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Biotechnologie, Biopolitik und die Frage nach dem Lebendigen

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Leben ist aus <strong>die</strong>ser Sicht der fortgesetzte Versuch, <strong>die</strong> eigenen Grenzen, <strong>die</strong> eigene Position<br />

aufrechterhalten gegenüber der Umwelt. Aber Leben ist zugleich ein Prozess des ständigen<br />

Austausches mit <strong>die</strong>ser Umwelt. Diese Gr<strong>und</strong>strukturen des <strong>Lebendigen</strong>, Situiertheit <strong>und</strong><br />

Positionalität, nehmen auf einer bestimmten Form der Stufe der Entwicklung organischen<br />

Lebens <strong>die</strong> Form bewusster Subjektivität an. Das ist dann der Fall, wenn der lebendige<br />

Organismus über ein zentrales Steuerungsorgan verfügt, ein Zentralnervensystem. Dann<br />

entwickeln sich Intelligenz <strong>und</strong> Gedächtnis, <strong>und</strong> wenn darüber hinaus <strong>die</strong> Fähigkeit zur<br />

Symbolisierung entsteht, werden <strong>die</strong> eigentümliche Gerichtetheit, das Umweltverhältnis, <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Selbstwahrnehmung des Lebewesens bewusst <strong>und</strong> der Reflexion zugänglich. Der Mensch<br />

ist als lebendes Wesen in der Lage, sich durch seine mentalen <strong>und</strong> symbolischen Fähigkeiten<br />

ein Bild von sich <strong>und</strong> seiner Wirklichkeit zu schaffen, sich gewissermaßen von außen als<br />

Ganzes in den Blick zu nehmen, ja sich selbst zum Objekt der Forschung zu machen. Trotz<br />

<strong>die</strong>ser Fähigkeiten zur Selbstdistanzierung im Medium des Symbols bleibt er jedoch<br />

geb<strong>und</strong>en an seine Positionalität <strong>und</strong> Situiertheit, <strong>und</strong> das heißt, an seinen Leib. Das sich<br />

erkennende Selbst bleibt sich seiner Positionalität <strong>und</strong> seiner Situiertheit bewusst. Aber es<br />

kann sie auch, jedenfalls in seinen Bildern <strong>und</strong> Phantasien von sich selbst, leugnen <strong>und</strong><br />

verdrängen. Eben <strong>die</strong>s geschieht durch eine objektivistische Sicht des Lebendigem.<br />

Positionalität <strong>und</strong> Situiertheit sind strukturelle Merkmale des <strong>Lebendigen</strong>. Sie müssen im<br />

Blick bleiben, wenn man daran geht, <strong>die</strong> Phänomene des <strong>Lebendigen</strong> aus ihrer<br />

Binnenperspektive zu beschreiben am Leitfaden der <strong>Frage</strong>, was es für jemanden heißt,<br />

lebendig zu sein. Dies herauszuarbeiten wäre <strong>die</strong> Aufgabe einer Phänomenologie des<br />

<strong>Lebendigen</strong>. Das biologische Gr<strong>und</strong>phänomen, nämliche <strong>die</strong> Fähigkeit des <strong>Lebendigen</strong>, sich<br />

selbst zu erhalten, impliziert für eine phänomenologische Sichtweise zunächst Spontaneität.<br />

Spontaneität ist <strong>die</strong> Eigentümlichkeit, kraft derer jedes Lebendige, das über seine vitalen<br />

Energien verfügt, aus sich heraus aktiv zu sein, um sich selbst zu erhalten. Aufgr<strong>und</strong> seiner<br />

Spontaneität ist ein lebendiges Wesen fähig, ein Verhältnis zur Umwelt zur Erhaltung der<br />

vitalen Lebensfunktionen zu entwickeln <strong>und</strong> zu stabilisieren. Spontaneität ist also ein erstes<br />

Gr<strong>und</strong>merkmal des <strong>Lebendigen</strong>, eine seiner erstaunlichsten Eigenschaften, <strong>die</strong> sich einer<br />

deterministischen Deutung entzieht. Spontaneität manifestiert sich zunächst in elementarer<br />

Form als Selbstbewegung, etwa als Fluchtbewegung oder als Nahrungssuche Zur<br />

Selbstbewegung kommt Umweltfähigkeit, denn Bewegung ist immer Bewegung in einer<br />

Umwelt. Umweltfähigkeit bedeutet Sensitivität, Reaktionsfähigkeit, Orientierungsfähigkeit -<br />

alles Fähigkeiten, <strong>die</strong> man schon bei einfachen Organismen beobachten <strong>und</strong> als eine Form der<br />

„Proto-Subjektivität“ bezeichnen kann, denn sie entwickeln sich lange vor den Formen<br />

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