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The Elephant Rocks in Germany Neu Delhi 2006 war das Jahr Indiens in Deutschland. Nicht nur konnten im zweiwöchigen Rhythmus Bollywood-Filme auf einem privaten Fernsehkanal gesehen werden, ist Hindu-Rock in jeder Berliner Lounge zu hören, gastieren zwei indische Schmalzmusicals in deutschen Städten; Indien war offizielles Partner- und Gastland auf der Industrie-Messe in Hannover, auf der Biennale in Bonn und auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt, dort als erstes Land zum zweiten Mal, nachdem es schon vor 20 Jahren, also 1986, mit der Gastrolle geehrt worden war. Umgekehrt war Deutschland im Sommer auf der indischen Agenda. Obgleich Fußball niemals Kricket wird verdrängen können, war auch Indien von der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland fasziniert und verfolgte tagtäglich am Bildschirm das Geschehen. Dass der frühere Nationalsport Hockey wenige Wochen später so kläglich beim Welttunier in Deutschland unterging und Deutschland Weltmeister wurde, hat den Blick dann erneut nach Deutschland gewandt. Ob das Indienjahr eine nachhaltige Wirkung haben wird, bleibt abzuwarten. Zumindest wird Indien im Jahresrückblick eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins kein einziges Mal erwähnt. The Small Elephants Next Door In den Nachbarstaaten Nepal, Sri Lanka und Bangladesh fanden 2006 weit reichende Entwicklungen und z.T. historische Veränderungen statt. Nachdem König Gyanendra im Februar 2005 die Regierung in Kathmandu abgesetzt und die Macht übernommen hatte, musste er sie Ende April 2006 nach anhaltenden, blutigen Demonstrationen und ausländischen Druck, insbesondere aus Delhi, von wo der Präsident des NCCR (National Council for Cultural Relations) Karan Singh als Sonderbotschafter nach Nepal entsandt worden war, an eine Allparteienregierung unter der Leitung des früheren Premiers Koirala zurückgeben. Dieser ist es gelungen, den zehnjährigen Bürgerkrieg mit den Maoisten zu beenden und mit ihnen Anfang November eine Sechs-Punkte-Vereinbarung zu unterzeichen. Nach einer Teilentwaffnung der Maoisten wird nun eine Verfassung entworfen. Einige sprechen von einer Konstitution nach Schweizer Vorbild. Der Erhalt des Königtums ist mehr als ungewiss. Anfang 2007 soll eine Übergangsverfassung in Kraft gesetzt werden sowie ein vorläufiges Parlament mit Beteiligung der Maoisten seine Arbeit aufnehmen. Seit 2002 bestand ein mehr oder weniger stabiler Waffenstillstand zwischen Regierung und LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) auf Sri Lanka. Am 25. April fand er mit einem Selbstmordattentat einer Tamilin auf den Armeechef ein Ende. Der 2005 gewählte Hardliner Mahindra Rajapakse ver- 219
Neu Delhi tritt als Präsident rein singhalesische Interessen. In den aufkommenden Kämpfen sah sich die Regierung schon als Sieger, als sie Ende September, gerade während unseres Alumni-Workshops in Colombo, alle in den vom Tsunami heimgesuchten tamilischen Gebieten tätigen ausländischen NGOs aufforderte, diese binnen Stunden zu verlassen. Der erhoffte militärische Erfolg mündete in einer Niederlage, so dass die Situation auf Sri Lanka nun weniger stabil ist als noch ein Jahr zuvor. Der Friedensnobelpreis 2006 ging an Muhammad Yunus aus Bangladesh wegen seines Programms von niedrig verzinsten Kleinkrediten an Arme. Das Land stürzte Ende 2006 in eine Verfassungskrise. Nach der Verfassung muss die Regierung vier Monate vor einer Wahl zurücktreten und einem vom Präsidenten ernannten Unparteiischen die Geschäfte für die Interimszeit übergeben. Dieses Verfahren wurde Ende September zum ersten Mal in der Geschichte des Landes praktiziert; die Wahlen sollen am 23. Januar 2007 stattfinden. Die oppositionelle Awami League sah in den ausgewählten Statthaltern Marionetten der regierenden BNP (Bangladesh Nationalist Party) und legte das Land mit Streiks lahm. Gleichzeitig war der Leiter der Wahlbehörde als parteiisch heftig umstritten. Ob und wie die Wahlen stattfinden werden, ist Anfang 2007 vollständig offen, nachdem der Notstand ausgerufen wurde und die Vereinten Nationen ihre Unterstützung bei der Durchführung von Wahlen zurückgezogen haben. The Elephant’s Internal Affairs Rechtsstaat Indien gilt als größte Demokratie der Welt und als Rechtsstaat. Formell ist Indien ein Rechtsstaat. Zu einem materiellen Rechtsstaat gehört die Durchsetzung des Rechts in einem angemessenen Zeitrahmen. Dazu haben die Gerichte im Jahr 2006 bemerkenswerte Schritte unternommen. Verfahren auf unteren Gerichtsebenen dauern so lange, dass schwächeren Parteien Geld und Geduld ausgehen. Nun saß aber im Dezember eine Vetternwirtschaft unter Politikern, Bollywoodstars, Unternehmern, Polizisten und Richtern auf der Anklagebank, als nach sechs Jahren und nach großem Druck aus der Öffentlichkeit das Verfahren gegen einen Prominenten zu einer Verurteilung wegen Mordes führte. Zuvor schon war der Kohleminister wegen eines Mordes verurteilt worden, der immerhin 13 Jahre zurücklag. Indiens neue Lust am Durchgreifen? Dann gäbe es noch viel zu tun: Der Prozentsatz an verfolgten Kriminellen in den Parlamenten ist kaum glaubhaft hoch, nicht nur im notorischen Bihar. Andererseits drängen die Richter auf Legalität. Auf ihr Geheiß wurden allein in Delhi zehntausende von Geschäften geschlossen und z.T. zerstört, die in reinen Wohngebieten ohne Genehmigung – wenn auch nach einer ausreichenden Bestechung – errichtet worden waren. Der sealing drive hielt Monate die Hauptstadt stellvertretend für ähnlich erwartete Aktionen im ganzen Land in Atem. 220
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