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<strong>Grenzüberschreitender</strong><br />

<strong>Forderungseinzug</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt<br />

Prof. Dr. Burkhard Hess<br />

Direktor des Instituts für<br />

Ausländisches und Internationales<br />

Privat- und Wirtschaftsrecht<br />

an der Universität Heidelberg<br />

hess@ipr.uni-heidelberg.de


<strong>Grenzüberschreitender</strong> <strong>Forderungseinzug</strong><br />

Im <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt<br />

1. Die rechtliche Rahmenbedingungen<br />

2. Regelungskonzepte der <strong>Europäischen</strong><br />

Justizpolitik<br />

3. Die unterschiedlichen Konstellationen der<br />

grenzüberschreitenden Forderungseinziehung<br />

4. Wege zur Verfahrensbeschleunigung<br />

5. Die Anerkennung und Vollstreckung<br />

ausländischer Urteile<br />

6. Strategien des grenzüberschreitenden<br />

<strong>Forderungseinzug</strong>s


1. Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

1.1. Europäisches Zivilprozessrecht<br />

1.2. Überblick: Die wichtigsten<br />

Rechtsakte des <strong>Europäischen</strong><br />

Zivilprozessrechts (EuZPR)<br />

1.3. Deutsche Ausführungsvorschriften<br />

zum <strong>Europäischen</strong> Zivilprozessrecht


1. Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

1.1. Europäisches Zivilprozessrecht<br />

1. Funktionen des EuZPR<br />

Koordinierung der (autonomen) Prozessrechte<br />

der Mitgliedsstaaten in den Bereichen<br />

+ Zuständigkeit<br />

+ Anerkennung und Vollstreckung<br />

+ Rechtshängigkeit<br />

+ Rechtshilfe<br />

Es erfasst mithin alle wesentlichen Bereiche des<br />

(klassischen) Internationalen Zivilprozessrechts


1.1. Europäisches Zivilprozessrecht<br />

1.1.2. Kompetenzielle Ausgangssituation<br />

- Raum der Freiheit, der Sicherheit und des<br />

Rechts: Art. 61, 65, 67, 68 EG-Vertrag<br />

(Amsterdamer Vertrag)<br />

- Politisches Maßnahmenprogramm:<br />

Sondergipfel in Tampere 1999<br />

- Umsetzung: Wiener Maßnahmenprogramm<br />

vom 30.11.2000.<br />

- Seit dem 1.1.2005: Haager Programm vom<br />

5./6.11.2004


1.2 Rechtsakte <strong>im</strong> EuZPR<br />

1.2.1. Zivil- und Handelssachen<br />

Seit dem 1.3.2002 gilt die VO 44/01/EG<br />

über die gerichtliche Zuständigkeit und<br />

die Anerkennung und Vollstreckung von<br />

Entscheidungen <strong>im</strong> Zivil- und<br />

Handelssachen (EuGVO),<br />

Enthält die Kernregelungen des<br />

<strong>Europäischen</strong> Zivilprozessrechts<br />

Die EuGVO gilt ab dem 1.7.2007 auch <strong>im</strong><br />

Verhältnis zu Dänemark aufgrund eines bilateralen<br />

Übereinkommens.


Regelungsgegenstand<br />

und Funktionen der EuGVO<br />

Koordinierung konkurrierender Zivilprozesse<br />

<strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Justizraum<br />

durch<br />

- Einheitliche Gerichtstände (Art. 2 – 26)<br />

- Regelung der Rechtshängigkeit nach<br />

(strikter) Priorität (Art. 27 – 30)<br />

- Erleichterte Anerkennung von Urteilen,<br />

Prozessvergleichen und notariellen<br />

Urkunden (Art. 32 ff., 50 f.)


1.2. Rechtsakte <strong>im</strong> EuZPR<br />

1.2.2. Ehe- und Kindschaftssachen<br />

Seit dem 1.3.2005: VO 2201/2003/EG<br />

(Brüssel IIa, ABl. EU 2003 L 338/1 ff.)<br />

über Ehescheidungen und sämtliche<br />

Kindschaftssachen,<br />

Regelt die Zuständigkeit, Rechtshängigkeit<br />

und Anerkennung bei Ehescheidungen<br />

sowie in Kindschaftssachen (d.h. Elterliche<br />

Sorge und Umgangsrecht, jedoch auch bei<br />

unverheirateten Eltern); Rückführung bei<br />

Kindesentführungen.


1.2. Rechtsakte des EuZPR<br />

1.2.3. Europäische Rechtshilfe<br />

- VO Nr. 1348/2000/EG über die Zustellung<br />

gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in<br />

Zivil- oder Handelssachen vom 29.5.2000 (ABl.<br />

2000 L 160, 37 ff.).<br />

– VO 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen<br />

den Gerichten der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet<br />

der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen<br />

(ABl. 2001 L 174, 1 ff.).<br />

- Entscheidung 2001/470/EG über die Einrichtung<br />

eines <strong>Europäischen</strong> Justiziellen Netzes für Zivilund<br />

Handelssachen (ABl. 2001 L 174 S. 25 ff.)<br />

- Richtlinie 2003/8/EG zur Prozesskostenhilfe<br />

(ABl. 2003 L 26/41 ff.)


1.2. Rechtsakte des EuZPR<br />

1.2.4. Die aktuelle Entwicklung: Sektorielle<br />

Prozessrechtsvereinheitlichung<br />

a) Europäischer Vollstreckungstitel für<br />

unbestrittene Forderungen, VO 805/2004, ABl.<br />

EU 2004 L 143/15 ff.<br />

b) Europäisches Mahnverfahren, Mahnverfahren VO 1896/2006<br />

ABl. EU 2006 L 399/1 ff.<br />

c) Europäisches Bagatellverfahren, Bagatellverfahren Vorschlag der<br />

Kommission vom 15.3.2005, KOM (2005)<br />

87endg.; politische Einigung <strong>im</strong> März 2007<br />

d) Vorschläge zum Unterhaltsverfahren,<br />

Unterhaltsverfahren<br />

grenzüberschreitende Kontenpfändung<br />

Kontenpf ndung,<br />

Europäischer Erbschein


Der Europäische Justizatlas<br />

http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm


1.3. Deutsches Zivilprozessrecht<br />

- Ausführungsvorschriften zur EuGVO enthält das<br />

AVAG; zur VO Brüssel IIa das IntFamVerfG<br />

- seit dem 1.1.2002: § 119 Nr. 1 b) und c) GVG:<br />

Zuständigkeit der OLG als Berufungsgerichte<br />

(dazu BGH NJW 2003, 1672)<br />

- Seit dem 1.1.2004: 11. Buch der ZPO, §§ 1067<br />

– 1075 ZPO (zur Zustellungs- und BeweisVO)<br />

- Erweitert um die Durchführungsvorschriften für<br />

Prozesskostenhilfe und den <strong>Europäischen</strong><br />

Vollstreckungstitel (§§ 1076-1088 ZPO n.F.)


2. Regelungskonzepte der <strong>Europäischen</strong><br />

Justizpolitik<br />

2.1. Der sog. Binnenmarktprozess<br />

- Internationales Zivilprozessrecht wird zum<br />

Integrationsinstrument<br />

- Europarechtliche Harmonisierungskonzepte<br />

(wechselseitiges Vertrauen, gegenseitige<br />

Anerkennung, Herkunftslandprinzip) überlagern<br />

überkommene Regelungstechniken.<br />

- Die Markfreiheiten brechen Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />

in den Prozessrechten der Mitgliedstaaten auf<br />

und schaffen ein eigenständiges Verfahren für<br />

die Rechtsverfolgung <strong>im</strong> Binnenmarkt.


2. Regelungskonzepte der <strong>Europäischen</strong><br />

Justizpolitik<br />

2.1. Der Binnenmarktprozess<br />

Die praktische Folge ist eine Dreiteilung des<br />

Verfahrensrechts in:<br />

1. Vorschriften für rein innerstaatliche<br />

Prozesse<br />

2. Internationales Zivilprozessrecht betrifft<br />

Drittstaaten (d.h. Nicht-EU-Staaten)<br />

3. Binnenmarktprozessrecht betrifft EG-<br />

Staaten


Standardisierung von Prozesshandlungen


3. Die unterschiedlichen Konstellationen der<br />

grenzüberschreitenden Forderungseinziehung<br />

3.1. Rechtswahrung gegenüber<br />

ausländischen Schuldnern in der Praxis<br />

3.2. Inländische Rechtsverfolgung gegen<br />

ausländische Schuldner<br />

3.3. Wege zur Verfahrensbeschleunigung<br />

3.4. Grenzüberschreitende Vollstreckung<br />

inländischer Urteile <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Justizraum


3. Praktische Probleme bei der inländischen<br />

Rechtsverfolgung gegen ausländische Schuldner<br />

1. Inländische Gerichtsstände gegenüber<br />

ausländischen Schuldnern<br />

2. Zustellungen ins europäische Ausland<br />

3. Grenzüberschreitende Anerkennung und<br />

Vollstreckung deutscher Titel <strong>im</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Justizraum


3.1.1. Inländische Gerichtsstände bei<br />

Klagen gegen ausländische Schuldner<br />

- Art. 5 Nr. 1 EuGVO: Erfüllungsort (mit<br />

missglückter Neuregelung 2001)<br />

- Art. 5 Nr. 2 EuGVO: Unterhaltsansprüche<br />

- Art. 5 Nr. 3 EuGVO: unerlaubte Handlung<br />

- Art. 5 Nr. 5 EuGVO: Zweigniederlassung<br />

- Art. 6 Nr. 1 EuGVO: Streitgenossenschaft<br />

- Art. 23 EuGVO: Gerichtsstandsvereinba-<br />

rung


3.1.1. Fehlende internationale Zuständigkeit<br />

deutscher Gerichte bei ausländischen Schuldnern<br />

- Art. 15 ff. EuGVO: Verbraucherstreitigkeiten<br />

gegen ausländische<br />

Konsumenten,<br />

- Art. 22 Nr. 1 EuGVO: Ansprüche aus<br />

Miete und Pacht über ausländische<br />

Immobilien,<br />

- Art. 20 EuGVO: Klagen des inländischen<br />

Arbeitgebers gegen ausländische<br />

Arbeitnehmer


3.1.2. Zustellungen ins europäische<br />

Ausland<br />

Alternativen und anwendbares Recht:<br />

§ 183 I Nr. 1, III ZPO i.V.m. Art. 14 VO<br />

1348/00/EG, § 1068 ZPO: postalische<br />

Zustellung per Einschreiben mit Rückschein,<br />

allerdings Berücksichtigung der jeweiligen<br />

Erklärungen der Mitgliedstaaten<br />

§ 183 I Nr. 2, III ZPO i.V.m. Art. 4 – 11 VO<br />

1348/00/EG, § 1069 ZPO: Zustellungsersuchen;<br />

die Bewirkung der Zustellung richtet sich nach<br />

dem Prozessrecht des ersuchten Staates


3.1.3. Erleichterte Urteilsfreizügigkeit: Der<br />

Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene<br />

Forderungen (VO 805/04/EG)<br />

Ziel: Abschaffung der Exequatur nach dem<br />

Grundsatz der wechselseitigen Anerkennung,<br />

d.h. Wegfall des ordre public, Art. 5, 20 I VO:<br />

„Eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte<br />

Entscheidung wird unter den gleichen<br />

Bedingungen vollstreckt wie eine <strong>im</strong> Vollstrekkungsmitgliedstaat<br />

ergangene Entscheidung“<br />

Rechtsbehelfe können nur <strong>im</strong> Urteilsstaat<br />

eingelegt werden (Art. 21).


3.1.3. Europäischer Vollstreckungstitel für<br />

unbestrittene Forderungen (VO 805/04/EG)<br />

Erteilung des Zeugnisses (Formular) erfolgt nach<br />

Überprüfung der Mindeststandards <strong>im</strong><br />

Urteilsstaat (Art. 6) durch den Rechtspfleger.<br />

Regelungstechnik: Vorgängige Schaffung<br />

prozessualer Mindeststandards durch<br />

Rechtsvereinheitlichung (Kap. III)<br />

- Zustellung (Art. 13 – 15),<br />

- Inhalt der Klageschrift (Art. 16).


3.1.3. Europäischer Vollstreckungstitel für<br />

unbestrittene Forderungen (VO 805/04/EG)<br />

- Rechtsbehelfsbelehrung (Art. 17)<br />

- Standardisierte Prozesshandlungen (For-<br />

mulare in den Anhängen)<br />

Anwendungsbereich:<br />

Nur Titel über Geldforderungen, deren Berechtigung<br />

der Schuldner nicht bestritten hat (insbesondere<br />

Versäumnisurteile, Vollstreckungsbescheide)<br />

sowie Prozessvergleiche und<br />

öffentliche Urkunden (Art. 3, 24, 25)


Der Europäische Vollstreckungstitel für<br />

unbestrittene Forderungen


4. Wege zur Verfahrensbeschleunigung:<br />

4.1. Internationales Mahnverfahren<br />

4.2. Arreste gegen ausländische Schuldner<br />

4.3. Vermögensrecherchen <strong>im</strong> europäischen<br />

Ausland<br />

4.4. <strong>Grenzüberschreitender</strong> Direktzugriff auf<br />

ausländische Konten ?


4.1. Internationales Mahnverfahren<br />

4.1.1. Auslandsgläubiger: Zuständigkeit des AG<br />

Berlin-Schöneberg, § 689 II 2 ZPO, das<br />

Verfahren richtet sich nach den §§ 688 ff. ZPO<br />

4.1.2. Schuldner mit Wohnsitz/Sitz <strong>im</strong> Ausland:<br />

- Ist ein inländischer Gerichtsstand nach Art. 5 ff.<br />

EuGVO gegeben, wird das Mahnverfahren<br />

be<strong>im</strong> international (und örtlich) zuständigen<br />

Gericht durchgeführt, vgl. § 703d II ZPO,<br />

zuständig ist das jeweilige („zentrale“)<br />

Mahngericht (Amtsgericht) des betroffenen<br />

Bundeslandes.


4.1. Internationales Mahnverfahren<br />

- Die Zustellung des Mahnbescheids erfolgt<br />

nach § 32 AVAG, §§ 183 III, 1068 f. ZPO,<br />

VO 1348/00/EG (ZustVO)<br />

+ förmliche Zustellung nach Art. 2 ff.<br />

ZustVO<br />

+ postalische Direktzustellung nach Art. 14<br />

ZustVO (beachte jedoch die Vorbehalte<br />

der Mitgliedstaaten nach Art. 14 II ZustVO)


4.1. Internationales Mahnverfahren<br />

- Besonderheiten des Verfahrens:<br />

Internationale Zuständigkeit ist vom Mahngericht<br />

nachzuprüfen (vgl. § 32 II AVAG)<br />

Übersetzung des Schriftstücks ist<br />

erforderlich – aber: Muster in Sprachen<br />

anderer Mitgliedstaaten der EU sind bei<br />

den Landesjustizverwaltungen erhältlich<br />

Widerspruchsfrist: 1 Monat, § 32 III AVAG<br />

Ab November 2008: VO 1896/06/EG mit<br />

eigenen Formularen


4.2. Grenzüberschreitende Arreste gegen<br />

ausländische Schuldner: Konstellationen:<br />

(1) Inländischer einstweiliger Rechtsschutz<br />

zur Unterstützung eines ausländischen<br />

Hauptsacheverfahrens<br />

(2) <strong>Grenzüberschreitender</strong> einstweiliger<br />

Rechtsschutz, Art. 31 EuGVO<br />

(3) Anerkennung ausländischer,<br />

einstweiliger Maßnahmen, Art. 32<br />

EuGVO


4.2. Arreste gegen ausländische Schuldner<br />

Art. 31 EuGVO verweist für die Zuständigkeit<br />

auf die Prozessrechte der Mitgliedstaaten,<br />

daher sind §§ 919, 937, 942 ZPO (trotz<br />

Anhang I zur EuGVO) anwendbar.<br />

Ausgeschlossen: § 917 II ZPO, Arrestgrund<br />

der (drohenden) Auslandsvollstreckung –<br />

die drohende Vollstreckungsvereitelung<br />

bleibt hingegen Arrestgrund


4.2.1 Inländischer einstweiliger Rechtsschutz<br />

be<strong>im</strong> ausländischen Hauptsacheverfahren<br />

Internationale Zuständigkeit: §§ 919, 942 ZPO,<br />

insbesondere Fiktion der Forderungsbelegenheit<br />

be<strong>im</strong> inländischen Drittschuldner, § 919 Alt. 2,<br />

23 S. 2 ZPO<br />

Zustellung des Arrestbefehls: § 1068 ZPO, Art. 14<br />

ZustVO (Einschreiben mit Rückschein)<br />

Ex parte Entscheidungen sind möglich (§ 922<br />

ZPO)<br />

Wahrung der Vollziehungsfrist (§ 929 II ZPO)<br />

durch Beantragung von Vollstreckungsmaßnahmen


4.2.2 <strong>Grenzüberschreitender</strong> einstweiliger<br />

Rechtsschutz - Alternativen<br />

Erwirkung der Maßnahme <strong>im</strong> Inland, Voll-<br />

streckung <strong>im</strong> Ausland, Art. 32 EuGVO<br />

Interessant in Ländern, die Leistungsverfügungen<br />

in weitem Umfang zulassen (référé<br />

provision, kort geding, inter<strong>im</strong> payment) und die<br />

das Hauptsacheverfahren faktisch verdrängen<br />

Unmittelbare Erwirkung und Vollziehung der<br />

einstweiligen Maßnahme <strong>im</strong> Ausland.


4.2.3. Anerkennung ausländischer,<br />

einstweiliger Maßnahmen, Art. 32 EuGVO<br />

Restriktive Rechtsprechung des EuGH:<br />

(1) Ohne Anhörung des Schuldners sind grenzüberschreitende<br />

Verfügungen nicht zulässig (Rs.<br />

125/79 Denilauler Slg. 1980, 1553)<br />

(2) Entscheidet ein Gericht nach den Zuständigkeitsvorschriften<br />

seines autonomen Rechts, so muss<br />

eine „reale Verknüpfung“ zwischen Vollstrekkungsgegenstand<br />

und angegangenem Gericht<br />

bestehen (Rs. C-391/95 – van Uden, Slg.1998 I<br />

7091)<br />

(3) Die Voraussetzungen müssen sich aus den<br />

Gründen der Entscheidung ergeben (Rs. C-96/99<br />

– Mietz, Slg. 1999 I 2277)


4.2.3. Anerkennung ausländischer,<br />

einstweiliger Maßnahmen, Art. 32 EuGVO<br />

<strong>Grenzüberschreitender</strong> einstweiliger<br />

Rechtsschutz durch englische Gerichte:<br />

(Worldwide) Freezing Order, CPR 25 (1)<br />

République of Haiti v. Duvalier [1990] 1 QB 202<br />

Anerkennung <strong>im</strong> europäischen Ausland:<br />

Crédit Suisse Fides Trust v. Cuoghi [1997] 3<br />

W.L.R. 871<br />

BGE 129 III 626 – Motorola; C.Cass. Rev. Critique<br />

2004, 818


4.3. Vermögensrecherchen <strong>im</strong><br />

europäischen Ausland<br />

1. Online-Recherchen <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Handelsregister sind unproblematisch machbar.<br />

2. Offenbarungsverfahren nach § 807 ZPO<br />

umfasst auch das Auslandsvermögen <strong>im</strong><br />

europäischen Justizraum.<br />

3. Unmittelbare Auskunftsersuchen zwischen<br />

Vollstreckungsorganen sind bisher nicht<br />

vorgesehen (anders etwa <strong>im</strong> Steuerrecht).<br />

4. Vorgeschlagen: Europäische Offenbarungserklärung<br />

und Drittschuldnerauskunft.


4.3. <strong>Grenzüberschreitender</strong> Zugriff auf<br />

ausländische Konten<br />

1. Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den<br />

ausländischen Drittschuldner (§§ 829, 191, 1068<br />

ZPO, Art. 14 VO 1348/00/EG.<br />

2. „Durchgriffspfändung“: Zustellung des PÜB an<br />

die Bankzentrale, Auskunftspflicht (§ 840 ZPO)<br />

über alle Konten des Schuldners <strong>im</strong> In- und <strong>im</strong><br />

Ausland<br />

3. Europäischer Sicherungstitel (ex parte, sofern<br />

vom Gericht der Hauptsache erlassen?) Vgl.<br />

Study JAI A3/02/2002 und Grünbuch der<br />

Kommission vom 26.10.2006.


5. Die Anerkennung und Vollstreckung<br />

ausländischer Urteile<br />

5.1. Urteilsanerkennung nach Art. 34 ff.<br />

EuGVO<br />

5.2. Vorläufige Vollstreckbarkeit nach<br />

Art. 47 EuGVO<br />

5.3. Urteilsfreizügigkeit nach der VO<br />

805/2004/EG über den <strong>Europäischen</strong><br />

Vollstreckungstitel für unbestrittene<br />

Forderungen


5.1. Die Entwicklung der Urteilsfreizügigkeit <strong>im</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Justizraum<br />

(1) Art. 26 ff. EuGVÜ (1968)<br />

Amtswegige Prüfung der Anerkennungshindernisse<br />

durch das Vollstreckungsgericht<br />

(2) Art. 32 ff. EuGVO (2001)<br />

Prüfung der Anerkennungshindernisse nur auf<br />

Rüge des Schuldners <strong>im</strong> Beschwerdeverfahren<br />

(3) Art. 5, 20 EuZVT-VO (2004)<br />

Verzicht auf Exequatur, Verbot der Nachprüfung<br />

von Anerkennungshindernissen,<br />

Vereinheitlichung der maßgeblichen<br />

Verfahrensvorschriften in Art. 12 – 19 VO


5.1. Urteilsanerkennung nach Art 32 ff. EuGVO<br />

Checkliste<br />

1. Anwendbarkeit der EuGVO<br />

1.1. Sachlich, Art. 1 EuGVO<br />

1.2. Temporär Art. 66 II EuGVO: Für Alttitel gelten<br />

die Art. 32 ff. EuGVO gleichermaßen, wenn das Urteil in<br />

einem Vertragsstaat des EuGVÜ erlassen wurde.<br />

Analoge Anwendung der Vorschrift auf Titel, die in den<br />

Beitrittsländern vor dem 1.5.2004 erlassen wurden<br />

1.3. Räumlich (Nicht: Dänemark: EuGVÜ; nicht<br />

Schweiz, Norwegen, Island: LugÜ).


5.1. Urteilsanerkennung nach Art 32 ff. EuGVO<br />

Checkliste<br />

2. Anerkennungsfähiger Titel<br />

Entscheidungen <strong>im</strong> Sinne des Art. 31 EuGVO, Urkunden<br />

(Art. 57 EuGVO), Prozessvergleiche (Art. 58 EuGVO)<br />

3. Antrag des Gläubigers<br />

3.1. Zuständigkeit des Landgerichts, Art. 38 I EuGVO, §§<br />

55, 3 AVAG, örtliche Zuständigkeit: § 3 II AVAG<br />

3.2. Antrag schriftlich oder mündlich zu Protokoll der<br />

Geschäftsstelle, regelmäßig in deutscher Sprache (§ 4 III<br />

AVAG).<br />

4. Vorlage der Bescheinigung nach Art. 53 ff. EuGVO<br />

i.V.m. den Anhängen V und VI


5.2. Die Anerkennungshindernisse des<br />

Art. 34 EuGVO<br />

1. Geltendmachung <strong>im</strong> Rechtsbehelfsverfahren<br />

(Art. 43 ff. EuGVO) auf Initiative des Schuldners<br />

2. Verbot der révision au fond und der<br />

Nachprüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts<br />

(Ausnahme: 35 EuGVO)<br />

3. Praktisch wichtige Versagungsgründe<br />

Art. 34 Nr.1 EuGVO (ordre public)<br />

Art. 34 Nr. 2 EuGVO (Zustellung des verfahrenseinleitenden<br />

Schriftstücks)<br />

Art. 34 Nr. 3 EuGVO (unvereinbare Entscheidung)


5.3. Vorläufige Vollstreckbarkeit<br />

nach Art. 47 EuGVO<br />

Sicherungsmaßnahmen vor Erteilung der Vollstreckbarerklärung,<br />

Art. 47 Abs. 1 EuGVO<br />

- Vorpfändung, § 845 ZPO<br />

- Arrest (ausländisches Urteil entfaltet Tatbestandswirkung)<br />

- Sicherungsvollstreckung, § 720a ZPO, aber 2wöchige<br />

Wartefrist<br />

Prüfung des Vollstreckungsorgans (Gerichtsvollziehers):<br />

Entscheidung nach Art. 32 EuGVO (Übersetzung?),<br />

Begleitformular nach Art. 54 EuGVO?<br />

Keine Befugnis zur Prüfung von Art. 34 EuGVO (str.)


5.3. Vorläufige Vollstreckbarkeit<br />

nach Art. 47 EuGVO<br />

Art. 47 II EuGVO eröffnet dem Gläubiger nach<br />

Erwirkung der Anerkennung die Befugnis zu<br />

Sicherungsmaßnahmen (nach h.M. §§ 928, 930<br />

ZPO analog)<br />

Nach Art. 47 III EuGVO sind bis zum Ablauf der<br />

Rechtsbehelfsfrist bzw. bis zur Entscheidung<br />

über den Rechtsbehelf des Schuldners (Art. 43<br />

EuGVO) nur Sicherungsmaßnahmen zulässig.<br />

Nähere Ausgestaltung in §§ 18 – 24 AVAG


6. Strategien des grenzüberschreitenden<br />

<strong>Forderungseinzug</strong>s<br />

6.1. Gerichtsstandsklauseln, Schiedsverein-<br />

barungen, Rechtswahlklauseln<br />

6.2. Das Europäisches Justizielles Netz und<br />

Clearingstellen <strong>im</strong> europäischen<br />

Verbraucherverfahren<br />

6.3. Die Abwehr ausländischer Verfahren


IV. Internationales<br />

6. Strategien des grenzüberschreitenden<br />

Zivilverfahrensrecht<br />

<strong>Forderungseinzug</strong>s<br />

Prozessvorsorge durch Gerichtsstandsvereinbarungen,<br />

Art. 23 EuGVVO<br />

a) Zulässigkeitb) Zustandekommen der<br />

Vereinbarung<br />

c) Formwirksamkeit (Art. 23 I a-c, II)<br />

d) Reichweite der Vereinbarung (Art. 23 I<br />

EuGVO)<br />

- ausschließliche Zuständigkeit<br />

- abweichende Parteivereinbarung


Prozessvorsorge durch Gerichts-<br />

standsvereinbarung, Art. 23 EuGVO<br />

Beispiel: AGB B-GmbH 14.2. (Einkauf):<br />

„Gerichtsstand bei allen Rechtsstreitigkeiten,<br />

die sich mittelbar oder unmittelbar aus dem<br />

Vertragsverhältnissen ergeben, denen diese<br />

Einkaufsbedingungen zugrunde liegen, ist<br />

Stuttgart. Wir sind weiter berechtigt, den<br />

Lieferanten nach unserer Wahl am Gericht<br />

seines Sitzes oder seiner Niederlassung oder<br />

am Gericht des Erfüllungsortes zu verklagen.“


IV. Internationales<br />

Rechtsfolge der AGB B-GmbH 14.2. (Einkauf):<br />

Zivilverfahrensrecht<br />

Klage gegen B-GmbH: nach Art. 23 EuGVVO nur<br />

in Stuttgart zulässig<br />

Klage von B-GmbH: Wahlmöglichkeiten<br />

Art. 23 EuGVVO: Stuttgart ist prorogiert<br />

Art. 2, 60 EuGVVO: Sitz des Beklagten<br />

Art. 5 Nr. 5 EuGVVO: Niederlassung des<br />

Beklagten<br />

Art. 5 Nr. 1 EuGVVO: Erfüllungsort – best<strong>im</strong>mt<br />

sich nach AGB 13 nach dem jeweiligen Auftrag


6.3. Die Abwehr ausländischer<br />

Verfahren<br />

• Herbeiführung der Rechtshängigkeits-<br />

sperre des Art. 27 EuGVO durch die<br />

negative Feststellungsklage<br />

• Probleme des Rechtsmissbrauchs <strong>im</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Justizraum, EuGH, Rs. C-<br />

116/02 Gasser./.Misat<br />

• Unzulässigkeit der anti-suit injunction,<br />

EuGH, Rs C-159/02, Turner./.Grovit


<strong>Grenzüberschreitender</strong><br />

<strong>Forderungseinzug</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Binnenmarkt<br />

Prof. Dr. Burkhard Hess<br />

Direktor des Instituts für<br />

Ausländisches und Internationales<br />

Privat- und Wirtschaftsrecht<br />

an der Universität Heidelberg<br />

Professeur invité à la Sorbonne (Paris)

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