Rundbrief Nr. 1 - Verwaiste Eltern und Geschwister Bremen eV
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seines hochbegabten Helden zum Leben<br />
<strong>und</strong> zum Glück thematisiert. Einfach ausgedrückt:<br />
Wer tief denkt, muss zwangsläufig<br />
an Menschheit <strong>und</strong> Welt verzweifeln. Aus<br />
dieser Beobachtung folgert Ehrenberg: Die<br />
moderne Psychologie kümmert sich nicht<br />
mehr um die Gemütslage des Patienten, um<br />
die Ursachen seiner Traurigkeit, sondern<br />
konzentriert sich auf die mangelhafte Fähigkeit<br />
des Depressiven zu handeln, in der Gesellschaft<br />
"seinen Mann/seine Frau zu stehen".<br />
Nicht die Erforschung der Ursachen<br />
der Traurigkeit steht im Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
damit die (wenn auch ungewisse) Hoffnung<br />
auf Heilung, sondern die Wiederherstellung<br />
der Handlungsfähigkeit als "nützliches Mitglied<br />
der Gesellschaft".<br />
Ehrenberg zitiert den provokant-ironischen<br />
Satz des amerikanischen Psychiaters Gold<br />
aus seinem 1995 erschienen Buch "The<br />
Good News about Depression": "Sie (die<br />
Depressiven) hätten sich keinen besseren<br />
Augenblick in der Geschichte der Menschheit<br />
aussuchen können, um sich unglücklich<br />
zu fühlen." Schließlich würden die modernen<br />
Psychologen den Depressiven nicht<br />
länger als "verrückt" betrachten, sondern<br />
genau wie einen Patienten mit einer Mandelentzündung.<br />
Wobei sie mit der neuen<br />
Generation von Antidepressiva (Serotonin)<br />
sogar eine Genesung "mit Vergnügen" versprechen<br />
könnten.<br />
D. G.<br />
Karin Grabenhorst - 1001-Nacht<br />
DIE SCHWERSTEN WEGE<br />
für R.H.<br />
Die schwersten Wege<br />
werden alleine gegangen,<br />
die Enttäuschung, der Verlust,<br />
das Opfer<br />
sind einsam.<br />
Selbst der Tote der jedem Ruf antwortet<br />
<strong>und</strong> sich keiner Bitte versagt<br />
steht uns nicht bei<br />
<strong>und</strong> sieht zu<br />
ob wir es vermögen.<br />
Die Hände der Lebenden die sich ausstrecken<br />
ohne uns zu erreichen<br />
sind wie die Äste der Bäume im Winter.<br />
Alle Vögel schweigen.<br />
Man hört nur den eigenen Schritt<br />
<strong>und</strong> den Schritt den der Fuß<br />
noch nicht gegangen ist aber gehen wird.<br />
Stehenbleiben <strong>und</strong> sich Umdrehn<br />
hilft nicht. Es muss<br />
gegangen sein.<br />
Nimm eine Kerze in die Hand<br />
wie in den Katakomben,<br />
das kleine Licht atmet kaum.<br />
Und doch, wenn du lange gegangen bist,<br />
bleibt das W<strong>und</strong>er nicht aus,<br />
weil das W<strong>und</strong>er immer geschieht,<br />
<strong>und</strong> weil wir ohne die Gnade<br />
nicht leben können:<br />
Die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags,<br />
du bläst sie lächelnd aus<br />
wenn du in die Sonne trittst<br />
<strong>und</strong> unter den blühenden Gärten<br />
die Stadt vor dir liegt,<br />
<strong>und</strong> in deinem Hause<br />
dir der Tisch weiß gedeckt ist.<br />
Und die verlierbaren Lebenden<br />
<strong>und</strong> die unverlierbaren Toten<br />
dir das Brot brechen <strong>und</strong> den Wein reichen -<br />
<strong>und</strong> du ihre Stimme wieder hörst<br />
ganz nahe<br />
bei deinem Herzen.<br />
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