Das dreht einen richtig an …« Über die Figur der Rotation in ... - mbr
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sie noch völlig unvore<strong>in</strong>genommen und lustvoll mit <strong>der</strong><br />
Ambivalenz <strong>der</strong> Kräfte. E<strong>in</strong> bek<strong>an</strong>ntes Beispiel ist »Bl<strong>in</strong>de<br />
Kuh«. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d bekommt <strong>die</strong> Augen verbunden, wird<br />
ge<strong>dreht</strong>, um dadurch <strong>die</strong> Orientierung zu verlieren und<br />
d<strong>an</strong>n durch Tasten e<strong>in</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>es K<strong>in</strong>d zu fi nden. Dem Spiel<br />
liegt <strong>die</strong> k<strong>in</strong>dliche Lust zugrunde, durch schnelles Drehen<br />
Schw<strong>in</strong>del- und Verwirrtheitsgefühle zu produzieren mit<br />
dem Ziel, im Taumel und Schummrigwerden jene Kraft<br />
zu erfahren, <strong>die</strong> den Körper für <strong>e<strong>in</strong>en</strong> Moment aus den<br />
festen Koord<strong>in</strong>aten von Raum und Zeit enthebt. Des Weiteren<br />
genießen K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong> damit verbundenes, eigentümlich<br />
freies Gefühl, e<strong>in</strong> Schweben, e<strong>in</strong> schwereloses Fluktuieren<br />
<strong>der</strong> »effets à tend<strong>an</strong>ce <strong>in</strong>fi nie«. Sie machen <strong>die</strong> essentielle<br />
Erfahrung, dass sich <strong>die</strong> Bil<strong>der</strong> von den Gegenständen<br />
ablösen lassen und frei verfügbar werden, womit sie <strong>die</strong><br />
»Methode <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bildungskraft« immer wie<strong>der</strong> neu erfi nden<br />
(Virilio 1996, S. 13).<br />
Ihr Spiel mit dem Kreisel bildet <strong>die</strong>se Erfahrung<br />
ab und <strong>in</strong>szeniert sie als e<strong>in</strong> Schauspiel, das wie<strong>der</strong>um<br />
Schauräume <strong>der</strong> Ph<strong>an</strong>tasie öffnet. Denn <strong>der</strong> Kreisel, auf<br />
den noch im Schwung se<strong>in</strong>es T<strong>an</strong>zes kausalmech<strong>an</strong>isch<br />
<strong>die</strong> Schwerkraft wirkt, steht nur wirklich frei im Feld <strong>der</strong><br />
Ersche<strong>in</strong>ungen. Deshalb bezeichnet Friedrich Schiller den<br />
Zust<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Schwebe als <strong>die</strong> »Freiheit <strong>der</strong> Ersche<strong>in</strong>ung«.<br />
Und im schwerelosen Schweben markiert <strong>der</strong> katholische<br />
Theologe Rom<strong>an</strong>o Guard<strong>in</strong>i <strong>die</strong> wesentliche Verb<strong>in</strong>dung<br />
zwischen Spiel und Kunst:<br />
»<strong>Das</strong> Schwere leicht zu machen, aber ohne ihm s<strong>e<strong>in</strong>en</strong><br />
Ernst, se<strong>in</strong>e Gefahr, se<strong>in</strong>e Herrlichkeit zu nehmen –<br />
das Lastende zu freiem Stehen zu br<strong>in</strong>gen, das Stockende<br />
zu fe<strong>der</strong>ndem Schreiten – <strong>die</strong> <strong>Über</strong>w<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Schwere.<br />
Die Kraft zum Spiel« (Guard<strong>in</strong>i 1932, S. 31).<br />
<strong>Rotation</strong> als Rite de passage<br />
Wir stehen g<strong>an</strong>z grundsätzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, <strong>die</strong> vier<br />
mächtigen Impulsen folgt: Die Erde umkreist <strong>in</strong> bestimmtem<br />
Rhythmus <strong>die</strong> Sonne. <strong>Das</strong> nennen wir Umwälzung.<br />
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