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September 2008 (PDF) - an.schläge

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40 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> oktober <strong>2008</strong><br />

Beschränktes<br />

Subjekt<br />

Aufschlussreiches zur Differenz<br />

von okzidentalen<br />

und orientalen Geschlechter-<br />

und Subjektvorstellungen<br />

versprach dieses<br />

Buch. Denn gerade der Begriff<br />

des „Subjekts“ (und<br />

all seinen bedeutungsschw<strong>an</strong>geren Konnotationen)<br />

ist ja eine abendländische (Aus)Geburt.<br />

Doch ein Gutteil der Studie beschäftigt sich mit<br />

der Entwicklung des „Werkzeugs“ „für die diskurstheoretische<br />

Analyse von Interviewtexten“, womit<br />

die Autorin „einen Beitrag zur Diskussion der<br />

Diskurs<strong>an</strong>alyse als eigenständiger Methode der<br />

qualitativen Sozialforschung leisten möchte“. Die<br />

Publikation ist also in erster Linie eine soziologieimm<strong>an</strong>ente<br />

Diskussion zwischen Sozialkonstruktivismus<br />

und Diskurs<strong>an</strong>alyse, um beide erkenntnistheoretischen<br />

Labels zusammen zu bringen.<br />

Hierzu wird ein eloquenter kultursoziologischer,<br />

gendertheoretischer, postkolonialistischer<br />

und … und … Parcours geliefert, der auch gegen eigene<br />

Wissenslücken hilfreich sein k<strong>an</strong>n. Das Spezielle<br />

<strong>an</strong> der Lektüre ist der selbstkritische Nachvollzug<br />

des Entstehungsprozesses der Studie selber,<br />

also dass die Autorin ihre eigenen Vor<strong>an</strong>nahmen<br />

durch den G<strong>an</strong>g der diskurs<strong>an</strong>alytischen<br />

AutorInnen hindurch modifiziert.<br />

Anh<strong>an</strong>d von Interviews mit Jugendlichen<br />

verschiedener Herkünfte zur Frage, ob es einem/einer<br />

schon mal passiert sei, jem<strong>an</strong>den als<br />

Frau/M<strong>an</strong>n zu identifizieren, um d<strong>an</strong>n festzustellen,<br />

dass m<strong>an</strong> sich geirrt habe, werden die<br />

unterschiedlichen diskursiven Regeln als M<strong>an</strong>n<br />

bzw. Frau in westlichen und in muslimischen<br />

Vor- und Darstellungen zu gelten, erforscht. Und<br />

hier bei den Schlussfolgerungen wird es für ein<br />

Erkenntnisinteresse <strong>an</strong> der Themenstellung<br />

selbst sp<strong>an</strong>nend. Ein paar Sequenzen daraus: in<br />

der abendländischen „Zivilisationsgeschichte“<br />

ist Sexualität (seit Augustinus und mit Foucault)<br />

immer in der Nähe des Übels verortet,<br />

während im muslimischen Kontext diese den<br />

Vorgeschmack auf das Paradies darbietet. Von<br />

daher geht es dem westlichen Subjekt hier um<br />

den „Willen zu Wissen“, darum, das eigene Begehren<br />

zu <strong>an</strong>alysieren, während es im muslimischen<br />

Rahmen um den „Gebrauch der Lüste“, also<br />

um das „Praxissubjekt“ geht und nicht darum,<br />

seine Regungen zu erforschen. Hier Interesse<br />

am Begehren, dort Interesse am Vollzug – von<br />

daher auch die strikte Geschlechtersegregationsordnung.<br />

In b e i d e n Diskursen jedoch sind<br />

Frau und M<strong>an</strong>n in einer asymmetrischen Struktur<br />

aufein<strong>an</strong>der bezogen: diese Regelung bedeutet<br />

für Frau keine Spiegelbildlichkeit, sondern die<br />

Nachr<strong>an</strong>gigkeit des „Terms Frau“ ist in beiden<br />

„Kulturen“ ähnlich. Mit dem Unterschied, dass es<br />

im muslimischen Diskurs um die Komplementarität<br />

der Geschlechter geht und im Westen um<br />

eine kontradiktorische Struktur. Die weiteren interess<strong>an</strong>ten<br />

Einsichten mögen die LeserInnen<br />

selber haben. Auch diese, dass die aktuell präferierten<br />

Referenzen auf den Diskurs als Rahmenregelung<br />

von allem und jeder/m, wie Foucault<br />

und Butler es einschreiben, selbst totalisierend<br />

sind. Z.B. wird eben nicht jedes Subjekt durch das<br />

Verbot des Begehrens konstituiert; dies ist eine<br />

westliche Genealogie. Und es gibt die Macht<br />

d e s Diskurses ebenso wenig wie die eine Vernunft.<br />

Es ginge darum zu erkennen, dass es heute<br />

keinen Diskurs im Singular gibt, keine Diskursgrenzen<br />

in einer globalen Welt.<br />

Birge Krondorfer<br />

Ursula Mihciyazg<strong>an</strong>: Der Irrtum im Geschlecht. Eine Studie zu Subjektpositionen<br />

im westlichen und im muslimischen Diskurs<br />

Tr<strong>an</strong>script <strong>2008</strong>, 29,80 Euro<br />

Jüdische<br />

Faschistin<br />

Im faschistischen Italien<br />

f<strong>an</strong>d sie höchstens noch<br />

als Mussolinis Biografin<br />

Erwähnung: Die Frau, die<br />

zehn Jahre die Geliebte<br />

des Duce war und seinen<br />

Aufstieg in entscheidender<br />

Weise begleitet und gefördert hat. Denn<br />

Margherita Sarfatti war Jüdin. Als Mäzenin der<br />

kriegsbegeisterten Futuristen um Filippo Tommaso<br />

Marinetti war sie gleichzeitig eine glühende<br />

Anhängerin faschistischer Ideologie. Allerdings<br />

gehörten Juden und Jüdinnen für sie ebenfalls<br />

zur „Herrenrasse“. Die Nazis sahen das bek<strong>an</strong>ntlich<br />

<strong>an</strong>ders und Sarfatti musste in die USA<br />

emigrieren.<br />

Mari<strong>an</strong>ne Brentzel und Uta Ruscher haben<br />

eine beeindruckende Biografie über eine Frau<br />

geschrieben, die sich auch einmal als Feministin<br />

engagiert hatte, bevor sie das Mutterideal des<br />

Faschismus übernahm. „Ich habe mich geirrt.<br />

Was soll’s“ ist ein packendes und aufschlussreiches<br />

Buch, das allenfalls dafür kritisiert werden<br />

muss, das titelgebende, lapidare Zitat Sarfattis<br />

allzu sehr zu beherzigen. Die Frage nach ihrer<br />

Schuld wird von den Autorinnen nur äußerst zögerlich<br />

gestellt und mitunter scheint es so, als<br />

könne sie allein ihr Jüdischsein entlasten.<br />

Lea Susemichel<br />

Mari<strong>an</strong>ne Brentzel/Uta Ruscher: Margherita Sarfatti. „Ich habe mich<br />

geirrt. Was soll’s.“ Jüdin. Mäzenin. Faschistin.<br />

Atrium <strong>2008</strong>, 22,90 Euro<br />

Literaturrevolution<br />

in Venezuela<br />

Teresa de la Parra wurde<br />

1889 als Tochter eines venezol<strong>an</strong>ischen<br />

Konsuls in<br />

Paris geboren. Mit zwei<br />

Jahren zog die Familie<br />

zurück nach Venezuela,<br />

nach dem Tod des Vaters<br />

ging die Mutter mit der<br />

Tochter wieder nach Europa, nach Sp<strong>an</strong>ien, wo<br />

Teresa ein katholisches Internat besuchte. Nach<br />

ihrem Schulabschluss kehrte Teresa de la Parra<br />

1909 zurück nach Venezuela und widmete sich<br />

der Literatur. Bis hierher sind die autobiografischen<br />

Züge ihres Rom<strong>an</strong>debüts „Tagebuch einer<br />

jungen Dame, die sich l<strong>an</strong>gweilt“ stark erkennbar.<br />

Das Buch erschien 1924 und thematisierte<br />

erstmals die Rolle der Frau in Lateinamerika, erzählte<br />

die „Geschichte einer Umerziehung“, so

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