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Architektur als Ernstfall Sakralisierung und Profanisierung als ...

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Lesetexte zur VL Dr. J. Rauchenberger, Sakralarchitektur in der Gegenwart, SS 2007: F. Gr<strong>und</strong>mann: <strong>Architektur</strong> <strong>als</strong> <strong>Ernstfall</strong>.<br />

<strong>Sakralisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Profanisierung</strong> <strong>als</strong> Polarität, in: Kunst <strong>und</strong> Kirche 3/2002 (Sakralität), 169-173<br />

War es nicht so, dass die urchristlichen Gemeinden z.B.<br />

die Katakomben Roms <strong>als</strong> Orte ihrer Treffen benutzten?<br />

Es waren Räume ohne ein Außen, aber mit einem um so intensiveren Innen. Erst nachdem das<br />

Christentum um 380 n. Chr. zur Staatsreligion aufstieg, ändern sich die Maßstäbe. Trotz der<br />

Paulus-Worte sind Dome <strong>und</strong> Kathedralen <strong>als</strong> Sakralarchitekturen imponierender Größe<br />

entstanden. Dies folgt aus der Einheit von Kirche <strong>und</strong> weltlicher Macht ihrer Zeit, entspricht<br />

aber nicht primär christlichem Gr<strong>und</strong>verständnis. Im Zusammenhang dieser Betrachtung ist<br />

interessant, dass Krypten <strong>und</strong> Seitenschiffe der Kirchenbauten immer auch <strong>als</strong> Grablegen für<br />

Bischöfe <strong>und</strong> weltliche Herrscher dienten. Darüber hinaus wurde mit religiösem Eifer dafür<br />

gesorgt, durch Reliquien <strong>und</strong> Erinnerungsstücke der Märtyrer eine Verbindung zur<br />

christlichen Geschichte zu schaffen. Daraus erwuchs besondere Auszeichnung für die<br />

Gebäude. Die bei historischen Kirchengebäuden empf<strong>und</strong>ene immanente Sakralität wird<br />

dadurch zumindest verstärkt. Die Analogie zu "feierlicher Fürsorge für die Toten" früher<br />

Gesellschaften ist evident. Die Wurzel dessen, was in der zeitgenössischen Sprache <strong>als</strong> sakral<br />

benannt wird, hat hier ihren Ursprung. Daran zu erinnern, sei erlaubt, wenn aufgr<strong>und</strong> heutiger<br />

Verhältnisse von inflationärem Verschleiß ehem<strong>als</strong> sakral geb<strong>und</strong>ener Gestalt zu sprechen ist.<br />

Bemerkenswert wird, dass in den pluralistisch strukturierten<br />

Gesellschaften der westlichen Industrienationen sich, umgekehrt zum Rückgang kirchlicher<br />

Relevanz, allmählich kollektives Bewusstsein aus gemeinsamem Schicksal manifestiert, u.a.<br />

in millionenfachen Toten <strong>und</strong> dem Leid des Zweiten Weltkrieges. 3 Ein weiteres furchtbares<br />

Exempel in vorstehendem Sinn hat sich aus dem Ablauf der Ereignisse vom 11. September<br />

2001 in New York ergeben.<br />

"Gro<strong>und</strong> Zero" ist in die Bilder der Gegenwart <strong>als</strong> ein gewaltiges Totenmal eingebrannt <strong>und</strong><br />

löste eine Globalisierung der Angst 4 mit unabsehbaren Folgen aus. Die emotionale<br />

Aussagekraft ist immanent. Deren Interpretation ist im Gange.<br />

Der mit der Gestaltsprache der <strong>Architektur</strong> verb<strong>und</strong>ene Wirkungstransfer lässt sich in allen<br />

Epochen der Baugeschichte erkennen. Er ist geradezu der Antrieb ihrer Entwicklung.<br />

Archetypische Elementarformen bilden stets die Basis für architektonische Entfaltung.<br />

Religiös geb<strong>und</strong>ener Kult bemächtigt sich ihrer. Dies schließt nicht aus, dass sakral besetzte<br />

Formen im Fortgang kultureller Entwicklung in andere Zusammenhänge übertragen <strong>und</strong><br />

damit neu interpretiert werden. Sie bilden seit jeher den Stoff für die "historische<br />

Konstruktion". 5 Wie könnte man z.B. die allmähliche inhaltliche Transformation der<br />

3 Siehe dazu Hans-Georg Soeffner. in: Kunst + Kirche 2/95, S. 86.<br />

4 Mike Davis, "Dead Cities", in: FAZ vom 7. Dezember 2001.<br />

5 Walter Benjamin, zit. nach Kunst + Kirche 2/95,5.81.

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