BuMa_2011_02 - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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ASPEKTE<br />
Jürgen Plenge<br />
EINLEITUNG<br />
Die Untersuchung von photoinduzierten Reaktionen auf ultrakurzen<br />
Zeitskalen ist ein faszinierendes Forschungsgebiet, das<br />
seit Jahrzehnten von grundlegendem Interesse ist. Dabei stehen<br />
unter anderem fundamentale Fragestellungen der Chemie<br />
im Mittelpunkt: Wie schnell brechen und bilden sich chemische<br />
Bindungen oder wie schnell können Moleküle ihre Geometrie<br />
ändern, wenn sie durch Licht angeregt werden? Der Bindungscharakter<br />
von Molekülen ändert sich typischerweise auf einer<br />
Längenskala von wenigen Ångström. Dabei bewegen sich die<br />
Kerne mit einer Geschwindigkeit von ca. 1 km/s, so dass sich<br />
die molekulare Dynamik auf der Femtosekunden-Zeitskala (1<br />
fs = 10 -15 s) abspielt. Durch die Entwicklung von modengekoppelten<br />
Kurzpulslasern im Femtosekundenbereich wurde es<br />
möglich, solche photoinduzierten Prozesse in Echtzeit zu beobachten.<br />
Eine besondere Bedeutung <strong>für</strong> das Verständnis chemischer<br />
Reaktionen hat dabei der Übergangszustand zwischen<br />
Edukt und Produkt. A. H. Zewail nutzte als erster Femtosekunden-Laserpulse,<br />
um einen direkten Zugang zum Übergangszustand<br />
chemischer Reaktionen zu erhalten [1]. In seinen ersten<br />
Experimenten wurde zum Beispiel die photoinduzierte Spaltung<br />
des Iodcyans (ICN) in atomares Iod und ein Cyan-Radikal untersucht<br />
und eine Dissoziationszeit von 200 fs ermittelt [2].<br />
Um den Verlauf der photoinduzierten Reaktion in Echtzeit zu<br />
beobachten, wurden Anregungs-Abfrage (engl.: Pump-Probe)<br />
Experimente durchgeführt. Dabei regt im Anregungs-Schritt ein<br />
ultrakurzer Laserpuls das Molekül in einen energetisch höher<br />
liegenden Zustand an und startet damit die Reaktionsdynamik.<br />
Ein weiterer, zeitlich verzögerter Laserpuls fragt den aktuellen<br />
Zustand des Systems als Funktion der Verzögerungszeit zum<br />
Anregungs-Puls ab. Dies erfolgt über Prozesse, die durch die<br />
Wechselwirkung des Abfrage-Pulses mit dem Molekül ausgelöst<br />
werden und auf den Zustand des reagierenden Systems<br />
schließen lassen. Geeignete Nachweismethoden sind zum Beispiel<br />
laserinduzierte Fluoreszenz oder Photoionisation. Für seine<br />
Pionierarbeiten zur Untersuchung der Übergangszustände<br />
chemischer Reaktionen mit Hilfe der Femtosekunden-Spektroskopie,<br />
die die Grundlage der heutigen Femtochemie bilden,<br />
wurde A. H. Zewail 1999 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.<br />
Seitdem hat sich das Gebiet der Untersuchung ultraschneller<br />
photoinduzierter Prozesse enorm weiterentwickelt.<br />
36<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 13. JAHRGANG · 2/<strong>2011</strong><br />
ANALYSE UND KONTROLLE VON ULTRA-<br />
SCHNELLEN PHOTOINDUZIERTEN REAKTIONEN<br />
Dr. Jürgen Plenge<br />
<strong>Physikalische</strong> und Theoretische Chemie,<br />
Institut <strong>für</strong> Chemie und Biochemie, Freie Universität Berlin,<br />
Takustr. 3, 14195 Berlin<br />
Tel.: (030) 8385 5354,<br />
E-Mail: j.plenge@fu-berlin.de.<br />
Zu diesen Entwicklungen zählen einerseits neue Methoden zur<br />
Beobachtung von ultraschnellen Prozessen auf einer Sub-Femtosekunden-Zeitskala<br />
durch die Einführung von Attosekunden-<br />
Pulsen von F. Krausz und Mitarbeitern [3], andererseits sind<br />
Freie-Elektronen-Lasern als intensive Strahlungsquellen im<br />
weichen und neuerdings harten Röntgenbereich zu nennen.<br />
Diese neuartigen Strahlungsquellen sind unter anderem von<br />
M. J. J. Vrakking zur Untersuchung der Ionisations- und Dissoziationsdynamik<br />
von Atomen, Molekülen und Clustern genutzt<br />
worden [4]. Neue Methoden zur Abbildung der Struktur von<br />
Molekülen und deren Orbitalen mit Hilfe von Laserstrahlung<br />
sind in der Gruppe um P. Corkum entwickelt worden [5]. Die<br />
Entwicklung von intensiven Laserstrahlungsquellen ermöglicht<br />
die Untersuchung von ultraschnellen Prozessen in Laserfeldern<br />
bei höchsten Feldstärken, die zur starken Ionisation bis hin zur<br />
Kernfusion führen können und zu deren Untersuchung J. Jortner<br />
bedeutende theoretische Beiträge geleistet hat [6].<br />
Neben der Analyse von ultraschnellen photoinduzierten Reaktionen<br />
besteht seit langem auch der Wunsch, über die reine<br />
Beobachtung hinauszugehen und den Ablauf von photoinduzierten<br />
Prozessen auf molekularer Ebene gezielt beeinfl ussen<br />
zu können. In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass<br />
der Einsatz von kohärenter Femtosekunden-Laserstrahlung<br />
besondere Vorteile bietet. Die Formung und Optimierung von<br />
ultrakurzen Laserpulsen bietet die Möglichkeit, die Konstellation<br />
von Elektronen und Kernen in Molekülen so zu beeinfl<br />
ussen, dass sich photoinduzierte Reaktionen kontrollieren<br />
lassen. Als Beispiel kann die Photodissioziation eines dreiatomigen<br />
Moleküls betrachtet werden (Abbildung 1), die über zwei<br />
konkurrierende Fragmentationskanäle verlaufen soll. Das Ziel<br />
besteht darin, optimal geformte Laserpulse zu fi nden, die zu<br />
einem selektiven Bindungsbruch führen und damit eine Steuerung<br />
der Fragmentation ermöglichen. Erste grundlegende Experimente<br />
zur optimalen Kontrolle photoinduzierter Prozesse<br />
durch geformte Laserpulse wurden in der Arbeitsgruppe von G.<br />
Gerber in Würzburg durchgeführt [7]. Das Gebiet der kohärenten<br />
Kontrolle und Steuerung ultraschneller, photoinduzierter<br />
Reaktionen hat sich in den letzten Jahren, ausgehend von der<br />
Untersuchung einfacher Modellsysteme, so weit entwickelt,<br />
dass die Untersuchung komplexer Systeme möglich ist. Zu die-