009 S-<strong>Bahn</strong>-Geschäftsführer Tobias Heinemann<br />

begrüßt am Ostbahnhof den 150.000. S-<strong>Bahn</strong>-Abo-Stamm kunden.<br />

26. & 29. Juni 2009 Das EBA führt Kontrollen bei der S-<strong>Bahn</strong><br />

durch und stellt fest, dass zahlreiche Wagen nicht geprüft wurden.<br />

zu sein. Das Fahrpersonal der S-<strong>Bahn</strong> ist zu 80 Prozent bei der<br />

Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GdL) und nicht<br />

bei der Transnet organisiert.<br />

Und wie kamen die 2005 und 2006 verordneten Strategien<br />

oder die Verlängerungen der Prüfintervalle beim Basispersonal<br />

an? An Ruppert vorbei – oder mit seiner Billigung? Wie<br />

auch immer, er konnte sie nicht aufhalten, und insofern ist<br />

sein Ausscheiden im Mai 2007 zumindest konsequent.<br />

■ ruppert geht – heinemann kommt<br />

Die S-<strong>Bahn</strong>-Linie, die<br />

der Senat nicht wollte,<br />

verordnete die Not:<br />

Gesundbrunnen –<br />

Hauptbahnhof –<br />

Südkreuz. S-<strong>Bahn</strong>en<br />

aus München (Foto)<br />

und Stuttgart helfen<br />

aus. Schlechte<br />

Information und<br />

ständig wechselnde<br />

Abfahrtsgleise im<br />

Hauptbahnhof<br />

führten zu einer<br />

geringen Nachfrage.<br />

Nachfolger von Günter Ruppert als Sprecher der Geschäftsführung<br />

und damit formeller Chef der S-<strong>Bahn</strong><br />

<strong>Berlin</strong> GmbH wurde im Mai 2007 Tobias Heinemann.<br />

<strong>Der</strong> zwar kommunikative und umgängliche, mit der Komplexität<br />

der Ber liner S-<strong>Bahn</strong> aber eher wenig vertraute Heinemann<br />

studierte Rechtswissenschaften und war als Analyst für<br />

die DB AG in Frankfurt am Main tätig. Er hatte unter anderem<br />

zu argumentieren, warum DB Regio und DB Stadtverkehr<br />

im integrierten DB-Konzern im SPNV-Wettbewerb<br />

Vorteile einzubringen in der Lage seien. Heinemann haftete<br />

in seiner kurzen Amtszeit stets der Makel an, nicht genau zu<br />

wissen, was in seinem Betrieb vorgeht, vor allem in technischen<br />

Belangen.<br />

30. Juni 2009 Die S-<strong>Bahn</strong> muss auf Anordnung des EBA 127 von<br />

634 Wagen sofort aus dem Verkehr ziehen.<br />

1. Juli 2009 Auf fast allen Strecken besteht nur 20-Minuten-<br />

Betrieb; die Linien S85 (Grünau – Waidmannslust) und S45<br />

(Hermannstraße – Flughafen Schönefeld) verkehren überhaupt<br />

nicht.<br />

1. Juli 2009 <strong>Der</strong> DB-AG-Vorstand verspricht „lückenlose Aufklärung“<br />

der Vorgänge bei der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>.<br />

2. Juli 2009 Die S-<strong>Bahn</strong>-Vorstände Tobias Heinemann (Vorsitz/<br />

Sprecher), Thomas Prechtl (Finanzen), Olaf Hagenauer (Personal)<br />

und Peter Büsing (Technik) werden vom Aufsichtsrat entlassen.<br />

Thema<br />

S - B A h n B e r l i n<br />

<strong>derFahrgast</strong> · 4/2009 9


<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

Die <strong>Berlin</strong>er müssen mit ständig<br />

wechselnden Fahrplänen leben.<br />

Kurz und schlecht: Es fehlte an den entscheidenden Positionen<br />

in der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> an durchsetzungsstarken Figuren.<br />

Heinemann hatte umzusetzen – das eingangs erwähnte „Qualify<br />

& Qualify Plus-Portfolio“ ebenso wie die Streckung der<br />

Prüfintervalle, die weitere Verschrottung von Fahrzeugen und<br />

den Personalabbau. Doch darf andererseits auch die Frage erlaubt<br />

sein, wie denn ein (lokaler) S-<strong>Bahn</strong>-Chef in Mehdorns<br />

Weltkonzern hätte argumentieren sollen, wenn Mehdorn<br />

schon der Bundespolitik auf der Nase herumtanzt? Tobias<br />

Heinemann, formal Chef einer GmbH, war im Mehdorn-<br />

Konzern faktisch kaum mehr als ein Abteilungsleiter.<br />

Nur darf in technischen Systemen, wie es die S-<strong>Bahn</strong> auch<br />

und sehr maßgeblich ist, der Grundsatz nicht außer Acht gelassen<br />

werden: Vorgaben und Grenzwerte sind unbedingt einzuhalten.<br />

Das können Zeiten sein, abnehmbare Maße (zum<br />

3. Juli 2009 Die neuen S-<strong>Bahn</strong>-Vorstände Peter Buchner (Sprecher),<br />

Christian Kayser (Finanzen), Maik Dreser (Produktion) und<br />

Christoph Wachendorf (Personal) werden vom Aufsichtsrat berufen.<br />

6. Juli 2009 DB-Sprecher Burkhard Ahlert teilt mit: Wann wieder<br />

genug Wagen zur Verfügung stehen, sei „nicht absehbar“.<br />

6. Juli 2009 S-<strong>Bahn</strong>-Betriebsratschef Heiner Wegner nennt den<br />

entlassenen Tobias Heinemann und sein Team „Bauernopfer“.<br />

7. Juli 2009 Die <strong>Berlin</strong>er Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen<br />

gegen die vier entlassenen S-<strong>Bahn</strong>-Manager ein; Verdacht:<br />

„gefährlicher Eingriff in den <strong>Bahn</strong>verkehr“<br />

13. Juli 2009 „<strong>Bahn</strong>-Gipfel“ zwischen DB-AG-Vorstandsvorsitzendem<br />

Rüdiger Grube und dem Regierenden Bürgermeister von<br />

Beispiel und gerade bei Radsätzen) oder Laufleistungen. Und<br />

das betriebswirtschaftliche Bemühen um rationelle Gestaltung<br />

und Erlösmaximierung hat sich technischen Erfordernissen<br />

in jedem Fall unterzuordnen.<br />

Bei allen strukturellen Versäumnissen in der S-<strong>Bahn</strong> selbst:<br />

Diesen Grundsatz hat das DB-Management auf den Kopf<br />

gestellt.<br />

■ <strong>Der</strong> Vertrag mit dem land<br />

Häufig wird der Vertrag zwischen dem Land <strong>Berlin</strong> und<br />

der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH, geschlossen am 26. März<br />

2004, ins Feld geführt und argumentiert, der Senat und<br />

der Senator für Stadtentwicklung, Peter Strieder (SPD), hätten<br />

sich ebenso wie der Verkehrsverbund <strong>Berlin</strong>-Brandenburg<br />

<strong>Berlin</strong>, Klaus Wowereit; Grube: „Ich möchte mich bei allen Kunden,<br />

aber auch beim Land <strong>Berlin</strong> entschuldigen“; konkrete Konsequenzen<br />

nennt Grube nicht.<br />

Ab 13. Juli 2009 DB Regio verdichtet den RE-Takt auf der Stadtbahn<br />

und richtet die Pendel-S-<strong>Bahn</strong> Südkreuz – Gesundbrunnen<br />

mit S-<strong>Bahn</strong>-Garnituren aus München und Stuttgart ein.<br />

14. Juli 2009 Nach Motorbränden steht ein Teil der ODEG- und<br />

PEG-Triebwagen als Alternative zur S-<strong>Bahn</strong> nicht mehr zur Verfügung.<br />

15. Juli 2009 Das EBA verschärft die Sicherheitsauflagen für die<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Triebzüge 481/482.<br />

10 <strong>derFahrgast</strong> · 4/2009


(VBB) seinerzeit über den Tisch ziehen lassen. Das mag heute<br />

so aussehen.<br />

Damals aber gab der über 15 Jahre abgeschlossene Vertrag<br />

vor allem eines: die Zusicherung, dass der S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr<br />

in vollem Umfang weitergeführt wird. Er folgte dem 2001<br />

ausgelaufenen ersten S-<strong>Bahn</strong>-Vertrag, an den sich lediglich<br />

eine mündliche Vereinbarung anschloss. Auch die wichtigsten<br />

Vorgaben waren in Ordnung, unter anderem wurde ein<br />

Pünktlichkeitsgrad von 96 Prozent verlangt. Dafür wollten<br />

die Länder <strong>Berlin</strong> und Brandenburg der S-<strong>Bahn</strong> pro Jahr<br />

rund 250 Millionen Euro (<strong>Berlin</strong> allein 232 Millionen)<br />

zur Er stattung der Betriebskosten überweisen – und sie taten<br />

dies auch.<br />

Die Noten, die die VBB-Kunden in den jährlichen Umfragen<br />

vergeben konnten, wurden in jener Zeit für die S-<strong>Bahn</strong> immer<br />

besser. Die Pünktlichkeit und die Einsatzzuverlässigkeit<br />

der Züge erreichten ebenso wie die Sauberkeit ein gutes bis<br />

sehr gutes Niveau, der Spitzenwert sollte 2006 erreicht werden.<br />

Die S-<strong>Bahn</strong> war sichtbar auf Erfolgskurs. Es erscheint<br />

durchaus nachvollziehbar, dass mit diesen damaligen Erfahrungswerten<br />

und Rupperts persönlicher Reputation der Senat<br />

von <strong>Berlin</strong> einem Vertrag zustimmen konnte, der nur fünf<br />

Prozent Malus bei Fehlleistungen vorsah, Ausschreibungen<br />

sehr eng begrenzte und eine vorzeitige Kündigung oder einen<br />

vorzeitigen Ausstieg seitens eines der Besteller praktisch ausschloss.<br />

Die zu überweisenden jährlichen Summen waren<br />

schließlich Regionalisierungsmittel des Bundes und belasteten<br />

den <strong>Berlin</strong>er Haushalt unmittelbar nicht.<br />

Ein Katastrophenszenario, wie es in diesem Jahr eintrat, lag jedenfalls<br />

außerhalb des Vorstellungsvermögens der am Vertrag<br />

Beteiligten.<br />

■ Probleme tauchen auf und häufen sich<br />

Im November 2006 kam es zu einem Unfall im <strong>Bahn</strong>hof<br />

Papestraße (Südkreuz), an den sich heute nur noch wenige<br />

erinnern: Ein 481-Planzug fuhr auf einen Arbeitszug auf.<br />

<strong>Der</strong> Untersuchungsbericht erschien erst knapp zwei Jahre<br />

später (September 2008) und listete Mängel in der Brems-<br />

und Besandungsanlage auf; die zulässige Geschwindigkeit für<br />

die Baureihe 481 wurde vorerst auf 80 km/h herabgesetzt, die<br />

Anlagen wurden ausgetauscht.<br />

16. Juli 2009 Es werden drastische Einschränkungen, gültig ab<br />

20. Juli (Montag), bekannt gegeben.<br />

16. Juli 2009 Die BVG gibt bekannt, auf den Ferienfahrplan zu<br />

verzichten, um Alternativen zum eingeschränkten S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb<br />

anzubieten.<br />

17. Juli 2009 S-<strong>Bahn</strong>-Gipfel: Senatorin Ingeborg Junge-Reyer,<br />

Ulrich Homburg (DB Personenverkehr), Andreas Sturmowski (BVG)<br />

Peter Buchner (S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong>) und Arnd Schäfer (VBB) vereinbaren<br />

regelmäßige Treffen („Jours fixes“) und tägliche Berichterstattung<br />

der Verantwortlichen an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.<br />

Ab 2007, spätestens 2008 machten sich die Sparvorgaben<br />

des DB-Konzerns bemerkbar. Die Pünktlichkeit sank von<br />

96,4 Prozent (2007) auf 95,3 Prozent (2008), die <strong>Berlin</strong>er<br />

gaben der S-<strong>Bahn</strong> 2007 die Note 2,51, 2008 nur noch 2,6.<br />

Die Sauberkeit in den Zügen ließ merklich nach. Mit Graffiti<br />

besprühte Waggons oder Wagen mit zerkratzten Scheiben<br />

bleiben oft noch eine Woche im Einsatz – der Verkehrsvertrag<br />

verlangt, dass solche Wagen nach spätestens zwei Tagen ausgetauscht<br />

und repariert werden. Ab 2006 geht die S-<strong>Bahn</strong><br />

dazu über, auf dem Ring statt der Vollzüge nur noch Dreiviertelzüge<br />

(sechs statt acht Wagen) fahren zu lassen, was nicht<br />

Dokumente der S-<strong>Bahn</strong>-Krise.<br />

19. Juli 2009 VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz zu den<br />

Spar- und Renditevorgaben der DB AG: „Wenn diese Vorgaben nicht<br />

grundlegend verändert werden, fährt die S-<strong>Bahn</strong> gegen die Wand.“<br />

20. Juli 2009 Ein Notfahrplan tritt in Kraft: <strong>Der</strong> Stadtbahn-Viadukt<br />

zwischen Ostbahnhof und Zoologischem Garten ist ohne S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Betrieb; damit hat u.a. der Hauptbahnhof keinen S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Anschluss; auch auf einigen Außenästen ist kein Betrieb.<br />

23. Juli 2009 <strong>Der</strong> VBB teilt mit, dass am 20. Juli nur 380.000<br />

Fahrgäste die S-<strong>Bahn</strong> genutzt hätten, normal seien in den Ferien<br />

900.000, sonst 1,2 Millionen Fahrgäste; auf die BVG seien nur rund<br />

120.000 S-<strong>Bahn</strong>-Fahrgäste ausgewichen.<br />

Thema<br />

S - B A h n B e r l i n<br />

<strong>derFahrgast</strong> · 4/2009 11


<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

nur den Fahrkomfort verringert, sondern auch die<br />

Aufenthalts zeiten der Züge erhöht, was wiederum die Pünktlichkeit<br />

sinken lässt. Im November 2008 beschäftigten die<br />

Sanierung der noch eingesetzten 485-Garnituren und weitere,<br />

von S-<strong>Bahn</strong>-Sprecher Heinemann als „Sonderthemen“<br />

eingeordnete Arbeiten, das ohnehin reduzierte Werkstattpersonal.<br />

Einzig positiv ist die Gewinnsteigerung: 34 Millionen<br />

Euro wurden 2007 an die DB abgeführt, 2008 waren es<br />

stolze 56 Millionen. In diesem Jahr hätten es 125 Millionen<br />

werden sollen.<br />

■ Das eBA greift ein<br />

Im Januar und noch einmal im Februar 2009 kam es dann<br />

zu ersten massiven Einschränkungen. Materialeinsparungen<br />

bei Schmiermitteln führten zu Ausfällen bei den Fahrsperren,<br />

die Bestandteil der S-<strong>Bahn</strong>-Sicherungstechnik sind.<br />

Zwar stabilisierte sich der Betrieb leidlich, doch nahmen<br />

Pünktlichkeit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit weiterhin ab.<br />

Als am 1. Mai 2009 die Unfälle in Lichtenberg und Kaulsdorf<br />

passierten, klang das noch nach Einzelfällen, auch wenn der<br />

Trend bereits überdeutlich war. Dieser Trend, sicher bekräftigt<br />

durch die Unfälle, veranlasste VBB-Geschäftsführer<br />

Hans-Martin Franz zu einem Schreiben an den neuen Vorstandsvorsitzenden<br />

der Deutschen <strong>Bahn</strong> AG, Rüdiger Grube,<br />

zur Problematik S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong>. Darin schrieb er unter anderem:<br />

„In den letzten Monaten sind [...] Verspätungen, Zugausfälle<br />

und sonstige Qualitätsmängel an der Tagesordnung.“<br />

Ein von Franz vorgeschlagenes Vieraugengespräch kommt<br />

nicht zustande. <strong>Der</strong> VBB veröffentlichte seine Erkenntnisse<br />

über die rasch sinkende Zuverlässigkeit der S-<strong>Bahn</strong> bereits im<br />

Juni in seinem Qualitätsbericht.<br />

Die S-<strong>Bahn</strong>-Führung versuchte sich zunächst mit einer<br />

Selbstverpflichtung zu retten und sagte die wöchentliche<br />

Prüfung der Räder an den 481/482-Garnituren zu.<br />

Als jedoch das mit der technischen Aufsicht betraute Eisenbahn-Bundesamt<br />

(EBA) am 26. und wiederholt am 29. Juni<br />

zahlreiche Wagen vorfand, die entgegen den Zusagen der<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Führung nicht geprüft wurden, zog es in aller Konsequenz<br />

die Notbremse und verfügte die sofortige Abstellung<br />

rund eines Viertels der Flotte. Was weiter geschah, ist in Form<br />

einer Chronik skizziert.<br />

26. Juli 2009 Die Ersatz-S-<strong>Bahn</strong>en der S21 Gesundbrunnen –<br />

Südkreuz werden nur mäßig genutzt; Kritiker bemängeln fehlende<br />

Information.<br />

27. Juli 2009 Die <strong>Berlin</strong>er Senatorin für Stadtentwicklung,<br />

Ingeborg Junge-Reyer, gibt bekannt, dass sie im Herbst den<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Vertrag nachverhandeln will, u.a. sollen höhere Strafzahlungen<br />

möglich werden.<br />

27. Juli 2009 Forsa-Umfrage: In der Rangliste der größten Probleme<br />

<strong>Berlin</strong>s führt die S-<strong>Bahn</strong>; sie verdrängt die Wirtschafts- und<br />

Finanzlage der Stadt auf den zweiten Platz; 42 Prozent der Befragten<br />

wollen einen neuen S-<strong>Bahn</strong>-Betreiber, falls die DB AG die Probleme<br />

nicht in den Griff bekommt.<br />

■ „ <strong>Berlin</strong>er Verhältnisse“<br />

„Ein Bild des Jammerns“ – „<strong>Der</strong> Notfall wird zur Routine“<br />

(<strong>Berlin</strong>er Zeitung) – „Ich habe das Vertrauen in die handelnden<br />

Personen verloren“ – „Ein Prozess, der eskaliert ist“<br />

(VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz) – „Gegen die<br />

Wand“ (Modelleisenbahner) – „Die Mehdorn-<strong>Bahn</strong> ist kollabiert“<br />

(Eisenbahn-Kurier) – „Schon am Tiefpunkt?“ (<strong>Berlin</strong>er<br />

Fahrgastverband IGEB) – „Lehrbeispiel für die Unfähigkeit<br />

von Politikern, öffentliche Interessen durchzusetzen“ (Lausitzer<br />

Rundschau) – „Das ist mehr als ein Schock und kann<br />

den Kunden nicht mehr erklärt werden“ (Brandenburgs<br />

Infrastrukturminister Reinhold Dellmann) – „Wann herrschen<br />

in <strong>Berlin</strong> wieder Zustände, die der westlichen Zivilisation<br />

angemessen sind?“ (Staatssekretär Achim Großmann im<br />

Bundestags-Verkehrsausschuss) – von welcher Seite auch<br />

immer, ob der <strong>Berlin</strong>er oder Brandenburger Tagespresse, den<br />

Eisenbahnfreunden oder Verantwortlichen in Politik und<br />

Verwaltung: So etwas wie Verständnis für die <strong>Berlin</strong>er<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Katastrophe war in den letzten Wochen und Monaten<br />

nicht zu finden. Die Politik vor allem des Bundes muss<br />

sich schon fragen lassen, ob sie den Aufsichts(rats)pflichten<br />

über ihr Unternehmen DB AG hinreichend nachgekommen<br />

ist. Insofern ist beispielsweise die Frage von Aufsichtsratsmitglied<br />

Staatssekretär Großmann zwar berechtigt, aber auch<br />

scheinheilig.<br />

Daher warnt die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv),<br />

dem auch der Fahrgastverband PRO BAHN angehört, angesichts<br />

der Sparvorgaben im gesamten DB-Konzern vor<br />

„Ber liner Verhältnissen“. Erste Probleme in verschiedenen<br />

DB-Regio-Bereichen gibt es bereits, ob in Nordrhein-Westfalen<br />

oder in den Großräumen Nürnberg und Augsburg.<br />

■ ein Blick nach draußen<br />

Erstaunlich ist, dass die Deutschen anscheinend alle Fehler<br />

noch einmal machen oder das Rad (sic!) zum fünften Mal<br />

erfinden müssen. Andere Länder haben ihre Erfahrungen<br />

hinter sich oder sich gar nicht erst auf fragwürdige Abenteuer<br />

eingelassen. Ein Blick in einige Nachbarländer hätte der <strong>Bahn</strong><br />

im Allgemeinen und der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> im Speziellen das<br />

Sommerchaos von 2009 auch erspart.<br />

28. Juli 2009 Drei von außerhalb zugeführte Busse, die im SEV<br />

Wannsee – Messe Süd eingesetzt waren, werden von der Polizei<br />

wegen technischer Mängel außer Betrieb genommen.<br />

1. August 2009 <strong>Der</strong> erste DB-AG-Vorstandsvorsitzende Heinz<br />

Dürr sagt im „<strong>Berlin</strong>er Kurier“: „Ich habe als <strong>Bahn</strong>-Chef immer<br />

gefordert, dass wir unsere Züge gnadenlos überprüfen müssen.<br />

Täglich transportieren wir Tausende von Menschen. Da darf es<br />

auch nicht den geringsten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Technik<br />

geben.“<br />

3. August 2009 <strong>Der</strong> Notfahrplan wird teilweise aufgehoben, auf<br />

dem Stadtbahnviadukt fahren wieder S-<strong>Bahn</strong>en; zeitweilig ist Potsdam<br />

jedoch nicht mit der S-<strong>Bahn</strong> erreichbar.<br />

12 <strong>derFahrgast</strong> · 4/2009


Großer Andrang zu den Regionalzügen, die die S-<strong>Bahn</strong> auf dem Stadtbahnviadukt ersetzen.<br />

Schweden zum Beispiel schreibt seine Verkehrsleistungen seit<br />

2002 konsequent aus, verankert in den Ausschreibungen aber<br />

technische Bedingungen, die nachgewiesen werden müssen<br />

und die keinesfalls unterschritten werden dürfen. Andernfalls<br />

werden erteilte Lizenzen auch schon mal zurückgezogen und<br />

es kommt ein Konkurrent, meist die staatliche SJ (Statens<br />

Järnvägar), zum Zug.<br />

Frankreich hat – trotz EU-Vorgaben – es bisher vermocht, beispielsweise<br />

die Infrastruktur seiner Schienenwege in staatlicher<br />

Hand zu behalten; die RATP, die U-<strong>Bahn</strong>en und Busse in<br />

der Hauptstadt betreibt, ist bis heute in kommunaler (Pariser)<br />

Hand, eine Änderung dieses Status ist eher nicht in Aussicht.<br />

Auch und gerade Großbritannien hat aus dem Beinahe-<br />

Zusammenbruch seiner totalen <strong>Bahn</strong>privatisierung gelernt.<br />

Seit 2002 verwaltet die staatliche Network Rail das Eisenbahnnetz,<br />

das wieder mit öffentlichen Geldern ausgebaut und<br />

modernisiert wird.<br />

6. August 2009 <strong>Der</strong> bisherige Bereichsleiter Fahrzeuginstandhaltung,<br />

Nils-Fischer Cornelssen, wird von seinen Aufgaben entbunden;<br />

ihm folgt Jürgen Strippel (früher: Fahrzeuginstandhaltung<br />

bei der S-<strong>Bahn</strong> München).<br />

6. August 2009 Da die Pläne zum Personalabbau nur ausgesetzt<br />

sind, drohen <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>er mit einem Streik während der<br />

Leichtathletik-Weltmeisterschaften.<br />

9. August 2009 DB-Vorstandsvorsitzender Rüdiger Grube äußert<br />

im „Spiegel“ Unverständnis darüber, dass nach den Radsatzproblemen<br />

von 2003 die DB AG keine Gewährleistungsansprüche gegenüber<br />

dem Hersteller angemeldet habe; auch rückt er in Details<br />

(Zeitraum, Kapitalmarkt seit 2008 nicht mehr intakt) vom geplanten<br />

Börsengang ab.<br />

Wenn man sich erinnert: Die bekannt gewordenen Eisenbahnunfälle<br />

von der Insel hatten alle ihre Ursache in mangelhafter<br />

Wartung, auch und gerade von Sicherheitseinrichtungen,<br />

und Ursache waren straffe Renditevorgaben und das<br />

langjährige Fehlen öffentlicher Gelder!<br />

■ Was zu tun ist<br />

Ganz ohne Zweifel sind, das ist mittlerweile partei- und<br />

interessengruppenübergreifender Konsens, die Renditevorgaben<br />

der Deutschen <strong>Bahn</strong> AG für die S-<strong>Bahn</strong><br />

zurückzunehmen, und zwar ersatzlos. Das „Qualify & Qualify<br />

Plus-Portfolio“ gehört nicht nur in den Papierkorb,<br />

sondern muss aus sämtlichen Aktenschränken der DB AG<br />

verschwinden und ist ebenso von allen Festplatten und<br />

mobilen Datenträgern, notfalls samt diesen, zu entsorgen.<br />

Konzernchef Rüdiger Grube sagte dem Hamburger Abend-<br />

9. August 2009 <strong>Der</strong> „Tagesspiegel“ berichtet, dass der S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Vertrag vom Land <strong>Berlin</strong> 2003/2004 „extrem schlecht“ ausgehandelt<br />

worden sei.<br />

10. August 2009 Früher als nach dem Notfahrplan geplant,<br />

nimmt die S-<strong>Bahn</strong> 25 zusätzliche (Viertel-)Züge wieder in Betrieb.<br />

11. August 2009 Die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> hat mobile Ultraschallgeräte<br />

geordert, um die Radsatzüberprüfung zu beschleunigen.<br />

12. August 2009 Knapp die Hälfte des 481/482-Wagenparks<br />

steht wieder zur Verfügung.<br />

27. August 2009 Die S-<strong>Bahn</strong> will ab 31. August 678 Wagen<br />

(339 Viertelzüge, rund 54 Prozent des 481/482-Bestands) wieder<br />

einsetzen.<br />

Thema<br />

S - B A h n B e r l i n<br />

<strong>derFahrgast</strong> · 4/2009 13


<strong>Der</strong> <strong>Absturz</strong><br />

blatt: „<strong>Der</strong> Börsengang ist kein Selbstzweck. In der aktuellen<br />

Situation würden damit nur Werte vernichtet“, und räumte<br />

ein, dass man sich mit dem Börsengang frühestens 2013 auseinandersetzen<br />

könne. Für die vollständige Aufgabe des fragwürdigen<br />

Konzepts gibt es selbst seitens der Konzernspitze<br />

kein stichhaltiges Argument mehr.<br />

Wie in anderen DB AG-Bereichen, ist gerade für den<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb die Kostenwahrheit herzustellen. Das<br />

betrifft insbesondere die Trassen- und <strong>Bahn</strong>hofsnutzungskosten:<br />

Es ist nicht nachvollziehbar, dass für unbesetzte<br />

<strong>Bahn</strong>höfe dasselbe eingenommen wird wie für besetzte, ebenso<br />

wenig dürfen Trassen im Außenbereich dasselbe kosten wie<br />

Trassen auf der Stadtbahn.<br />

Das Land <strong>Berlin</strong> muss mit dem VBB eine Lösung finden, die<br />

spätestens ab 2017, dem Zeitpunkt neuer Vergaben, im Fall<br />

der Direktvergabe von Leistungen deutlich formulierte und<br />

drastische Sanktionen vorsieht, notfalls auch einen Ausstieg<br />

des Landes und die Beauftragung eines neuen Betreibers.<br />

Aus allen Unterlassungen und Fehlern des Verkehrsvertrags<br />

von 2004 sind die strengsten<br />

Lehren zu ziehen. Und<br />

vor dem Hintergrund des<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Sicherungsvertrags<br />

von 2004 sollen auch im<br />

<strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>-Netz Ausschreibungen<br />

nicht mehr<br />

ausgeschlossen werden. Vor<br />

dem Hintergrund der Hoheit<br />

<strong>Berlin</strong>s über die BVG ist<br />

zwar eine Betrauung derselben<br />

mit dem S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb<br />

denkbar, doch sei hier<br />

daran erinnert, dass das die<br />

Probleme nur verlagert –<br />

nämlich zum <strong>Berlin</strong>er Landeshaushalt.<br />

Doch auch die S-<strong>Bahn</strong> selbst<br />

muss versäumte Strukturerneuerungen<br />

dringend nachholen.<br />

Eine Aufstockung<br />

des Werkstattpersonals um<br />

31. August 2009 Wegen der Bauarbeiten am Ostkreuz kommt es<br />

zu langfristig geplanten Linienverlegungen.<br />

6. September 2009 Nachdem sich der Verkehr leidlich stabilisiert<br />

hat, wird bekannt, dass die Bremszylinder der 481/482 ebenfalls<br />

schadhaft sind.<br />

8. September 2009 Nur 100 – im Laufe des Tages 130 – Viertelzüge<br />

der Baureihe 481 stehen dem Betrieb zur Verfügung; 23<br />

S-<strong>Bahn</strong>höfe werden erneut gesperrt, der Ring und drei Nord-Süd-<br />

Linien bilden erneut das Basisangebot der S-<strong>Bahn</strong>; einen offiziellen<br />

Notfahrplan gibt es vorerst nicht.<br />

9. September 2009 Die Deutsche <strong>Bahn</strong> AG schafft, ausgelöst<br />

durch die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>-Krise und weitere technische Probleme<br />

an Fahrzeugen des Konzerns (ICE-3, ICE-T, Güterwagen), einen<br />

100 Mitarbeiter ist ein erster Schritt. Die Wartungstechnologie<br />

ist komplett auf die neuen Fahrzeuge zuzuschneiden, zumal<br />

die Flotte ab 2014 weiteren Zuwachs erfahren soll (und<br />

muss). Sollte es tatsächlich zu einer Beauftragung der BVG<br />

für den S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb oder zu Ausschreibungen von Teilnetzen<br />

kommen, sind die seligen Zeiten der bisherigen Werkstattstruktur<br />

ohnehin passé.<br />

Als Fahrgast kann man auch im Fall eines Notbetriebs zumindest<br />

verlangen, dass es ausreichende und aktuelle Informationen<br />

zum Betrieb gibt. Die Homepage der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong><br />

ließ dagegen in der ersten Septemberwoche lediglich wissen,<br />

dass man derzeit keinen verbindlichen Fahrplan anbieten<br />

könne. Auch die Informationen an den <strong>Bahn</strong>höfen waren unvollständig<br />

und nicht immer auf dem letzten Stand. Zudem<br />

rächt es sich, dass zahlreiche S-<strong>Bahn</strong>höfe nicht mehr besetzt<br />

sind. Selbst die Ersatzverkehre hatten unter mangelnder<br />

In formation zu leiden. Daher wurde der erste Einsatz von<br />

S-<strong>Bahn</strong>en im neuen Nord-Süd-Tunnel mangels Nachfrage<br />

nach rund zwei Wochen wieder eingestellt.<br />

Eine funktionierende S-<strong>Bahn</strong>: Unverzichtbarer Teil des <strong>Berlin</strong>er Lebens.<br />

neuen Vorstandsposten für Technik; Volker Kefer (53) war lange<br />

Jahre bei Siemens Transportation Systems tätig.<br />

10. September 2009 Die „<strong>Berlin</strong>er Zeitung“ berichtet, dass die<br />

Bremsanlagen schon seit 2004 nur noch unvollständig untersucht<br />

worden seien.<br />

14. September 2009 Die S-<strong>Bahn</strong> muss einräumen, dass ihr nicht<br />

genug Bremszylinder zur Verfügung stehen; sie rechnet mit Lieferzeiten<br />

von mindestens drei Wochen.<br />

22. September 2009 Die S-<strong>Bahn</strong> bekommt die Probleme an den<br />

Bremsanlagen nicht in den Griff und muss erneut Untersuchungsintervalle<br />

verkürzen<br />

28. September 2009 Die Stadtbahn wird nach drei Wochen wieder<br />

befahren. 210 Viertelzüge sind wieder einsatzfähig.<br />

14 <strong>derFahrgast</strong> · 4/2009

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