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1212_kabelschaeden - NET

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Hintergründe für die Behandlung von LWL-Kabelschäden<br />

Dr. Dieter Eberlein, Dr. Knut Rittner, Prof. Dr. Steffen Krätzig, Thomas Gehrke und<br />

Stefan Ries<br />

1 Vorbemerkungen<br />

Der nachstehende Artikel betrachtet Möglichkeiten, wie mit Schäden an Lichtwellenleiter-Kabelanlagen<br />

umzugehen ist und setzt sich mit der Frage auseinander, welche<br />

Reparaturmöglichkeiten bestehen und wie deren Folgen zu bewerten sind.<br />

Vor dem Hintergrund der im August 2012 verabschiedeten Anwendungsregel VDE-<br />

AR-E 2888-1 [1] wird hier der Frage nachgegangen, ob die dort getroffenen Aussagen<br />

tatsächlich so alternativlos sind, wie es diese Anwendungsregel bestimmt, zumal<br />

diese Regelung beträchtliche finanzielle Aufwendungen für die Reparaturen erzwingt.<br />

Die Autoren vertreten die Ansicht, dass es im Sinne einer wirtschaftlich vernünftigen<br />

und technisch angemessenen Schadensregulierung ist, die Reparatur einer beschädigten<br />

Kabelanlage mit dem Einfügen von Teilstücken nicht grundsätzlich auszuschließen<br />

und diskutiert hier die tatsächlichen Verhältnisse.<br />

In Abschnitt 8 wird ein Modell gezeigt, wie der entstandene Schaden an der Kabelanlage<br />

für den Netzbetreiber hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Brauchbarkeit und<br />

Nutzbarkeit auch nach hohen Qualitätsansprüchen angemessen ausgeglichen werden<br />

kann.<br />

2 Reparatur von beschädigten Kabeln<br />

Wird ein Lichtwellenleiter-Kabel beschädigt, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten<br />

zur Reparatur:<br />

• Austausch der gesamten Länge zwischen den benachbarten Bestandsmuffen: es<br />

wird der ursprüngliche Zustand technisch wieder hergestellt.<br />

• Austausch einer Teillänge des beschädigten Kabels im Bereich der Störungsstelle<br />

und Einbau eines Kabels mit Fasern des gleichen Typs. Über die tatsächlich notwendige<br />

Ersatzlänge ist fallweise zu entscheiden und diese richtet sich nach Art<br />

und Umfang der Beschädigung.<br />

Eine Teillänge ist immer so festzulegen, dass der schadenbedingt stressbelastete<br />

Kabelabschnitt in jedem Fall ersetzt wird. Dies bedarf einer Einzelfallbetrachtung sowie<br />

Erfahrung und Sachverstand.<br />

Wird zur Reparatur des Kabels ein neues Teilstück eingesetzt, werden technisch<br />

nicht exakt die gleichen Übertragungswerte wie vor der Beschädigung wieder hergestellt:<br />

• Die maximal zwei zusätzlichen Spleiße innerhalb des beschädigten Streckenabschnittes<br />

bewirken eine zusätzliche Dämpfung und belasten das Dämpfungsbudget.<br />

1


• Die maximal zwei zusätzlichen Muffen innerhalb des beschädigten Streckenabschnittes<br />

haben eine bestimmte Fehlerrate, die das Ausfallverhalten der Strecke<br />

beeinflusst.<br />

Zu hinterfragen ist, welche Folgen diese neuen Verhältnisse haben und ob damit tatsächlich<br />

die wirtschaftliche Brauchbarkeit und Nutzbarkeit der Kabelanlage beeinträchtigt<br />

wird.<br />

3 Erhöhung der Streckendämpfung<br />

Für einen Spleiß ist nach derzeitigem Stand der Technologie eine maximale Dämpfung<br />

von 0,10 dB anzusetzen, wenn Fasern der gleichen Norm (üblicherweise Standard-Singlemode-LWL<br />

entsprechend ITU-T G.652) miteinander verspleißt werden.<br />

Somit fällt durch die beiden zusätzlichen Muffen eine maximale Spleißdämpfung von<br />

0,20 dB an, ein oberer Grenzwert, der in der Praxis aber tatsächlich regelmäßig unterschritten<br />

wird.<br />

Wegen der hohen Qualität der Fasern (geringe Toleranzen) sowie der ausgereiften<br />

Spleißtechnik liegen Spleißdämpfungen zwischen identischen Fasern heute in der<br />

Größenordnung von 0,03 dB bis 0,05 dB.<br />

Diese zusätzliche Dämpfung muss mit der Anzahl der Ausfälle während der Lebensdauer<br />

der betrachteten Strecke bzw. Kabelanlage multipliziert werden. Deshalb ist<br />

zunächst die Anzahl der Ausfälle abzuschätzen.<br />

Die Zuverlässigkeit und das Ausfallverhalten von LWL-Systemen sind ein sehr komplexes<br />

Thema.<br />

Im Zeitraum von Oktober 1993 bis Juni 1998 wurde von 80 Personen aus 46 Firmen<br />

die Zuverlässigkeit von optischen Fasern und Komponenten untersucht. Beteiligt waren<br />

zehn europäische Länder sowie Bellcore (USA) und das Fiber Optics Research<br />

Center of General Physics Institut (Russland). Die Ergebnisse wurden in dem Abschlussbericht<br />

COST 246 „Reliability of Optical Fibres and Components“ [2] zusammengefasst.<br />

Ausfallraten werden von den Netzbetreibern im Allgemeinen nicht veröffentlicht. In [3]<br />

wird als Mittelwert der Angaben von Netzbetreibern aus Frankreich, Dänemark,<br />

Schweden, Portugal, Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden für Hauptkabel<br />

eine Ausfallrate von 200 FITs/km genannt.<br />

Den Autoren ist klar, dass dieser Wert mit einer großen Unsicherheit behaftet ist,<br />

nicht zuletzt deshalb, weil die Angabe 18 Jahre alt ist. Wir kommen später darauf zurück.<br />

Die Angabe FIT für die Fehlerrate bedeutet Anzahl der Ausfälle in 10 9 Stunden.<br />

Eine Fehlerrate von 200 FITs/km bedeutet, dass es bezogen auf eine Streckenlänge<br />

von 100 km pro Jahr zu etwa 0,175 Ausfällen kommt. Wird eine für Kabelanlagen typische<br />

Lebensdauer von 30 Jahren angesetzt, entspricht das 0,175 x 30 = 5,3 und<br />

2


damit weniger als sechs Ausfällen auf einer Strecke von 100 km in der vorgesehenen<br />

Nutzungsperiode.<br />

Nicht alle in die Fehlerrate eingehenden Ausfälle werden durch eine Beschädigung<br />

des Kabels verursacht. Die Schadensursachen sind vielfältig [2]:<br />

• dauerhafte Kabeldehnung<br />

• enge Biegeradien<br />

• Verlegefehler<br />

• Schäden durch Transport und Lagerung<br />

• Handhabungsfehler beim Absetzen, Brechen, Spleißen oder Besteckern<br />

• fehlerhafte Muffenmontage => Eindringen von Wasser => Frost<br />

Nicht in jedem Fall bedeutet eine Reparatur auch eine zusätzliche Dämpfung, beispielsweise<br />

wenn der Fehler in der Muffe liegt.<br />

In [4] wurden die Fehlerursachen prozentual folgendermaßen aufgeschlüsselt:<br />

• Mantelfehler: 28 %<br />

• Muffenfehler: 31 %<br />

• Faserfehler: 19 %<br />

• Abschlüsse: 5 %<br />

• Stecker: 1 %<br />

• Sonstige: 16 %<br />

Muffenfehler, Abschlüsse und Stecker erfordern keine zusätzlichen Spleiße und damit<br />

keine zusätzlichen Muffen (37 %). Mantelfehler und Faserfehler können zusätzliche<br />

Muffen erfordern (47 %). „Sonstiges“ kann nicht zugeordnet werden. Daraus ergibt<br />

sich, dass nur gut die Hälfte der Fehler (47 % zu 37 %) tatsächlich eine Erhöhung<br />

der Dämpfung verursachen. Bezogen auf die abgeschätzten Ausfälle während<br />

einer Lebensdauer von 30 Jahren betrifft das anteilig etwa:<br />

47 % 47 %<br />

= = 0,56<br />

47 % + 37 % 84 %<br />

=><br />

3<br />

0,56 ⋅5,<br />

3 Ausfälle < 3<br />

Ausfälle<br />

Dann würde auf einer Strecke von 100 km während einer Lebensdauer von 30 Jahren<br />

im Mittel zusätzlich eine Dämpfung von 3 x 0,2 dB = 0,6 dB entstehen. Dieser<br />

Wert ist deutlich geringer, als die üblicherweise eingeplante Systemreserve.<br />

4 Systemreserven<br />

Wegen der hohen geforderten Zuverlässigkeit, insbesondere bei breitbandiger Informationsübertragung<br />

über Lichtwellenleiter, hat eine ausreichende Systemreserve<br />

elementare Bedeutung für den zuverlässigen Betrieb einer Kabelanlage. Deshalb<br />

wird jeder seriöse Netzbetreiber eine Systemreserve einplanen, die auch unter<br />

Worst-Case-Bedingungen ausreichend ist.<br />

In dem Telekom-Fachbuch [5] wird auf Seite 285 für die dort aufgelisteten Weitverkehrsübertragungssysteme<br />

eine Systemreserve von 4 dB veranschlagt. In [6] auf<br />

Seite 260 wird für kurze Strecken als Systemreserve ein fester Wert angegeben<br />

(3 dB). Für lange Strecken wird eine längenabhängige Systemreserve (0,05 dB/km)


empfohlen. Bezogen auf eine Streckenlänge von 100 km ergibt das eine Systemreserve<br />

von 5 dB.<br />

Alternativ kann eine feste Reserve mit einer längenabhängigen Reserve kombiniert<br />

werden, da ja die Ausfallwahrscheinlichkeit mit wachsender Streckenlänge zunimmt,<br />

aber auch bei einer kurzen Strecke bereits eine Systemreserve benötigt wird. Als aktuelle<br />

Quelle wird [7] Seite 3 bzw. 5 berücksichtigt: Feste Systemreserve maximal<br />

3 dB, längenabhängige Systemreserve (0,01…0,02) dB/km. Bei einer Streckenlänge<br />

von 100 km ergibt das eine Systemreserve von 4 dB…5 dB.<br />

Alle diese Ansätze zeigen, dass die üblicherweise berücksichtigten Systemreserven<br />

deutlich über der oben abgeschätzten Dämpfung durch zusätzliche Muffen<br />

von 0,6 dB liegen.<br />

Wird der fünffache Wert der postulierten Ausfallrate angesetzt (anstelle 200 FITs/km<br />

=> 1000 FITs/km), ergibt sich durch sinngemäße Anwendung der vorgestellten Überlegungen<br />

auf einer Streckenlänge von 100 km innerhalb von 30 Jahren eine Dämpfungserhöhung<br />

von 5 x 0,6 dB = 3 dB. Damit ist gezeigt, dass selbst in dem sehr unwahrscheinlichen<br />

Fall des Auftretens extrem hoher Ausfallraten in einer Anlage, die<br />

Systemreserven oberhalb der zusätzlichen Dämpfung durch Kabelschäden liegen.<br />

Darüber hinaus können die tatsächlichen Systemreserven in Abhängigkeit von der<br />

Streckenlänge und der eingesetzten aktiven Technik noch wesentlich größer sein:<br />

Ein XFP-Transceiver ermöglicht zum Beispiel eine Streckendämpfung von 22 dB zu<br />

überbrücken. Für eine 50 km lange Singlemode-Strecke kann eine Dämpfung von<br />

11,5 dB angenommen werden (Dämpfungskoeffizient bei 1550 nm einschließlich<br />

Spleißdämpfungen ≈ 0,23 dB/km vorausgesetzt). Die tatsächliche Systemreserve beträgt<br />

dann 10,5 dB!<br />

Das bedeutet, dass in den meisten Fällen die tatsächliche Systemreserve deutlich<br />

größer ist, als die oben empfohlenen Werte. Eine Dämpfungserhöhung um beispielsweise<br />

0,2 dB, bezogen auf die tatsächliche Systemreserve, ist somit vernachlässigbar<br />

und beeinflusst die Funktionalität einer Strecke/Kabelanlage nicht.<br />

Sind optische Verstärker vorhanden, lässt sich eine eventuelle Dämpfungserhöhung<br />

in der Größenordnung von maximal 0,2 dB durch den optischen Verstärker problemlos<br />

ausgleichen.<br />

Auch in Normen (beispielsweise ITU-T G.652, G.691, G.983.1, G.983.3, G.957) wird<br />

empfohlen, Dämpfungsreserven unter anderem für zusätzliche Spleiße, extra Kabellängen,<br />

wie sie bei Kabelschäden notwendig werden können, einzuplanen. Somit<br />

wird kein seriöser Errichter einer Kabelanlage ohne solche Systemreserven planen.<br />

5 Reduzierte Zuverlässigkeit durch Einbau von Muffen<br />

In dem COST-Report [2], Anhang 2.A wird für die Fehlerrate einer Muffe angegeben:<br />

λMuffe = (3,9·10 -7 …0,7) FITs. Das ist ein sehr großer Bereich. Der größte Wert<br />

gilt, wenn die Muffe im Wasser liegt.<br />

4


Die Wahrscheinlichkeit für den Ausfall einer ordnungsgemäß installierten Muffe ist<br />

aktuell extrem gering. Muffen und Spleißtechnik werden technologisch sehr gut beherrscht.<br />

Dazu sind klassische Kabelkonstruktionen stabil. Das bedeutet, diese Ausfälle<br />

sind vernachlässigbar gegenüber Bauschäden, Wassereinbruch und Naturkatastrophen.<br />

Bei der Montage der neuen Muffen am beschädigten Abschnitt wird davon ausgegangen,<br />

dass dies mit ausgereiften Komponenten, hoher Sachkenntnis und handwerklichem<br />

Geschick erfolgt, Voraussetzungen die im üblichen Geschäftsverkehr als<br />

Normalfall auch unterstellt werden können.<br />

Im ungünstigsten Fall (Muffe in Wasser) ist eine Fehlerrate von 0,7 FITs anzusetzen.<br />

Zugunsten eines Betreibers der Kabelstrecke/-anlage soll mit diesem Wert gerechnet<br />

werden und hier beispielhaft gezeigt, wie sich dies auswirkt.<br />

Die Länge des Kabels zwischen den beiden Muffen vor der Zerstörung beträgt zum<br />

Beispiel 4 km. Bei einer kilometrischen Fehlerrate von 200 FITs/km ergibt sich folgende<br />

Fehlerrate in diesem Abschnittes: 4 km x 200 FITs/km = 800 FITs. Durch die<br />

beiden zusätzlichen Muffen erhöht sich die Fehlerrate um 2 · 0,7 FITs = 1,4 FITs.<br />

Die relative Erhöhung der Fehlerrate durch den Einbau der beiden Muffen beträgt<br />

somit:<br />

1,<br />

4<br />

= 0,<br />

00175 ≈ 0,<br />

175 % .<br />

800<br />

Um diesen Anteil erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine Reparatur der Anlage,<br />

weil sich die Wahrscheinlichkeit für den Ausfall erhöht.<br />

Beispiel:<br />

Kosten für die Reparatur: 10.000 € => Kosten anteilig: 10.000 € · 0,175 % = 17,50 €.<br />

Die Abschätzungen erfolgten für den ungünstigsten Fall: So wurde die größte Auffallrate<br />

der Muffe angenommen (0,7 FITs). Wird mit einer mittleren Ausfallrate innerhalb<br />

des angegebenen Schwankungsbereiches gerechnet, zum Beispiel mit 0,0001 FITs,<br />

0, 0002<br />

−7<br />

ergibt sich folgende relative Erhöhung der Fehlerrate: = 2,<br />

5 ⋅10<br />

.<br />

800<br />

Die anteiligen Kosten für die Reparatur betragen dann:<br />

10.000 € · 2,5 · 10 -7 = 0,25 Cent.<br />

Somit ist gezeigt: Der Einfluss der beiden zusätzlichen Muffen auf die Zuverlässigkeit<br />

des Übertragungssystems ist vernachlässigbar.<br />

5


6 Beeinflussung weiterer optischer Parameter<br />

6.1 Rückflussdämpfung<br />

Spleiße bewirken keine Reflexionen. Die Rückflussdämpfung der Strecke bleibt unverändert.<br />

6.2 Chromatische Dispersion<br />

Die chromatische Dispersion (CD) ist determiniert. Sie hängt vom Fasertyp und von<br />

der Wellenlänge ab. Wird die Faser durch den gleichen Typ ersetzt, bleibt die chromatische<br />

Dispersion unverändert. In keinem Fall erhöht ein zusätzlicher Spleiß die<br />

chromatische Dispersion der Strecke.<br />

6.3 Polarisationsmodendispersion<br />

Bis zum Jahr 1995 war der Effekt der Polarisationsmodendispersion (PMD) nicht bekannt.<br />

Entsprechend wurden die Fasern bezüglich der PMD nicht spezifiziert und der<br />

Parameter wurde nicht minimiert. Der PMD-Koeffizient war relativ groß.<br />

Ab 1995 wurde die Faserfertigung zunehmend optimiert, um den PMD-Koeffizient zu<br />

reduzieren. Erhebung der DTAG zu mittleren PMD-Koeffizienten (Quelle: Hans-Jürgen<br />

Tessmann, T-Systems):<br />

• Fasern verlegt bis 1991: 0,32 ps/ km<br />

• Fasern verlegt bis 1998: 0,13 ps/ km<br />

• Fasern verlegt ab 1999: 0,052 ps/ km<br />

• Fasern heute: noch kleinere mittlere PMD-Koeffizienten<br />

Der Ersatz einer älteren Faser durch eine neuere Faser (Reparatur) bedeutet tendenziell<br />

immer einen kleineren PMD-Koeffizient und damit eine Verbesserung dieses<br />

Faserparameters.<br />

Ein Spleiß führt zur Wechselwirkung zwischen den beiden senkrecht zueinander<br />

schwingenden Moden und verringert dabei tendenziell die PMD. Bei einem guten<br />

Spleiß ist dieser Effekt allerdings äußerst gering. In jedem Fall bewirkt der zusätzliche<br />

Spleiß keine Erhöhung der Polarisationsmodendispersion der Kabelstrecke.<br />

Zur Verdeutlichung der Größenordnung sei vermerkt: Ein PMD-Koeffizient von<br />

0,052 ps/ km (Beispiel oben) gestattet bei 40 Gbit/s-NRZ-Modulation eine Überbrückung<br />

von Längen größer als 2300 km.<br />

7 Modell der adäquaten Störungslänge<br />

In [8] und [9] wird der Versuch unternommen, die Wertminderung eines LWL-Kabels<br />

durch Bauschäden abzuschätzen. Dabei wird die zu erwartende maximale zusätzliche<br />

Dämpfung durch den Einbau zweier Muffen (0,20 dB) in eine „adäquate Störungslänge“<br />

umgerechnet. Das ist eine Kabellänge, die genau diese Dämpfung hat.<br />

6


Wird als Dämpfungskoeffizient bei 1550 nm ein Wert von 0,20 dB/km zu Grunde gelegt,<br />

entspricht das einer Länge von 1000 m. Als Wertminderung wird der Preis von<br />

1000 m des beschädigten Kabeltyps beansprucht.<br />

Diese Überlegungen sind aus folgenden Gründen widersprüchlich und nicht haltbar:<br />

Erfolgt die Übertragung bei 1310 nm (Dämpfungskoeffizient 0,33 dB/km) ergibt sich<br />

als „adäquate Störungslänge“ von 606 m. Was ist die richtige Länge und welche<br />

Wertminderung ist anzusetzen, wenn man mehrere Wellenlängen überträgt?<br />

Die berechnete Länge ist nur fiktiv. Sie wird nicht für die Übertragung genutzt. Sie<br />

wird nicht beschafft und auch nicht eingebaut. Also fallen tatsächlich keine Kosten<br />

an.<br />

Auf der Basis der Überlegungen von [8] und [9] könnte ein anderes optisches Bauelement<br />

betrachtet werden, welches auch eine Dämpfung von 0,20 dB hat. Beispiele:<br />

optisches Festwertdämpfungsglied (Kosten ca. 20 €), Patchkabel inklusive Stecker,<br />

Modenscrambler usw. Mit allen diesen Bauelementen kann eine Dämpfung von<br />

0,20 dB realisiert werden. Aber welches ist der „richtige“ Preis, der für die Wertminderung<br />

anzusetzen ist?<br />

8 Vorschlag zur Abschätzung der Wertminderung<br />

Ein pragmatischer Ansatz zur Abschätzung der Wertminderung kann wie folgt gewählt<br />

werden: Die Dämpfungserhöhung durch die Reparatur wird ins Verhältnis zu<br />

dem noch verfügbarem Dämpfungsbudget gesetzt. Das verfügbare Dämpfungsbudget<br />

ist ein Maß für die zulässige Dämpfung des Nutzsignals entlang der Strecke.<br />

Die Dämpfungserhöhung beträgt wie schon in Punkt 3 gezeigt maximal 0,20 dB. Das<br />

verfügbare Dämpfungsbudget entspricht mindestens der Systemreserve, also zum<br />

Beispiel 5,0 dB bei einer Streckenlänge von 100 km.<br />

Durch den Einbau einer Ersatzlänge mit zwei zusätzlichen Muffen werden maximal<br />

0,20dB<br />

5,0dB<br />

= 0,04 = 4%<br />

der Systemreserve aufgebraucht. Jedem Verursacher werden daher 4 % der Kosten<br />

für den betreffenden Kabelabschnitt in Rechnung gestellt. Die Verursacher werden<br />

damit anteilig am Schaden beteiligt und der Betreiber der Kabelstrecke/-anlage wird<br />

für die erlittene Wertminderung angemessen entschädigt.<br />

Mit diesem Ansatz wird erreicht, dass der Betreiber der Kabelstrecke keinen Schaden<br />

durch fortgesetzte Schadensereignisse erleidet. Wird nämlich tatsächlich im betroffenen<br />

Abschnitt durch weitere Schäden irgendwann die Kabelreserve aufgebraucht,<br />

so hätte der Betreiber durch die kumulierten Wertkompensationen der Verursacher<br />

das dann einzusetzende Budget für eine Reparatur durch Austausch der<br />

gesamten betroffenen Strecke erhalten.<br />

7


Dieser Ansatz entspricht dem Urteil vom 23.12.2008 (4 O 101/08) des Landgerichts<br />

Tübingen [10].<br />

9 Anwendungsregel VDE-AR-E 2888-1<br />

Die Anwendungsregel „Leitfaden für die Instandsetzung von beschädigten Lichtwellenleiterkabeln<br />

– Grundsätze“ [1] steht im Widerspruch zu oben gemachten Ausführungen.<br />

Bei ihrer Entstehung wurden die hier vorgestellten Überlegungen nicht einbezogen.<br />

Nach VDE-AR-E 2888-1 sollten beschädigte Kabellängen zwischen bestehenden<br />

Muffen (Steckverbindungen und/oder Faserspleißen) vollständig ersetzt werden um<br />

den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Es dürfen keine zusätzlichen Muffen<br />

eingefügt werden, da diese die Übertragungseigenschaften des Kabels beeinträchtigen<br />

würden.<br />

Bei einer nachweislich oberflächlichen punktuellen Beschädigung des Kabelmantels,<br />

durch die keine Feuchtigkeit eindringen kann, ist ein vollständiges Ersetzen nicht<br />

notwendig [11].<br />

Es ist beabsichtigt, diese Anwendungsregel international bei CENELEC zu normen.<br />

Dabei muss sich zeigen, ob diese Anwendungsregel vor dem Hintergrund der hier<br />

vorgestellten Überlegungen und den erheblichen Kosten, denen kein äquivalenter<br />

Nutzen gegenüber steht, in dieser Form Bestand haben wird.<br />

10 Zusammenfassung<br />

Immer wieder werden infolge von Bauarbeiten bestehende LWL-Kabelstrecken zerstört<br />

und müssen in Stand gesetzt werden. Mit diesem Artikel wird zur Thematik<br />

„Wertminderung von LWL-Kabelstrecken/-anlagen infolge von durch Reparaturen<br />

zusätzlich eingefügten Teillängen“ Stellung genommen, ein Thema, welches in zahlreichen<br />

Schadensfällen kontrovers diskutiert wird.<br />

Es wird gezeigt, dass mit zusätzlichen Dämpfungen durch Reparaturspleiße während<br />

der Lebensdauer von LWL-Kabeln niemals die üblicherweise veranschlagten Systemreserven<br />

in der Kabelanlage überschritten werden.<br />

Die Ausfallrate erhöht sich durch den Einbau einer Reparaturlänge (zwei zusätzliche<br />

Muffen) derart gering, dass auch dieser Einfluss vernachlässigbar ist.<br />

Außer der Dämpfung verschlechtert sich kein weiterer optischer Parameter (Rückflussdämpfung,<br />

CD, PMD) durch das Einbringen zusätzlicher Faserabschnitte und<br />

Spleiße.<br />

Für die tatsächlich eintretende Wertminderung der Kabelanlagen, welche bei fortgesetzter<br />

Schadensfolge eintritt, wird ein praktikables Ausgleichsmodell vorgeschlagen,<br />

mit dem die Interessen der LWL-Kabelanlagen-Betreiber angemessen berücksichtigt<br />

werden können.<br />

8


11 Literatur<br />

[1] VDE-AR-E 2888-1: Leitfaden für die Instandsetzung von beschädigten Lichtwellenleiterkabeln<br />

in Kabelnetzen – Grundsätze. August 2012.<br />

[2] T. Volontinen, W. Griffioen, M. Gadonna, H. Limberger: Realiability of Optical<br />

Fibres and Components. Final Report of COST 246. Springer Verlag 1999.<br />

[3] D. Gardan, L. Haagh, L. Larson, R. Margarito, M. Redstall, A. Socard, H.<br />

Steffensen, J. Stroetzel: Availability analysis of the fibre optical loop: EFOC &<br />

N 1994, Seite 28-32.<br />

[4] A. Ludl: Zuverlässigkeit von LWL-Kabelnetzen. ntz Heft 1-2, 1998, Seite 84-85.<br />

[5] H. Hultzsch (Herausgeber): Optische Telekommunikationssysteme. Damm-<br />

Verlag KG, Gelsenkirchen, 1996.<br />

[6] D. Eberlein u.a.: Lichtwellenleiter-Technik. expert verlag, Renningen 2010,<br />

8. Auflage.<br />

[7] OTN Systems. OTN Manual. Dokumentennummer AD-M155-G-8, 2012.<br />

[8] R. Wolf: Wertminderung bei Glasfaser-Telekommunikationseinrichtungen im<br />

Zugangs- und Verteilnetz infolge Bauschäden. Expertise 232/2003, Fibre Optics<br />

CT, 10.10.2003.<br />

[9] R. Wolf: Wertminderung einer unbeschalteten Lichtwellenleiterverbindung<br />

aus Einmodenfasern gemäß ITU-T G. 652 im Verbundnetz infolge Bauschäden.<br />

Expertise 2004/66, FO 43/10, 12.11.2004.<br />

[10] Th. Storz: Umfang der Schadensersatzpflicht wegen Beschädigung von<br />

Lichtwellenleiterkabeln. IBR August 2010, Seite 456.<br />

[11] Pressemitteilung Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik<br />

59/2012 vom 11. September 2012.<br />

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