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Biotechnologie, Biopolitik und die Frage nach dem Lebendigen

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Theoretiker als von ihm unabhängig existierend angenommen wird. Ein Phänomen also, der<br />

das erkennende Subjekt in objektivierender Distanz gegenübersteht. Der Theoretiker ist der<br />

reine Intellekt, der Leben erkennt, ohne an ihm teilzuhaben. Zwischen ihm <strong>und</strong> den zu<br />

erkennenden Objekten besteht eine Kluft, <strong>die</strong>, das ist seine Überzeugung, allein durch seine<br />

wissenschaftlichen Erkenntnismethoden überw<strong>und</strong>en werden kann.<br />

Diese Haltung führt zu einer entstellenden Sicht beider - des erkennenden Subjekts wie auch<br />

der zu erkennenden Wirklichkeit, <strong>und</strong> das hat für eine Wissenschaft vom Leben gravierende<br />

Konsequenzen. Entstellt ist <strong>die</strong> Sicht des erkennenden Subjekts als lebendigem Wesen, aber<br />

auch <strong>die</strong> Sicht der Phänomene des <strong>Lebendigen</strong>, <strong>die</strong> sich einer reduktionistischen Einordnung<br />

in <strong>die</strong> Welt bloßer materialer Objekte hartnäckig entziehen. So wird im biowissenschaftlichen<br />

Forschungsprozesses Leben zum Objekt der Erkenntnis im strengen Sinne des Wortes<br />

„Objekt“, nämlich zum Erzeugnis des Labors. Molekulare Komponenten von Leben, also man<br />

nun das „Biotische“ nennt, werden isoliert <strong>und</strong> technisch verfügbar gemacht, etwa<br />

millionenfach kopierte Sequenzen von DNS, <strong>die</strong> Ausgangsmaterial zur Sequenzierung des<br />

Genoms liefert. Der Blick in <strong>die</strong> molekulare Dimension des Lebens ist neu <strong>und</strong> faszinierend.<br />

Das ist zugleich jene Dimension, in der Leben in besonderer Weise technisch manipulierbar<br />

<strong>und</strong> verfügbar wird.<br />

Der Zugriff, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Biopolitik</strong> unternimmt, richtet sich nicht aufs Molekulare, nicht auf <strong>die</strong><br />

Gene oder den Genotyp, sondern auf den Phänotyp, insbesondere auf den Phänotyp Mensch<br />

in seiner körperlichen Erscheinungsform. Sie kümmert sich übrigens weniger um den<br />

einzelnen Körper, sondern ums Ganze, um den Volkskörper, den sie zu modellieren sucht. Sie<br />

be<strong>die</strong>nt sich dazu vieler Mittel, der Überwachung, der Indoktrination, der Bestrafung, der<br />

Einschließung, der Techniken der Medizin <strong>und</strong> auch der <strong>Biotechnologie</strong>n als Mittel zur<br />

Realisierung bevölkerungspolitischer Ziele. Die Vision einer <strong>Biopolitik</strong> gehen zurück bis auf<br />

Platon, der seinen Staat mit den ältesten biopolitischen Mitteln herzustellen versucht, nämlich<br />

durch Züchtung - Menschenzüchtung. Und schon bei Platon ist <strong>Biopolitik</strong> zunächst <strong>und</strong> in<br />

erster Linie Geschlechterpolitik. Seit der Antike wird vor allem der Körper der Frau als das<br />

vornehmliche Objekt biopolitischer Kontrolle betrachtet. Es ist Teil der biopolitischen<br />

Strategie, durch <strong>die</strong> Frauen auf ihre Körperlichkeit festgelegt werden. Und wenn man ihnen,<br />

den Frauen, <strong>die</strong> Fähigkeiten des Geistes, <strong>die</strong> man Männern zusprach, nicht zuerkennen wollte,<br />

so war es deshalb, weil ihr Körper <strong>und</strong> sein generatives Potential in Besitz genommen werden<br />

sollte. Denn Frauen sind <strong>die</strong> Verkörperung des Potentials, durch das sich ein Volkskörper<br />

erhält <strong>und</strong> deshalb ist er Objekt der biopolitischen Kontrolle. Die Geschichte der Kontrolle<br />

der Frauen <strong>und</strong> ihres Körpers ist hinlänglich gut dokumentiert. Sie ist heute in vielem<br />

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