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00_HB_Familienunternehmen_Kalss_Probst_Titelei 1..30 - Manz

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XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

Österreichische Literatur: Arnold Nikolaus, Stiftungsrechtliche Änderungen für Privatstiftungen<br />

durch das BBG 2011, GesRZ 2011, 101; Auer Martin, Zum GmbH-Beirat, der ein fakultativer<br />

Aufsichtsrat sein soll, Ges 2<strong>00</strong>7, 183; Brix Rupert, Die Satzung der AG (2011); Briem Robert,<br />

Die Novelle zum Privatstiftungsgesetz, PSR 2011/3; Csoklich Peter, Die zweite Stiftergeneration,<br />

Kathrein-Stiftungsletter 16/2011, 5; Doralt Maria, Die Wahl des Aufsichtsrats, in <strong>Kalss</strong>/Kunz,<br />

Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 6; Doralt Peter, Zur Entwicklung eines österreichischen<br />

Konzernrechts, Verhandlungen des 10. ÖJT (1988); Eckert Georg/Gassauer-Fleissner Christian,<br />

Überwachungspflichten des Aufsichtsrats im Konzern, GES 2<strong>00</strong>4, 416; Enzinger Michael, Der Aufsichtsrat<br />

im Konzern, in <strong>Kalss</strong>/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 25; Fritz Christian,<br />

Konfliktprophylaxe und Streitbeilegung in Personengesellschaften, GesRZ 2<strong>00</strong>3, 79; Frotz Gerhard,<br />

Zur Absicherung der Organmitglieder einer AG gegen Haftungsansprüche der Gesellschaft, in FS<br />

Wagner (1987) 137; Frotz Stephan/Schörghofer Paul, Aufgaben des Aufsichtsrats, in <strong>Kalss</strong>/Kunz,<br />

Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 8; Frotz Stephan/Spitznagel Clemens, Zur konzernweiten<br />

Wirkung von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrates einer AG, RWZ 2011, 161; Geppert<br />

Walter, GmbHG-Novelle BGBl 1980/320: Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem Aufsichtsrat,<br />

GesRZ 1984, 76; Gruber Michael, Aktienrechtliche Zulässigkeit einer D&O-Versicherung, GesRZ<br />

2012, 97; Gruber Michael/Zehetner Jörg, Großinvestitionen in der GmbH, GES 2<strong>00</strong>7, 368; Gurmann<br />

Stefan/Eberhardt Stephan, Organhaftung und Rechtsfolgen der Entlastung, GES 2012, 119;<br />

Heidinger Markus, Aufgaben und Verantwortlichkeit von Aufsichtsrat und Beirat der GmbH<br />

(1989); Herbst Christoph, Besonderheiten des Aufsichtsrats in Kreditinstituten, in <strong>Kalss</strong>/Kunz,<br />

Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 27; Jud Waldemar/Zierler Joachim, Zur Reichweite der<br />

Mehrheitsregeln der Satzungsbestimmungen bei Kapitalgesellschaften, NZ 2<strong>00</strong>3, 129; <strong>Kalss</strong> Susanne,<br />

Beschlussfassungen bei mehreren Aktiengattungen, in FS Aicher (2012) 229; <strong>Kalss</strong> Susanne,<br />

Das nominierte Aufsichtsratsmitglied im Konzern nach österreichischem Recht, in FS Hoffmann-<br />

Becking (2012) 627; <strong>Kalss</strong> Susanne, Auskunftsrechte und -pflichten für Vorstand und Aufsichtsrat<br />

im Konzern, GesRZ 2010, 137; <strong>Kalss</strong> Susanne, Aktienrecht im Licht der Kapitalverkehrsfreiheit,<br />

JRP 2<strong>00</strong>5, 26; <strong>Kalss</strong> Susanne, Das Höchststimmrecht als Instrument zur Wahrung des Aktionärseinflusses<br />

(1992); <strong>Kalss</strong> Susanne/Müller Katharina, Die Stiftung als Instrument der Vermögensweitergabe,<br />

in Gruber/<strong>Kalss</strong>/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 25; <strong>Kalss</strong><br />

Susanne/Schimka Matthias, Qualifikationsanforderungen an den Aufsichtsrat, in <strong>Kalss</strong>/Kunz,<br />

Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 2; <strong>Kalss</strong> Susanne/Linder Florian, Mehrheits- und Einzelrechte<br />

von Aktionären (2<strong>00</strong>6); Kastner Walther, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts 1<br />

(1974); Kossuth Kornel/Gaggl Martin, Gestaltungsmöglichkeiten der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats,<br />

ecolex 2<strong>00</strong>2, 884; Nowotny Christian/Winkler Oskar, Wiener Vertragshandbuch, Band 3:<br />

Kapitalgesellschaften 2 (2012); Nowotny Christian, Zur Organisationsverfassung der Europäischen<br />

Aktiengesellschaft, GesRZ Sonderheft 2<strong>00</strong>4, 39; Nowotny Christian, Beirat – Aufsichtsrat – Ausschuss,<br />

RdW 2<strong>00</strong>8, 699; Nowotny Christian, Satzungsstrenge im österreichischen Aktienrecht? in<br />

FS Doralt (2<strong>00</strong>4) 411; Promper Nicole/Rohatschek Roman, Die Besonderheiten der Corporate Governance-Strukturen<br />

in <strong>Familienunternehmen</strong>, in Feldbauer-Durstmüller/Pernsteiner/Rohatschek/<br />

Tumpel, <strong>Familienunternehmen</strong> (2<strong>00</strong>8) 203; Saxinger Eduard/Helml Friedrich, Der Aufsichtsratsvorsitz,<br />

in <strong>Kalss</strong>/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 20; Schauer Martin, Zivilrechtliche<br />

Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats, in <strong>Kalss</strong>/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat (2010) § 34;<br />

Schima Georg, Zustimmungsvorbehalte als Steuerungsmittel des Aufsichtsrates in der AG und im<br />

Konzern, GesRZ 2012, 35; Schima Georg, Zur Effizienz von Syndikatsverträgen, insbesondere bei<br />

der AG, in FS Krejci (2<strong>00</strong>1) 825; Schima Georg, Die Begründung, Gestaltung und Beendigung der<br />

Vorstandstätigkeit durch den Aufsichtsrat, in <strong>Kalss</strong>/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat (2010)<br />

§ 12; Stern Elisabeth, Präsenzquorum für Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft – Ver-<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 387


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

deckte Vetorechte? GesRZ 1998, 196; Thiery Gottfried, Höchststimmrecht für Aktionäre, NZ<br />

1989, 81.<br />

Deutsche Literatur: Bayer Walter, Die Haftung des Beirats im Recht der GmbH und<br />

GmbH & Co KG, in FS Schneider (2010) 75; Habersack Matthias, Grenzen der Mehrheitsherrschaft<br />

in Stimmrechtskonsortien, ZHR 2<strong>00</strong>0, 1; Hennerkes Brun-Hagen/May Peter, Der Gesellschaftsvertrag<br />

des <strong>Familienunternehmen</strong>s, NJW 1988, 2761; Hoffmann-Becking Michael, Der Einfluss<br />

schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft,<br />

ZGR 1994, 442; Hoffmann-Becking Michael, Der Aufsichtsrat im Konzern, ZHR 1995,<br />

325; Kormann Hermut, Beiräte in der Verantwortung (2<strong>00</strong>8); Lange Knut Werner, Der Beirat als<br />

Element der Corporate Governance in <strong>Familienunternehmen</strong>, GmbHR 2<strong>00</strong>6, 897; Laschet Carsten/<br />

Schweinsberg Klaus, Aufsichtsräte in <strong>Familienunternehmen</strong>, BOARD 2011,102; Lutter Marcus, Der<br />

Aufsichtsrat im Konzern, AG 2<strong>00</strong>6, 516; Koeberle-Schmidt Alexander, Betriebswirtschaftliche Ausgestaltung<br />

von Aufsichtsgremien in <strong>Familienunternehmen</strong>, BB 2<strong>00</strong>9, 1249; Koeberle-Schmidt Alexander/Groß<br />

Joachim/Lehmann-Tollknitt Arno, Der Beirat als Garant guter Governance im <strong>Familienunternehmen</strong>,<br />

BB 2011, 899; Krieger Gerd, Vorzugsaktien und Umstrukturierung, in FS Lutter<br />

(2<strong>00</strong>0) 97; Lange Werner, Der Beirat als Element der Corporate Governance, in <strong>Familienunternehmen</strong>,<br />

GmbHR 2<strong>00</strong>6, 897; May Peter/Sieger Gert, Der Beirat im <strong>Familienunternehmen</strong> zwischen Beratung,<br />

Kontrolle, Ausgleich und Personalfindung – eine kritische Bestandsaufnahme, in Jeschke/<br />

Kirchdörfer/Lorz, Planung, Finanzierung und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong>, FS Hennerkes I<br />

(2<strong>00</strong>0) 245; Reichert Jochem, Der Beirat als Element der Organisationsverfassung einer Familiengesellschaft,<br />

in FS Maier-Reimer (2010) 543; Schäfer Carsten, Mehrheitserfordernisse bei Stimmrechtskonsortien,<br />

ZGR 2<strong>00</strong>9, 768; Schubert Werner/Hommelhoff Peter, 1<strong>00</strong> Jahre modernes Aktienrecht<br />

(1984); Semler Johannes, Leitung und Überwachung2 (1996); Weigert Lutz/Oepen Klaus, Der<br />

Beirat in Organersatzfunktion bei der Kommanditgesellschaft, ZGR 2012, 585; Westermann Harm<br />

Peter, Das Konsortium als Verteidigungs- und Kampfinstrument in der GmbH, in FS Bezzenberger<br />

(2<strong>00</strong>0) 449; Wiedemann Andreas/Kögel Rainer, Beirat und Aufsichtsrat im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

(2<strong>00</strong>8); Zöllner Wolfgang, Die Schranken der Stimmrechtsmacht (1963); Zöllner Wolfgang, Die Zulässigkeit<br />

von Mehrheitsregelungen in Konsortialverträgen, in FS Ulmer (2<strong>00</strong>3) 725.<br />

388<br />

Gliederung<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Rz<br />

13/1<br />

1. Kapitalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/1<br />

2. Macht und Einfluss auf mehreren Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/6<br />

3. Die bildhafte „Oberleitung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/9<br />

4. Die Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/17<br />

5. Die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/25<br />

6. Die Syndikatsversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/27<br />

B. Kontrolle ohne Anteilsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/44<br />

1. Allgemeine Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/44<br />

2. Rechtfertigung für temporäre Kontrollkonzentration . . . . . . . . . . . . .<br />

3. Barriere zum Schutz der Erhaltung des Unternehmens als Familien-<br />

13/49<br />

unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/51<br />

4. Ursprüngliche – nachträgliche Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/53<br />

5. Ausgabe und Umwandlung von Stammaktien in Vorzugsaktien . . . . 13/56<br />

6. Mehrere stimmrechtstragende Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . 13/70<br />

7. Höchststimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/76<br />

8. Sonderrechte – Entsendungsrecht von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . 13/81<br />

9. Sonderrechten gleichkommende Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . 13/93<br />

C. Die Kontrolle der Gesellschaft durch Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/1<strong>00</strong><br />

1. Zweck eines Organs zwischen Geschäftsführung und Eigentümer . . . 13/1<strong>00</strong><br />

2. Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/105<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


3. Beirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/149<br />

4. Der Beirat in der Privatstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/205<br />

D. Informelle Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/217<br />

E. Kontrolle in der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13/222<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit<br />

1. Kapitalprinzip<br />

Die Macht des einzelnen Eigentümers des <strong>Familienunternehmen</strong>s beruht auf sei- 13/1<br />

nem Anteilsbesitz. Der Einfluss orientiert sich am Kapitaleinsatz. Dies setzt zugleich die<br />

Zuständigkeit der Eigentümerversammlung für die Entscheidung voraus.<br />

Das Kapitalprinzip ist ein wesentliches Ordnungselement des österreichischen Ge- 13/2<br />

sellschaftsrechts. 1 ) Es verknüpft den Kapitaleinsatz mit dem Gewicht der Stimmkraft,<br />

stellt sicher, dass das mit der Kapitalbeteiligung einhergehende Stimmgewicht parallel<br />

zum Kapitaleinsatz steigt und garantiert die Kongruenz von Risikoübernahme und<br />

Einflusssicherung in der Gesellschaft. 2 )<br />

Das Kapitalprinzip ist am stärksten in der AG ausgeprägt. Eine Aktie gewährt eine 13/3<br />

Stimme. Jeder Aktionär kann grundsätzlich entsprechend seinem Kapitaleinsatz das<br />

Stimmrecht ausüben. Dennoch bestehen bestimmte – von diesem Grundsatz abweichende<br />

– Möglichkeiten, etwa die Einführung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder von<br />

Aktiengattungen, ferner die Etablierung des Höchststimmrechts und von Sonderrechten<br />

zugunsten einzelner Aktionäre (s Rz 13/44 ff). Das Kapitalprinzip gilt grundsätzlich auch<br />

im Recht der GmbH. Pro € 70,– Stammeinlage wird eine Stimme gewährt. Allerdings<br />

kann in der GmbH durch entsprechende Satzungsgestaltung deutlich leichter vom Kapitalprinzip<br />

abgewichen werden als in der AG. Einem Gesellschafter kann durch vertragliche<br />

Regelung im Verhältnis zu seinem Kapitaleinsatz ein überproportional hoher Einfluss<br />

und hohe Stimmkraft verliehen werden.<br />

Das Recht der Personengesellschaften ist differenzierter. Selbst wenn im Recht der 13/4<br />

OG grundsätzlich das gesetzliche Einstimmungsprinzip gilt, 3 ) zeigt sich eine klare gesetzliche<br />

Tendenz hin zum Kapitalprinzip. Haben nämlich die Gesellschafter in der OG das<br />

Mehrheitsprinzip für Beschlussfassungen der Gesellschafter etabliert, das Stimmrecht der<br />

einzelnen Gesellschafter jedoch nicht gesondert geregelt, greift die Auffanglösung gem<br />

§ 119 Abs 2 UGB; demnach bestimmt sich die Mehrheit im Zweifel nach den Beteiligungsverhältnissen<br />

der Gesellschafter. Das Stimmrecht richtet sich somit nach dem Verhältnis<br />

des Werts der vereinbarten Einlagen. 4 ) Gem § 161 UGB wird dieses Ordnungsmuster auch<br />

für die KG übernommen. Die GesBR-rechtlichen Regelungen sind auch nicht nur auf personalistisch<br />

gestaltete Gesellschaften, die gemeinschaftlich zusammenwirken, zugeschnit-<br />

1 ) Schubert/Hommelhoff, 1<strong>00</strong> Jahre modernes Aktienrecht 465; <strong>Kalss</strong>, Das Höchststimmrecht<br />

als Instrument zur Wahrung des Aktionärseinflusses 52.<br />

2 ) Zöllner, Die Schranken der Stimmrechtsmacht 97; <strong>Kalss</strong>, Das Höchststimmrecht als Instrument<br />

zur Wahrung des Aktionärseinflusses 52.<br />

3 ) Schauer in <strong>Kalss</strong>/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rz 2/267, Rz 2/<br />

258.<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

4 ) Schauer in <strong>Kalss</strong>/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rz 2/267; Jabornegg/Artmann<br />

in Jabornegg/Artmann, UGB 2 § 119 Rz 17.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 389


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

ten. Vielmehr finden sich in §§ 1175 ff ABGB kapitalistische Regelungselemente, die sich in<br />

der Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen, vor allem aber in der Bemessung des Stimmrechts<br />

und der Gewinnverteilung nach der Kapitaleinlage zeigen. 5 )<br />

13/5 Die grundsätzliche Wirksamkeit des Kapitalprinzips, somit das Korrelieren von Kapitaleinsatz<br />

und Risikoübernahme mit der Einfluss- und Kontrollmöglichkeit, ist auch<br />

oder gerade für das <strong>Familienunternehmen</strong> anzuerkennen. Nur wer dauerhaft den<br />

höchsten Risikoeinsatz trägt, ist auch legitimiert, dauerhaft in der Gesellschaft das Sagen<br />

zu haben und die Gesellschaft zu kontrollieren. Damit werden auch nachhaltig die verhaltenssteuernde<br />

Wirkung der Risikotragung und eine entsprechend sorgfältige Geschäftsführung<br />

und Ausübung von Einfluss und Kontrolle sichergestellt: Derjenige, der<br />

am meisten verlieren kann, wird am ehesten bemüht sein, seine Aufgaben und seine<br />

Verantwortung in sorgfaltsgemäßer Weise und im besten Interesse des <strong>Familienunternehmen</strong>s<br />

und damit auch der anderen beteiligten Gesellschafter auszuüben. 6 )<br />

2. Macht und Einfluss auf mehreren Ebenen<br />

13/6 Die maßgebliche Einflussgestaltung und die Leitung des <strong>Familienunternehmen</strong>s<br />

beziehen sich auf die gesamte Gruppe, unabhängig von der konkreten Rechtsform. Einflussnahme<br />

und Leitung erstrecken sich ausgehend von der Muttergesellschaft, dh von<br />

der Holding, auf alle zur Familiengruppe gehörigen Gesellschaften und Rechtsträger. Im<br />

Wesentlichen bedeutet „Leitung des <strong>Familienunternehmen</strong>s“ Leitung der gesamten<br />

Gruppe oder des gesamten Konzerns. Entscheidend ist letztlich die Frage, welchem Organ<br />

– im Konkreten oftmals welcher Person – im <strong>Familienunternehmen</strong> diese zentrale<br />

Leitungs- und Machtposition zukommt und welche Gestaltungsmöglichkeiten die einzelnen<br />

Rechtsformen bieten, um die zentralen Lenkungs- und Gestaltungsinstrumente einem<br />

Organ und den einzelnen Organträgern zuzuordnen.<br />

13/7 Je nach konkreter Gestaltung und personeller Besetzung hängen die Machtverteilung<br />

und die Zuweisung von Einfluss in der Gesellschaft ab. Dabei macht es einen bedeutenden<br />

Unterschied, ob die Gesellschaft familien- oder fremdgeführt ist: Die Personenidentität<br />

bei Übernahme verschiedener Rollen und Funktionen bewirkt eine Verstärkung des Einflusses<br />

dieser Person und vielfach eine Neugewichtung des gesamten Gefüges. Nimmt ein Gesellschafter-Geschäftsführer<br />

die Rolle eines Geschäftsführers und des Eigentümervertreters ein,<br />

konzentriert sich seine Macht auf zwei Ebenen. Dabei bedarf es der Überlegung und Gestaltung,<br />

wie der Einfluss geltend gemacht werden soll, nämlich entweder auf Geschäftsführungsebene<br />

oder auf Eigentümerebene. Zu bedenken sind bei derartigen Gestaltungen die<br />

Flexibilität der Ausführung einerseits, die Gefahr der fremdgetriebenen Veränderung andererseits,<br />

sowie die Notwendigkeit einer entsprechenden Absicherung, zB durch Verlust der<br />

Geschäftsführungsposition bei Aufrechterhaltung der Eigentümerrolle, die Notwendigkeit<br />

der Absicherung der Eigentümerfunktion sowie deren Ausübbarkeit im Bedarfsfall.<br />

13/8 Zwei Zuständigkeitsordnungen sind zu trennen, nämlich einerseits die Zuständigkeit<br />

der jeweiligen Eigentümer- oder Gesellschafterversammlung und die Zuständigkeit<br />

für die Leitung der Gesellschaft. Typischerweise drängt eine Familie darauf, neben den<br />

5 ) <strong>Kalss</strong> in FS 2<strong>00</strong> Jahre ABGB 441, 444; Nowotny in <strong>Kalss</strong>/Nowotny/Schauer, Österreichisches<br />

Gesellschaftsrecht, Rz 2/86; Kastner, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts 1 52.<br />

6 ) Wiedemann, Gesellschaftsrecht 341; <strong>Kalss</strong>/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts 30 ff.<br />

390<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

von Gesetzes wegen den Gesellschaftern zustehenden Kompetenzen auch noch Befugnisse<br />

der Leitung an sich zu ziehen. Die konkrete Gestaltung hängt davon ab, welche Personen<br />

welche Funktionen einnehmen, in welchen Organen sie vertreten sind und in<br />

welcher Rechtsform ihre Gesellschaft oder Gruppe organisiert ist.<br />

3. Die bildhafte „Oberleitung“<br />

In <strong>Familienunternehmen</strong> sind auf der Ebene der Geschäftsleiter folgende Bereiche<br />

zu unterscheiden: Einerseits die täglichen Geschäfte, die von den Familien- oder Fremdgeschäftsführern<br />

besorgt werden, sowie andererseits die mittel- bis langfristige Unternehmensplanung,<br />

die in der Regel ausschließlich von der Familie bestimmt wird und<br />

der Geschäftsleitung in Form von Beschlüssen, Weisungen oder – in der AG – von<br />

Empfehlungen vorgegeben wird. So wird in <strong>Familienunternehmen</strong> die den Verwaltungsorganen<br />

zugeordnete Leitungsbefugnis (vgl Rz 12/76 ff) mit typischen Eigentümerbefugnissen<br />

der Gesellschafter oder Eigentümerversammlungen verschmolzen. 7 ) Je nach<br />

Rechtsform kann dies ohne Weiteres durch schlichte Einzelmaßnahmen bewältigt werden,<br />

teilweise ist dies nur über den Weg des Syndikatsvertrags möglich. Bevor im Einzelnen<br />

darauf eingegangen wird, ist der Begriff der „gesamthaften Leitung“ oder der<br />

„Oberleitung“ im hier verstandenen Sinn genauer zu umschreiben.<br />

Plakativ gesprochen kann diese zentrale Einflussposition auf drei Ebenen, auf der Gesellschafterebene,<br />

dh in der General- oder Hauptversammlung (Rz 13/17 ff), auf der Ebene<br />

der operativen Geschäftsführung, dh auf der Vorstands- oder Geschäftsführungsebene<br />

(vgl Rz 12/76 ff), oder durch ein weiteres Organ, insb durch den zwingend oder freiwillig<br />

einzusetzenden Aufsichtsrat oder durch einen Beirat ausgeführt werden (vgl Rz 13/149 ff).<br />

Die Eigentümer haben nach dem gesetzlichen Konzept vor allem die Grundlagenentscheidungen<br />

zu treffen. So hat die Hauptversammlung etwa die Satzungsänderung,<br />

die Kapitalaufbringung, die Änderung des Unternehmensgegenstands oder Umstrukturierungen<br />

zu beschließen sowie Fragen der Bestellung von Kontrollorganen, wie des<br />

Aufsichtsrats oder des Abschlussprüfers, und sonstige bestimmte Maßnahmen, etwa die<br />

Gewinnverteilung und die Entlastung der Mitglieder der Geschäftsführung und Aufsicht<br />

zu besorgen. Die Generalversammlung ist aufgrund ihrer weitergehenden Zustimmungsbefugnis<br />

gem § 35 GmbHG von Gesetzes wegen näher an der Geschäftsführung,<br />

dennoch konzentriert sich ihr Zuständigkeitsportfolio ebenso wie jenes der Hauptversammlung<br />

auf Grundlagenentscheidungen. Sie ist von Gesetzes wegen auch berufen, zu<br />

allen maßgeblichen Fragen der Geschäftspolitik eine Entscheidung zu treffen. Während<br />

die Generalversammlung schon durch GmbH-rechtliche Maßnahmen eine Allzuständigkeit<br />

erlangen kann, versperrt das AktG der Hauptversammlung der AG diese Aufgabenerweiterung.<br />

Nur die Syndikatsversammlung kann die Gesellschafter funktional in diese<br />

Position versetzen. Gerade in <strong>Familienunternehmen</strong> werden die strategischen mittel- bis<br />

langfristigen Entscheidungen zumeist von der Geschäftsleitung vorbereitet, aber in weiterer<br />

Folge von der Familie als Eigentümergemeinschaft nach bestimmten „verfassten“<br />

Grundregeln (Familienverfassung oder Syndikatsvertrag) entschieden (vgl Rz 3/21 ff).<br />

Gesamtleitung im hier verwendeten Sinne versteht sich als Erfüllung der wesentlichen<br />

Leitungsaufgaben, der Festlegung der Grundsätze der Tätigkeit der Gesellschaft<br />

7 ) Siehe nur Doralt, Verhandlungen zum 10. ÖJT 3; Tichy, Syndikatsverträge 126.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 391<br />

13/9<br />

13/10<br />

13/11<br />

13/12


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

und der Überwachung zu deren Umsetzung. 8 ) Bei diesen zentralen Leitungsaufgaben handelt<br />

es sich um eine Art „Oberleitung“. Der Begriff der Oberleitung ist dem schweizerischen<br />

Recht entnommen. Er oszilliert zwischen Geschäftsführung und Kontrolle. 9 ) Angenähert<br />

ist diese Aufgabe der des Verwaltungsrats in der einstufigen SE (vgl Rz 7/138). Zu<br />

betonen ist, dass es sich nur um die funktionale oder wirtschaftliche Zuordnung der Oberleitung<br />

handelt. Außer Frage steht, dass die Oberleitung gesetzlich-konzeptionell der Eigentümerversammlung<br />

– zumindest in der AG – nicht zugeordnet ist und nur in bestimmtem<br />

Maß gesellschaftsrechtlich zugeordnet werden kann. 10 ) Tatsächlich werden aber die<br />

mit der Oberleitung verbundenen Befugnisse in <strong>Familienunternehmen</strong> zumeist von den<br />

bestimmenden Eigentümern wahrgenommen. Hierfür reichen als Instrumente im Regelfall<br />

die als Vorschläge oder Empfehlungen eingekleideten Angaben aus.<br />

13/13 Von der Oberleitung oder gesamthaften Leitung ist die Besorgung des Tagesgeschäfts<br />

zu trennen. Die Führung des Tagesgeschäfts ist Aufgabe der Geschäftsführung (vgl Rz 12/<br />

87 ff), ohne dass damit die Gesamtverantwortung aus der Oberleitung des Unternehmens<br />

berührt wird. 11 ) Dabei geht es darum, Einzelmaßnahmen, Konkretisierungen oder Ausführungen<br />

der bereits generell festgelegten Leitlinien auszuführen. Diese Ausführungstätigkeiten<br />

oder Tätigkeiten der täglichen Verwaltung können ohne Einschränkung von der jeweiligen<br />

Geschäftsführung ausgeübt werden. Sie beeinträchtigen damit auch nicht die Gesamtverantwortung<br />

der Oberleitung, sondern bilden nur eine arbeitsteilige Zuteilung.<br />

13/14 Die Leitungsentscheidungen sind nach dem Gesetz jedenfalls den Verwaltungsorganen,<br />

somit dem Vorstand, der Geschäftsführung – zum Teil gemeinsam mit dem<br />

Aufsichtsrat – oder dem Verwaltungsrat zugeordnet. In der Personengesellschaft werden<br />

die Angelegenheiten der gewöhnlichen Geschäftsführung von einzelnen geschäftsführenden<br />

Gesellschaftern besorgt; außergewöhnliche Maßnahmen und Grundlagenentscheidungen<br />

sind von den Gesellschaftern gemeinsam zu bestimmen. 12 ) Sie können aber in<br />

der GmbH durch das Weisungsrecht und die allgemeine Zuständigkeit für grundlegende<br />

Angelegenheiten gem § 35 GmbHG weitgehend in der Generalversammlung ausgeführt<br />

werden (vgl Rz 13/18).<br />

13/15 In der AG ist die Position des Vorstands deutlich stärker. Die Hauptversammlung<br />

kann von sich aus die Aufgaben nicht an sich ziehen. Vielmehr ist die Leitung beim<br />

Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat angesiedelt. Eine satzungsmäßige Delegation<br />

ist ebensowenig zulässig wie eine Ad-hoc-Zuweisung an die Hauptversammlung.<br />

13/16 Der Einfluss der Kernaktionäre wird üblicherweise über den Aufsichtsrat gestaltet:<br />

Um die Kernaktionäre mit entsprechender direkter Gestaltungsmacht auszustatten, werden<br />

ihnen in der Praxis Aufsichtsratsmandate „zugewiesen“, dh sie werden von der<br />

Hauptversammlung gewählt, nachdem sie syndikatsvertraglich – oder kraft Beteiligung<br />

8 ) Dazu Reichert/Brandes in MünchKomm zum AktG 2 Band IX/2, Art 43 SE-VO Rz 82.<br />

9 ) Vgl zu Art 716 a OR (Obligationenrecht); <strong>Kalss</strong>/Greda in <strong>Kalss</strong>/Hügel, Kommentar zur Europäischen<br />

Aktiengesellschaft § 39 Rz 6; Nowotny, GesRZ-Sonderheft 2<strong>00</strong>4, 39, 40; Böckli, Schweizer<br />

Aktienrecht 3 1526 Rz 284 ff.<br />

10 ) Siehe nur Tichy, Syndikatsverträge 78 ff.<br />

11 ) Für den Verwaltungsrat: Reichert/Brandes in MünchKomm zum AktG 2 Band IX/2, SE-<br />

VO Art 43 Rz 97; <strong>Kalss</strong>/Greda in <strong>Kalss</strong>/Hügel, Kommentar zur Europäischen Aktiengesellschaft<br />

§ 38 Rz 6 ff.<br />

12 ) Schauer in <strong>Kalss</strong>/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rz 2/298 ff.<br />

392<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

– nominiert wurden, 13 ) oder aber sie werden gem § 88 AktG entsandt. In Zusammenschau<br />

mit den in weitem Maß flexibel gestaltbaren aufsichtsratspflichtigen Geschäften<br />

kommen dem Kernaktionär somit mittelbare große Einflussmöglichkeiten zu. 14 ) Gem<br />

§ 95 Abs 1 AktG darf das Geschäftsführungsmonopol des Vorstands nicht ausgehöhlt<br />

werden (vgl Rz 13/110). 15 ) Die Position kann noch dadurch verstärkt werden, dass alle<br />

Kernaktionär-Aufsichtsratsmitglieder in der Aufsichtsratssitzung anwesend sein müssen,<br />

damit das Gremium überhaupt beschlussfähig ist (vgl Rz 13/91). Typischerweise kommt<br />

dieses Recht dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu. 16 ) Der Aufsichtsratsvorsitzende<br />

kommt häufig aus dem Kreis der Kernaktionärs-Aufsichtsratsmitglieder. Zusätzlich hat<br />

er aus seiner Koordinierungs- und Mittlerfunktion noch eine zusätzliche Gestaltungsund<br />

Einflussmöglichkeit. Auch wenn diskutiert werden kann, inwieweit solchen Aufsichtsratsmitgliedern<br />

rechtlich mehr Einflussrechte als Veto- und Zustimmungsrechte<br />

zugeordnet werden dürfen oder tatsächlich zustehen, ist es in derartigen Konstellationen<br />

sehr selten, dass die Vorstände wesentliche Entscheidungen – auch des Tagesgeschäfts –<br />

ohne Involvierung der Aufsichtsratsmitglieder – und damit der Familie – eigenständig<br />

treffen, dh ohne sich vorab mit den entsandten Vertretern der Eigentümerschaft abgestimmt<br />

zu haben. 17 ) In der Regel beraten sich die Vorstände bei derartigen Konstellationen<br />

in allen relevanten Entscheidungen vorher mit den Familienaufsichtsräten, sodass<br />

über diesen rechtlich im Gesetz nicht vorgezeichneten Weg faktisch eine Art „Mitgeschäftsführung“<br />

der Familie auch in der AG zu erkennen ist. Sollen alle Aktionäre näher<br />

an die Geschäftsführungsaufgaben herangeführt werden und stärker daran mitwirken<br />

können, muss dies durch eine Aufgabenzuweisung an die Syndikatsversammlung normativ<br />

festgelegt werden (vgl Rz 3/27 ff). Zum Teil nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende<br />

auch das Amt des Syndikatsleiters ein. Damit werden wesentliche Entscheidungsfunktionen<br />

in einer Person zusammengeführt. Wenngleich dies rechtlich zulässig ist, soll diese<br />

Machtkonzentration zur Sicherung einer ausgewogenen Kontrolle vermieden werden.<br />

4. Die Generalversammlung<br />

Die Generalversammlung ist das oberste Willensbildungsorgan der GmbH. 13/17<br />

18 ) Die<br />

Gesellschafter können daher vorbehaltlich abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen<br />

stets durch Beschluss in die Gesellschaftsleitung eingreifen. Sie können Maßnahmen<br />

verbieten, billigen oder auch anordnen. 19 ) Die Generalversammlung der GmbH<br />

kann auch gegen Beschlüsse der Geschäftsführung, des Aufsichts- oder Beirats entscheiden<br />

und Maßnahmen anordnen, insofern deren Entscheidungen durch eine entsprechende<br />

Weisung an die Geschäftsführer überstimmen („overrulen“). 20 ) Die starke Stel-<br />

13 ) <strong>Kalss</strong> in FS Hoffmann-Becking 627, 630 ff.<br />

14 ) Vgl im Konzern dazu auch Doralt/Diregger in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 §15Rz50f.<br />

15 ) <strong>Kalss</strong> in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 § 95 Rz 39.<br />

16 ) Brix, Satzung der AG, Rz 7/366; Nowotny in Nowotny/Winkler, Wiener Vertragshandbuch,<br />

Band 3, Kapitalgesellschaften 2 120, 137; <strong>Kalss</strong> in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 §92Rz40f.<br />

17 ) Vgl im Konzern dazu Doralt/Diregger in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 § 15 Rz 51.<br />

18 ) OGH 4 Ob 544/90 RdW 1991, 76; U. Torggler in Straube, GmbHG § 20 Rz 27.<br />

19 ) OGH 1 Ob 797, 802/76.<br />

20 ) OGH 10 Ob 32/07 i GesRZ 2<strong>00</strong>7, 332; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG 3 § 30 j Rz 26;<br />

U. Torggler in Straube, GmbHG § 20 Rz 27; Nowotny, RdW 2<strong>00</strong>8, 699, 7<strong>00</strong>.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 393


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

lung der Generalversammlung wird durch die Auflistung der Angelegenheiten, die in die<br />

Zuständigkeit der Generalversammlung fallen, untermauert. Gem § 35 Abs 1 Z 7<br />

GmbHG unterliegen neben dem Erwerb von unbeweglichen Sachen und Beteiligungen<br />

auch Großinvestitionen der Zuständigkeit der Generalversammlung. 21 ) Zwingend ist die<br />

Zuständigkeit der Generalversammlung innerhalb der ersten beiden Jahre ab Gründung<br />

für jene Geschäfte, bei denen der Kaufpreis 20% des Stammkapitals übersteigt. Nach<br />

Ablauf der Zwei-Jahres-Frist besteht die Zuständigkeit zwar weiterhin, sie ist aber durch<br />

eine gesellschaftsrechtliche Regelung abdingbar; somit nur noch dispositiver Natur. 22 )<br />

Die Regelung soll die dauernde Mitwirkung der Gesellschafter an wichtigen Geschäften<br />

sichern. 23 ) Die Gesellschafter können den ohnehin schon langen Katalog gem § 35 Abs 2<br />

GmbHG weiter verlängern. Sie müssen zudem stets befasst werden, wenn es das Gesellschaftsinteresse<br />

verlangt, dh sobald ungewöhnliche Maßnahmen vorliegen. 24 )<br />

13/18 Der Generalversammlung kommt in der GmbH eine allumfassende Gesamtzuständigkeit<br />

zu. Abgesehen von den Grundlagenentscheidungen, wie Satzungsänderung, Kapitalerhöhung<br />

und Herabsetzung, Umstrukturierung und Bestellung aller Organ- und Funktionsträger<br />

der Gesellschaft, dh der Mitglieder des Aufsichtsrats, der Geschäftsführung und<br />

des Abschlussprüfers, kann die Generalversammlung alle Angelegenheiten an sich ziehen.<br />

Zudem kann sie mittels Weisungsbeschlusses aktiv in die Geschäftsführung eingreifen<br />

(Rz 7/112). Hat die Generalversammlung eine Weisung beschlossen und dem Geschäftsführer<br />

mitgeteilt und handelt dieser danach, ist sie auch daran gebunden und kann<br />

nicht mehr einfach – ohne Hervorkommen neuer Informationen – davon abweichen (vgl<br />

Rz 13/187). Der Generalversammlung kommt die allgemeine Restzuständigkeit zu. Der<br />

Geschäftsführung hingegen muss nur ein kleines Mindestmaß an Geschäftsführungsbefugnissen<br />

belassen werden. 25 ) Die unbeschränkbare Kernkompetenz in Geschäftsführungsangelegenheiten<br />

ist auf eine relativ geringe Zahl von Mindestzuständigkeiten des GmbH-<br />

Geschäftsführers beschränkt. 26 ) Zwingend obliegen dem Geschäftsführer etwa abgabenrechtliche<br />

Erklärungspflichten oder die Einreichung des Jahresabschlusses.<br />

13/19 Der Generalversammlung stehen unter anderem die Prüfung und Feststellung des<br />

Jahresabschlusses, die Beschlussfassung über die Verteilung des Bilanzgewinnes, die Entlastung<br />

der Geschäftsführer und des Aufsichtsrats zwingend zu; weiters die Grundlagenbeschlüsse,<br />

etwa die Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Erhöhung und Herabsetzung<br />

des Stammkapitals, die Verschmelzung, Umwandlung und Spaltung der Gesellschaft,<br />

die Auflösung der Gesellschaft, der Ausschluss von Gesellschaftern sowie schließlich<br />

die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer, die Wahl des Abschlussprüfers,<br />

der Aufsichtsratsmitglieder und deren Abberufung. 27 )<br />

21 3 ) OGH 4 Ob 241/03 z wbl 2<strong>00</strong>4, 291; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG § 35 Rz 42; Enzinger<br />

in Straube, GmbHG § 35 Rz 106; OGH RdW 2<strong>00</strong>8, 77; Gruber/Zehetner, GES 2<strong>00</strong>7, 368 ff.<br />

22 ) Jud/Zierler, NZ 2<strong>00</strong>3, 129; Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 105, 107; OGH 10 Ob<br />

32/07 i.<br />

23) OGH 10 Ob 32/07 i RdW 2<strong>00</strong>8/30, 77; GesRZ 2<strong>00</strong>7, 332, 332 ff.<br />

24 ) OGH 3 Ob 59/07 h GesRZ 2<strong>00</strong>7, 22; U. Torggler in Straube, GmbHG § 20 Rz 29.<br />

25 ) OGH 3 Ob 622/78; OGH 1 Ob 55/06 d; U. Torggler in Straube, GmbHG § 20 Rz 16.<br />

26 3 ) Koppensteiner/Rüffler, GmbHG §20Rz8; U. Torggler in Straube, GmbHG § 20 Rz 16.<br />

27 ) Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 109 f; Heidinger, Aufgaben und Verantwortlichkeit<br />

von Aufsichtsrat und Beirat der GmbH 398 ff.<br />

394<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


Die Generalversammlung stellt den Jahresabschluss fest und entscheidet bei satzungsmäßiger<br />

Zuweisung über die Verteilung des Gewinns (vgl Rz 14/56 ff). Die starke<br />

Stellung der Gesellschafter wird durch ein jederzeit bestehendes Informations- und Einsichtsrecht<br />

über alle Angelegenheiten der Gesellschaft abgesichert. Ein Gesellschafter hat<br />

nicht nur ein jederzeitiges, auf Auskunft gerichtetes Informationsrecht, sondern auch ein<br />

eigenständiges Einsichtsrecht in alle Schriften und Bücher der Gesellschaft. Dieses Recht<br />

bezieht sich auch auf die Angelegenheiten der Tochtergesellschaften (vgl Rz 11/52).<br />

Während die Hauptversammlung gegenüber dem Aufsichtsrat ihren Zuständigkeitsbereich<br />

nicht erweitern kann, 28 ) hat die Generalversammlung eine derartige Erweiterungskompetenz<br />

gegenüber den Geschäftsführern. Unter anderem kann ein weitrei-<br />

chendes oder umfassendes Zustimmungs- oder Weisungsrecht etabliert werden. 29 )<br />

Umgekehrt ist es auch zulässig, die Zuständigkeit der Gesellschafter bzw der Generalversammlung<br />

zu reduzieren und Kompetenzen an andere Gesellschaftsorgane zu<br />

übertragen. 30 ) Den Geschäftsführern kann etwa ein weisungsfreier Entscheidungsbereich<br />

eingeräumt werden. Dieser Bereich kann aber durch entsprechende Satzungsänderung<br />

wieder eingeschränkt werden. 31 ) Zulässig ist es etwa, die Gesellschafterkompetenzen<br />

einzuschränken, um eine faktische Mediatisierung der Entscheidungsmacht herbeizuführen<br />

und bestimmten Repräsentanten die Entscheidungsbefugnis zu überlassen. Sogar<br />

die Befugnis der Gesellschaftsvertragsänderung fällt darunter. 32 ) Jedenfalls muss<br />

aber den Gesellschaftern ein Kernbereich im Sinn einer Mindestzuständigkeit vorbehal-<br />

ten bleiben.<br />

Für die einzelne Gesellschaft und die Gesellschafter stellt sich trotz des gesetzlich<br />

zulässigen Rahmens die Frage, ob die Kompetenz der Geschäftsführer tatsächlich so weit<br />

entkernt werden soll und wie die Zuständigkeiten und damit auch die Verantwortung<br />

dafür verschoben werden sollen; die Gesellschafter müssen überlegen, ob und wer von<br />

ihnen diesen Leitungsaufgaben tatsächlich gewachsen ist und auch über die dafür not-<br />

wendige Zeit verfügt (vgl Rz 13/173).<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

Gehen die Gesellschafter im Einzelfall von einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen<br />

Kompetenzverteilung durch einen Beschluss ab, muss dieser Beschluss satzungsändernde<br />

Mehrheit haben. 33 )<br />

13/20<br />

13/21<br />

13/22<br />

13/23<br />

13/24<br />

5. Die Hauptversammlung<br />

Die Hauptversammlung der AG hat eine ungleich schwächere Stellung als die Ge- 13/25<br />

neralversammlung in der GmbH. Der Hauptversammlung kommen nur die im Gesetz<br />

festgelegten Zuständigkeiten zu. Sie kann keine weiteren Angelegenheiten von sich aus<br />

an sich ziehen. Nur wenn der Vorstand oder Aufsichtsrat gem § 103 AktG an sie herantritt,<br />

ist sie zur Entscheidung befugt (vgl Rz 13/114). Von Gesetzes wegen ist es verboten,<br />

der Hauptversammlung durch Satzung oder sonstige Maßnahmen weitere Zustän-<br />

28 ) Koppensteiner/Rüffler, GmbHG 3 § 35 Rz 47; Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 112.<br />

29 ) Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 112; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG 3 § 35 Rz 47.<br />

30 ) OGH 4 Ob 14/04 v; Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 113.<br />

31 ) Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 116.<br />

32 ) K. Schmidt in Scholz, GmbHG 10 § 45 Rz 63; Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 114.<br />

33 ) Enzinger in Straube, GmbHG § 35 Rz 117.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 395


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

digkeiten einzuräumen. Die Zuständigkeiten der Hauptversammlung beschränken sich<br />

daher auf die Grundlagenentscheidungen, dh auf die Satzungsänderung, Kapitalmaßnahmen,<br />

den Erwerb und die Veräußerung eigener Aktien und schließlich Umgründungen.<br />

Die Hauptversammlung ist nur zur Wahl des Abschlussprüfers und des Aufsichtsrats<br />

befugt, nicht zur Bestellung des Vorstands. Sie ist grundsätzlich (vgl Rz 14/71 ff)<br />

nicht berechtigt, den Jahresabschluss festzustellen, sondern hat nur den bereits festgestellten<br />

Gewinn zu verteilen (vgl Rz 14/77).<br />

13/26 Die zurückgenommene Stellung der Hauptversammlung und der Aktionäre zeigt<br />

sich auch beim Auskunftsrecht der Aktionäre. Das Auskunftsrecht ist zeitlich auf die<br />

Hauptversammlung fixiert und besteht nicht jederzeit (vgl Rz 11/54). Zudem ist es tatsächlich<br />

nur ein bloßes Auskunftsrecht, somit ein Begehren von Information gegenüber<br />

dem Vorstand der Gesellschaft. Ein Aktionär hat kein Einsichtsrecht in die Unterlagen<br />

der Gesellschaft. Er kann weder selbst noch unter Beiziehung eines Sachverständigen in<br />

die Bücher und Schriften der Gesellschaft Einsicht nehmen. Zur Sicherung einer Vertrauensbasis<br />

unter den Gesellschaftern ist daher eine Informationsordnung besonders<br />

wichtig (vgl Rz 11/3).<br />

6. Die Syndikatsversammlung<br />

a) Syndikatsversammlung – Gesellschafter<br />

13/27 Die Syndikatsversammlung als Organ des Syndikats ist eine Einrichtung einer „Beigesellschaft“<br />

mit Organqualität. Ist die Gesellschaft selbst Mitglied des Syndikats, sind<br />

die Geschäftsleiter grundsätzlich an die Grundlagen der Syndikatsvereinbarungen obligatorisch<br />

gebunden, sofern nicht gegen die Satzung oder gesetzlich zwingende Normen<br />

verstoßen wird. Der Syndikatsvertrag darf nur satzungsergänzende oder erläuternde Regelungen<br />

enthalten (vgl Rz 4/77; Rz 4/96 ff). Der Syndikatsvertrag darf keine Regelungen<br />

vorsehen, die der Hauptversammlung oder bestimmten Aktionären über den Umweg<br />

des Syndikats eine geschäftsführerähnliche Stellung einräumen.<br />

13/28 Das Verhältnis der Stimmrechte in der Syndikatsversammlung hängt – sofern keine<br />

vertragliche Vereinbarung getroffen wurde – vom Anteilsverhältnis der Vertragspartner<br />

ab. Ein Stimmrecht kommt grundsätzlich nur den Gesellschaftern zu, die der Syndikats-GesBR<br />

Vermögenswerte (körperliche und unkörperliche Gegenstände) als Einlage<br />

zur Verfügung gestellt haben; andere Syndikatsgesellschafter haben nur ein Beratungsrecht.<br />

Das Stimmverhältnis in der Syndikatsversammlung bestimmt sich nach dem Verhältnis<br />

der gepoolten Stimmrechte (vgl Rz 4/53 f). Dies wird in der Regel auch dem Willen<br />

der Syndikatspartner entsprechen. 34 )<br />

13/29 Der Syndikatsvertrag, der in der Regel die Familienverfassung repräsentiert bzw die<br />

Umsetzung derselben regelt, wirkt als ergänzendes Regulativ auf die Geschäftsleitung der<br />

Vorstände. Da die Syndikatsvereinbarung nicht der Prüfung des Firmenbuchs unterliegt<br />

und als reservate Urkunde in der Regel nicht allgemein zugänglich ist, gesteht die Rsp<br />

dieser Vereinbarung konsequenterweise nur innere Bindungswirkung zu (vgl Rz 4/70;<br />

Rz 4/131 ff).<br />

396<br />

34 ) Kraus, Angebotspflicht im Syndikat 107.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


Tatsächlich kommt der Syndikatsversammlung auch nur insoweit geschäftsleitende<br />

Funktion zu, als durch sie die von der Hauptversammlung zu fassenden Beschlüsse in<br />

dem Syndikat vorabgestimmt werden (Satzungsänderungen, Umgründungsmaßnahmen,<br />

Aufsichtsratsbestellungen, Bestellung des Abschlussprüfers, Gewinnverteilung). Naturgemäß<br />

kann durch den Syndikatsvertrag auch kein durchsetzbares Weisungsrecht gegenüber<br />

dem Vorstand 35 ) und dem Aufsichtsrat etabliert werden. 36 ) Daher sind Weisungen<br />

von den Organen der Gesellschaft nicht unbedingt zu befolgen. 37 ) Dennoch sind sie aber<br />

zulässig und rechtswirksam. 38 ) Dass in den Syndikatsvereinbarungen auch grundlegende<br />

Richtlinien des <strong>Familienunternehmen</strong>s postuliert werden und die Vorstände in der Regel<br />

diese auch befolgen, liegt im Wesentlichen darin begründet, dass sich kein Vorstand<br />

„mutwillig“ gegen die (im Syndikat) organisierte Aktionärsgemeinschaft stellen wird.<br />

Wenn das Unternehmen zudem auch selbst Mitglied des Syndikats ist – wenngleich<br />

mit einem rechtlich eingeschränkten Sonderstatus 39 ) –, ist auch eine obligatorische Verpflichtung<br />

der Einhaltung der Grundsätze des Syndikats gegeben, sofern die jeweilige<br />

Regelung nicht gegen Satzung oder zwingendes Recht verstößt (vgl Rz 4/125; Rz 4/131).<br />

Da das Syndikat überwiegend die innere Ordnung der Gesellschafter untereinander<br />

omnilateral regelt und darüber hinaus die Politik des Unternehmens definiert, bleibt die<br />

geschäftsleitende Befugnis auf jene Bereiche beschränkt, die auch der Hauptversammlung<br />

zugewiesen sind.<br />

b) Syndikatsleiter<br />

Eine wesentliche Rolle nimmt die Syndikatsleitung ein, deren Vorsitzender (Syndikatsleiter)<br />

vielfach auch den Vorsitz der Syndikatsversammlung führt. Der Syndikatsleiter<br />

ist Zustelladressat für Mitteilungen an das Syndikat und dessen Geschäftsstelle sowie<br />

Repräsentant des Syndikats gegenüber der Gesellschaft, dh als Vertreter der Aktionäre<br />

in der Hauptversammlung (vgl Rz 4/111). Bei einem allseitigen Syndikatsvertrag<br />

ist damit der Syndikatsleiter der einzige anwesende Aktionär und Aktionärsvertreter in<br />

der Hauptversammlung. Er stimmt dort alleine ab. Die eigentliche Entscheidungsfindung<br />

und der Abstimmungsvorgang finden im Syndikat statt. Selbst wenn 49% der Syndikatsmitglieder<br />

gegen eine Maßnahme sind, scheint dies in der Hauptversammlung<br />

nicht mehr auf, weil die 51-%-Mehrheit dann als einzige einheitliche Stimme in der<br />

Hauptversammlung spricht. In der Syndikatsleitung laufen die Fäden für die Vorbereitung<br />

der Syndikatsversammlung zusammen, indem der Leitung das Recht der Einberufung,<br />

Festlegung der Tagesordnung, Sitzungsleitung und allenfalls auch das Stichentscheidungsrecht<br />

eingeräumt wird. Allein durch die inhaltliche Vorbereitung und<br />

zeitliche Festlegung sowie durch die Nähe zur Geschäftsführung der Gesellschaft zum<br />

Zweck der Abstimmung von Hauptversammlung und Syndikatsversammlung, wird die<br />

starke Stellung des Syndikatsleiters manifest. Die Syndikatsleitung ist vom Syndikatslei-<br />

845.<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

35 ) OGH 9 Ob 13/01 d RdW 2<strong>00</strong>1, 411.<br />

36 ) OGH 6 Ob 97/02 m GesRZ 2<strong>00</strong>3, 41.<br />

37 ) Diregger/Tichy in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 § 121 Rz 62; Schima in FS Krejci 825,<br />

38 ) Vgl Doralt in <strong>Kalss</strong>/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat § 1 Rz 25; Doralt/Diregger in<br />

Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 § 15 Rz 48; Kraus, Angebotspflicht im Syndikat 117.<br />

39 ) Diregger/Tichy in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 § 121 Rz 70.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 397<br />

13/30<br />

13/31<br />

13/32


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

ter zu unterscheiden; er ist deren Vorsitzender, je nach Gestaltung primus inter pares<br />

oder Leiter und Letztentscheider. Der Syndikatsleiter wird typischerweise von den Mitgliedern<br />

der Syndikatsleitung oder der Syndikatsversammlung gewählt und unterliegt gegenüber<br />

den Syndikatsmitgliedern einem auftragsrechtlichen Verhältnis. Die kurze Beschreibung<br />

seiner Aufgaben und Befugnisse macht deutlich, dass er eine verantwortungsvolle,<br />

machtvolle Stellung hat. Jedenfalls kann er bei Verfehlungen, Unfähigkeit<br />

(Krankheit) oder auch notorischer Leistungsschwäche bzw -missbrauch, aus wichtigem<br />

Grund abberufen werden; 40 ) sinnvoll ist eine Regelung und Präzisierung der Bestellung<br />

und Abberufung, etwa die Orientierung an der aktienrechtlichen Regelung für den Vorstand<br />

gem § 75 Abs 4 AktG.<br />

c) Syndikatsleitung<br />

13/33 Die Syndikatsleitung wiederum repräsentiert die einzelnen Syndikatsmitglieder. Gerade<br />

bei großen Familiengesellschaften, dh bei mehr als 50 Familiengesellschaftern (vgl<br />

Rz 2/44) finden sich vielfach derartige Gestaltungen. Die Mitglieder der Syndikatsleitung<br />

werden typischerweise nicht von der Gesamtheit der Syndikatsmitglieder, dh von der<br />

Syndikatsversammlung (Rz 13/27), gewählt, sondern viel eher von den einzelnen Gruppen<br />

oder Stämmen der Familie. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Dabei kann<br />

ihnen entweder als Stamm sicher ein Vertreter zukommen, unabhängig von den Anteilen<br />

(28% [F1], 30% [F2], 15% [F3], 13% [F4], 14% [F5]) 41 ) oder es wird pro 20-%-Anteil<br />

ein Sitz vergeben. Werden die Sitze pro Stamm vergeben, repräsentiert jedes Mitglied im<br />

Regelfall auch so viele Stimmen in der Syndikatsleitung (Kapitalprinzip). Möglich ist es<br />

aber auch, dass in der Syndikatsleitung das Kopfstimmprinzip gilt, dh dass alle Mitglieder<br />

der Syndikatsleitung das gleiche Stimmgewicht repräsentieren. Damit würden die<br />

geringer beteiligten Familienstämme zugunsten der anderen, größeren Familienstämme<br />

gewinnen.<br />

13/34 Auch die Stellung der Mitglieder der Syndikatsleitung kann völlig unterschiedlich<br />

ausgestaltet sein. Sie können die Stellung als Boten einnehmen und damit wirklich nur<br />

Überbringer der Vorentscheidung der von ihnen repräsentierten Gesellschafter (Familienstamm,<br />

subsyndizierter Gesellschafter) sein. Naturgemäß sind sie streng an die Vorentscheidung<br />

gebunden und auch sonst auftragsrechtlich vollständig an die Gesellschafter<br />

rückgebunden. Sie können auch als Stellvertreter mit eigener Willensbildung und<br />

Orientierung oder Bindung der Gesellschaftervorentscheidung etabliert sein. Schließlich<br />

ist es auch möglich, ihnen die Stellung als freie Vertreter und Vertrauensleute der Gesellschafter<br />

einzuräumen, die eigenständig im besten Interesse der repräsentierten Gesellschafter<br />

entscheiden. Der jeweilige Repräsentant in der Syndikatsleitung nimmt eine<br />

Vorabstimmung über die jeweilige Angelegenheit vor, um dann – je nach Meinungsbildung<br />

in seinem Stamm – die Stimme für den Stamm in der Syndikatsleitung abzugeben.<br />

Die Form dieser Vorabstimmung kann einheitlich festgelegt werden, sie kann aber auch<br />

jeder Gruppe selbst überlassen bleiben.<br />

13/35 Die Teilung nach Stämmen und die Einrichtung der Syndikatsleitung mit Abstimmungsbefugnis<br />

bewirken im Grunde ein zweistufiges Syndikat (Haupt- und Sub- oder<br />

398<br />

40 ) Westermann in FS Bezzenberger 452.<br />

41 ) „F“ steht für Familienstamm.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


Untersyndikat). Unter der „dogmatischen Linse“ wirken so mehrere GesBR zusammen,<br />

die – im vorgegebenen gesetzlichen und vertraglichen Rahmen – dynamisch wirken<br />

und mehr oder weniger stark hervortreten. Rechtsfragen sind nach den vertraglichen<br />

und den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des ABGB zu ordnen. Damit kann<br />

der Abstimmungsvorgang noch einmal fragmentiert werden. Im äußersten Fall kann der<br />

Familienstamm mit 30%, der noch in einem Zwischensyndikat mit dem Stamm von<br />

28% verbunden ist, die Beschlüsse auch in der Gesellschaft durchsetzen, selbst wenn eigentlich<br />

alle anderen Stämme, somit 70% der Aktionäre bzw Anteile der Familie, gegen<br />

eine Maßnahme sind (Rz 4/53; Rz 13/32; Rz 13/41).<br />

SV<br />

Syndikatsleitung nach Köpfen<br />

Legende:<br />

G 1<br />

SLV<br />

Gesellschafter<br />

F1, F2 Familienstamm<br />

M1, M2, . . . Mandatsverhältnis<br />

SL1, SL2 Mitglieder der Syndikatsleitung<br />

SL Syndikatsleitung<br />

S-Leiter Syndikatsleiter<br />

W Wahl des Syndikatsleiters<br />

V Vollmacht für Syndikatsleiter zur<br />

Vertretung aller<br />

Syndikatsmitglieder<br />

SV Syndikatsversammlung<br />

GV Gesellschafterversammlung<br />

HV Hauptversammlung<br />

SLV Syndikatsleitungsversammlung<br />

M1, M2, . . . Mandatierung der Mitglieder der<br />

Syndikatsleitung (Auftrag und<br />

Vollmacht)<br />

S-Leiter<br />

SL 1 SL 2 SL 3 SL 4 SL 5<br />

M 1 M2<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

V+W<br />

HV<br />

GV<br />

M 3 M 4 M 5<br />

F 1 19% F 2 24% F 3 20% F 4 20% F 5 17%<br />

G1 G2 G G 3 4 G5 G6 G7 G<br />

Prozedere des Einflusses:<br />

1. Gesellschaft besteht aus 5 Familienstämmen (F1, F2 . . .) mit unterschiedlich höher Beteiligung<br />

2. Jeder Familienstamm ist - trotz<br />

unterschiedlicher Beteiligung – berechtigt, ein<br />

Mitglied der Syndikatsleitung zu bestimmen<br />

und zu mandatieren<br />

3. Vorabstimmung in jedem Familienstamm ist<br />

erforderlich, um SL-Mitglieder festzulegen<br />

4. SL-Mitglieder wählen für ein/zwei Jahre den<br />

Syndikatsleiter und bevollmächtigen ihn für<br />

Vertretung nach außen = Haupt- oder<br />

Generalversammlung<br />

5. Konzentration der Vorbereitung der<br />

Syndikatsleitung und Syndikatsversammlung<br />

bei Syndikatsleiter und Vertretung gegenüber<br />

der Gesellschaft<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 399<br />

13/36


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

13/37 Vorstellbar sind auch Gestaltungen, nach denen nicht jeder Familienstamm, sondern<br />

pro 20% der Anteile ein Repräsentant in die Syndikatsleitung entsandt wird. Dabei<br />

ist zunächst der Entsendungsvorgang komplexer, da etwa bei 28% noch 8% überbleiben,<br />

die für jeden der gering beteiligten Stämme zur Unterlegung für einen Repräsentanten<br />

herangezogen werden können.<br />

13/38 Zu beachten ist aber in einer derartigen Gestaltung auch, dass der jeweilige Repräsentant<br />

in der Syndikatsleitung nicht nur die Zustimmung eines Stammes braucht,<br />

sondern auch des zweiten Stammes, für den er jedenfalls auch teilweise in der Syndikatsleitung<br />

sein Amt als Mitglied der Syndikatsleitung ausübt. Er repräsentiert zwei<br />

Stämme und ist daher von beiden mandatiert, dh beauftragt. Er muss daher auch<br />

von beiden die Zustimmung für bestimmte Stimmabgaben erlangen. Dogmatisch lässt<br />

sich dies mit der Kombination von Vollmacht und Auftrag (Handlungsanleitung) für<br />

die Repräsentation in der Syndikatsleitung fassen. Wird die Geschäftsführung in einer<br />

GesBR auf eine oder bestimmte Personen übertragen, ist dafür Auftrags- und Vollmachtsrecht<br />

anzuwenden. 42 ) Genau dies kann auch auf die Syndikatsleitung angewandt<br />

werden. Der konkrete Inhalt des Mandats richtet sich daher entsprechend der syndikatsvertraglichen<br />

Regelung und der daran anknüpfenden Beschlussfassung oder sonstigen<br />

Entscheidungsfindung.<br />

13/39 Derartige Syndikate und Repräsentationsgestaltungen sind vielfach keineswegs abgeschlossene<br />

Einheiten, die völlig isoliert voneinander agieren und erst in der Syndikatsleitung<br />

zusammenlaufen. Gehören der Gesellschaft mehrere „unternehmerische“ Gesellschafter<br />

an, so zeigt sich diese Struktur als dynamischer Rahmen, der dazu benutzt<br />

wird, für einzelne unternehmerische Entscheidungen ad-hoc Koalitionen zu bilden,<br />

um entscheidungsrelevante Mehrheiten für geschäftliche Vorhaben, Maßnahmen und<br />

deren Ablehnung, Sperrminoritäten oder sonst relevante Schwellen im Syndikat zu erlangen.<br />

Gerade in Konstellationen, in denen einem Gesellschafter oder einer Gruppe<br />

nur einige „Prozentpunkte“ an Stimmen auf eine relevante Schwelle oder überhaupt auf<br />

die Mehrheit fehlen, wird er oder sie typischerweise bestrebt sein, Übertragungsstimmen,<br />

sonstige Einzelstimmen oder kleinere Pakete und Anteile auf sich zu vereinen und<br />

derart den „Block“ zu vergrößern.<br />

4<strong>00</strong><br />

42 ) Wittmann-Tiwald in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.<strong>00</strong> § 1190 Rz 6, 11.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


G 1<br />

Syndikatsleitung nach Stimmanteilen<br />

G 2<br />

M 1<br />

Legende:<br />

2 S<br />

SL 1<br />

M 2<br />

T 1<br />

3%<br />

<br />

A. Macht und Kontrolle der Anteilsmehrheit XIII<br />

F Familie<br />

F1 erster Familienstamm<br />

F2 zweiter Familienstamm<br />

SL1 erstes Mitglied der Syndikatsleitung<br />

SL2 zweites Mitglied der<br />

Syndikatsleitung<br />

1 S eine Stimme in Syndikatsleitung<br />

2 S zwei Stimmen in Syndikatsleitung<br />

T1, T2, . . . Treuhandvertrag (regelt<br />

Abstimmungsverhalten)<br />

M1, M2, . . . Mandatierung der Mitglieder der<br />

Syndikatsleitung<br />

G1 G2 Gesellschafter<br />

Verlagerung der Stimmgewichtung<br />

Syndikatsleiter<br />

SL 2 SL 3 SL 4 SL 5<br />

2 S 1 S 1 S 2 S<br />

T 2<br />

2,5%<br />

<br />

Gesellschaft<br />

HV<br />

T 3<br />

1%<br />

<br />

F 1 F 2 F 3 F 4 F 5<br />

28% 22% 10% 16% 24%<br />

Mandat<br />

mit<br />

Auftrag<br />

und<br />

Vollmacht<br />

Prozedere der Vertretung und Einflussbündelung:<br />

1. Familie besteht aus 5 Familienstämmen mit<br />

unterschiedlichen Beteiligungen<br />

2. Syndikatsleitung setzt sich nach Stimmanteilen<br />

zusammen: 12,5 % der Stimmen gewähren einen<br />

Sitz und eine Stimme in der Syndikatsleitung<br />

(SL 1, SL 2)<br />

3. Ein Mitglied in der Syndikatsleitung kann<br />

mehrere Stimmen auf sich vereinen (zB SL 1)<br />

4. Überzählige Stimmen, die einem Mitglied der<br />

Syndikatsleitung unmittelbar zustehen, müssen<br />

einem Mitglied der Syndikatsleitung durch<br />

Treuhandvertrag zugeordnet werden (T 1, T 2, . . .)<br />

5. Die Mandatierung (M 1, M 2) der Mitglieder der<br />

Syndikatsleitung muss von allen jeweiligen<br />

Stimmberechtigten vorgenommen werden<br />

Fazit: Ständige Rückbindung, nicht bloß einmaliger<br />

Akt durch vertretene Gesellschafter<br />

In Syndikatsverträgen wird für die interne Willensbildung in der Regel die einfache<br />

Mehrheit festgelegt. Die qualifizierte Mehrheit oder die Einstimmigkeit kommt eher nur<br />

bei Satzungsänderungen oder Umstrukturierungen in der Hauptgesellschaft oder bei<br />

Vertragsänderungen im Syndikat zur Anwendung. 43 ) In diesem Zusammenhang stellt<br />

43 ) Kraus, Angebotspflicht im Syndikat 108.<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 401<br />

13/40<br />

13/41


XIII XIII. Macht und Kontrolle im <strong>Familienunternehmen</strong><br />

sich die Frage, ob gesetzliche Mehrheitserfordernisse für die Hauptversammlung oder<br />

die Generalversammlung – dh die qualifizierte Mehrheit bei Satzungsänderung, Kapitalerhöhung,<br />

insb mit Bezugsrechtsausschluss – auch bei Beschlussfassungen im Syndikat<br />

zu berücksichtigen sind. 44 ) Das Thema spitzt sich auf die Frage zu, ob die einfache<br />

Mehrheit im Syndikat ausreicht, um eine einheitliche Simmabgabe auch in der Hauptversammlung<br />

abzugeben, obwohl dort eine Dreiviertelmehrheit verlangt wird. Mit der<br />

ganz überwiegenden Meinung ist das Mehrheitsprinzip im Syndikatsvertrag als wirksame<br />

Regelung anzuerkennen (vgl Rz 4/53; Rz 13/35). 45 ) Hat sich die Familie einem Dritteinfluss<br />

geöffnet, behält sie ihren beherrschenden Einfluss, weil sie im Rahmen des Syndikats<br />

durch die einfache Mehrheit ihre Interessen selbst bei Uneinigkeit innerhalb der<br />

Familie wahren kann. 46 )<br />

13/42 Wenn im Syndikatsvertrag allen Gesellschaftern von Anfang an klar dargelegt wurde,<br />

dass die einheitliche Beschlussfassung in der Hauptversammlung hilft, Auseinandersetzungen<br />

zu vermeiden und klar kommuniziert wurde, dass Minderheitsgesellschafter<br />

allenfalls Rechte aufgeben, dh dass den Gesellschaftern alle rechtlichen Konsequenzen<br />

der Umgehung der qualifizierten Quoren erklärt wurden und sie diese auch verstanden<br />

haben, ist es möglich, im Syndikat mit einfachen Mehrheiten Beschlüsse zu fassen. Zur<br />

Steigerung der Akzeptanz kann es in derartigen Situationen auch sinnvoll sein, die Entscheidung<br />

einer zweifachen Abstimmung zu unterwerfen: Wenn die erste Abstimmung<br />

eine Mehrheit ergeben hat, eine weitere Syndikatsversammlungs-Sitzung nach angemessener<br />

Frist (etwa nach drei Wochen) einberufen wurde und die Versammlung noch einmal<br />

mit dieser Mehrheit nach der „Abkühlphase“ entscheidet, wird die Zustimmung<br />

noch deutlicher. Durch diese zweiteilige Beschlussfassung wird der Mechanismus der<br />

Mehrheitsbildung offenkundig. Die nicht zustimmenden Gesellschafter haben sich zu<br />

diesem Mechanismus bekannt. Zudem ist er auch in den sonstigen Konzerngestaltungen<br />

zulässig. Die Verkomplizierung durch den zweiten Abstimmungsvorgang hat zumindest<br />

den Vorteil der höheren Akzeptanz für sich (vgl Rz 10/27).<br />

13/43 Umgekehrt stellt sich ebenso die Frage der Divergenz: Im Unternehmen reicht die<br />

Dreiviertelmehrheit (zB Änderung des Unternehmensgegenstands), die Familie legt aber<br />

im Syndikat Einstimmigkeit fest. Wiederum ist die Zulässigkeit mit der privatautonomen<br />

Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter zu rechtfertigen. Die Entscheidungsfreiheit<br />

verlangt aber auch in diesem Fall die Offenlegung der Wirkungen, dh der erschwerten<br />

Entscheidungsfindung.<br />

44 ) Dafür Habersack, ZHR 2<strong>00</strong>0, 1 ff; aA Zöllner in FS Ulmer 725 ff; ferner Westermann in FS<br />

Bezzenberger 449 ff; Westermann, ZGR 1996, 272 ff; Hofmann-Becking, ZGR 1994, 443; Schäfer,<br />

ZGR 2<strong>00</strong>9, 768 ff.<br />

45 ) Tichy, Syndikatsverträge 117 ff; Diregger/Tichy in Doralt/Nowotny/<strong>Kalss</strong>, AktG 2 § 121<br />

Rz 50; Kraus, Angebotspflicht im Syndikat 114 ff; BGH ZIP 2<strong>00</strong>9, 216; Noack, Gesellschaftervereinbarungen<br />

bei Kapitalgesellschaften 207 ff; Zöllner in FS Ulmer 236 ff; Westermann in FS Bezzenberger<br />

449 ff; Schäfer, ZGR 2<strong>00</strong>9, 768 ff; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 452 f; aA Habersack, ZGR<br />

2<strong>00</strong>0, 1 ff; Habersack in Wilhelmi/Tröger, Familiengesellschaften 22 ff.<br />

46 ) Kraus, Angebotspflicht im Syndikat 118.<br />

402<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013)


B. Kontrolle ohne Anteilsmehrheit<br />

1. Allgemeine Begründung<br />

Wie bereits angesprochen, gilt im österreichischen Kapitalgesellschaftsrecht und als<br />

Zweifelsregel auch im Personengesellschaftsrecht das Kapitalprinzip, wonach Kapitaleinsatz<br />

und Stimmrechtskraft und Einfluss korrelieren (Rz 13/2). Dieser Grundsatz ist<br />

auch für das Funktionieren von <strong>Familienunternehmen</strong> bedeutsam, müssen doch gerade<br />

in einem <strong>Familienunternehmen</strong> Risikotragung und Anteilsinnehabung dauerhaft mit<br />

der Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeit übereinstimmen.<br />

Selbst wenn das Kapitalprinzip mit dem Korrelieren von Kapitaleinsatz und<br />

Stimmkraft prävaliert, sind bestimmte Situationen anzuerkennen, in denen Einfluss<br />

und Kontrolle losgelöst von dem tatsächlichen Kapitaleinsatz zugeordnet werden und<br />

daher Kapitaleinsatz und Stimmrechtskraft mit Einfluss und Kontrolle disproportional<br />

zugeteilt werden. Grundsätzlich sind zwei unterschiedliche Gestaltungen in der Satzung<br />

möglich, nämlich<br />

* die disproportionale Zuordnung von Stimmrecht sowie Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten<br />

während<br />

(i) bestimmter Zeit;<br />

(ii) aufgrund einer besonderen Ausgangslage oder<br />

(iii) wegen besonderer Leistungen für das Unternehmen;<br />

* die disproportionale Zuteilung des Stimmrechts zum Zweck der Abwehr Außenstehender<br />

und der Absicherung des Unternehmens als <strong>Familienunternehmen</strong>.<br />

Eine disproportionale Zuordnung der Einfluss- und Kontrollrechte an einzelne<br />

Familiengesellschafter, die nicht über einen entsprechend hohen Anteil und daher im<br />

Verhältnis zu ihrem Kapitaleinsatz und zu ihrer Risikotragung über eine relativ höhere<br />

Einfluss- und Kontrollmöglichkeit verfügen, ist im GmbH-Recht und im Recht der Personengesellschaften<br />

gesellschaftsrechtlich relativ einfach kraft privatautonomer Satzungsregelung<br />

gestaltbar. Unter anderem können gesellschaftsvertraglich ein Mehrstimmrecht,<br />

ein Vetorecht oder ein Einzelzustimmungsrecht zugunsten eines Gesellschafters<br />

oder ein Dirimierungsrecht für einen Gesellschafter (Stichentscheidung bei<br />

Gleichstand) eingeräumt werden.<br />

B. Kontrolle ohne Anteilsmehrheit XIII<br />

Aber auch das Aktienrecht bietet trotz seiner zwingenden Bestimmungen ausreichend<br />

viele Gestaltungsmöglichkeiten, um den Kapitaleinsatz von der Stimmkraft und<br />

konkreten Einfluss- und Kontrollmöglichkeit zugunsten bestimmter Gesellschafter zu<br />

entkoppeln. Zu nennen sind<br />

* die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien;<br />

* die Ausgabe mehrerer unterschiedlicher stimmrechtstragender Aktiengattungen;<br />

* die Etablierung eines Höchststimmrechts;<br />

* die Einräumung einzelner Sonderrechte zugunsten bestimmter Gesellschafter (zB<br />

das Entsendungsrecht; das Einberufungsrecht der Hauptversammlung) sowie<br />

* die Einräumung einer einem Sonderrecht vergleichbaren Rechtsposition zugunsten<br />

einzelner Gesellschafter (zB das Präsenzrecht in der Hauptversammlung).<br />

<strong>Kalss</strong>/<strong>Probst</strong>, <strong>Familienunternehmen</strong> (2013) 403<br />

13/44<br />

13/45<br />

13/46<br />

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